Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay.....1 Evaluation der Wirkung von Theraplay am Beispiel der sozialen Interaktionsstörungen von Klein- und Vorschulkindern Evaluating the Effectiveness of Theraplay for Example on Social Interaction Disorders of Infants and Toddlers Herbert H. G. Wettig1, Ulrike Franke2 und Helga Brand3 1 Theraplay Institut, Leonberg 2 Phoniatrisch Pädaudiologisches Zentrum, Heidelberg 3 Psychologisch Psychotherapeutische Praxis, Wiesloch Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 2 Abstrakt THERAPLAY ist eine interaktive, von der Therapeutin geführte Kurzzeit-Spieltherapie. Sie wurde in den USA für Klein-, Vorschul-, Schulkinder, Jugendliche, Erwachsene und Ältere mit sozialen Interaktions-, Kommunikations- und Beziehungsstörungen entwickelt. Sie integriert im interaktiven Spiel dynamische Elemente einer ‚gesunden Mutter-Kind Beziehung’ wie Strukturierung, Herausforderung, Stimulation, Fürsorglichkeit und Zuneigung. Das Therapieziel ist die Verbesserung des sozialen Interaktionsverhaltens, in dieser Studie die Verbesserung der sozialen Interaktion von Klein- und Vorschulkindern zur Vorbereitung auf eine nachfolgende logopädische Behandlung. 1998–2003 wurde im Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum in Heidelberg eine kontrollierte Längsschnittstudie zur Evaluation der Wirkung von Theraplay durchgeführt. Die akkumulierte Stichprobe umfasst 60 klinisch auffällige Klein- und Vorschulkinder mit diagnostizierter Koinzidenz von Kommunikations- und Verhaltensstörungen. Alle wurden mit Theraplay behandelt. In einer Folgestudie wurden bisher 29 der 60 Kinder zwei Jahre nach Ende der Therapie auf Nachhaltigkeit der Wirkung von Theraplay untersucht. In diesem Artikel werden die Ergebnisse jener 14 der 60 Klein- und Vorschulkinder berichtet, die neben ihren sprachlichen Kommunikationsstörungen eine auffällige Beeinträchtigung in der sozialen Interaktion durch einen klinisch bedeutsamen Mangel an sozialer Gegenseitigkeit zeigten. Der Ausprägungsgrad der Symptome wurde vor Beginn der Therapie mit dem einer in Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollstichprobe von 30 klinisch unauffälligen Kindern und die Veränderung der Symptome nach der Behandlung mit Theraplay mit deren Ausprägungsgrad vor Beginn der Therapie verglichen. Die relevanten Symptome waren nach der Behandlung mit Theraplay klinisch und statistisch signifikant verringert. Es waren durchschnittlich 27 Sitzungen einmal wöchentlich mit einer Dauer von 30 Minuten notwendig, um das Therapieziel zu erreichen. Schlüsselwörter: Autismus, Kommunikationsstörungen, Sprachstörungen, Störungen der sozialen Interaktion, Verhaltensstörungen, Kurzzeittherapie, Längsschnittuntersuchung, Therapieerfolgskontrolle, Theraplay Spieltherapie, Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 3 Abstract THERAPLAY is an interactive short-term play therapy, led by the therapist. It was developed in the USA to help infants, toddlers, school-age children, adolescents, adults and seniors who suffer from attachment, communication, and social interaction disorders. It incorporates the dynamics of a ‘healthy mother-child relationship’ such as structuring, challenging, stimulating, nurturing, and attachment using interactive play. The therapeutic objective is to improve the social interaction ability and, in this study, to prepare infants and toddlers for a subsequent language therapy. 1998-2003 a controlled, longitudinal study was executed at the Phoniatric Pädaudiologic Center in Heidelberg to evaluate the effectiveness of Theraplay. The accumulated sample includes 60 clinically conspicuous infants and toddlers diagnosed as having both communication and behavior disorders. All were treated with Theraplay. In a follow-up study 29 of the 60 children were evaluated up to now to measure the lasting effects of Theraplay two years after discharge from individual treatment. This article reports the results of a selected sample of 14 of the 60 treated children who manifested apart from their communication disorders an impairment in social interaction by a clinically significant lack of social mutuality. When therapy began each child was markedly impaired. The Symptoms are compared with those of a control sample of 30 clinically unobtrusive children, matched for sex and age, and change of social interaction after treating the children with Theraplay is compared with the markedly impaired symptoms before treatment. After treatment with Theraplay the target symptoms were both clinically and statistically significant reduced. About 27 30-minute sessions were needed to achieve the desired therapeutic outcome. Keywords: Autism, behavior disorders, communication disorders, language disorders, social interaction disorders, play therapy, short-term therapy, longitudinal study, treatment effectiveness evaluation, Theraplay Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 4 EINLEITUNG Im Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum in Heidelberg werden Klein- und Vorschulkinder mit einer ernsten Beeinträchtigung ihres sozialen Interaktionsverhaltens mit Theraplay behandelt. Eigentlich werden diese Kinder dem Facharzt (Phoniater, HNO-Arzt) zur Abklärung ihrer Sprachentwicklungsstörungen vorgestellt. Manche von ihnen leiden jedoch nicht nur unter sprachlichen Kommunikationsstörungen, sondern zugleich unter mangelnder sozialer Gegenseitigkeit in der sozialen Interaktion. Wenn ihre Fähigkeit zu angemessener interpersonaler Kommunikation mit der Therapeutin so gering ist, dass die notwendige logopädische Behandlung nur mit Schwierigkeiten und mit einer wesentlich verlängerten Therapiedauer durchgeführt werden könnte, dann wird die Therapie mit einer Vorbehandlung mit Theraplay begonnen, um sie für die nachfolgende Logopädie ihrer Sprachstörungen zugänglich zu machen. Was ist Theraplay? Theraplay ist eine Mitte der 1960er Jahre in den USA von Ann M. Jernberg (1979, deutsch 1987) im Rahmen des Head Start Project entwickelte interaktive, von der Therapeutin geführte Kurzzeit-Spieltherapie für Klein-, Vorschul-, Schulkinder, Jugendliche, Erwachsene und Ältere mit sozialen Interaktions-, Kommunikations- und Beziehungsstörungen. Im Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum in Heidelberg wird Theraplay Kindern mit starken Beeinträchtigungen ihres sozialen Interaktionsverhaltens verordnet, um sie durch positive emotionale Interaktion aus ihrer Selbstbezogenheit zu lösen und für die Logopädie zugänglich zu machen (Franke, 1998). Theraplay ist unter Wz. 39518465 und Wz. 39518466 rechtlich geschützt. Anwendungsgebiete: Die Skala der in der Praxis erfolgreichen Intervention mit Theraplay ist breit und reicht von der Therapie bei Bindungsstörungen, z.B. bei Pflege-, Adoptiv- und traumatisierten Kindern, über Aufmerksamkeitsstörungen, Verhaltensstörungen, oppositioneller Verweigerung, Aggressivität, soziale Ängste, mangelnde soziale Gegenseitigkeit, Scheu und Schüchternheit in der sozialen Interaktion, bis zur interpersonalen Kommunikation bei tiefgreifenden Entwicklungs- und rezeptiven Sprachstörungen. (Kontraindikationen siehe in Jernberg, 1979, S. 26-32). Therapieziele: Primäres Ziel der Anwendung von Theraplay ist die Verbesserung des sozialen Interaktionsverhaltens von Klein-, Vorschul- und Schulkindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Älteren, auch als Vorbereitung auf eine nachfolgende Behandlung von Kommunikationsstörungen (Franke, 1999). Allgemein gesprochen sind die Therapieziele von den pathologiebedingten Bedürfnissen des Patienten abhängig. Bei Kindern mit mangelnder sozialer Gegenseitigkeit ist das Ziel, im Kind die Selbstachtung, das Selbstvertrauen und das Vertrauen in Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 5 seine Selbstwirksamkeit zu stärken und seine soziale Kompetenz, seine Bereitschaft, mit anderen zu interagieren, zu steigern (Franke, 1999; Jernberg, 1979). Intervention: Theraplay liegen therapeutische Prinzipien zu Grunde, wie sie auch für die elterlichen Bemühungen um eine gesunde Entwicklung ihres Kindes relevant sind, nämlich Strukturierung, Herausforderung, Stimulation und Fürsorglichkeit (Jernberg, 1979; Jernberg & Booth, 1999, p.xxi). In einer guten Eltern-Kind-Beziehung strukturieren Eltern den Alltag ihres Kindes, setzen Grenzen und vermitteln durch klare Regeln ein Gefühl der Sicherheit. Bei Theraplay werden ebenso klare Regeln vermittelt und Handlungen eindeutig strukturiert (Jernberg & Booth, 1999, 17). Eltern und Theraplay Therapeutinnen (Jernberg, 1987, 36) bieten dem Kind spielerisch Herausforderungen an, damit es sein Selbstwertgefühl und sein Gefühl der Kompetenz und Selbstwirksamkeit steigern kann und lernt, Neues zu integrieren. In der dyadischen Interaktion zwischen Elternteil bzw. Therapeutin und Kind dient je nach Situation sanfte, fröhliche oder fordernde Eindringlichkeit dazu, die Aufmerksamkeit des Kindes auf sie zu richten. Mit Blickkontakt, körperlicher Nähe, fürsorglichem Verhalten, Berühren und Schmusen fördern Eltern und Therapeutinnen das Bindungsverhalten. Solche