Am heutigen Abend erklingen Werke von 4 Komponisten

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Mittwoch · 15. Mai 2013
20 Uhr · Volkshaus
9. Philharmonisches Konzert Reihe A
Liebe , Tod und Verklärung
200. Geburtstag Richard Wagner am 22. Mai (1813)
Richard Wagner (1813-1883)
Vorspiel und Isoldes Liebestod aus "Tristan und Isolde" WWV 90
Franz Liszt (1811-1886)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur
Allegro maestoso
Quasi adagio
Allegretto vivage – allegro animato
Allegro marziale animato
Pause
Richard Strauss (1864-1949)
Tod und Verklärung – Tondichtung für großes Orchester op. 24
Dirigent: GMD Marc Tardue
Klavier: Mateusz Molęda
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Der Dirigent
Marc Tardue wurde als Sohn franco-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte das
Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier bei Alexander Lipsky und
Wiktor Labunsky sowie Dirigieren bei Frederik Prausnitz, Leo Müller und Constantin Bugeanu.
Darüber hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und arbeitete als Klavierbegleiter in den
Meisterklassen von Francesco Valentino, Eileen Farell, Tito Gobbi und Beverly Sills. Von 1982
bis 1984 war er Chefdirigent der National Opera von Reykjavik (Island). 1984 gewann Marc
Tardue den internationalen Dirigentenwettbewerb Concours International d’Execution Musicale
„Ernest Ansermet“ (CIEM) in Genf und wurde mit dem prestigeträchtigen Swiss Prize
ausgezeichnet. Danach begleitete er die CIEM-Wettbewerbe regelmäßig mit dem Orchestre de la
Suisse Romande. Er war zu hören in Radio- und Eurovisions-Übertragungen sowie auf der
Preisträger-CD-Serie von Musica Helvetica.
Von 1985 bis 1995 war Marc Tardue Musikdirektor beim Ensemble Instrumentale de Grenoble
(EIG), dessen kammermusikalisches und zeitgenössisches Repertoire unter seiner Leitung um die
großen Sinfonien sowie Opern- und Chorwerke erweitert wurde. Zwischen 1991 und 2002 war er
Chefdirigent des Symphonieorchesters Biel (Schweiz), von 1999 bis 2009 Chefdirigent des
Orquestra Nacional do Porto (Portugal). Gastdirigate verbinden ihn mit renommierten
internationalen Orchestern wie dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Nouvel Orchestre
Philharmonique de la Radio France, dem Orquesta Sinfónica Radio Television Española oder dem
Russian National Orchestra in Moskau. Opernaufführungen leitete er u. a. bei den
Opernfestspielen Heidenheim und Schenkenberg (Schweiz) sowie an den Opernhäusern von
Dublin und Malmö.
Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc Tardue 1989 der französische Kulturorden
„Chevalier des Arts et des Lettres“ verliehen, 2004 erhielt er vom portugiesischen
Kultusministerium die „Medalha de Mérito Cultural“.
Der Solist
Mateusz Molęda ist spätestens seit einer Live-Übertragung des ZDF zu Feierlichkeiten am Tag
der Deutschen Einheit 2007, als er in Berlin Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester
op. 80 mit der Schweriner Staatskapelle aufführte, sehr bekannt.
In Dresden Mitte der 1980er Jahre geboren und aufgewachsen, studierte der mit deutschen und
polnischen Traditionen verwurzelte Dirigent und Pianist zunächst Klavier an der Hochschule für
Musik, Theater und Medien in Hannover in der Klasse von Prof. Arie Vardi, der als gefragtester
Musikpädagoge der letzten Jahre gilt. In Zusammenarbeit mit Prof. Zvi Meniker setzte Mateusz
Molęda seine Studien auch im Bereich der historischen Tasteninstrumente Cembalo und
Hammerflügel fort.
