GRUNDLAGEN DER PSYCHOTHERAPIE IM ERWACHSENENALTER 25. November 1999 Psychotherapie hat Geschichte Schamanen, Priester, Magier, Rabbis, Astrologen, weise Frauen Vorläufer des Psychotherapeuten a) Hochkulturen der Antike, Religionen, Heilungs- und Beschwörungsrituale der Urvölker, Gelehrte und Ärzte des Altertums Bibel, Märchen, Sagen, Schriften des Altertums, Wunderheilungen sporadische Praxis so alt wie Menschheitsgeschichte «Psychotherapie hat eine lange Geschichte, aber eine kurze Vergangenheit» Ebbinghaus-Zitat für die Psychologie ist auch auf die Psychotherapie anwendbar b) Entstehung der wissenschaftlichen Psychotherapie – 18. Jahrhundert wissenschaftlicher Hypnotismus (MESMERismus, BERNHEIM, LAVATER) MESMER: böhmischer Badearzt, seine suggestiven Methoden förderte Heilung seiner Patienten Hypnose (CHARCOT, 1885, Salpetiere; BLEULER, FREUD) Begriff «Hypnose»: James BRAID (1795 – 1860) Hypnose = wissenschaftliche Geburtsstunde der Psychotherapie c) Wissenschaftliche Institutionalisierung der Psychotherapie Sigmund FREUD Psychoanalyse um 1900 I. P. PAWLOW Behaviorismus (WATSON, SKINNER, THORNDIKE) Verhaltenstherapie (1910 – 1920; aber Anwendung erst ab 1950) Carl R. ROGERS Humanistische Psychotherapie («3. Kraft») Gesprächspsychotherapie, Personzentrierter Ansatz (um 1940) MAHONEY, MEICHENBAUM Kognitive Psychotherapie – Kognitive Wende (um 1970) Ursachen für Entwicklung der Psychotherapie im 20. Jahrhundert sind auch in Weltkriegen zu suchen Kriegstraumatisierung, überforderte Frauen und Kinder Psychotherapie – Definition Psychotherapie realisiert als Behandlungsprinzip die planvolle psychologische Beeinflussung von Faktoren der Individuum-Umwelt-Beziehung unter medizinischen Anforderungsbedingungen mit dem Ziel, die subjektiven (organismischen und 2 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze psychosozialen) Voraussetzungen des Individuums Lebensbedingungen zu verbessern (GEYER, 1989). zur aktiven Gestaltung seiner Merkmale der Psychotherapie geplante, zielorientierte Maßnahme, führt zu Veränderungen der Persönlichkeit und von Verhalten Maßnahme im Zusammenhang mit behandlungsbedürftigen, krankheitswertigen Verhaltensstörungen, Leidenszuständen, psychischen Beeinträchtigungen und Krankheiten zur Veränderung werden psychologische Methoden eingesetzt Vorgehensweisen, die im Erleben und Verhalten ihren Ansatzpunkt haben (versus physikalische, medikamentöse, soziale und chirurgische Maßnahmen) erfolgt durch ausgebildete, professionelle Helfer ist ein Prozess, der hinsichtlich Zielsetzung, Planung, Realisierung der Maßnahmen, der behandelnden und behandelten Personen und deren Interaktionen untereinander theoretisch fundiert sein muss ist empirischer Effektkontrolle zugänglich Therapeutische Prozessphasen Phase Indikatoren Ziele Mittel Diagnostische Interview / Anamnese Abklärung Persönlichkeitstests und Klärung der geeigneten klinische Tests Therapiemethode u. U. neben Medizinische Intervention? psychologischer auch Psychologische Intervention? medizinische Welche klinisch-psychologische Untersuchung Behandlungs- bzw. Therapiemethoden? Aufbau der Therapeutischen Beziehung Inszenierung des therapeutischen Lernens Rollenstrukturierung (dem Patienten die Rolle als Patient erleichtern und erklären) Bildung von positiven Veränderungserwartungen Aufbau der therapeutischen Beziehung Eventuell Vermittlung eines globalen Ätiologiekonzepts Systematischer Kompetenzaufbau (Verhaltenstherapie) Analyse und Erfahrung Verwirklichung von Wertschätzung und Empathie Klärung der therapeutischen Spielregeln Therapeutischer Kontakt Einsatz spezieller psychotherapeutischer Techniken Kontinuierliche 3 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Evaluation vor / nach Abschluss von Verhaltens- und Erlebensmotiven (Psychoanalyse) Restrukturierung des Selbstbildes (Gesprächspsychotherapie) Psychodiagnostische Klärung der Therapiezielerreichung Sicherung der Generalisierung der Therapieergebnisse Formelle Beendigung des therapeutischen Verhältnisses Beobachtung und Evaluation des therapeutischen Verlaufs Gespräch Diagnostische Verfahren u. U. Reduzierung der therapeutischen Kontakte einvernehmliche Abschlussvereinbarung Allgemeine Wirkprinzipien einer nichttherapieschulartig verfassten Allgemeinen Psychotherapie a) Problembewältigung Aktive Hilfe zur Problembewältigung Bewältigungsarbeit – Bewältigungsperspektive b) Klärung Therapeutische Klärung und Klärungsarbeit motivationale Aspekte des Verhaltens / der Fehlanpassung erfahrbar machen c) Problemaktualisierung Prinzip der realen Erfahrung (Setting muss den Problemen entsprechen und Konflikte erlebbar machen) Veränderung erlebter Bedeutungen d) Ressourcenaktivierung Therapiebeziehung Stützelemente in der Therapie und des Sozialfeldes Lit.: GRAWE, Klaus (1994): Psychotherapie ohne Grenzen. Von Therapieschulen zur Allgemeinen Psychotherapie. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 3, 357 – 370 4 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Grundelemente und allgemeine Wirkfaktoren der Psychotherapie (nach J. FRANK, 1960: Die Heiler) Grundelemente: a) Persönliche Helfer-Patient-Beziehung b) Ziel- und sinnvermittelnde Behandlungstheorie c) Fördernde und stützende Behandlungsverfahren d) Gesellschaftlich geachteter Behandlungsort Wirkfaktoren: a) Korrektive Lernmöglichkeiten b) Hoffnung und Besserungserwartung c) Erfolgserlebnisse mit Selbstwertsteigerung d) Aufhebung zwischenmenschlicher Entfremdung e) Emotionale Erregungsabfuhr 5 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 9. Dezember 1999 Gast in der Vorlesung: Karin TEICHMANN. ortsansässige Psychotherapeutin stellt sich vor und spricht über Probleme freiberuflicher Psychotherapeuten in Sachsen inhaltlich