Kritiken zu "wir schlafen nicht" von Kathrin Röggla, inszeniert von Burckhardt C. Kosminski, gesehen am Düsseldorfer Schauspielhaus (SS 2004) Weniger ist manchmal mehr Kathrin Rögglas Stück „wir schlafen nicht“ am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt (Nadine Dostler) Fernöstliche Mode-Entspannungsgymnastik statt Wochenende, schneller Kompensationssex und ein anzügliches „man habe ja überall freunde sitzen, man kennt sich ja in der branche“, statt Privatleben und das Komplettpaket aus Erfolgs-, Zeit-, und Leistungsdruck statt Selbstverwirklichung und Sicherheit. So lässt sich die Lebensphilosophie, oder passender ausgedrückt das Lebensprogramm der sechs „adrenalinjunkies“ aus dem Broker-Milieu in Kathrin Rögglas Stück „wir schlafen nicht“ zusammenfassen, das Burkhard C. Kosminski am 7. April im Düsseldorfer Schauspielhaus uraufführte. Key, Online, It, Senior, Partner und Praktikantin stellen sich im ort- und zeitleeren Raum der „Messe“ einem Wettkampf, bei dem schnell klar wird, dass es keinen Gewinner gibt: “man könne nicht vorschlafen (…), genetischer defekt sozusagen von anfang an.“ Es kommt zu einer rasanten Entmenschlichung der Figuren; durch eine Wurzel als überdimensionale Requisite optisch unterstützt, auf und unter der die Darsteller knurren, klettern und seltsame, affenartige Tänze zu einer Urwaldgeräuschkulisse vollführen. Währenddessen versucht der Zuschauer, seine durch die zu alledem schnell wechselnden Bilder der Projektionsleinwand ausgelöste Reizüberflutung in den Griff zu bekommen. Er hat Schwierigkeiten sich auf die - gekonnt rasant, in indirekter Rede vorgetragenen - Dialoge zu konzentrieren und in dem Wirrwarr der Sinneseindrücke nicht den Überblick zu verlieren. Schade, dass ihm so unterschwellige, besonders betonte, oder mit eindeutiger Gestik versehene Textpassagen entgehen. Auffälligste Figur in der Dekonstruktion der von zunehmender Schlaflosigkeit geplagten Figuren, stellt die Praktikantin (gespielt von Catherine Janke) dar, der es - verhöhnt, ausgenutzt und erfolglos gelingt, die Gruppe, zu der sie noch am Anfang des Stückes aufsieht, hinter sich zu lassen. Sie wird selber Unternehmensberaterin, steigt rasant auf und beginnt Menschen „frei zu setzten“ – also: zu enlassen. „all das short-sleeping, quick-eating (…), das business-class-gefliege, das firstclass-gewohne. irgendwann könne man das alles nicht mehr sehen.” Die Inszenierung bietet kaum zu übertreffende Brisanz, Schnelligkeit und intendierte Aktualität, ist aber zugleich arm an direkter Kritik, Vielschichtigkeit und Verbesserungsvorschlägen. Die Frage, ob die fünf Figuren ihr Leben ändern werden, wieder erwacht aus dem Schlaf, in den sie am Ende doch fallen, bleibt genauso unbeantwortet, wie die nach der Funktion des grell-pinken, unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit auf sich ziehenden, BH der Online. Wachbleiben bis der Wahnsinn kommt Burkhard C. Kosminski inszeniert Kathrin Rögglas „Wir schlafen nicht“. (Annette Graefe) Viele verschiedene Verkaufsstände, hier ein belegtes Brötchen, dort ein Gläschen Sekt, adrett gekleidete Damen und Herren, die ihre Produkte vorstellen und Geschäfte abschließen. So stellt man sich eine Messe vor. Ganz anders am Düsseldorfer Schauspielhaus. Da turnen die BusinessMenschen wie Erdmännchen in Anzug und High- – Heels auf einer großen, braunen