Als Sohn einer Sopranistin und eines Tenors, die an der Semperoper Dresden über ein Jahrzehnt
lang die Hauptpartien in Giuseppe Verdis La Traviata und Giacomo Puccinis La Bohème gesungen
haben, kam Mateusz Molęda bereits sehr früh mit Musiktheater in Berührung. Seiner Affinität für
das Dirigieren von Opern folgend, kann er auf ein beachtliches Repertoire von über zwanzig Opern
verweisen, welches er kontinuierlich ausbaut. Spezialisiert hat er sich hierbei auf das Werk von
Giacomo Puccini, Richard Wagner und Richard Strauss. Sein sinfonisches Repertoire umfasst eine
Vielzahl an Werken aller musikalischen Stilepochen, so unter anderem sämtliche Sinfonien von
Beethoven und Brahms, aber auch das sinfonische Gesamtwerk von Strauss und Stravinsky.
In den Jahren 2014 bis 2017 wird er einer Einladung an das Teatro Municipal de Lima (Peru)
folgen, wo er den gesamten Ring des Nibelungen zur Aufführung bringt; 2014 - Das Rheingold,
2015 - Die Walküre, 2016 - Siegfried und 2017 - Götterdämmerung.
Mit dieser verantwortungsvollen Herausforderung als Dirigent wird ihm jedoch weniger Zeit für
das Klavierspiel bleiben und so werden die beiden Konzerte mit der Jenaer Philharmonie heute
und in der Klosterkirche Chorin im Juli 2013 seine vorläufig letzten Auftritte als Pianist sein.
Mateusz Molęda ist ab Saison 2013/2014 zum Principal Guest Conductor
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des Orchestra Cuidad de Los Reyes in Peru berufen worden.
Zum 200. Geburtstag Richard Wagners
Leipzig, Dresden, Königsberg, Zürich, Paris, Wien, München, Luzern, Bayreuth … Das sind nur
einige der Lebensstationen des unsteten Richard Wagner. Heute würden wir ihn als flexibel
bezeichnen. Ein vielseitiger, intelligenter Mann, der sich recht schnell in neue Prozesse
hineindenken und sie „vermarkten“ konnte. Dieses Talent ermöglichte ihm auch mit den größten
Künstlern seiner Zeit in Kontakt zu treten. So hatte sich auch sein Adressbuch schnell mit dem
„Who is Who“ der Kunstbranche und anderen wichtigen Persönlichkeiten gefüllt.
Mal hier, mal dort – mal als Revolutionär politisch verfolgt, mal von gehörnten Ehemännern
vertrieben – immer findet er einen neuen Ort mit neuen Herausforderungen. Bis er über
München mit Hilfe König Ludwig des II. schließlich in Bayreuth seinen Lebenstraum
verwirklichen kann.
Für die nachfolgenden Generationen bleibt er der große Operndramatiker mit Mut zur
Erweiterung der westeuropäischen Harmonielehre, wobei wie er selbst schreibt, alles der
Ausdruck von Seelenzuständen ist und die äußere Handlung in den Hintergrund rückt.
Wir feiern heute also einen „Hans Dampf in allen Gassen“ – einen Revolutionär, einen
Charmeur, einen genialen Künstler. Der mit seinem enormen Unterhaltungswert, seiner
imagebildenden Eigenvermarktung und seinen ausgeprägten Geschäftskontakten ebenso gut in
unsere Tage passen würde.
Niemand besser als ich!
Ein wahrlich großer Anspruch Richard Wagners an sich selbst! Diesen Satz finden wir als
Schriftprobe mit der Goldenen Feder, einem Geschenk Mathilde Wesendoncks, in seinen
privaten Hinterlassenschaften. Mit ihr hatte er angeblich die Handlung in drei Aufzügen:
Tristan und Isolde zu Papier gebracht, sein wohl persönlichstes Musikdrama, welches
autobiografische Züge hat. Denn zum Entstehungszeitpunkt seines Tristan war Richard Wagner
fast schon Familienmitglied bei den Wesendoncks in Zürich. Er hatte dort sein eigenes
Häuschen und wurde von Otto Wesendonck gönnerhaft unterstützt. Dessen Frau Mathilde und
Richard Wagner verband die Liebe zur Kunst: sie Schriftstellerin, er Komponist und Multitalent.
