Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit im Streit

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Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit im Streit
I.
Gibt es ein Recht auf Schutz vor der Verletzung religiöser Gefühle?
Der internationale und kulturelle Kontext der Menschenrechte erscheint heute eher
unübersichtlich und durch gegenläufige Tendenzen zerrissen. Religionsgemeinschaften
fordern staatlichen Schutz für ihre religiösen Wahrheitsansprüche gegen Kritik, hingegen
berufen kritische säkulare Geister bis hin zu Islamhassern sich auf die Kunst- und
Meinungsfreiheit, wenn sie muslimische religiöse Symbole kritisieren oder gar verächtlich
machen. Definieren die einen Mohammad-Karikaturen und Koranverbrennungen als
todeswürdige Verbrechen, wollen die anderen den muslimischen Anderen vorführen, nehmen
sie vorhersehbare Gewaltexzesse in der muslimischen Welt in Kauf vielleicht sogar in
provokatorischer Absicht hervorrufen. Aber bereits Jahre vor diesem Streit um kulturelle
Hegemonie haben die in der Organisation der Islamischen Kooperation (ICO) versammelten
Staaten einen menschenrechtlichen Vorstoß zur Anerkennung eines Rechts auf Schutz
religiöser Gefühle unternommen. Seit 1999 streben sie im Menschenrechtsrat der Vereinten
Nationen unter dem Begriff „combating defamation of religions“ internationale Anerkennung
für nationalen Blasphemienormen an und haben dadurch eine Spaltung zwischen islamischen
und westlichen Staaten im Rat verursacht. Zuletzt forderte dieser auf Initiative Pakistans 2012
die Staaten mehrheitlich auf, in ihren Rechts- und Verfassungssystemen angemessenen Schutz
gegen die „Beleidigung der Religion“ zu gewährleisten.
Kritiker befürchten zu Recht, dass solcherart in menschenrechtlichen Strukturen der Vereinten
Nationen verabschiedete Resolutionen nationale Anti-Blasphemie-Normen legitimieren
sollen, mit denen Journalisten, Studenten und interne religiöse Gegner strafrechtlich verfolgt
werden. Dass Pakistan in dieser Diskussion die Initiative und Führung übernommen hat, ist
Bestätigung dieser Kritik, wurde doch dort 1974 der sunnitischen Glaubensgemeinschaft der
Ahmadiyya der Status einer muslimischen Gemeinschaft kraft verfassungsrechtlicher
Anordnung abgesprochen und gelten seitdem Strafnormen, welche die Verletzung „religiöser
Gefühle“ der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung, die durch das öffentlich bekundete
muslimische Glaubensbekenntnis durch Ahmadis als begründet angesehen werden, mit
Freiheitsstrafen bis hin zur Todesstrafe sanktionieren.1 Diese staatliche Intervention in einem
interreligiösen Konflikt zeigt, dass der durch unterschiedliche Interpretationen der
Religionsfreiheit hervorgerrufene Streit nicht allein Konflikte mit der Meinungsfreiheit
hervorruft, sondern auch die Religionsfreiheit selbst unter Druck setzt. Nicht zuletzt der 2003
ausgebrochene und zusehends schärfer werdende Konfessionskrieg zwischen Sunniten und
Schiiten verdeutlicht die politische Dimension des Streits um die Religionsfreiheit. Lediglich
eine formal-juristische Bewertung der durch die Religionsfreiheit hervorgerufenen Konflikte
wäre daher unzureichend. Vielmehr ist unmittelbar beim Recht auf Religionsfreiheit
anzusetzen, deren Verortung im Kontext der Menschenrechte zu analysieren und sind von hier
aus die einzelnen Konfliktfelder zu bearbeiten.
Der Westen hat im Streit um die Religionsdiffamierung von Anfang an eindeutig Position für
die Meinungsfreiheit bezogen. Doch wird seine Glaubwürdigkeit durch die europäische
Rechtsprechung erschüttert. Zwar können nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte Gläubige und ihre Gemeinschaften grundsätzlich nicht
erwarten, von Kritik verschont zu bleiben. Vielmehr müssten sie die Verneinung ihres
Glaubens sowie auch die Verkündigung anderer Glaubensinhalte tolerieren. Würden jedoch
Symbole religiöser Ehrfurcht durch provokative Karikaturen angegriffen, dürften die Staaten
1
Bielefeldt, Streit um die Religionsfreiheit, in: Erlanger Universitätsreden Nr. 77/2012, 3. Folge, S. 18.
1
gegen diese „Herabwürdigung religiöser Lehren“ ihr Strafrecht einsetzen. Die Konvention
müsse in ihrer Gesamtheit gesehen und folglich Art. 10 in Übereinstimmung mit Art. 9
EMRK ausgelegt werden.2 Es kann nicht erkannt werden, welche guten Gründen diese
europäische Position für die Kritik gegen den menschenrechtlich geführten Angriff
islamischer Staaten, aber auch autokratischer Herrscher wie Erdogan oder Putin auf die
Meinungsfreiheit zulässt. Das Beispiel „Pussy Riots“ wie auch die türkische
Strafgesetzgebung zeigen, dass Staaten und Religionsgemeinschaften nicht nur „religiöse
Gefühle“ und Symbole, sondern auch den vermeintlichen Glanz des Herrschers gegen Kritik
und Kunst abschirmen wollen. Gewinnen die islamischen Staaten ihre Kampagne, dürfte dies
daher weit über die Interpretation der Religionsfreiheit hinausgehende Folgen für die
Menschenrechte haben. Für die menschenrechtlich begründete Abwehr dieser Kampagne auf
die Meinungsfreiheit ist der Gerichtshof nicht hilfreich. Er bleibt juristisch abstrakt, bestimmt
die Grenzen der Meinungsfreiheit nach Art. 10 und bezieht sich dabei auf seine frühere
Rechtsprechung zu den Grenzen der Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK, bezeichnet jedoch
keine inhaltlichen Gründe, warum der Schutz der Meinungsfreiheit die Einwirkung auf
Gläubige mit „unangemessenen Mitteln“ nicht einschließt, „offensive Missionierung“ und
„provokative Karikaturen“ damit strafrechtlich abgewehrt werden dürfen.3
Ist das Recht auf staatlichen Schutz vor der Verletzung „religiöser Gefühle“ also allgemein
anerkannt? Muss es dann nicht auch ein Recht autokratischer Patriarchen, die die Aufklärung
verschlafen haben, auf Schutz gegen Kritik geben? Gegen wen richtet sich dieses Recht? Nur
gegen säkulare Kritiker oder auch gegen interne religiöse und politische Gegner? Genießen
Religionsgemeinschaften im pluralistischen Kontext „Artenschutz“? Um diese für den
interkulturellen Diskurs lebenswichtigen Fragen beantworten zu können, bedarf es eines
Begriffs der Religionsfreiheit, der nicht nur für westliche Gesellschaften Geltung
beanspruchen kann. Wie der Vorstoß der islamischen Staaten im Menschenrechtsrat vor
Augen führt, muss die Verständigung auf diesen Begriff über kulturelle und religiöse
Differenzen hinweg auf der Basis allgemein gültiger Kriterien gesucht werden. Dabei ist auch
nach dem Standort der Religionsfreiheit im Kontext der Menschenrechte zu fragen.
II.
Der historische Kampf für Religionsfreiheit gegen Religionsgemeinschaften
Die Suche nach einem allgemein anerkannten Begriff der Religionsfreiheit führt auf die
historische Entwicklung der Religionsfreiheit und damit auf die europäische Geschichte.
Denn in dieser wurde die heute allgemein anerkannte Religionsfreiheit wie auch das heute
allgemein anerkannte Konzept der Menschenrechte hervorgebracht. Die europäisch geprägte
Entwicklung der Religionsfreiheit verweist aber auch auf die Begriffe, die für die Entfaltung
der Religionsfreiheit so wesentlich sind, auf den säkularen Staat und eine diesen tragende
pluralistische demokratische Gesellschaft. Das mag auf den ersten Blick paradox erscheinen,
wird doch damit für den interkulturellen Diskurs auf ein europäisches Modell zurück
gegriffen. Der Rüge der eurozentrischen Blickverengung voran geht jedoch die Analyse der
historischen Entwicklung der Religionsfreiheit. Diese zeigt auf, dass es beim Kampf um
Religionsfreiheit gerade nicht um einen privilegierten Schutz für Glaubensgemeinschaften,
sondern zuallererst um das subjektive Recht auf Religionsfreiheit ging.
Die europäische Freiheitsgeschichte und mit ihr Religionsfreiheit nahm mit der Reformation,
in Hegels pathetischen Worten der „alles verklärenden Sonne, die auf jene Morgenröte am
EGMR, Series A no. 295 A Rdn. 47 f. – Otto-Preminger-Institut v. Austria (1994).