Aktivitäten vermitteln dem Kind emotional, dass es akzeptiert ist, dass es sich geborgen und sicher fühlen kann. „As a result the child learns to communicate, share intimacy, and enjoy interpersonal contact“ (Jernberg & Booth, 1999, 18). Interaktive Spieltherapie: Die bekannten und bewährten Formen der Spieltherapie, die nondirektive nach Virginia M. Axline (1947), die psychoanalytische nach Anna Freud (1972) oder die personenzentrierte Spieltherapie nach Herbert Goetze (2002) setzen Puppen und Spielzeug als Medium ein. Theraplay ist eine interaktive Spieltherapie ohne Spielzeug. Bei Theraplay sind das Kind und die Therapeut/in die ‚Spielobjekte’ (Jernberg, 1987, 22). Soziale Interaktion und interpersonale Kommunikation werden zum wichtigsten Medium. (Mehr Informationen über Theraplay in Franke, 1990, 1998, 1999, 2002; Jernberg, 1979, deutsch: 1987; Jernberg & Booth, 1999; Ritterfeld, 1989). Art der Spiele: Das Kind und die Therapeutin spielen miteinander. (Jernberg, 1987, 22). Die Wahl der therapeutischen Spiele richtet sich primär nach den psychischen Bedürfnissen des Kindes, nach dessen Stimmungen, seinem Entwicklungsalter (nicht nach dessen Lebensalter) und nach dem dyadischem Verhalten in der Eltern-Kind-Interaktion (Interaktionsdiagnostik: H-MIM, Ritterfeld & Franke, 1994). Setting: Theraplay wird in einem Therapieraum mit wenig Ablenkung ausgeübt. Auf einer Matte sitzt die Ko-Therapeutin und hält das Kind warm und sicher in ihrem Schoß. Die Theraplay Therapeutin sitzt oder kniet vor dem Kind und leitet eindringlich das therapeutische Spielen. Einige Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 6 Materialien wie Seifenblasen, Watte, Fingerfarben, Creme und Essbares unterstützen die strukturierenden, herausfordernden, stimulierenden oder fürsorglichen spielerischen Aktivitäten. Rolle der Therapeutin: Der Verlauf des Spielens wird von der Therapeutin bestimmt, die sich an den psychischen Bedürfnissen des Kindes orientiert und nicht an seinen Wünschen. Sie ist für die Intervention verantwortlich und bemüht, durch Klarheit, Kongruenz und Fürsorglichkeit das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Sie sucht den Blickkontakt, nutzt jede Gelegenheit zu warmer, liebevoller, körpernaher Zuneigung, fördert die Aufmerksamkeit, beugt entstehendem Widerstand vor oder lenkt bestehenden um. Sie ist geübt, die Signale zu verstehen, was das Kind braucht. Kurzzeit-Spieltherapie: Die Praxiserfahrungen zeigen, dass die Therapiedauer in Abhängigkeit von den jeweiligen Störungsbildern und deren Ausprägungsgrad unterschiedlich lang ist. Über alle Störungsbilder hinweg waren bisher durchschnittlich 18-20 Sitzungen notwendig, um das Therapieziel zu erreichen. Jede Sitzung dauerte 30 Minuten ohne Vor- und Nachbereitung. Theoretischer Hintergrund von Theraplay Die therapeutischen Ziele und das eklektische Vorgehen bei der Entwicklung von Theraplay werden durch eine Reihe theoretischer Begründungen gestützt (Ann M. Jernberg, 1979). Modell der guten Mutter-Kind-Beziehung: Das zentrale Wirkungskriterium von Theraplay ist das, was Jernberg als ‚gesunde Mutter-Kleinkind-Beziehung’ beschreibt (Jernberg, 1979, deutsch 1987; Jernberg & Booth, 1999, 33). In der frühen Entwicklung des Kindes werden von einer guten, für die Bedürfnisse ihres Kindes sensiblen, aufmerksam reagierenden Mutter (’good enough mother’, Winnicott, 1958) strukturierende, herausfordernde, engagierende, eindringliche und fürsorgliche Verhaltensweisen – meistens unbewusst – ausgeübt. Diese unbefangenen, natürlichen Interaktionen zwischen Mutter und Kind werden mit Theraplay imitiert. Veränderbarkeit des neuronalen Netzwerks: Erkenntnisse der neurobiologischen Forschung der letzten Jahrzehnte können die Wirkung von Theraplay erklären. Die Plastizität des Gehirns ist wissenschaftlich belegt, z.B. die interaktionsabhängige positive oder negative Prägung des orbito-frontalen Kortex der rechten (emotionalen) Hemisphäre (Damasio, 1979) und die domänenspezifische Amnesie für das soziale Wissen und Verstehen (Damasio & Tranel, 1988). Schore (1994) formulierte vier Grundsätze des Wachstums des sich entwickelnden Gehirns: 1) Das Wachstum des Gehirns ereignet sich in kritischen, d.h. entscheidenden Zeiträumen und wird von der sozialen Umwelt beeinflusst. 2) Das kindliche Gehirn entwickelt sich in Stadien und wird hierarchisch organisiert. Frühere emotionale Erfahrungen werden durch neue verändert. 3) Die genetischen Systeme, die die Entwicklung des Gehirns programmieren, werden von der postnatalen sozialen Umwelt aktiviert und beeinflusst. 4) Die soziale Umwelt ändert sich im Verlauf der Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 7 Stadien der frühen Kindheit und führt zu einer Reorganisation der Strukturen des Gehirns. (siehe auch Schore, 1994, 2003; Hughes, 1998; Siegel, 1999; Spitzer, 2002). Die Forschungsergebnisse erklären, welche Bedeutung die primäre Bezugsperson, meistens die Mutter und deren Verhalten für die psychische Entwicklung ihres Kindes hat und weshalb eine die gesunde Mutter-Kind Beziehung imitierende Therapeutin mit Theraplay das interpersonale Erleben und interaktive Verhalten eines ursprünglich verhaltensgestörten Kindes zu ändern vermag. Bindung: Erklärungen zur Wirkung von Bindung bieten die Bindungstheorie (vgl. Bowlby, 1988; Holmes, 1996; Karen, 1994; Stern, 1995, alle zit. in Schaefer, 2003) und Forschungsergebnisse zur Bedeutung von sicheren und unsicheren Bindungsmustern in unterschiedlichen Kulturen (van Ijzendoorn & Sagi, 1999, zit. in Schaefer, 2003) sowie Studien zum Einfluss früher Bindungsbeziehungen auf das spätere Leben (vgl. Goldberg, 2000; Rutter, 1994; Waters, Weinfield & Hamilton, 2000; Ziegenhain & Jacobsen, 1999, zit. in Schaefer, 2003). Es wird angenommen, dass die frühkindliche Beziehung zwischen einem Kind und seiner Bezugsperson gewissermaßen die Schablone für spätere zwischenmenschliche Beziehungen schafft. Wenn ein Kind kein Vertrauen in eine sichere Bindung haben kann, dann können alle anderen Beziehungen misslingen und Auslöser für emotionale Schwierigkeiten des heranwachsenden Kindes werden. Theraplay versucht, auf diese früheste Beziehung zurückzukehren und eine mental gesundere zu formen (Munns in Schaefer, 2003, 157). Mit Theraplay werden diese Mutter-KindVerhaltensweisen repliziert. In späteren Phasen der Therapie wechseln die regressiven Spielanteile zu mehr altersadäquaten Aktivitäten. Berührung: Berühren ist charakteristisch für Theraplay. Ann Jernberg hat Hunderte von Eltern-Kind-Beziehung hinsichtlich der Verhaltensmuster beobachtet und analysiert, dass gegenseitiges Berühren in normalen, gesunden Eltern-Kind-Interaktionen fundamental und essentiell für die Entwicklung der Beziehung ist. Deshalb betont sie physischen Kontakt in Theraplay. Ihre Beobachtungen werden durch Forschungsergebnisse, insbesondere von Field (1995, 2000) unterstützt. Fields Studien zu Touch haben die Effekte von Berührung in der Entwicklung der Kleinkinder bestätigt, z.B. die signifikante Zunahme des Körpergewichts und der sensomotorischen Entwicklung. Spielen: Spielen ist ein anderer Einflussfaktor, der zur Entwicklung des frühkindlichen Gehirns beiträgt, das neuronale Netzwerk zu verändern bzw. emotional positiv zu erweitern. Die theoretischen Positionen von Ann Jernberg (1979) und viele der von ihr eingeführten therapeutischen Spieltechniken gehen auf Austin DesLauriers (1962) und seine Behandlung des Interaktionsverhaltens von z.B. autistischen Kindern zurück. Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 8 Sinn einer wirksamen Kurzzeittherapie Für Therapeut/innen kann ein Kind mit mangelnder Gegenseitigkeit in der therapeutischen Interaktion zum Problem werden. Für eine effektive Therapie sind Bereitschaft und Fähigkeit zur sozialen Interaktion unverzichtbar. Die Suche nach einer effektiven Kurzzeittherapie zur Behandlung von Störungen der sozialen Interaktion im Kleinkind- und Vorschulalter hat Sinn, denn in Deutschland ist der Anteil der sonderpädagogisch förderungsbedürftigen Kinder innerhalb von 10 Jahren (1993-2002) um über 15% gestiegen (Sekretariat der Ständigen Kultusministerkonferenz, 2003), obwohl die Zahl lebend geborenen Kinder in etwa dem gleichen Zeitraum (1992-2001) um über 9% gesunken ist (Statistisches Bundesamt, 2003). Förderungsbedürftige Kinder bedürfen ständiger Betreuung und brauchen Sonderkindergärten und -schulen oder Integrationskindergärten und -schulklassen mit zusätzlichen Sonderpädagogen sowie später als Jugendliche und Erwachsene u.U. Heime und besondere Einrichtungen. In dieser Situation wäre es vorteilhaft, wenn solche Kinder, die ohne Verbesserung ihres Interaktionsverhaltens nur schwer in Kindergärten und Schulen, später in Ausbildung und berufliche Entwicklung zu integrieren wären, frühzeitig diagnostiziert und wirksam behandelt werden könnten. Ein Mangel an sozialer Gegenseitigkeit in der Interaktion gehört zu jenen Symptomen, die durch frühzeitige und effektive Therapie verringert werden können, wodurch sich die Chancen zur Integration verbessern und sich die Kosten für sonderpädagogische Fördermaßnahmen vermutlich senken ließen. Rutter & Hersov (1994) haben für die Behandlung solcher Kinder folgende Ziele vorgeschlagen: 1) Abbau von Verhaltensmustern, die das Lernen erschweren, 2) Förderung der sozialen und kommunikativen Fertigkeiten, 3) Steigerung des Lern- und Problemlösungsverhaltens, 4) Zugang zu normalen Lebenserfahrungen und 5) Unterstützung der Familien beim Aufbau von Coping Strategien. Theraplay scheint ein geeignetes Therapieverfahren für eine frühzeitige, effektive und kostensenkende Behandlung, z.B. der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit in der sozialen Interaktion zu sein. Es bedarf jedoch einer wissenschaftlich zuverlässigen Absicherung der therapeutischen Wirkung und des ökonomischen Potentials von Theraplay. Die Ergebnisse dieser Längsschnittstudie sind ein erster Schritt zur Evaluation der Wirkung von Theraplay. FRAGESTELLUNGEN Die nachfolgenden Fragestellungen beziehen sich nur auf die Evaluation der Wirkung von Theraplay bei einer selektierten Stichprobe jener Kinder mit mangelnder sozialer Gegenseitigkeit in der interpersonalen Interaktion, nicht auf Kinder mit anderen Symptomen und Störungsbildern und nicht auf andere Themen, die untersucht wurden. Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 9 1) Wie stark ausgeprägt ist mangelnde soziale Gegenseitigkeit in der Interaktion klinisch auffälliger Kinder im Vergleich mit dem Interaktionsverhalten einer in Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollstichprobe klinisch unauffälliger Kinder? 2) Wie stark ausgeprägt sind begleitende Symptome der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit bei klinisch verhaltensauffälligen Kindern im Vergleich mit den klinisch unauffälligen der Kontrollstichprobe? 3) Wird durch die Behandlung mit Theraplay die Ausprägung der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit verringert und wenn, in welchem Ausmaß? 4) Werden durch die Behandlung mit Theraplay die begleitenden Symptome der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit verringert und wenn, in welchem Ausmaß? 5) Ist die Veränderung des Mangels an sozialer Gegenseitigkeit und der begleitenden Symptome klinisch relevant und statistisch signifikant? 6) Wie viele Therapiesitzungen waren notwendig, um diese Wirkung zu erreichen? 7) Ist die durch Theraplay erreichte Verbesserung der sozialen Gegenseitigkeit in der Interaktion zwei Jahre nach Ende der Therapie nachhaltig aufrecht erhalten oder gab es Rückfälle? METHODEN Therapieziel: Seit rund 20 Jahren wird Theraplay im Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum verordnet. Theraplay soll Kindern mit Kommunikationsstörungen und gleichzeitiger Beeinträchtigung der sozialen Interaktion helfen, sie für die logopädischen Therapie zugänglich zu machen. Dies geschieht einerseits durch Abbau der Verhaltensprobleme, andererseits durch Stärkung des Selbstbildes, der Eigen- und Fremdwahrnehmung und der Aufmerksamkeit. Die Praxis hat gezeigt, dass Theraplay in vielen Fällen Kindern mit Koinzidenz von Kommunikationsund Verhaltensstörungen geholfen hat. Untersuchungsziel: 1997 wurde beschlossen, die Wirkung von Theraplay in einer Längsschnitt- und einer Folgestudie zwei Jahre nach der individuellen Beendigung der Therapie zu evaluieren. Die Längsschnittstudie wurde 1998-2003 im Einzugsbereich von Heidelberg durchgeführt. Da eine regional begrenzte Erhebung jedoch keine Generalisierung der Ergebnisse erlaubt, wird ergänzend seit 2000 in Deutschland und Österreich eine breit angelegte Multi-ZentrenStudie durchgeführt, deren vorläufige Ergebnisse die der Längsschnittstudie zu bestätigen scheinen. Untersuchungsansatz: Die Längsschnittstudie ist eine Feldstudie mit Beobachtungen und Erhebungen im realen therapeutischen Setting. Der Ausprägungsgrad der Symptome der klinisch Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 10 verhaltensauffälligen Kinder wurde vor Beginn der Therapie mit dem einer in Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollstichprobe klinisch unauffälliger Kinder und die Veränderung der Symptome nach Behandlung mit Theraplay mit dem Ausprägungsgrad vor Beginn der Therapie verglichen. Die Nachhaltigkeit der Behandlung mit Theraplay wird in einer Folgestudie zwei Jahre nach der individuellen Beendigung der Therapie untersucht. Stichproben: Die Bruttostichprobe bestand aus 68 Kindern, die von Kinderärzten wegen Sprachentwicklungsstörungen an das Phoniatrisch Pädaudiologische Zentrum in Heidelberg überwiesen wurden. Da sie zugleich ernste Verhaltensstörungen zeigten, wurde zunächst eine Behandlung mit Theraplay durchgeführt, um sie auf die nachfolgende Logopädie vorzubereiten. In 8 Fällen erfolgte keine Behandlung, weil die Eltern aus Unzufriedenheit über die Dauer der Wartezeit ihre Zustimmung vor Therapiebeginn zurückgezogen haben. Die verbleibende Nettostichprobe von N=60 klinisch auffälligen Kindern setzt sich aus 43 Jungen und 17 Mädchen zusammen (männlich-weiblich Relation 2,5:1). Das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt, als sie dem Phoniater zur Diagnostik vorgestellt wurden, betrug bei Jungen 4 Jahre und fast 4 Monate (M=4;3.9, s=1.2) und bei Mädchen sehr ähnlich 4 Jahre und 3.8 Monate (M=4;3.8, s=1.5). Von diesen 60 Kindern wurde bei N=14 (12 Jungen und 2 Mädchen) ein leicht, deutlich oder stark ausgeprägter Mangel an sozialer Gegenseitigkeit diagnostiziert. Die Existenz und Schwere der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit und der begleitenden Symptome wurden mit CASCAP-D, der deutschen Version der Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathologie (Doepfner et al., 1999) erhoben. Die Reliabilität der erhobenen Daten wurde überprüft, indem die Stichprobe nach Zufall in zwei Sub-Stichproben geteilt und mögliche Unterschiede zwischen diesen mit t-Test überprüft wurden. Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Anamnese des vermuteten Störungsbildes, im Alter und im Geschlechts (t=0.3693, df=12, Prob.>|T| 0.7184). In einer Folgestudie 2 Jahre nach Abschluss der jeweiligen Behandlung mit Theraplay wurden die Kinder erneut untersucht. 36 der 60 mit Theraplay behandelten Kinder hatten bis Ende 2003 das 2-Jahres-Intervall abgeschlossen. 7 der 36 Familien waren jedoch nicht mehr zu befragen (dropouts). Bei einem Jungen war inzwischen eine unheilbare Erkrankung diagnostiziert worden. In zwei Fällen lehnten die Mütter eine erneute Befragung ab. In den übrigen vier Fällen waren die Familien zwischenzeitlich unbekannt verzogen. Neun der 14 konnten bis Ende 2003 in der Folgestudie erneut untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Folgestudie werden berichtet. Das durchschnittliche Alter der 14 Kinder mit mangelnder sozialer Gegenseitigkeit betrug beim Erstkontakt 3 Jahre und 11 Monate (M=3;11, s=2;3). Die 12 Jungen wurden dem Facharzt durchschnittlich etwas jünger (M=3;10, s=2;3) als die Mädchen (M=4;6. s=2;6) vorgestellt. Alle 14 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 11 Mütter waren verheiratet. 13 der Kinder wurden von Mutter und Vater gemeinsam erzogen, 1 nur von der Mutter. 12 der Kinder sind ehelich und 1 unehelich geboren. Eines der 14 Kinder ist ein Adoptivkind. 12 der 14 Kinder wurden in Deutschland geboren, 2 in anderen Ländern. In 13 Fällen ist Deutsch die Muttersprache. Ein Kind wird bilingual in Deutsch und Türkisch erzogen. 9 der 14 Kinder besuchen einen Kindergarten. Alle 14 Kinder wurden von ihrem Kinderarzt wegen vermuteter Sprachentwicklungsprobleme an den Facharzt (Phoniater) überwiesen, bei 11 von ihnen wurden zugleich vom Kinderarzt bereits Verhaltensauffälligkeiten angenommen. In allen 14 Fällen waren die Bezugspersonen über die Beeinträchtigung ihres Kindes eher mehr als weniger, in 9 Fällen sehr beunruhigt. Auf einer empirisch begründeten 6-stufigen Intervallskala, auf der 1=nicht beunruhigt und 6=sehr beunruhigt bedeutet, drückten sie ihre Beunruhigung mit durchschnittlich M=5.36 (s=0.9) aus. Die Eltern der 12 Jungen waren über deren Auffälligkeiten tendenziell mehr beunruhigt (M=5.42, s=0.9) als die der beiden Mädchen (M=5.0, s=1.4). Eine Kontrollgruppe mit 30 klinisch unauffälligen Kindern, in Geschlecht und Alter der Zufallsstichprobe von 60 klinisch auffälligen Kindern entsprechend (matched sample), ermöglicht es, einerseits als Bezugspunkt das ‚normative’ Niveau mangelnder sozialer Gegenseitigkeit auf der Ebene klinisch unauffälliger Kinder festzustellen, andererseits an diesem Niveau den Grad der Veränderung mangelnder sozialer Gegenseitigkeit und der begleitenden Symptome nach der Behandlung mit Theraplay einzuschätzen. Diese Kontrollgruppe besteht aus 21 Jungen und 9 Mädchen (Relation 2,3:1). Sie wurden zu Beginn und am Ende eines 16 Wochen dauernden Intervalls pre-post untersucht. Es gab keine Abbrecher (dropout). Das durchschnittliche Alter dieser Kinder betrug zu Beginn 4 Jahre; 5 Monate (M=4;5, s=2,4).. Informierte Zustimmung: Die Eltern der Kinder aller Stichproben wurden zunächst ausführlich über die Behandlung mit Theraplay informiert, unterstützt durch von anderen Eltern genehmigten Videos der Behandlung von Kindern gleicher Störungsbilder. Danach wurden sie über Ziel und Ablauf der Längsschnittstudie, die beabsichtigte Folgestudie, die Vertraulichkeit und Anonymisierung der Patientendaten informiert und zur Teilnahme eingeladen. Alle 68 Eltern bzw. Bezugspersonen haben einen Vertrag unterschrieben, der zu jedem Zeitpunkt von ihnen aufgelöst werden konnte. 