Er vertonte ihre Gedichte – die bekannten Wesendonck-Lieder. Für Tristan und Isolde benutzte
er Motive daraus und zeigte somit seine Zuneigung zu Mathilde, die seine Isolde war.
Schon früher hatte er die tragische Liebesgeschichte von Tristan und Isolde gekannt, die zum
ersten Mal im 13. Jahrhundert von Gottfried von Straßbourg niedergeschrieben worden ist. Sie
ist im Sagenkreis des König Artus angesiedelt.
Tristan, der Neffe König Markes, Herrscher über Cornwall, soll Isolde, die Tochter des irischen
Königs, als Friedenspfand an dessen Hof holen. Isolde hatte vorher Tristan das Leben gerettet,
obwohl dieser ihren Verlobten ermordet hatte. Auf der Überfahrt von Irland nach Cornwall
möchte sie ihn rächen und reicht Tristan den vermeintlichen Todestrank. Dieser wird zum
Liebestrank und beide gestehen sich ihre Gefühle füreinander. Wieder an Land verbringen sie
eine gemeinsame Nacht, werden aber von König Marke und dessen Gefolge überrascht. Als
Ausweg stürzt sich Tristan in das Schwert Melots, um mit Isolde im Tod vereint zu sein. Der
Sterbende wird auf seine Burg in die Bretagne gebracht, dort wartet er auf Isoldes Eintreffen.
Sie kommt jedoch zu spät. „…seht ihr’s Freunde? Seht ihr’s nicht? Immer lichter wie er
leuchtet, stern-umstrahlet hoch sich hebt?“ und kann nur noch mit gebrochenem Herzen über
dem Geliebten zusammensinken. „..in des Welt-Atems wehendem All – ertrinken, versinken –
unbewusst – höchste Lust!“ Im Tode sind nun beide vereint.
Die gesamte Oper, anfangs als unaufführbar betrachtet, wurde in einer Kurzfassung erstmals
1860 mit dem Tristanvorspiel konzertant wiedergegeben, 1863 mit Isoldes Liebestod kombiniert
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und das Geschehen somit abgerundet. Zur Uraufführung des Gesamtwerkes kam es aber erst
1865 in München.
Im zweiten Takt des Vorspiels erklingt unverzüglich der berühmte Tristan-Akkord, den zwar
schon vor Richard Wagner z.B. Ludwig van Beethoven benutzt, aber sogleich wieder in
Wohlklang aufgelöst hatte. Die Neuerung beim Tristan-Akkord ist nun eben die ihm versagte
Auflösung und somit die harmonische Loslösung des Akkords, da er nun frei und quasi
ungebunden im Raum steht. Diese damals zunächst abgelehnte Sensation, ist für die
Musikwissenschaft heute der Ausgangspunkt für die Atonalität, die Emanzipation der
Dissonanz. Kritiker sehen jedoch darin einen musikdramatischen Kunstgriff. Da der TristanAkkord innerhalb Isoldes Liebestod vor dem letzten Akkord doch noch seine Auflösung erfährt.
Als funktionales Mittel stellt er somit lediglich den inneren Kampf Tristans und Isoldes um
deren Liebe und mit dessen Auflösung ihre Vereinigung im Tod musikalisch dar.
Auch der Liaison zwischen Mathilde Wesendonck und Richard Wagner war kein gutes Ende
beschieden. Zum einen machte Wagners damalige Ehefrau Minna das Benehmen der beiden vor
der Gesellschaft öffentlich und zum anderen reiste Wagner selbst, des Konfliktes zwischen den
Eheleuten Wesendonck überdrüssig, nach Venedig ab und vollendete den Tristan schließlich
1859 in Luzern.