EGMR, SeriesA no. 260-A Rdn. 49 – Kokkinakis (1993): Die griechische Regierung habe nicht
dargelegt, „in what way the accused hat attempted to convince his neighbour by improper means.“
2
3
2
Ende des Mittelalters folgte“,4 ihren Beginn. Die Reformation ging aus einer tiefreichenden
Glaubwürdigkeitskrise des Papsttums hervor5 und bedeutet in der neuzeitlichen Entwicklung
einen entscheidenden Schritt hin zu einer Verselbständigung religiöser Individualität
gegenüber kirchlich-doktrinärer Autorität und zur Herausbildung einer säkularen
Staatsauffassung, also der Entlassung des Staates aus kirchlicher Herrschaft6, der Trennung
von weltlicher und religiöser Autorität. Die Einordnung des Menschen in religiös-kirchlich
geprägte Denk- und Handlungsstrukturen wie die Unterordnung der weltlichen unter die
geistliche Macht wurden in Frage gestellt. Die humanistische und die protestantische
Tradition haben einen Individualisierungsschub im religiösen Kontext bewirkt, die
humanistische durch ein neues Bewusstsein menschlicher Freiheit und Würde, die
protestantische durch die Betonung religiöser Unmittelbarkeit und Innerlichkeit.7 Die
Reformation hat also eine theologische Reflexion ausgelöst, die das religiöse Bewusstsein mit
dem weltanschaulichen Pluralismus und den menschenrechtlichen Legitimationsgrundlagen
des säkularen Staates ausgesöhnt hat.8 Damit wurden auch die Voraussetzungen für einen
interkulturellen Diskurs geschaffen.
Zunächst führten jedoch die christlichen Religionsgemeinschaften im 16. und 17. Jahrhundert
einen langen Bürgerkrieg gegeneinander. In diesem Kampf von Reformation und
Gegenreformation nahm das Recht auf Religionsfreiheit seinen Beginn. Im anschließenden
Zeitalter der Aufklärung wurde es formuliert und in den revolutionären Umbrüchen des 18.
Jahrhunderts politisch durchgesetzt. Im Beginn jedoch als Recht des Herrschers: Nach
bewaffneten Konflikten im Reich erhielten die Landsherren im Augsburger Religionsfrieden
(1555) die Freiheit gegenüber Papst und Kirche, ihre Religion zu wählen.9 Untertanen, die
nicht die Religionszugehörigkeit ihres Landesherrn annehmen wollten, wurde das Recht
eingeräumt, in ein Territorium ihres Glaubens auszuwandern („cuius regio, eius religio“).
Bereits 1492 hatte sich dieses historische Muster in Spanien herausgebildet, als dort ein Edikt
Juden vor die Wahl stellte, sich entweder taufen zu lassen oder auszuwandern.10 Historisch
bildete sich die Religionsfreiheit also zunächst nicht als Recht des Bürgers gegen den Staat,
sondern als Recht des Landesherrn gegen den Papst heraus. Das mit diesem Herrscherrecht
verbundene Recht auf Auswanderung für Andersgläubige war jedoch ein Recht des Bürgers.
Erstmals wurde den Menschen damit das Recht gewährt, eine andere Religion auszuüben als
ihr Herrscher, freilich um den Preis des Verlustes der politischen Gemeinschaft.
Diese Entwicklung ließ sich nicht mehr zurückdrehen. Nach der Konfessionsspaltung wuchs
die Einsicht, dass religiöse Konflikte mit obrigkeitlichen Toleranzedikten wie dem cuius
regio, eius religio nicht dauerhaft befriedet werden konnten, weil der Friedenskompromiss
von beiden Seiten lediglich als geringeres Übel im Vergleich zum offenen Konflikt angesehen
wurde und nur auf Zeit galt. Katholiken und Protestanten sahen sich jeweils weiterhin als die
wahren Vertreter der Christenheit und waren weit davon entfernt, der anderen Konfession,
geschweige denn weiteren anderen, wie etwa den Calvinisten, eine innere Berechtigung
zuzusprechen. So erwies sich die Situation friedlicher Koexistenz und Toleranz in der
Folgezeit als instabil. Die Protestanten griffen den weiterhin bestehenden „geistlichen
Vorbehalt“ an, der das Überwechseln geistlicher Würdenträger zu anderen Konfession nur bei
Verlust ihrer Ämter und Einkünfte zuließ und damit die Säkularisation geistlicher
4
Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 1980, S. 491.
Ausführlich hierzu von Friedeburg, Europa in der frühen Neuzeit, 2012, S. 63 ff., 256 ff., 346 ff.
6
Böckenförde, Staat,Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 43.
7
Zum Folgenden Forst, Toleranz und Konflikt, 2003, S. 128 ff., 153 f., 174 ff., 186 ff., 194 ff.
8
Habermas, Nachmethphysisches Denken II 300
9
Von Friedeburg, Europa in der frühen Neuzeit, 2012, S. 96 f., 214 ff.; Reinhard, Geschichte der
Staatsgewalt, 1999, S. 271.
10
Schulze, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 1995, S. 56.
5
3
Fürstentümer verhindern sollte. Die Katholiken versuchten im Zuge der Gegenreformation,
den protestantischen Glauben zurückzudrängen. Die Konflikte eskalierten und mündeten
schließlich in den Dreißigjährigen Krieg. Erst der Westfälische Friede 1648 brachte eine
konfessionsrechtliche Regel, die zwar auf den Augsburger Friedenskompromiss aufbaute,
dabei aber auch die Rechtsstellung geduldeter Andersgläubiger verbesserte. Hier schimmert
bereits eine horizontal-intersubjektive Ebene durch, auf der sich die Menschen als Bürger und
Gläubige begegnen und sich fragen müssen, auf welcher Basis sie mit denen, die einen
anderen Glauben haben, zusammenleben wollen.
Der Kampf um das Recht auf Religionsfreiheit musste jedoch zunächst gegen die
Religionsgemeinschaften, insbesondere gegen den römischen Klerus geführt werden. In der
historischen Perspektive ging dem die Durchsetzung allgemeiner Menschenrechte voran, und
nahm dabei die Religionsfreiheit einen besonderen, bis heute nicht vollständig geklärten
Entwicklungsverlauf. Im französischen Diskurs des späten 16. Jahrhunderts wurde die
Differenz zwischen Bürgern in ihren Rechten (Rechtsperson) und Angehörigen ihrer
Religionsgemeinschaft (ethisch-religiöse Subjektivität) thematisiert. Ein neuzeitliches
Verständnis von Religions- und Staatsangelegenheiten und gemeinsamer Zugehörigkeit zu
einem politischen Gemeinwesen und damit eine neue Unabhängigkeit gegenüber
konfessioneller Gemeinsamkeit, also gegenüber den Religionsgemeinschaften entwickelte
sich. Nicht mehr wurde vorrangig danach gefragt, wie der souveräne Herrscher mit religiöser
Differenz umgehen soll, sondern wie die Einzelnen, als religiös Denkende, auf die Pluralität
von Religionen reagieren sollten. Dies brachte ein Verständnis von Religionsfreiheit hervor,
dass sich von den Religionsgemeinschaften emanzipierte
Die gemeinsame Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen erlaubte es nicht mehr, den eigenen
Glauben als überlegen herauszustellen. Die einzelnen Gläubigen waren zwar überzeugt, dass
ihr partikularer Glaube der wahre war, mussten aber anerkennen, dass die Anderen ebenfalls
nicht grob irrationale oder unmoralische Glaubensüberzeugungen hatten. Damit waren im
religiösen Diskurs die Grenzen der Verständigung und des Überzeugenkönnens erreicht
worden. Der wahre Grund für diesen intersubjektiven Konflikt lag im Wesen der Religion
selbst, die sich weder auf eine bloße Meinung noch auf Wissen gründet, sondern sich einzig
und allein einem Glauben verdankt, der nicht auf Beweisen und Argumenten gegründet
werden kann. Bis zu der Einsicht, dass der Grund für diesen Konflikt im Wesen der Religion
selbst liegt, es also in religiösen Streitfragen keinen neutralen Richter gibt, mussten jedoch
lange blutige Kämpfe ausgetragen werden, und es bleibt nur zu hoffen, dass die praktische
Vernunft den Akteuren des aktuellen innermuslimischen Konfessionskriegs einen anderen als
den europäischen Leidensweg weist.
III.
Hervorbringung subjektiver Religionsfreiheit im Kampf um Bürgerrechte
Im 16. Jahrhundert emanzipierte sich zwar der souveräne Staat von der Religion. Dies führte
aber nicht zu einer vollständigen Säkularisation. Das 17. Jahrhundert wurde hingegen vom
Diskurs der politischen und individuellen Souveränität geprägt, und brachte neue Formen
gesellschaftlichen Lebens und politischer Organisation und damit eine säkulare
Staatsauffassung hervor. Im englischen Liberalismus11 wurde vor dem Hintergrund der
dortigen religiösen Konflikte ein individuelles Naturrecht auf Religionsfreiheit gefordert, das
dem Staat vorangeht und als persönlichstes Eigentum (birthright) nicht veräußert werden
kann. Mehr noch: es gehört zu den Rechten, zu deren Sicherung der Staat erst durch die
Einzelnen eingerichtet wird. Die Menschen sind nicht mehr von Natur aus Teil einer sozialen
11
Zum Folgenden Forst, Toleranz und Konflikt, 2003, S. 223 ff., 352 ff., 372 ff., 395 ff., 423 ff., 442 ff.
