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ALLGEMEINE PSYCHOLOGIE II
1. Dimensionen der Emotionspsychologie
1.1.
Was ist eine Emotion?



Definition nach Ortony et al. (1987): Emotionswörter beziehen sich auf einen
„internen mentalen Zustand, dessen Fokus v.a. affektiv ist“
Hybridtheorien: Emotionen setzen sich aus verschiedenen Komponenten
zusammen.
 Nach Carlson und Hatfield zeichnen sich Emotionen durch bestimmte Gefühle,
physiologische Veränderungen und Verhaltenstendenzen aus.
 Emotionen enthalten demnach eine Gefühls-, eine kognitive -, eine
physiologische - und eine Verhaltenskomponente.
 Kritik von Jessy Prinz (2004):
1) „Problem of Parts“: Welche Komponenten sind essentiell für eine
bestimmte Emotion?
 Der Gesichtsausdruck scheint es z.B. nicht zu sein, schließlich
können Emotionen auch gespielt sein!
2) “Problem of Plenty”: Wie hängen die verschiedenen Komponenten
miteinander zusammen?
Emotionen dürfen nicht mit Stimmungen oder Gefühlen verwechselt werden.
Ferner muss bedacht werden, dass es sich bei Emotionen um Zustände, nicht um
Dispositionen (Anlagen) handelt.
 Emotion  Stimmung
1) Valenz: Stimmungen sind zwar genau wie Emotionen affektiv (positive
oder negative Valenz)
2) Objektbezug: allerdings sind Stimmungen unspezifisch - während
Emotionen einen Fokus bzw. einen konkreten Anlass haben, sich also
auf etwas Bestimmtes beziehen (Vgl: „to be in a bad mood“ versus „to
be angry with someone / about sth.“)
 Jessy Prinz: Emotionen und Stimmungen haben eine
unterschiedliche Funktion: Erstere zeigen an, wie es in einer
konkreten Situation läuft, letztere, wie es im Allgemeinen läuft.
3) Kognition: Emotionen beruhen auf der kognitiven Einschätzung bzw.
Bewertung äußerer Gegebenheiten; Stimmungen nicht unbedingt.
4) Erlebnisintensität: Emotionen werden stärker empfunden als
Stimmungen.
5) Erlebnisdauer: Dafür sind Stimmungen meist länger andauernd als
Emotionen.
 Emotion  Gefühl
1) Gefühl ist ein unpräziser Begriff; er wird in der Umgangssprache in
unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet:
 Im Sinne einer Emotion (Angst, Liebe,…), einer „Empfindung“
(Wärme- oder Schmerzgefühl), einer Charaktereigenschaften
(Pflichtgefühl) oder auch im Sinne einer Fähigkeit (Ballgefühl).
Außerdem wird der Begriff Gefühl häufig verwendet, um eine
„Ahnung“ auszudrücken (ungutes Gefühl)
2) Zu unterscheiden sind grundsätzlich affektive und nicht-affektive
Gefühle; zu den affektiven Gefühlen gehören dabei nicht nur die
Emotionen, sondern auch Stimmungen (s.o.)
1
3) Nach Ortony & Clore verhält sich das Gefühl zur Emotion wie ein
Symptom zur Krankheit: Gefühl als eine notwendige, aber keineswegs
hinreichende Voraussetzung von Emotion!
 Emotion = Zustand; Dispositionen ( wie z.B. Optimismus/Pessimismus;
konservativ/liberal,…) sind zwar häufig affektiv, aber keine Emotion!
1.2.
Einteilung der Emotionen
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


Valenz: Emotionen lassen sich grob nach ihrer Valenz einteilen: positive
Emotionen versus negative Emotionen
 Frijda: angenehm – unangenehm
 Lazarus: zielkongruent – zielinkongruent
 MacLean: Annäherung – Vermeidung
 Tomkins: Aufmerksamkeit nach innen – Aufmerksamkeit nach außen
 Prinz: positiver innerer Verstärker (mehr davon) – negativer innerer Verstärker
(weniger davon)
Dimensionsansätze (z.B. Wundt, Russell):
 Laut Wundt weisen alle Emotionen zwei grundlegende Dimensionen auf, nach
denen sie sich unterscheiden und einteilen lassen: die Valenz (Lust/Unlust) und
die Erregung (Erregung/Ruhe)
 Vgl. hierzu den Circumplex von Russell (1980): die beiden konstatierten
Dimensionen werden als orthogonale Achsen dargestellt, wobei die
verschiedenen Emotionen kreisförmig um den Schnittpunkt dieser Achsen
angeordnet sind.
Kategoriale Ansätze (z.B. Shaver): Die verschiedenen Emotionsbegriffe werden
bestimmten Kategorien zugeordnet (u.a. Liebe, Freude, Überraschung, Ärger,…)
Basisemotionen (z.B. Ekman, Friesen, Plutchik): Zahlreiche Theorien gehen von
sog. Basisemotionen aus.
 Kennzeichen von Basisemotionen:
1) sie besitzen ein spezifisches physiologisches Grundmuster,
2) sind universal (kommen also in allen Kulturen vor),
3) treten ontogenetisch früher auf,
4) besitzen einen höheren evolutionären Anpassungswert
 Ekman: Freude, Ekel, Überraschung, Trauer, Angst, Ärger (insgesamt 6)
 Plutchik: Freude, Erwartung, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer, Ekel,
Akzeptanz (insgesamt 8)
 Plutchik vergleicht die Emotionen mit einer Farbpalette, wobei die
Basisemotionen die Grundfarben darstellen und die übrigen Emotionen
durch die Kombination bzw. Mischung dieser entstehen (Liebe als eine
Mischung aus Freude und Akzeptanz).
 Siehe: EXKURS
 Auch durch kulturelle Einflüsse könnten aus wenigen Basisemotionen neue
Emotionen entstanden sein.
 Stolz könnte z.B. als eine kulturell bedingte Form von Freude
angesehen werden, schließlich ist es z.B. im östlichen Kulturraum in
der Tat unüblich, auf eigene Leistungen stolz zu sein.
 Scherer vergleicht Emotionen mit einem Kaleidoskop; er geht also nicht von
Basisemotionen aus, sondern davon, dass sich die einzelnen Emotionen aus
verschiedenen Basiskomponenten zusammensetzen.
2
 Kritik am Konzept der Basisemotionen durch Ortony u. Turner:
 Uneineinigkeit über die Anzahl der Basisemotionen
 Unklarheit über die spezifischen physiologischen Grundmuster
 Viele Komponenten (wie z.B. der Korrugator) sind Teil mehrerer
Emotionen
 Fehlende Kriterien für Reduzierbarkeit (Warum sollten die
postulierten Basisemotionen nicht zu noch „basaleren“ Emotionen
zusammengefasst werden können?!)
 Kritik am Konzept der Basisemotionen durch Prinz:
 Z.B.: Ärger = Mischung aus Frustration + Absicht
 Emotionen können folgendermaßen unterschieden werden:
 Psychometrisch (anhand der eigenen Wahrnehmung bzw.
Selbsteinschätzung, d.h. mit Hilfe von Fragebögen)
 Physiologisch (anhand physiologischer Merkmale, z.B. der Herzrate
usw.)
 Expressiv (anhand des Gesichtsausdrucks, z.B. mit Hilfe des FACS)
 Kognitiv (anhand der Situation - bzw. deren Bewertung – durch welche
die jeweilige Emotion hervorgerufen wird)
1.4.
Das Messen von Emotionen



Emotionen sind nicht direkt -, sondern lediglich anhand bestimmter Indikatoren zu
erfassen. Zu unterscheiden sind dabei 3 Methoden. Emotionen können (1) mit
subjektiven Verfahren, (2) mittels physiologischer Maße oder (3) durch
Verhaltensbeobachtung „gemessen“ werden.
Subjektive (introspektive) Verfahren: Menschen haben Zugang zu ihren
Emotionen und können sie dementsprechend beschreiben.
 Selbstbericht-Fragebögen
dienen
v.a.
dazu,
relativ
dauerhafte
Persönlichkeitszüge im Sinne emotionaler Dispositionen zu erfassen.
 Likert-Skala (von „lehne entschieden ab“ bis „stimme stark zu“); BorgSkala
 Adjektiv-Checklisten sind eher dazu geeignet, momentane emotionale
Zustände zu erfassen.
 MAACL (misst drei Emotionen, nämlich anxiety, depression, angerhostility); MACL (Mood Adjective Checklist – misst alle Emotionen)
 Kritik: Geringer Aufwand, relativ reliabel – wie alle Fragebögen allerdings
stark abhängig von der Ehrlichkeit der VP (mögliches Problem: soziale
Erwünschtheit)
Physiologische Maße: Zusammenhang zwischen bestimmten Biosignalen
(Herzfrequenz, Atmung, Schweißabsonderung,…) und der kognitiven Aktivität
bzw. dem emotionalen Erleben
 EMG (Elektromyogramm): Ableitung elektronischer Potentiale auf der Haut,
die von der Aktivität des darunter liegenden Muskels herrühren (z.B.
„Korrugator“ = „Stirn runzeln“)
 EEG (Elektroenzephalogramm): Messung der neuronalen Aktivität im Gehirn
 EKG (Elektrokardiogramm): Messung der Herzfrequenz /-rate
 SPR (Skin Potential Response): Messung der Aktionspotentiale, die für die
Aktivierung der Schweißdrüsen verantwortlich sind
 SCR (Skin Conductance Response) / GSR (Galvanic Skin Response):
Messung der elektrischen Leitfähigkeit der Haut (insbes. an den Handflächen)
 Strom wird durch die Haut geleitet. Je aktiver die Schweißdrüsen, desto
leitfähiger die Haut, desto größer die emotionale Erregung
3


 Kritik: Zusammenhang zwischen Biosignalen und einer bestimmten Emotion
nicht immer eindeutig (es kann daher weniger die Emotionsqualität, als viel
mehr deren Quantität erfasst werden); experimentell induzierte Emotionen
sind problematisch
Verhaltensbeobachtung:
Bestimmte
Emotionen
lösen
bestimmte
Verhaltenstendenzen aus (Angst > Flucht > Schutz; Ärger > Angriff > Zerstörung;
Freude > Geselligkeit > Reproduktion; Trauer > Weinen > Reintegration; Ekel >
Ausspucken> Zurückweisung)
 Verhaltensbeobachtung ist besonders bei Kindern (die sich noch nicht
mitteilen können) und Tieren (bei Versuchen, die aus ethischen Gründen an
Menschen unvertretbar wären) relevant.
 Pavlov: „experimentelle Neurose“ bei Hunden (UV: die Schwierigkeit,
Ellipse und Kreis voneinander zu unterscheiden; von leicht bis
unmöglich / AV: Verhalten der Tiere)
 Kritik: zeitaufwändiges Beobachtertraining; Inter-Rater-Reliabilität
„Triangulation“: Am besten ist es, alle drei Emotionskomponenten (subjektives
Empfinden; physiologische Reaktion und Verhalten) zu berücksichtigen, um zu
einer möglichst differenzierten Messung zu gelangen.
4
EXKURS: Evolutionäre und behavioristische Psychologie
1. Evolutionäre Psychologie vs. behavioristische Psychologie
 Evolutionäre Psychologie: Es gibt verschiedene psychologische Mechanismen


(dazu gehören auch Emotionen), die im Laufe der Evolution in Folge von speziellen
Anpassungsproblemen entstanden sind.
 Solche sog. EP-Mechanismen haben eine große Ähnlichkeit mit Instinkten.
Sie sind angeboren und dienen der Lösung spezieller Anpassungsprobleme.
Der Behaviorismus geht dagegen von einigen wenigen Allzweckmechanismen
aus, mit deren Hilfe eine Vielzahl von Problemen gelöst werden kann.
 Die
wichtigsten
Mechanismen
sind
laut
dem
Behaviorismus
Konditionierungs- bzw. Lernprozesse!
Beispiele für evolutionäre Emotionsmodelle:
1. Liebe (Kap.6.1.)
2. Angst als Evolutionsvorteil (sichert Überleben)
3. Eifersucht:
 Bei Männern äußert sich Eifersucht anders als bei Frauen. Während letztere
v.a. bei emotionaler Untreue eifersüchtig werden, sind es Männer v.a. bei
sexueller Untreue.
 Ursache hierfür sind die unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien bzw. die
verschiedenen Anpassungsprobleme von Männern und Frauen. Ersteren geht
es darum, die eigene Vaterschaft zu sichern, letzteren um die Unterstützung
des Partners bei der Aufzucht des Nachwuchses.
 Kritik: die Unterschiede müssen nicht unbedingt genetisch bedingt sein,
sondern können auch auf unterschiedlicher Sozialisation und Erziehung
beruhen („sexueller Erfolg“ als männliche Tugend, emotionale Verbundenheit
als weibliche Tugend?!)
2. Plutchiks psychoevolutionäre Emotionstheorie

Plutchik stellt insgesamt 10 Postulate auf:
 Dabei geht er davon aus, dass Emotion, Verhalten und Evolution eng
miteinander verknüpft sind.
 Um genau zu sein, hält er Emotionen für vererbte, adaptive Verhaltensmuster,
die sich im Laufe der Evolution herausgebildet haben.
 Insgesamt gibt es laut Plutchik 8 Basisemotionen (s.o.), die jeweils
Gegensatzpaare bilden und spezifische Anpassungsvorteile mit sich bringen:
 Freude vs. Trauer
 Ärger vs. Angst
 Akzeptanz vs. Ekel
 Überraschung vs. Erwartung
 Bei den übrigen Emotionen handelt es sich laut Plutchik um Mischformen
dieser Basisemotionen.
 Dyade: Mischung zweier Basisemotionen
 Triade: Mischung dreier Basisemotionen
5

 Die verschiedenen Emotionen können dabei hinsichtlich ihrer Intensität und
ihrer Ähnlichkeit variieren.
 Dementsprechend gliedert Plutchik die Emotionen in einem
dreidimensionalen „Emotion Solid“: Die Basisemotionen sind dabei
kreisförmig angeordnet, wobei ähnliche Emotionen näher beieinander und gegensätzliche einander gegenüber liegen (Ärger liegt z.B. neben
Ekel und gegenüber von Akzeptanz). Nach oben hin nimmt die
Intensität der jew. Emotion zu (so dass z.B. aus Ärger Wut wird), nach
unten hin ab.
Nach Plutchik umfasst jede Emotion 3 Aspekte: das subjektive Gefühl, ein
bestimmtes Verhalten und die Funktion dieses Verhaltens. Je nachdem, auf
welchen Aspekt der Schwerpunkt gelegt wird, kann eine Emotion bzw. eine
emotionale Situation dementsprechend auf versch. Weise beschrieben werden:
 subjektive Sprache (das Gefühl beschreibend: „Ich hatte Angst.“)
 verhaltensbezogene Sprache (die Reaktion beschreibend: „Ich rannte weg.“)
 funktionale Sprache (das Ergebnis der Reaktion beschreibend: „Ich entkam.“)
3. Millensons Verhaltensanalyse




Millensons Ansatz ist anders als Plutchiks nicht evolutionär, sondern behavioristisch.
Es gibt 3 angeborene Basisemotionen (Angst, Ärger und Begeisterung), die durch
unkonditionierte Stimuli ausgelöst werden.
 Angst: ausgelöst durch negativen Verstärker
 Begeisterung: ausgelöst durch positiven Verstärker
 Ärger: ausgelöst durch das Wegfallen eines positiven Verstärkers
Die übrigen Emotionen leiten sich aus diesen Basisemotionen ab. Sie entstehen durch
klassische Konditionierung.
Laut Millenson gibt es folgende Methoden zur Kontrolle der eigenen Emotionen
(werden von erwachsenen bzw. reifen Menschen besser beherrscht als von unreifen):
1. Habituation bzw. Adaption
 Gewöhnung durch Wiederholung (sozusagen eine bewusste
Abstumpfung)
2. Maskierung
 Verzicht auf Emotionsausdruck bzw. Vortäuschung einer falschen
Emotion (lachen statt weinen)
3. Vermeidung
 Die Vermeidung derjenigen Verstärker, durch die die Emotion
ausgelöst wird.
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2. Emotion und der Körper
2.1. Wie werden Emotionen ausgelöst?
2.1.1. William James (1884)



Perspektivwechsel: Die körperlichen Reaktionen sind keine Folge der Emotion,
sondern deren Voraussetzung. Emotion ist demnach nur indirekt die Folge eines
Außenreizes, vielmehr handelt es sich bei einer Emotion um die Empfindung der
körperlichen Reaktionen auf diesen Außenreiz.
 Man weint nicht, weil man traurig ist, sondern ist traurig, weil man weint!
Schematische Abfolge:
 Situation bzw. emotional relevanter Reiz (z.B. Bär)
 Physische Reaktion (Laufen, Herzrasen,…)
 Sensorisches Feedback ans Gehirn
 Emotion (Angst)
James’ Modell beruht auf 3 Grundannahmen:
1) Die Wahrnehmung einer Situation ist hinreichend für die körperlichen
Veränderungen.
2) Physische Veränderungen sind emotionsspezifisch und können bewusst
werden.
3) Das bewusste Erleben der (spezifischen) körperlichen Veränderungen ist die
Emotion.
2.1.2. Walter Cannon (1927)



Kritik am Ansatz von William James:
1) Autonome (vom autonomen, genauer: vom sympathischen Nervenssystem
ausgehende) Reaktionen sind zu unspezifisch, um spezifische Emotionen
auslösen zu können.
2) Autonome Reaktionen (wie z.B. die Ausschüttung bestimmter Hormone) sind
zu langsam, um den Emotionen vorauszugehen.
3) Tierversuche zeigen: Emotionales Erleben ist trotz der Abtrennung der
viszeralen Rückmeldung vom ZNS möglich.
4) Künstliches Herbeiführen typischer viszeraler Veränderungen führt nicht zur
Auslösung der entsprechenden Emotionen.
 Maranon: Die Induktion von Adrenalin führt zu keinen einheitlichen
Emotionen.
Konzept der „Notfallreaktion“: Die vom Sympathikus ausgehenden physischen
Reaktionen sind adaptiv; sie dienen sozusagen der ökonomischen Krafteinteilung:
Bestimmte Organe werden je nach Bedarf besser oder schlechter mit Blut versorgt.
Fazit: Die körperlichen Reaktionen (ANS- Aktivität) sind laut Cannon lediglich
für die Ausprägung/Intensität der Emotionen verantwortlich, nicht für deren
Qualität!
2.1.3. Behaviorismus