interessant, doch nicht prüfungsrelevant (ca. 1 Stunde) Entspannungstechniken Schwerpunkt: Autogenes Training (AT) Verfahren von J. H. SCHULTZ (veröffentlicht 1934) Literatur: KÖNIG, DIPOL, SCHAEFFER: Autogenes Training. Jena: Thieme 1979 gleiche Autoren: Fibel für das AT Günter KRAMPEN: Übungskurse zum AT. Göttingen: Hogrefe Der Aufmerksamkeitsscheinwerfer Hintergrund: Gate-Control-Theorie im Rückenmark Nervenschaltstelle («gate»), die für Schmerzweiterleitung verantwortlich ist wenn man sich auf Schmerz konzentriert «gate» erweitert sich mehr Schmerz wird wahrgenommen Konsequenz: Man muss Patient Fähigkeit beibringen, Aufmerksamkeit weg vom Schmerz hin zu anderem zu lenken «Genusstraining» Sinne neu trainieren andere Möglichkeit: Entspannungstechniken wie AT Sehen Riechen Hören Schmerz Bewusstsein Denken Tasten Schmecken TemperaturEmpfinden 6 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Abb.: der Aufmerksamkeitsscheinwerfer er muss in der Schmerztherapie vom Schmerz wegbewegt wreden Einteilung der Formen der Entspannungstherapie autosuggestiv AT, Yoga, Meditation, Atemtherapie fremdsuggestiv Hypnose, Coué-Fremdsuggestion, Beginn des AG Psychologie / Psychotherapie körper- und bewegungsbezogen Tai Chi, Feldenkrais, KoE, Funktionelle Entsp., Tanztherapie, PMR medienunterstützt Entspannungstherapie Biofeedback, Musiktherapie (rezeptive), AlphaTraining (MindMaschinen) aktiv passiv medizin.pharmakolog. Tranquilizer, Naturheilmittel physiotherapeut. Bäder, Massage, Gymnastik, Stretching Medizin Erläuterung einiger Begriffe: COUÉ: «Mit jedem Tag geht es dir in jeder Hinsicht immer besser und besser.» jedes Organ wird «angesprochen», z. B.: «Dein Magen kann heute noch besser die Nahrung verdauen. Er arbeitet hervorragend. Nun kommt die Nahrung in deinem Darm an. Die Ausscheidung funktioniert wunderbar...» Moshe FELDENKRAIS: Physiker, Physiologe entwickelte Bewegungsfolgen, die gesundheitsförderlich sind (wird nicht von Krankenkasse finanziert) KoE: Konzentrative Entspannung (von Frau GRINDLER in Leipzig in 20-er Jahren entwickelt) ähnliche Technik: Funktionelle Entspannung (Frau FUCHS) PMR: Progressive Muskelrelaxation (E. JAKOBSEN) 7 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 16. Dezember 1999 Beginn der Vorlesung: Reschke gibt Demonstration von Entspannungsinduktionsformeln zur Übung Möglichkeiten zur Entspannungsinduktion, die Reschke oft verwendet: a) Pt. soll sich «Zitrone» vorstellen physiologische Reaktion (Speichelfluss) vollzieht sich Konditionierte Reaktion verbal ausgelöst b) «Fallversuch»: Pt. stellt sich hin und schließt die Augen; Instruktion: «Stell dir vor, du fällst nach hinten.», dabei leichte Berührung am Rücken, darauf Zurückziehen der Hände Pt. fällt nach hinten c) «Pendelversuch»: Pendel wird von Pt. still gehalten; Suggestion: Pendel schwingt Pt. sieht es schwingen a) bis c) sind Versuche, die Pt. zeigen sollen, dass über Autosuggestion menschliche Wahrnehmung beeinflusst werden kann, so dass Pt. überzeugt wird, z. B. auch seine Schmerzen beeinflussen zu können Entspannung – Was bewirkt sie? Ent-Spannung z. B. PMR, Muskelentspannung, Atementspannung, Yoga, Bewegungstraining Körpervorgänge Normalisierung des sympathischen NS, langsamerer Puls, Blutdrucksenkung, tiefere Atmung Gefühle Bewert.‘gen, Gedanken Verhalten angenehmer, entspannter, größeres Wohlgefühl, weniger Ängste, mehr Gelassenheit positiver, freundlicher, weniger bedrohlich, günstigere Wahrnehmung der eigenen Person und Umwelt, mehr Kreativität weniger gespannt, gelöster, leichter, flüssiger, müheloser 8 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Physiologische Reaktionen (nach VAITL, 1978) a) b) c) d) e) f) Verlangsamung und Gleichmäßigkeit der Atmung Reduktion des O2-Verbrauchs Absinken der Herzfrequenz Zunahme des galvanischen Hautwiderstands Tonusverlust der Skelettmuskulatur Zunahme der Aktivität der Alpha-Wellen (in Folge Reduktion des sensorischen Inputs und Abnahme der okulomotorischen Aktivität) g) Zunahme der EEG-Synchronisation (durch Lenkung der Aufmerksamkeit auf einen internen wiederkehrenden Reiz und durch weitgehende Ausblendung akustischer und taktiler Reize) Grundformeln des AT sollte Pt. mindestens 6 mal subvokal wiederholen Verlauf des AT (nach MENSEN): Übung bzw. Schritt Übungsformel 0. Ruhetönung «Ich bin ganz ruhig.» 1. Schwereübung «Der rechte (bei Linkshändern der linke) Arm ist ganz schwer.» (Muskelentspannung) der linke rechtes Bein linkes Bein Arme und Beine 2. Wärmeübung wie Schwereübung, aber mit «ganz warm» (Gefäßerweiterung) 0. bis 2.: Grundkonzept des AT. darüber hinaus: spezielle Organformeln: 3. Herzübung «Mein Herz schlägt ganz ruhig und gleichmäßig.» (Herzberuhigung) 4. Atemübung «Die Atmung ist ganz ruhig und gleichmäßig.» J. H. SCHULTZ: «Es (Atemberuhigung) atmet mich.» 5. Leibübung «Mein Bauch ist strömend warm.» J. H. SCHULTZ: (Regulierung der «Sonnengeflecht» statt Bauch Bauchorgane) 6. Konzentrative «Meine Stirn ist angenehm kühl.» (nicht bei Kopfschmerzen!) Kopfübung 7. Rücknahme «Arme fest, tief atmen, Augen auf.» «Arme fest»: Arme strecken, Fäuste ballen, Arme gestreckt zur Seite und nach oben bewegen Vorsicht: Organismus kann bei Entspannung mit Dysregulation reagieren (z. B. epileptischer Anfall) PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 9 bei «Schwereübung»: Absinken von Muskeltonus und Blutdruck Vorsicht bei Patienten mit Hypotonie Mit paradoxen Reaktionen ist immer zu rechnen! Techniken bei der Vermittlung des AT a) Einführungsinfomationen, Motivierung b) Gruppengröße: 6 bis 10 ideal, max. 20 besser in Gruppen als einzeln (Gruppendynamik) c) Vorgespräch mit jedem Teilnehmer, evtl. Fragebogen, z. B. KRAMPEN: AT-Eva Uni Leipzig: KEVA (computerisiert) d) Rücknahme vorher