4
Ordnung, sondern frei. Die Rechte der Individuen sind von Gott verliehen, natürlich und
„heilig“. Hingegen ist die Herrschaft des Staates künstlich, gegründet auf einer Übereinkunft
der Bürger miteinander. Der politische Souverän wurde also nicht länger als von Gott
eingesetzt angesehen. Das Argument des birthright galt für politische und religiöse Freiheit
gleichermaßen. Das Recht auf Religionsfreiheit ging also mit dem Recht auf demokratische
Selbstbestimmung einher. Auch die Freiheit des Gewissens und des Kultes wurden als
unveräußerlich und vorstaatlich begriffen. Eine staatsbürgerliche Öffentlichkeit wurde
eingefordert, politisch wegen der Rechtfertigungsbedürftigkeit politischer Macht, religiös
wegen der Notwendigkeit und Produktivität des öffentlichen Wahrheitsstreits. Was bereits in
der niederländischen Revolution erkennbar wurde, wurde im englischen Liberalismus
fortgesetzt. Dieser führte Legitimation des Staates auf einen Konsens der Bürger zurück, die
bestimmte Freiheiten nicht an ihn abtraten, sondern ihn als Instrument der Wahrung dieser
Freiheiten verstanden. Damit trat der staatstheoretische Diskurs in eine neue Phase ein, die in
den Erklärungen individueller Recht in der Amerikanischen und Französischen Revolution
gipfeln wird. Das war die eigentliche Bedeutung der Rede von dem birthright auf Freiheit.
Dieses liberale Verständnis der Menschenrechte und das hiermit notwendig verbundene
Projekt des säkularen Staats setzte sich aber allgemein erst nach der Aufklärung durch: Die
Aufklärer richteten ihre Kritik gegen religiöse Intoleranz vorrangig gegen die mit sozialen
Privilegien ausgestattete, als despotisch angesehene Kirche und auch gegen positiv verfasste
Religionen selbst. Gegen Offenbarungsreligionen wurde die „natürliche Religion“, die
„Vernunftreligion“, in Stellung gebracht. In erster Linie richtete sich die Kritik gegen die
Institution der Kirche und deren Privilegien, erst in zweiter gegen die unzureichend
legitimierte politische Macht. Den „aufgeklärten Absolutismus“, der Religionsfreiheit
garantierte und die Zensur abschaffte, nahm die Aufklärung hin, und es sollte noch dauern, bis
sich das Recht auf politische und nicht nur religiöse Selbstbestimmung politisch durchsetzte
und den aufgeklärten Absolutismus ablöste. Die „Vernunftreligion“ hielt Toleranz zwischen
den Religionen auf der Basis einer diskursiven Verständigung für möglich, lehnte deshalb
„Glaubenszwang“ ab, sah aber nicht die Notwendigkeit des säkularen Staates.
Vernunftreligion wurde als die einzige Religion, die sich vor sich selbst schützen kann,
verstanden. Sie setzte eine universelle Moral und einen von umstrittenen Dogmen oder
Offenbarungen gereinigten Gottesglauben voraus, der mit wissenschaftlichen Erkenntnissen
nicht kollidiert konnte. So gründete Rousseau den Gesellschaftsvertrag auf eine „sittliche
Einheit der Bürger“ und forderte, die Trennung Luthers in zwei Reiche zurückzunehmen, weil
nach seiner Auffassung ein grundlegender Konflikt zwischen Gott und Gesetz nicht auftreten
kann.12 Für Rousseau und stärker noch für Voltaire war die wichtigste Aufgabe der Zeit der
Kampf gegen religiösen Fanatismus und das diesem angemessene Mittel eine „undogmatische
Religion“, die im Wesentlichen die moralischen Pflichten aller Menschen und Bürger enthält.
Da die Intoleranz nach dem Verständnis der Aufklärer auf die Offenbarungsreligionen
zurückging, führte die durch sich selbst aufgeklärte Vernunft keineswegs zur Abschaffung
aller Religionen und zum Atheismus, vielmehr zur „reinen Religion“, die die „verunreinigten“
Offenbarungsreligionen ablöste. Bei Kant begründete die Religion nicht länger die Moral,
sondern umgekehrt bringt das moralische Bewusstsein aus sich heraus eine „moralische
Vernunftreligion“ hervor.13 Damit erwies Kant sich als Vollender der Aufklärung im
doppelten Sinne. Einerseits verselbständigt sich die Moral gegenüber der Religion.
Andererseits führt ihn gerade dieser Gedanke hin zu einer vernunftgeleiteten Versöhnung, ja,
sogar zur Aufhebung religiöser Differenzen. Ihm wird jedoch vorgehalten, er ziehe in seinen
Schriften die christliche gegenüber anderen, insbesondere der jüdischen Religion vor. Er habe
12
Forst, Toleranz und Konflikt, 2003, S. 373.
Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1981, S.676 ff.; kritisch hierzu Habermas, Nachmetaphysisches
Denken II, 2012, S. 202 ff.
13
5
zunächst den Menschen als autonome moralische Person aus dem Horizont der religiösen
Tradition herausgelöst, ihn dann aber wieder in einen rekonstruierten Horizont einer
universalistischen Religion hineingestellt, die kritisch betrachtet weder universalistisch sei
noch aus der Religion folge.14
Die Aufklärung lehnte Glaubenzwang zwar ab und beharrte auf einer strikten Trennung von
Religion und (Zwangs-)Recht, verdammte aber den Atheismus. Damit war sie noch weit von
einem modernen, universell geltenden Verständnis der Religionsfreiheit, das sich auch mit der
Meinungsfreiheit aussöhnen will und kann, entfernt. Und es verwundert nicht dass gegen die
Vernunftreligion die ein alle, auch Atheisten, umfassendes Toleranzverständnis ablehnt, eine
radikale Gegenposition in Stellung gebracht wurde, die ihrerseits eine Versöhnung nicht
zuließ: Die Materialisten lehnten alle Religionsauffassungen ab und waren überzeugt davon,
dass es so lange zu keiner wahren Toleranz kommen kann, wie es überhaupt noch Religion
gibt, sei sie traditionell positiv oder eine der „Vernunft“. Die Materialisten ziehen damit die
radikale Konsequenz aus der Einsicht der Aufklärer, dass Religionen zur Intoleranz neigen
und waren überzeugt, dass der Diskurs zwischen den Religionen angesichts der Begrenztheit
der Vernunft zwischen den Religionen den auf religiösen Wahrheitsansprüchen gründenden
Fanatismus nicht bekämpfen konnte. Allein der Atheismus konnte ihrer Ansicht nach die
Prüfung der Vernunft bestehen.
Es waren dann die amerikanischen Erklärungen und ihr folgend die französische Erklärung
der Menschenrechte, die ja auch die Allgemeine Erklärung von 1948 beeinflussten, die
bestimmte Rechte nicht länger als vom Herrscher zu gewährende einforderten. Vielmehr
nahmen den Platz des Herrschers die souveränen Bürger ein, die es nunmehr selbst waren, die
sich gegenseitig bestimmte Freiheiten zusicherten. Toleranz in Religionsfragen wurde nicht
mehr vom Herrscher garantiert. Diese nach Kant „hochmütige“ Toleranz in Religionsfragen
wurde abgelöst durch die Erklärung und Festschreibung der Menschen- und Bürgerrechte. Die
Garantie der Religionsfreiheit gründete damit auf dem positiv festgeschriebenen
gegenseitigen Respekt der Bürger mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen. Die Frage
der Religionsfreiheit gewann in den revolutionären Umgestaltung des Politischen im 18.
Jahrhundert eine nicht zu unterschätzende Rolle. Erstens hat der Gedanke der „natürlichen“
Freiheit religiöse Wurzeln, da für viele Naturrechtstheoretiker die Individuen für den Staat
nicht disponibel sind, da Gottes Eigentum. Der Staat übertritt die von Gott gezogene Grenze,
wenn er Individuen in Rechten antastet, die aus ihrer „gottgegebenen, natürlichen“ Freiheit
folgen. Zweitens entspringt das Recht auf Religionsfreiheit dem Recht auf Gewissensfreiheit.
Das Gewissen ist nach Luther aber an Gott gebunden und daher politisch unantastbar und
kann an den Souverän, sei er König oder demokratisch legitimiert, nicht abgetreten werden.
Die Religionsfreiheit nimmt daher in den Menschen- und Bürgerrechtserklärungen der
revolutionären Umbrüche einen besonderen, in Frankreich freilich nicht unumstrittenen Platz
ein. Auch wenn die religiöse Komponente für die Begründung der Menschenrechte
unverkennbar ist, darf das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit jedoch nicht als eine
Art „Urrecht“ und Modell für andere Rechte verstanden werden. Denn der religiösen
Begründung der Menschenrechte und Menschenwürde immanent ist stets die Gefahr, dass sie
an gewissen Grenzen, welche die religiöse Perspektive zieht, auf eine mit dem Sinn dieser
Rechte nicht vereinbare Weise enden wird, insbesondere bei denen, die diese religiöse Sicht
auf den Menschen nicht teilen. Es ist Kant, der die bereits vorher philosophisch begründete
Trennung von Religion und Moral konsequent zu Ende denkt und die Würde des endlichen
Vernunftwesens Mensch ohne weiteren Grund als Grundlage der unbedingten Pflicht
14
Forst, Toleranz und Konflikt, 2003, S. 423, 430.