Den Klavierauszug zu Wagners Tristan und Isolde verfasste der Liszt-Schüler Hans von Bülow,
zur damaligen Zeit der Ehemann Cosimas und glühender Verehrer Wagners. Zum ersten Mal
begegnete sie Wagner 1853 im Haus ihres Vaters Franz Liszt. Die beiden Männer verband zu
dieser Zeit schon eine längere intensive Freundschaft zwischen Gönner und Nutznießer mit dem
gemeinsamen Ziel die Musikwelt zu erneuern. Liszt selber sah in Wagner den größeren
Komponisten und stellte sich immer wieder in seinen Dienst. So zumindest beschreibt die
Urenkelin Nike Wagner 2011 zum 200. Geburtstag Franz Liszts das Frendschafts- und
Familienverhältnis zwischen Wagner und Liszt. Die beiden Männer waren fast gleich alt, hatten
jedoch unterschiedliche Lebenswege beschritten. Wagner als Kompositeur – Liszt als
Wunderkind und Klaviervirtuose.
Mit 20 Jahren befasste sich Liszt erstmals mit einem großen Werk für sein Paradeinstrument.
Aus diesen ersten Studien gingen das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 in Es-Dur
und das zweite in A-Dur hervor. Jedoch sollte ihre Vollendung erst spät erfolgen. Man stellt sich
die Frage nach dem „Warum?“.
Zunächst befindet sich Franz Liszt nach dem Tod seines Vaters in einer schweren Lebenskrise.
Sein Vater, der gestrenge Lehrer, der ihn in ein Pianisten-Korsett gezwängt und seinen Weg
bereits vorbestimmt hatte, war nicht mehr da. Eine ungewohnte Freiheit war zum Greifen nah.
Doch was sollte er damit anfangen? Orientierungslosigkeit machte sich breit. Klavierspielen war
bis dahin das Einzige, das er perfekt konnte. Die Allgemeinstudien waren in den vergangenen
Jahren neben einem strengen Stundenplan zwischen Klavierübungen und Konzerten auf der
Strecke geblieben. Er war in der Zwischenzeit zum Hauptverdiener der Familie geworden und
nun stellte sich zum ersten Mal die Frage, ob das Klavierspiel seine wahre Passion war. Ein
Zwiespalt, denn zum einen musste er Geld verdienen, zum anderen wusste er nicht, ob er dies
als reisender Virtuose weiterhin besorgen sollte. Somit lag das Klavierspiel auf Eis. Lediglich
für das tägliche Brot und die Miete gab er jungen Adligen Klavierunterricht. Ansonsten widmete
er sich intensiv der Suche nach dem Sinn des Lebens, was ihn zeitweilig auch mit dem
Gedanken an ein Priesteramt spielen ließ – welches er, wie wir wissen, im Alter verwirklichte.
Aus dieser Situation heraus entwickelt er neuen Ehrgeiz. Er registriert, wie Chopin und Paganini
große Erfolge feiern. Er selbst möchte nun wieder in dieser Liga spielen, ein Teil des
Künstlerlebens sein. Er hat sich entschieden!
Zu seinen ersten Kompositionen nach der Krise gehören die eben genannten Klavierkonzerte.
Das erste beendet er jedoch erst nach 25 Jahren. In der Zwischenzeit mussten seine
Kompositionen immer zurückstehen. Er war Klaviervirtuose, ein Star, Familienvater – er musste
spielen, spielen, spielen. Eine Tournee nach der anderen. Erst 1848 wurde es ruhiger um ihn.