üben: «Schließen Sie die Augen. Sagen Sie jetzt bitte leise zu sich selbst: ...» e) Formeln: 6 mal Darbietung im Lernprozess, möglichst wenig heterosuggestive Elemente Pt. soll sich selbst suggerieren, nicht Therapeut f) Fortschreiten zur nächsten Übung erst, wenn vorherige Stufe mindestens zweimal sicher erreicht wurde g) Häufigkeit des Übens: am besten zwar 3 mal täglich, in Praxis aber oft nicht durchführbar wenigstens einmal täglich zu realisieren versuchen, in Woche besser möglich als am WE, denn dieses hat keine Struktur (gut: Feiertage in Woche) h) Haltungen: Liegen (Toter-Mann-Stellung); nicht: Droschkenkutscherstellung i) externe Bedingungen: Abschirmung von Außenwelt, angenehme Raumtemperatur, bequemer Sitz, Ruhe; lieber keine besprochenen Tonbänder, aber Musik möglich j) Protokoll: Rückmeldung über die Hausaufgaben in schriftlicher Form wichtig k) Dauer des Erlernens: mindestens 10 Wochen Formelhafte Vorsatzbildung ( Übungsformeln) individuell lernen positiv kurz mit persönlichem Wertesystem kompatibel affirmativ (nicht: «Ich rauche nicht mehr.») Grundsatz von ROSA: «Finde deinen Lehrer.» auf keinen Fall Lehrer wählen, der nicht aus Überzeugung handelt. kurz zu PMR: ähnliche Technik, aber weniger suggestiv 16 Muskeln werden sukzessive angespannt und wieder entspannt 10 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 6. Januar 2000 Humanistische Psychotherapie Stichwort Klientzentrierte Psychotherapie: in Deutschland 1956 Reinhard TAUSCH (Schüler von Carl ROGERS) Zentrum: «Therapeutische Beziehung» (s. u.) in Deutschland noch nicht als wissenschaftliches Verfahren anerkannt nicht zur Ausbildung freigegeben Aktualisierungstendenz des Selbst, des Organismus = das jedem Organismus eigene Potenzial zur konstruktiven Veränderung seiner selbst in der jeweiligen Umgebung grundlegendes Merkmal allen organischen Lebens Neigung zur totalen, organisierten, zielgerichteten Reaktion Tendenz, sich zu erhalten, zu erhöhen, zu wachsen, zu differenzieren, sich weiterzuentwickeln Substrat aller menschlichen Motivation Problem: Entfaltung, positive Entwicklung ist gut zu erklären, schwieriger: negative Entwicklung (Versuch: Selbst ist bei destruktiver Entwicklung blockiert) vergleiche auch Bedürfnispyramide von MASLOW: vom klientzentrierten Ansatz werden die «höheren» Bedürfnisse bedacht; Selbstaktualisierungstendenz findet sich bei MASLOW sehr weit oben Erklärung, warum es Kriminalität gibt (z. B. stehlen Straßenkinder nicht aus Selbstverwirklichung, sondern aus Hunger, der in der Pyramide ganz unten ist) Therapeutische Beziehung Beziehung = Grundlage menschlicher Entwicklung zentraler Stellenwert für: konstruktive psychotherapeutische Veränderung für Entwicklung der Persönlichkeit (ROGERS 1957, 1991) Beziehungserfahrungen des Kindes mit bedeutsamen Personen bestimmen: Inhalte und Werte des Selbst (In-)Kongruenz zwischen Selbst und Erfahrung gesundes vs. gestörtes Funktionieren der Person Bedürfnis nach positiver Beachtung durch Bezugsgruppen (Bindungstheorie BOWLBY, GROSSMANN & GROSSMANN) sich an begrenzte Zahl vertrauter Personen zu binden sich der zuverlässigen Verfügbarkeit und Zuwendung der Beziehungspersonen zu versichern = Elementarbedürfnis, biologisch notwendig, primär, angeboren? 11 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Psychopathologieauffassung des klientzentrierten Ansatzes Wie entsteht Psychopathologie? Selbst muss ständig neue Erfahrungen aufnehmen können PIAGET: Assimilation und Akkomodation = kongruente Symbolisierung Wesen der Entstehung psychischer Störungen = inkongruente Symbolisierung externe und interne Reize und Bedürfnisse werden verzerrt oder gar nicht mehr wahrgenommen Erstarrung, Verfestigung, psychische Verspannung des Selbst Verteidigungshaltung des Selbst absorbiert psychische Energie Angst Therapietheorie Wodurch findet Heilung statt? Initiierung eines entkrampften, angstfreien Selbstexplorationsprozesses Bedingungen: Beziehung muss angstfrei sein. Selbst muss Achtung erfahren. Neuorganisation ohne Druck, Tempo wird allein durch Person bestimmt. Therapie: Selbstkonzept entkrampfen, so dass es sich in Frage stellen kann und neue Erfahrungen aufnehmen: Wirksamwerden der Selbstheilungskräfte. Geschichte der Klientzentrierten Gesprächspsychotherapie 4 Phasen: nicht-direktive Therapie (1942-1950): Carl ROGERS übernimmt 2 Ideen von seinem Lehrer Otto RANK aus Psychoanalyse: a) Biete dem Patienten Sicherheit. b) Glaube an die Selbstheilungskräfte des Patienten. nicht-direktiv: Verzicht auf Hypnose, Deutung u. ä. Buch von ROGERS (1942): «Client-centered Psychotherapy» Skandal: Rogers gibt Protokolle von Psychotherapien wieder gefühlsverbalisierende Psychotherapie (1950-1962): «Spiegeln der Gefühle» empathisches Einfühlen therapeutisches Basisverhalten exakt beschrieben Bedingungsgefüge klientzentrierten Handlung: a) Selbstkongruenz des Therapeuten (Echtheit etc.) b) Akzeptanz, positive Wertschätzung, Wärme c) Empathie (einfühlendes Verstehen der Erlebnisinhalte des Patienten) Technik der Empathie: Verbalisierung Erlebniszentrierte Gesprächspsychotherapie (bis heute): der 12 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze E. GENDLIN: untersucht stagnierende Therapieprozesse; Ergebnis: Patient kommt mit eigenen Gefühlen nicht in Kontakt Technik: «Experiencing», «Focusing» (1967): Fokussierung des Augenblicks, des unmittelbaren Erlebens ganzer Körper einbezogen Methodenintegration, -kombination, differenzielle Gesprächspsychotherapie (GT) (parallel zu ) Anwendung der GT auch auf Gruppen und Kinder partnerorientierte GT; elternkonzentrierte GT (GORDON-Ansatz) differenzielle GT: «GT ist kein Allheilmittel.» 