6
wechselseitiger Achtung und für die Geltung wechselseitig begründeter und anerkannter
Normen und Rechte ansieht. Dies ist nicht nur möglich, sondern auch notwendig, da die Frage
nach einem weiteren Grund für die Würde des Menschen ebenso wie die Antwort, die auf
seine Eigenschaft, Geschöpf Gottes zu sein, verweist, die Menschenwürde insofern relativiert,
als das „Menschsein“ allein als unzureichender Achtungsgrund angesehen wird, als ob es der
Ehrfurcht vor Gott bedürfe, um Menschen zu respektieren.15
Es war die französische Menschenrechtserklärung (1789), die dann auf die Person als Mensch
und Bürger, auf „natürliche“ und „politische“ Rechte verweist und ein neues Verständnis des
Politischen begründet. Sie enthält einen Kerngehalt individueller und nicht hintergehbarer
Rechte, die aber auch rechtlich institutionalisiert und konkretisiert werden müssen, und zwar
allein – gegründet auf den Rechtfertigungskriterien von Reziprozität und Allgemeinheit – auf
dem Weg demokratischer Selbstbestimmung. Diese Verzahnung moralischer, rechtlicher und
politischer Autonomie zeigt die Möglichkeit auf, individuelle Rechte und demokratische
Souveränität „gleichursprünglich“ zu begründen. Diese macht es möglich, einerseits
Menschenrechte und andererseits das Recht zu begründen, in politisch autonomer Weise
legitimes Recht zu setzen und Rechte zu gewähren. Und es folgt hieraus eine säkulare
Konzeption individueller Rechte, die als allen wechselseitig gerechtfertigte und gegenseitig
gesicherte Rechte praktische Gestalt gewinnen.16 Dadurch wird es auch möglich
Menschenrechte und politische Herrschaft über kulturelle und religiöse Differenzen hinweg
sowohl im nationalen wie auch im universellen Kontext zu begründen.
IV.
Säkularer Staat und Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit wurde in den revolutionären Kämpfen des 18. Jahrhunderts um die
Bürgerrechte hervorgebracht. Konflikte – auch die aktuellen - müssen also im Gesamtkontext
bürgerlicher Rechte konzeptionell angegangen und strategisch befriedet werden. Der
historische Blick auf die Konfessionsspaltungen in Europa lehrt, dass vom Religionsstreit
zerrissene Gesellschaften aus diesen Konflikten herauskommen, vorausgesetzt, die Beteiligten
versichern sich eines neutralen Streitschlichters, der von allen anerkannt und dem auch die
Kompetenz verliehen wird, nach von allen akzeptierten Regeln mit der erforderlichen
Autorität zwar nicht den religiösen Streit, aber dessen gewaltsame Austragung einzudämmen.
Diese Suche nach dem Schlichter im gewaltsam ausgetragenen religiösen Streit führt zum
säkularen Staat. Die Frage stellt sich aber, ob angesichts gesellschaftlicher Widerstände in
vielen Regionen der Welt, der scheinbar häufig kaum beherrschbaren, gleichsam eruptiv
ausbrechenden
religiösen Konflikte
insbesondere
in
Südostasien
und
der
Konfessionsspaltungen in der islamischen Welt ein ernsthafter Wille zur Suche besteht. Kann
dieses Projekt in den betroffenen Gesellschaften überhaupt politisch durchgesetzt werden? Es
erleichtert die Antwort nicht, dass von Interessen nationaler und internationaler Akteure
bestimmte Strategien Eskalationen häufig erst hervorrufen oder jedenfalls befördern.
Andererseits macht dies aber auch bewusst, dass es Akteure und keine Naturgewalten sind,
die diese Konflikte beherrschen oder für ihre Interessen ausnutzen. Diese können aber in
politische Handlungsstrategien einbezogen werden. Dieser rein strategisch pragmatische
Ansatz beantwortet aber noch nicht die Frage, wie der friedensstiftende Staat, in dessen
Rahmen die Konflikte zu befrieden sind, sich konzeptionell herausbildet. Am Ausgang steht
das revolutionäre Verständnis der Bürgerrechte, wonach die Bürger selbst den Souverän
verkörpern und damit selbst für den Frieden verantwortlich sind. Im Absolutismus stand der
Staat als Herrschaftsorganisation gewissermaßen in sich selbst, soziologisch getragen von
15
16
Forst, Toleranz und Konflikt, 2003, 444.
Forst, Toleranz und Konflikt, 2003, 451.
7
Königtum, Beamtentum, Herr und Adel, und war als solcher von der durch das Bürgertum
getragenen Gesellschaft organisatorisch und institutionell getrennt.17 Bei Hegel ist der Staat
zwar unbewegter Selbstzweck des objektiven Geistes.18 Seine Aussagen können aber auch so
verstanden werden, dass für ihn die subjektive Basis des Staates die freiheitliche Gesinnung
der Bürger ist.19 Hermann Heller schließlich war es, der den Staat als werdende Geschichte
verstand und diesen Ansatz gegen die traditionelle Staatslehre, den Staat als starre Dingwelt
zu konzipieren, die von der Gesellschaft getrennt ist, richtete. Trennte doch insbesondere die
deutsche Verfassungslehre wie im Absolutismus scharf zwischen Staat und Gesellschaft,
Politik (Staat) und dem Politischen (Gesellschaft).20 Mit einem derartigen Staat kann
Demokratie keinen Staat machen. Dieser ist aber auch nicht fähig, den religiösen Streit anders
als durch das Schwert zu schlichten, was ihn jedoch nicht befriedet.
Nach Heller finden die Staatsbürger den Staat zwar schon als bereits bestehende objektive–
wirkliche Gestaltung vor. Diese Wirklichkeit ist aber keine starre, von den Staatsbürgern
abgelöste statische Überinstanz. Vielmehr ist er als Sozialgebilde geformtes Leben.
Menschliche Willensakte allein sind es, die den staatlichen Gestaltzusammenhang immer von
neuem aktualisieren.21 Die „Substanz“ dieses Staates ist ein „tägliches Plebiszit“.22 Die
Beschreibung dieses Modells als Vertrag im Sinne der Übereinkunft zwischen freien Bürgern
als „typisch westliches Ideal“,23 greift aber zu kurz und verschüttet die erforderlichen
Ressourcen für den interkulturellen Diskurs. Für die Hervorbringung dieses Projekts müssen
die Bürger sich nicht auf die philosophischen Grundlagen des Staates einigen. Es ist für die
Aufgaben der Streitschlichtung und Förderung der Wohlfahrt der Bürger unerheblich, ob der
Staat nun als Forderung aus den Vertragstheorien der Aufklärung24 oder aus anderen Quellen
hergeleitet wird. Erforderlich ist vielmehr, dass die Bürger sich auf ein System einigen, das
von allen anerkannt werden kann.
Die Geschichte der Religionsfreiheit ist eine Erzählung über Menschen- und Bürgerrechte und
damit eine über den säkularen Staat. In diesem wird die Gesellschaft als die im „Bindemittel
des Rechts und streng beobachteter Gewohnheiten verkehrende Einheit von Bürgern“25
verstanden. Um den religiösen Streit zu schlichten, verstehen sich die Angehörigen der
unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen, die in diesen ihr Eigenleben führen und
ihre eigenen partikularen Wahrheiten pflegen und Interessen verfolgen, Bürger, die ihre
interessengeleiteten Bindungen abstreifen und sich im gesellschaftlichen Prozess der
Staatshervorbringung zu Subjekten wandeln, die sich mit anderen Subjekten darin
identifizieren, dass sie sich gemeinsam rational auf den Staat beziehen. Dadurch wird der
Bürger zum Staatsbürger. Jeder Bürger kann so an der demokratischen Selbstgesetzgebung
mitwirken. Dadurch kann Gefahren bloß passiver Hinnahme von Regierungsbeschlüssen
entgegen gewirkt werden.26 Ein derartiges Staatsverständnis prägt demokratische
Verfassungsstaaten, wenn auch keiner von ihnen in Reinkultur nach diesen Regeln
17
Böckenförde, Staat,Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 43.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, in: Werke 7, 1971, S. 399.
19
Franz Neumann, Die Herrschaft des Gesetzes, 1980, S. 182; zum Ganzen Marx, Eine
menschenrechtliche Begründung des Asylrechts, 1984, S. 29 ff.
20
S. hierzu Marchart, Die politische Differenz, 2010.
21
Heller, Staatslehre, S. 49 ff., 60 ff.; s. hierzu Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland. Dritter Band 1914 – 1945, 1999, S. 183 ff.; Böckenförde, Staat,Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 192.
22
Plessner, Die verspätete Nation. Über die Verführbarkeit bürgerlichen Geistes, 1974, S. 63.
23
Plessner, Die verspätete Nation. Über die Verführbarkeit bürgerlichen Geistes, 1974, S. 63.
24
Grundlegend zuletzt Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1979, 223 ff.; gegen diesen
Kontraktualismus Nussbaum, Die Grenzen der Gerechtigkeit, 2010, S. 372 ff.
25
Plessner, Die verspätete Nation. Über die Verführbarkeit bürgerlichen Geistes, 1974, S. 63.
26
Honneth, Das Recht der Freiheit, 2011, S. 590 f., mit Verweis auf Hans Kelsens Verfassungslehre.
