Prävention von Gewalt als pädagogische Aufgabe Prävention von Gewalt hat das Ziel, langfristig durch Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass es nicht zu gewalttätigem Verhalten kommt. Man unterscheidet drei Ebenen der Prävention: Primärprävention Die Primärprävention hat zum Ziel, durch psychologische und pädagogische Maßnahmen ein Einstellungs- und Verhaltensrepertoire aufzubauen, damit eine gewaltfreie Konfliktlösung möglich wird. Hierunter sind all die Konzepte zu verstehen, die auf Konfliktlösung ohne Niederlage, auf Entwicklung einer Streitkultur, auf bewusste Kontrolle aggressiver Affekte, auf die Entwicklung prosozialer Normen des Zusammenlebens zielen. Sekundärprävention Sie kümmert sich um Risikogruppen und Risikosituationen, wenn es bereits zu Gewalttaten gekommen ist, oder um einzelne Schüler, die sich in einer akuten Konflikt und Krisensituation befinden. Diese Schüler fallen auf durch: Leistungsversagen oder prügeln sich häufig mit Mitschülern. Sekundärprävention in der Schule bedeutet: zunächst Anwendung eines „Erstverhaltens“, welches der Situation angemessen ist, danach ergreift der Lehrer Maßnahmen, die der Deeskalation von Gewalttätigkeit einerseits und dem Aufbau eines prosozialen Verhaltens andererseits dienen. Tertiärprävention Sie richtet sich auf Täter und Opfer, die in konkrete Gewaltereignisse verwickelt waren. Bei diesen ist zwar der „Fall“ formal zum Abschluss gebracht, es ist aber eine pädagogische „Nachsorge“ erforderlich, z. B. „Täter-OpferAusgleich“, damit Spätfolgen und das Entstehen neuer Gewalttaten vermieden werden. Wesentliche Ziele sind hier Aufbau und Stärkung von Selbstregulations- und Eigengestaltungskräften. __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 1 Pädagogisches Konzept der Schule Schulen haben einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Sie sind zur Transparenz verpflichtet. Dies bedeutet, dass sowohl Schülern, Eltern, als auch Lehrer wissen müssen, wie bei disziplinären Schwierigkeiten verfahren wird. Dazu erstellt die Schule ein Konzept, das allen an der Schule Beteiligten transparent gemacht wird. Dieser Erziehungsauftrag gehört zum Profil einer jeden Schule. Deswegen sind die üblichen Schulgremien - Gesamtlehrerkonferenz, SMV, Elternbeirat, Schulkonferenz, Schulleitung - in die Erstellung eines pädagogischen Konzeptes ergänzend zum Schulgesetz ( hier: Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen ) mit einzubeziehen. Die zu erstellenden ( oder bereits erstellten ) Richtlinien sind schulumfassend. Sie umfassen kurz- und langfristige Strategien, die schulische Organisation sowie den Lehrplan. Schülern, Eltern, Lehrern und Direktoren wird Rat und Orientierung angeboten. Besondere Beachtung soll den Opfern von Mobbing/Gewalt und deren Eltern zuteil werden. Ein herausragendes Beispiel für ein Schulporträt ist der Hauptschule Innenstadt Tübingen, dokumentiert in der Zeitschrift Lehren und Lehren, Neckar Verlag Villingen Schwenningen E 3490 ISSN 0341-8294 32. Jahrgang 5/6 oder hier http://www.mobbingberatung.info/media/schulportraet_hsi.pdf zum Download. __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 2 Darüber sollte sich ein Kollegium Gedanken machen Die konkreten Lebensbedingungen der Kinder müssen bekannt sein Gesprächsbereitschaft und Konfliktfähigkeit müssen weiterentwickelt und umgesetzt werden können. Sensibilität und Einfühlungsvermögen ermöglichen erst den hilfreichen Umgang mit Kindern und Eltern. Jeder einzelnen Lehrer einer Schule ist für die Verwirklichung der gemeinsamen Erziehungsziele verantwortlich, gleichgültig ob Fachlehrer, Schulleiter oder Referendar. Zuständig ist immer jeder. Erziehung geht vor – Störungen haben Vorrang Auch Gewalttaten