Deutschlehrkräften auf den Mund geschaut (III)

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Deutschlehrkräften auf den Mund geschaut (I-III)
(aus den „Rundbriefen“ der Deutschen Auslandsgesellschaft für 2006, 2007 und 2008)
I. („Rundbrief für 2006“):
(7 Beispiele von Martin Herold)
Es handelt sich einfach um eine Auflistung von häufig beobachteten Formulierungen von
Deutschlehrkräften aus Nord- und Nordosteuropa, die Muttersprachler/-innen so nicht
verwenden würden. Seien Sie ehrlich: Hätten Sie alles „richtiger“ gewusst?
1.) „Wir treffen uns also um 19. Bis zum Abend!“
Es ist unter Deutschlehrkräften erstaunlich unbekannt, dass alle Zeitangaben ab der Zahl 13
für die Bestimmung der betreffenden Stunde unbedingt die „Uhr“ in der gesprochenen (und
auch der geschriebenen) Sprache benötigen. Außerdem ist „Bis zum Abend!“ nicht
idiomatisch.
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„richtiger“: „Wir treffen uns also um 19 Uhr. Bis heute Abend!“
Natürlich sind hier und an anderen Stellen auch noch weitere Ausdrucksweisen möglich.
2.) „Gestern waren wir mit Nina im Kino.“ [gemeint: insg. 2 Personen]
Anders als in einigen Sprachen muss es sich im Deutschen bei „wir mit“ um insgesamt
mindestens drei Personen handeln, d. h. also „wir [= von vornherein mindestens zwei] mit [=
plus] einer weiteren Person“.
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„richtiger“: „Gestern waren Nina und ich im Kino.“
3.) „Der Vortrag war ganz interessant“ [gemeint: wirklich interessant]
Die tatsächliche Bedeutung des Wortes „ganz“ (ironisch oder nicht ironisch) hängt sehr stark
von der Betonung eines Satzes oder Satzteils ab. Jeder Einzelfall ist anders, aber „sehr“ ist in
jedem Fall sehr viel sicherer.
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„gefahrloser“: „Der Vortrag war sehr interessant.“
4.) „Der Vorleser von gestern Nachmittag war sehr tüchtig.“
Diesen Satz hören wir in Lübeck während der Kurse so oder so ähnlich sehr häufig von
Deutschlehrkräften aus Skandinavien. Zunächst sollte hier „Vorleser“ durch „Referent“
ersetzt werden. Interessanter ist aber „tüchtig“, denn es handelt sich um ein Wort, das von
Deutschlehrkräften mit Muttersprache Dänisch, Norwegisch oder Schwedisch sehr viel
häufiger verwendet wird als von Deutschen. Letztere machen es sich viel einfacher und sagen
einfach: „gut“.
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„richtiger“: „Der Referent von gestern Nachmittag war sehr gut.“
5.) „Wie lange arbeiten die Geschäfte heute?“
So oder so ähnlich fragen häufig Deutschlehrkräfte aus den baltischen Staaten, egal welcher
Muttersprache. Das geht so nicht! Geschäfte haben geöffnet (oder nicht), Bankautomaten
funktionieren (oder nicht).
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„richtiger“: „Wie lange haben / sind die Geschäfte heute geöffnet?“
6.) „Moment, ich muss noch schnell ein Foto nehmen.“
Auf Englisch und in vielen anderen Sprachen entsprechend heißt es „to take a photo“, auf
Deutsch „macht“ man Fotos (sowie, sprachlich, auch noch vieles andere). „Ein Foto nehmen“
klingt sehr falsch.
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„richtiger“: „Moment, ich muss noch schnell ein Foto machen.“
7.) „Guten Abend!“ [als Verabschiedung nach einer Veranstaltung]
Je nach Uhrzeit und Situation kann man nach einer Abendveranstaltung zur Verabschiedung
entweder „N‘ [= Einen] schön(en) Abend noch!“ oder „Gute Nacht!“ sagen. Hier sind aber
auch viele andere Äußerungen wie „N‘ guten Heimweg!“, „Machen Sie’s gut!“ usw. denkbar.
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„richtiger“: „N‘ schön(en) Abend noch!“
II. („Rundbrief für 2007“):
(7 Beispiele von Martin Herold)
1.)
„Um an diesem anspruchsvollen Projekt teilnehmen zu können, muss man vorher
einen Konkurs machen.“
Auf Deutsch bedeutet „Konkurs machen“ in etwa das Gleiche wie „Pleite gehen“. Eine Firma
kann Konkurs machen. Der Gebrauch von „Konkurs“ im Sinne von Wettbewerb (französisch:
concours) ist nicht möglich.
„richtiger“:
2.)