13. Januar 2000 Modell der inkongruenzbedingten Störung ursprüngl. Selbst Inkongruenz aktuelles Lebensereignis kindlicher Konflikt Selbstkonzept Konflikt Symptom organismisches Erleben (Modell nach Jobst FINKE) Wissen und Umsetzung der Basiskomponenten des Beraters Kongruenz Direktheit Ehrlichkeit Ausdrucksvermögen Akzeptanz Toleranz Achtung / Zuwendung ohne Vorbedingungen Wachheit Bewusstheit «Awareness» Relflexion des Prozesses Einfühlendes Verstehen (Empathie) Konfrontationsfähigkeit Konfliktfähigkeit Durchsetzungsfähigkeit Selbsteinbringung Abgrenzungsfähigkeit 13 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Therapieprinzipien Bedingungsfreies Akzeptieren Einfühlendes Verstehen Echtheit Therapietechnik Einfühlendes Verstehen Anerkennen Konfrontieren Konkretisierendes Verstehen Bestätigen Beziehungsklären Selbstbezogenes Verstehen Solidarisieren Organismusbezogenes Verstehen Selbsteinbringen (nach Jobst FINKE) Standardbedingungen Indikation Therapiezielbestimmung Psychogenese Therapievertrag Kontrolle des Therapieverlaufs Beziehungsfähigkeit zum Selbst seelisches Leiden, Leidensdruck, Therapiemotivation Freiwilligkeit, Bereitschaft zur Selbstauseinandersetzung 15 – 65 Jahre, auch noch darüber möglich normale Intelligenz Vorsicht bei chronischer Sucht und Psychosen! (keine sofortige Therapie möglich; PROUTY entwickelte «pretherapy», um auch solche Menschen therapierfähig zu machen) gemeinsame Therapiezielvereinbarung Anerkennung der Psychogenese durch den Patienten Vereinbarung über Therapie, Dauer, Modi (5 probatorische und 10 – 15 Sitzungen), Übergänge, Absage prä-postdiagnostische und verlaufsdiagnostische Kontrolle Tonbandaufnahme zur Eigenkontrolle 14 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Gestalttherapie humanistisch – wachstumsorientiert zentrale Figur: Fritz PERLS (1893 – 1970, eigentlich Frederic Salomon PERLS) metaphorisch-analoger Bezug zur Gestalttheorie in der wahrnehmungs- und kognitionspsychologischen Forschung aber: aus der Psychoanalyse heraus entwickelt Suche nach Namen: concentration therapy Existenzpsychotherapie Gestalttherapie (in Abgrenzung zu nihilistischen Zügen des Existenzialismus (SARTRE, CAMUS)) Mitstreiter: Laura (Lore) PERLS und Paul GOODMAN Kombination vieler Strömungen und Ansätze Werke: Ego, Hunger und Aggression Gestalttherapy. Excitement and Growth in the Human Personality. in Deutschland: Hilarion PETZOLD «The difference [...] is essentially that we do not analyze. We integrate.» Begriffskonzepte der Gestalttherapie Wachstum – Selbstaktualisierung – ständiger Kontakt von Umwelt und eigener Innenwelt Fluss des Gewahrwerdens der Bewusstheit (awareness) – Begegnung von Ich und Du im Hier und Jetzt Awareness: ist der Zustand des lebendigen Organismus, der mit sich und der Umwelt in Kontakt ist, ohne dass Blockierungen wie z. B. die neurotischen Mechanismen die bewusste Wahrnehmung seiner selbst und des anderen trüben oder einschränken Theoretische Konzepte in der Gestalttherapie: Gestaltgesetz der Geschlossenheit (WERTHEIMER) [Bemerkung von mir: die Gestaltpsychologen selbst widersetzten sich der Bezeichnung «Gestalttheorie», da sie eine Verbindung zu der eigenen Richtung nicht erkennen konnten – explizit Wolfgang KÖHLER, den man in den USA mit den Arbeiten PERLS’ konfrontierte. T. E.] ZEIGARNIK-Effekt: unerledigte Handlungen werden bevorzugt behalten Figur-Grund-Bildung Konzept der Selbstaktualisierung autonome Selbstregulierung und Gleichgewicht aller Kräfte (aus ZEN-Meditation) Bild der Gestalttherapie: aus der Praxis heraus entwickelt Vermittlung einer Lebensform Therapie-Protokolle statt Therapie-Ansätze wenig geschlossen-strukturierte Ansammlung von Interventionstechniken Erfahrung und Begegnung über das Theoretisieren gestellt Weltbild der Therapie und Lebensgestalt des Therapeuten (gehen ineinander über) Neun Kern-Gebote der Gestalttherapie (NARANJO 1979) «Lebe jetzt. Kümmere Dich um die Gegenwart, statt um die Vergangenheit und die Zukunft.» Vergangenheit und Zukunft, das sind Phantasien 15 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze «Lebe hier. Beschäftige Dich mit dem Anwesenden, statt mit dem Abwesenden.» Es müssen viele «unerledigte Geschäfte» aus der Vergangenheit erledigt werden, «unfertige Gestalten» geschlossen, bis man im Hier und Jetzt leben kann. «Höre auf, Dir etwas vorzustellen. Erfahre die Realität.» Die Therapie besteht im Wesentlichen darin, dem Pt. zu helfen, zwischen seiner Phantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden. «Höre auf, unnötig zu denken. Besser: Probier und schau.» Experimentiere mit Dir. «Drücke Dich lieber aus, anstatt zu manipulieren, zu erklären, zu rechtfertigen und zu urteilen.» «Lass Dich auf Unerfreuliches und Schmerz ebenso ein wie auf Freude. Schränke Deine Bewusstheit (awareness) nicht ein.» Vermeide nichts. «Akzeptiere keine ‚sollte‘ oder ‚müsste‘ außer Deinen eigenen. Bete keine Götzenbilder an.» «Übernimm die Verantwortung für Deine Handlungen, Gefühle und Gedanken.» «Akzeptiere Dich (und die anderen), wie Du jetzt bist (wie sie jetzt sind).» «Nur, wenn wir die Unausweichlichkeit des jetzigen Zustandes akzeptieren, können wir neue Bewusstheiten entwickeln und neue Seinswege im nächsten Augenblick ausprobieren.» «Schick Dich rein, die Person zu sein, die Du bist.» [An der Formulierung bin ich unschuldig – habe sie wörtlich übernommen. T. E.] Neurose Verteidigungsmanöver gegen zu starke Bedrohung Störungen an der Kontaktgrenze in Form von vier Mechanismen [Ich weiß nicht, welche vier gemeint sind. T. E.] a) Introjektion: ungeprüftes Hineinstopfen von Material, das nicht assimiliert wird b) Projektion: unerwünschte Teile der Person werden als etwas außerhalb der Person Liegendes halluziniert c) Retroflektion: aggressive Impulse statt auf Objekte außen auf das Selbst zurück gerichtet (Haareraufen, Muskelverspannungen, Schuldgefühle) d) Konfluenz: Verschmelzungstendenzen mit anderen (Partnern) sind wichtiger als Auf- und Ausbau der eigenen Identität, Unterdrückung eigener Wünsche, Bedürfnisse, Erfahrungen. e) Deflektion: Vermeidung von engerem Kontakt zur Außenwelt. f) Desensitivierung: Reduzierung der awareness und der Empfindungen auf ein Minimum. PERLS 1976, S. 58: «Der Introjektor tut, was andere von ihm erwarten könnten; der Projektor tut anderen das an, was er ihnen vorwirft; der pathologisch Konfluente weiß nicht, wer wem was tut; der Retroflektor tut sich selbst das an, was er am liebsten anderen antäte.» growth disorder – disturbance of development 16 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 20. Januar 2000 Kontakt- und Therapiephasen (hypothetisch, nicht linear) a) Klischeephase (Panzer, Klischees, Mythen) seelisches Erleben spielt sich in «Als-ob»Form ab; darüber ein Panzer Panzer muss gelockert werden, Klischees werden evtl. frustriert b) Rollenspielphase (Rollenmuster) Patient bekommt Rolle zugewiesen c) Blockierungsphase (impasse, Leere, Ratlosigkeit) Patient «versteckt» sich d) Implosionsphase (Rückgriff auf inadäquate implizite Programma) e) Explosionsphase (Ausdruck blockierter, abgespaltener Bedürfnisse) f) Aufarbeitungsphase (Integration der erw. neuen Identität im Erleben) nach Explosion darf man Patient nicht «hängenlassen» g) Verhaltensmodifizierende Schlussphase (Erprobung und Festigung) Zusammenfassung der Grundkonzepte a) Hier-und-Jetzt-Prinzip (Stoppen von Dort-und-Dann des Patienten) b) Therapeut ist nicht Beobachter, sondern Protagonist der therapeutischen Szene, nimmt also aktiv teil typische Fragen: «Was machst du gerade?», «Was macht das jetzt mit dir?» keine Warum-Fragen, damit keine Rationalisierung «Ich lade dich ein. Mache eine Erfahrung über dich.» Hilfsmittel: Lumpensack (kann als Personifizierung des Therapeuten dienen, so dass Patient an ihm seinen Frust auslassen kann), Bata-Schläger c) Identifiziere dich mit dem Symptom Erlebnisaktivierung Techniken: a) Fokussierung(stechnik) im Hier und Jetzt b) Schwingen mit dem Gefühl c) Vermeidung direkter Beratung und weitgehender Verzicht auf Deutungen d) Rückkehr bei der Sprache zum «Ich» (also nicht «man», sondern «ich» verwenden) e) «Entscheide dich!», «Sei dein eigener Chairman!» Therapiewerkzeuge: a) persönliche Präsenz des Therapeuten in der Gruppe Herstellen und Aushalten von Nähe b) Herstellen von Awareness Verstehen des Augenblicks in seiner tiefsten Bedeutung c) Experimente, z. B. Heißer Sitz (Pt. sitzt wortlos in Gruppenmitte, alle anderen müssen ihm sagen: Mir gefällt an Dir... / Mir gefällt an Dir nicht...) oder Leerer Stuhl (Repräsentiert nicht Anwesende Personen) Therapieziele: a) Wachstum: Bewusstheit über eigene Person und Ressourcen Frustration von Vermeidungs- und Ausweichtendenzen b) Erwerb von Kontaktfähigkeit, auch Rückzugsfähigkeiten c) Selbsthilfetechnik: bewusstseins- und orientierungsgebend d) «Schließen ungeschlossener Gestalten» 17 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze «Durch wohlwollende Frustration und persönlichen Kontakt soll der Mensch zum Lebenskünstler werden.» 27. Januar 2000 Psychoanalyse Literaturempfehlungen: THOMÄ & KÄCHELE: Grundlagen der psychoanalytischen Theorie umfangreich und mit empirischer Forschung J. RATTNER: Klassiker der Psychoanalyse einfach geschrieben Zeitschrift Forum der Psychoanalyse Zeitschrift Psyche Entwicklung der Psychoanalyse als psychotherapeutische Methode aus nicht zufriedenstellender Hypnose entwickelt FREUD: Schüler bei CHARCOT, hatte aber Misserfolge mit dessen hypnotischer Methode deutet Fehlreproduktion von Ereignissen als «widersetzen» gegen Hypnose Schwierigkeiten der Affektentäußerung (heute in allen therapeutischen Schulen) Lehre der «Abwehr» FREUD wählt Sitzplatz am Kopfende (wollte vielleicht direkten Blickkontakt vermeiden) FREUD erklärt schließlich Hypnose für unnötig: geht auch im Wachzustand des Patienten dieser muss Material produzieren, aus dem man auf Verdrängtes schließen kann Klassische Methode: Setting: Patient liegt auf Couch, Analytiker am Kopfende, keine Berührung Psychoanalytische Grundregel: vorbehaltlos alles sagen, was Patient in diesem Moment in den Sinn kommt (auch wenn ihm dies völlig unwichtig erscheint) Ziel des Therapeuten: Verstehen, Aufnehmen, Pt. Deutungen anbieten, um mehr Material von ihm zu bekommen, überbrücken von Erinnerungslücken «Wo Es war, soll Ich werden.» wöchentliche Sequenz von 1 bis 5 Stunden, ist aber von Entscheidung des Patienten abhängig; oft über Jahre [im Gegensatz dazu empirische Therapieforschung: nach 40 bis 60 Stunden erreicht Therapiewirkung ihr Maximum, unabhängig von Methode] 2 Grundeinstellungen: Abstinenzregel nicht einmal persönliche Einladungen des Patienten dürfen angenommen werden Haltung von Neutralität und Anonymität gegenüber Patient («therapeutisches Inkognito») Frei schwebende Aufmerksamkeit: breites «Suchfeld», um Gefühle des Patienten richtig zu interpretieren, nicht auf eine Sache einzuschränken 18 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Folge: Therapie nicht mit Bekannten oder Verwandten Orientierungsschwerpunkte Psychoanalytischer und tiefenpsychologisch fundierter Therapie In der abwartenden, diagnostisch interessierten Neutralität beginnt die Suche nach Zeichen für: ES: Selbstrepräsentanzen Objektrepräsentanzen Abwehrleistungen Übertragungsbereitschaften Übergangsphänomenen ICH: szenischer Entfaltung des Ichs / der Ich-strukturellen Besonderheiten in der offenen analyt. Situation Ausprägung der Ich-Funktionen ÜBER-ICH: Weltsicht und Wertesystem Norm- und Moralverinnerlichungen 3. Februar 2000 Psychologie des Unbewussten «Cogito, ergo sum.» (DESCARTES) «Nicht