Emotionen = Handlungen in bestimmten Situationen. Was zwischen Reiz und
Reaktion liegt, ist der wissenschaftlichen Untersuchung unzugänglich und wird
daher als „Black Box“ betrachtet.
7
2.2. Zweifaktorentheorien
2.2.1. Schachter und Singer (1962)






Wie James halten auch Schachter und Singer die physiologischen Reaktionen für
einen wesentlichen Bestandteil jeder Emotion.
Allerdings sind die wie Cannon der Auffassung, dass die physiologische
Rückmeldung zu unspezifisch ist, um spezifische Emotionen auszulösen; es bedarf
daher zunächst der kognitiven Deutung der Rückmeldung.
 Der unspezifische Erregungszustand gibt lediglich an, dass ein emotionaler
Zustand vorliegt – und wie stark dieser ist. Um welche Emotion es sich konkret
handelt, wird aus der jeweiligen Situation geschlossen, in der die Erregung
auftritt.
 Kognitive Attribution = Die Erregung wird auf eine emotionale Ursache
zurückgeführt.
Schematische Abfolge:
 Reiz
 Unspezifische Erregung bzw. physiologische Rückmeldung
 Kognition (Attribution)
 Emotion
Fazit: Die physiologische Erregung bestimmt die Intensität der Emotion, die
Kognition deren Qualität!
EXPERIMENT:
 UV – Manipulationen:
1) Erregung: Injektion von Adrenalin vs. Placebo
 Coverstory: Angeblich soll der Einfluss eines „Vitamins“ auf die
Sehleistung überprüft werden.
2) Erklärungsbedürfnis: Vpn werden über die Nebenwirkung des „Vitamins“
entweder richtig informiert, falsch informiert oder gar nicht informiert.
3) Kognitive Attribution: angenehmes vs. unangenehmes Umfeld (eine
angebliche andere VP („Verbündeter“ des VL) verhält sich entweder
euphorisch oder verärgert).
 AV: Emotionales Empfinden der VP (Selbsteinschätzung und Verhalten)
 Hypothesen:
 Die nicht bzw. falsch informierten VPs sollten die durch das Adrenalin
ausgelöste Erregung je nach Situation anders deuten. Entsprechend
dem Verhalten der anderen „VP“ sollten sie entweder ärgerlich oder
euphorisch werden. In der Placebogruppe und bei den informierten
VPn sollte dieser Effekt nicht auftreten.
 Ergebnisse: Die Ergebnisse scheinen das Modell von Schachter und Singer zu
bestätigen.
 Kritik: Experiment konnte nicht repliziert werden
Grundsätzliche Kritik am Modell von Schachter und Singer:
 Beta-Blocker-Untersuchungen geben keinen Hinweis auf verringerte
emotionale Empfindung. Dabei hemmen Beta-Blocker die physischen
Reaktionen.
 Untersuchungen zur Emotionalität bei Querschnittsgelähmten ergeben keinen
eindeutigen Hinweis darauf, dass physiologische Erregung eine notwendige
Voraussetzung für Emotionalität ist.
8
2.2.2. Zillmann (70er)

Erregungstransfereffekt: Die physische Erregung ist unspezifisch und klingt nur
langsam ab; daher wird vom Menschen nicht immer die richtige Quelle der
Erregung erkannt. Erregung, die eigentlich aus einer vorhergehenden Situation
resultiert, wird auf eine gegenwärtige Situation zurückgeführt.
 Zillmann zeigte in diesem Zusammenhang z.B., dass sexuelle Erregung
Aggression steigern kann.
2.2.3. Stuart Valins (70er)




Weniger die physiologische Erregung selbst, als vielmehr deren kognitive
Repräsentation ist notwendig für das Emotionsempfinden. D.h.: Die Erregung
muss erst bewusst wahrgenommen werden, um das emotionale Erleben zu
beeinflussen.
EXPERIMENT:
 VPn bekommen ein falsches Feedback über ihre Herzfrequenz beim
Betrachten von Aktfotos. Bei der anschließenden Beurteilung der Fotos zeigt
sich, dass die Personen attraktiver eingeschätzt werden, bei denen eine höhere
Herzfrequenz rückgemeldet wurde, selbst wenn die tatsächliche Herzfrequenz
dem gar nicht entsprochen hatte.
 Kritik: Attraktvitätseinschätzungen sind nicht mit Emotionen gleichzusetzen;
das falsche Feedback kann die autonome Erregung beeinflusst haben.
Kognitive Repräsentation der Physiologie + Interpretation = Emotion
Vorwegnahme von Damasios As-if-Loops
2.3. Moderne physiologische Ansätze
2.3.0. Grundsätzliches:





Zentrales Nervensystem (ZNS):
 Gehirn + Rückenmark
Peripheres Nervensystem (PNS):
 Autonomes Nervensystem (ANS):
 bestehend aus Sympathikus (überwiegend aktivierend) und Parasympathikus (überwiegend hemmend)
 für die inneren Organe (z.B. Herzrate, Schweißdrüsen,…) zuständig
 dem Bewusstsein unzugänglich und daher nicht willentlich steuerbar.
 3. – 12. Hirnnerv
 somatisches Nervensystem
 bewusst und willkürlich steuerbar
 Hypophyse
 für die Hormonausschüttung zuständig
Afferente Nervenbahnen (von der Peripherie bzw. dem Körper zum ZNS):
sensorische Information
Efferente Nervenbahnen (vom ZNS zur Peripherie): motorische Befehle an die
Muskeln usw.
Limbisches System: wird von vielen Forschern als der zentrale Sitz der
Emotionen angesehen.
9
2.3.1. Der Papez-Loop (1937)



Papez unterscheidet zwischen einem „stream of feeling“ (Thalamus =>
Hypothalamus), einem „stream of movement“ (Thalamus => Basalganglien) und
einem „stream of thought“ (Thalamus => Kortex)
Grundsätzlich gibt es im Gehirn 2 Möglichkeiten der Informationsverarbeitung:
1. Entweder die Information wird direkt vom Thalamus zum Hirnstamm
weitergeleitet: auf diese Weise wird durch emotionale
Reize direkt
emotionales Verhalten ausgelöst
2. Oder die Information wird über den Kortex („stream of thought“)
weitergeleitet: dort werden die emotionalen Reize kognitiv verarbeitet, was
wiederum Einfluss auf das emotionale Verhalten hat.
 Dieser Weg der Informationsverarbeitung wird als „Papez-Loop“
bezeichnet.
Auf diesem Papez-Loop baut auch LeDoux’ Ansatz auf!
2.3.2. LeDoux (2-Stufen-Modell, 1996)




Traditionell ging man davon aus, dass die sensorischen Informationen (z.B. vom
Auge oder Ohr) über den Thalamus zum Neokortex weitergeleitet werden, wo sie
semantisch interpretiert werden, bevor sie schließlich in der Amygdala die
physischen Reaktionen hervorrufen.
LeDoux hat allerdings entdeckt, dass die sensorischen Informationen vom
Thalamus auch direkt und ohne die Vermittlung über den Neokortex an die
Amygdala weitergeleitet werden können. Demnach gibt es 2 Arten der
emotionalen Informationsverarbeitung.
1) Low Road:
 In einfachen Situationen, die eine schnelle Reaktion erfordern, werden die
emotional relevanten Informationen vom Thalamus direkt zum limbischen
System - genauer: zur Amygdala – geleitet, wo sie das entsprechende
Verhalten (wie z.B. Flucht) auslösen, ohne vorher im Neokortex kognitiv
verarbeitet worden zu sein. Auf diese Weise werden automatische, mehr
oder minder unbewusste emotionale Reaktionen ausgelöst.
 So kann es z.B. passieren, dass wir vor einer vermeintlichen
„Schlange“ flüchten und erst im Nachhinein erkennen, dass es sich
dabei lediglich um einen harmlosen Ast gehandelt hat. Die sensorische
Information wird zunächst nur oberflächlich verarbeitet, während die
Amygdala bereits die entsprechende Fluchtreaktionen einleitet.
2) High Road:
 In komplexen Situationen wird die Information zusätzlich zum Neokortex
geleitet, wo sie kognitiv verarbeitet und dadurch bewusst wird.
Das neurophysiologische Modell LeDoux’ deckt sich mit Schachter’s und Singer’s
2-Faktorentheorie (ist gewissermaßen deren neurophysiologische Grundlage)!
LeDoux betont die Bedeutung der Amygdala, der seiner Ansicht nach eine
zentrale Rolle bei der affektiven Bewertung von Reizen zukommt.
 Affen ohne Amygdala können Objekte zwar noch perfekt wahrnehmen,
aber nicht mehr deren emotionale Valenz einschätzen. Sie zeigen z.B.
keine Angst mehr vor Menschen.
10
2.3.3. Damasio




„Somatic-Marker-Hypothesis“: Rationale Entscheidungen werden durch
emotionale somatische Reaktionen beeinflusst, die ihrerseits auf vorangegangene
Konditionierungsprozesse zurückzuführen sind.
„As-if-Loops“: Körperliche Rückmeldungen können auch ohne tatsächliche
physische Erregung im Gehirn generiert werden. Wir können in unserem Gehirn
also die Vorstellung körperlicher Erregung erzeugen, ohne dass eine solche
Erregung tatsächlich vorliegen muss (Vgl. Stuart Valins).
 Indem Damasio die neuronalen Grundlagen der Körperwahrnehmung
untersucht, handelt es sich bei seinem Ansatz gewissermaßen um eine
Erweiterung von William James.
EXPERIMENT: VPn sollten sich in eine selbst erlebte emotionale Situation
versetzen. Währenddessen wurde mittels moderner Bildgebungsverfahren ihre
Gehirnaktivität gemessen. Dabei zeigte sich, dass v.a. die Areale aktiv waren, die
für die Körperrückmelddung zuständig sind.
Auf diese Weise kann auch der mangelnde Effekt von Beta-Blockern sowie die
Emotionalität von Querschnittsgelähmten erklärt werden.
11
3. Der Einfluss von Kognitionen auf Emotionen
3.1. Kognitive Emotionsmodelle
3.1.0. Allgemeines zu den kognitiven Ansätzen







Grundfrage: Welche Arten von Ereignissen, Handlungen oder Objekten lösen welche
Emotionen aus? Welche kognitive Interpretation löst welche spezifische Emotion aus?
Schematische Gliederung der verschiedenen Emotionen!
Methoden:
1) Vignetten (Situationsbeschreibungen und deren Auswirkung auf die
emotionale Befindlichkeit der VP)
2) Prototypen (Sammeln, sortieren und kategorisieren der verschiedenen
Emotionsbegriffe)
3) Künstliche Erzeugung von Emotionen (z.B. durch Bilder oder Filme)
4) Erinnerung an emotionale Situationen
Hauptproblem: alle Methoden beruhen auf Introspektion. Es ist allerdings fraglich,
ob überhaupt alle kognitiven und emotionalen Prozesse dem Bewusstsein und damit
der Introspektion zugänglich sind.
Die meisten kognitiven Emotionstheorien gehen von Zielen aus.
 Fortschritte im Hinblick auf ein persönliches Ziel führen zu positiven
Emotionen.
 Rückschritte im Hinblick auf ein solches Ziel führen zu negativen Emotionen.
Ortony, Clore und Collins unterscheiden dabei zwischen 3 Arten von Zielen:
1) Aktiv angestrebte Ziele (Dinge, die man durch eigenes Handeln beeinflussen
kann)
2) Passive Interessensziele (Dinge, die man sich zwar wünschen würde, die man
aber nicht beeinflussen kann)
3) „Natürliche“ Ziele (z.B. biologische Bedürfnisse wie schlafen, essen,…)
Die Intensität positiver und negativer Emotionen hängt u.a. von folgenden Faktoren
ab (Wyer u. Srull):
 Der subjektiven Wichtigkeit des Ziels
 Der Distanz zum Ziel
 Der bisher aufgebrachten Energie (dem Aufwand /„Investment“)
Kriterien zur Bewertung kognitiver Emotionstheorien:
 Formalisierungsgrad (mathematisch)
 Testbarkeit (Einbeziehung der Emotionsintensität?!)
 Verhalten beachtet (ja – nein?!)
 Erklärung aller Emotionen?!
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3.1.1. Magda Arnold (60er)
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
Damit ein Reiz eine Emotion auslösen kann, muss das Gehirn zunächst die Bedeutung
dieses Reizes bewerten. Diese Bewertung erfolgt bewusst oder unbewusst; im
Nachhinein allerdings haben wir bewussten Zugang zu den Bewertungsprozessen!
 Die Bewertungs- bzw. Appraisaldimensionen sind dabei laut Arnold: (1) gut
oder schlecht für uns?! (2) Sind die Objekte anwesend oder abwesend?! (3)
Schwierig bzw. einfach zu erreichen / zu vermeiden?!
Die Bewertung des Reizes führt zu entsprechenden Handlungstendenzen (Annäherung
oder Ablehnung).
 Anders als James setzt Arnold die tatsächliche Handlung nicht voraus; die
bloße Tendenz genügt, um die entsprechende Emotion auszulösen.
Dabei ist die bewusste Emotion, ähnlich wie bei Schachter und Singer, nicht mit der
Handlungstendenz gleichzusetzen, sondern deren Deutung.
Schematischer Ablauf:
 Reiz
 Bewertung
 Handlungstendenz
 Gefühl
Damit kann erklärt werden, warum schon kleine Variationen der Situation bzw. des
Reizes unsere Emotion drastisch verändern können (ein freier Bär wird völlig anders
bewertet als einer hinter Gittern).
3.1.2. Richard Lazarus (90er)



Nicht die objektive Situation ist emotionsauslösend, sondern die subjektive
Interpretation der Situation, d.h. deren subjektive Bewertung bzw. Einschätzung.
Lazarus unterscheidet folgende Appraisaldimensionen:
1) Primary Appraisal: beziehen sich auf die Bewertung eines Reizes im
Hinblick auf das eigene Wohlergehen.
 Zielrelevanz (Ist der Reiz für meine Ziele relevant?)
 Zielkongruenz (Ist der Reiz für meine Ziele nützlich oder hinderlich?)
 Art der Selbstinvolviertheit
2) Secondary Appraisal: beziehen sich auf die momentanen Ressourcen im
Umgang mit dem entsprechenden Reiz (Ereignis/Handlung)
 Wer oder was ist verantwortlich?
 Coping Möglichkeit
 Zukunftserwartung
3) Reappraisal: beziehen sich auf fortlaufende Neueinschätzungen durch die
Veränderung der Umwelt.
EXPERIMENT: VPn wird ein brutaler Film über Beschneidungen gezeigt. Variiert
wird lediglich der Kommentar zum Film.
 UV: positiver bzw. verharmlosender Kommentar vs. negativer Kommentar
 AV: emotionales Empfinden der VPs (physische Reaktionen + Selbstauskunft)
 Ergebnis: die unterschiedlichen Kommentare bzw. unterschiedlichen
Bewertungen des Films führten in der Tat dazu, dass der Film unterschiedliche
Emotionen auslöste.
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3.1.3. Smith u. Ellsworth


EXPERIMENT: Erinnern und Einschätzen emotionaler Erlebnisse. Die Einschätzung
sollte anhand vorgegebener Kriterien erfolgen: z.B.: Erfreulichkeit; Anstrengung;
Kontrollierbarkeit;…
Ziel: die Ermittlung relevanter Appraisaldimensionen (Welche Bewertungskriterien
hängen mit welchen Emotionen zusammen?!)
3.2. Kritik an kognitiven Ansätzen
3.2.1. Robert Zajonc (1980)




Zajonc wendet sich gegen die Auffassung, dass Emotionen immer auf kognitiven
Prozessen beruhen. Er weist entschieden auf die Unterschiede hin, die zwischen
Emotion und Kognition bestehen und betrachtet Denken und Fühlen als 2 voneinander
unabhängige Systeme (Separate System Modell).
1) Emotionen kommen phylogenetisch und ontogenetisch vor Kognitionen.
2) Emotionen und Kognitionen sind getrennten neuroanatomischen Strukturen
zuzuordnen.
3) Appraisals und Affekt, d.h. die Einschätzung eines Reizes und wie wir darauf
reagieren, sind nicht immer kongruent.
 Vgl. Höhen- oder Spinnenangst: obwohl man weiß, dass nichts
passieren kann, hat man Angst!
4) Emotionen können ohne vorhergehende Appraisals auftreten.
Schematischer Ablauf: Reiz => unbewusster Affekt => Gefühl bzw. Emotion
EXPERIMENT I: Effekt der bloßen Darbietung
 Die Vorliebe für chinesische Schriftzeichen steigt mit der Anzahl ihrer
Darbietung („mere exposure“-Effekt). Das gilt auch bei unterschwelliger
Darbietung der Schriftzeichen.
 Ergo: Die emotionale Verarbeitung von Reizen kann auch unbewusst
stattfinden. Daraus schließt Zajonc, dass die emotionale Verarbeitung von
Reizen ohne Kognition auskommt.
 Diese Schlussfolgerung ist allerdings problematisch, schließlich
können auch kognitive Prozesse unbewusst ablaufen.
 Nichtsdestotrotz werden durch Zajoncs Untersuchungen die kognitiven
Modelle zumindest in Frage gestellt. Schließlich gehen die meisten
dieser Modelle davon aus, dass der Mensch bewussten Zugang hat zu
den Prozessen und Kriterien, die der Bewertung eines emotional
relevanten Reizes zugrunde liegen. Aber ist Introspektion tatsächlich
eine verlässliche Datengrundlage?! Sind die Bewertungsmechanismen
überhaupt introspektiv zugänglich? Zwar werden wir uns meistens über
das Ergebnis unserer Bewertungen bewusst – nicht aber über die
Grundlagen dieser Bewertung (Warum ist uns der eine sympathisch,
der andere dagegen nicht?!). Vgl. hierzu auch: John Bargh, der die
Existenz unbewusster Einstellungen, Ziele und Absichten
nachgewiesen hat (unbewusste Vorurteile).
 Kritik: Lazarus bestreitet, dass es sich bei denen von Zajonc untersuchten
Phänomenen (=Präferenzen) um Emotionen handelt.
EXPERIMENT II: „affective priming“
 Die subliminale Darbietung emotionaler Gesichtsausdrücke beeinflusst die
Einschätzung nachfolgend gezeigter chinesischer Schriftzeichen.
14
3.2.2. Joseph LeDoux