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Die Trennung von Marie d’Agoult ist vollzogen, er hat das alleinige Sorgerecht für die Kinder
erkämpft, die bei seiner Mutter aufwachsen und sucht nach einer Festanstellung, die er in
Weimar findet. Als Kapellmeister hat er alle Möglichkeiten. Er kann wieder selbst komponieren
und hat nun auch ein eigenes Orchester zur Verfügung, mit dem er Werke seiner
Musikanschauung verbreiten und veröffentlichen kann. So kommt es vermehrt zu Aufführungen
der Musikdramen Wagners, um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, da jener selbst im
Exil in der Schweiz weilte.
Verschiedene Ansprüche an sich selbst, an die Neudeutsche Schule, die enorme technische
Weiterentwicklung der Klaviere und Forderungen der Druckereien führten zu weiteren
Umarbeitungen und verzögerten die endgültige Fassung bis ins Jahr 1855. Die Uraufführung
fand in Weimar statt.
Das Klavierkonzert ist in vier Sätze untergliedert, wobei der 3. und der 4. ineinander übergehen.
Zu Beginn intoniert das Orchester mit den Streichern das bekannte dominante Motiv, welches
von Bläsereinsetzen gebrochen wird. Ebenso setzt der Solist nach diesem kurzen Auftakt ein.
Der gesamte erste Satz mutet wie eine alleinige Themenaufstellung an. Im Seitenthema erklingt
die Klarinette kammermusikartig. Dabei sucht sich der Solist immer wieder Partner im
Orchester, das nicht als reine Klangkulisse abgetan wird. Ebenso ist der Solist nicht mehr allein
der Virtuose, den man durch die Biografie Liszts vielleicht erwarten könnte. Nach dem erneuten
Einsatz des Anfangsthemas kraftvoll intoniert, bleibt der Satz offen.
Im Folgenden erhalten wir die Antwort: ein Adagio. Ein wunderschöner schwelgerischer
Gesang, wie eine Erinnerung an einen Klavierabend mit Chopin. Ein besonderes Augenmerk
gilt den Trillerpassagen des Klaviers, die erst durch die kontinuierliche Entwicklung der
Klaviermechanik, vor allem auf dem Gebiet der Repetitionstechnik möglich geworden sind.
Der Klang der Triangel läutet den nächsten Abschnitt ein. Dieses Instrument betont den
tänzerischen Aspekt. Für Zeitgenossen war der Einsatz überraschend, da dem Schlagwerk eher
geringere Bedeutung zukam und es weniger für den Konzertsaal gedacht war. Das neckische
Scherzo führt in den Wirbel der Geschwindigkeit zurück. Die Solo-Kadenz bringt das Thema
des 1. Satzes in den Bläsern wieder.
Der Schluss bringt alle bisherigen Themen abermals hervor, bis hierher haben sie eine
Metamorphose durchlebt. Immer wieder der Einsatz der prägnanten Triangel. Die Dramatik
nimmt zu, Klavierläufe die Tastatur hoch und runter. Nun zeigt uns Liszt doch noch einmal den
Virtuosen, der in ihm steckt.
Nach der Pause erklingt das Werk eines weiteren Wagner-Bewunderers: Richard Strauss. Nach
anfänglichen Schwierigkeiten in München berief ihn der ehemalige Schwiegersohn Liszts, Hans
von Bülow, als Kapellmeister an den Meininger Hof. Damit gelangte Strauss in den Umkreis der
zu diesem Zeitpunkt schon verstorbenen Meister Richard Wagner und Franz Liszt, was seiner
Hochachtung vor ihrer Musik keinen Abbruch tat. Vielmehr beflügelte ihn die Atmosphäre,
worauf er seinen eigenen Stil neu ausrichtete. Übungen im wagnerischen Orchesterstil und im
Schreiben Symphonischer Dichtungen führten in den kommenden Jahren zu seinen ersten
Tondichtungen Macbeth und Don Juan. Zurück in München ist ihm wieder kein Glück beschieden
und er macht sich abermals auf den Weg gen Norden. Mit einer Assistenz bei den Bayreuther
Festspielen erlangt er das Vertrauen Cosima Wagners. Sein Weg führt ihn weiter nach Weimar, wo
er eine Anstellung als Kapellmeister erhält. 1890 kommt es in Eisenach zur Uraufführung von Tod
und Verklärung – eine Tondichtung für großes Orchester op. 24. Mit 26 Jahren schreibt er ein
Werk über das Dahinwelken und Sterben eines Menschen. Er selbst macht eine solch ähnliche
Erfahrung erst im folgenden Jahr durch, als er schwer erkrankt und 1892 eine Genesungsreise nach
Ägypten unternimmt.
