über NAHT (anläßlich einer aufführung im februar 2004 in berlin) mein streichduo NAHT ist das ergebnis recht langer und disparater arbeit. 1999 begonnen, habe ich bis 2001 immer wieder nach aufführungen revidiert, korrigiert, erweitert und herausgeschnitten. im titel findet sich ein zitat von pablo neruda („Ich erwarte von der Nacht keine Erklärungen“), vor der partitur ein ausschnitt aus dem roman NOX von thomas hettche: „Von links nach rechts schnitt sie, und die scharfkantige Wunde klaffte sofort weit auf. Tief schnitt sie in Muskeln und Fleisch, trennte den Kehldeckel vom Kehlkopf, durchschnitt Halsschlagader und Schilddrüsenschlagader, kappte mir Luftröhre und Speiseröhre, und schnitt noch tief in einen Halswirbel hinein. Als sie das Messer aus der Wunde nahm, zog sie keinen Menschenlaut, doch mehr als ein gurgelndes Geräusch, mit heraus.[...] Ich sah sie an und versuchte zu sprechen, doch Blut quoll mir aus dem Mund, ich atmete Blut und schluckte es. In den Luftröhrenästen blutiger Schleim, Blut in den Augen, in der Nase und auf der Zunge. Die durchtrennte Schlagader saugte Luft und pumpte sie strudelnd ins Herz.“ beide reißen/rissen für mich einen assoziationsraum auf, in dem sich eine musik entfaltet, die inneres nach außen kehren möchte, wie das halbsehende hineingeheimnissen in nächtliche schatten, wie das verworren figürliche der einflüsterungen des unterbewußten, die sich durch unsere träume schleichen, das seinen antrieb immer wieder an der selben stelle findet: dem neugierig erschreckten wissen-wollen. zwiespalt zwischen neugier und furcht. letztendlich fällt mir es schwer, in wenige worte zu fassen, was mich über den relativ langen zeitraum des entstehens dieses stückes beschäftigt und bewegt hat. was für meine musik sicherlich charakteristikum ist, ist das wissen, daß musik eine sinnkunst (sic!) ist, die sinnlich erfahrbar sein sollte, erfahrbar sein will. was meine musik auch will, ist, jenseits noch so komplexer kompositionstechniken und formalen verfahren, mit denen ich hoffe, eine stringenz zu schaffen, die einen hörer in ihren bann zieht, zauber zu verbreiten. möchte raum und reibefläche sein, an der sich wahrnehmung und phantasie aufrauhen, falten schlagen und brüche erzeugen. nach verschiedenen aufführungen dieses stückes, unter anderem einer phantastischen im dezember 2002 durch das ensemble intercontemporain in paris, bin ich stolz, hier wieder interpreten gefunden zu haben, die den geist dieser musik aufgesogen und begriffen haben. ein wenig stolzer bin ich noch, daß es adele bitter und clemens linder so viel spaß macht, das stück zu spielen, so daß es seinen eigenen atem entfalten kann. phmz, köln 19.II.2004