Wurzel, klettern auf Leitern und sitzen auf Sprungbrettern. Sie pfeifen, zischen, klopfen, rennen und verstecken sich. Nur eins tun sie nicht: Schlafen! Wozu Schlafentzug und Arbeitswut noch alles führen, zeigt Kathrin Röggla in ihrem neuen Stück „Wir schlafen nicht“, das am 7. April am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt wurde. Die Autorin – bekannt durch Romane wie „Irres Wetter“ oder Theaterstücke wie „fake reports“ – stellt schonungslos die Welt der Unternehmensberatungen und deren Abgründe dar. Drei Frauen und drei Männer, von der Praktikantin bis zum Partner: Alle sind sie mit glücks- und reichtumsverheißenden Jobs wie Key Account Managerin oder IT- – Supporter ausgestattet, und was steckt dahinter? Kein Privatleben, 146- Stunden- Tag, ständig an einem anderen Ort. Da bleibt keine Zeit für Individualität, da wird man zum Beruf. Und der Beruf wird zur Religion. Wie in einer Sekte lassen Regisseur Burkhard C. Kosminski und Dramaturg Ingoh Brux die Figuren mit Atemübungen und Motivationsformeln ihren schleichenden Identitätsverlust bekämpfen. Aber auch, wenn sie gemeinsam das „Om“ sprechen und das „Chi“ suchen, bleiben sie alleine. Helfen lassen, können sie sich nicht. Einschlafen auch nicht. Das wäre ja ein Eingeständnis von Schwäche. Dann lieber wach bleiben, bis der Wahnsinn kommt. Für ihr Stück hat die Autorin lange recherchiert und zahlreiche Interviews mit Unternehmensberatern geführt, aus denen der Text für das Stück entstanden ist. Diese Technik mag in anderen Arbeiten Rögglas funktionieren, hier plätschern die Aussagen im Konjunktiv leicht dahin, wirken seltsam aneinandergereiht und eintönig. Kosminskis Inszenierung versucht die Eintönigkeit zu durchbrechen, aber das gelingt nicht immer. Zwar zeigen die Schauspieler wie Klaus Rodewald als „senior“ und Claudia Kaske als „online“ wunderbar die Grenzen zwischen erfolgsverwöhnter, selbstverliebter Business- – Fassade und menschlicher, wahnsinniger Triebnatur. Doch die Figuren könnten noch überspitzter sein, noch schonungsloser ihre Verzweiflung und ihre Ängste, vor allem viel provokativer der Aktualitätsbezug aber könnte viel provokativer sein. Bitterböse oder auch mitleidserregend hätte man Rögglas Text inszenieren können, die Aufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus bezieht stattdessen leider keine Position. Nicht mehr viel übrig vom Leben Wo der Raum für Menschlichkeit fehlt, zeigt uns Katrin Röggla in ihrem Stück „wir schlafen nicht“. (Stephanie Hartmann) Die Uhr tickt. Zeit begegnet dir als Feind. Sie rennt dir davon und du hast Mühe, ihrem Tempo standzuhalten. Kein Platz für Verschnaufpausen, keine Möglichkeit, durchzuatmen und zu reflektieren. Wer hier mithalten will, muss alles geben und noch mehr. Diesen und anderen Grundsätzen der heutigen Arbeitswelt sehen sich die sechs Akteure des Stückes „wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla , das unter der Regie von Burkhard C. Kosminski Anfang April im Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere feierte, ausgesetzt. Vor den Augen der Zuschauer entsteht eine durchaus überspitzte Vorstellung des Drucks, unter dem sich Mitarbeiter der Beraterbranche heute wiederfinden. Der Zuschauer wird Zeuge eines ausweglosen Kreislaufs, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Flucht in Drogen und die Betäubung