haben ihre Entwicklung Erfahrungsaustausch mit Kollegen im Sinne und in den Strukturen von Supervision Begegnungen und Gespräche mit Eltern individualisieren Begegnungen und Gespräche mit Eltern aufwerten: Eltern und Lehrer sind Erziehungspartner, die aufeinander angewiesen sind. Gewalt darf nicht erfolgreich werden durch Wegsehen, Ignorieren, Verschleppen, Versandenlassen. Sie brauchen ein pädagogisches Konzept an Ihrer Schule. Lehrerargumente wie: das ist nicht mein Problem, dafür habe ich keine Zeit, dafür sind die Eltern verantwortlich, Korrekturen, Vorbereitungen usw.. sind inakzeptabel. Keinem Elternteil und auch sonst niemand kann man verständlich machen, dass Ihre Dienstaufgaben eine Außeinandersetzung mit Mobbing und Gewalt nicht zulassen, darüber sind wir uns einig. Das gehört zu Ihrem Erziehungsauftrag, auf den Sie vereidigt sind! Mobbing und Gewalt sind Störfaktoren, die beseitigt werden müssen. Sie erleichtern sich Ihre tägliche Arbeit, wenn ein schlüssiges Konzept vorliegt. Aus der Fülle der vorhandenen Möglichkeiten, finden auch Sie eine Lösung die auf Ihre individuellen Bedürfnisse passt. __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 3 Streitkultur Zur Prävention und zur Lösung von Konflikten benötigen Sie eine "Streitkultur". Streiten können setzt eine Reihe von Fertigkeiten voraus. Ob jemand aggressives oder anderes Verhalten zeigt, hängt davon ab, welches Verhalten er gut „kann“ und und welches er „nicht kann“. Das sind z.B. Prügeln, Brüllen, Spotten oder Argumentieren, Abwarten, Lösungen ausdenken. Es geht hier also um körperliche, sprachliche und mentale Möglichkeiten und Gewohnheiten, die von allen Beteiligten geübt werden müssen. Grundhaltungen beim Streiten Richtiges Streiten erfordert von allen Beteiligten entsprechende Grundhaltungen: Geduld, Gelassenheit, Empathie, Sachlichkeit, Entschiedenheit. Diese lassen sich leider nur sehr langsam entwickeln. Richtiges Streiten kann man nicht eben mal schnell auswendig lernen wie Jahreszahlen im Geschichtsunterricht. Kontext der Streitkultur Schließlich ist auch der Kontext von Bedeutung, in welchem sich die Entwicklung einer Streitkultur vollzieht: lebensgeschichtliche Hintergründe des Lerners, Standard seiner Peergroup, Ausbildung und Kompetenz der Lehrenden, Werte und Normen der näheren und weiteren gesellschaftlichen Umgebung. Für den pädagogischen Umgang mit Jugendlichen ergeben sich folgende pädagogische Strukturmaßnahmen: Der bewusste Umgang mit Gefühlen des Ärgers, der Angst, der Unterlegenheit muss geübt werden und dies alles in einem Klima der Akzeptiertheit und Nicht-Bedrohtheit. __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 4 Es müssen Methoden der Konfliktbewältigung erarbeitet und eingeübt werden. Strafen, Zwang oder moralische Appelle bewirken kurzfristig schnelle Linderung von Gewaltproblemen, bleiben aber langfristig wirkungslos. Entscheidend mehr Einfluss hat das Vorbildverhalten von Erziehern Voraussetzungen für richtiges Streiten Folgende Maßnahmen und Gegebenheiten sind förderlich: Eine akzeptierende und liebevolle Grundhaltung des Erziehers: Ein warmes emotionales Klima ist eine wesentliche Voraussetzung, damit pädagogische Maßnahmen wie Argumentation, Erklärung, Diskussion wirken können. Zu empfehlen sind den Erziehern auch emotionale Reaktionen wie Lob und Zuwendung oder auch das deutliche Zeigen von Enttäuschung. Verhaltensregeln dürfen nicht bloß verkündet werden; sie müssen erklärt und mit den Betroffenen diskutiert werden. Die Fähigkeit zur Einfühlung in andere Menschen (Empathie) wird bewusst angeleitet und geübt. Angesichts der durch die Medien bewirkten „Desensibilisierung“ gegenüber der Auswirkung von Gewalt muss in verstärktem Maße opferbezogenes