Hirnphysiologische Erklärung dafür, warum Emotion nicht mit Kognition
gleichzusetzen ist.
1) Wahrnehmung und emotionale Bewertung eines Reizes werden im Gehirn getrennt
verarbeitet.
2) Emotionale Reizbewertung erfolgt schneller als die kognitive Reizbewertung
(siehe: sensorische Information vom Thalamus direkt zur Amygdala)
3) Die emotionale Bewertung eines Reizes ist enger an bestimmtes Verhalten
geknüpft als dessen kognitive Bewertung.
4) Emos sind im Gegensatz zu Kognitionen eng an physische Reaktionen geknüpft.
3.3. Weitere kognitive Emotionstheorien
3.3.1. Bernard Weiner’s Attributionstheorie (1985)



Wie Schachter und Singer geht Weiner davon aus, dass Attributionsprozesse bei der
Entstehung von Emotionen eine wichtige Rolle spielen. Allerdings misst er dabei der
physiologischen Erregung (Arrousal) keine Bedeutung bei.
Nach Weiner handelt es sich bei emotionalen Episoden um sequentielle Prozesse
(daher auch „2-Stufen-Modell“):
1) Valenz: In einem ersten Schritt wird jedes emotional relevante Ereignis
hinsichtlich seiner Konsequenzen als positiv oder negativ bewertet. Es geht also
ganz allgemein darum, ob ein Ereignis positiv oder negativ zu bewerten ist.
2) Ursachenattribution: In einem zweiten Schritt wird nach der Ursache des
Ereignisses gefragt. Man versucht sozusagen, sich die eigene Emotion zu erklären.
 Dabei wird die Ursache nach folgenden Kriterien (Dimensionen) beurteilt:
1) Lokus der Verursachung (selbst- oder fremdverursacht?!)
2) Stabilität (stabil oder variabel?! / Konsequenzen gewiss oder ungewiss?!)
3) Kontrollierbarkeit (Inwiefern hat man selbst/ der andere Einfluss auf das
Ereignis?!)
Beispiele dafür, welche kognitiven Interpretationen zu welchen Emotionen führen
(genauso ist es möglich, von den Emotionen auf deren Ursache zu schließen):
 Schuld: selbstverursacht - kontrollierbar
 Scham: selbstverursacht - nicht kontrollierbar
 Ärger: fremdverursacht - kontrollierbar
 Mitleid: fremdverursacht – nicht kontrollierbar
3.3.2. Tory Higgins’ Selbstdiskrepanztheorie (1987)


Ursache für negative Emotionen sind nach Higgins Diskrepanzen aktivierter
Selbstschemata, genauer: Diskrepanzen zwischen dem „ought self“, dem „ideal self“
und dem „actual self“.
 Widerspricht das ideale Selbst dem tatsächlichen Selbst, führt das zu
Emotionen wie Niedergeschlagenheit, Trauer und Entmutigung.
 Bestehen Diskrepanzen zwischen dem „ought self“ und dem „actual self“,
entspricht man selbst also nicht dem, wie man glaubt, sein zu müssen,
resultieren daraus Emotionen der Aufregung, wie z.B. Angst, Besorgnis und
Scham.
Kritik: Keine Erklärung für positive Emotionen; zu allgemein, heißt: keine detaillierte
Beschreibung konkreter Emotionen; vieles bleibt offen: z.B. was passiert, wenn
„ideal-“ und „ought self“ im Widerspruch zueinander stehen
15
3.3.3. Ira Roseman’s « Motivation-Plus-Cognition-Theory » (1989)



Nach Roseman wird unser emotionales Erleben durch Kognition und Motivation
beeinflusst. Unser Wollen und Denken bestimmt, was wir fühlen.
Dabei ergeben sich die einzelnen Emotionen aus 5 verschiedenen
„Appraisaldimensionen“. Dabei handelt es sich gewissermaßen um Kriterien, nach
denen eine emotional relevante Situation bewertet wird.
1) Durch Ereignis oder Person verursacht (person- vs. event caused)?!
2) Positive oder negative Konsequenzen?!
3) Gewisse oder ungewisse (überraschende) Konsequenzen?!
4) Annäherungs- oder Vermeidungsmotivation (Ist die Motivation Belohnung oder
die Vermeidung einer Bestrafung)?!
5) Starkes oder schwaches Selbst (Sind die Konsequenzen potentiell kontrollierbar
oder nicht)?!
Beispiele:
 Hoffnung: ereignisbezogen – positiv – ungewiss
 Freude: ereignisbezogen – positiv – gewiss – Annäherung
 Angst: ereignisbezogen – negativ – ungewiss – Vermeidung – nicht
kontrollierbar
 Trauer: ereignisbezogen – negativ – gewiss – Vermeidung
 Ärger: handlungsbezogen (fremdverursacht) – negativ – gewiss –
kontrollierbar
 Scham: handlungsbezogen (selbstverursacht) – negativ – kontrollierbar
3.3.4. Frijda’s Handlungsbereitschaftsmodell (1986)


Verhaltenstendenzen bzw. Handlungsbereitschaften sind Teil einer Emotion – und
nicht bloß deren Folge! Insofern können Emotionen auch dadurch bestimmt werden,
an welche Handlungsbereitschaften sie geknüpft sind.
 Vgl. hierzu: William James!
Beispiel: Ekel und Ärger unterscheiden sich laut Frijda lediglich bezüglich der
Verhaltenstendenzen, an die sie geknüpft sind, nicht aber bezüglich der kognitiven
Bewertung.
 Sowohl Ekel als auch Ärger wird durch negative Ereignisse hervorgerufen, die
durch andere verursacht worden sind (kognitive Bewertung). Unterschieden
werden können die beiden Emotionen lediglich mittels der unterschiedlichen
Handlungsbereitschaften: „sich entgegenstellen“ (Ärger) vs. „sich
wegbewegen“ (Ekel)
3.3.5. Orthony, Clore u. Collins’ hierarchisches Emotionsmodell (1988)



Ganz allgemein resultieren Emotionen aus der positiven bzw. negativen Bewertung
einer Situation. Welche spezifische Emotion ausgelöst wird, hängt davon ab, welcher
Aspekt der Situation bewertet wird.
Bewertet werden können entweder die Konsequenzen eines Ereignisses, die
Auswirkungen einer Handlung oder die Eigenschaften einer Person / eines Objektes.
Jeder dieser 3 Aspekte führt dabei zu unterschiedlichen Formen der Bewertung und
damit zu unterschiedlichen Emotionen:
 Über die Konsequenzen eines Ereignisses kann man erfreut oder nicht erfreut
sein: mögliche Emotionen sind z.B. Hoffnung, Angst oder Freude.
 Eine Handlung kann man entweder für gut oder für schlecht halten: mögliche
Emotionen sind Stolz, Scham oder Ärger.
 Objekte bzw. Personen kann man mögen oder nicht mögen: mögliche
Emotionen sind z.B. Liebe oder Hass.
16
4. Der Einfluss von Gefühlen auf Kognitionen
4.0. Kognitive Folgen bzw. „Nebenwirkungen“ von Emotion


Das emotionale Empfinden bzw. der affektive Zustand einer Person hat Einfluss auf…
1. die Steuerung der Aufmerksamkeit
2. die Enkodierung (Aufnahme) von Information
3. die Erinnerung von Information, d.h. deren Abruf aus dem Gedächtnis
4. die Bewertung der Umwelt (evaluative Urteile)
5. die Auswahl von Heuristiken (Verarbeitungsstrategien)
Die wichtigsten Theorien und Befunde hierzu sind:
1. Resource Allocation Model (Aufmerksamkeit)
2. Assoziatives Netzwerkmodell (Enkodierung und Abrufen von Informationen)
3. Gefühle als Information (Urteilsbildung)
4. Cognitive Tuning Model (Denkstile / Heuristiken / Verarbeitungsstrategien)
5. Selbst- und Affektregulation (Motivation)
4.1. Resource Allocation Model (Ellis & Ashbrook, 1988)





Negative affektive Zustände reduzieren die Elaboration und Organisation von Material
beim Enkodieren und verschlechtern die Erinnerungsleistung.
 Kurz: Schlechte Laune lenkt ab / vermindert die kognitive Kapazität!
Negative Stimmung führt zur Aktivierung negativer Gedanken. Außerdem ist man
stärker auf sich selbst fixiert und denkt über die Ursachen der eigenen Laune nach.
Die Folge ist mangelnde Aufmerksamkeit; man wird von der eigentlichen Aufgabe
abgelenkt!
EMPERIMENTE:
 Tatsächlich zeigen mehrere Experimente, dass schlecht gelaunte VPn in
Gedächtnistests schlechter abschneiden als solche, bei denen vorher kein
negativer Affekt induziert wurde.
Kritik:
 Watts & Cooper (1989): Depressive Personen merken sich die zentralen
Aspekte einer Geschichte weniger gut als gesunde VPn, da sie den Inhalt nicht
sinnvoll strukturieren.
 zu detailorientierter Fokus statt mangelnder Aufmerksamkeit?!
 Hertel et al.: Das Problem depressiver VPn ist nicht mangelnde
Aufmerksamkeit, sondern fehlende Initiative (unzureichende Anwendung von
Strategien bei unstrukturierten Aufgaben)
Noch einmal die möglichen Erklärungen:
3) fehlende Aufmerksamkeitsressourcen (Resource Allocation Model)?!
4) zu detailorientierter Fokus (Watts & Cooper)?!
5) fehlende Initiative (Hertel et al.)?!
17
4.2. Das Assoziative Netzwerk Modell (Gordon Bower, 1973)


Im Gedächtnis ist Wissen in Form von assoziativen Netzwerken abgespeichert. Auch
Emotionen sind Bestandteil dieses Netzwerkes: Sie sind mit kongruenten Inhalten
verknüpft.
 Daraus folgt, dass in einem bestimmten emotionalen Zustand, bestimmte, zu
der jeweiligen Emotion passende, Inhalte leichter ins Bewusstsein gerufen
werden als andere.
Folgende Phänomene sprechen für dieses Modell:
1) State-dependent Recall (zustandsabhängiges Erinnern)
 Stimmung beim Lernen = Stimmung beim Erinnern
2) Mood-congruent Recall (stimmungskongruentes Erinnern)
 Valenz des Gedächtnisinhalts = Stimmung beim Erinnern
3) Mood-congrunent Encoding (stimmungskongruente Enkodierung)
 Stimmung beim Lernen = Valenz des zu lernenden Materials
4) Stimmungskongruente Urteile
 (1) State-dependent Recall:
 Ist der Kontext bzw. der emotionale Zustand beim Lernen derselbe wie beim
Erinnern, erleichtert das den Abruf des Gelernten.
 (2) Mood-congruent Recall:
 Stimmt die Valenz des Inhalts mit der Valenz der Stimmung beim Abrufen
dieses Inhalts überein, erleichtert das den Abruf. Kurz: Die gerade empfundene
Stimmung beeinflusst, welche Inhalte erinnert werden.
 Dieser Effekt ist experimentell v.a. anhand autobiographischer Erinnerung
nachgewiesen worden (selbstreferentielles, unstrukturiertes Material): Gut
gelaunte VPn erinnerten sich eher an positive Ereignisse als an negative;
schlecht gelaunte eher an negative Ereignisse.
 Kritik:
 Stimmungskongruentes
Erinnern
ist
nur
schwer
vom
zustandsabhängigen Erinnern zu trennen. Meistens fällt beides
zusammen. Schließlich stimmt die Valenz des Gedächtnisinhalts
meistens mit der Stimmung zum Zeitpunkt der Enkodierung
zusammen.
 Instabil: Schlechte Laune erschwert zwar offenbar die Erinnerung an
positive Ereignisse, allerdings führt schlechte Laune nicht dazu, sich
dafür negative Ereignisse leichter ins Gedächtnis zu rufen. (negative
Stimmung = weniger positive Erinnerungen, aber auch nicht mehr
negative Erinnerungen); mögliche Erklärung: „mood repair efforts“
(zur Vermeidung weiterer negativer Gedanken)
 (3) Mood-congruent Encoding:
 Je nachdem, in welcher Stimmung man ist, ist man für bestimmte (und zwar
kongruente) Inhalte empfänglicher und merkt sie sich dementsprechend besser.
Kurz: die Stimmung beeinflusst die Auswahl/Speicherung der Information.
 EXPERIMENTE:
 Affektkongruente Details fallen leichter auf (Bower, 1981)
 Es wird mehr Zeit darauf verwendet, stimmungskongruente Inhalte zu
lesen (Forgas, 1995)
 Mehrdeutige Information wird im Sinne der gerade empfundenen
Stimmung interpretiert (Martin et al., 1986)
 Widerspruch zu 4.1.: Demnach dürfte das Resource Allocation Model wenn,
nur für neutrale Reize zutreffen.
18
4.3. „Feeling as Information“
 (4) Stimmungskongruente Urteile:
 Stimmung beeinflusst die Urteilsbildung:
 positive Stimmung = positives Urteil
 negative Stimmung = negatives Urteil
 Mögliche Erklärungen:
1. Assoziatives Netzwerk (Gordon Bower):
Urteile gründen auf Informationen. Da stimmungskongruente Inhalte
stärker ins Bewusstsein treten (mood-congruent memory), spielen diese
auch eine größere Rolle bei der Urteilsbildung.
2. “Feeling as Information”-Ansatz (Schwarz und Clore):
Die Gefühle selbst haben direkten Einfluss auf die Urteilsbildung. Sie
dienen dem Organismus als Informationsquelle und erleichtern so die
Urteilsbildung. In diesem Sinn erfüllen Gefühle dieselbe Funktion wie
kognitive Inhalte.
 Assoziatives Netzwerk vs. Gefühle als Informationen
1. Assoziatives Netzwerk:
 Eine Abwertung des Gefühls als irrelevant sollte keinen Einfluss
auf das Urteil haben (schließlich kommt es nicht auf das Gefühl
selbst, sondern auf die mit dem Gefühl verknüpften Inhalte an)!
 Der Inhalt dessen, womit die Stimmung induziert wird, sollte das
Urteil zusätzlich beeinflussen. Stimmt z.B. die Ursache der
Stimmung mit dem Urteil inhaltlich überein, sollte der Effekt
verstärkt werden.
2. Gefühle als Informationen:
 Normalerweise wird das Gefühl als Reaktion auf die gerade
bearbeitete Aufgabe betrachtet – und deshalb berücksichtigt. Wird
das Gefühl allerdings auf eine irrelevante Quelle zurückgeführt,
hat es keinen Einfluss mehr auf das Urteil.
 Solange es sich bei dem Gefühl um eine diffuse Stimmung
handelt, ist es egal, ob es einen inhaltlichen Zusammenhang
zwischen Stimmungsinduktion und Urteil gibt oder nicht.
 EXPERIMENT (Schwarz & Clore, 1983):
 In Telefoninterviews werden VPn nach ihrer allgemeinen
Lebenszufriedenheit gefragt. Dabei wird ihre Aufmerksamkeit vorher
entweder auf das Wetter gelenkt oder nicht.
 Nur wenn die VPn vorher nicht auf das Wetter aufmerksam gemacht
wurden, lassen sie sich von ihm in ihrem Urteil beeinflussen. Bei
schlechtem Wetter wird dann eine niedrigere -, bei schönem Wetter eine
höhere Lebenszufriedenheit berichtet.
 Sobald man auf das Wetter aufmerksam macht, wird es als irrelevant
erkannt und deshalb in der Urteilsbildung nicht länger berücksichtigt. Das
widerspricht dem Netzwerkmodell und stützt den „Feeling as
Information“ – Ansatz!
19
 EXPERIMENT (Johnson & Tversky):
 VPn, denen durch das Lesen von Berichten über Krebs eine negative
Stimmung induziert wurde, schätzten das Risiko für Unfälle oder
Ehescheidungen genauso erhöht ein wie das Risiko für Krebs.
 Inhaltlich muss es also keinen Zusammenhang geben zwischen der
Stimmungsursache und dem zu treffenden Urteil. Auch dieser Befund
widerspricht dem Netzwerkmodell und stützt den „Feeling as
Information“-Ansatz!
 Feeling as Information: Stimmung vs. Emotion
 Da Stimmungen unspezifisch sind, können sie Urteile aller Art
beeinflussen; entscheidend ist die Valenz der Stimmung, nicht ihre
Ursache bzw. ihr „Inhalt“.
 Emotionen dagegen wirken sich nur auf solche Urteile aus, deren
Gegenstand inhaltlich zum Auslöser der Emotion passt.
(z.B.: Angst beeinflusst Risikourteile und keine Schuldzuweisungen –
Ärger dagegen Schuldzuweisungen und keine Risikourteile)
 Unter welchen Bedingungen Gefühle zur Urteilsbildung herangezogen werden:
1. Bei affektiven / evaluativen Urteilen (z.B. wer einem sympathisch ist
und wer nicht)
2. Wenn nur wenig Information zur Verfügung steht
3. Wenn das zu treffende Urteil zu komplex ist bzw. zu viel Information
vorliegt
4. Wenn die kognitive Kapazität durch Zeitdruck oder Zweitaufgaben
eingeschränkt ist.
 Verwandte Phänomene:
 Zillmans Erregungstransfereffekt
 Verfügbarkeitsheuristik von Tversky und Kahneman
4.4. Cognitive Tuning Model



Stimmungen beeinflussen die Art und Weise der Informationsverarbeitung!
Zwischen Situation und Emotion besteht eine Wechselwirkung: Einerseits informieren
Emotionen über die jeweilige Situation (ob diese gut oder schlecht ist), andererseits
entstehen die Emotionen ja erst aus der Bewertung einer solchen Situation.
 Negative Emotionen informieren darüber, dass Verhalten initiiert werden
muss, um die jeweilige Situation zu ändern.
 Positive Emotionen dagegen informieren darüber, dass die jeweilige Situation
wünschenswert ist und insofern kein Handlungsbedarf besteht.
Daraus ergeben sich verschiedene Denkstile bzw. verschiedene Strategien, die
gegebenen Informationen zu verarbeiten.
 Negative Emotionen:
 Geringe Risikobereitschaft; Anwendung bewährter Strategien
(verstärktes Bedürfnis nach Kontrolle)
 Detail-orientiertes und systematisches Vorgehen
 Bildung schmalerer Kategorien (sorgfältiges Vorgehen)
 Enger Aufmerksamkeitsfokus
 Genaues Überprüfen der Argumente
20


 Positive Emotionen:
 Risikobereitschaft; Ausprobieren kreativer u. neuer Lösungsansätze
 Verstärkte Anwendung von Heuristiken (Vereinfachungen): z.B. lässt
man sich in seinen Urteilen stärker von Vorurteilen u. Stereotypen
leiten;
 Bildung breiter Kategorien (weniger sorgfältiges Vorgehen)
 Breiter Aufmerksamkeitsfokus
 Unzureichendes Überprüfen der Argumente
Das Cognitive Tuning Model widerspricht dem Ressource Allocation Model
EXPERIMENTE:
 Forgas zeigte, dass schlechtgelaunte Augenzeugen genauer beobachten als
gutgelaunte.
 Der Effekt verschwindet, wenn den VPn bei der Aufgabenlösung keine
Zeitvorgaben gemacht werden oder sie explizit zu Genauigkeit angehalten
werden.
21
5. Der Ausdruck von Emotionen
5.1. Sind emotionale Ausdrücke universell?