„Um an diesem anspruchsvollen Projekt teilnehmen zu können, muss man
vorher einen Wettbewerb bestehen / bei einem Wettbewerb mitmachen.“
„Es tut mir leid, dass Sie meine Ausmeldung aus dem Kurs nicht erhalten hatten.“
Es heißt „abmelden“. „Ausmelden“ oder „Ausmeldung“ ist zwar falsch, aber es ist doch
verständlich und klingt irgendwie logisch bis lustig. Generell ist auch bei ähnlichen
„Präfix+Verb-Konstruktionen“ Vorsicht angebracht, wenn man sicher sein will, das richtige
Wort zu benutzen. Das gegenseitige Verstehen ist hier allerdings eher selten gefährdet.
„richtiger“:
3.)
„Es tut mir leid, dass Sie meine Abmeldung vom Kurs nicht erhalten hatten.“
„Wir sind am späten Nachmittag angekommen und dann gab es in der Gastfamilie ein
sehr leckeres Mittagessen.“
Ein deutsches Mittagessen findet immer mittags statt, und zwar in etwa in der Zeit zwischen
11.30 Uhr und 14.30 Uhr. Wenn man abends eine volle warme Mahlzeit einnimmt, kann man
von einem „warmen Abendessen“ sprechen. Wenn man mittags nur wenig isst, kann man z.
B. sagen: „Zum Mittag(essen) hatte ich / gab es bei mir nur einen Apfel.“
„richtiger“:
4.)
„Wir sind am späten Nachmittag angekommen und dann gab es in der
Gastfamilie ein sehr leckeres warmes Abendessen.“
„Ich habe München schon vielmals besucht.“
Der Satz ist problemlos verständlich, aber auf Deutsch sagt man, dass man in einer Stadt oder
auch in einem Land „war“. „Vielmals“ geht, „oft“ benutzt man in der Standardsprache aber
häufiger. Man besucht z. B. ein Museum, eine alte Tante oder seine Eltern bzw. Kinder: „Am
Wochenende waren wir bei unseren Kindern und Enkeln zu Besuch.“
„richtiger“:
5.)
„Ich bin schon oft in München gewesen.“
„Mein Sohn ist sehr kreativ. Er möchte Artist werden.“
Hier ist „Künstler“ (englisch artist) gemeint. Auf Deutsch bezeichnet das Wort „Artist“ einen
Zirkuskünstler. Bei modernen Extremsportarten sind „artistische Showeinlagen“ häufig sehr
beliebt. Es handelt sich hier um einen der klassischen falschen Freunde / false friends
zwischen Englisch und Deutsch (andere Beispiele: Gift - gift [=Geschenk], winken - to wink
[= blinzeln], sensibel - sensible [= vernünftig]).
„richtiger“:
6.)
„Mein Sohn ist sehr kreativ. Er möchte Künstler werden.“
„Ich habe drei Jahre Französisch studiert, aber ich kann es leider überhaupt nicht
sprechen.“
Der Satz bedeutet, dass der Sprecher an der Universität drei Jahre lang Französisch als Hauptoder Nebenfach belegt hat. Der Sprecher meint hier aber sicherlich, dass er, z. B. in der
eigenen Schulzeit oder auf einem Sprachkurs, Französisch gelernt hat. Auch wenn man an
einer Universität z. B. Jura studiert und nebenher dort noch einen Russischkurs belegt, so
studiert man dann kein Russisch, sondern man lernt es.
„richtiger“:
7.)
„Ich habe drei Jahre Französisch gelernt, aber ich kann es leider überhaupt
nicht sprechen.“
„Er ist mit einer schwedischen Frau verheiratet.“
Der Satz ist richtig und klar verständlich, in dieser Form aber unüblich, da man genau das
Gleiche auch knapper sagen kann. Es gibt Finninnen und Finnen, Lettinnen und Letten usw.,
nur die Deutschen selbst sind (sprachlich) anders: Im Singular kann man zwischen der
Deutschen und dem Deutschen unterscheiden, im Plural lässt sich der kleine Unterschied aber
nur durch z. B. „Frauen und Männer aus Deutschland“ ausdrücken.
„richtiger“:
„Er ist mit einer Schwedin verheiratet.“
III. („Rundbrief für 2008“):
(10 Beispiele von Martin Herold)
1.)
„Die Führung hat mir gut gefallen. Unser Stadtführer war wirklich ein schöner Mann.“
Gemeint ist: „Unser Stadtführer hat das wirklich sehr gut gemacht“ / „Er war wirklich sehr
gut“. Unter einem schönen Mann (oder einer schönen Frau) versteht man ausschließlich eine
sehr gut aussehende Person. „Es war ein schöner Ausflug“, kann man sagen oder: „Es war
heute wirklich schön.“ Wenn man auf der sicheren Seite sein will, sollte man schön adverbial
verwenden.
2.)