mit Alkohol gehören genauso zum Alltag wie die Frage nach einer zeitsparenden Art zu schlafen. Selbst die Praktikantin, die einfach nicht die richtigen Eltern hat, weder„Steuerberatereltern“ noch „Zahnarzteltern“, um in die Branche „reinzurutschen“, sieht sich in einem Mechanismus des sich ständigen Bewerbens und auf Jobsucheseins gefangen. Manchmal ist es aufgrund der zahlreichen von Kosminski eingesetzten Stilmittel schwierig, den vielen Eindrücken, die oft gleichzeitig mit Hilfe von Musik, Leinwandprojektionen, Bühnenbild und nicht zuletzt dem Handeln und Sprechen der Schauspieler erzeugt werden sollen, zu folgen. Dennoch gelingt es den Schauspielern, die auf dem Boden kriechend oder auf Baumwurzeln kletternd oft schon mehr Tieren gleichen als Menschen, durch ihre hervorragend vorgetragene schnelle Sprechweise und eine starke Mimik und Gestik, eben dieses Gefühl von Hektik und Druck zu vermitteln. Besonders überzeugend in seiner Rolle erscheint Klaus Rodewald, der als „partner“ schon fast eine Art „Roboterhaftigkeit“ und Apathie an den Tag legt und so die Wichtigkeit des Funktionierens in der Branche rüberbringt. Im Verlauf des Stücks wird deutlich, wie nervenzehrend so ein „14-16 Stundenjob“ ist und der Zuschauer erlebt das klägliche Scheitern und das Wahnsinnigwerden der Akteure. Sie alle brechen irgendwann aufgrund des Defekts in ihrer Maschinerie, der sich Menschlichkeit nennt, unter dem Leistungsdruck zusammen und bleiben kraftlos am Boden liegen. New Economy im Tropenhaus In Kathrin Rögglas neuem Stück berichten schlaflose Consulter aus Ihrem Arbeitsalltag. (Matthias Hofmann) Schon vor dem eigentlichen Beginn des Stückes, herrscht eine befremdliche Stimmung im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels. Man hört es rascheln und quaken, pfeifen und klopfen: Geräusche wie im Tropenhaus. Und während man sich noch fragt, woher die Laute stammen, entdeckt man im Halbdunkel der Bühne bereits einige Darsteller , die wie Tiere auf dem Boden kauern und sich noch ein letztes Mal auszuruhen scheinen, bevor ihr langer schlafloser Kampf ums Überleben beginnt. „Wir schlafen nicht“ lautet der passende Titel von Kathrin Rögglas neuem Stück, das am 7. April seine Uraufführung feierte. Die Autorin, schrieb die Bühnenfassung ihres aktuellen gleichnamigen Romans, der einen Blick in die harte Lebens- oder vielmehr Arbeitswelt der Consulterbranche gewähren soll, als Auftragsarbeit speziell für das Düsseldorfer Schauspielhaus. Das Besondere und Auffälligste am Text ist die fast durchgängig verwendete indirekte Rede, in der die Figuren über sich selbst sprechen. Auch der Regisseur Burkhard C. Kosminski hält sich in seiner Inszenierung an diese ungewöhnliche und für das Publikum nicht einfach zu konsumierende Vorgabe. Obwohl Kathrin Röggla ihre Figuren aus den Stimmen „echter“ Consulter, die Sie zuvor in ca. 30 mehrstündigen Interviews befragt hatte, komponierte , wird die Identifikation mit den Figuren, durch die sprachliche Hürde der indirekten Rede, enorm erschwert. Alles wirkt wie Information aus dritter Hand, die nur über Umwege zum Zuschauer gelangt. Man wird quasi gezwungen, die Charaktere, die nach Berufsbezeichnungen aus der Branche benannt sind, wie den IT (sehr gut: Tim Egloff), die Online(-Redakteurin), den Partner oder die Praktikantin, stets mit einer großen Distanz zu betrachten. