1 Motivation und Handeln 1. Motivation und kognitive Prozesse Die zuletzt behandelte Entscheidungstheorie beschreibt Handlungen als beeinflusst durch das, was wir wollen (Nutzen) und das, was wir glauben (subjektive Wahrscheinlichkeiten). Denken und Urteilen (kognitive Operationen) können jedoch selbst als Handlungen verstanden werden, deren Ursachen es zu erklären gilt. In Analogie zu Reiz kontrollierten und Ziel kontrollierten Handlungen kann zwischen automatisierten Kognitionen wie Lesen und kontrollierten oder Ziel orientierten Kognitionen wie Lösen eines Problems unterschieden werden. Aus Gründen beschränkter kognitiver Kapazität ist im Alltag Problemlösen eher selten Es dominiert die Anwendung von Heuristiken wie Verfügbarkeit oder Repräsentativität und schematisiertem Wissen, die Zeit und Energie sparen. Häufig liefert ihre Anwendung befriedigende Ergebnisse. Sie können aber auch zu schwerwiegenden Fehlern führen. Menschen haben eine Tendenz, die Welt als geordnet, stimmig und stabil zu erleben. Diese Tendenz wirkt als Motiv (der kognitiven Kohärenz). Um dieses Ziel zu erreichen, setzen wir kognitive Operationen ein. Zu ihnen gehören zum Beispiel Veränderung von Erinnerungen und sogar deren Konstruktion (falsche Erinnerungen). Ein wichtiger als Aspekt des Motivs ist die Tendenz Kausalerklärungen für Ereignisse zu finden. Ein anderer Aspekt ist die Tendenz zu einem kognitiven Konservatismus: die Tendenz existierende kognitive Strukturen (z.B. Schemata) beizubehalten, auch wenn Wahrnehmungen nicht in Einklang mit ihnen stehen. Schemata können verteidigt werden durch selektive Informationsverarbeitung, kreative Informationsverarbeitung (Wahrnehmung von Scheinkorrelationen), flexible Kausalattribution, sich selbst erfüllende Vorhersagen. Bei unseren bisherigen Betrachtungen sind wir davon ausgegangen, dass Entscheidungen durch Präferenzen und Meinungen beeinflusst werden. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, dass Entscheidungen (oder Handlungen) Meinungen beeinflussen. Dieser Zusammenhang wird durch die Theorie der kognitiven Dissonanz beschrieben. Sie geht davon aus, dass Menschen glauben, ihre Handlungen mit ihren Meinungen und Werten übereinstimmen sollten. Ist im Widerspruch ihnen gehandelt worden, entsteht eine Dissonanz, die nach Auflösung und Umwandlung in Konsonanz verlangt. Da Handlungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können, müssen sich Meinungen und Einstellungen ändern. Eben dies wurde in vielen Experimenten beobachtet. Eine weitere Art und Weise, wie unsere Motive unser Denken beeinflussen können, wird durch das Pollyana Prinzip beschrieben. Danach nehmen wir eher wahr, was uns erfreut, erinnern es besser und glauben es mehr. Die empirischen Belege für dieses Prinzip sind nicht unumstritten. Gesichert ist jedoch die Tendenz, die Wahrscheinlichkeit favorisierter Ereignisse zu überschätzen und diejenige unerwünschter Ereignisse zu unterschätzen. 2. Motivation und Emotion Über die Beziehung zwischen Motivation und Emotion existieren verschiedene Auffassungen. Einige Autoren sehen Emotionen als Motive, für andere begleiten sie Motive, für wieder andere sind sie Handlungen. Sie werden als die verstärkende Komponente (Wert oder Nutzen) 2 des Ergebnisses einer Handlung gesehen aber auch als das eigentliche Ziel. Wir handeln um etwas zu fühlen. Schließlich sind Emotionen eng mit Kognitionen verbunden. Nach der Theorie von James-Lange sind Emotionen nicht die Ursache von Handlungen, sondern das Ergebnis der Wahrnehmung von Handlungen besonders der inneren Organe. Cannon wendet dagegen ein, dass die Reaktionen innerer Organe dafür zu langsam ablaufen und zu ähnlich sind für die verschiedenen