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Selbstdarstellung der politischen Parteien in den
Medien vor der Bundestagswahl 2002 –Wie
„amerikanisiert“ ist der deutsche Wahlkampf?
Magisterarbeit
im Fach Politikwissenschaft
an der Universität Potsdam
vorgelegt von
Jens Wegner
eingereicht bei
Prof. Dr. Jürgen Dittberner
Potsdam, den 08. Juli 2003
0
Inhalt
1. Einleitung...............................................................................................................3
1.1 Thema und Eingrenzung...................................................................................3
1.2 Literatur und Forschungsstand.........................................................................5
2 Rahmenbedingungen für einen Wahlkampf in den Medien..............................8
2.1 Verhältnis von Politik und Medien in der BRD..................................................8
2.1.1 Aufgaben der Medien im demokratischen System.................................8
2.1.2 Rechtliche Grundlagen der Medien in der BRD....................................11
2.1.3 Mediatisierung der Gesellschaft?..........................................................13
2.1.4 Anpassung der Politik an die Regeln der Medien.................................15
2.1.5 Bedeutung der Medien für den modernen Wahlkampf.........................17
2.2 Systemunterschiede zwischen den USA und der BRD..................................18
2.2.1 Politische Unterschiede........................................................................18
2.2.2 Mediale Unterschiede...........................................................................26
3 „Amerikanisierung“ – was ist das?...................................................................30
3.1 Merkmale der „Amerikanisierung“....................................................................30
3.1.1 Professionalisierung..............................................................................31
3.1.2 Spindoctoring........................................................................................32
3.1.3 Personalisierung...................................................................................34
3.1.4 Themen- und Ereignismanagement......................................................36
3.1.5 Meinungsforschung...............................................................................38
3.1.6 Angriffswahlkampf.................................................................................40
3.2 „Amerikanisierung“ oder „Modernisierung“?...................................................42
1
4 Wahlkampf 2002..................................................................................................44
4.1 Die politische Ausgangslage zu Beginn des Wahlkampfes............................44
4.2 Kampa, Kompetenzteam und Co. – Die Organisation des Wahlkampfes......48
4.3 Selbstdarstellung der Parteien in den Medien................................................53
4.3.1 Klassische Parteienwerbung.................................................................53
4.3.2 Medienstrategien..................................................................................59
4.3.3 Internetpräsentation..............................................................................67
4.3.4 Die Fernsehduelle.................................................................................73
4.4 Alles anders? Ein Vergleich mit früheren Wahlkämpfen..................................77
5 Fazit......................................................................................................................81
Literatur.....................................................................................................................85
Abkürzungsverzeichnis...........................................................................................94
Anhang......................................................................................................................96
2
1. Einleitung
1.1 Thema und Eingrenzung
Im Bundestagswahlkampf 2002 erweckte ein Novum das öffentlichen Interesse.
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik standen sich ein amtierender
Bundeskanzler und der Spitzenkandidat der größten Oppositionspartei in einem
Duell gegenüber. Dieses fand zwar nicht zu Highnoon im Wilden Westen statt,
sondern zur besten Sendezeit in einem Fernsehstudio. Als Waffen dienten auch
keine Pistolen, sondern Sachargumente. Gleichwohl stammt aber auch diese Art,
Mann gegen Mann gegeneinander anzutreten, aus dem Land der unbegrenzten
Möglichkeiten. Mit den beiden Fernsehduellen zwischen Gerhard Schröder und
Edmund Stoiber wurde ein Sendeformat in den deutschen Wahlkampf übernommen,
wie es in den USA schon seit langem üblich ist.
Doch auch anderen Methoden, derer sich die politischen Parteien und ihre
Kandidaten zur Selbstdarstellung im Wahlkampf bedienen, wird nachgesagt, sie
würden den amerikanischen Wahlkampf kopieren. In der Folge werde der deutsche
Wahlkampf zunehmend „amerikanisiert“. Radunski schreibt bereits 1996: „Die
Amerikanisierung der Politik ist längst auch deutsche Wirklichkeit“1. Die Stichworte,
die
in
diesem
Zusammenhang
genannt
werden,
lauten
Personalisierung,
Angriffswahlkampf oder Spindoctoring.