Emotion kann durch die Mimik, die Stimme, die Körperhaltung, Gestik,… zum
Ausdruck gebracht werden.
Die evolutionäre Psychologie geht davon aus, dass bestimmte Emotionen
(Basisemotionen) sowie deren Ausdrucksformen biologisch bedingt und damit
universell sind. Für diese These sprechen:
1. Interkultureller Vergleich des Emotionsausdrucks
 Ekman (1973) zeigte VPn aus verschiedenen Kulturen Fotos, auf denen
der mimische Ausdruck von insgesamt 6 Basisemotionen zu sehen war.
Aufgabe der VPn war es, diesen Bildern die passenden
Emotionsbegriffe (vorgegeben waren Freude, Ekel, Überraschung,
Trauer, Ärger und Angst) zuzuordnen. Tatsächlich wählten die VPn,
trotz ihres unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes, überwiegend
dieselben
Begriffe
für
dieselben
Mimiken.
Ergo:
Der
Emotionsausdruck scheint also universell zu sein!
2. Vergleich zwischen Mensch und Tier
 Bestimmte emotionale Ausdrucksformen stimmen bei Menschen und
anderen Lebewesen überein: Darwin zufolge ist z.B. die menschliche
Gänsehaut ein Überbleibsel der Piloarreaktion (des Fellsträubens).
3. Beobachtung des Emotionsausdrucks bei Kindern und Säuglingen
 Schon bei Säuglingen lassen sich typische Gesichtsausdrücke
beobachten; da sie diese nicht gelernt haben können, müssen sie
angeboren sein. Gleiches gilt für den Emotionsausdruck bei
Blindgeborenen (s.u.).
4. Beobachtung des Emotionsausdrucks bei Blindgeborenen
5. Vererbungsstudien (z.B. zur Vererbung von affektiven Störungen)
 Z.B. können furchtsame und weniger furchtsame Ratten gezüchtet
werden (Indikator für Furchtsamkeit: Defäkation in potentiell
gefährlichen Situationen)
6. Physiologische Emotionstheorien
 Sozialer Konstruktivismus vs. klassische Evolutionstheorie
 Kritiker (z.B. James Averill) bestreiten die Existenz universaler Emotionen
und Ausdrucksformen. Sie halten Emotionen für ein rein gesellschaftlich
bedingtes Phänomen; bei Emotionen handelt es sich ihrer Ansicht nach nicht
um biologische, sondern um soziale Zustände (deshalb: sozialer
Konstruktivismus)
 In der Tat lassen sich zahlreiche Beispiele für kulturell bedingte
Unterschiede finden. Das japanische Wort „amae“ (~ Abhängigkeit)
z.B. bezeichnet einen emotionalen Zustand, der im westlichen
Kulturraum gar nicht bekannt ist!
 Liebe als eine Erfindung/Konstruktion des Mittelalters (Minnesang)?!
 Ortony & Turner glauben zwar nicht an angeborene Emotionen, dafür
aber an angeborene Reaktionskomponenten (wie Zittern, Weinen,…),
die in verschiedener Weise zu einem Ganzen zusammengefügt werden
können.
 Prinz (2004): V.a. die Gewohnheiten des Körpers, Emotionsmischungen und die Emotionsauslöser sind stark kulturell geprägt.
22

Letztlich gibt es bezüglich des Emotionsausdruckes sowohl kulturbedingte
Unterschiede, als auch universale Gemeinsamkeiten.
 Eckman unterscheidet daher zwischen universalen Ausdrucksformen (die
insbes. die Mimik betreffen) und sonstigen körperlichen Bewegungen
(Embleme = Kopfnicken, Achselzucken,… + Illustratoren = Füllwörter,
Gesten,…). Letztere können von Kultur zu Kultur verschieden sein.
 Ferner geht Eckman von sog. „Display Rules“ (Regeln der Darbietung) aus.
Diese Regeln beruhen auf gesellschaftlichen Normen und Konventionen; sie
bestimmen darüber, in welcher Weise Emotionen in der Öffentlichkeit
ausgedrückt werden (dürfen).
 EXPERIMENT (Ekman & Friesen, 1972): Amerikaner und Japaner
wurden beim Schauen eines Films beobachtet; ein Teil der VPn schaute
dabei den Film alleine, während der andere Teil zu mehreren schaute.
Dabei zeigte sich: Im Privaten ist der emotionale Ausdruck bei
Japanern und Amerikanern gleich (= Universalität der
Basisemotionen), in der Öffentlichkeit dagegen recht verschieden
(=Display Rules); die Japaner waren in ihrem Emotionsausdruck
weitaus zurückhaltender als die Amerikaner, wenn andere Personen
beim Schauen des Films anwesend waren!
5.2. Die Funktionen des emotionalen Ausdrucks

Wozu hat sich der emotionale Ausdruck überhaupt entwickelt? Grundsätzlich lässt
sich zwischen zwei Funktionen unterscheiden:
1. Kommunikative Funktion
 Der emotionale Ausdruck dient der Mitteilung des eigenen Befindens,
der eigenen Absichten und damit der Regelung der sozialen
Beziehungen (Fremdregulation)
2. Regulative Funktion
 Gleichzeitig dient der emotionale Ausdruck der Selbstregulation: er
informiert uns selbst über unsere Emotionen, verstärkt bzw. hemmt sie
(facial feedback) und hilft unserem Organismus, sich möglichst schnell
an die Anforderungen der jeweiligen Situation anzupassen (das
ängstliche „Aufsperren“ der Augen => erhöhte Wachsamkeit).
5.2.1 Die kommunikative Funktion


Über unser Ausdrucksverhalten können wir unsere emotionalen Zustände schnell an
andere kommunizieren. Das ist wichtig, da auf diese Weise u.a.…
 Hilfe mobilisiert -,
 soziale Nähe geschaffen -,
 Übertragung von Emotionen (emotionale Ansteckung)
 Besseres Erkennen von Emotionen (durch Imitation)
 und die Gruppe gewarnt werden kann (Alarmfunktion)
Emotionale Ansteckung:
 LeBon (1896): Emotionale Suggestion in der Masse
 Neumann & Strack (2000): VPn hören über einen Kopfhörer eine aufgezeichnete
Philosophievorlesung, die entweder neutral, traurig oder fröhlich vorgetragen
wird.
 Ein Teil der VPn wird gebeten, den Text beim Hören nachzusprechen.
Ergebnis: in der Tat wird dabei der vokale Ausdruck des Sprechers
imitiert!
23


 Ferner wird die Stimmung der VPn durch die Art des Vortrages
beeinflusst. Emotionale Ansteckung findet also statt!
 Die emotionale Beeinflussung durch die Art des Vortrages ist den VPn
dabei nicht bewusst. Fragt man sie nämlich, ob sich ihre Stimmung
durch den Vortrag verändert habe, wird dies überwiegend mit nein
beantwortet. Fragt man dagegen nach dem momentanen Zustand der
VPn, zeigt sich, dass ein fröhlicher Vortrag mit guter Stimmung
korreliert, während ein trauriger zu schlechterer Stimmung führt.
 Emotionale Ansteckung als zweistufiger Prozess:
1. Imitation: Das Ausdrucksverhalten anderer wird spontan imitiert (MotorMimikry)
 Zajonc, Adelman & Murphy (1987) zeigten, das der habituelle
Gesichtsausdruck von Ehepaaren sich im Laufe der Jahre aneinander
anpasst.
 Bereits Neugeborene imitieren die Gesichtsausdrücke anderer!
 Dimberg et al. (2000) konnte mittels EMG nachweisen, dass selbst
subliminal dargebotene Gesichtsausdrücke von VPn imitiert
werden.
 Vaughan & Lanzetta (1980): VPn werden dabei gefilmt wie sie Leute
beobachten, deren Gesicht aufgrund von E-Schocks schmerzverzerrt
ist. Ergebnis: VPn imitieren die Gesichtsausdrücke!
2. Feedback: Das imitierte Ausdrucksverhalten induziert ein kongruentes
Gefühl (Facial-, Postural- oder Vocal-Feedback)
 Siehe unten!
 Kritik an einem solchen „Ansteckungsmodell“: Empathie statt Feedback?!
 Vielleicht wirken die Emotionen einer Person A auch deshalb
ansteckend auf eine Person B, weil Person B Rückschlüsse auf die
Situation von Person A zieht und nicht weil sie dessen
Gesichtsausdruck imitiert! Perspektivenübernahme statt Feedback, d.h.
Übernahme des Emotionsauslösers und nicht des Emotionsausdruckes!
Imitation erleichtert das Erkennen von Emotionen!
 Wallbott (1991): VPn sollten Emotionsausdrücke auf Fotos kategorisieren.
Wenn die VPn die Gesichtsausdrücke dabei imitierten, gelang ihnen diese
Aufgabe besser als ohne Imitation.
 Niedenthal et al. (2001): In Filmen sollte der Wechsel von einem
Emotionsausdruck zum anderen bestimmt werden. Gab man den VPn dabei die
Möglichkeit zum Imitieren, erkannten sie den Wechsel früher als diejenigen,
die einen Stift quer im Mund hatten und dadurch vom Imitieren abgehalten
wurden.
Imitation fördert soziale Nähe!
24
5.2.2. Die regulative Funktion

Einige Vertreter:
 William James: Emotion wird allein durch Verhalten ausgelöst. Der
emotionale Ausdruck ist insofern nicht Folge, sondern Ursache des
emotionalen Erlebens.
 Charles Darwin: Das Verhalten beeinflusst (sprich: verstärkt bzw. schwächt)
die Intensität des emotionalen Erlebens.
 Daryl Bem (Selbstwahrnehmungstheorie): Sogar man selbst wird sich seiner
eigenen Emotionen nur anhand äußerer Hinweise bewusst. Facial feedback ist
einer dieser Hinweise.
 Es gibt: facial-, postural- und vocal feedback
 Tomkins: Die Intensität einer Emotion wird durch die ANS-Aktivität
bestimmt; ihre Qualität durch die Wahrnehmung des Facial feedback.

Facial feedback Hypothese:

 Die Kontraktion von Muskeln, die am Emotions-ausdruck beteiligt sind,
verstärkt das emotionale Erleben oder schwächt es ab.
 Z.B.: Zygomaticus = mehr Freude / Corrugator = mehr Trauer
 Laird nimmt an, dass Schlussfolgerungsprozesse die entscheidende
Rolle spielen: „Ich lächle – also muss es mir gut gehen.“
Belege für die Facial feedback Hypothese:
1. Studien an Schauspielern
 Schauspieler berichten oft, die Emotionen, die sie auf der Bühne
spielen, tatsächlich zu fühlen.
2. Studien an Personen, die nicht wissen, dass ihr Gesichtsausdruck manipuliert
wird (künstlich arrangierte Gesichtsausdrücke)
 Strack & Stepper (1993): Der Computer, an dem die VPn arbeiten
sollten, war entweder leicht erhöht über ihnen oder unter ihnen auf dem
Boden positioniert. Es zeigte sich: In aufrechter Haltung (Bedingung 2)
empfanden die VPn mehr Stolz als in zusammengekauerter
Körperhaltung (Bedingung1)
 Strack, Martin & Stepper (1988): VPn, die einen Stift zwischen den
Zähnen hielten, zeigten sich amüsierter über Cartoons als solche, die
den Stift zwischen den Lippen halten sollten. In der einen
Versuchsbedingung diente der Stift dazu, eine Kontraktion des
Zymatikus herbeizuführen, ohne dass die VPn sich darüber bewusst
werden konnten, in der zweiten Bedingung wurde die Kontraktion
durch den Stift verhindert (Lippen). Ergo: Schlussfolgerungsprozesse
scheinen beim Facial feedback keine Rolle zu spielen!
3. Studien zur emotionalen Ansteckung
 Gesichtsausdruck und ANS-Aktivität:
 Ekman, Levenson & Friesen (1983) geben William James recht. Sie vertreten
die These, jede Basisemotion sei an einen spezifischen Gesichtsausdruck
geknüpft - und dieser wiederum an eine spezifische ANS-Aktivität.
 Ekman & Co (1983) ließen VPn emotionale Gesichtsausdrücke
nachstellen und maßen dabei die Aktivität des Autonomen
Nervensystems (Schweißdrüsen, Herzrate,…). Tatsächlich zeigte sich,
dass die gestellten Mimiken mit entsprechenden physiologischen
Reaktionen einhergingen. Z.B. führte ein ärgerlicher Gesichtsausdruck
zu erhöhter Temperatur und einer schnelleren Herzfrequenz.
25
 Ergebnis: Emotionales Erleben, Facial Feedback und ANS-Aktivität
sind also tatsächlich eng miteinander verbunden und scheinen einander
zu beeinflussen. Ob die ANS-Aktivität allerdings spezifisch genug ist,
um die Emotionsqualität zu bestimmen (James, Ekman,…) oder ob sie
unspezifisch ist und insofern lediglich die Intensität der Emotion
beeinflusst (Cannon), kann durch das Experiment nicht abschließend
geklärt werden.
 LeDoux schlägt einen Kompromiss vor. Er geht davon aus, dass es sowohl
unspezifische als auch spezifische Aktivitätsmuster des ANS geben kann;
letztere konnten bisher allerdings nur unzureichend nachgewiesen werden.
 Albert Ax (1953): Angst und Ärger sind an unterschiedliche
physiologische Reaktionen geknüpft: Angst geht mit dem Ausstoß von
Adrenalin einher, während bei Ärger Adrenalin und Noradrenalin
ausgeschüttet wird.
 George Hohmann (1966): Läsionsstudien an Soldaten: Rückenmarksverletzungen vermindern lediglich die Intensität der Emotionen.
Ergo: Bei Abtrennung des viszeralen Feedbacks vom Gehirn wird zwar
die Intensität der Emotionen beeinträchtigt, aber nicht die
Emotionsqualität!
5.2.3. Integration



Im Alter zwischen 6 und 8 Jahren kommt es zu einer Miniaturisierung des
emotionalen Ausdrucks (Manfred Holodynski, 2004). Anfänglich dient der
Emotionsausdruck ausschließlich der Fremdregulation, d.h. der Kommunikation mit
den Bezugspersonen, später kommt die Funktion der Selbstregulation hinzu. Dabei
unterscheiden Kinder zunehmend stärker zwischen der Emotion und dem Ausdruck
dieser Emotion. Mit letzterem wird zunehmend ökonomisch umgegangen.
EXPERIMENT:
 VPn sind Kinder zwischen 6 und 8 Jahren.
 UV: VP ist allein im Versuchsraum oder mit
Bekanntem;
3 Emotionsintensitäten durch Süßigkeitenautomat (Schwache Freude durch
Süßigkeit; Enttäuschung durch leere Packung; starke Freude durch neue
Münze)
 AV: Intensität des Emotionsausdrucks
 Ergebnis: Je älter die VPn sind, desto weniger Emotionen zeigen sie, wenn sie
alleine im Versuchsraum sind. Ein eindeutiger Beleg für Miniaturisierung.
Dient der emotionale Ausdruck nicht der Kommunikation, ist er bei älteren
Kindern (ca. ab 8 Jahren) weniger intensiv. Man spart ihn sich gewissermaßen!
Bei Erwachsenen werden Emotionen häufig internalisiert, d.h. es wird auf einen
Emotionsausdruck verzichtet.
 Je nach sozialem Kontext lässt man den eigenen Emotionen in
unterschiedlichem Maß freien Lauf. Je weniger bekannt die Anwesenden
Personen, desto verhaltener der Emotionsausdruck.
 Paul Ekman geht davon aus, dass auch vermeintlich internalisierte Emotionen
ausgedrückt werden: und zwar mittels sog. Mikroausdrücke, die nur wenige
Millisekunden andauern und z.B. verraten können, wenn jemand bewusst lügt.
26
6. Spezifische Emotionen: Liebe, Trauer, Angst, Ekel
6.1. Liebe



Laut Helen Fisher ist Liebe eine angeborene Emotion, die sich evolutionär erklären
lässt. Liebe führt zur festen Bindung an den Geschlechtspartner und ermöglicht
dadurch die Aufzucht des Nachwuchses (=Anpassungsvorteil)
Liebe besteht aus 3 Komponenten bzw. Systemen:
1. Sexualtrieb (Testosteron)
2. Leidenschaftliche Liebe / Sucht (Dopamin)
3. Bindung (Oxytocin / Vasopressin)
Frauen während des Zyklus:
 Haben erhöhtes sexuelles Verlangen
 Sind bezüglich ihrer Sexualpartner wählerischer
 Haben einen verbesserten Geruchssinn
 Usw. usw.
6.3. Trauer

Trauerphasen nach Verena Kast:
1. die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens
2. die Phase der aufbrechenden Emotionen
3. die Phase des Suchens und Sich-Trennens
4. die Phase des neuen Weltbezugs
6.4. Angst
 EXPERIMENT: Phobischen VPn werden verschiedene emotionale Reize dargeboten,
darunter neutrale und angstauslösende Reize (z.B. Schlangen, Spinnen,…). In der
einen Bedingung werden die Reize subliminal dargeboten, in der anderen so, dass sie
ins Bewusstsein dringen können.
 Es zeigt sich, dass die Furchtreaktion bei subliminaler Darbietung stärker
ist als wenn der betreffende Reiz von den Pbn bewusst wahrgenommen werden
kann.
 Stützt LeDoux’ 2-Stufen-Modell (low route)
6.5. Ekel