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es Kosminski gelungen, den statischen Text auf der Bühne für den Zuschauer interessant zu präsentieren. Er durchbricht Rögglas Vorlage, verändert teilweise die Reihenfolge und lässt die 6 SchaupielerInnen in einer lebhaften, teils gehetzten, bilderreichen und nie langweiligen Inszenierung auf beeindruckende Weise die brisanten Inhalte des Stückes vermitteln. Auch durch das durchdachte und mehrdimensionale Bühnenbild und teilweise leicht sarkastische „Showeinlagen“ gewinnt das Stück zusätzlich an Abwechslung, so wenn z.B. die Akteure in einer rhythmischen Performance über Aufputschmittel singen. Am Ende des Abends bleibt die Verwunderung über die hektischen Bewohner des Tropenhauses. Es war zwar interessant, die fremdartigen Wesen einmal aus der Nähe zu sehen, aber die exotische Andersartigkeit der Schlaflosen kann einen schon beängstigen. „ein bisschen von gehirnwäsche hat das schon...“ „wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla im Schauspielhaus Düsseldorf (Michael Kempmann) Verirrt in der sprachlichen Vieldeutigkeit nicht von Menschen, sondern von Funktionsträgern. Verirrt in der Zeitlosigkeit. Verirrt auf dem Weg zwischen kick-off-meetings, Messeständen und Karriereleiter. Burkhard C. Kosminski inszeniert „wir schlafen nicht“ der österreichischen Autorin Kathrin Röggla. Die sammelte Formulierungen mit journalistischer Akribie in etwa 30 Interviews in der Unternehmensberaterbranche. Das Stück, ein Auftragswerk für das Düsseldorfer Schauspielhaus, uraufgeführt am 7. April, ist die dramatische Version des gleichnamigen Romans. „wir schlafen nicht“ zeigt die Arbeitsrealität dreier Frauen und Männer, mehr austauschbare Typen als Individuen, im Consulting-Business. „sie habe gedacht, die merkten ihre unprofessionalität, dabei bemerkten die ihre unprofessionaliät überhaupt nicht, weil sie mit ihrer eigenen unprofessionalität beschäftigt sind“. Alle schweben in Raum und Zeit der Schlaflosigkeit eines 16-StundenTages. Selbst nach Feierabend den Blicken der anderen ausgesetzt. Ständig damit beschäftigt, nicht die eigene Individualität zu zeigen, sondern den Erwartungen zu entsprechen. Gebannt auf die Karriereleiter starrend oder sie gar mittel- bis ostasiatisch anbetend. Die Praktikantin, die in die „Verwandtschaftsbeziehungen“ der Branche eindringen will, irrt zwischen einem Stell-dich-ein am Fuße der Karriereleiter, dem entgültigen Verzehren durch die Vorgesetzen (metaphorisch mit Essstäbchen) und dem Ausstieg, weil sie das System erkannt hat, hin und her. - Der Inszenierung Kosminskis gelingt zu klären, was bei der Lektüre des Textes verwirrt. Die genau koordinierte Reaktion von Mimik und Gestik auf Äußerungen macht deutlich, wann man worauf referiert, manchmal vielfach mit einem Satz. Ist es ein Schauspiel über ein Schauspiel? Deutlicher als der Text zeigt die Inszenierung den schmalen Grad, auf dem sich die Protagonisten zwischen Zivilisation und animalischer Vergangenheit bewegen. Ob das Düsseldorfer Publikum versteht, was auf der Bühne als subtiles Spiegelbild erscheinen soll? Löst die Inszenierung viele sprachliche Verwirrungen durch schauspielerische Mittel oder bleibt die große Idee, die alles zusammenhält, das, was eigentlich das Thema des Stückes definiert, amorph? Letzteres scheint in der Natur (oder der