110 Richard Wagners „Tristan und Isolde“ Am Anfang stand eine ganz andere Idee Richard Wagners „Tristan und Isolde“ gilt als problematisches Stück. Als eines, das sich den Gesetzmäßigkeiten normaler Opern verweigert. Diejenigen, die das behaupten, haben zweifellos Recht. In diesem Werk ist fast nichts, wie es sein sollte. Außer, dass viel und lang gesungen wird: wie in der Oper eben üblich. Dabei stand am Anfang eine ganz andere Idee. Ein leicht aufführbares Werk für die Musiktheaterbühne wollte Wagner nach eigenen Worten erschaffen. Eines, das nicht die Komplexität des „Ringes“ hatte, an dem Wagner Anfang der 1850er Jahre gerade schrieb und der unaufführbar schien. Er brauchte dringend ein Stück, das Geld einspielen konnte. Dazu sollte der „Tristan“ nützlich sein. Der Komponist selbst hat weniger pragmatisch und mehr philosophisch ausgedrückt, was ihn antrieb: „Es war wohl zum Teil die ernste Stimmung, in welche mich Schopenhauer versetzt hatte und die nun nach einem ekstatischen Ausdrucke ihrer Grundzüge drängte, was mir die Konzeption eines „Tristan und Isolde“ eingab“, schrieb Wagner in seiner autobiographischen Skizze „Mein Leben“. Die dramatische Vorlage lieferte ein Dramenentwurf seines Bekannten Karl Ritter. Der allerdings ist verschollen: Wir wissen also nicht genau, auf was genau Wagner aufbaute, als er die 19.548 Strophen der mittelalterlichen Vorlage, die Gottfried von Straßburg gedichtet hatte, auf sein äußerst kompaktes Opernformat eindampfte. Ende 1856 jedoch war es dann soweit. Der Text stand und mit der musikalischen Konzeption wurde begonnen. Bis 1859 zog sich die Ausarbeitung des Werkes hin. Die Ungeduld des Komponisten war groß; er hoffte während der Arbeit sogar, noch 1858 sein jüngstes musiktheatralisches Kind auf den Bühnen in Straßburg oder Karlsruhe zu erblicken. Doch dazu kam es nicht; Karlsruhe hatte zwar mit Ludwig Schnorr von Carolsfeld den passenden Tristan, aber sah sich außerstande, eine Isolde aufzutreiben. So dauerte es bis zum 10. Juni 1865, bis in München die Uraufführung über die Bühne ging. Und auch diese war nur unter größten Mühen zustande gekommen. Vorausgegangen waren geradezu verzweifelte Versuche, „Tristan und Isolde“ in den Jahren 1861 – 63 an der Wiener Hofoper herauszubringen. Doch das Projekt scheiterte, vor allem weil der Tristandarsteller Alois Ander überfordert war, aber auch das Orchester mit der neuartigen Musiksprache erhebliche Schwierigkeiten hatte. Wagner verbesserte und strich, passte an und reduzierte: Am Ende stand die Erkenntnis, dass es so nicht gemacht werden kann. 71 Proben hatte es gegeben, bis Wien im April 1863 aufgab. Ein herber Rückschlag für Wagners Bemühungen, sich im Glanze eines neuen Werkes zu sonnen. Doch dann kam jener legendäre Maitag 1864: der junge BayernKönig Ludwig II. schickte eine Botschaft an den kurz vor der finanziellen Pleite stehenden Richard Wagner und sicherte ihm fast alles zu, was er zur Komposition dieses und anderer Werke brauchte. Wagner war gerettet; jetzt konnte der Tristan endlich sein Bühnenleben beginnen. Die Münchner Uraufführung war allerdings auch nicht der Triumph, den sich der Komponist erhofft hatte. Fast