8 der 68 haben von diesem Recht vor Beginn der Behandlung ihres Kindes Gebrauch gemacht. Setting: Im Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum werden die Kinder in einem reizarmen Therapieraum mit Theraplay behandelt. Am Boden liegt eine Matte. Nur die benötigten Materialien liegen unter einem Tuch verdeckt bereit. Bei motorisch sehr unruhigen Kindern hat eine KoTherapeutin das Kind im Schoß, gibt ihm Halt, Wärme und Schutz, spricht für noch nicht Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 12 sprechende Kinder, ermutigt sie und schützt die Therapeutin bei aggressiven Kindern vor körperlichen Angriffen. Die Theraplay Therapeutin sitzt oder kniet vor dem Kind und führt es durch die Spieltherapie. Mit 2 Videokameras wird der Ablauf der Therapie für die spätere Auswertung und für Gespräche mit den Eltern dokumentiert. Durch eine verspiegelte Scheibe, einen gegenüber befestigten Wand hohen Spiegel und über eine Ton-/Videoanlage können die Eltern u.U. begleitet von einer weiteren Therapeutin vom Nebenraum aus die Behandlung ihres Kindes beobachten. Jede Theraplay Sitzungen dauert 30 Minuten (ohne Vor- und Nachbereitung). Üblicherweise wird das Kind einmal wöchentlich mit Theraplay behandelt. Erhebungszeitpunkte: Charakteristikum einer Längsschnittstudie ist die wiederholte Erhebung gleicher Befunde zu verschiedenen Zeitpunkten, im Fall der Stichprobe der 60 klinisch auffälligen Kinder und deren Eltern zu Beginn einer 16-wöchigen Wartezeit (WZB), zu Beginn der Therapie (TTB), nach Ende der Behandlung mit Theraplay (TTE) und 2 Jahre nach Ende der Therapie (2JnE). Die Daten der Kontrollgruppe klinisch unauffälliger Kinder wurden in einem PrePost-Design vor und nach einem 16-wöchigen Intervall erhoben. Instrumentarium: Entsprechend der Vielzahl der Fragestellungen wurde bei klinisch auffälligen Kindern ein breites Instrumentarium von Erhebungsbogen (EB) für Beobachtungen, Befragungen der Eltern, Skalierungen von Einschätzungen und Einstellungen sowie diagnostische Tests eingesetzt. Für die Erhebungen in der Folgestudie der mit Theraplay behandelten und die Kontrollstichprobe der klinische unabhängigen Kinder wurde es auf wenige Erhebungsinstrumente beschränkt bzw. um neue Erhebungsbogen erweitert. Tabelle 1 zeigt eine Liste aller Erhebungsinstrumente und die Zeitpunkte, zu denen sie eingesetzt wurden. Tabelle 1 Liste der Erhebungsinstrumente und Erhebungszeitpunkte der kontrollierten Längsschnittstudie Erhebungs Bogen (EB) EB 11 EB 12 EB 13 EB 141 EB 142 EB 18.. EB 211 EB 212 Proband Erhebungsgegenstand/-inhalt Vorbefragung der Eltern Anamnese-Erhebung (Kind, Familie) Soziographische Daten (Kind, Familie) Außergewöhnliche Ereignisse (Kind, Fam.) Test und Beobachtung des Kindes Grad der Kommunikationsstörung (Skalen) Einschätzung aus Sicht der Therapeutin Einschätzung aus Sicht der Elternteile Psychopathologischer Befund (CASCAP-D) Sprachentwicklungsstand (SES-Skalen) SES-Skalen aus Sicht der Therapeutin SES-Skalen aus Sicht der Elternteile WZB Anf. Erhebungszeitpunkte TTB TTV TTE Anf. Verlauf Ende 2JnE 2J.später X X X X X X X X X X X X X X Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... EB 22.. EB 23.. EB 24.. EB 311 EB 351 Heidelberg.Sprachentwicklungstest (HSET) Pizzamiglio Sprachverständnistest Wiener Entwicklungstest (WET) Einschätzung versch. Kriterien des Kindes Einschätzung des Therapieerfolgs (Skala) EB 16.. EB 25.. Beobachtung der Eltern-Kind-Interakton Trennungs-und Wiedervereinigungsverhalt. Mutter-Kind-Interaktion (H-MIM) Vater-Kind-Interaktion (H-MIM) EB 261 EB 262 Sequent. Analyse des Therapieverlaufs Therapieverlauf (Therapeut: 42 Skalen/Sitz) Therapieverlauf (Auswerter: 21x42 Skalen) EB 312 EB32.. EB 33.. EB 34.. EB 350 EB 352 EB 36.. Befragung der Elternteile Einschätzung versch. Kriterien des Kindes Verhalten des Kindes zu Hause (30 Skalen) Eltern-Kind-Beziehungs-Inventar (78 Items) Veränderungen des Kindes (23 Items) Anzahl Sitzungen Teilnahme der Elternteile Einschätzung des Therapieerfolgs (Skala) Situation 2Jahre nach Therapie (18 Fragen) X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X 13 X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Bemerkungen: WZB = Wartezeitbeginn, TTB = Therapiebeginn, TTE = Ende der Therapie, 2JnT = 2 Jahre nach Ther. Hier werden nur die Ergebnisse jener Erhebungsinstrumente berichtet, die in der Liste fett und schräg gedruckt sind. Nachfolgend eine kurze Beschreibung dieser Instrumente: EB 11 ist ein Erhebungsbogen zur Anamnese, d.h. zur Vorgeschichte der Störungen des Kindes. Die Daten werden vom Facharzt während des ersten Kontakts mit dem Kind durch Befragung der Bezugsperson oder beider Elternteile erhoben, z.B. zum Anlass, weshalb das Kind vorgestellt wird, der Grad der Beunruhigung der Eltern, die medizinische Vorgeschichte der Störungen des Kindes, Fragen zu Problemen der Mutter in der Schwangerschaft oder bei der Geburt und des Kindes in der Frühentwicklung sowie zu ähnlichen Erkrankungen in der Familie. EB 12 ist ein Erhebungsbogen zu sozio-demografischen Daten des Kindes und der biologischen Eltern, in Fällen von Pflege- und Adoptiveltern soweit sie darüber berichten können. Erhoben werden Geschlecht, Alter und Familienstand des Kindes, Geschwister (Anzahl und Alter der Brüder und Schwestern und Geschwisterreihenfolge), Geburtsland und Muttersprache des Kindes, Bilingualität, Besuch des Kindergartens, Informationen zu beiden Elternteilen hinsichtlich des Alters und Familienstands, zur Verantwortung für die Erziehung (gemeinsam oder allein), Muttersprache, Schul- und Ausbildung, Beruf, Beschäftigung, Religion. EB 18 ist ein Erhebungsbogen zur wiederholten Einschätzung des psychopathologischen Befunds des Kindes. Er basiert auf CASCAP-D, der deutschen Version der Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology (Doepfner et al., 1999). Dieses Instrument wurde aus zwei Gründen gewählt, einerseits weil es erlaubt, den Schweregrad der einzelnen psychopathologischen Symptome auf einer 4-stufigen Ratingskala mit 1=unauffällig, 2=leichte ..., Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 14 3=deutliche ... und 4=schwere Ausprägung der Symptome einzuschätzen, andererseits weil es 1997 bei Planung der Längsschnittstudie als Teil der Basisdokumentation in Kinder- und Jugendpsychiatrien und Kinderkliniken gebräuchlich war. Der originale Satz von 96 diagnostizierbaren Symptomen wurde auf jene 53 reduziert, die sich im Heidelberger Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum über die Jahre als relevant erwiesen haben. Die Symptome des Kindes können zu intern konsistenten Symptomskalen aggregiert werden. Die Korrelationen zwischen korrespondierenden Symptomskalen liegen zwischen r=.54 und r=.96 mit der Einschätzung der Sprachstörungen bei r=.96. Die faktorielle, konvergente und diskriminante Validität der deutschen Version wurde von Doepfner et al. (1999, 89-107) analysiert. Die empirisch definierten Symptomskalen sind unabhängig voneinander. Die Interkorrelation der Symptomskalen ist statistisch signifikant (N=597, prob.<.05). EB35-0 ist ein Fragebogen zur Erhebung der Anzahl durchgeführter Therapiesitzungen, die zum Erreichen des Therapieziels notwendig waren, und der Häufigkeit der Teilnahme von Mutter, Vater oder Bezugsperson an den Therapiesitzungen, sowie zu deren Kontaktverhalten. EB35-1 und EB35-2 sind Skalen zur Evaluation des Therapieerfolgs aus Sicht der Mutter, des Vaters und der Therapeutin. Die soziale Interaktion zwischen Mutter und Kind bzw. Vater und Kind (EB25) wurde mit der Heidelberger Marschak Interaktions-Methode (H-MIM), der deutschen Version der MIM wiederholt eingeschätzt. Die Marschak Interaction Method (MIM) wurde ursprünglich in den USA entwickelt, um die Interaktion zwischen zwei Individuen zu evaluieren, die sie bei einer Serie strukturierter Aufgaben zeigen (Marschak, 1960). Hier wird diese Methode angewendet, um die Interaktion zwischen Kind und Elternteil systematisch zu analysieren (Ritterfeld & Franke, 1994). Die Ergebnisse werden zur Beurteilung der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit in der Interaktion herangezogen, aber hier nicht im Detail berichtet. ERGEBNISSE Berichtet wird nur jener Teil der Ergebnisse, der sich auf die Fragestellungen zur Symptomatik mangelnder sozialer Gegenseitigkeit in der zwischenmenschlichen Interaktion der Klein- und Vorschulkinder mit Verhaltens- und sprachlichen Kommunikationsstörungen bezieht.. Wie stark ausgeprägt ist mangelnde soziale Gegenseitigkeit in der Interaktion klinisch verhaltensauffälliger Kinder im Vergleich mit dem Interaktionsverhalten einer in Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollstichprobe klinisch unauffälliger Kinder? Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 15 Mangel an sozialer Gegenseitigkeit wird von Döpfner et al. (1999, S. 16-17) im Psychopathologischen Befund-System für Kinder und Jugendliche (CASCAP-D) beschrieben als die Unfähigkeit eines Kindes zur Regulation von sozialen Interaktionen, z.B. die Unfähigkeit, Blickkontakt aufzunehmen. Döpfner et al. (a.a.O.) vermuten eine Unfähigkeit zu einer dem sozialen Kontext entsprechenden Verhaltensmodulation oder eine nur labile Integration des sozialen, emotionalen und kommunikativen Verhaltens. Sie beschreiben, dass solche Kinder i.d.R. keine Beziehungen zu Gleichaltrigen aufnehmen. Der Mangel an sozialer Gegenseitigkeit sei nicht an spezifische Situationen gebunden, sondern könne in allen Kontexten auftreten. Als Beispiel für eine stark ausgeprägte Symptomatik wird erwähnt, dass es der Therapeutin nicht gelänge, einen wechselseitigen und situationsangemessenen Kontakt mit dem zu behandelnden Kind aufzubauen, dass ein solches Kind keinen Blickkontakt aufnähme und auch auf einfache Formen der Ansprache durch die Therapeutin kaum oder nicht reagiere. Sie empfehlen, neben Beobachtungen im therapeutischen Setting durch Exploration der Bezugsperson Befunde zu erheben, ob das Kind auch in Situationen außerhalb der Therapie unfähig ist, mit anderen Menschen in einen wechselseitigen Kontakt zu treten und Blickkontakt aufzunehmen. Mangel an sozialer Gegenseitigkeit in der zwischenmenschlichen Interaktion N=14 Klein- und Vorschulkinder mit mangelnder sozialer Gegenseitigkeit N=30 klinisch unauffällige Kleinund Vorschulkindern (Kontrollgruppe) 3,1 1,0 1 2 3 4 Durchschnittlich Einschätzung auf CASCAP-D 4-stufige Skala 1=unauffällig 2=leichte... 3=deutliche... 4=starke Symptomausprägung Abbildung 1: Ausprägungsgrad des Symptoms ‚Mangel an sozialer Gegenseitigkeit in der sozialen Interaktion’ Vergleich der Ausprägung bei Klein- und Vorschulkinder mit Koinzidenz von Kommunikations- und Verhaltensstörung mit einer Kontrollgruppe von klinisch unauffälligen Kindern (als Index des ‚normativen’ Niveau dieses Symptoms). Die 14 Klein- und Vorschulkinder, bei denen ein klinisch relevanter Mangel an sozialer Gegenseitigkeit diagnostiziert wurde, erreichen auf der 4-stufigen CASCAP-D-Skala (von 1=unauffällig bis 4=stark ausgeprägt) einen durchschnittlichen Ausprägungsgrad von M=3,1 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 16 (s=0.8). Das ist eine mehr als deutliche Symptomausprägung, insbesondere im Vergleich mit dem ‚normativen’ Niveau von M=1,0 (s=0.0) der Kontrollgruppe der 30 klinisch unauffälligen Kinder gleichen Alters und Geschlechts. Der hohe Ausprägungsgrad mangelnder sozialer Gegenseitigkeit, Kernsymptom des Autismus, wird erklärt durch die Störungsbilder dieser Kindern. Acht der 14 Kinder hatten die Diagnose Frühkindlicher bzw. Atypischer Autismus (ICD-10: F84.0 und F84.1, DSM-IV: 299.00). Eines der 14 Kinder, ein Junge, hatte zunächst auch die Diagnose Autismus, wurde aber später als unheilbar erkrankt diagnostiziert. Zwei der 14 Kinder hatten eine unklare Störung mit Verdacht auf Autismus Spektrum, aber noch nicht eindeutig diagnostizierbar. Ein Kind, ein Adoptivkind, hatte eine Bindungsstörung, eines war geistig behindert mit multimorbidem Störungsmuster, und eines war extrem oppositionell verweigernd. Grundsätzlich kann mangelnde Fähigkeit eines Kindes zu sozialer Gegenseitigkeit ernste Konsequenzen für dessen weitere Entwicklung haben, z.B. Disregulation der Affekte, Mangel an Selbstbewusstsein in der sozialen Interaktion, rezeptive und expressive Sprachentwicklungsstörung, mit der möglichen Folge späterer Lernstörungen (Donahue, Hartas & Cole, 1999; Prizant, 1999; Ishii-Jordan & Maag, 1999). Wie stark ausgeprägt sind begleitende Symptome der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit bei verhaltensauffälligen Kindern im Vergleich mit den klinisch unauffälligen Kindern der Kontrollstichprobe? Mangelnde soziale Gegenseitigkeit ist nicht nur ein Schlüsselsymptom der Kinder mit frühkindlichem Autismus (sogen. Kanner-Syndrom), atypischem Autismus und z.T. auch Autistischer Psychopathie (sogen. Asperger-Syndrom), sondern kann auch Symptom von lernbeeinträchtigenden Verhaltensauffälligkeiten und der verzögerten Sprachentwicklung sein. Tabelle 2 Ausprägungsgrad der begleitende Symptome bei Beeinträchtigung der sozialen Interaktion KontrollStichprobe N=30 ExperimentalStichprobe N=14 Verhaltensauffälligkeiten als begleitende Symptome M s M s Mangelnde Kooperationsbereitschaft 1.1 0.3 3.5 0.8 Unaufmerksamkeit (ablenkbar) 1.2 0.4 3.5 0.9 Mangel an sozialer Gegenseitigkeit (Blickk.) 1.0 0.0 3.11 0.8 Spielstörung (ohne Fantasie und Ausdauer) 1.0 0.0 3.1 1.1 Verminderte Empathie (innerlich unberührt) 1.0 0.0 2.7 1.3 Gesteigerte körperliche Aktivität (unruhig) 1.2 0.4 2.6 1.4 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... Soziale Zurückgezogenheit (isoliert) 1.0 0.0 2.2 1.3 Mangelnde Impulskontrolle (störend) 1.1 0.3 2.0 1.3 Oppositionelle Verweigerung (missachtend) Sprach- und Entwicklungsstörungen als begleitende Symptome 1.1 0.3 1.8 1.3 M s M s Rezeptive Sprachstörung 1.0 0.0 3.8 0.4 Expressive Sprachstörung 1.1 0.3 3.8 0.4 Intelligenzminderung 1.0 0.0 2.8 0.9 17 Bemerkungen: M = Mittelwert, s = Standardabweichung Ausprägungsgrad der Symptome auf einer 4-stufige Intervallskala nach CASCAP-D (Doepfner et al., 1999) mit den Skalenstufen 1 = unauffällig 2 = leicht ausgeprägt 3 = deutliche ausgeprägt 4 = stark ausgeprägt Die 14 Kinder mit diagnostiziertem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit hatten eine Reihe weiterer Verhaltensauffälligkeiten, die einerseits den therapeutischen Zugang zu ihnen erschweren, andererseits das Lernen erheblich beeinträchtigen können (vgl. Tabelle 2). Auffallend ist ein ausgeprägter Mangel an Kooperationsbereitschaft (M=3.5, s=0.8) und ein hoher Grad von Unaufmerksamkeit bzw. Ablenkbarkeit (M=3.5, s=0.8). Die relativ geringen Standardabweichungen deuten auf eine gewisse Ähnlichkeit des Verhaltens in der gesamten Stichprobe. Größere Unterschiede in der Stichprobe gibt es hinsichtlich Spielstörungen, also des Mangels an Phantasie und Ausdauer beim Spielen (M=3.1, s=1.1), der geringen Empathie im Kontakt mit anderen, z.B. mit Gleichaltrigen (M=2.7, s=1.3), der gesteigerten körperlichen Unruhe (M=2.6, s=1.4) und fehlender Impulskontrolle (M=2.0, s=1.3). Eine gewisse Polarität zwischen sozialer Zurückgezogenheit (M=2.2, s=1.3) und oppositionell verweigerndem Verhalten (M=1.8, s=1.3) bestätigt unterschiedliche Störungsbilder in der Stichprobe. Allen gemeinsam ist aber der Mangel an sozialer Gegenseitigkeit (M=3.1, s=0.8). Die bei diesen Kindern auffallend hohe Ausprägung sprachlicher Entwicklungsstörungen erklärt sich aus der Tatsache, dass sie alle wegen der Sprachstörungen im Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum vorgestellt wurden. Entscheidend für eine Prognose später erwartbarer Lernbeeinträchtigungen ist insbesondere die bei allen stark ausgeprägte Sprachverständnisstörung (durchschnittlich M=3.8, s=0.4) und Intelligenzminderung bei einem Teil der Kinder (M=2.8, s=0.9). Unter den 30 Kindern der klinisch unauffälligen Kontrollstichprobe gibt es zwar auch einzelne, die unaufmerksam (M=1.2, s=0.4) und unruhig (M=1.2, s=0.4), die nicht kooperationsbereit (M=1.1, s=0.3), impulsiv (M=1.1, s=0.3) und oppositionell verweigernd (M=1.1, s=0.3) sind, aber ohne klinisch auffällige Ausprägung. Die geringe, nahezu unauffällige Ausprägung der diskutierten Symptome bei den Kindern in der Kontrollstichprobe liefert gewissermaßen das ‚normative’ Niveau, das als Ziel für die Behandlung der klinisch auffälligen Kinder dienen kann (vgl. Tabelle 2). Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 18 Wird durch die Behandlung mit Theraplay die Ausprägung der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit verringert und wenn, in welchem Ausmaß? Zentrale Aussage über die Wirkung von Theraplay ist die Eignung zur Verringerung der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit in der Interaktion mit anderen, oder anders ausgedrückt, die Verbesserung der sozialen Interaktion durch die Behandlung mit Theraplay. Reduzierung der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit der Klein- und Vorschulkinder nach der Behandlung mit Theraplay 4 N=14 Klein- und Vorschulkinder mit ursprünglich stark ausgeprägtem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit N=30 Kontrollstichprobe klinisch unauffälliger Klein- und Vorschulkinder ('normatives' Niveau) 3 3,1 2,1 2 Durchschnittlich Ausprägung 1 4 = stark - 3 = deutlich - 2 = leicht 1 = unauffällig 1,0 Beginn der Therapie mit Theraplay (TT-B) Ende der Therapie mit Theraplay (TT-E) Abbildung 2: Verringerung des Symptoms „Mangel an sozialer Gegenseitigkeit“ nach Behandlung mit Theraplay. Statistische Signifikanz der Veränderung des Symptoms nach Theraplay: F-Wert 17,48 df=1 prob.