Zivilisiertheit?) der Sache liegen. Der nachdenklich verhaltene Applaus würdigt nicht angemessen die ausgezeichneten, schauspielerischen Leistungen aller Protagonisten. Wer das Stück aber wirklich verstanden hat, wer durch die Irrungen und Wirrungen Klarheit sieht, wird auch schwerlich frenetisch applaudieren können. Ein Gespräch unter Zuschauern. Sie: ob er’s verstanden habe. Er: akustisch schon. Sie: an das gespräch mit bianca müsste sie denken, heute mittag, als sie von ihrer arbeit berichtet hätte. Frustrationstoleranz – Angstverhältnis – Emotionale Stabilität Kathrin Rögglas „Wir schlafen nicht“ uraufgeführt am 07. April im Düsseldorfer Schauspielhaus (Daniela Piecha) Tierisches Balzverhalten, Dschungelgeräusche, Lichtblitze, ein Raumschiff. Menschen, die sich aus Unsicherheit in Tiere verwandeln, sich zum Schutz unter einer großen Wurzel verstecken um im nächsten Moment mit ihren anderen Artgenossen in einer Art Raumkapsel Champagner zu trinken. Was hat das alles mit Managern auf einer Messe gemein? Zu sehen sind Menschen mit ihrer Angst in der harten Arbeitswelt zu versagen. Überspielt wird sie durch überdrehte Gespräche, die scheinbar keinen Sinn ergeben. Man redet nur um zu reden. Dahinter versteckt sich allerdings die Unsicherheit des Einzelnen. „Dabei bemerkten die ihre Unprofessionalität überhaupt nicht, weil sie mit ihrer eigenen Unprofessionalität beschäftigt sind.“ Von Unprofessionalität kann überhaupt keine Rede sein. Kathrin Röggla, geboren in Salzburg, dramatisierte ihre Romanvorlage im Auftrag von Dramaturg Ingoh Brux. Damit ihre Personen authentisch wirken, führte Kathrin Röggla 30 Interviews mit Managern und Consultens. So kommen die skurrilen Gestalten auf die Bühne, die Fach-jargon reden und versuchen ihre Müdigkeit dahinter zu verstecken. Entspannungsübungen sollen helfen den Stress abzubauen. Dem Regisseur Burkhard C. Kosminiski gelingt es in seiner Inszenierung den schmalen Grad zwischen höchster Konzentration und Wahnsinn darzustellen, aus Spitzenleuten werden ausgebrannte Wracks, die sich am Ende nur noch schlafen legen können. Einzig die Praktikantin, gespielt von Catherine Janke, schafft den Aufstieg auf der Karriereleiter. Das Bühnenbild von Gerhard Benz unterstützt das Gespielte durch den Kon-trast zwischen Wurzel und Raumkapsel. Die Wurzel unterstreicht die animalische Seite der Menschen, die Kapsel die geschäftliche Welt. Auf der einen Seite benehmen sich die Figuren wie Tiere, indem sie auf der Wurzel rumklettern wie auf einem Affenfelsen. Auf der anderen Seite sind sie ganz geschäftig und professionell. Geräusche und Lichtblitze unterstreichen die verschiedenen Stimmungen. Eine runde Aufführung, die zunächst vor allem durch die fast durchgehende Verwendung der indirekten Rede etwas irritie-rend wirkt. Doch das vergisst man schnell. Die Überzeugungskraft der Darsteller und der optischen und akustischen Eindrücke ziehen den Zuschauer in den Bann. Wer schläft schon in Düsseldorf!? Das Düsseldorfer Schauspielhaus präsentiert Rögglas „Wir schlafen nicht“. (Julien Renard) „Power-power-power“ heißt die Devise, die alles am Laufen hält. Druck scheint die einzige Möglichkeit zu sein, um in der Welt der McKinseys zu überleben, denn „gegen Verkaufszahlen lasse sich eben nicht anargumentieren“. Die hart umkämpfte Branche der New Economy lässt kein „umgekehrtes Koks“ zu und