Hat eine moralische Dimension
Exkurs: Wie werden moralische Urteile gefällt?
1. Rationalistische Auffassung: Situation => erster Affekt => Begründung des
eigenen Urteils (Abwägung der Argumente) => Urteil
2. David Hume: Leidenschaft/Affekt => Urteil => Begründung
 Befragungen zeigen, dass bei moralischen Dilemmata zunächst die
verschiedenen Argumente abgewogen, bevor das eigene moralische Urteil
gefällt wird. Die Begründung geht hier in der Tat dem Urteil voraus.
 Auf Tabuverletzungen dagegen folgt die unmittelbare Ablehnung. Zuerst wird
das Urteil gefällt, dann erst folgt die Begründung, meist ohne mögliche
Gegenargumente überhaupt zu berücksichtigen.
27
7. Klassische Theorien der Emotionsforschung
7.0. Begriffsklärungen








Motivation = Prozess, der zielgerichtetes Verhalten auslöst und aufrechterhält.
 Die Motivation bestimmt, wie wir handeln, wann wir handeln, in welchem
Ausmaß wir handeln und mit welcher Ausdauer! Bestimmt werden also Art,
Latenz(zeit), Intensität, Persistenz (Dauer) und Häufigkeit einer Handlung.
 In manchen Theorien wird der Begriff „Motiv“ bzw. „Motivation“ durch
Begriffe wie „Einstellung“, „Bedürfnis“ oder „Trieb“ ersetzt.
Motiv = Beweggrund
 Rudolph unterscheidet zwischen „effektiven Ursachen“ und „finalen Ursachen;
kurz: zwischen Ursachen und Gründen.
 effektive Ursachen (Ursachen): Ereignisse in der Vergangenheit; z.B.
ein früherer Misserfolg, der dazu motiviert, es dieses Mal besser zu
machen.
 finale Ursachen (Gründe): antizipierte Zustände in der Zukunft; z.B.
eine erhoffte Belohnung
Ziel = ein gewünschtes Handlungsergebnis bzw. ein wünschenswerter Zustand, der
prinzipiell erreichbar ist.
Bedürfnis = physiologisch oder gesellschaftlich bedingt (z.B. Hunger, aber auch
Bedürfnis nach Anerkennung)
Anreiz = ergibt sich aus einem Bedürfnis und der jeweiligen Situation (Umweltbedingung); hängt von individuellen Vorerfahrungen und der Attraktivität des Ziels ab
(Erwartung x Wert); meist allgemein, mehrere Unterziele umfassend
 z.B.: Bedürfnis (Hunger) + Umweltbedingung (Restaurant) = Anreiz (in
diesem Restaurant essen zu gehen) => (konkretes) Ziel (ein Steak essen) =>
Handlung (Bestellung aufgeben)
Die Motivationspsychologie fragt nach den Ursachen und Funktionen des Verhaltens:
 Psychoanalyse (Freud): Verhalten wird durch unbewusste Triebe motiviert.
 Behaviorismus (Hull): Verhalten als gelernte Reaktion auf einen Stimulus.
 Evolutionäre Theorien: Verhalten ist im Laufe der Evolution entstanden – als
Anpassung an spezifische Probleme (z.B.: McDougall’s Instinkttheorie)
 Kognitive Theorien: Kognitive Inhalte und Prozesse steuern das Verhalten.
 Feldtheorie (Lewin)
 Theorie der Leistungsmotivation (Atkinson)
 Attributionstheorie (Weiner)
 Entscheidungstheorie
Unterscheidung der verschiedenen Ansätze:
 Wird von homöostatischen Prozessen ausgegangen?
(z.B.: Psychoanalyse: ja / Attributionstheorie: nein)
 Inwiefern werden Emotionen und das Bewusstsein (Kognition) berücksichtigt?
(z.B.: Psychoanalyse, Attributionstheorie: ja / Behaviorismus: nein)
 Experimenteller oder klinischer Ansatz?
(die meisten Theorien: experimentell / Psychoanalyse: klinisch)
 Berücksichtigung inter-individueller Unterschiede?
(z.B.: Leistungsmotivation: ja / Behaviorismus…: nein)
Ein Problem der Motivationsforschung liegt in der Zirkularität: Motive werden
einerseits aus dem Verhalten erschlossen, andererseits erklärt sich das Verhalten erst
aus den dazugehörigen Motiven. Motive sind also nicht ohne entsprechendes
Verhalten -, das Verhalten nicht ohne plausible Motive zu erklären.
28
7.1. Psychologischer Hedonismus


Philosophische Grundlage: Epikur
Der psychologische Hedonismus erklärt das menschliche Handeln mit dem
Lustprinzip (auch: „Pleasure-pain-principle“): Alle Handlungen dienen entweder
der Vermeidung von Schmerz oder der Maximierung der Lust.
 zu unterscheiden vom ethischen Hedonismus, dessen Gegenbewegung u.a. das
Christentum ist.
7.2. Freud’s Psychoanalyse




Unser Verhalten ist durch biologisch fundierte, meist unbewusste Triebe motiviert.
 Dabei ist unser Verhalten häufig Ausdruck innerpsychischer Konflikte (siehe:
Instanzenmodell)!
Triebdualismus: Unser gesamtes Verhalten lässt sich auf 2 Grundtriebe
zurückführen.
 Eros
 Thanatos (Todestrieb)
Instanzenmodell: Das „ES“, das „ÜBER-ICH“ und die Realität („Realitätsprinzip“)
stellen verschiedene Anforderungen an das ICH, zwischen denen ein Ausgleich
geschaffen werden muss. Ziel ist die Schaffung eines Gleichgewichts (Homöostase).
Methoden: Hypnose, freie Assoziation, Traumdeutung
 Empirische Überprüfung:
1. Lässt sich Wahrnehmungsabwehr bzw. Verdrängung nachweisen?!
 McGinnies (1949): den VPn werden Tabuwörter (z.B. „Penis“) und neutrale
Wörter (z.B. „Apfel“) dargeboten. Darüber hinaus wird die Darbietungsdauer
der Wörter variiert. Ergebnis: Neutrale Wörter werden schneller
wahrgenommen als Tabuwörter. Außerdem steigt bei Tabuwörtern die
galvanische Hautreaktion.
 Kritik:
(1) Nicht die Wahrnehmung, sondern die Wiedergabe könnte gehemmt sein:
man schämt sich schlicht, die Tabuwörter auszusprechen
(2) Statt des Inhalts könnte auch die Worthäufigkeit für die verlangsamte
Wahrnehmung der Tabuwörter verantwortlich sein: da sie seltener
auftreten, werden sie langsamer wahrgenommen
(3) Wahrnehmungsparadox: Wie soll man etwas abwehren können, bevor
man es wahrgenommen hat?!
 Constans et al. (2004) : Vietnamveteranen mit posttraumatischer
Belastungsstörung sollen die Farbe von Wörtern nennen und dabei ihren
Inhalt ignorieren. UV: Variiert wurde der Inhalt der Wörter (sozialer Inhalt;
kriegerischer Inhalt; neutraler Inhalt). AV: Gemessen wurde die Reaktionszeit
der VPn (bei der Nennung der Farbe). Ergebnis: Bei Wörtern, deren Inhalt mit
Kampf bzw. Krieg zu tun hatte, brauchten die Pbn am längsten, bei neutralen
Wörtern am kürzesten, um die Farbe zu nennen.
 Traumata gehen mit erhöhter Aufmerksamkeit für TraumaAuslöser einher!
2. Gibt es so etwas wie Katharsis (eine Art „Reinigung“ der „Seele“ von bestimmten
Trieben)?!
 Die theoretischen Grundannahmen:
1. Ziele führen zu ansteigender kognitiver Verfügbarkeit zielbezogener
Konzepte (hat man Hunger sind essensbezogene Inhalte besonders präsent)
2. Die Erfüllung des Ziels führt zur Hemmung dieser Konzepte (=Katharsis)
29
 Liberman & Förster (2005): Der Vorgabe eines Eifersuchtsszenarios (Phase
1) folgt entweder die Vorstellung einer Rachemöglichkeit oder die Blockade
der Rachepläne (Phase 2). Ergebnis: Nach der 1. Phase lässt in beiden
Gruppen eine erhöhte Verfügbarkeit aggressionsbezogener Wörter beobachten.
Während der 2. Phase steigt die Verfügbarkeit solcher Wörter bei der
blockierten Gruppe weiter an, während die Verfügbarkeit in der Rachegruppe
nach der 2. Phase niedriger ist als nach der ersten.
 Die Katharsis von Trieben ist möglich, insbesondere der Abbau von
Aggressionen durch Handlungen, die als zielerfüllend erlebt werden!
 Dawson & Schell (1982):
1. Phase: In einer ersten Phase wurden bestimmte Wörter bei der auditiven
Darbietung mit einem Schock verknüpft (Schockkonditionierung).
2. Phase: Danach wurden diese „Schockwörter“ entweder dem linken oder
rechten Ohr zugespielt, während dem jeweils anderen Ohr neutrale
Wörter dargeboten wurden. Die VPn wurden entweder dazu aufgefordert,
jeweils nur die Wörter im rechten Ohr oder nur die im linken zu beachten
(„Shadowing“).
 Ausgangsfrage war, ob „Schockwörter“ eine Angstreaktion auslösen,
auch wenn sie nicht beachtet werden.
 Die Messung der Hautleitreaktion ergab, dass es offenbar tatsächlich
eine semantische Verarbeitung unterhalb der Bewusstseinsschwelle
gibt, die entsprechende Emotionen auslöst. Wurden den VPn die
Schockwörter nämlich im linken Ohr dargeboten – und bewusst nicht
beachtet, konnten die entsprechenden Wörter zwar nicht in die linke
Gehirnhälfte gelangen und dementsprechend nicht bewusst „erkannt“
werden, trotzdem führten sie zu einer entsprechenden Angstreaktion,
da die emotionale Verarbeitung in der rechten Gehirnhälfte stattfindet.
 Kein Beleg für Wahrnehmungsabwehr!
7.3. McDougall’s Instinkttheorie




McDougall (1908) führt alle Motive und damit das gesamte Verhalten auf angeborene
Instinkte zurück, die im Lauf der Evolution zur Lösung spezifischer
Anpassungsprobleme entstanden sind (=evolutionäre Motivationstheorie).
 Problematisch: die Unterscheidung von erworbenen – und angeborenen
Auslösemechanismen (EAM <=> AAM): Was ist genetisch bedingt- und was
ist erlernt (im Sinne einer Gewohnheit)?!
 Die Gegenposition zum behavioristischen Ansatz (siehe: 7.5.)
Ein Instinkt umfasst:
1. eine Disposition zur selektiven Wahrnehmung
2. einen entsprechenden emotionalen Impuls
3. und eine entsprechende instrumentelle Aktivität (=Verhalten)
McDougall geht anfänglich von 12 -, später von 18 Instinkten aus. Die wichtigsten
sind der Fluchtinstinkt, der Abstoßungsinstinkt, der Neugierinstinkt, der
Kampfinstinkt, der Dominanzinstinkt, der Unterordnungsinstinkt und der
Elterninstinkt.
Außerdem geht McDougall von Primär- und Sekundäremotionen aus. Erstere
stellen nicht mehr weiter zerlegbare Emotionsqualitäten dar, während letztere durch
die Kombination verschiedener Emotionsqualitäten entstehen.
 Damit ist McDougall einer der Wegbereiter für das Konzept der
Basisemotionen (später: Plutchik, Ekman)
30
7.4. Hull’s behavioristische Triebtheorie




Unser Verhalten wird weniger durch Instinkte, als vielmehr durch Lern- und
Konditionierungsprozesse bestimmt: Die Frequenz vorangegangener
ReizReaktions-Kombinationen sagt die Wahrscheinlichkeit zukünftigen Verhaltens voraus.
 Bentler & Speckart (1979): Die Frequenz früheren Alkohol- oder
Marihuanakonsums ist ein besserer Prädiktor für den zukünftigen Konsum als
die Einstellung gegenüber diesen Drogen.
Zu unterscheiden ist zwischen klassischen- und operanten Konditionierungsprozessen:
 Klassische Konditionierung (Pawlow): Ein unbedingter Reiz wird durch
einen neutralen Reiz ersetzt. Dadurch entsteht eine neue Reiz-ReaktionsBeziehung.
 Operante Konditionierung (Thorndike, Skinner): Mittels positiver und
negativer Verstärkung wird zu einem bestehenden Reiz ein neues Verhalten
konditioniert.
Allgemeines zu Triebtheorien:
 Lernvorgänge sind von unbefriedigten, inneren Bedürfniszuständen abhängig.
 Triebe sind die motivationale Komponente dieser Bedürfnisse.
 Die Triebreduktion wirkt verstärkend.
Hull’s Triebtheorie (1943):
 Trieb = Motor (energetisiert Verhalten)
1. Hull geht nicht von mehreren spezifischen Trieben aus, sondern von
einem unspezifischen Trieb, der allen Verhaltensweisen zugrunde
liegt und eine allgemein energetisierende Wirkung hat.
2. Ziel allen Verhaltens ist die Triebreduktion.
 Gewohnheit (habit) = Lenkung (generiert Verhalten)
1. Die Art des Verhaltens wird durch Gewohnheiten bestimmt.
2. Eine Gewohnheit ist eine konditionierte bzw. gelernte ReizReaktionsverbindung, die um so öfter auftritt, je öfter sie in der
Vergangenheit zu Erfolg (Bedürfnisbefriedigung) geführt hat.
3. Gezeigt wird also immer das Verhalten, das in der Vergangenheit am
häufigsten verstärkt wurde! => Lernen findet nur bei Verstärkung
statt!
4. Fazit: Die Auswahl und Steuerung des Verhaltens erfolgt durch
assoziatives Lernen.
 Triebstärke x Gewohnheit = Stärke der Verhaltenstendenz
 Empirische Überprüfung:
1) Trieb x Gewohnheit?!
 Perin (1942): Ratten werden für die Betätigung eines Hebels mit Nahrung
belohnt. Variiert werden dabei die Gewohnheit (Anzahl der Verstärkungen)
und der Trieb (langer vs. kurzer Nahrungsentzug). Gemessen wird die
Löschungsresistenz des Verhaltens.
1. Ergebnis: Je länger die Deprivation und je regelmäßiger die
Verstärkung, desto höher die Löschungsresistenz. Tatsächlich
bestimmen Trieb und Habit das Verhalten!
 Das Yerkes-Dodson-Gesetz (1908): Mäuse werden für die falsche Lösung
einer Diskriminationsaufgabe mit Elektroschock bestraft. Variiert werden
Aufgabenschwierigkeit und Schockintensität.
1. Ergebnis: Bei einfachen Aufgaben erzielen Mäuse mit zunehmender
Schockintensität (Aktivation) bessere Leistungen, bei schwierigen
Aufgaben dagegen sinkt die Leistung mit zunehmender
Schockintensität.
31
2. Automatische Prozesse werden unter Erregung erleichtert,
komplexere Prozesse werden dagegen durch zunehmende Erregung
erschwert!
3. Lösung: Verhalten = Trieb x Habit x Anreiz (Attraktivität des Ziels)
 Zajonc (1980): Die Anwesenheit anderer führt bei einfachen Aufgaben zu
Leistungsverbesserung, bei schwierigen Aufg. zu Leistungsverschlechterung.
2) Lernen nur bei Verstärkung?!
 Tolman & Honzig (1930): UV: keine Futterbelohnung für Aufgabenlösung –
kontinuierliche Futterbelohnung (Verstärkung) – Futterbelohnung ab dem
11.Tag.
1. Ergebnis: Die Tiere, die nicht verstärkt wurden, schneiden bei der
Lernaufgabe insgesamt zwar deutlich schlechter ab als die beiden
anderen Gruppen, allerdings lösen auch sie die Aufgabe am Ende des
Experiments (17.Tag) besser als am Anfang.
2. Es muss also ein Lernprozess stattgefunden haben – trotz der
ausbleibenden
Verstärkung.
Latentes
Lernen
durch
Explorationstrieb?!
3) Ist das Ziel immer die Triebreduktion?!
 Olds & Milner (1954): Erlaubt man Affen oder Ratten, Teile ihres
Zwischenhirns über implantierte Elektroden selbst zu stimulieren, tun sie es bis
zu 7000 mal pro Stunde!
1. Nicht nur die Triebreduktion scheint für die Verstärkung eines
bestimmten Verhaltens verantwortlich zu sein.
7.5. Aktivationstheorien


Oberstes Ziel ist nicht die Triebreduktion, sondern ein optimales Erregungsniveau!
 Daher bemühen sich Menschen häufig um die Intensivierung des Stimulus
(Extremsport = Nervenkitzel)
Heron (1957): Sensorisches Deprivationsexperiment
 VPn liegen in einem weißen, im wahrsten Sinne des Wortes „reizlosen“ Raum
und tragen eine Brille, die nur diffuses Licht durchlässt.
1. Ergebnis: Trotz hoher Bezahlung baldiger Abbruch des Experiments!
2. Wirkt zu niedrige Stimulierung auch aktivierend?!
3. Gibt es ein Streben nach optimaler Aktivierung?
4. Verhalten weniger durch Triebreduktion bestimmt, als vielmehr
durch das Streben nach positiven- und die Vermeidung von negativen
Emotionen?!
32
8. Selbst- und Handlungsregulation
8.0. Einleitung:

Oftmals besteht eine Diskrepanz zwischen den Absichten und dem Verhalten. Sich
Ziele zu setzen, bedeutet noch nicht, diese auch umzusetzen.
 Kuhl unterscheidet daher zwischen „Selektionsmotivation“ (Zielauswahl) und
„Realisationsmotivation“ (Zielumsetzung).
8.1. Zielauswahl („Selektionnsmotivation“)
8.1.1. Erwartung x Wert Theorien