18
8
funktioniert. Das demokratische Projekt ist ja auch kein Endzustand, sondern eine Aufgabe,
die sich täglich neu stellt.
Kann dieses Projekt aber gelingen, wenn sich Angehörige weltanschaulicher und religiöser
Gruppierungen mit einem solcherart zurück genommenen Gesellschaftsmodell nicht zufrieden
geben und mehr als lediglich über die Herstellung eines weltanschaulich neutralen Systems
diskutieren wollen? Religiöse Bürger sind in ein Sinncodierungssystem eingebunden, das
Grundbestandteil ihrer Kultur ist und sämtliche Sphären der individuellen und sozialen
Lebenswelt thematisch umfasst und sinnstiftend durchdringt. Ergreift Religion aber alle
Lebensbezüge religiöser Bürger und verbürgt sie damit die Einheit ihrer personalen
Identität,27 stellt sich für das demokratische Projekt ein Dilemma: Einerseits dürfen im
Prozess der Hervorbringung des Staates partikulare Gruppierungen nicht vom Diskurs
ausgeschlossen werden, andererseits müssen sich die Bürger auf Regeln verständigen, die
ihren gemeinsamer Staat befähigt, weltanschaulich neutral Konflikte zu befrieden. Der
Laizismus zieht aus diesem Zielkonflikt der Bürger die Konsequenz, dass religiöse
Gemeinschaften mit ihren ureigenen Anliegen nicht am Diskurs teilnehmen können, sondern
nur, wenn sie sich zurücknehmen. Genau dies erscheint jedoch den Gläubigen unzumutbar.
Der Laizimus kann also das zentrale Problem des demokratischen Projekts nicht lösen.
Solange Religionsgemeinschaften in der politischen Öffentlichkeit eine vitale Rolle spielen,
müssen sich alle Bürger darüber im Klaren sein, dass eine deliberative Politik ebenso sehr
dem öffentlichen Vernunftgebrauch der religiösen wie dem der säkularen Bürger entspringt.28
Das kulturelle Potenzial religiöser Bürger darf der gesellschaftliche Diskurs nicht ohne Not
ausschließen. Daher ist der gesellschaftliche Diskurs der Staatshervorbringung näher zu
beleuchten:
V.
Hervorbringung des säkularen Staates im postsäkularen Diskurs
Setzt das Gelingen des demokratischen Projekts die Zustimmung aller, auch religiöser Bürger
voraus, sind keine guten Gründe dafür ersichtlich, aus dem Diskurs über die legitime Form
des kulturell-pluralistischen Zusammenlebens und über die Regeln des gemeinsamen
Zusammenlebens bestimmte Gruppen auszuschließen. Die Teilnahme aller, auch der
religiösen Bürger an diesem Prozess ist daher unabdingbar.29 Letzteren muss daher die
Zumutung erspart werden, ihre religiöse Überzeugung zu bremsen, wenn es hierfür keine
guten Gründe gibt. Ein Ausweg könnte darin bestehen, zwischen dem Diskurs über den Staat
und dem gesellschaftlichen Diskurs zu differenzieren. Die sich säkular verstehende
pluralistische Gesellschaft folgt einer anderen Bewegungsdynamik als der säkulare Staat. Und
doch wird dieser durch die säkulare Gesellschaft hervorgebracht. Gelingt es, eine Trennung
zu vollziehen, zwischen der Verständigung der Bürger auf „ihren Staat“ einerseits und ihrem
Streit über das richtige Leben andererseits, könnte das aufgezeigte Dilemma überwunden
werden. Die erste Diskursebene erfordert die Verständigung auf von allen anerkannte und für
alle als verbindlich geltende Regeln. Das ist das tägliche Plebiszit im säkularen Staat. Beim
Streit über ihre heterogenen Weltanschauungen dürfen die Bürger hingegen nicht erwarten,
dass ihre partikulare sich als allgemein verbindlich durchsetzen wird. In einem von Vernunft
geprägten Diskurs wird es religiösen Bürgern einleuchten, dass ihre Offenbarungswahrheiten
gegen rational begründete Revisionen nicht immun sind, sie also keine Theorien über die
Welt darstellen, die als Gegenstand eines rationalen Verifikations- und Falsikationsprozesses
– ähnlich dem über empirische Behauptungen oder gar wissenschaftliche Hypothesen –
angesehen werden können. Um die der sich selbst gewissen Vernunft entsprechende
27
28
29
Barth, Religion in der Moderne, 2003, S. 25, 57, 148 f.
Habermas, Nachmethaphysisches Denken II, 2012, S. 251.
Forst, Toleranz im Konflikt, 2003, S. 701.
9
Selbstrelativierung vorzunehmen, bedarf es keines Verzichts auf den Anspruch „absoluter“
ethischer Wahrheiten, sondern einer Einsicht in die Differenz verschiedener kultureller und
religiöser Kontexte,30 ohne dass dies einen gesellschaftlichen Bedeutungsverlust für die
unterschiedlichen Kontexte zur Folge haben muss.31
Religiöse Bürger dürfen Respekt für ihre Interpretation der Welt erwarten und auch um
Anerkennung für ihre Wahrheiten und Anschauungen werben. Eine solcherart dynamische
Streitkultur bringt ja die Gesellschaft hervor. In ihr verwirklichen sich kulturelle und religiöse
Gehalte und Potenzen über die Vorstellung vom richtigen Leben und – sofern diese
Vorstellungen das Ganze im Auge haben – vielleicht gesellschaftliche Solidarität, die es heute
in einer zunehmend den Gesetzen ökonomischer Zweckrationalität unterworfenen Welt mehr
denn je braucht. Um die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erforderliche Solidarität
herzustellen, darf keine gesellschaftliche Gruppe aus dem Diskurs ausgeschlossen werden.
Dieser Diskurs muss auch für religiöse Wahrheitsansprüche und andere partikulare
Weltanschauungen offen bleiben. Sein Ziel ist die Hervorbringung gesellschaftlicher
Solidarität. Soweit es hingegen um die gesellschaftliche Hervorbringung des Staates geht,
müssen sich die Beteiligten auf Normen verständigen, die für alle Geltung haben. Die liberale
Verfassung wird nicht metaphysisch, sondern weltanschaulich neutral begründet. Partikulare
Weltanschauungen und religiöse Wahrheitsansprüche prägen die Gesellschaft mit, bringen
aber nicht den säkularen Staat hervor.
Säkularisierung des Staates bedeutet also nicht notwendig Säkularisierung der Gesellschaft.
Das Projekt des säkularen Staates kann aber nur gelingen, wenn religiöse Bürger ím
gesellschaftlichen Diskurs die Trennung zwischen den letzten Fragen nach dem Heil und der
Erlösung einerseits und den vorletzten, auf die Organisierung der Gesellschaft und des Staates
zielenden Fragen andererseits vollziehen können. Für den säkularen Bürger ist diese
Differenzierung ohne Bedeutung. Nachmetaphysisches Denken ist nicht mehr dem Anspruch
auf einen privilegierten Zugang zur Wahrheit verhaftet. Vielmehr entscheidet die
Verfahrensrationalität, ob etwas überhaupt wahr oder falsch sein kann.32 Den säkularen wie
den religiösen Bürger interessiert, wie nach praktischen Vernunftregeln eine Ordnung
hergestellt, die von allen anerkannt werden kann. Allerdings muss der säkulare Bürger
anerkennen, dass es in der Gesellschaft ein Bedürfnis für die Suche nach den letzten Fragen
gibt. Die religiösen Bürger ihrerseits können im Interesse des inneren Friedens nicht erwarten,
dass ihre Wahrheitsansprüche allgemein verbindlich werden können. Notwendig führt dies
zur Trennung von Religion und Staat. Dadurch wird die Religion vor dem Staat, der Staat vor
der Religion und die Bürger vor ihren Religionsgemeinschaften geschützt. Die Annahme,
durch die Trennung von Religion und Staat werde in erster Linie die säkulare Kultur
geschützt, ist damit unzutreffend.33
Die hier dargestellte Differenzierung im gesellschaftlichen Diskurs mag aus theoretischer
Sicht das zentrale Problem des demokratischen Projekts lösen. Viele ziehen jedoch unter
Hinweis auf die rational nur unzulänglich steuerbare gesellschaftliche Dynamik sein
praktisches Gelingen in Zweifel. Die menschenrechtliche Suche, die auf eine optimale
Teilnahme aller am friedlichen Diskurs einerseits sowie auf eine Befriedung religiöser,
gewaltsam ausgetragener Konflikte andererseits gerichtet ist, zielt daher auf die Regeln, nach
denen der säkulare Staat und sein Recht hervorgebracht wird. Kann es gelingen, den säkularen
Staat als gesellschaftliches Projekt hervorzubringen und zugleich dem Anspruch der Bürger
30
31
32
33
Forst, Toleranz im Konflikt, 2003, S. 644, 674.
Bielefeld, Philosophie der Menschenrechte, 1998, S. 187.
Habermas, Nachmethaphysisches Denken, 1988, S. 14.
Rawls, Das Recht der Völker, 2002, S. 204.
10
auf Ausübung ihrer weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen Raum zu geben?
