Versuch 21 - sven.köppel.org

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Versuch 21:
Kapazitätsmessung mit dem ballistischen Galvanometer
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Aufgaben:
Bestimmung der Kapazität mehrerer Kondensatoren; Ermittlung der
ballistischen Konstante des benutzten Galvanometers.
Messverfahren:
Ballistische Messung, hier Kondensatorentladung über ein Galvanometer.
Vorkenntnisse:
Kondensator; Aufbau und Funktion von Drehspulinstrumenten
Lehrinhalt:
Ballistisches Messverfahren am Beispiel eines drehschwingungsfähigen Systems. Ermittlung einer Apparatekonstanten.
Literatur:
Die Lehrbücher der Experimentalphysik; W.H.WESTPHAL, Physikalisches Praktikum; W. MARTIENSSEN, Einführung in die Physik
1. Einführung
Bei ballistischen Messverfahren wird kurzzeitig ein Impuls auf ein schwingungsfähiges System ausgeübt; der Ausschlag des Systems (Messgerät) ist dann ein Maß für den übertragenen
Impuls.
Bei unserer Messung wird ein kurzer Stromstoß, der von der Entladung eines Kondensators
herrührt, durch das Messwerk eines Galvanometers geschickt. Dieser Stromstoß ist so kurz,
dass sich die Spule währenddessen nur wenig aus der Ruhelage entfernt, jedoch erhält sie
einen Drehimpuls und gerät in Drehschwingungen. Abgelesen wird der erste Ausschlag am
(Umkehrpunkt). Dieser Ausschlag ist auch bei Dämpfung proportional zum ausgeübten Drehimpuls. Letzterer ist seinerseits umso größer, je größer die bei dem Stromstoß über die Galvanometerspule abgeflossene Ladung Q ist. Folglich gilt:
τ′
 r 
mit Q = ∫ i(t) ⋅ d t .
(1)
am =   ⋅ Q
 Kb 
0
i bezeichnet den Galvanometerstrom, der bei Entladung eines Kondensators den in Abb. 2
angegebenen zeitlichen Verlauf hat, τ' ist die Dauer des Stromimpulses, die klein gegen die
Schwingungsdauer T des Galvanometers sein muss.
Die Größe Kb in Gleichung (1) wird als ballistische Konstante des Gerätes bezeichnet. Sie
gibt an, wie groß die Ladung ist, die in 1 m Abstand einen Skalenausschlag von 1 mm hervorruft; r ist der Abstand Drehspiegel/Skala. - Eine mathematische Behandlung des ballistischen
Galvanometers findet man in den Lehrbüchern.
Stehen bekannte Kondensatoren zur Verfügung und kennt man die Spannung U0, auf die sie
aufgeladen sind, kann man aufgrund der für Kondensatoren gültigen Beziehung Q = C @ U
(C = Kapazität) eine Eichung des Galvanometers vornehmen.
2. Aufgaben
1.)
Erstellen Sie mit Hilfe der beigegebenen Kondensatoren bekannter Kapazität die
Eichkurve des Galvanometers a = f (Q) (Fehlerbalken nicht vergessen!).
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2.)
Bestimmen Sie die Kapazität von vier unbekannten Kondensatoren unter Zuhilfenahme der in Aufgabe 1 erstellten Eichkurve und geben Sie die Fehler an.
3.)
Bestimmen Sie die ballistische Konstante des Galvanometers (Erläuterungen siehe
Abschn. 5.1.).
4.a)
Berechnen Sie den Strom, der durch die Galvanometerspule (Innenwiderstand des
Galvanometers: 25 Ohm) fließt, falls diese versehentlich ohne Schutzwiderstand direkt an die Spannungsquelle angeschlossen wird.
4.b)
Berechnen Sie den Strom, der durch die Galvanometerspule fließt, wenn diese bei
eingeschaltetem Schutzwiderstand an die Spannungsquelle angeschlossen wird. Vergleich!
5.)
Überprüfen Sie, ob die ballistische Bedingung τ' << T bei allen vorgenommenen Messungen erfüllt ist. Welchen Wert setzt man für τ' an?
6.)
Man verifiziere die im Abschnitt: Theorie des ballistischen Galvanometers angegebene Lösung für die freie Galvanometerschwingung durch Eintragen in die Differentialgleichung. Erfüllt sie wirklich die Anfangsbedingungen (8)?
3. Durchführung und Auswertung
R2
5V
S2
R1
G
V
S1
C
Abb. 1 Schaltbild zur ballistischen Kapazitätsmessung.