Emotionen, um deren Vielfalt erklären zu können. Allerdings sind letzthin unterschiedliche Muster von Reaktionen des autonomen Nervensystems bei unterschiedlichen Emotionen entdeckt worden. Nach Cannon sind Emotionen das Ergebnis der Tätigkeit von Systemen im Gehirn, die spezifisch für verschiedene Emotionen sind. Wie andere Handlungen auch können Emotionen durch den Erregungs- oder Aktivationszustand des Organismus in unspezifischer Weise beeinflusst werden. Aktivierung kann unabhängig von ihrer Ursache Emotionen verstärken. Emotionen werden im Allgemeinen gezeigt oder ausgedrückt. Die damit verbundene Kommunikation von Emotionen macht aus evolutionärer Sicht Sinn. Daher ist der Ausdruck von Emotionen das Ergebnis einer evolutionären Entwicklung. Damit der Ausdruck leicht lesbar ist, ist er ritualisiert. Zumindest beim Menschen ist er jedoch durch Lernen modifizierbar. Die facial feedback Hypothese behauptet, das ein für eine Emotion typischer Gesichtsausdruck die Emotion verstärkt oder sogar induziert. Kognitive Prozesse tragen zur Emotionsbildung bei. Die Diskrepanzhypothese behauptet, dass milde Überraschungen angenehm, intensive Überraschungen unangenehm sind. Die Theorie betont die Bedeutung der Situation. Andere Theorien betonen die Bedeutung der Situation wie sie interpretiert wird durch den Handelnden. Schachter behauptet, dass Emotionen aus der Interpretation des eigenen wahrgenommenen Erregungszustandes resultieren. Weiner sieht sie als Ergebnis einer Kausalanalyse der Symptome des Handelnden und der Situation. Nach Lazarus spielt auch die Bewertung der momentanen Situation bezüglicher ihrer Implikationen für die Zukunft eine Rolle. Stress wird im Allgemeinen von negativen Emotionen begleitet. Daher löst er diverse Versuche aus, ihn zu beseitigen. Nachgewiesenermaßen gibt es einen strategischen Nutzen von Emotionen gegenüber einem völlig rationalen Problemlöseansatz. Die Gründe für unsere Emotionen können wir nicht direkt wahrnehmen sondern müssen sie erschließen. 3. Soziale Motivation Soziale Interaktion beginnt mit der Bindung eines Neugeborenen an die Mutter. Dabei zeigt sich, dass der Kontaktkomfort wichtiger für die Bindung ist als der Ernährungsaspekt und dass eine „kontaktkomfortable“ Mutter eine sichere Basis für Exploration und Spiel darstellt. Es existieren deutliche individuelle Unterschiede im bindungsbezogenen Verhalten, die mit anderen Variablen korrelieren. Kinder, die in ihrer Bindung sicher sind, haben sensitive, reagierende Eltern und bessere Beziehungen zu Altersgenossen als solche Kinder, die in ihrer Bindung unsicher sind. (Sichere Kinder explorieren in Anwesenheit der Mutter, reduzieren 3 Exploration in ihrer Abwesenheit und sind unglücklich; unsichere Kinder sind wenig beeindruckt, wenn die Mutter fort bleibt und ignorieren sie, wenn sie zurückkommt.) Bei der Bindung von Erwachsenen wird zwischen Liebe (Love) und Neigung (liking) unterschieden. Neigung entwickelt sich auf der Basis vergangener und aktueller Erfahrungen, Liebe auf der Basis vorgestellter Ereignisse, zukünftiger und vergangener. Zudem führt eine Liebesbeziehung zu einem höheren Grad der Verbindlichkeit. Dies beinhaltet eine Entscheidung, so dass Konzepte der Entscheidungstheorie Anwendung finden. Hinzu kommen weitere kognitive Aspekte, die helfen, die Verbindlichkeit aufrecht zu erhalten: die Dissonanz, die durch Gedanken an Trennung erzeugt wird und kulturelle Aspekte. Beide Bindungsformen werden beeinflusst durch frühere Bindungserfahrungen. Ein wichtiger Faktor bei der Bildung des ersten Eindrucks oder Zufriedenheit mit einem Treffen ist die physische Attraktivität. Beeinflusst wird die Partnerwahl auch die die Ablehnwahrscheinlichkeit. Da