„Bei mir läuft es gut. Morgen soll ich ins Reisebüro gehen und meine Flugtickets
abholen. Danach gehe ich dann mit meiner Freundin ins Kino.“
Gemeint ist (oft) schlicht und ergreifend: „Morgen werde ich ins Reisebüro gehen.“ Das
Modalverb sollen beinhaltet im Regelfall eine (oft unangenehme) Verpflichtung oder eine
Aufforderung einer anderen Person etwas zu tun. „Morgens und abends soll man sich immer
die Zähne putzen“, aber: „Morgen werde ich mich mit meiner Schwester in der Stadt zum
Kaffee treffen.“
3.)
„Die erste Mondlandung war in 1969.“
Es handelt sich um einen auch bei Deutschen leider beliebten Anglizismus: „Die erste
Mondlandung war 1969.“ So einfach!
4.)
„Zu Martin Luther kann ich nicht so viel sagen, denn ich bin Katholiker
(Katholikerin).“
Mit Verlaub: So klingt es, als ob es sich um eine Krankheit handele - und so ist es wohl
ziemlich sicher nicht gemeint! Es gibt einen Anklang in Richtung Alkoholiker/-in. Also: „Ich
bin Katholik/-in.“ [erstes I lang gesprochen!] Oder: „Ich bin katholisch.“ Für die andere große
Konfession in Deutschland gibt es die folgenden Möglichkeiten: „Ich bin evangelisch.“ / „Du
bist Protestant/-in.“ / „Er/Sie ist Lutheraner/-in.“ (letztere seltener)
5.)
„Ich bin allergisch und muss daher keinen Fisch essen.“
Gemeint ist: „Ich darf keinen Fisch essen.“ Etwas nicht tun müssen ist gleichbedeutend mit
etwas nicht zu tun brauchen. Etwas nicht dürfen bedeutet: „auf keinen Fall!“. Englisch must not
entspricht deutsch nicht dürfen. Deutsch nicht müssen entspricht englisch need not.
6.)
„Ich habe mir neue Kleider gekauft.“ [… sagt ein Mann]
Besser heißt es: „Ich habe mir neue Kleidung gekauft.“ Umgangssprachlich sagt man (auch
unter „gebildeten“ Leuten) auch häufig: „Ich habe mir neue Klamotten gekauft.“ Im heutigen
Deutschland und im heutigen Deutsch bezeichnet das Wort Kleid ausschließlich ein
Kleidungsstück für die Frau. Sehr männlich gesagt handelt es sich sozusagen um den Anzug
für die Frau. Früher bezeichnete Kleider allerdings durchaus das, was wir heute unter dem
Oberbegriff Kleidung fassen, zum Beispiel im Märchen Des Kaisers neue Kleider, aber eben
nur früher.
7.)
„Wie viele Kursisten gibt es bei dem Kurs?“
Falsch! Richtig: „Wie viele Kursteilnehmer/-innen gibt es?“
8.)
„Ich möchte gerne Mitgliedin bei Ihnen werden.“
Falsch! Richtig, egal ob von einer Frau oder einem Mann gesagt: „Ich möchte gerne Mitglied
bei Ihnen werden.“ Das Mitglied, die Lehrkraft oder die Person stehen, eher Seltenheiten im
Deutschen, für sowohl Männer als auch Frauen. Ansonsten ist es vielen Deutschen (zu den
Deutschen und ihrem Geschlecht siehe Seite 26!) weiterhin sehr wichtig, einen Unterschied
zwischen Ärztinnen und Ärzten, Schülerinnen und Schülern, Kaufmännern und Kauffrauen
usw. zu machen. Mittlerweile gibt es viele mehr oder weniger etablierte Schreibweisen, u. a.
das „Binnen-I“ wie in FreundInnen oder FinnInnen [in der gesprochenen Sprache mitunter
durch eine Sprechpause markiert], aber meiner vorsichtigen Beobachtung nach verliert die
Thematik zunehmend an Brisanz. Insbesondere jüngere Frauen sagen heutzutage schon auch
(wieder): „An meiner Schule gibt es 43 Lehrer.“ Und sie meinen damit nicht nur die (seltener
werdenden) männlichen Exemplare.
9.)
„Im Sommer war ich für vier Wochen in Deutschland.“
Besser: „Im Sommer war ich vier Wochen (lang) in Deutschland.“ Man versteht, was gemeint
ist, aber besser ist es mit der von Ausländer/-innen aus irgendwelchen Gründen gemiedenen
Postposition lang oder auch ganz ohne Prä-/Postposition.
10.)
„Die vielen alten Kirchen, die in Lübeck stehen, die sind wirklich sehr schöne.“
Besser / Richtig: „Die vielen alten Kirchen, die in Lübeck stehen, sind wirklich sehr schön.“
Theoretisch wissen alle, dass das Adjektiv hier nicht in den Plural gesetzt wird, aber in der
Praxis … . Auf das zweite „…, die …“ verzichtet man am besten ganz. Und wenn schon,
dann wäre sie hier besser als die.
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