Edward Tolman: Unser Verhalten wird durch 2 Faktoren bestimmt, die
Erfolgserwartung und den Wert des betreffenden Handlungsziels.
 Erwartung = Erfolgserwartung (Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen)
 Wert = Wert des Ziels; abhängig vom zu erbringenden Aufwand (ergo:
Aufgabenschwierigkeit) und der persönlichen Zielbindung bzw.
Selbstverpflichtung (ergo: Öffentlichkeit, Belohnung,…)
 Sowohl die Erwartung, ein Ziel zu erreichen, als auch der Wert, der diesem Ziel
beigemessen wird, sind damit zu einem großem Teil subjektiv bedingt.
Eine Handlung erfolgt nur dann…
 …wenn dadurch etwas Positives erreicht oder etwas Negatives vermieden
werden kann (Wert).
 …wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der positive Zustand erreicht oder
der negative vermieden werden kann (Erwartung).
Erwartungs x Wert Theorien stellen eine grundlegende Wende in der
Motivationspsychologie dar. - Anders als in behavioristischen Lerntheorien wird
davon ausgegangen, dass auch schon die kognitive Vorwegnahme einer Belohnung
(=Erwartung) motivierend wirken kann. Diese Annahme setzt die kognitive
Repräsentation von Zielen und Plänen voraus (Einbeziehung kognitiver Prozesse)!
 Habit x Trieb = push-Theorie
(Motivation und Verhalten hängen v.a. von Lernprozessen ab)
1. Habit: Erst einmal muss gelernt werden, dass- und auf welches
Verhalten eine Belohnung erfolgt. Durch häufige Wiederholung
(sprich Lernen) wird das jeweilige Verhalten dann verstärkt (Habit =
Konditionierung einer bestimmten Reaktion).
2. Trieb: Der Trieb speist sich aus einem Bedürfniszustand
(Deprivation; Stimulation) und ist unspezifisch.
 Erwartung x Wert = pull-Theorie
(Motivation und Verhalten hängen primär von kognitiven Prozessen ab, die die
Einschätzung des Wertes und der Erfolgserwartung betreffen)
1. Erwartung: Dass auf ein bestimmtes Verhalten eine Belohnung
erfolgt, muss nicht unbedingt gelernt-, sondern kann auch kognitiv
vorweggenommen werden. Durch häufige Wiederholung (sprich
Lernen) wird lediglich die Erwartung erhöht, die Belohnung erneut
erlangen zu können. Gelernt wird eine höhere Erfolgserwartung!
2. Wert: Anders als der Trieb hängt der Wert nicht nur vom eigenen
Bedürfniszustand ab, sondern auch vom Zielobjekt bzw. der
intendierten Handlung.
33



Empirische Überprüfung (Kritik am rein behavioristischen Ansatz)
 Versuch zum latenten Lernen (s.o.): Lernen (Zielerwartung) und Motivation
(Zielverlangen) sind unabhängig voneinander!
 Elliott (1928): Wird während eines Lernprozesses der Wert der Belohnung
heruntergesetzt (z.B. durch weniger begehrtes Futter) verschlechtert sich die
Leistung. Durch unterschiedliche Lernprozesse ist dieses Phänomen nicht zu
erklären, da Trieb und Gewohnheit unverändert bleiben!
Anwendungen und Vertreter des Erwartungs x Wert Ansatzes:
 Geen’s Motivationsmodell: Am Anfang steht ein Bedürfnis, aus dem sich im
Zusammenspiel mit einer bestimmten Situation (Umweltbedingung) ein
(unspezifischer) Anreiz ergibt. Dieser Anreiz wiederum determiniert konkrete
Ziele, die dann funktionales Handeln auslösen.
 Bspl.: Das Bedürfnis nach Anerkennung + die eigene Lebenssituation
(man ist Student; die Erwartungen der Eltern und Dozenten) ergeben
den Anreiz (gute Noten zu schreiben) => daraus resultiert das
konkrete Ziel (in der nächsten Statistikklausur eine eins zu schreiben)
und die Handlung (am Wochenende durchzulernen)
 Brehm spricht von „Potential Motivation“: höchster Motivationsgrad, den
eine Person in einer bestimmten Situation erfahren kann; abhängig von:
Erwartung x Wert
 Lewins Feldtheorie (s.u.)
 Atkinsons Leistungstheorie (siehe: Kap. 10)
Kritik am Erfahrungs x Wert Ansatz:
 Da sowohl der Wert als auch die Erwartung in hohem Maße subjektiv sind, ist
Verhalten auch mit der Erwartungs x Wert Theorie nur bedingt vorhersagbar!
 Erklärung irrationalen Verhaltens (z.B. Rauchen)?!
 Oft scheinen die beiden Faktoren - Erwartung und Wert – unterschiedlich
gewichtet zu werden (z.B. beim Glücksspiel, wo der Wert zwar äußerst hoch,
die Erwartung aber nahezu 0 ist)!
8.1.2. Der Wert von Zielen und sein Einfluss auf das Handeln


Beschaffenheit des Ziels: Die Schwierigkeit, Spezifität und Komplexität von Zielen
beeinflusst das Handeln bzw. die Leistung:
 Schwierigkeit: Je schwieriger ein Ziel zu erreichen ist, desto besser die
Leistung (=> mehr Anstrengung und Ausdauer); gilt nur, wenn die
Erreichung des Ziels prinzipiell möglich-, die Aufgabe also machbar ist.
 Spezifität: Je spezifischer die Aufgabenstellung, d.h. je klarer das Ziel, desto
besser die Leistung (=> Fokussierung der Aufmerksamkeit); gilt nur in
Kombination mit entsprechender Aufgabenschwierigkeit.
 Komplexität: Je komplexer die Aufgabenstellung, desto mehr Strategien
werden angewendet.
 Auch ein Feedback der Ergebnisse erhöht zusammen mit entsprechender
Aufgabenschwierigkeit und –spezifität die Motivation und damit die Leistung.
Goal Commitment: Je höher die Zielbindung bzw. Selbstverpflichtung, desto
besser die Leistung (=> mehr Anstrengung bzw. größere Energieaufwendung). Die
Zielbindung bzw. Selbstverpflichtung hängt u.a. von folgenden Faktoren ab:
 Öffentlichkeit: Je mehr Menschen von dem Ziel wissen, desto wichtiger wird
es, dieses zu erreichen.
 Belohnung: Je größer die Belohung, desto attraktiver das Ziel
 Wahlfreiheit bzw. Legitimität der zielgebenden Person
 Wahrgenommene Kontrolle
34



Brehm: Die Anstrengungsmobilisierung ist ein Indikator für die Attraktivität bzw. den
Wert des Ziels. Dabei beeinflussen sich Attraktivität und Anstrengung gegenseitig. Je
attraktiver ein Ziel, desto größer die Bereitschaft, Energie aufzuwenden - je größer
die aufzubringende Anstrengung, desto attraktiver das Ziel!
Neben dem aufzubringenden Aufwand, der sich aus der Schwierigkeit der Aufgabe
ergibt, ist die persönliche Zielbindung bzw. Selbstverpflichtung (Öffentlichkeit…)
entscheidend für die Attraktivität eines Ziels.
Ziele und Weiner’s Attributionstheorie:
 Zur Erinnerung: Situationen werden nach folgenden Kriterien (Dimensionen)
bewertet:
1. Lokus der Verursachung (selbstverursacht - fremdverursacht)
2. Stabilität (Situation ist stabil – instabil)
3. Kontrollierbarkeit
 Motivation = Erwartung x Wert
1. Erwartung: wird durch die Stabilität beeinflusst
2. Wert: wird durch den Lokus und die Kontrollierbarkeit beeinflusst
 Fazit: Attributionen (Schlussfolgerungen) bestimmen die Motivation für
zukünftiges Handeln.
8.1.3. Die Erfolgserwartung und ihr Einfluss auf das Handeln
 Bandura: Erwartung = Kompetenzerwartung (Selbstwirksamkeit) + Handlungs-

Ergebnis-Erwartung
 Die Kompetenzerwartung beeinflusst die Zielsetzung und die Leistung
(direkt und indirekt über die Zielsetzung)
1. Je höher die Kompetenzerwartung, desto höhere Ziele setzt man sich
und umso mehr Ausdauer und Anstrengung bringt man auf.
2. Positive Auswirkung auf das Erleben von Stress u. auf das
Copingverhalten
3. Unrealistische Erwartungen können aber auch zu Misserfolg und
weniger Anstrengung führen.
 Informationsquellen über die Selbstwirksamkeit (self-efficacy):
1. Leistungsergebnisse
2. Beobachtete Leistungen
3. Verbale Überzeugung
4. Physiologisches Feedback
5. Kognitive Bewertungen
Carol Dweck: Die Attribution (Ursachenzuschreibung) von Misserfolg
beeinflusst die Erfolgserwartung und damit die Motivation.
 Entity Theory: Die eigene Leistung bzw. Fähigkeit wird auf eine festgelegte
Eigenschaft zurückgeführt (attribuiert): z.B. Intelligenz
 Incremental Theory: Die eigene Leistung bzw. Fähigkeit wird auf eine
trainierbare Eigenschaft zurückgeführt: z.B. Fleiß
 Einem Teil der Kinder wird gesagt, die Lösung bestimmter Aufgaben
sei eine Frage der Intelligenz (Entity Theory), einem anderen Teil
wird gesagt, es sei eine Frage der Anstrengung (Incremental Theory).
Die Kinder, die die Leistung gemäß der Instruktion auf ihre
Intelligenz zurückführen, zeigen nach Misserfolg weniger Spaß und
Ausdauer bei der weiteren Bearbeitung der Aufgaben. Ergo:
Misserfolg und Entitätstheorie führen zu geringer Erwartung und
damit zu weniger Motivation!
35
8.1.4. Kurt Lewin’s Feldtheorie





Laut Lewin wird unser Verhalten durch Person- und Umweltvariablen determiniert.
Dabei bezeichnet Lewin die Summe aller Person- und Umweltvariablen, die zu einem
gegebenen Zeitpunkt eine Rolle spielen, als „Feld“.
 Anders als z.B. die Psychoanalyse ist Lewins Theorie ahistorisch: lediglich das
gegenwärtige „Feld“ bestimmt unser Verhalten.
Motivation wird zurückgeführt auf eine Wechselwirkung von Anreiz (Umwelt) und
Bedürfnis (Person).
Phänomenologischer Ansatz: Entscheidend für die Variablen der Umwelt ist die
subjektive Wahrnehmung der Person.
 So ist zum Beispiel trockenes Brot für eine hungrige Person anziehender als
für eine satte!
Lewins Personenkonstrukte:
 Innerhalb einer Person gibt es „Bereiche“, die bestimmten Bedürfnissen (z.B.
Hunger) und „Quasibedürfnissen“ (z.B. unerledigte Ziele) entsprechen.
 Benachbarte Bereiche entsprechen ähnlichen Bedürfnissen; die
Grenzen zwischen solchen Bereichen sind durchlässig.
 Die Aktivierung eines Bedürfnisses stellt sich Lewin als „Spannung“ vor.
Diese Spannung wird erst abgebaut, wenn das entsprechende Bedürfnis oder
wenigstens ein ähnliches Bedürfnis („Ersatzhandlung“) befriedigt wird.
Lewins Umweltkonstrukte:
 Die Umwelt stellt sich Lewin als hodologischen Raum mit Pfaden und
Hindernissen vor.
 Die verschiedenen „Bereiche“ dieses Konstruktes stellen dabei Aktivitäten
bzw. Teilhandlungen dar, die vom Ausgangspunkt zum jeweiligen Ziel führen.
 Die Grenzwände zwischen den einzelnen Bereichen entsprechen den
Hindernissen, die auf diesem Weg überwunden werden müssen.
 Objekte, Handlungen und Ereignisse in unserer Umwelt können eine positive
oder negative Valenz annehmen.
 Die Valenz ist abhängig vom Spannungszustand des
korrespondierenden Personbereiches und den Merkmalen des zur
Zielerreichung geeigneten Objektes.
 Valenz = Merkmale des Zielobjektes x Spannung
 Je intensiver das Bedürfnis (Hunger) und je geeigneter die Merkmale
des Zielobjektes (Salamipizza), desto positiver die Valenz.
 Außerdem geht Lewin von „Kräften“ aus, die die Person bei einem Ziel mit
positiver Valenz zu diesem Ziel hin -, bei einem Ziel mit negativer Valenz von
diesem Ziel wegführen.
 Die Kraft ist dabei abhängig von der Valenz des Objektes und der
subjektiven Entfernung zu diesem Objekt/Ziel (= Erfolgserwartung).
 Kraft = Valenz / Entfernung vom Ziel
 Je näher man einem Objekt ist, desto stärker die Kraft: Mit
zunehmender
Nähe
steigt
bei
negativer
Valenz
die
Vermeidungstendenz, bei positiver Valenz die Annäherungstendenz.
Bspl.: Je näher Versuchstiere in einem Labyrinth der Futterstelle
kommen, desto schneller werden sie.
 Der Vermeidungsgradient ist steiler als der Annäherungsgradient:
die Vermeidungstendenz steigt also mit größerer Nähe zum Ziel
stärker an als die Annäherungstendenz.
36

Unterschiedliche Bedürfnisse bzw. ähnliche Umweltvariablen können zu Konflikten
führen. Ein möglicher Ausweg ist dabei immer, „aus dem Feld zu gehen“, d.h. weder
das eine, noch das andere zu tun.
 Annäherungs-Annäherungs-Konflikt
 Mindestens zwei Bedürfnisse oder ein Bedürfnis mit mehreren
möglichen Objekten/Handlungsalternativen
 Z.B.: Lernen oder Feiern? /Eis oder Pizza?!
 Instabiler Zustand, da schon die kleinste Annäherung an eines der
Objekte die Kräfteverhältnisse zugunsten dieses Objektes verändert
(Wird die Entfernung zum Ziel kleiner kommt es zur Annäherung).
 Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt
 Mindestens zwei Handlungsalternativen mit negativer Valenz
 Z.B.: Pest oder Cholera?! / im Text: Indiana Jones
 Relativ stabiler Zustand, da eine Annäherung an das eine Ziel zu
einer stärkeren Vermeidung führt und damit die Ausgangssituation
wieder hergestellt wird. Handlungsunfähigkeit?!
 Annnäherungs-Vermeidungs-Konflikt


 Umweltvariable mit positiver und negativer Valenz
 Z.B.: Leistungsverhalten und Aufgabenwahl (siehe: Kap.10)
Schematischer Ablauf: Bedürfnis bzw. Ziel => gespanntes System => Spannung
induziert in der Umwelt eine entsprechende Valenz => Valenz + Entfernung zum Ziel
=> Kraft, die dem Verhalten Antrieb und Richtung gibt (= Motivation) =>
Bedürfnisbefriedigung / Erreichung des Zielbereichs => Spannungsabbau => Ende
des Verhaltens
Lewin im Vergleich mit anderen Ansätzen:
 „Gelernt“ wird nicht das Verhalten an sich (behavioristischer Ansatz), sondern
lediglich die Entfernung zum Ziel, die bei neuen Zielen sicherlich als größer
empfunden wird, als bei bekannten und geübten Handlungszielen.
 Lewin steht zw. behavioristischem und kognitivem Ansatz: einerseits ein stark
formalisiertes Modell, andererseits wird von kognitiven Prozessen
ausgegangen.
 Interindividuelle Unterschiede werden nicht erklärt!
Empirische Überprüfung:
 Zeigarnik (1927), der „Zeigarnik-Effekt“: Die Erinnerung an unterbrochene

Handlungen ist besser als die Erinnerung an Handlungen, die abgeschlossen werden
konnten.
 VPn werden bei der Bearbeitung bestimmter Aufgaben unterbrochen, bei der
Bearbeitung anderer nicht. Ergebnis: Die Aufgaben, die abgebrochen werden
mussten, werden in etwa doppelt so gut erinnert wie die abgeschlossenen
Aufgaben. Erklärung: Die durch diese Aufgaben induzierte „Spannung“ bzw.
das Bedürfnis, sie zu lösen, konnte nicht gestillt werden, daher bleiben sie
präsent!
 Kritik: Aufmerksamkeitslenkung durch Unterbrechung?! Bearbeitungszeiteinfluss?!
Ovsiankina (1928): Die Wiederaufnahme unterbrochener Handlungen
 VPn werden vom VL von der vollständigen Bearbeitung einer Aufgabe
abgehalten, haben aber in einer späteren Pause die Möglichkeit, sie doch noch
zu beenden - was tatsächlich 80% der VPn tun, ohne dazu aufgefordert worden
zu sein!
37


 Diese Wiederaufnahmetendenz ist abhängig von…
1. der Unterbrechungsdauer (je länger, desto geringer)
2. dem Unterbrechungszeitpunkt (je näher am Ziel, desto höher)
3. der Aufgabenart (je klarer, desto höher)
4. der inneren Einstellung (je ehrgeiziger, desto höher)
 Von äußeren Anreizen ist die Wiederaufnahmetendenz weitestgehend
unabhängig (keine Aufforderung): auch hier also scheint ein innerer
Spannungszustand vorzuliegen, der abgebaut werden will!
„Ersatzhandlungen“: Spannungsabbau bei unerledigten Handlungen durch
ähnliche Handlungen
 Der „Ersatzwert“ einer Aufgabe wird durch deren Schwierigkeit, Valenz,
Realitätsgrad und die Ähnlichkeit zur unterbrochenen Aufgabe bestimmt.
Ferdinand Hoppe (1930): Anspruchsniveau und Wiederaufnahme; typische und
untypische Anspruchsniveauverschiebungen
 Erfolg und Misserfolg hängen vom subjektiven Anspruchsniveau ab
1. Zieldiskrepanz: zw. Ausgangs- und Anspruchsniveau
2. Zielerreichungsdiskrepanz: zw. Anspruchsniveau und tatsächlicher
Leistung => führt zu affektiver Reaktion
 Typische Anspruchsniveauverschiebungen: Erfolg => Erhöhung des
Anspruchsniveaus; Misserfolg => Senkung des Anspruchsniveaus
 Untypische Anspruchsniveauverschiebungen: Bei manchen VPn ist es auch
umgekehrt: Erfolg führt zur Senkung-, Misserfolg zur Erhöhung des
Anspruchsniveaus.
1. Erklärung: siehe Kap. 10
8.2. Zielumsetzung („Realisationsmotivation“)
8.2.1. Wille und Handlungsregulation


Theorien zur Handlungskontrolle befassen sich mit den psychologischen Prozessen,
die nach der Zielsetzung (s.o.) zur Zielerreichung beitragen und ein bestimmtes Ziel
gegen rivalisierende Ziele abschirmen.
Narziss Ach (1905): Willensakte sind dafür verantwortlich, dass und wie ein gefasster
Entschluss in die Tat umgesetzt wird („Determinierung“).
 Vgl. hierzu: volitionale Bewusstseinslage (Heckhausen & Gollwitzer)
8.2.2. Das Rubikonmodell (Heckhausen & Gollwitzer)