davon ausgegangen wird, dass diese mit der Attraktivität steigt, wird der Einfluss von Attraktivität reduziert. Daher werden im allgemeinen Partner gleicher Attraktivität gewählt. Von Sternberg stammt eine Typologie von Liebesbeziehungen, die auf folgenden Faktoren basiert: Leidenschaft, Intimität und Verbindlichkeit. Leidenschaft ist der Faktor, der zu Romanzen und sexueller Attraktion führt. Intimität bezieht sich auf Gefühle wie Nähe oder Wärme in einer engen Beziehung z.B. zwischen Eltern und Kindern. Verbindlichkeit ist ein kognitiver Faktor. Sie resultiert aus der Entscheidung, eine Beziehung einzugehen. Unerwiderte Liebe ist eine negativere Erfahrung für den Zurückweisenden als für den Zurückgewiesenen, da ersterer wählen muss zwischen einer unerwünschten Handlung und dem Zufügen von Schmerz. Anders als von manchen Philosophen aber nicht der Evolutionstheorie sind Menschen nicht von Natur aus egoistisch. Altruistisches Verhalten ist ein solches, das einem anderen Organismus nützt und nicht dem Handelnden. Sein Auftreten ist vielfach dokumentiert. Evolutionär ist es sinnvoll, da es in Familien den reproduktiven Erfolg steigert. Bei Verwandten ist es sinnvoll, da der Handelnde mit ihnen Merkmale teilt, so dass der reproduktive Erfolg von Verwandten auch sein eigener ist. Inwieweit altruistische Motive eine nicht gelernte Komponente haben ist ungeklärt. 4. Langfristige Ziele Motiviert zu sein, heißt, ein vorgestelltes Ziel über verfügbare Wege zu erreichen. Da es sich vorgestellte Ziele handelt, können sie so komplex sein, wie unsere Phantasie erlaubt und auch so weit in der Zukunft liegen. Manche wollen reich sein, mansche große Künstler usw. Das entsprechende Motivationssystem ist die Leistungsmotivation und damit verbunden der Fall von Hoffnungs- bzw. Hilflosigkeit. Ein weiteres wissenschaftlich untersuchtes Langfristziel ist das Streben nach Selbstverwirklichung. Leistungsmotivation kann gemessen werden. Menschen mit hoher Leistungsmotivation wählen eher Berufe, die Entscheidungen und schnelle konkrete Resultate. Bezogen auf ganze Gesellschaften sind Industrialisierung und ökonomisches Wachstum mit höherem Leistungsstreben in Gesellschaften assoziiert. 4 Man unterscheidet zwischen 2 Formen von Leistungsstreben, Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg. Erfolgsmotivierte bevorzugen Aufgaben mittlerer Schwierigkeit, weil bei solchen Aufgaben der erwartete Erfolg maximiert wird. Misserfolgsmotivierte Menschen meiden diese Aufgaben. Ein wichtiger Aspekt von Leistungsmotivation ist die Art und Weise, wie Erfolg kausal erklärt wird. Erfolgsmotivierte erklären Misserfolg mit fehlender Anstrengung, Misserfolgsmotivierte mit fehlender Fähigkeit. Hilflosigkeit ist die Antwort auf die Erfahrung, keine Kontrolle über die Umwelt zu haben. Unkontrollierbarkeit äußert sich darin, dass weder Handeln noch Nichthandeln eine Situation ändern. Die Wirkung von Hilflosigkeit sind Glaube an die eigene Ineffizienz, Aktivitätssreduktion und emotionale Störungen. Sie können sich zur Depression weiter entwickeln. Ein wichtiger Faktor ist die Kausalerklärung der mangelnden Kontrolle. Depression entwickelt sich dann, wenn mangelnde Kontrolle als Ausdruck von Unfähigkeit interpretiert wird. Nach Maslow gibt es eine Bedürfnishierarchie, die bei physiologischen Bedürfnissen beginnt, zu komplexeren Bedürfnissen wie Suche nach Wertschätzung und Zuwendung führt und beim Streben nach Selbstverwirklichung endet. Höhere Bedürfnis treten erst dann in Aktion, wenn niedere erfüllt sind. Die empirische Evidenz fürs die Hierarchie von Maslow ist gering. Der Begriff der Selbstverwirklichung ist stark kulturabhängig definiert und spiegelt die Vorlieben von Maslow.