Man baue die Schaltung nach Abb. 1 auf. Die Festspannung der 5 V-Spannungsquelle wird
durch eine Potentiometerschaltung mit Schiebewiderstand R1 auf einen geeigneten Spannungswert herabgesetzt. C bezeichnet den jeweiligen Kondensator, S1 einen zweipoligen Umschalter. Man achte auf eine genaue Justierung des Galvanometers mit der auf dem Gerät angebrachten Libelle. Der Taster S2 dient zur Dämpfung der Galvanometerschwingung nach der
Entladung, man betätigt ihn vorzugsweise beim Nulldurchgang, wenn man die Schwingung
vor der nächsten Messung zur Ruhe bringen will. Der Widerstand R2 (56 kΩ) wird als
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Schutzwiderstand für die Galvanometerspule eingebaut, er darf auf keinen Fall entfernt werden. - Der Nullpunkt des Lichtzeigers ist vor und nach jeder Messung neu zu bestimmen; ist
er inzwischen gewandert, so ist für die Auswertung der Mittelwert zu nehmen.
Die Eichkondensatoren von 0,1; 0,2; ... 1,0 µF werden nacheinander an der Spannungsquelle
aufgeladen und dann durch Umlegen des Schalters S1 über die Galvanometerspule entladen.
Überprüfen Sie, ob der erste Ausschlag proportional der Kapazität ist, indem Sie die Erstausschläge in Abhängigkeit von der Größe der Kapazitäten auf Millimeterpapier graphisch auftragen. Zeichnen Sie nach der Umrechnung mit Q = C @ U einen zweiten Abszissenmaßstab
für die Ladung in die graphische Darstellung ein.
Danach messen Sie die Kondensatoren unbekannter Größe. Mit Hilfe der in Aufgabe 1 erstellten Eichkurve können Sie aus den Erstausschlägen die unbekannten Kapazitäten ermitteln.
Zur Bestimmung der ballistischen Konstante nach Glgn. (3) oder (4) muss auch der Abstand
Spiegel/Skala bekannt sein; messen Sie ihn näherungsweise mit einem Lineal oder Metermaß.
Für die Entladung eines Kondensators, aufgeladen auf die Spannung U0, über einen Widerstand R gilt (siehe auch Versuch 8 "Auf- u. Entladung eines Kondensators"):
t
i(t) = i0 ⋅ e-τ
mit
U0
i0 =
R
und
(2a)
τ = R⋅C .
(2b)
In Abb. 2 ist dieser Zeitverlauf dargestellt. Die Zeitkonstante τ gibt die Zeit an, in der der Entladestrom auf den e-ten Teil absinkt. Zwar dauert die Entladung theoretisch unendlich lange,
praktisch kann man jedoch schon nach einer Zeitspanne τ' von drei bis vier Zeitkonstanten die
Entladung als beendet ansehen (warum?).
i
i0
i0
e
τ
t
Abb. 2
Entladestrom eines Kondensators über einen ohmschen Widerstand als Funktion der Zeit.
Man berechne für den größten benutzten Kondensator die Zeitkonstante τ. Die Schwingungsdauer T des Galvanometers wird über mehrere Perioden gemessen und gemittelt. Zur Überprüfung, ob die Kapazitätsmessungen wirklich "ballistisch" waren, muß τ' mit der Schwingungsdauer des Galvanometers verglichen werden.
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4. Fehlerbetrachtung
Auf den Eichkondensatoren ist eine Toleranz von 10 % angegeben. Da es sich um ausgesuchte Exemplare handelt, ist ein Fehler von 1% anzunehmen. Man gebe die Messunsicherheit für
die zu bestimmenden unbekannten Kondensatoren an.
Anhand der Formeln in Abschn. 5.1. berechne man die Messunsicherheit für die ermittelte
ballistische Konstante. Aus praktischen Gründen (Umstellung des Nullpunktes zur Ausnutzung der vollen Skalenlänge) sehen wir dabei davon ab, die Symmetrie der Ausschläge nach
beiden Seiten zu überprüfen, was sonst bei sorgfältigem Arbeiten mit solchen Geräten nicht
versäumt werden sollte.
5. Anhang
5.1. Ballistische Konstante
Es bedeuten
αm
r
am = r @ αm
Q = C @ U0
Dann ist
erster max. Ausschlagswinkel des Lichtzeigers,
Abstand Spiegel/Skala,
zu α gehörender Kreisbogen,
über das Galvanometer abgeflossene Ladung.
αm Í Q , am Í r @ Q .
Die ballistische Empfindlichkeit Eb des Galvanometers ist definiert als der zugehörige Proportionalitätsfaktor, die ballistische Konstante Kb als ihr Kehrwert:
am = Eb @ r @ Q ,
r @ Q = K b @ am ,
also
Eb =
am
,
r ⋅Q
Kb =
r ⋅Q
am
.
(3)
Dabei gibt man üblicherweise r in m, a in mm, Q in C (COULOMB) an.
Je größer Kb, umso größer ist für den gewünschten Ausschlag am die erforderliche Ladung Q,
umso kleiner also die ballistische Empfindlichkeit des Gerätes.