Handlungsphasen: Heckhausen & Gollwitzer gehen von 4 Handlungsphasen aus. Am
Anfang einer jeden Handlung steht ein Bedürfnis oder Wunsch (z.B. etw. für die
körperliche Fitness zu tun).
 Vorentscheidungsphase (prädezisional):
1. Die sog. Vorentscheidungsphase dient der Intentionsbildung. Dabei
werden die verschiedenen Handlungsalternativen bezüglich ihres
Wertes und ihrer Erfolgserwartung* gegeneinander abgewogen (z.B.
joggen, Fußball, Tanzkurs,…).
* Erwartung x Wert (s.o.): Ist die Handlungsalternative realisierbar (Erwartung)
und ist sie attraktiv (Wert)?!
2. Am Ende dieser Phase steht ein Entschluss (Fazittendenz): Aus dem
allgemeinen Wunsch (etw. für die körperliche Fitness zu tun) ist eine
konkrete Handlungsabsicht (Zielintention) geworden (Fußball
spielen).
38

 Vorhandlungsphase (präaktional):
1. Die Vorhandlungsphase dient der Erstellung eines Handlungsplans;
es geht also um die Erwägung konkreter Umsetzungsmöglichkeiten
(Wo, wie und wann wird Fußball gespielt?).
2. Fiattendenz: Am Ende dieser Phase steht ein Plan bzw. ein
konkreter Vorsatz (Implementierungsintention), der festlegt, wie
und wann die Handlung realisiert werden soll.
 Handlungsphase (aktional):
1. Die Handlungsphase dient der Ausführung des Handlungsplans, der
dabei fortwährend mit den aktuellen Gegebenheiten verglichen wird.
2. Am Ende dieser Phase steht der Abschluss der Handlung, im
idealen Fall bedeutet das zugleich die Erreichung des Ziels (fit zu
sein).
 Nachhandlungsphase (postaktional):
1. Die Nachhandlungsphase dient der Bewertung des Erreichten. Es
geht also darum, für sich zu entscheiden, ob die Handlung erfolgreich
war oder nicht.
2. Am Ende dieser Phase steht evtl. eine Neubewertung der
ursprünglichen Handlungsalternativen oder gar der eigenen
Standards. (Rudern statt Fußball? Oder ist Erfolg im Studium doch
wichtiger als körperliche Fitness?!)
Bewusstseinslagen: Die verschiedenen Phasen zeichnen sich durch unterschiedliche
Bewusstseinslagen aus.
 Die motivationale Bewusstseinslage:
 Zur motivationalen Bewusstseinslage gehören die Vorentscheidungsund Nachhandlungsphase: Zielsetzung!
 Um eine möglichst breite Vielfalt von Handlungsalternativen
erfassen zu können, ist diese Bewusstseinlage durch Offenheit und
Objektivität gekennzeichnet.
 Es gilt, möglichst viele Informationen aufzunehmen und sie
möglichst objektiv bezüglich ihres Wertes und der Erfolgserwartung
zu bewerten (realitätsorientierte Informationsverarbeitung).
 Die volitionale Bewusstseinslage:
 Zur motivationalen Bewusstseinslage gehören die Vorhandlungsund die Handlungsphase: Initiierung und Aufrechterhaltung des
Handelns!
 In dieser Bewusstseinslage wird die Aufmerksamkeit auf die
konkrete Absicht, deren Umsetzung und Ausführung fokussiert.
 Es gilt, sich nicht durch andere Handlungsabsichten ablenken zu
lassen und die Konzentration ganz auf zielrelevante Infos und Reize
zu richten.
 Realisierungsorientierte, statt realitätsorientierte Informationsverarbeitung, d.h. man ist weitaus optimistischer und blendet negative
Rückmeldungen z.T. aus, um sich bei der Umsetzung nicht
entmutigen zu lassen.
39

Empirische Überprüfung (Bewusstseinslagen):
 VPn werden in Bezug auf eigene Handlungsprobleme in Vorentscheidungsoder Vorhandlungsphase versetzt. Anschließend sollen sie ein unvollständiges
Märchen zu Ende erzählen.
 Ergebnis: Die „prädezisionalen“ VPn schreiben dem Protagonisten
mehr abwägendes Verhalten zu, die „präaktionalen“ mehr planendes
Verhalten.
 Konkrete
Vorsätze
(Implementierungsintentionen)
lenken
die
Aufmerksamkeit automatisch auf zielrelevante Reize bzw. Informationen und
machen damit die Umsetzung einer allgemeinen Absicht (Zielintention)
wahrscheinlicher.
 „Shadowing“-Experiment: VPn, die einen konkreten Vorsatz haben,
werden beim dichotischen Hören durch Wörter, die sich auf diesen
Vorsatz beziehen, abgelenkt. Sobald nämlich solche Wörter
eingespielt werden, verlangsamt sich ihre Reaktionszeit!
40
9. Motivation und Kognition
9.1. Selbstkontrolle
9.1.1. Belohnungsaufschub (Walter Mischel)





Ausgangsproblem: Die Verwirklichung langfristiger Ziele, wenn kurzfristig
konkurrierende Ziele auftreten.
Belohnungsaufschubparadigma: Wenn es gelingt, auf kurzfristige Belohnung zu
verzichten, kann eine größere langfristige Belohnung erzielt werden.
Mischel (1970): Experiment zum Einfluss der visuellen Präsenz der Belohnung
 Kinder konnten, je nachdem ob sie auf den VL warteten oder nach ihm
klingelten, entweder eine langfristige (2 Schokoriegel) oder eine kurzfristige
Belohnung (1 Schokoriegel) erlangen. UV: Variiert wurde dabei die visuelle
Präsenz der Belohnung: die VPn hatten während des Experiments entweder
einen, zwei oder keinen Schokoriegel vor Augen.
 Ergebnis: Die Kinder konnten am längsten warten, wenn sie keine
Belohnung vor Augen hatten - am kürzesten, wenn sie beide
Belohnungen vor Augen hatten.
Der Belohnungsaufschub ist deshalb so oft problematisch, weil die unmittelbare
Belohnung sensorisch differenzierter repräsentiert ist als die relativ abstrakte
langfristige Belohnung!
 Anblick der Belohnung (Schokolade) => Aktivierung des „heißen Systems“
=> sensorisch reiche Repräsentation => Druck zur Verhaltensausübung
=> Belohnungsaufschub schwierig
Selbstkontrolle: Die Aufmerksamkeit muss von den Produkten des „heißen Systems“
weggelenkt werden.
 In einem anderen Experiment konnten z.B. Kinder, die instruiert wurden, nicht
an die Belohnung, sondern ganz allgemein an „Spaß“ zu denken, die
Belohnung am längsten aufschieben.
9.1.2. Handlungskontrolle und Persönlichkeitsunterschiede (Julius Kuhl)


Die Realisierung einer einmal getroffenen Entscheidung wird durch Prozesse der
Handlungskontrolle ermöglicht. Dazu gehören nach Julius Kuhl:
 Selektive Aufmerksamkeit (auf zielrelevante Infos gerichtet)
 Enkodierkontrolle
(tiefere Verarbeitung zielrelevanter Infos)
 Emotionskontrolle
(Bevorzugung förderlicher Emotionen)
 Motivationskontrolle
(Betonung zielkonkruenter Anreize)
 Sparsame Infoverarbeitung (auf Realisierung bezogene Infos)
 Umweltkontrolle
(Vermeidung von äußerer Ablenkung)
 Misserfolgsbewältigung
(Verdrängung von Misserfolgen)
Kuhl unterscheidet zwischen Lageorientierung und Handlungsorientierung: dabei
handelt es sich einerseits um situationsbedingte Einstellungen (Vgl. hierzu die
Bewusstseinslagen von Heckhausen & Gollwitzer), andererseits um feste
Charaktereigenschaften.
 Lageorientierung:
 tritt auf, wenn die Realisierung der eigenen Vorsätze behindert wird,
kann also durch Misserfolge ausgelöst werden (gelernte Hilflosigkeit)
 ist gekennzeichnet durch die langsame Verarbeitung negativer
Emotionen und leichte Ablenkbarkeit; Grübeln über Misserfolg führt
zu Entmutigung, Ablenkung und einem Mangel an Elan
41
 Handlungsorientierung:
 Ist gekennzeichnet durch eine schnelle Handlungsinitiierung und
rasche Affektregulation (Misserfolgserlebnisse werden zur Seite
geschoben, um sich ganz der Aufgabe widmen zu können)
 ermöglicht schnelle Entscheidungen sowie konzentriertes und
ausdauerndes Arbeiten
9.1.3. Roy Baumeister und der Selbstkontrollmuskel



Die Selbstregulation (z.B. das Aufschieben einer Belohnung) kostet Energie und ist
damit abhängig von Kraftressourcen (Selbstkontrollmuskel).
Diese Ressource wird durch Selbstkontrolle verbraucht, kann aber auch trainiert
werden. Verbraucht wird die Ressource z.B.:
 beim Widerstehen von Versuchungen (z.B. Bedürfnisaufschub)
 bei der kognitiven Kontrolle (Unterdrückung von Stereotypen und Affekten)
 bei der Aufmerksamkeitskontrolle
 bei physischer oder mentaler Anstrengung
 bei Wahlentscheidungen
Baumeister (1998): Nachdem VPn dem Essen von Keksen widerstehen mussten (UV),
sind sie beim Bearbeiten eines unlösbaren geometrischen Rätsels weniger ausdauernd.
9.2. Gedankenkontrolle
9.2.1. Terror Management Theorie (Greenberg & Pyszczynski)


Die menschliche Todesangst führt zu dem Wunsch nach Unsterblichkeit in der Kultur.
Dementsprechend geht die Erinnerung an den eigenen Tod mit dem Bedürfnis nach
kulturellen Werten einher.
 Die Erinnerung an den eigenen Tod begünstigt konservative
Einstellungen.
EXPERIMENTE:
 Landau et al. (2004): Die Experimentalgruppe wird instruiert, sich gedanklich
mit dem eigenen Tod auseinander zu setzen, die Kontrollgruppe soll sich
intensiven Schmerz vergegenwärtigen. In der anschließenden Befragung zeigt
sich, dass diejenigen, die mit dem Todesgedanken konfrontiert wurden,
tatsächlich den konservativeren Kandidaten Bush bevorzugen, während die
Kontrollgruppe eine eindeutige Präferenz für John Kerry zeigt.
 Interviews vor Friedhöfen führen zu konservativeren Ansichten!
9.2.2. Motiviertes Stereotypisieren (Sinclair & Kunda)


Der Wunsch, ein positives Selbstbild aufrecht zu erhalten, kann zu einer verzerrten
Informationsverarbeitung führen: motivierte Stereotypisierung!
EXPERIMENT:
 Sinclair & Kunda (1999): Bei positiver Rückmeldung eines schwarzen Arztes
wird das positive Arztstereotyp aktiviert, bei negativer Rückmeldung dagegen
das negative Schwarzenstereotyp!
42
9.3. Automatische Zielaktivierung
9.3.1. Automatische Zielaktivierung (John Bargh)


John Bargh (2001): Häufig verfolgte Ziele können durch ziel- oder mittelbezogene
Wörter geprimt werden und haben dann die gleichen Konsequenzen wie bewusste
Ziele, sprich: sie führen zu denselben affektiven Reaktionen (mystery mood), zu einer
Wiederaufnahmetendenz,…
Lakin & Chartrand (2003): UV: Durch subliminal dargebotene Wörter wie
„Freund“, „Partner“, „zusammen“ wird bei einem Teil der VPn das Ziel der
Zugehörigkeit geprimt, einem anderen Teil ist dieses Ziel bewusst, der Rest der VPn
hat kein Ziel. AV: Nachahmung einer Person.
 Ergebnis: Zugehörigkeitsziele führen zu mehr Nachahmung, unabhängig
davon, ob sie bewusst oder unbewusst aktiviert wurden.
9.4. Gelernte Hilflosigkeit
9.4.1. Gelernte Hilflosigkeit (Seligman)



Nach mehreren Misserfolgserlebnissen in einer unkontrollierbaren Situation (z.B.
durch willkürliche Elektroschocks) stellt sich das Phänomen der gelernten
Hilflosigkeit ein.
Gelernte Hilflosigkeit = die Erwartung, Ereignisse nicht kontrollieren zu können
(Generalisierung der Hilflosigkeit) => führt zu späteren Lerndefiziten (motivationale,
kognitive und emotionale Defizite)
 Auch in kontrollierbaren Situationen, in denen die Elektroschocks durch
entsprechendes Verhalten vermieden werden können, zeigen sich die Tiere, die
zuvor unkontrollierbaren Schocks ausgesetzt waren, unfähig, adäquat zu
reagieren.
Kritik: Interindividuelle Unterschiede (GH tritt nicht bei allen Individuen auf, dauert
unterschiedlich lang und ist unterschiedlich stark ausgeprägt) können mit Seligmans
Modell nicht erklärt werden!
9.4.2. Attributionale Theorie (Abramson et al.)



Ob und wie stark das Phänomen der gelernten Hilflosigkeit auftritt hängt davon ab,
auf was die Nicht-Kontingenz bzw. Unkontrollierbarkeit der Ereignisse zurückgeführt
wird.
GH tritt nur bei einem pessimistischen Attributionsstil auf:
 Lokation:
 Nur bei internaler Ursachenzuschreibung macht sich das Individuum
selbst für den Misserfolg verantwortlich.
 Globalität:
 Nur bei globaler Ursachenzuschreibung wird die Misserfolgserwartung generalisiert.
 Stabilität:
 Nicht-Kontingennz wird auf stabile Ursachen zurückgeführt
Die Art der Ursachenzuschreibung beeinflusst das Selbstwertgefühl und damit den
affektiven Zustand einer Person.
 depressiver bzw. pessimistischer Erklärungsstil (negative Ereignisse werden
auf internale, globale u. stabile-, positive Ereignisse auf externale, spezifische
u. variable Ursachen zurückgeführt) => Depression
43
9.4.3. Gelernte Hilflosigkeit = Lageorientierung (Kuhl)


Erwartungsgeneralisierung (Seligman) kann nicht zutreffen, da normalerweise
zwischen verschiedenen Situationen differenziert werden kann.
Statt dessen begünstigt permanenter Misserfolg den Zustand der Lageorientierung
(s.o.): Man beschäftigt sich gedanklich mit den vorangegangenen Misserfolgen und
wird dadurch von der Lösung der aktuellen Aufgabe abgelenkt.
 Die Ursachenattribution (Abramson et al.) ist demnach nicht die Ursache,
sondern die Folge der „gelernten Hilflosigkeit“. Die Lageorientierung führt zu
handlungsirrelevanten Attributionen, die von der Aufgabenlösung ablenken.
44
10. Leistungsmotivation
10.1. Das Leistungsmotiv
10.1.1. Henry Murray (1938)


Murray postuliert 20 Bedürfnisse, die sich u.a. in entsprechenden Emotionen und
Projektionen äußern. Eines dieser Bedürfnisse ist nach Murray das Bedürfnis nach
Leistung!
 Leistungsbedürfnis = „Bedürfnis nach Bewältigung von Aufgaben, die als
herausfordernd erlebt werden“.
 Weitere
Bedürfnisse
sind
z.B.
das
Autonomiebedürfnis,
das
Zugehörigkeitsbedürfnis oder das Bedürfnis nach Dominanz.
Der von Murray entwickelte „Thematische Apperzeptionstest“ (TAT) ist ein
projektives Testverfahren, bei dem mehrdeutige Bilder, meist sozialen Inhalts, vom
Pbn interpretiert werden sollen, um auf dessen Persönlichkeit bzw. Bedürfnisse und
Motive zu schließen.
 Eine Weiterentwicklung dieses Tests von McClelland dient v.a. der Messung
des Leistungsmotivs.
10.1.2. Lewins Beitrag zur Motivationsforschung



Motivation = Funktion aus Erwartung und Wert (Erwartung x Wert)
Leistungssituation = Annäherungs-Vermeidungskonflikt
 Die Kraft, Erfolg anzustreben, ergibt sich multiplikativ aus der Valenz für
Erfolg und der Erfolgserwartung bzw. –wahrscheinlichkeit.
 Die Kraft, Misserfolg zu vermeiden ergibt sich dementsprechend aus der
negativen Valenz für Misserfolg und die Misserfolgserwartung.
 Resultierende Kraft = Kraft (Erfolg) – Kraft (Misserfolg)
Da sowohl die Valenz - als auch die Erwartung von Erfolg und Misserfolg subjektiv
bedingt sind, können sie nur posthoc erschlossen werden.
 Interindividuelle Unterschiede, die u.a. in untypischen Verschiebungen des
Anspruchsniveaus (Hoppe) zum Ausdruck kommen, erklärt Lewin mit der
Subjektivität
der
postulierten
Größen:
v.a.
der
subjektiven
Erfolgswahrscheinlichkeit („Potenz“)
10.1.3. Atkinsons Risikowahlmodell

Atkinson, dessen Modell zu großen Teilen auf Lewins Feldtheorie beruht, geht von
zwei entgegengesetzten Motivationstendenzen aus. Einerseits hängt die
Leistungsmotivation von der Hoffnung auf Erfolg (Erfolgsmotiv), anderseits von der
Furcht vor Misserfolg (Misserfolgsmotiv) ab.
 Beide Motive sind handlungsleitend; wie Lewin betrachtet Atkinson eine
Leistungssituation also als Annäherungs-Vermeidungskonflikt.
 Welches dieser beiden Motive ausgeprägter ist, hängt nach Atkinson aber nicht
nur von der Situation, sondern v.a. von der jew. Persönlichkeit ab, ist also
individuell verschieden.
45
 Zentrale Annahmen:
 Das Erfolgsmotiv (Me) und das Misserfolgsmotiv (Mm) sind demnach