Jürgen Habermas hat mit Bezug auf John Rawls überzeugend aufgezeigt, wie der
gesellschaftliche Diskurs zur Hervorbringung des säkularen Staates unter Einbeziehung von
Religionsgemeinschaften gelingen kann.34 Dafür verwendet er den Begriff des postsäkularen
Zeitalters. Dieses werde nicht durch den Verzicht der Bürger auf ihre partikularen
Überzeugungen und Übereinstimmungen geprägt, sondern durch Diskursregeln, die
Glaubensgemeinschaften eine Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs eröffne, ohne ihnen
nicht akzeptable Zumutungen aufzuerlegen. Das postsäkulare Zeitalter gehe dabei von einem
tendenziellen Bewusstseinswandel in weitgehend säkularisierten oder „entkirchlichten“
Gesellschaften aus, die sich inzwischen auf das Fortbestehen religiöser Gemeinschaften
eingestellt hätten und mit dem Einfluss religiöser Stimmen sowohl in der nationalen
Öffentlichkeit wie auf der internationalen Bühne rechneten. Damit verweist Habermas
implizit auf Probleme westlicher Gesellschaften einerseits, deren säkulares Selbstverständnis
durch muslimische Einwanderer herausgefordert wird, andererseits auf Herausforderungen,
die im internationalen Diskurs durch religiös begründeten Terrorismus aufgeworfen werden.
Nach Habermas setzt ein Gelingen des gesellschaftlichen Diskurses im säkularen Staat
voraus, dass ein jeglicher theologischer Gehalt, wenn er in modernen Gesellschaften
unbeschränkte Geltung gewinnen will, „ins Säkulare einwandern“ und deshalb die Grenze
zwischen den Diskursen des Glaubens und des Wissens strikt einhalten muss. In
hochindustrialisierten Gesellschaften, die bei ihren Leistungsträgern und Konsumenten
insbesondere auf ökonomischen Erfolg, Machtopportunismus und Selbstverwirklichung
setzten, also egozentrische Einstellungen prämierten, wachse inzwischen die Einsicht, dass
ihnen ein Moment der Entsolidarisierung immanent sei. Unter dem Zwang ökonomischer
Imperative, die tief in private Lebensbereiche eingedrungen seien, zögen sich die
eingeschüchterten Individuen immer mehr in die Blase des rationalen Egoismus zurück und
kapselten sich gegen ihre Umwelt ab. Gleichzeitig schwinde unter der Wucht systemischer
Zwänge, die sich einer intentionalen Einflussnahme immer stärker zu entziehen schienen, die
Bereitschaft zu kollektivem Handeln und das Bewusstsein, das die vereinigten Bürger durch
solidarisches Handeln ihr gesellschaftliches Schicksal gestalten könnten. Der postsäkulare
Diskurs soll also kulturelle Ressourcen für eine Solidarisierung freizusetzen, um den
gesellschaftlichen Zusammenhang zu wahren. Hierzu können Religionsgemeinschaften einen
wesentlichen Beitrag leisten. Diese Potenziale ohne Not aus dem säkularen
Gesellschaftsprojekt auszuschließen, schwächte den Diskurs zur Herstellung von Solidarität.
So gewinnt dieses solidarische Potenzial in westlichen Gesellschaften z.B. durch kirchlich
gebundene Aktivisten und Gruppen praktische Gestalt, die sich für sozial Schwache und für
Asylsuchende und Flüchtlinge einsetzen und maßgebend zivilgesellschaftliche Netzwerke
zusammen mit nicht religiös motivierten Aktivisten tragen.
Eine liberale Verfassung, die auch um der Gewährleistung religiöser Lebensformen willen
existiert, muss nach Habermas also religiöse Bedürfnisse ernst nehmen, freilich unter einem
„Übersetzungsvorbehalt“ stellen: Allen Bürgern stehe es in der politischen Öffentlichkeit frei,
ob sie sich der religiösen Sprache bedienen wollten. Allerdings müssten sie in diesem Fall
akzeptieren, dass der Gehalt ihrer religiösen Äußerungen in eine allgemein zugängliche
Sprache „übersetzt“ werde, bevor er in Agenden und Verhandlungen staatlicher
Entscheidungsgremien Eingang finden könne. So werde dem religiösen Bürger kein Verzicht
auf Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs zugemutet, andererseits aber von ihm erwartet,
dass er der Übersetzung seiner partikularen Überzeugungen in eine allgemein verbindliche
Sprache zustimme. Dadurch könne das liberale Ziel erreicht werden, dass alle staatlich
34
Zum Folgenden Habermas, Nachmethaphysisches Denken II, 2012, S. 121 ff., 134 ff., 239 ff. S. 251 ff.,
273 ff.
11
sanktionierten Entscheidungen in einer allgemein zugänglichen Sprache formuliert und
gerechtfertigt werden könnten, ohne dafür die „Polyphonie der öffentlichen Stimmenvielfalt
schon an der Wurzel einschränken zu müssen.“35
VI.
Säkularer Schutzpatron der Religionsfreiheit
Nachdem die historische Entwicklung der Religionsfreiheit nachgezeichnet wurde, kann
diskutiert werden, wie die einzelnen durch diese hervorgerufenen Konfliktfelder geregelt
werden können. Am Ausgang steht die durch Vernunft geleitete Einsicht, dass die Bürger sich
im säkularen Staat auf Regeln verständigen, wie der von ihnen hervorgebrachte Staat ihre
einzelnen Rechte schützen soll. Die Geschichte der modernen Verfassungsstaaten und des
modernen Völkerrechts liefert für diesen Einigungsprozess, aus dem der säkulare
Schutzpatron hervorgeht, reichhaltige Beispiele, die skeptische Zweifel zurückweisen.
Freilich verläuft die Verständigung auf die Regeln, die auf den staatlichen Schutz bürgerlicher
Rechte zielen, nicht ohne Spannungen und heftige soziale Konflikte. Das zeigt insbesondere
das Beispiel der Religionsfreiheit. Zusätzlich wird bei diesem Freiheitsrecht die Einigung auf
Regeln dadurch erschwert, dass einerseits der Schutz der Religionsfreiheit des Einzelnen zu
regeln ist, andererseits Religionsgemeinschaften rechtlich in den säkularen Staat integriert
werden müssen. Häufig fordern dabei gesellschaftlich bedeutsame Religionsgemeinschaften
privilegierten Schutz durch den Staat, erkennen also den „Übersetzungsvorbehalt“ nicht an.
Damit ist das weite Spannungsfeld aufgezeigt, das die Religionsfreiheit im gesellschaftlichen
Raum erzeugt. Im Ausgangspunkt steht das subjektive religiöse Selbstverständnis, also das
Recht, eine Religion oder Weltanschauung zu haben und sich nach außen zu ihr zu bekennen.
Das Recht auf Religionsfreiheit schützt dabei zuallererst die „religiöse Identität“ des
Einzelnen.36 Es kann nicht erkannt werden, dass sich die Bürger im Diskurs über ihren Staat
über kulturelle und weltanschauliche Grenzen hinweg nicht auf Regeln zum Schutze dieses
Raums der Unverfügbarkeit zugunsten jedes einzelnen Bürgers einigen und dabei sowohl
Normen setzen können, die dem Staat das Eindringen in diesen Schutzraum untersagen, und
solche, die den Staat verpflichten, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Denn dieses Regelwerk ist im Interesse aller. Dementsprechend schützen völkerrechtliche
Abkommen die Religion und die Weltanschauung, also auch nichtreligiöse Überzeugungen.
Dabei untersagt die passive Religions- und Weltanschauungsfreiheit dem Staat insbesondere,
das Bekenntnis oder die Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung
vorzuschreiben oder zu untersagen.37 Der Staat darf also weder mittelbar noch unmittelbar
Zwang ausüben, einer bestimmten Glaubensgemeinschaft anzugehören oder nicht. Indirekte
Zwangsmittel sind z.B. die Gewährleistung von Vorrechten etwa im Steuerrecht oder beim
Zugang zu öffentlichen Ämtern allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Glaubensgemeinschaft. Die Kindstaufe wird daher als problematisch bewertet und allenfalls
nur noch dann als gerade noch zulässig angesehen, wenn der Betroffene nach Erreichung der
Religionsmündigkeit seine Religion autonom bestimmen kann und seine eigene Entscheidung
rückwirkend gilt.
35
Habermas, Nachmethaphysisches Denken II, 2012, S. 239 ff. S. 251 ff., 3011, 308, 317.
EuGH, NVwZ InfAuslR 2012, 1612 = InfAuslR 2012, 444 Rdn. 70 - Y. und Z., mit Anmerkung Marx,
NVwZ 2012, 1615.
37
Der Schutz der Religionsfreiheit im Völkerrecht wird im folgenden dargestellt nach Nowak, UNO-Pakt
über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokolle. CCPR-Kommentar, 1989, Erläuterungen zu
Art. 18; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention. EMRK-Kommentar, 2. Aufl., 1996,
Erläuterungen zu Art. 9.