Glg. (3) ermöglicht als Bestimmungsgleichung eine direkte Ermittlung von Kb: Setzt man den
Abstand Spiegel/Skala r des benutzten Gerätes und ein Wertepaar (Q, am) in (3) ein, erhält
man sofort Kb.
Unter Benutzung der Steigung p der Eichgeraden (Skalenerstausschlag am als Funktion der
Ladung Q) läßt sich Glg. (3) noch umschreiben. Wegen am = p Q folgt sofort:
Kb=
r
p
.
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(4)
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Diese Formel ist besonders geeignet, wenn man die Eichgerade mit linearer Regression ermittelt hat; p ist dann der Regressionskoeffizient. Die ballistische Konstante kann direkt aus
dem Abstand Spiegel/Skala (in m) und dem Regressionskoeffizient p (in mm/C) errechnet
werden.
Für die maximale relative Messunsicherheit von Kb folgt mit Q = C @ U0 aus (3):
∆ Kb
=
Kb
∆C ∆ U 0 ∆r ∆ a m
+
+
+
.
C
r
U0
am
(5)
Theorie des ballistischen Galvanometers
Die Schwingungsgleichung für die Drehschwingungen eines Drehspulsystems bzw. eines
Galvanometers lautet:
(6)
J ϕ&& + ρ ⋅ ϕ& + D0 ⋅ ϕ = G i (t ) .
Dabei bedeuten
φ
Drehwinkel der Spule,
J
Trägheitsmoment von Spule und aufgesetztem Spiegel,
ρ
Dämpfungskonstante,
D0
Rückstellmoment
G
= n·A·B Galvanometerkonstante (n Windungszahl, A Fläche der Drehspule,
B magnetische Induktion im Drehspalt),
i
Strom durch die Galvanometerspule.
Durch Integration von Glg. (6) von t = 0 bis t = τ’ (τ’ = Dauer der Entladung) folgt mit φ(0) =
0 und ϕ& (0) = 0:
τ'
&
(7)
J ϕ (τ ' ) + ρ ϕ (τ ' ) + D0 ∫ ϕ (t ) ⋅ dt = G ⋅ Q .
0
Ein für ballistische Messungen benutztes Instrument besitzt ein relativ großer Trägheitsmoment J, kleine Dämpfung und kleines Rückstellmoment D0. Ist die Zeitspanne des Stromflusses τ’ hinreichend klein gegenüber der Schwingungsdauer T eines solchen Galvanometers, die
Drehspule nach Beendigung der Entladung also erst ein wenig aus der Ruhelage ausgelenkt,
können in (7) der zweite und dritte Term vernachlässigt werden und wir erhalten:
J ϕ& (τ ' ) = G ⋅ Q .
Als Anfangsbedingung zur Lösung der homogenen Schwingungsgleichung für die weitere
freie Schwingung des Galvanometers können wir also in guter Näherung
G
ϕ ( 0) = 0 ,
ϕ& (0) = Q
(8)
J
annehmen.
Die Lösung der homogenen Schwingungsgleichung lautet in diesem Fall:
ϕ (t ) = A ⋅ e − β t ⋅ sin ω ⋅ t
mit
A=
G
2
⋅ Q , ω = ω0 − β 2
ωJ
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(9a)
(9b)
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und den Abkürzungen
β=
1 ρ
⋅
2 J
D0
J
, ω0 =
.
(9c)
Für den ersten maximalen Winkelausschlag findet man nach einiger Rechnung:
β
ω 
GQ − ω arc tan  β 
ϕm =
⋅e
ω0 J
.
(10)
Der Ablenkwinkel α des Lichtzeigers beträgt wegen der Reflektion des Lichtstrahles am
Spiegel das Zweifache des jeweiligen Drehwinkels φ der Galvanometerspule: α = 2φ. Gibt
man die zugehörige Bogenlänge a = r · α = r · 2 · φ, wie oben beschrieben, in mm an, dann
erhalten wir durch Eintragen von (10) in (3) für die ballistische Empfindlichkeit den Ausdruck
β
ω 
2 ⋅103 ⋅ G − ω arc tan  β   mm 
⋅e
Eb =
(11)
 m  .
ω0 ⋅ J
Bei ebener Skala muss bei großen Auslenkungen die Bogenlänge noch in den entsprechenden
Tangentenabschnitt umgerechnet werden.
Die obige Rechnung setzt nach der stoßhaften Entladung über das Galvanometer anschließend freie Schwingung voraus. Streng genommen muss der zweipolige Umschalter S1 der
Abb. 1 also sofort zurückgelegt werden, um den Kondensator vom Galvanometer wieder abzutrennen. Praktisch kann die Auswirkung des Kondensators auf den Erstausschlag und die
Schwingungsdauer des Galvanometers bei unserem Aufbau jedoch vernachlässigt werden.
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