überdauernde Eigenschaften der Person (messbar durch TAT).
 Die einzige Theorie die von stabilen Persönlichkeitsfaktoren
ausgeht und nicht nur die momentane Befindlichkeit als
Motivationsquelle ansieht (=> Erklärung für interindividuelle
Unterschiede).
Der Anreiz einer Aufgabe hängt von der Aufgabe selbst ab (wie leicht bzw.
wie schwierig sie ist) und entspricht der emotionalen Reaktion auf Erfolg bzw.
Misserfolg, sprich Stolz oder Scham.
 Der Anreiz von Erfolg ist umso größer, je schwieriger die Aufgabe
bzw. je geringer die Erfolgserwartung:
Ae = 1- Erfolgswahrscheinlichkeit
 Der Anreiz von Misserfolg ist dagegen umso größer, je leichter die
Aufgabe bzw. je geringer die Misserfolgserwartung.
Am = 1 – Misserfolgswahrscheinlichkeit
 Einfach ausgedrückt: Je schwieriger die Aufgabe, desto
befriedigender der Erfolg (stolz) – je leichter eine Aufgabe, desto
enttäuschender bzw. peinlicher ein Misserfolg (Scham)!
Die Tendenz, einen Erfolg anzustreben (Te), ergibt sich aus der
multiplikativen Verknüpfung des Erfolgsmotivs (Me), der Erfolgserwartung
(We) und dem Anreiz von Erfolg (Ae). Die Tendenz, einen Misserfolg zu
vermeiden (Tm), ist dementsprechend das Produkt aus Misserfolgsmotiv
(Mm), Misserfolgserwartung (Wm) und Misserfolgsanreiz (Am).
 Te = Me x We x Ae
 Tm = Mm x Wm x Am
Resultierende Tendenz:
 Tr = Te – Tm
Hinzu kommt der Einfluss extrinsischer Motive (wie z.B. äußere Zwänge,
materielle Belohnung,…), die es ermöglichen, dass auch stark
misserfolgsmotivierte Personen sich Leistungssituationen stellen.
 Tr + Tex
 Schlussfolgerungen u. Hypothesen:
 Wenn das Misserfolgsmotiv größer ist als das Leistungs- bzw. Erfolgsmotiv
sollten Leistungssituationen, sofern keine extrinsischen Motive vorliegen,
grundsätzlich gemieden werden; im umgekehrten Fall sollten sie aufgesucht
werden.
 Wenn das Misserfolgsmotiv überwiegt, sind Aufgaben mittlerer Schwierigkeit
mit der größten Vermeidungstendenz verbunden; es sollten eher leichte
(geringe Misserfolgserwartung) oder schwere (geringer Misserfolgsanreiz)
Aufgaben gewählt werden.
 Umgekehrtes gilt für ein stärker ausgeprägtes Erfolgsmotiv; hier sollten
überwiegend Aufgaben mittlerer Schwierigkeit gewählt werden
46
 Empirische Überprüfung:
 Aufgabenwahl (Atkinson):
 Bei einer Ringwurfaufgabe, bei der der Abstand zum Ziel frei
gewählt werden konnte, wählten VPn mit hohem Erfolgsmotiv
(TAT) tatsächlich überwiegend Aufgaben mittlerer Schwierigkeit.
 Für VPn mit hohem Misserfolgsmotiv konnte die Ausgangshypothese
allerdings
nicht
bestätigt
werden.
Sie
wählten
alle
Aufgabenschwierigkeiten in etwa gleich oft.
 Anspruchsniveau-Setzung (Moulton):
 Bei VPn mit hohem Erfolgsmotiv zeigt sich eine typische
Anspruchsniveausetzung (nach Erfolg Erhöhung -; nach Misserfolg
Senkung des Anspruchsniveaus)
 VPn mit hohem Misserfolgsmotiv wählen gleichermaßen typischeund atypische AN-Setzungen (nach Erfolg Senkung -, nach
Misserfolg Erhöhung des Anspruchsniveaus)

Kritik (Trope & Brickman):
 Alternativerklärung: Nicht die Aufgabenschwierigkeit, sondern deren
Diagnostizität ist entscheidend für die Aufgabenwahl. Anders ausgedrückt: es
geht nicht darum Scham zu vermeiden bzw. Stolz zu maximieren (Atkinson),
sondern darum, möglichst viel bzw. wenig Informationen über die eigene
Leistungsfähigkeit zu bekommen.
 Aufgaben mittlerer Schwierigkeit haben die höchste Diagnostizität:
sie sagen am meisten über die eigene Leistungsfähigkeit aus.
 „Erfolgsmotivierte“ Personen bevorzugen diagnostische Aufgaben, um mehr
über die eigene Leistungsfähigkeit
zu erfahren, während „misserfolgsmotivierte“ aus Angst vor negativen Rückschlüssen auf die eigene Person
solche Aufgaben eher meiden.
10.2. Regulatorischer Fokus (Tory Higgins, 1997)


Das Leistungsmotiv kann entweder auf die Erreichung eines Minimalziels oder eines
Maximalziels richten.
 Das Erreichen des Maximalziels wird dabei als positives Erlebnis empfunden;
das Verfehlen des Maximalziels als nicht-positives Erlebnis.
 Das Erreichen des Minimalziels wird als nicht-negatives Erlebnis empfunden,
die Verfehlung des Minimalziels als negatives Erlebnis.
Higgins unterscheidet demnach zwischen 2 Systemen der Selbstregulation. Je
nachdem auf welches Ziel man das eigene Handeln ausrichtet, liegt entweder ein
„Prevention-“ oder „Promotion Fokus“ vor. Welche dieser beiden „Strategien“
angewandt wird, ist zum Teil situationsbedingt, zum Teil persönlichkeitsabhängig (je
nachdem, ob in der Erziehung eher Soll-Ziele oder Ideale vorgegeben wurden; positiv
oder negativ verstärkende Erziehung).
 Prevention Fokus: Vigilanz
1.
2.
3.
4.
Fokus liegt auf dem Minimalziel
Verbunden mit Sicherheitsbedürfnissen
Strategie ist Vermeidung (Vgl.: Misserfolgsmotiv)
Langsames, genaues und vorsichtiges Arbeiten; analytisches
Vorgehen
5. Die in Leistungssituationen empfundenen Emotionen sind entweder
ängstliche Anspannung oder Erleichterung
47
 Promotion Fokus: Strebsamkeit
1.
2.
3.
4.

Fokus liegt auf Maximalziel
Verbunden mit Wachstumsbedürfnissen
Strategie ist Annäherung (Vgl. Erfolgsmotiv)
Schnelles, weniger genaues und vorsichtiges Arbeiten; mehr
Kreativität
5. Die in Leistungssituationen empfundenen Emotionen sind entweder
Freude oder Enttäuschung
Empirische Überprüfung (Friedman & Förster, 2001): Nach Promotion-Priming
zeigen VPn bei Wiedererkennungsaufgaben eine stärkere Ja-Sage-Tendenz (weniger
vorsichtigeres Arbeiten), finden ungewöhnlichere Verwendungsarten für einen
Ziegelstein und schneiden in Wortstammergänzungsaufgaben besser ab (Kreativität)
10.3. Stereotype Threat (Steele & Aronson, 1995)



Definitionen:
 Stereotyp: die erwartete Korrelation zwischen bestimmten Eigenschaften einer
Person und ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.
 Stereotype Threat: Die Angst, ein negatives Stereotyp über die eigene
Gruppe durch persönliches Versagen bei einer schwierigen Aufgabe zu
bestätigen.
 führt tatsächlich zu schlechteren Leistungen (das Stereotyp als „selffullfilling Proficy“).
In mehreren Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass Leistungsunterschiede
situativ manipulierbar sind und daher keineswegs immer auf stabilen Defiziten
beruhen müssen. Durch die Aktivierung bestimmter Stereotype kann die Leistung der
von diesen Stereotypen betroffenen VPn verschlechtert werden.
 Gezeigt werden konnte dieser Effekt z.B. bei Frauen und deren
mathematischem Leistungsvermögen oder bei der Testung verbaler Intelligenz
farbiger Studenten!
Wie kommt es zu diesem Effekt?! Mögliche Mediatoren sind…
 erhöhte Bewertungserwartung (= erhöhter Leistungsdruck)
 geringere Leistungserwartung bzw. Misserfolgserwartung
 Prevention Fokus
48
10.4. Leistung in Gruppen




Der Einfluss der Gruppe: Soziale Erleichterung bei einfachen Aufgaben (bessere
Leistung unter der Anwesenheit anderer) – soziale Hemmung bei schwierigen
Aufgaben (schlechtere Leistung unter der Anwesenheit anderer)
 Bewertungserwartung (Yerkes-Dodson-Gesetz)
 Aufmerksamkeitskonflikt
Der Einfluss der Gruppengröße: Je größer die Gruppe, desto mehr reduziert der
einzelne seinen Beitrag („Soziales Faulenzen“ – Bspl.: Tauziehen)
 Nichtidentifizierbarkeit und Nichtbewertung
 Relative Unwichtigkeit des eigenen Beitrags
 Verantwortungsdiffusion
 Empfundene Unausgewogenheit der Beiträge
 Individualistischer kultureller Hintergrund (Einzelleistung wird als
höherwertig betrachtet als Gruppenleistung)
Effektivitätshindernisse in der Gruppe (Brainstorming funktioniert z.B. in der
Gruppe besser als allein)
 Rücksicht (den anderen auch mal sprechen lassen)
 Bewertungsangst
Lösungen:
 Einzelleistungen bei einfachen Aufgaben identifizierbar machen, bei
schwierigen eher nicht
 Identifikation mit der Gruppe stärken (gegen Individualismus)
 Bewertung der Gruppenleistung
 Brainstorming allein und nicht in der Gruppe
 Expertenrollen zuordnen (gegen die Verantwortungsdiffusion)
10.5. Zusammenfassung

Die Leistungsmotivation ist abhängig von…
 individuell überdauernden Motiven
 Atkinson: Erfolgs- vs. Misserfolgsmotiv
 Aufgabentyp und strategischer Neigung
 Higgins: Prevention- vs. Promotion Fokus
 Situativem Druck
 Steele & Aronson: Stereotype Threat
 Yerkes-Dawson Gesetz: Anwesenheit Anderer
 Kompetenzerwartung und Zielsetzung
 Bandura: „Selfefficency“
 Vorherigen Kontrollverlusterfahrungen
 Seligman: gelernte Hilflosigkeit
 Fähigkeitstheorien (fix oder veränderbar)
 Dweck: Enttity vs. Incremental Theory
 Gruppenprozessen
 Synergieeffekte vs. Prozessverluste (z.B.
Identifizierbarkeit)
durch
mangelnde
49
11. Pro- und antisoziales Verhalten
11.0. Einleitung




Echter Altruismus ist per definitionem um seiner selbst Willen motiviert.
 Altruismus  Egoismus / Hedonismus
Empathie: Nachempfinden eines emotionalen Zustands einer anderen Person, in einer
konkreten Situation durch Perspektivübernahme ausgelöst!
Aus evolutionärer Sicht betrachtet, dürfte es keinen „echten Altruismus“ geben.
Einziges Ziel dürfte die Genweitergabe und damit die Steigerung der eigenen Fitness
sein.
Prosoziales Verhalten tritt also aus evolutionärer Sicht nur dann auf, wenn es sich
auch für den Helfer lohnt:
 „kin selection“: daher wird z.B. vorrangig Verwandten geholfen (gleiche
Gene)
 Reziproker Altruismus („Hilfst du mir, helf’ ich dir“): Wechselseitige Hilfe
auch unter nicht-verwandten Individuen; tritt v.a. in sozialen Gruppen auf,
deren kollektives Überleben von Kooperation abhängt.
1. Gouldner (1960): Empfangene Hilfe nicht „zurückzugeben“ ist
emotional aversiv (Helfen dient der Stimmungsverbesserung).
11.1. Kognitives Modell der Hilfeleistung (Latané & Darley)

Helfen als sequentieller Entscheidungsprozess, bei dem 5 Barrieren überwunden
werden müssen, bei die Handlung initiiert werden kann.
1) Es
muss
registriert
werden,
dass
ein
Notfall
vorliegt
(Aufmerksamkeitslenkung bzw. -kapazität)
2) Es muss entschieden werden, dass Hilfe nötig ist (Interpretation)
 Soziale Vergleichsprozesse: Nur wenn die anderen reagieren,
reagiert man selbst.
 Latané & Darley (1968): Beim Bearbeiten eines Fragebogens kam
Rauch aus der Lüftung. Waren die VPn allein im Versuchsraum,
suchten 75% nach Hilfe; wenn ein Verbündeter weiterarbeitete, nur
10%!
3) Die Verantwortlichkeit für die Hilfeleistung muss übernommen werden
(Verantwortungsübernahme)
 Verantwortungsdiffusion: „Das kann auch ein anderer machen!“
 Latané & Darley (1968): Über Kopfhörer und Mikrophon wird eine
anonyme Gruppendiskussion geführt. Dabei täuscht einer der
Teilnehmer einen epileptischen Anfall vor. Ergebnis: Je größer die
Gruppe war (2,3 oder 6 Personen), desto weniger Leute versuchten
zu helfen.
4) Die angemessene Reaktion muss bekannt sein (Kompetenz)
 VPn, die einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hatten, halfen bei
medizinischen Notfällen eher.
5) Die Entscheidung muss umgesetzt werden (Umsetzung)
 Dabei machen konkurrierende Ziele helfendes Handeln
unwahrscheinlicher.
 Darley (1973): Theologiestudenten sollten Referat zum guten
Samariter halten – auf dem Weg zum Hörsaal halfen diejenigen, die
unter Zeitdruck standen, einem Bettler seltener als die ohne
Zeitdruck.
50
11.2. Emotionale Erregung und Kosten-Nutzen-Abwägung

Piliavin (1981) erweiterte die Entscheidungssequenz von Latané & Darley um 2
Aspekte:
 Die emotionale Erregung:
 wird durch Notfall ausgelöst
 kann durch helfende Intervention, Flucht oder das Ignorieren des
Notfalls reduziert werden.
 Eine Kosten-Nutzen-Abwägung
 Welche dieser Alternativen gewählt wird, hängt von einer KostenNutzen-Abwägung ab: Welche Kosten und Nutzen bringt das Helfen
bzw. Nichthelfen für einen selbst und den anderen mit sich?!
11.3. Stimmungen und Hilfeverhalten
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Ob jemand gut oder schlecht gelaunt ist, hat Einfluss auf dessen Hilfeverhalten.
Gute Stimmung erhöht Hilfsbereitschaft:
 Isen (1970): Nach positiver Rückmeldung halfen Studierende einer Frau, die
sich mit einem Stapel Bücher abmühte, häufiger als Studierende, die keine
positive Rückmeldung erhalten hatten.
 Mögliche Erklärungen:
1. Stimmungskongruente Urteile und Gedanken (die Mitmenschen
werden positiver wahrgenommen)
2. Bedürfnis, die eigene Stimmung aufrechtzuerhalten (“Mood
maintenance hypothesis“)
3. Aufmerksamkeit eher nach außen gerichtet
Auch schlechte Stimmung und negative Emotionen können die Hilfsbereitschaft
erhöhen: z.B. Schuldgefühle!
 Katholiken sind vor der Beichte eher bereit zu spenden als nach der Beichte!
 „Negative state relief“- Theorie: Für Effekte negativer Stimmung ist
entscheidend, ob Helfen die Stimmung verbessern kann bzw. ob die Person an
eine solche Verbesserung glaubt.
Fazit: Gutgestimmte VPn helfen generell mehr als neutralgestimmte;
schlechtgestimmte helfen nur dann mehr als neutralgestimmte, wenn sie nicht glauben,
dass ihre Stimmung fixiert ist.
11.4. Die Empathie-Altruismus-Hypothese (Daniel Batson)
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Grundsätzlich gibt es zwei Reaktionen auf das Leiden anderer:
 „personal distress“ (unangenehme Erregung, selbstbezogen)
 Empathie (Mitgefühl, auf das Opfer bezogen)
Daniel Batson: Es gibt„echten“ Altruismus, der durch Empathie ermöglicht wird!
EXPERIMENT (Batson et al., 1981):
 VPn beobachten das Leiden einer „Mitversuchsperson“, der angeblich
Elektroschocks verabreicht werden. Möglichkeit zur Hilfe: Platz tauschen.
Variiert wird zum einen die Möglichkeit zur Flucht (leicht vs. schwer) und
den Grad an Empathie (wenig vs. große Ähnlichkeit zw. den VPn).
 Ergebnis: Bei hoher Empathie ist die Bereitschaft zur Hilfe generell
hoch, bei niedriger Empathie wird nur dann geholfen, wenn keine
leichte Fluchtmöglichkeit besteht.
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12. Aggressives Verhalten
12.1. Definitionen
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Panksepp: Es gibt 3 angeborene neurophysiologische Aggressionszentren oder –
typen:
1. Affektive Aggression (ausgelöst durch Frustration)
2. Jagdaggression
3. Intermale-Aggression (Kampf um Reproduktionsressourcen, sprich Weibchen)
McDougall: Aggression als einer von 18 Instinkten; aggressives Verhalten ist
demnach das Produkt eines Aggressionstriebs
Freud: Thanatos => ein auf Lebenszerstörung gerichteter Trieb; Abbau durch
„abreagieren“ (Katharsis)
Lorenz: Aggression als angeborene Verhaltensdisposition, die der Anpassung an die
Umwelt dient; Aggression als verhaltensspezifische Energie, die sich regelmäßig
entladen muss und in etwa den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie wiederkehrende
physiologische Bedürfnisse.
12.2. Die Frustrations-Aggressions-Hypothese
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Frustration ist eine Folge der Unterbrechung zielgerichteter Handlung.
Ursprungsthese (Dollard et al.): Frustration führt immer zu irgendeiner Form von
Aggression!
 Kritik: Auch andere Reaktionen auf Frustration sind denkbar: z.B. Weinen
oder Apathie
Abgeschwächte These: Frustration produziert Reaktionen. Eine davon ist Aggression.
 Aggression als dominante „Reaktionstendenz“ auf Frustration
Berkowitz (1974): Frustration ruft emotionale Erregung (Ärger) hervor. Diese führt
nur in Kombination mit entsprechenden Hinweisreizen zu Aggression.
 Hinweisreize, die aggressives Verhalten hervorrufen, sind alle Reize, die mit
Ärger assoziiert werden (z.B. Waffen)
 Kritik: Trotz aggressiver Hinweisreize muss Frustration nicht immer zu
Aggression führen!
Aggressives Verhalten nach Frustration wird begünstigt durch:
 den Attributionsstil einer Person:
 je nachdem, auf welche Ursache die Frustration zurückgeführt wird,
ob dem Frustrationsauslöser z.B. eine Absicht unterstellt wird oder
nicht
 Erziehung/ Lernprozesse (Bandura):
 je nachdem, ob Aggression als Mittel zur Erregungsreduktion gelernt
wurde oder nicht
12.3. Die Wirkung von Mediengewalt
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Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Konsum aggressiver
Fernsehsendungen/ Videospielen und aggressiven Verhaltensweisen!
 Anderson & Dill (2000): Videospiele mit aggressiven Inhalten aktivieren mehr
aggressionsbezogene kognitive Inhalte und führen dadurch zu mehr
aggressiven Handlungen.
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