>F = 0.0013 Auf dem ‚normative’ Niveau des sozialen Interaktionsverhaltens klinisch unauffälliger Kinder gibt es keine mangelnde sozialer Gegenseitigkeit, wie an der Kontrollstichprobe abzulesen ist (M=1.0). Gemessen daran (vgl. Abbildung 2) war der Mangel an Gegenseitigkeit der klinisch auffälligen Klein- und Vorschulkinder vor Beginn der Therapie hoch ausgeprägt (M=3.1, s=0,8), nach der Behandlung mit Theraplay jedoch um M= -1,0 (s=0.8) deutlich verringert und nur noch leicht ausgeprägt (M=2.1, s=1.0). Die Veränderung des Schlüsselsymptoms durch die Behandlung mit Theraplay ist klinisch bedeutsam, insbesondere wenn die Schwere der Störungen (überwiegend autistischer Kinder) berücksichtigt wird. Die Veränderung dieses Verhaltens ist trotz der kleinen Stichprobe von nur N=14 klinisch auffälligen Klein- und Vorschulkindern statistisch signifikant (Prob.>F 0.0013). Werden durch die Behandlung mit Theraplay Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 19 die begleitenden Symptome der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit verringert und wenn, in welchem Ausmaß? Nach der Behandlung mit Theraplay haben sich bei den ursprünglich klinisch auffälligen Kindern einige der begleitenden Verhaltensauffälligkeiten noch mehr als der ursprüngliche Mangel an sozialer Gegenseitigkeit verändert (Veränderung: M= -1.0, s=0.8). Die größte Verbesserungen zeigten sich nach Theraplay in der gestiegenen Kooperationsbereitschaft (M=+1.7, s=0.9), in der sich entwickelnden Fähigkeit zum phantasievollen, kontinuierlichen Spielen (M=+1.3, s=0.9) und in der zunehmenden Bereitschaft, für andere offen zu sein, bzw. sich weniger in die Isolation zurückzuziehen (M= +1.1, s=1.1). Die Aufmerksamkeit hat sich ebenfalls verbessert (M=+0.9, s=1.0) und die körperliche Unruhe ist zurückgegangen (M= -0.9, s=1.3). Die geringsten Verbesserungen waren nach der Therapie in der Neigung zur oppositionellen Verweigerung (M=+0,6; s=1.5) und in der Impulskontrolle (M=+0.5, s=1.2) festzustellen (vgl. Tabelle 3). Etwa hier Tabelle 3 einfügen. Erwähnenswert ist ein unerwarteter Aspekt der Veränderung dieser ursprünglich in ihrer sozialen Interaktion stark beeinträchtigten Kinder. Mit der Verbesserung der Aufmerksamkeit, der wachsenden Phantasie beim Spielen und der sozialen Zugänglichkeit für andere hat möglicherweise so etwas wie eine ‚Öffnung’ für die verbale Kommunikation stattgefunden. Das hat möglicherweise eine Anbahnung des Sprachverständnisses bewirkt. Die ursprünglich extrem ausgeprägte rezeptive Sprachstörung (M=3.8, s=0.4) ist nach der Therapie verbessert (M=+0.9, s=0.7). Das gilt nicht für die expressive Sprachstörung, die sich im Therapieverlauf nur unwesentlich, aber in den beiden Jahren nach Ende der Therapie verbessert hat (vgl. Tabelle 3). Eine Verbesserung der Intelligenz wurde von dieser Therapie nicht erwartet. Ist die Veränderung des Mangels an sozialer Gegenseitigkeit und der begleitenden Symptome klinisch relevant und statistisch signifikant? Die berichteten Veränderungen nach der Behandlung der Kinder mit Theraplay können – von Ausnahmen abgesehen – als klinisch bedeutsam bezeichnet werden (vgl. Tab. 3). Trotz der kleinen Stichprobe von nur 14 Kindern mit ursprünglich stark ausgeprägtem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit sind die berichteten Symptomveränderungen nach der Behandlung mit Theraplay – abgesehen von zwei Ausnahmen – mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von Prob.<1% bzw. bei Unaufmerksamkeit und körperlicher Unruhe Prob.<2% statistisch signifikant (vgl. Tabelle 4). Von den begleitenden Symptomen des interaktiven Verhaltens sind nur Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 20 Veränderungen der mangelnden Impulskontrolle (Prob.=0.1465) und der oppositionellen Verweigerung (Prob.=0.0839) statistisch nicht signifikant. Etwa hier Tabelle 4 einfügen. Bemerkenswert ist, dass auch die Verbesserung der rezeptiven Sprachstörung statistisch bereits mit Prob.<1% , die Verbesserung der expressiven immerhin mit Prob.<5% signifikant ist. Wie viele Therapiesitzungen waren notwendig um diese Wirkung zu erreichen? Der beschriebene Therapieerfolg wurde bei diesen 14 Klein- und Vorschulkindern mit ursprünglich stark ausgeprägtem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit in durchschnittlich rund 27 Therapiesitzungen (M=27.3, s=9.0) mit einer Dauer von je 30 Minuten (ohne Vor- und Nachbereitung) erreicht. Die kürzeste Therapie in dieser Stichprobe betrug 17 Sitzungen, die längste wurde nach 43 Sitzungen beendet. Ist die durch Theraplay erreichte Verbesserung der sozialen Gegenseitigkeit zwei Jahre nach Ende der Therapie nachhaltig aufrecht erhalten? Gab es Rückfälle? Jeweils zwei Jahre nach der individuellen Beendigung der Behandlung mit Theraplay wurde eine Nacherhebung durchgeführt. Bei 9 der 14 Kinder dieser Stichprobe konnte bis Ende 2003 die Folgestudie durchgeführt werden. Bei den übrigen ist der Zeitraum der Katamnese noch nicht abgeschlossen. Die Stichprobe von N=9 ist sehr klein. Trotzdem bieten sich schon Hinweise auf vermutlich zu erwartenden Ergebnisse an (vgl. Abbildung 3). Tabelle 3 Verringerung der Beeinträchtigung sozialer Interaktionsstörungen nach der Behandlung der Kinder mit Theraplay KontrollStichprobe N=30 Therapierte Stichprobe N=14 ‚Norm’ M s Mangelnde Kooperationsbereitschaft 1.1 0.3 3.51.8 0.7 Unaufmerksamkeit (ablenkbar) 1.2 0.4 3.52.6 1.1 Mangel an sozialer Gegenseitigkeit (Blickk.) 1.0 0.0 3.12.1 1.0 Spielstörung (ohne Fantasie und Ausdauer) 1.0 0.0 3.11.9 0.9 Verminderte Empathie (innerlich unberührt) 1.0 0.0 2.71.7 0.9 Gesteigerte körperliche Aktivität (unruhig) 1.2 0.4 2.61.7 0.9 Soziale Zurückgezogenheit (isoliert) 1.0 0.0 2.21.1 0.4 Mangelnde Impulskontrolle (störend) 1.1 0.3 2.01.5 0.9 Verringerung der begleitenden Verhaltensauffälligkeiten prepost post s MM Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 1.1 0.3 M s Rezeptive Sprachstörung 1.0 0.0 3.82.9 0.7 Expressive Sprachstörung 1.1 0.3 3.83.4 0.7 Intelligenzminderung 1.0 0.0 2.82.4 1.1 Oppositionelle Verweigerung (missachtend) Verringerung der Sprach- und Entwicklungsstörungen 1.81.2 21 0.4 prepost post s MM Bemerkungen: M = Mittelwert, s = Standardabweichung Ausprägungsgrad der Symptome auf einer 4-stufige Intervallskala n. CASCAP-D (Doepfner et al., 1999) mit den Skalenstufen 1=unauffällig 2=leicht ausgeprägt 3=deutliche ausgeprägt 4=stark ausgeprägt Grundsätzlich scheinen die mit Theraplay erreichten Therapieerfolgs nachhaltig zu sein. Es gab zwei Jahre nach Beendigung der Therapie keine Rückfälle und keine unerwarteten Veränderung der Symptome (vgl. Abbildung 3), abgesehen von der krankheitsbedingt weiteren Verschlechterung der Symptome des Jungens mit der unheilbaren Erkrankung. Der Mangel an sozialer Gegenseitigkeit hat sich in den zwei Jahren - absolut gesehen - noch etwas verringert (M=-0.3, s=0.9). Diese Verbesserung mag für die Eltern spürbar sein oder ihre Einschätzung hat sich in der Zufriedenheit über ihr nun viel weniger schwieriges Kind geändert, aber sie ist statistisch nicht signifikant. Auch die rezeptive Sprachstörung hat sich tendenziell weiter verringert (M= -3, s=0.7). Auffallend ist jedoch die Verbesserung der expressiven Sprachstörung nach Abschluss der Behandlung (M=-0.6, s=0.9). Die Verbesserungen des Sprachverständnisses und des Sprachausdrucks sind zweifellos für die betroffenen Kinder und deren Eltern erfreulich, aber sie sind statistisch betrachtet noch keine signifikanten Veränderung. Gleiches gilt auch für einige der begleitenden Symptome, die sich in den zwei Jahren tendenziell noch ein wenig verbessert haben. Diese Verbesserungen können ebenso ein Effekt der natürlichen Entwicklung des Kindes in den zwei Jahren sein und/oder eine Spätfolge der initiierten Sprachanbahnung. Sie dürfen jedenfalls schon wegen der kleinen Stichprobe nicht auf Theraplay zurückgeführt werden. DISKUSSION Die Ergebnisse dieser Längsschnittstudie geben Hoffnung, durch weitere Studien mit größeren Stichproben die Wirkung von Theraplay bestätigen zu können. Durch die Behandlung mit Theraplay konnten die ursprünglich klinisch stark auffälligen Kinder sowohl ihr Verhalten in der sozialen Interaktion verbessern, beispielsweise ihre mangelnde soziale Gegenseitigkeit reduzieren, als auch Kooperationsbereitschaft und Fähigkeit zum empathischen Einfühlen steigern, ihre Neigung zum sozialen Rückzug in die Isolation verringern und körperlich ruhiger werden. Die rezeptive Sprachstörung hat sich noch im Verlauf der Therapie, die expressive dagegen vornehmlich in der Zeit nach der Behandlung verbessert, so dass man durchaus von einer durch Theraplay ausgelösten Sprachanbahnung sprechen kann. Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 22 Methodische Einschränkungen Wegen der Methodik und der spezifischen Stichprobe der Längsschnittstudie müssen einige Beschränkungen der Aussagefähigkeit der Ergebnisse diskutiert werden. 1) Die Studie wurde mit einer Stichprobe der Patient/innen des Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrums in Heidelberg durchgeführt, d.h. nur in einem regionalen Einzugsbereich und darüber hinaus nur mit Klein- und Vorschulkindern, die wegen ihrer Sprachentwicklungsverzögerungen dem Facharzt vorgestellt wurden. Schon wegen regionalen Begrenzung können die Ergebnisse dieser Studie nicht generalisiert werden. 