Aus Aufzeichnungen Strauss’ ist ein Programm mit der konkreten musikalischen Aussage des
Stücks erhalten geblieben:
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„Der Kranke liegt im Schlummer schwer und unregelmäßig atmend zu Bette [Largo]; freundliche
Träume zaubern ein Lächeln auf das Antlitz des schwer leidenden;
der Schlaf wird leichter; er erwacht;
grässliche Schmerzen beginnen ihn wieder zu foltern,
das Fieber schüttelt seine Glieder –
als der Anfall zu Ende geht und die Schmerzen nachlassen,
gedenkt er seines vergangenen Lebens: seine Kindheit zieht an ihm vorüber,
seine Jünglingszeit mit seinem Streben, seinen Leidenschaften und dann,
während schon wieder Schmerzen sich einstellen,
erscheint ihm die Frucht seines Lebenspfades, die Idee, das Ideal,
das er zu verwirklichen, künstlerisch darzustellen versucht hat,
das er aber nicht vollenden konnte, weil es von einem Menschen nicht zu vollenden war.
Die Todesstunde naht, die Seele verlässt den Körper,
um im ewigen Weltraume das vollendet in herrlichster Gestalt zu finden,
was es hienieden nicht erfüllen konnte.“
Jedoch spricht die Musik auch für sich allein. Der Beginn wird weithin als müder Herzschlag
interpretiert. Die Atmung geht schwach. Über die Flöten- und Harfeneinleitung gelangen wir in ein
Traumreich, der Rückblick auf ein Menschenleben. Wir können selbst in Erinnerungen schwelgen.
Leise die Hörner, es folgt ein Ansteigen – ein Aufbäumen, Hektik, ein sehr emotionaler Moment.
Man hört förmlich, wie der Sterbende sich vor Qualen von links nach rechts im Bett umherwälzt.
Über die Oboe gelangen wir wieder in ruhigere Gefilde, den Moment der Verklärung. Ein Begriff,
den schon Wagner für den Liebestod der Isolde verwendet hatte, in der Geschichte jedoch durch
den Liebestod verdrängt wurde.
Die Verklärung entstammt der ägyptischen Tradition. Sie steht für die Totenliturgie, den Moment,
in dem die Seele (Ach) des Pharao seinen Körper verlässt und in das Jenseits übertritt, während die
Priester singen und mit einem Schlag vor die Brust ein zusätzliches Herabsteigen der Gottheit Seh
beschwören, welche dann das Ach hervortreten lässt und es in Sternenglanz hüllt. Das Ach steigt
zum Orion, der Heimat von Seh auf, wo der Pharao von den Göttern und den Ahnen empfangen
wird.
Auch in der Christenheit gibt es die Verklärung Jesus, der ebenfalls in ein helles Gewand gehüllt
und von einem überirdischen Licht bestrahlt wurde. Aus einer Wolke sprach Gott: „Dies ist mein
Sohn.“ In der griechischen Mythologie gibt es dafür den Begriff der Apotheose, bei der der
Mensch zur Gottheit erhoben wird.
Das Verklärungsthema dominiert den letzten Teil des Stückes und mündet in C-Dur, einem hellen
strahlenden himmlischen Glanz, ähnlich dem großen Vorbild Richard Wagners.
Jessica Brömel, M.A.
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