ich denke, sondern es denkt mich.» (NIETZSCHE) «Das Unbewusste ist wie ein fremdes Wesen, das für uns schafft und vorbereitet, um uns endlich die reifen Früchte in den Schoß zu werfen.» (WUNDT) Ergebnisse zum unbewussten Lernen, subliminale Wahrnehmung, unbewusste Denkvorgänge, Forschungen zum emotionalen Unbewussten, unbewusster, gefühlsbezogener Informationsverarbeitung, unbewusster Bedeutungsaktivierung P. LEWICKI Literaturempfehlung: Andrea HUBER: In den Dunkelkammern der Psyche. Psychologie Heute, 12, 1994, S. 6469 Die psychische Struktur umfasst die Gesamtheit der Funktionsweisen und den Aufbau einer Person. Die Funktionen und Fähigkeiten des Ichs werden als Ich-Funktionen benannt: PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Realitätsprüfung (Wahrnehmung) Sinn für Realität (Welt und Selbst) Kontrolle von Impulsen = die Fähigkeit, innere und äußere Reize adäquat zu beurteilen Fähigkeit zu Objektbeziehungen Defensive Funktionen = die Fähigkeit, Kontakte aufzubauen, Beziehungen aufrechtzuerhalten und wechselseitig zu gestalten = der adäquate Einsatz von Abwehrmechanismen 19 = das adäquate innere Erleben der äußeren und inneren Welt mit Aufrechterhaltung von Ich-Grenzen = die Fähigkeit, Gefühle und Antriebe zu steuern Therapeutische Interventionstechniken Gesamte Intervention verläuft im Rahmen einer Beziehung therapeutisches Agent: Beziehungsfähigkeit Herausbildung einer Übertragungsneurose Therapeut aktiviert eine Art sekundäre Neurose [indem er quasi die Rolle einer Konfliktperson für den Patienten spielt, T. E.] nicht «Dort und Dann» gedeutet, sondern das sich übertragungsneurotisch Entfaltende Einzeltechniken: a) Analyse von Widerständen «Widerstandsarbeit geht vor inhaltlicher Arbeit.» sobald Widerstand auftaucht, muss er analysiert werden b) Übertragung Suchfenster Übertragung – Gegenübertragung – Kontrolle der Gegenübertragung Übertragung = Verhaltensmuster, meist in Kindheit gelernt, Rekonstellierung auf den Therapeuten Sinn: Beschwerden des Pt. verlieren an Bedeutung, dafür Übertragungsneurose (Schmerz in Therapeut-Pt.-Beziehung) kathartisch (also nie schmerzfrei) gelöst c) Gegenübertragung = «umgekehrte» Übertragung (Analytiker Patient) muss streng kontrolliert werden, also Supervision, Eigenanalyse Folgen von nicht kontrollierter Gegenübertragung: 1) Verlust von schwebender Aufmerksamkeit 2) Agieren (Vorschläge, die nicht zur Therapie gehören) 3) Abstinenzverletzung 4) Pt. bekommt nicht mehr erforderliche Hilfe 5) reziproke emotionale Abhängigkeit d) Freies Assoziieren «Materialspender», daher PA-Grundregel bereits z. B. Sprechen von Kinobesuch oder Auto = externe Inhalte wird als Widerstand gedeutet zu Beginn Freies Assoziieren niemals flüssig, zuletzt gut und von existenzieller Natur C. G. JUNGs Zusatztechnik: JUNGsches Assoziationsexperiment: 25 Wörter wie Haus, Ball, Liebe, Achtung, Kreuzung, Straße etc. vorgelesen, Pt. muss 20 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze e) f) Assoziationen laut nennen; gemessen: Latenzzeit (heute aber auch Antwort ausgewertet) auch: Berichten von Träumen Deuten / Interpretation PA-Hauptaktivität = Einsichtsfördernde Intervention, folgt Prozess des Pt. Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten dieser Prozess muss durch Deuten stimuliert werden 1) aufzeigend: «Was ist das für ein Zucken in Ihrem Gesicht?» 2) klarifizierend: anamnestisch relevante Informationen herausfiltern 3) eigentliches Deuten: Ursachen von Verhalten bewusst machen Gefahr: fehlerhafte Deutungen Durcharbeiten Erreichen der Einsicht Gesprächsführung im analytischen Sinne, Stufen: a) b) c) d) Kontaktherstellung Exploration notwendiger Zusammenhänge Ringen um die Psychogenese / Aufhebung der somatischen Fixierung Fokussieren und Herausarbeiten des Störungsumfeldes Aufzeigen, Fokussieren, Deuten e) Vereinbarung Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie umfasst Therapieformen, die aktuell wirksame neurotische Konflikte behandeln, dabei aber durch Begrenzung des Behandlungszieles, durch ein konfliktzentriertes Vorgehen und durch Einschränkung regressiver Tendenzen (d. h. die Wiederholung kindlicher Einstellungen gegenüber dem Therapeuten wird nicht forciert) eine Konzentration des therapeutischen Prozesses anstreben. PA 160 – 240 Stunden, 2 – 3 Jahre 2 – 3 mal pro Woche im Liegen, Übertragungsneurose Aufarbeitung der Übertragung Deutung Neutralität Klarifikation Tiefenpsychologisch Dynamische Therapie fundierte Verfahren (Fokaltherapie) 50 – 80 Stunden, 1 – 2 Jahre 1 mal pro Woche bis zu 1 mal pro Woche im Gegenübersitzen, konfliktzentriert () 21 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Aktive Förderung des Dialogs 14. Februar 2000 – Blockvorlesung Individualpsychologie (Alfred Adler) in Deutschland propagiert von Michael TITZE Unterschiede zur FREUDschen Psychoanalyse theoretischer und praktischer Natur: theoretische Unterschiede: ADLER: Der Mensch ist ein primär soziales Wesen. (deutlicher Gegensatz zu FREUD) Befriedigung des Trieblebens ist soziokulturell mitbestimmt Gemeinschaftsgefühl als zentrale Kategorie (Mitmenschlichkeit, soziale Verantwortlichkeit etc.) Teleologisches Prizip: Mensch soll erkennen, woraufhin er lebt (nicht nur auf Vergangenheit gerichtet, wie bei FREUD) 2 Begriffe: Lebenslinie, Lebensstil Pathogene Faktoren: Minderwertigkeitsgefühl: «Mensch sein heißt, sich minderwertig fühlen.» Organminderwertigkeit: «Ich hasse meinen Körper.» großes Konfliktpotenzial Kompensation, Überkompensation, aber auch Dekompensation (= Rückzug in depressive Verstimmungen) Arrangement (neurotisch z. B. Überfreundlichkeit) tendenziöse Apperzeption (= selektive Wahrnehmung, Filmrohrblick) Entwertungstendenzen des Anderen zur Sicherung des Selbstwerts neue