36
12
Weder der Staat noch die Glaubensgemeinschaft darf dem Einzelnen vorschreiben, was und
wie er zu glauben oder nicht zu glauben hat. Die Betonung der Freiheit wie auch der
Wahlmöglichkeit weist nicht nur auf das Recht hin, zwischen bestehenden Religionen oder
Weltanschauungen auszuwählen, sondern umfasst auch die negative Freiheit, keiner
Glaubensgemeinschaft angehören oder ohne religiöses Bekenntnis leben zu wollen. Beleg für
die allgemeine Anerkennung der Konversion stellt insbesondere die Entstehungsgeschichte
des 1973 in Kraft getretenen Bürgerrechtspaktes von 1966 dar. Saudi-Arabien hatte zunächst
den Schutz des Religionswechsels abgelehnt. Schließlich wurde ohne Gegenstimme ein Text
beschlossen, der das Recht einschließt, die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft
aufzugeben und einer anderen beizutreten. Darüber hinaus ist der säkulare Schutzpatron
verpflichtet, die für den Wechsel einer Religionsgemeinschaft erforderlichen gesetzlichen
Bestimmungen zu schaffen. Wo eine Religionsgemeinschaft oder Kirche einen Austritt nicht
kennt, muss er die Möglichkeit hierfür gesetzlich vorsehen. So wurde z.B. das schwedische
Recht, das bis 1951 diese Möglichkeit nicht vorsah, von den Konventionsorganen für
konventionswidrig angesehen. Bereits die subjektive Bekenntnisfreiheit des Einzelnen wird
daher nicht nur als bloßes Abwehrrecht, sondern auch als staatliche Gewährleistungspflicht
verstanden. Ferner umfasst der Schutz der Religionsfreiheit auch die Ausübungsfreiheit.
Diese unterliegt der freien Entscheidung des Einzelnen und schließt namentlich Gottesdienst,
religiöse Bräuche, Praxis und Unterricht ein. Geschützt ist auch die Unterrichtung oder
Lehre in den religiösen Überlieferungen und damit auch der Versuch der Überzeugung des
anderen, also der Missionierung.
Es wäre jedoch zu kurz gesprungen, würde das Recht auf Religionsfreiheit nur das Recht,
einen Glauben zu haben oder nicht zu haben (Bekenntnisfreiheit), schützen. Es sind keine
guten Gründe ersichtlich, dass sich die Bürger nicht auf Regeln verständigen könnten, welche
die Ausübungsfreiheit einschließlich der Glaubenspraxis und des Rechts, auf andere einwirken
zu können, schützen. Die geschichtlich erkämpfte Unverfügbarkeit der religiösen Identität
war von Beginn an nicht lediglich auf eine private Sphäre begrenzt. Vielmehr bedeutete
Religionsfreiheit seit dem 17. Jahrhundert auch das Recht auf eine Pluralität religiöser
Überzeugungen innerhalb desselben Staatswesens. Sie hatte deshalb auch eine politische
Komponente.38 Dementsprechend haben sich die Staaten auf Normen verständigt, welche die
religiöse Ausübungsfreiheit in diesem Sinne schützen.39 Die Konventionsorgane haben sogar
pazifistische Gesinnungen dem Schutz der Religionsfreiheit unterstellt, weil sie Pazifismus als
Überzeugung ansehen. Auch der pazifistische Aktivist, der Flugblätter verteilt, die Ausdruck
pazifistischer Gesinnungen sind, genießt daher den Schutz von Art. 9 EMRK.
VII.
Schutzpatron auf Abwegen
Da der postsäkulare Diskurs auch Glaubensgemeinschaften als solche einbezieht, eröffnet er
diesen damit beträchtliche diskursive Machtperspektiven und entsteht dadurch die Gefahr,
dass Kirchen und Glaubensgemeinschaften gegenüber anderen weniger stark gesellschaftlich
verankerten religiösen und weltanschaulichen Bürgern im Diskurs Überlegenheit gewinnen.
Besteht keine widerständige säkular geprägte Zivilgesellschaft, kann aus einem derartigen
Diskurs Recht hervorgehen, das Religionsgemeinschaften privilegierte Schutzräume zu
Lasten anderer verschafft. Auch in einer pluralistischen Gesellschaft ist der weltanschaulich
neutrale Staat nicht immun gegen gesellschaftliche Beeinflussungen. Erlässt er Gesetze zum
38
Huber/Tödt, Menschenrechte. Perspektiven einer menschlichen Welt, 1977, S. 164; Neumann, Das Grundrecht der
Glaubens- und Religionsfreiheit, in: Schwartländer, Menschenrechte. Aspekte ihrer Begründung und Verwirklichung, 1978,
S. 121 (130)..
39
Art. 18 Bürgerrechtspakt, Art. 9 EMRK.
13
Schutze religiöser Gemeinschaften, darf er die für das demokratische Projekt erforderliche
Balance nicht verfehlen.
Viele der bereits beschriebenen religiösen Konflikte haben ihren Grund im Verfehlen dieser
Balance, sei es, dass staatliches Recht gesellschaftlich bedeutenden Glaubensgemeinschaften
besondere Vorrechte in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, wie etwa in der
Bundesrepublik gewährt, sei es, dass er diesen Gemeinschaften einen besonderen Ehrenschutz
gegen Kritik bietet, wie es seit 1999 von der Organisation der Islamischen Kooperation
gefordert wird, sei es, dass der Schutzpatron als Religionsstaat auftritt und das scharfe
Schwert des Strafrechts gegen Kritik Einzelner oder gegen die Glaubenspraxis religiöser
Minderheiten in Anwendung bringt. Von Interesse ist deshalb insbesondere, wie gewährleistet
werden kann, dass bei der für erforderlich erachteten Einbindung von
Glaubensgemeinschaften in den gesellschaftlichen Diskurs die für eine säkulare Gesellschaft
überlebensnotwendige innere Machtbalance aufrechterhalten bleibt. Die Bürger müssen sich
auf statusrechtliche Regeln für die Glaubens- und weltanschaulichen Gemeinschaften im Staat
verständigen. So schützt z.B. die Europäische Menschenrechtskonvention Kirchen und
Glaubensgemeinschaften und erstrecken die Konventionsorgane folglich den Schutz der
Religionsfreiheit auch auf den Zusammenschluss zu einer Kirche und Glaubensgemeinschaft.
Staatliches Recht hat deren Existenz auch unabhängig von ihrer Rolle als Vertreter ihrer
Mitglieder zu schützen. Dabei wird für diese auch ein Freiraum vorgehalten, ihre eigenen
Angelegenheiten selbst zu regeln.40 Auch Art. 18 des Bürgerrechtspaktes hebt den kollektiven
Charakter der Religionsfreiheit durch die Worte „allein oder in Gemeinschaft mit anderen“
hervor und gewährleistet damit Glaubensgemeinschaften als juristischen Personen die
Religionsfreiheit und eine Beschwerderecht nach dem Fakultativprotokoll.41
Andererseits birgt die staatliche Gewährung von Immunität für Glaubensgemeinschaften für
Andersgläubige und säkulare Bürger erhebliche diskriminierende Potenziale, die das säkulare
Gesamtgefüge stören und zur Unterdrückung Andersgläubiger oder weltanschaulich neutraler
Bürger führen können. Diskriminierende Potenziale lässt auch das westliche Staatsmodell
frei, wenn Kirchen und kirchliche Wohlfahrtsträger wie z.B. in Deutschland gegenüber
gewerkschaftlicher Organisationsfreiheit rechtlich immunisiert werden. Dadurch wird die
gesellschaftliche Balance zwischen dem kollektiven bürgerlichen Recht auf Religionsfreiheit
einerseits und dem kollektiven sozialen Recht auf Zusammenschluss der Arbeitnehmer
andererseits verfehlt. Darüber hinaus kann z.B. das in Deutschland vorherrschende
Subsidiaritätsprinzip zu zahlreichen Diskriminierungen in Einzelfällen führen. Dieses setzte
zunächst staatliche Fürsorge wegen des vorherrschenden Vorrangs kirchlicher
Wohlfahrtsverbände durch eine Funktionssperre schachmatt42 und wird heute diffus im Sinne
eines gleichberechtigten Korporatismus bei der Erfüllung wohlfahrtsstaatlicher Aufgaben
gehandhabt.43 Dabei ist aber nicht sichergestellt, dass säkulare Bürger, die als Pflegepersonal
Zugang zum Arbeitsmarkt suchen, von kirchlichen Einrichtungen nach den für alle geltenden
Regeln behandelt werden. Hier führt das Beharren der Glaubensgemeinschaften auf ihre
innere Organisationsfreiheit und Bevorzugung ihrer Glaubensangehörigen zu religiösen
Diskriminierungen. Dem Funktionsprinzip des säkularen Staates läuft es zuwider, die
Delegation ihm obliegender Fürsorgeaufgaben an partikulare Gruppierungen zuzulassen, ohne
zu gewährleisten, dass auch der berufliche Zugang zur freien Wohlfahrtspflege allen Bürger
unabhängig von ihrer Weltanschauung offen gehalten wird.
40
41
42
43
Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., 1996, Art. 9 Rdn. 9 ff.
Nowak, CCPR-Kommentar, 1989, Art. 18 Rdn. 7.
BVerfGE 22, 180 (200 ff.).
Herzog, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz. Kommentar, Art. 20 VIII Rdn. 63.