Denken gefördert werden, d. h. die Aufmerksamkeit der Lernenden wird auf die Folgen gelenkt werden, die eigenes gewalttätiges Verhalten für andere haben kann. Selbstverantwortliches und eigenständiges Handeln der Lernenden wird immer wieder ermöglicht und geübt. __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 5 Handlungsbedarf und Möglichkeiten Aggressive Schüler müssen daran gehindert werden, mit ihren aggressiven Handlungen den erwünschten Erfolg zu haben. Sie müssen lernen, ihre Probleme mit pro sozialen Strategien zu lösen und ihre aggressiven Impulse unter Kontrolle zu halten. Die Opfer müssen sich dem Mobbing und der Gewalt entziehen, sich um Hilfe bemühen, Ich-Stärke entwickeln und sich widersetzen. Die Schule, also Lehrer, schafft eine Lernumwelt, die aggressive Schüler zu Hause nicht haben. Das Lehrerverhalten ist geprägt von Freundlichkeit, Wärme, Zuwendung und Interesse an den Schülern. Schüler werden überall in der Schule und auf Schulwegen beaufsichtigt und beobachtet. Sie erfahren klare Normen, insbesondere „Gewalt“ betreffend, ernste, eindeutige, sofortige, schnelle – nicht feindselige – Konsequenzen bei einer Regelverletzung, Unterstützung und Schutz für die Opfer, die Einbeziehung aller erwachsenen Schulangehörigen und von Personen außerhalb der Schulen, insbesondere der Eltern, nachahmenswertes Verhalten der Lehrer beim Umgang mit Konflikten. Maßnahmen abgestuft: Schulebene Schulkonferenz zum Thema Täter-Opfer-Problem; bessere Pausenkontrolle; attraktivere Schulhöfe; Kontakttelefon; Lehrer-Eltern-Treffen; Lehrergruppen zur Entwicklung des „Schulklimas“; Elternkreise: Arbeits- und Diskussionsgruppen Klassenebene __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 6 Klassenregeln gegen Gewalt an der Schule; Klarstellung der Normen, positive und negative Sanktionen; regelmäßige Klassengespräche; kooperatives Lernen; Lehrer-Eltern-Schüler-Treffen; gemeinsame positive Aktivitäten; Rollenspiele; Schüler/Elternebene Ernste Gespräche mit Täter und Opfern; ernste Gespräche mit Eltern von betroffenen Kindern; Hilfe von „neutralen“ Schülern; Elternbroschüre mit Ratschlägen; Diskussionsgruppen mit Eltern von Täter und Opfern; Wechsel der Klasse oder der Schule ... Schulprogramme __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 7 Das Streit-Schlichtungs-Programm Streitschlichterprogramme sind ein äußerst effektives Mittel, längerfristig Streitund Gewaltsituationen zu verhindern. Streit-Schlichtung funktioniert an der Schule besonders gut, wenn auch die Eltern das Konzept unterstützen. Günstige räumliche Voraussetzungen müssen oft erst geschaffen werden. Der Schlichtungsraum sollte so liegen, dass Störungen nicht zu erwarten sind. Die Einrichtung unterstützt eine Atmosphäre, in der Schlichter und Kontrahenten sich wohl fühlen. Die Ausbildung zum Streitschlichter Dazu müssen Schüler ausgebildet werden. Folgende Elemente sind Bestandteil der Ausbildung. Aktives Zuhören Diese Art des Zuhörens ist Ausdruck des Respekts dem Erzählenden gegenüber und erleichtert die Aufgabe, bei der Klärung von Problemen zu helfen. Die Schülerinnen und Schüler lernen u.a., sich dem anderen - auch durch die Körperhaltung (s.u.) - zuzuwenden und ihn anzuschauen, angemessen nachzufragen, ggf. Rückmeldungen zu geben, mit anderen Worten ein Gespräch so zu fahren, dass der andere sich verstanden und ernst genommen fühlt. Ich-Botschaften Schülerinnen und Schüler können lernen, eigene Gefühle und Meinungen in der Ich-Form auszudrücken, ohne versteckte Vorwürfe zu erheben. Verletzende oder verallgemeinernde Botschaften werden so vermieden. Der andere erfährt, wie die Wirkung seines Verhaltens ist und welche Gefühle es ausgelöst hat. Körpersprache Schülerinnen und