fordert nie schlafende Opfer. Kathrin Röggla hätte sich keine bessere Stadt als Düsseldorf aussuchen können, um ihren aus 30 Interviews zusammengestrickten Roman „Wir schlafen nicht“ am 7.April als Bühnenstück zu präsentieren. Unter der Leitung von Burkhard C. Kosminski führte ein 6-köpfiges Ensemble dem Zuschauer vor, wie mit seiner Stadt abgerechnet wird. Die Messe wird zum Irrenhaus mit eigenem Zoo. Auf dem Boden kriechende, an Affen erinnernde Unternehmensberater, die als souverän und erfolgreich im Geschäft gelten, zeigen ihr wahres Gesicht. Zwischen Sushi und Sekt, asiatischer Meditation und Kokain erfahren wir wie es wirklich um die „Online“, den „IT“, den „Senior Associate“ und die anderen steht. Selbstreflektierend offenbaren sie ihr Leid: Der cholerische „Senior“ gespielt von Steffen Schröder gibt zu, dass „er wisse er brauche die Challenge“ wenn er sich, um von der Job-Pause abzulenken, mit drei Liebesbeziehungen gleichzeitig belaste. Auch der zu Anfang kühl und rücksichtslos wirkende „Partner“ (Klaus Rodewald) zeigt Nerven, wenn er an die letzte Aufsichtsratsitzung zurückdenkt. Alle träumen denselben Traum, den Alb-Traum vom Versagen und erschaffen sich so ihren eigenen Kollaps. Kosminski hat es geschafft einen durchaus zähen Text unterhaltsam zu präsentieren ohne diesen wesentlich zu kürzen. Der Zuschauer wird verwirrt, da die Figuren fast ausschliesslich im Konjunktiv und nur von sich sprechen, obwohl sie einander dabei ansehen und dadurch das Gefühl einer normalen Interaktion vermitteln. Sie versuchen den direkten Bezug zu ihrem Leben zu vermeiden und gewährleisten dadurch ihre Austauschbarkeit. Keiner der Darsteller, bis auf eine Ausnahme, sticht durch besonders gutes Spiel heraus, was aber dem Gesamtbild gut zu Gesicht steht. Lediglich Klaus Rodewald wird seiner Rolle als zunächst unberührbarer und später beinahe zerstörter Partner gerecht. Wogegen der aus Film und Fernsehen bekannte und oft hoch gelobte Tim Egloff als „nicht IT-Supporter“ wahrlich enttäuscht. Als Kritik an der Welt, in der nur das Gesetz „fressen oder gefressen werden“ gilt, ist das Stück zu verstehen und spricht aus, was viele Düsseldorfer denken, aber nie gewagt haben auszusprechen. Wen die Auszeit fast umbringt... Das Düsseldorfer Schauspielhaus zeigt mit „wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla eine kritische Analyse der Welt der Unternehmensberater und Manager. (Jennifer Ressel) Unheimlich mutet es an, wenn man einen Blick auf das düstere Wurzelwerk im grünlichen Licht wirft, wenn Menschen wie Reptilien zischen, wenn Leitern und Sprungbretter ins Unbewusste führen, wenn man den Figuren in dem Stück „wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla (32) zusieht „wie das Gespenst in [ihnen] immer mehr zunimmt“. Das Stück feierte vor knapp einem Monat, am 7. April, im Düsseldorfer Schauspielhaus seine bravouröse Uraufführung, mit der Regisseur Burkhard C. Kosminski („Tod eines Handlungsreisenden“, „39.90“) und Dramaturg Ingoh Brux den Stein, den die österreichische Autorin ins Rollen brachte, noch weiter beschleunigen. Sieben Menschen begegnen einander auf einer Messe. Die von der eigenen Karriere aufgesogenen Figuren sprechen über die Fähigkeit Schlaf zu speichern oder auch von „hochausgebildeten Idioten mit Dauer-Diplom bei McKinsey“. Indessen wünscht sich die Praktikantin „zumindest eine Medienvergangenheit“, während sie Kaffee serviert. Wortschöpfungen wie „Killerschlaf im Flugzeug“, „quick eating“ und „short sleeping“ bestimmen die eiskalte Atmosphäre des Stücks, die Figuren sprechen von sich selbst in der dritten Person. 