14
Wandelt der Schutzpatron bereits hier auf Abwegen, streift er schließlich sein neutrales
Gewand völlig ab, wenn er bedeutenden Glaubensgemeinschaften strafrechtlichen Schutz
gewährt, um ihnen gesellschaftliche Zumutungen zu ersparen. Aktuell rücken hier islamische
Staaten ins Blickfeld. Doch auch im Westen ist solcherart staatliche Parteinahme nicht
unüblich. 1957 hielt das Bundesverfassungsgericht die strafrechtliche Verfolgung privat
ausgeübten gleichgeschlechtlichen Verkehrs zwischen erwachsenen Männern für
verfassungsrechtlich unbedenklich, weil „die beiden großen christlichen Konfessionen, aus
deren Lehren große Teile des Volkes die Maßstäbe für ihr sittliches Verhalten entnehmen, die
gleichgeschlechtliche Unzucht als unsittlich verurteilen.“44 Die sittlichen Anschauungen
partikularer Gruppierungen dürfen im säkularen Staat nicht zum Maßstab für die allgemeine
Anerkennung fordernden Grenzen des Schutzbereichs subjektiver Rechte gemacht werden.
Die Grenze der Meinungsfreiheit ist die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung
sowie die Rechte und der Ruf anderer (Art. 19 Abs. 3 Bürgerrechtspakt). Hasspredigten z.B.
gefährden nicht ohne Weiteres den öffentlichen Frieden, allenfalls in extremen Fällen. Dem
Staat obliegt hierfür jedoch eine komplexe Argumentationslast: Er muss Gründe und Belege
für die Legitimität, Erforderlichkeit und Angemessenheit seiner Schutzmaßnahmen
vorbringen.45 Freiheitsstrafen verhüllen nur schlecht, dass er in Wahrheit Partei für die
Mehrheitsreligion ergreift. Der Allgemeine Kommentar Nr. 34 (2011) zur Meinungsfreiheit
(Art. 19 Bürgerrechtspakt) des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen lehnt
zwar nicht generell Gesetze, welche die Beleidigung der Religion bestrafen, ab. Er fordert
jedoch einen behutsamen Umgang mit diesen, damit nicht die Meinungsfreiheit erstickt wird.
Freiheitsstrafen dürfen unter keinen Umständen verhängt werden.46 Auch die frühere
Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Religions- und Weltanschauungsfreiheit,
Asma Jahangir, hat darauf hingewiesen, dass in vielen Staaten mit unterschiedlichem
religiösem Kontext strafrechtliche Normen gegen die Beleidigung der Religion schützen. Der
rigorose Schutz der Religion könne jedoch ein Klima der Intoleranz hervorbringen und
Gegenbewegungen auslösen. Es gebe zahllose Beispiele der Verfolgung religiöser
Minderheiten als Ergebnis exzessiver Strafgesetzgebung.47 Dieser Malus haftet auch dem
strafrechtlich sanktionierten Burkaverbot in Frankreich und Belgien an. Demgegenüber mag
es im Widerstreit der miteinander kollidierenden Rechte und Interessen plausible Gründe
geben, als Konsequenz aus dem Neutralitätsgebot das Tragen des Kopftuches, selbst wenn es
individueller Ausdruck religiöser Überzeugung ist, im Bereich staatlicher Aufgabenerfüllung
einzuschränken.48 Im Fortschreiten des postsäkularen Diskurses werden derartige Interessenund Wertekollisionen in Zukunft vielleicht entspannter gelöst, ohne Diskriminierung aus
religiösen Gründen und unverhältnismäßige Einschränkungen des Berufsausübungsrecht.
VIII. Ist das säkulare Projekt eurozentrisch ? (Schlussbetrachtungen)
Den Bürgern im 21. Jahrhundert fehlt die Gewissheit früherer Generationen. Das gilt in
Besonderheit für die Bürger der westlichen Welt. Nach dem Verlust des Glaubens an die
44
BVerfGE 6, 389 (434 f.).
Bielefeldt, Streit um die Religionsfreiheit, in: Erlanger Universitätsreden Nr. 77/2012, 3. Folge, S. 18.
46
Human Rights Committes, General Comment No. 34 on Article 19: Freedom of opinion and expression,
Nr. 47, CCPR/C/GC/34, 12 September 2011
47
Asma Jahangir/Doudou Diéne, Report of the Special Rapporteur on freedom of religion or belief and of
the Special Rapporteur on contemporary forms of rascism, racial discrmination, xenophobia and related
intolerance onincitement to racist and religious hatred and the promotion of tolerance, A/HCR/2/3, 20 September
2006, Rdn. 40 ff.
48
BVerfGE 108 282 (297 ff.); EGMR, Urteil vom 29. Juni 2004 – Nr. 44774/98 Rdn. 103 ff. – Leyla
Sahin, bestätigt durch Urteil der Großen Kammer vom 10. November 2005; s. hierzu aber Forst, Toleranz im
Konflikt, 2003, S. 720 ff.
45
15
großen Versprechungen der Moderne, greifen Entsolidarisierung und damit einhergehend
fehlender Gemeinschaftssinn um sich. Die Religion hat für Gemeinschaften wie für Einzelne
schon immer eine sinnstiftende Funktion erfüllt. Dies anzuerkennen, ist eine grundlegende
Voraussetzung, um über kulturelle, religiöse und politische Differenzen hinweg eine
friedliche und gerechte Ordnung herzustellen und zu bewahren.
Ist die säkulare aber eine historisch singuläre, auf Europa begrenzte Perspektive, wie derzeit
in den Sozialwissenschaften behauptet wird? Haben Kulturpessimisten Recht, wenn sie
behaupten, der Islam erkenne keine subjektiven Rechte an und dies damit begründen, dass die
islamische Rechtsreligion die Lebensbereiche der Individuen umfassend regle und ihnen eine
eigene Entscheidungsfreiheit abspreche.49 Danach fehlt dem säkularen Projekt im islamischen
Rechtssystem der kulturelle Nährboden. Ist der „Kampf der Kulturen“50 tatsächlich
unabwendbar? Gegen solcherart deterministische Interventionen wird eingewandt, es habe in
der islamischen Kultur von jeher religionsfreie Zonen gegeben. Die Behauptung, im Islam
gebe es keine Trennung zwischen religiöser und säkularer Sphäre, habe wie kein anderes
Vorurteil über den Islam eine verheerende Wirkung gehabt. Die Dichotomie religiös-säkular
habe aber im Nahen Osten eine geringere Rolle gespielt als in Europa, und zwar nicht, weil
die Religion dort so omnipräsent wäre, sondern Religion nicht von einer kirchlichen
Hierarchie verwaltet und definiert werde. Zwar kenne die islamische Welt von jeher die
Differenz zwischen din („Religion“) und dunya („Welt“). Anders als in Europa, wo Recht und
Politik erst aus der Vorherrschaft der Kirchen hätten befreit müssen, habe es mangels
kirchlicher Hierarchien im islamischen Kulturkreis eine derartige Vorherrschaft aber nie
gegeben. Stets seien verschiedene Diskurse über Politik, Staat und Herrschaft geführt worden,
und stets solche, die stärker religiös, und solche, die stärker säkular geprägt seien.51
Daher kann nicht erkannt werden, warum sich das säkulare Projekt nicht auch in islamischen
Ländern durchsetzen könnte. Eine Reihe von ihnen hat ja auch bereits mit der Ratifizierung
der Bürgerrechtspakts subjektive Rechte als Voraussetzung für die Hervorbringung des
säkularen Staates anerkannt.52 Das im Westen entwickelte System der Rechte verkörpert
dieselbe normative Substanz, die inzwischen auch von allen Mitgliedstaaten der Vereinten
Nationen anerkannt worden ist.53 Damit kann auch der durch islamische Staaten aufgeworfene
Streit um einen besonderen Ehrenschutz der Religion im System der Rechte ausgetragen
werden. Denn mit ihrer Kampagne erkennen sie unvermeidbar subjektive Rechte der Sache
nach an, streiten allerdings für ihre Interpretation. Diesen Streit kann der Westen mit dem
Verweis auf das durch das System der Rechte geforderte säkulare Projekt aufnehmen. Der
säkulare Staat ist ein universelles, kein eurozentrisches Projekt. Weil im positivrechtlichen
System der universell anerkannten Menschenrechte der postsäkulare Diskurs bereits
eingelassen ist, kann er auch geführt werden und einen Weg zu Befriedung der Welt weisen.
Es können keine vernünftigen Gründe erkannt werden, die dagegen sprechen, dass ein so
definierter postsäkularen Diskurs nicht sollte gelingen können.
Reinhard Marx, 10. Juni 2013
49
Thieé, Muslimisches Recht-Zwischen liberaler Reform und reaktionärem Fundamentalismus, in: KJ
2005, 187 (201).
50
Huntington, Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, 1996.
51
Bauer, Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islam, 2011, 193 ff., 317 f.
52
Zu den 167 Ratifikationsstaaten dies Pakts (Stand 6. April 2013) gehören auch islamische Staaten, etwa
Afghanistan (Ratifikation 1983), Ägypten (1982), Algerien (1989), Bangladesh (1973), Bahrain (2006), Djibouti
(2002), Iran (1975), Irak (1971), Kuweit (1996), Libanon (1972), Libyen (2004), Mali (1974), Marokko (1979),
Pakistan (2010), Somalia (1990), Syrien (1969), Tunesien (1969), Türkei (2003) und Yemen (1987).
53
Habermas, Nachmethaphysisches Denken II, 2012, S. 304.
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