2) Wegen der Beschränkung der Stichprobe auf sprachentwicklungsgestörte Kinder mag die interne Validität der Ergebnisse aufgrund der Homogenität der Stichprobe zwar groß sein, aber die externe Validität ist dafür eher gering und lässt keine Generalisierung zu. 3) Die Ergebnisse können nicht auf andere Patientenpopulationen übertragen werden. Sie lassen keine Aussage darüber zu, wie die Wirkung von Theraplay bei Kindern wäre, die ebenfalls eine Verhaltensstörung, ein gestörtes soziales Interaktionsverhalten, aber eben keine sprachlichen Kommunikationsstörungen haben. 4) Zu der Zeit als diese Studie in 1997 geplant wurde, schien das diagnostische Instrument CASCAP-D zur dimensionalen Einschätzung psychopathologischer Symptome der Kinder am geeignetsten zu sein, aus drei Gründen: a) es wurde in vielen Kinder- und Jugendpsychiatrien und Kinderkliniken im Rahmen der Basisdokumentation bei der Aufnahme von Patient/innen routinemäßig eingesetzt, war also üblich und für unsere Diagnostik ausreichend vertraut, b) es diente zur Einschätzung von Symptomen, nicht zur Klassifikation von Störungen. Das war wichtig, weil manche Symptome bei einer Reihe unterschiedlicher Störungen ein Rolle spielen können. c) Es erlaubte eine Dimensionalisierung des Ausprägungsgrads des jeweiligen Symptoms von unauffällig bis stark ausgeprägt. Inzwischen gibt es sicher validierte und standardisierte Instrumentarien, die für diesen Zweck besser geeignet sind. 5) Im Rahmen dieser Längsschnittstudie waren zwei Kontrollgruppen vorgesehen, einerseits die beschrieben mit N=30 klinisch unauffälligen Kindern gleicher Alters- und Geschlechtsstruktur wie die Experimentalgruppe, andererseits eine nach Zufall aus der Experimentalgruppe ausgewählte Wartezeitkontrollgruppe (N=30), die vor Beginn der Behandlung mit Theraplay zunächst für 16 Wochen in eine Wartezeit geschickt wurde, um Daten darüber zu gewinnen, ob und wie sich Kinder mit diesen Störungen und die Einstellungen der Eltern dieser Kinder verändern, wenn die Störungen nicht behandelt werden. Leider wurden aus verschiedenen Gründen zu Beginn der Wartezeit bei dieser Wartezeitkontrollgruppe keine psychopathologischen Befunde erhoben, so dass nun über die Veränderung der Symptome klinische auffälliger Klein- und Vorschulkinder ohne therapeutischen Einwirkung nichts gesagt werden kann. 6) In dieser Längsschnittstudie gibt es keine Kontrollgruppe mit gleicher Alters-, Geschlechts- und Störungsstruktur, die mit einem anderen Therapieverfahren Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 23 behandelt worden wäre. So können keine Aussagen gemacht werden, ob die Wirkung mit einer anderen Therapie besser, gleich oder schlechter als die mit Theraplay gewesen wäre. Ausblick Trotz dieser methodischen Einschränkungen der vorliegenden Längsschnittstudie, die unseres Wissens die erste systematische Untersuchung zur Evaluation der Wirkung von Theraplay ist, sind die Ergebnisse vielversprechend und berechtigen sicherlich zu weiteren Untersuchungen. Ergänzend zu den methodischen Beschränkungen, die bereits diskutiert wurden, gibt es einige Aspekte, die bei künftigen Forschungsprojekten berücksichtigt werden sollten. 1) Die Ergebnisse dieser Längsschnittstudie müssen erst durch andere Studien repliziert werden, bevor die Wirkung von Theraplay explizit bestätigt werden kann. 2) Für eine Generalisierung der Ergebnisse wäre es notwendig, auf nationaler Ebene Studien mit unterschiedlichen Patientenpopulationen in unterschiedlichen therapeutischen Institutionen und mit Therapeut/innen verschiedener Profession, die alle eine qualifizierte Zusatzausbildung als Theraplay Therapeut/in haben, anzulegen, beispielsweise eine sogenannte Multi-Zentren-Studie. 3) Es sollten auch Studien mit anderen Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen geplant werden. 4) Die ökonomische Vorteile von Theraplay als Kurzzeit-Therapie sollten weiter vertieft werden, z.B. indem verhaltens- und zugleich sprachgestörte Kinder in zwei nach Zufall ausgewählte, aber hinsichtlich Alter, Geschlecht und Störungsbild vergleichbare Gruppen geteilt und systematisch unterschiedlich behandelt werden, um festzustellen, welcher Ansatz kosteneffektiver ist: eine Vorbehandlung mit Theraplay und nachfolgend Logopädie, oder nur Logopädie wie bisher. 5) Schließlich sollte im interkulturellen Vergleich in anderen Ländern untersucht werden, ob man dort zu den gleichen Ergebnissen kommt. Die Initiative dazu könnte von den USA ausgehen, wo Theraplay bereits relativ verbreitet ist. Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 24 LITERATUR American Psychiatric Association (1994). Diagnostic Criteria From DSM-IVTM. German edition: Sass, H., Wittchen, H.-U., Zaudig, M., and Houben, I. (1998). DSM-IV. Diagnostische Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen. Göttingen: Hogrefe Verlag für Psychologie. Axline, V. M. (1993). Play Therapy. 33rd Printing. New York: Ballantine Books. Damasio, A. R. (1979). The frontal lobes. In K. M. Heilman & E. Valenstein (Eds.) Clinical Neuropsychology, pp. 360412. London: Oxford University Press. Damasio, A. R. & Tranel, D. (1988). Domain-specific amnesia for social knowledge. Neuroscience Abstracts, 14, 1289. DesLauriers, A. (1962). The Experience of Reality in Childhood Schizophrenia. Monograph Series on Schizophrenia, No. 6. New York: International University Press. Doepfner, M., Berner, W., Flechtner, H., Lehmkuhl, G. & Steinhausen H.-C. (1999) Psychopathologisches BefundSystem für Kinder und Jugendliche (CASCAP-D), deutsche Version der Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology (CASCAP). Göttingen: Hogrefe. Verlag für Psychologie. Field, T. (1995). Touch in early development. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Field, T. (2000). Touch Therapy. New York: Churchill Livingstone. Franke, U. (1990). Theraplay – eine direktive kommunikative Spieltherapie. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 39 (1), 12-17. Franke, U. (1990). Theraplay und seine Wirkung auf das Kommunikationsverhalten. In: Grohnfeldt, M. (Hrsg.) Handbuch der Sprachtherapie. Band 2, 1990, 245-259. Berlin: Edition Marhold. Franke, U. (1998). Theraplay als Vorbereitung für die logopädische Therapie. Forum Logopädie, 1998, 6, 13-17. Franke, U. (1999). Was ist Theraplay? Schwierige Kinder/Theraplay Journal, 1999, 17, 22-23. Franke, U. (2002). Dennis. Ein autistisches Kind entdeckt über die Emotionen die Sprache. Schwierige Kinder – verstehen und helfen. 2002, 28, 4-14. Franke, U. (2002). Die Tiefgreifende Entwicklungsstörung. Schwierige Kinder – verstehen und helfen. 2002, 28, 16-21. Freud, A. (1972). Einführung in die Technik der Kinderanalyse, 7. Aufl. 1995. München. Goetze, H. (2002). Handbuch der personenzentrierten Spieltherapie. Göttingen: Hogrefe. Hughes, D. A. (1998). Building the Bonds of Attachment. Awakening Love in Deeply Troubled Children. Northvale: Jason Aronson Inc. ICD-10 (1997). Dilling, H., Mombauer, W., Schmidt, M. H. & Schulte-Markwort, E. (Hrsg.). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10. Kapitel V (F); Forschungskriterien. Weltgesundheitsorganisation (S. 179-186). Bern: Hans Huber. Jernberg, A. M. (1979). Theraplay. A New Treatment Using Structured Play for Problem Children and Their Families,. San Francisco: Jossey-Bass Inc. Jernberg, A. M. (1987). Theraplay. Eine direktive Spieltherapie. Übersetzung: Ulrike Franke. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag. Jernberg A. M. & Booth, P. B. (1999). Theraplay. Helping Parents and Children Build Better Relationships Through Attachment-Based Play. San Francisco: Jossey-Bass Publishers (2. Aufl.). Marschak, M. (1960). A Method for Evaluating Child-Parent Interaction under Controlled Conditions. In: Journal for Genetic Psychology, 97, 3-22. Munns, E. (2003). Theraplay: Attachment-enhancing Play Therapy. In: Charles Schaefer (ed.): Foundations of Play Therapy. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons, Inc. Ritterfeld, U. (1989). Theraplay, Evaluation einer psychotherapeutischen Interventionsmethode bei sprachgestörten Vorschulkindern. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Heidelberg: Psychologisches Institut der Ruprecht-Karls-Universität. Ritterfeld, U. & Franke, U. (1994). Die Heidelberger Marschak-Interaktionsmethode (H-MIM). Zur diagnostischen Beurteilung der dyadischen Interaktion mit Vorschulkindern. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag. Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 25 Rutter, M. & Hersov, L. (Ed.) (1994). Child and Adolescent Psychiatry. Modern Approaches. Oxford: Beachwell Scientific Publications. Schaefer, Ch. E. (Ed.) (2003). Foundations of Play Therapy. Hoboken NJ, John Wiley and Sons. Schore, A. N. (1994). Affect Regulation and the Origin of the Self. The Neurobiology of Emotinal Development. Hillsdale NJ: Lawrence Erlbaum Ass., Publishers. Schore, A. N. (2003). Affect Dysregulation & Disorders of the Self. New York: W. W. Norton & Company. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.) (2003). Schüler und Studierende 1991 bis 2000, Tab. 2.2, Sonderschulen. In:Unklar, wer der Herausgeber ist. Schule in Deutschland. Zahlen, Fakten, Analysen. Bonn: KMK. Siegel, D. J. (1999). The Developing Mind. How Relationships and the Brain interact to Shape Who We Are. New York: The Guilford Press. Spitzer, M. (2002, Nachdruck 2003). Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spectrum Akademischer Verlag. Statistisches Bundesamt (2003). Lebendgeborene nach der Staatsangehörigkeit und dem Familienstand der Eltern. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Winnicott, D.W. (1958). Collected Papers: Through Paediatrics to Physoanalysis. London: Tavistock. Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... Tabelle 1 Liste der Erhebungsinstrumente und Erhebungszeitpunkte der kontrollierten Längsschnittstudie Erhebungs Bogen (EB) EB 11 EB 12 EB 13 EB 141 EB 142 EB 18.. EB 211 EB 212 EB 22.. EB 23.. EB 24.. EB 311 EB 351 EB 16.. EB 25.. Proband Erhebungsgegenstand/-inhalt Vorbefragung der Eltern Anamnese-Erhebung (Kind, Familie) Soziographische Daten (Kind, Familie) Außergewöhnliche Ereignisse (Kind, Fam.) Test und Beobachtung des Kindes Grad der Kommunikationsstörung (Skalen) Einschätzung aus Sicht der Therapeutin Einschätzung aus Sicht der Elternteile Psychopathologischer Befund (CASCAP-D) Sprachentwicklungsstand (SES-Skalen) SES-Skalen aus Sicht der Therapeutin SES-Skalen aus Sicht der Elternteile Heidelberg.Sprachentwicklungstest (HSET) Pizzamiglio Sprachverständnistest Wiener Entwicklungstest (WET) Einschätzung versch. Kriterien des Kindes Einschätzung des Therapieerfolgs (Skala) Beobachtung der Eltern-Kind-Interakton Trennungs-und Wiedervereinigungsverhalt. Mutter-Kind-Interaktion (H-MIM) Vater-Kind-Interaktion (H-MIM) EB 261 EB 262 Sequent. Analyse des Therapieverlaufs Therapieverlauf (Therapeut: 42 Skalen/Sitz) Therapieverlauf (Auswerter: 21x42 Skalen) EB 312 EB32.. EB 33.. EB 34.. EB 350 EB 352 EB 36.. Befragung der Elternteile Einschätzung versch. Kriterien des Kindes Verhalten des Kindes zu Hause (30 Skalen) Eltern-Kind-Beziehungs-Inventar (78 Items) Veränderungen des Kindes (23 Items) Anzahl Sitzungen Teilnahme der Elternteile Einschätzung des Therapieerfolgs (Skala) Situation 2Jahre nach Therapie (18 Fragen) WZB Anf. Erhebungszeitpunkte TTB TTV TTE Anf. Verlauf Ende 2JnE 2J.später X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Bemerkungen: WZB = Wartezeitbeginn, TTB = Therapiebeginn, TTE = Ende der Therapie, 2JnT = 2 Jahre nach Ther. 26 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... Tabelle 2 Ausprägungsgrad der begleitende Symptome bei Beeinträchtigung der sozialen Interaktion KontrollStichprobe N=30 ExperimentalStichprobe N=14 Verhaltensauffälligkeiten als begleitende Symptome M s M s Mangelnde Kooperationsbereitschaft 1.1 0.3 3.5 0.8 Unaufmerksamkeit (ablenkbar) 1.2 0.4 3.5 0.9 Mangel an sozialer Gegenseitigkeit (Blickk.) 1.0 0.0 3.11 0.8 Spielstörung (ohne Fantasie und Ausdauer) 1.0 0.0 3.1 1.1 Verminderte Empathie (innerlich unberührt) 1.0 0.0 2.7 1.3 Gesteigerte körperliche Aktivität (unruhig) 1.2 0.4 2.6 1.4 Soziale Zurückgezogenheit (isoliert) 1.0 0.0 2.2 1.3 Mangelnde Impulskontrolle (störend) 1.1 0.3 2.0 1.3 Oppositionelle Verweigerung (missachtend) Sprach- und Entwicklungsstörungen als begleitende Symptome 1.1 0.3 1.8 1.3 M s M s Rezeptive Sprachstörung 1.0 0.0 3.8 0.4 Expressive Sprachstörung 1.1 0.3 3.8 0.4 Intelligenzminderung 1.0 0.0 2.8 0.9 Bemerkungen: M = Mittelwert, s = Standardabweichung Ausprägungsgrad der Symptome auf einer 4-stufige Intervallskala nach CASCAP-D (Doepfner et al., 1999) mit den Skalenstufen 1 = unauffällig 2 = leicht ausgeprägt 3 = deutliche ausgeprägt 4 = stark ausgeprägt 27 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... Tabelle 3 Verringerung der Beeinträchtigung sozialer Interaktionsstörungen nach der Behandlung der Kinder mit Theraplay KontrollStichprobe N=30 Therapierte Stichprobe N=14 ‚Norm’ M s Mangelnde Kooperationsbereitschaft 1.1 0.3 3.51.8 0.7 Unaufmerksamkeit (ablenkbar) 1.2 0.4 3.52.6 1.1 Mangel an sozialer Gegenseitigkeit (Blickk.) 1.0 0.0 3.12.1 1.0 Spielstörung (ohne Fantasie und Ausdauer) 1.0 0.0 3.11.9 0.9 Verminderte Empathie (innerlich unberührt) 1.0 0.0 2.71.7 0.9 Gesteigerte körperliche Aktivität (unruhig) 1.2 0.4 2.61.7 0.9 Soziale Zurückgezogenheit (isoliert) 1.0 0.0 2.21.1 0.4 Mangelnde Impulskontrolle (störend) 1.1 0.3 2.01.5 0.9 Oppositionelle Verweigerung (missachtend) 1.1 0.3 1.81.2 0.4 M s Rezeptive Sprachstörung 1.0 0.0 3.82.9 0.7 Expressive Sprachstörung 1.1 0.3 3.83.4 0.7 Intelligenzminderung 1.0 0.0 2.82.4 1.1 Verringerung der begleitenden Verhaltensauffälligkeiten Verringerung der Sprach- und Entwicklungsstörungen prepost post s MM prepost post s MM Bemerkungen: M = Mittelwert, s = Standardabweichung Ausprägungsgrad der Symptome auf einer 4-stufige Intervallskala n. CASCAP-D (Doepfner et al., 1999) mit den Skalenstufen 1=unauffällig 2=leicht ausgeprägt 3=deutliche ausgeprägt 4=stark ausgeprägt 28 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... Tabelle 4 Statistische Signifikanz der Veränderung der Symptome sozialer Interaktionsstörungen der 14 vorher klinisch auffälligen Klein- und Vorschulkinder ExperimentalStichprobe N=14 Statistische Signifikanz1 der Veränderung Pre Post MM Post s Prob. > F Mangelnde Kooperationsbereitschaft 3.51.8 0.7 Prob. = 0.0001 Unaufmerksamkeit (ablenkbar) 3.52.6 1.1 Prob. = 0.0104 Mangel an sozialer Gegenseitigkeit (Blickk.) 3.12.1 1.0 Prob. = 0.0013 Spielstörung (ohne Fantasie und Ausdauer) 3.11.9 0.9 Prob. = 0.0001 Verminderte Empathie (innerlich unberührt) 2.71.7 0.9 Prob. = 0.0047 Gesteigerte körperliche Aktivität (unruhig) 2.61.7 0.9 Prob. = 0.0138 Soziale Zurückgezogenheit (isoliert) 2.21.1 0.4 Prob. = 0.0032 Mangelnde Impulskontrolle 2.01.5 0.9 Prob. = 0.1465 Oppositionelle Verweigerung (missachten) Sprach- und Entwicklungsstörungen als begleitende Symptome 1.81.2 0.4 Prob. = 0.0839 prepost MM post s Prob. > F Rezeptive Sprachstörung 3.82.9 0.7 Prob. = 0.0002 Expressive Sprachstörung 3.83.4 0.7 Prob. = 0.0228 Intelligenzminderung 2.82.4 1.1 Prob. = 0.0512 Verhaltensauffälligkeiten als begleitende Symptome Bemerkungen: M = Mittelwert, s = Standardabweichung Ausprägungsgrad der Symptome auf einer 4-stufige Intervallskala nach CASCAP-D (Doepfner et al., 1999) mit den Skalenstufen 1 = unauffällig 2 = leicht ausgeprägt 3 = deutlich ausgeprägt 4 = stark ausgeprägt. 1 Statistische Signifikanz: SAS. GLM procedures, Analysis of variance, Univariate Test on within subject effects 1 Allgemeines Lineares Modell, Varianzanalyse, Univariater Test der Hypothesen auf Effekte innerhalb Subjekte 29 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 30 Mangel an sozialer Gegenseitigkeit in der zwischenmenschlichen Interaktion N=14 Klein- und Vorschulkinder mit mangelnder sozialer Gegenseitigkeit N=30 klinisch unauffällige Kleinund Vorschulkindern (Kontrollgruppe) 3,1 1,0 1 2 3 4 Durchschnittlich Einschätzung auf CASCAP-D 4-stufige Skala 1=unauffällig 2=leichte... 3=deutliche... 4=starke Symptomausprägung Abbildung 1: Ausprägungsgrad des Symptoms ‚Mangel an sozialer Gegenseitigkeit in der sozialen Interaktion’ Vergleich der Ausprägung bei Klein- und Vorschulkinder mit Koinzidenz von Kommunikations- und Verhaltensstörung mit einer Kontrollgruppe von klinisch unauffälligen Kindern (als Index des ‚normativen’ Niveau dieses Symptoms). Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... Reduzierung der mangelnden sozialen Gegenseitigkeit der Klein- und Vorschulkinder nach der Behandlung mit Theraplay 4 N=14 Klein- und Vorschulkinder mit ursprünglich stark ausgeprägtem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit N=30 Kontrollstichprobe klinisch unauffälliger Klein- und Vorschulkinder ('normatives' Niveau) 3 3,1 2,1 2 Durchschnittlich Ausprägung 1 4 = stark - 3 = deutlich - 2 = leicht 1 = unauffällig 1,0 Beginn der Therapie mit Theraplay (TT-B) Ende der Therapie mit Theraplay (TT-E) Abbildung 2: Verringerung des Symptoms „Mangel an sozialer Gegenseitigkeit“ nach Behandlung mit Theraplay. Statistische Signifikanz der Veränderung des Symptoms nach Theraplay: F-Wert 17,48 df=1 prob.>F = 0.0013 31 Heilpädagogische Forschung: Evaluation der Wirkung von Theraplay... 32 Keine signifikante Veränderung des Symptoms 2 Jahre nach Ende der Behandlung mit Theraplay 4 N=14 Klein- und Vorschulkinder mit ursprünglich stark ausgeprägtem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit N=30 Kontrollstichprobe klinisch unauffälliger Klein- und Vorschulkinder ('normatives' Niveau) 3 3,1 2,1 2 1 Durchschnittlich Ausprägung 4 = stark - 3 = deutlich - 2 = leicht 1 = unauffällig 2,0 1,0 Beginn der Therapie mit Theraplay Ende der Therapie mit Theraplay 2 Jahre nach der Therapie mit Theraplay Abbildung 3: Durchschnitt der Ausprägung der ursprünglich stark mangelnden sozialen Gegenseitigkeit 2 Jahre nach Beendigung der Behandlung mit Theraplay. Keine Rückfälle. Keine signifikante Veränderung im Katamnese-Zeitraum. Statistische Insignifikanz der Veränderung des Symptoms 2 Jahre nach Ende der Therapie mit Theraplay: Prob.=0.3282