30 Interviews führte die in Berlin lebende Autorin mit Menschen aus der Consulter-Branche und entwickelte auf der Grundlage dieser Quellen eine sprachkritische Kollage aus Brutalitäten der Arbeitsphilosophien der Business Welt. Diese stark journalistisch und dokumentarische Technik begründet Röggla mit einer Benutzung der Oberfläche, „[...] um Risse und Lücken darin zu zeigen - nicht, um sie affirmativ zu schließen“, so in einem Interview mit Theater heute. Risse und Lücken werden auf der Bühne zu Möglichkeiten, räumlich als kreativer Spiel-Platz (Bühnenbild: Gerhard Benz), sowie musikalisch in Szene gesetzt durch die Musik von Simon Stockhausen. „[...] ordentliche kaliber wie dieses argument >tod oder leben<. [...] das sei immer das beste argument: also, wenn man gewisse maßnahmen nicht machte, dann müssten eben alle gehen.“ - so die existenzialistische Moral von Kosminskis Inszenierung. Ein gelungener, nicht aalglatter Abend, der ein schaurig interessantes Licht auf die Medienstadt Düsseldorf wirft. Da musste der eine oder andere beim Verlassen des Theaters zugeben: „Unsere Firma kommt da aber schlecht weg!“ „Yuppie-high-flyer-Leben“ in Mövenpickpastell Burkhard C. Kosminski inszeniert Kathrin Rögglas „wir schlafen nicht“ am Kleinen Haus in Düsseldorf. (Diane Sellenmerten) Das Rezept könnte aufgehen. Man nehme ein brandaktuelles Thema, nämlich die Ethik der Consulter-Branche, den sprachlich anspruchsvollen Text einer Jungautorin (Gütesiegel „Uraufführung“) mit frechen Wortschöpfungen, wie „Mövenpickpastelldickicht“, oder „Yuppie-high-flyerLeben“, die obligatorische Videoleinwand, eine Hand voll Schauspieler, ein originelles Bühnenbild und ein wenig Provokation des lokalen Standortes „Wie die sich schon wieder mit ihrer Düsseldorfigkeit umgibt!“ - und schon hat man ein dauerausverkauftes Haus. Schade ist nur, dass auch dem Zuschauer diese Ambitioniertheit auffällt. Erzählt wird die Geschichte eines Berater-Teams: „online“, „senior“, „praktikantin“ erleben auf einer Messe schlaflose Tage. Man bewegt sich im Niemandsland der Zeit-, Ort- und Handlungslosigkeit. “Momos“ Zeitdiebe werden ins Gedächtnis gerufen, die uniformierten Bilder Magrittes. Dazu gesellen sich dann mal das nervtötende Ticken einer Uhr, mal hektischer Sprechgesang, wahlweise rhythmisches Klopfen, kollektives Koksschnupfen oder der schon sprichwörtliche Lauf gegen die Zeit. Der „partner“ - mit der nötigen Zerrissenheit: Klaus Rodewald rennt mit dem Uhrzeigersinn, von der Zeit gejagt, um sein Leben und das seiner Mitarbeiter. Auch der Versuch gegen diese Rasanz mit Entspannungsübungen anzugehen, hilft den „Adrenalinjunkies“ nicht „runterzukommen“, bleibt lediglich sportliche Einlage. Diese Art von Symbolik zieht sich quer durch Kosminskis Inszenierung und hält sie doch nicht zusammen. Die Bilder werden zu Klischees. Vereinzelt und unmotiviert treten sie hervor. Ihre Deutung wird uns aufgedrängt. Dadurch bleibt der Zuschauer auf Distanz - vielleicht durchaus im Sinne der Autorin, deren Text als Auftragsarbeit für Düsseldorf am 7. April zur Uraufführung kam. Sie lässt ihre