Foci der Analyse. Ansatz ADLERS ist nicht solitär: schließt z. B. Verhaltenstraining mit ein. Neue Interventionstechniken: Ermutigungsprinzip (heute: Ressourcen stärken) Prinzip der Bewusstmachung Def.: «Die Neurose kann damit zunächst als der Versuch angenommen werden, einem bestehenden Konflikt mit selbstschädigenden, d. h. pathologischen Mitteln aufzulösen. Daneben stellt die Neurose selbst aber auch einen untrüglichen Hinweis auf eben diesen Konflikt dar, der hinter der spanischen Wand des Symptomgeschehens weiterhin, wenn auch in einer weniger manifesten Form besteht.» Therapiepraxis: Therapeutische Beziehungsaufnahme: a) Klient gewinnen Akzeptanz zeigen für Persönlichkeit des Kranken Humor therapeutische Atmosphäre schaffen: Offenheit, Anteilnahme Therapeut überlässt sich der Führung durch den Klienten (!) b) Verstehende Einfühlung: Empathie bildhafte Sprache PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 22 Nondirektivität: Kommen lassen statt Erzeugen Intuition Sinngehalt unverstandener Analogiesymbolik in Sprache der Begriffe kleiden c) Sprache des Analytikers: keine Expertensprache – Authentizität, Humor, Gleichnisse anteilnehmende Fragen d) wohlwollende Abstinenz: Mittragenkönnen der Berichte des Patienten e) Vergangenheitsprinzip: Frage nach Bild der Biographie für den Patienten, nach Leitthemen seines Lebens motivierendes Einbinden des teleologischen Prinzips f) Frage nach Familienkonstellationen (Familienklima, wie kam es sozialisatorisch zu Minderwertigkeitsgefühlen?) Arbeitsphase: dialogischer Perspektivwandel: Patient muss sich durch Reflexion langsam unstellen Techniken: a) Konfrontation b) Mut zur Unvollkommenheit vermitteln c) Paradoxien d) Herstellung eines autonomen Gewissens Carl Gustav JUNG (1875 – 1961) Das Persönlichkeitsmodell von C. G. Jung PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze a) Persona: Ich-Komplex, Anpassung an die Umwelt «Kompromiss zwischen Individuum und Sozietät über das, als was er erscheint» 23 [sic!, ich bin unschuldig, T. E.] flexibler Schutzwall, enthält Wunschbild, Fremdbild, Grenzen des Ich-Ideals Maske nach Außen, Rollen im Leben, Fassade gute Persona: wie Haut Schutz bieten, aber Wärme durchlassen kranke Persona: wie Panzer schützt zwar, verhindert aber jeglichen Austausch Verkümmerung der Seele b) Schatten: im Ich-Aufbau vernachlässigte Seiten, positiv und negativ; dennoch Teile des Ich Nachreifung durch Bewusstmachung der Schatten oder bewusste Übernahme der Verantwortung für gelebte Schattenseiten erste Stufe der Individuation Mängel und Schwächen, die man kennt, aber nicht wahrhaben will oft von selbst keine Auseinandersetzung damit Therapie: Integration der Schatten c) Anima, Animus: gegengeschlechtliche Archetypen Teil des Unbewussten neben dem persönlichen Unbewussten ererbte kollektive Bilder, darunter gegengeschlechtliche Seelenbilder Theoretische Unterschiede zur Psychoanalyse Libidotheorie Libido bei JUNG: Lebenskraft (élan vital), Energie, die allen psychischen Prozessen zu Grunde liegt a) Wille und Willenshandlung b) Affekt und Emotion im positiven und negativen Sinne c) Bewusstes und Unbewusstes d) durch symbolische Manifestation verständlich e) kann regredieren, kanalisiert und projiziert werden f) kann inflatorisch anschwellen, verdrängt, gezähmt, gespeichert, verwandelt werden g) kann im kollektiven Unbewussten versinken Kollektives Unbewusstes Unbewusstes, dass von der gesamten Menschheit geteilt wird beinhaltet Archetypen: zeitlose Symbole der Regulation der Psyche, Urbilder seelischer Gestaltungsmöglichkeiten, finden sich in allen Kulturen (Bsp.: weiser Mann, Drache, ewiger Jüngling, Jungfrau etc.) Methode der aktiven Imagination: Patient muss sich Szenen vorstellen, z. B. auf Grundlage eines Traumes Analytiker ermuntert dazu darin: Selbst- und Welterfahrung in bildhaft symbolischer Form Ziel der Therapie: Kollektives Unbewusstes in die Psyche integrieren Heilung: Individuum ist aus Zwang der Kollektivpsyche befreit, assimiliert und integriert «Werde, der du bist!» Anmerkungen zu Carl Gustav JUNG: PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 24 hatte als einziger Analytiker Bezug zu WUNDT JUNGsches Assoziationsexperiment (s. o.) Gesamtwerk: 20 Bände, breite Melange, religiös / mystisch geprägt Seelisches weniger kausales Prinzip denn Finalitätsprinzip (Werde, der du bist...) mythologische Symbollehre psychologische Typenlehre, z. B. Extra- und Introvertierter Trennung von FREUD Gesundheitsauffassungen der drei Analytiker: Freud Adler Jung Arbeiten und Lieben können Arbeiten und Lieben können und Gemeinschaftsgefühl haben gelingende Individuation (kollektives Unbewusstes integriert) Akzeptanz der Schatten Ich-Funktionen (Denken, Fühlen, Intuition [und eine vierte, die mir leider entgangen ist... ich bin noch auf der Suche, T. E.] ) erlauben es, sich dem Leben zuzuwenden Psychotherapie JUNGs: mytisch religiös Hilfe zur Befreiung von Selbstentfremdung Anleitung zur Selbstfindung therapeutische Beziehung im Zentrum am Ende der Therapie stehen Therapeut und Patient gleichermaßen verändert da nicht so starker Vergangenheitsbezug, eher Gegenwartsbezug Erkennung von Lebensaufgaben und Ausweichmechanismen davor Therapeut = Katalysator der Selbsterkenntnis des Patienten, soll blinde Flecken erkennen helfen; Traumdeutung Gruppenpsychotherapie Psychotherapie in Gruppen entwickelte sich in den Jahren 1940 bis 1960 Faktoren der Entstehung von Gruppenpsychotherapie Grundlegende Entwicklungen in der Psychologie und Psychotherapie a) Kurt LEWIN Psychologisches Laboratorium – Kleingruppenforschung b) J. MORENO Soziometrie, Messung von Gruppenstrukturen – Psychodrama c) Carl ROGERS Encountergruppen innerhalb des klientzentrierten PsychotherapieAnsatzes