Schüler machen sich oft wenig Gedanken über die Bedeutung nonverbaler Kommunikation. Sie erfahren beim Training, dass Ausdrucksformen wie Gestik, Mimik, Tonfall, Körperhaltung oder Handlungen beim anderen eine Wirkung haben und bestimmte Gefühle auslösen können. Lösungsvorschläge sammeln __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 8 Mit dem Verfahren des Brainstorming kann in der Schlichtung von den beiden Kontrahenten eine geeignete Lösung gesucht werden. An der Qualität der Lösungen entscheidet sich, ob die Schlichtung gelingt. Deshalb muss dieser Teil des Schlichtungsgesprächs und die Rolle des Schlichters in dieser Phase in vorbereitenden Rollenspielen besonders sorgfältig eingeübt werden. Konfliktgespräch führen und schlichten Im Rollenspiel üben die zukünftigen Schlichterinnen und Schlichter auch die vier Schritte der Streit-Schlichtung ein. Einleitung, Klärungen, Lösungen, Vereinbarungen. Günstig ist es, wenn drei Schüler die Rollen der Kontrahenten und des Schlichters übernehmen und ein weiter Schüler zusammen mit dem Trainer als Beobachter fungiert. Dieser Teil der Ausbildung umfasst mehrere Nachmittage. Organisation der Schlichtung an der Schule Gegen Ende des Trainings stehen Überlegungen zur Organisation in der Schule an. Dabei üben die Schülerinnen und Schüler, sich mit Fachlehrkräften in Verbindung zu setzen und Alternativen zu entwickeln, falls die spontane Befreiung für das Schlichtungsgespräch ablehnt wird. Ferner wird ein Dienstplan erstellt. Auch das Schlichtungsformular kann mit Hilfe der zukünftigen Schlichter immer wie der weiterentwickelt werden. Möglicher zeitlicher Ablauf Der zeitliche Ablauf bis zum Beginn der Schlichtungen wird von Schule zu Schule verschieden sein. Wenn Streit Schlichtung durch Schülerinnen und Schüler völlig unbekannt ist, empfiehlt es sich, zu Anfang des Schuljahres mit der grundsätzlichen Klärung in den Gremien zu beginnen damit im folgenden Schuljahr die Schlichtung institutionalisiert werden kann. Mediation Mediation ist ein Verfahren der Konfliktlösung, das in den sechziger und siebziger Jahren in den USA entwickelt wurde und dort mit Erfolg in vielen Lebensbereichen angewendet wird. Wörtlich übersetzt bedeutet "mediation" Vermittlung. Grundlegende Methoden Merkmale des __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 9 Mediationsverfahrens Die Anwesenheit der vermittelnden Dritten Partei (Mediator), die Einbeziehung aller Konfliktparteien, die in der Regel auch anwesend sind, die informelle, außergerichtliche Ebene, die Freiwilligkeit der Teilnahme die Selbstbestimmung bezüglich der Konfliktlösung die Erziehlung eines Konsens Schritte im Mediationsverfahren Vorphase: Die Konfliktparteien an einen Tisch bekommen Das Mediationsgespräch: 1. Einleitung 2. Sichtweise der einzelnen Konfliktparteien 3. Konflikterhellung: Verborgene Gefühle, Interessen, Hintergründe 4. Problemlösung: Sammeln und Entwickeln von Lösungsmöglichkeiten 5. Übereinkunft Umsetzungsphase Überprüfung und ggf. Korrektur der Übereinkunft Aktives Zuhören Ich-Botschaften Einzelgespräche Brainstorming Der Mediator / die Mediatorin muß von allen Konfliktbeteiligten akzeptiert und respektiert werden. soll kein eigenes Interesse an einem bestimmten Konfliktausgang haben. setzt sich für die Interessen und Belange aller Parteien ein. bewertet oder urteilt nicht. nimmt alle Standpunkte, Interessen und Gefühle ernst. sorgt dafür, dass Machtungleichgewichte ausgeglichen werden geht mit dem Gehörten vertraulich um. ist für den Gang des Mediationsgesprächs verantwortlich, die KontrahentInnen für den Inhalt. __________________________________________________________________________ MOBBINGBERATUNG Werner Ebner © 2008 [email protected] Schule 10