Figuren in der dritten Person von sich selbst sprechen, sich selbst entfremdet durch die Überpräsenz ihrer eigenen Funktion: maschinenhafte Untote. So auch auf der Bühne: Es wird zwar geweint, gelacht und gelitten und das darstellerisch durchaus auf hohem Niveau, aber die Gespensterhaftigkeit, die Grau-Zeit der Szenerie kann nicht durchbrochen werden. Die Figuren lassen uns kalt. Der sehr kritische Blick auf die Berater-Branche und deren „up or out“- Mentalität kann nicht fesseln. Der ausgleichende Gegensatz, der im Bühnenbild Gerhard Benzes versprochen wird - eine funktionale Seite, bestehend aus einem raumschiffartigen Apparat, der mal als Höhle, mal als Sprungbrett, mal als Chill-out-room dient und eine organische Seite in Form einer übergroßen Baumwurzel - erfüllt sich nicht. Das Gerät beweglich, die Wurzel statisch. Leben lässt sich nur schwer (er-) finden. Gespenster, Drinks, McKinsey-Kings Kathrin Rögglas „Wir schlafen nicht“. Eine Reise in die Glitzerwelt der Wirtschaftsbosse und Spitzenmanager im Düsseldorfer Schauspielhaus. (Dominic Sickelmann) „er erinnere sich auch nicht mehr daran, wann dann die panikattacken aufgetreten seien, ja, wann er zum ersten mal wirklich stress mit sich bekommen habe, aber plötzlich seien sie dagewesen, , die panikattacken, also wenn man das noch nicht erlebt habe, dann wisse man nicht, wie das sei.“ Kathrin Rögglas Roman „wir schlafen nicht“ basiert auf etwa 30 Interviews, welche die 32-jährige Autorin mit führenden Kräften der neuen Wirtschaftszweige geführt hat. Geschickt verwebt sie ihr Recherchematerial mit persönlichen Beobachtungen und Einschätzungen der Branche. Im Auftrag des Düsseldorfer Schauspielhauses hat sie nun ihre Prosa dramatisiert. Am 4. Mai wurde zum wiederholten Male, vor ausverkauften Reihen, die Inszenierung von Regisseur Burkhard C. Kosminski (39.90) aufgeführt. Kosminski entführt den Zuschauer in eine sterile, absurde Welt der ItSupporter, Key Account Manager und Senior Associates. Panikattacken und Selbstdarstellung bis zur vollkommenen Auflösung zeigen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, im Leben der Erfolgreichen. Die Bühnengestaltung von Gerhard Benz erinnert an ein Freigehege im Zoo, gepaart mit einem kühlen Hauch ungemütlicher Moderne, man fühlt sich nicht wohl in diesem Szenario, man fühlt Unbehagen. Unterstützt wird dieses Empfinden durch die hervorragende Musik von Simon Stockhausen, Tiergeräusche vermengen sich mit dem ewig hämmernden Rhythmus des Fortschritts, der den Zuschauer in einen Zustand der Unruhe versetzt. „ja, runterkommen, das sagen sie alle andauernd. andauernd werde einem gesagt, dass man runterkommen soll. er komme aber gar nicht runter, er denke gar nicht daran.“ Andrea Bürgin, Tim Egloff, Catherine Janke, Claudia Kaske, Klaus Rodewald und Steffen Schröder schaffen es zweifelsfrei, den Betrachter glauben zu machen, sie seien gefangen in einem Teufelskreis aus ausgebrannter Müdigkeit und überdrehter Angespanntheit. Die abstrakte Distanz, die die einzelnen Figuren untereinander – aber auch zu sich selbst – aufgebaut haben, wird von Rögglas Sprache getragen. Sie ist es, die das Stück zu etwas Besonderem macht. Doch ihre Idee, die indirekte Rede durchgehend als stilistisches Mittel zu verwenden, macht das Stück etwas schwer zugänglich. Der Applaus fiel denn auch leider bescheiden aus.