d) Maxwell JONES (kanad. Psychiater, wollte mit Gruppentherapie klass. Hierarchie im psychiatrischen Krankenhaus entgegenwirken) therapeutische Gemeinschaft Historische und gesellschaftliche Entwicklungsfaktoren a) Behandlungsnotwendigkeit für große Anzahl von Kriegsopfern mit zum Teil neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen b) Morbiditätswandel in den entwickelten Industrieländern mit ansteigender Tendenz psychosozial mitbedingter Krankheiten und psychischer Störungen (zu deutsch: psychische Krankheiten nehmen zu) 25 PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Formen der Gruppentherapie a) Suggestive Gruppentherapie AT in Gruppen b) Informative Gruppenbehandlung Gesundheitsbildung in Gruppen (Ptn. sollen lernen, ihre Krankheit zu verstehen), Themenzentrierte Interaktion (TZI, Ruth COHN) TZI: Man gibt Gruppe gemeinsames Thema vor Sache TZI ICH WIR c) Aktivierende Gruppenbehandlung Tanztherapie, alle Bewegungstherapien d) Agierende Gruppentherapie Psychodrama, Kommunikative Bewegungstherapie e) Reflektierende und dynamische Gruppenpsychotherapie auf die Persönlichkeits- und Verhaltensänderung im engeren Sinne gerichtet (möglich z. B. auch gemeinsames Schweigen hoch belastend, soll Aushalten lehren) Einige Gruppenregeln, v. a. für TZI: a) Alle persönlichen Dinge, die in der Gruppe besprochen werden, bleiben in der Gruppe. b) Es kann immer nur einer sprechen. c) Ich versuche, genau zu verstehen, was der Andere sagen will. d) Ich spreche nicht in Allgemeinplätzen («man»), sondern von mir selbst («ich»). e) Ich bin für mich selbst verantwortlich. u. v. a. m. Sollten nicht einfach vorgelegt, sondern mit Klienten gemeinsam aufgestellt werden. Exkurs: Arbeitsformen in der Psychotherapie: Dyade Triade Mediatorenmodell (THARP & WETZEL) systemische Arbeitsform Gruppe Patient – Therapeut Patient – 2 Therapeuten Therapeut – unmittelbarer Therapeut – Patient Therapeut / ggf. Co-Therapeut – Paar / Familie Sonderform: bifokale Therapie Therapeut / Co-Therapeut – Gruppe Sonderformen: Kleingruppe und Großgruppe PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze Medienvermittelte Therapie Selbsthilfe 26 Ablationshypnose, Video, PC, Tonband Patienten helfen Patienten 12 Faktoren für Gruppendynamik 1. Interpersonelles Lernen (Input) 2. Katharsis 3. Kohäsion Offene Rückmeldung darüber, welche Wirkung man mit seinem Verhalten bei anderen erzielt hat. Offenes Äußern und Ausleben von Gefühlen in der Gruppe Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Gruppe (Gruppenkohäsion) Einsichten in das eigene seelische Funktionieren Möglichkeit, in der Gruppe neues zwischenmenschliches Verhalten zu lernen und zu erproben Erkenntnis, im Leben letztlich selbst verantwortlich zu sein 4. Einsicht 5. Interpersonelles Lernen (Output) 6. Existenzielles Bewusstsein (Bewusstwerden) 7. Universalität des Leidens 8. Einflößen von Hoffnung 9. Altruismus 10. «Wiederbeleben der Familie» 11. Anleitung 12. Identifizierung Erkenntnis, mit seinem Leiden nicht allein dazustehen, sondern es mit anderen zu teilen Hoffnung schöpfen durch das Erleben, wie andere mit ihren Problemen allmählich besser fertig werden Erfahrung machen, für andere wichtig zu sein und ihnen helfen zu können und Hilfe zu erhalten Wiedererleben ähnlicher Beziehungssituationen, wie sie in der eigenen Familie bestanden Ratschläge und Anleitung durch andere Gruppenmitglieder und den Therapeuten Möglichkeit, neue Lernerfahrungen zu machen, wenn man sich mit anderen Gruppenmitgliedern identifiziert Gruppenpositionen nach SCHINDLER -Position -Position -Position -Position Führerposition Spezialisten, hoch geachtet in Gruppe heben sich aus Gruppe nicht hervor Schwarzes Schaf Körperorientierte Therapie Psychotherapie ist wesentlich effektiver, wenn man Körper einbezieht PSYCHOTHERAPIE – WS 1999/2000 Script von Tobias Elze 27 Thesen der körperorientierten Psychotherapie a) Das Leben ist Materie und Energie (Wilhelm REICH). b) Das freie Strömen und Pulsieren dieser Energie = körperliche Gesundheit. mangelnde Bedürfnisbefriedigung und durch Gefühlsunterdrückung Grundlage von körperlichen Krankheiten c) Die Neurose manifestiert sich in einem System statischer und funktioneller Verspannungen Muskelpanzer. d) Sexualität, v. a. orgastische Potenz, hat regulierende Wirkung für den Energiehaushalt des Körpers. e) Persönlichkeitstheorie: «Die Oberfläche des Menschen besteht aus einer Charaktermaske.» wurde in Kindheit gebildet Charaktermaske = falsches Selbst f) Therapietheorie: Maske auflösen schmerzhafte Gefühle (Pendant des Entspannungsprozesses vom ursprünglichen Selbst); darunter: primäre Kernschicht (Lust, Liebe, primäres Selbstbewusstsein) «Ich bin mein Körper.», «Der Körper lügt nicht.» g) Ziel: Auflösung charakterlicher und muskulärer Blockierungen, um Emotionen frei fließen zu lassen und adäquat damit umzugehen spezielle Methode: Bioenegetik (Alexander LOWEN, *1910): therapeutische Methode, die dem Menschen hilft, wieder zu seinem Körper zurückzufinden will Einklang zwischen Körperhaltung, Bewegung, Atmung, Gefühl und Worten wieder herstellen versucht durch Arbeit mit dem Körper, im Körper eingefrorene, blockierte Gefühle zu befreien [Hab' ich ergänzt durch Fakten aus dem DORSCH, da Reschke zwar sinngemäß das gleiche erzählt hat, aber so schnell gesprochen hat, dass man nicht wörtlich mitschreiben konnte, T. E.] Bioenergetische Übungen (vom Therapeuten vorgeführt): Demonstration von Ladungen (Handfalte-Versuch) Atemübungen (Beginn jeder Therapie) Grounding (fest auf der Erde stehen, die Erde fühlen) Augen-Übungen / Seh-Übungen (z. B. Augen weit aufmachen) Körperausdrucksübungen Bewegungsübungen Hemmungen, Fehlhaltungen entdecken und verändern Fallübungen (Angst, sich fallen zu lassen)