Doch wie „amerikanisiert“ sind Bundestagswahlkämpfe heutzutage tatsächlich? Sind
die Wahlkampfmethoden, die im Jahr 2002 zu beobachten waren, nicht eher das
Ergebnis eines längeren Prozesses, währenddessen sie sich den Gegebenheiten
einer sich stetig ändernden Mediengesellschaft angepasst haben? Ist die
Verwendung des Begriffs „Amerikanisierung“ angesichts der erheblichen politischen
und medialen Systemunterschiede zwischen den USA und der Bundesrepublik
überhaupt zulässig? Die vorliegende Arbeit soll versuchen, durch eine Fallstudie über
die Selbstdarstellung der Parteien in den Medien vor der Bundestagswahl 2002
Antworten auf diese Fragen zu geben.
Im Titel dieser Arbeit sind bereits die Thesen enthalten:
-
Selbstdarstellung der politischen Parteien vor der Bundestagswahl 2002: Dieser
Teil des Titels impliziert, dass die Medien für die Selbstdarstellung der Parteien
1
Radunski: Politisches Kommunikationsmanagement (1996), S. 39.
3
eine bedeutende Rolle spielen. In Wahlkampfzeiten erbringen diese verstärkt
kommunikative Leistungen, um Aufmerksamkeit der Medien und damit der
Wähler, deren Stimmen es zu gewinnen gilt, zu erhalten. Es wird daher zu
untersuchen sein, welcher Methoden sich die politischen Parteien im
Bundestagswahlkampf 2002 im einzelnen bedient haben.
-
Wie „amerikanisiert“ ist der deutsche Wahlkampf?: Dieser Frage liegt die
Annahme zu Grunde, dass in deutschen Wahlkämpfen zumindest teilweise
Methoden zur Anwendung kommen, die amerikanischen Mustern entlehnt sind.
Ausgehend von der Selbstdarstellung der Parteien in den Medien wird daher
untersucht werden, in welchem Ausmaß dies für den Bundestagswahlkampf
2002 zutrifft.
Es
ist
notwendig,
in
einer
theoretischen
Hinführung
zunächst
die
Rahmenbedingungen zu skizzieren, unter denen ein Wahlkampf in den Medien
stattfinden kann. Dazu ist zum einen ein Überblick über das Verhältnis von Politik
und Medien in der Bundesrepublik zweckmäßig. Dabei werden die Funktionen und
rechtlichen Grundlagen vorgestellt, unter denen die Medien agieren, sowie der
ständige Wandel, dem das Verhältnis von Medien und Politik unterliegt, betrachtet.
Zum anderen sollen die medialen und politischen Systemunterschiede zwischen der
Bundesrepublik und den USA dargestellt werden. Ausgehend von der Annahme,
dass sich im deutschen Wahlkampf amerikanische Methoden wiederfinden lassen, ist
es sinnvoll, die verschiedenen Rahmenbedingungen in beiden Ländern kurz zu
umreißen. Dieser Abschnitt dient dazu, Begriffe zu klären und Hintergründe zu
erläutern, die zum besseren Verständnis der anschließenden Untersuchung
notwendig sind. Er soll jedoch weder im Hinblick auf die Medientheorie noch auf die
Systemunterschiede zwischen der Bundesrepublik und den USA umfassende
Erkenntnisse liefern, sondern beschränkt sich auf die schlaglichtartige Darstellung
der für das Verständnis der vorliegenden Arbeit wesentlichen Aspekte.
In dem sich daran anschießenden Abschnitt soll der Begriff „Amerikanisierung“
genauer durchleuchtet werden. Zu diesem Zweck werden zunächst die wesentlichen
Merkmale dargestellt, die mit diesem Terminus in Verbindung gebracht werden.
Dabei wird auch darauf eingegangen, wie ausgeprägt sich diese im Wahlkampf der
USA darstellen. Anschließend soll die Frage erörtert werden, ob der Begriff
problemlos in der wissenschaftlichen Diskussion verwendet werden kann, oder ob
4
sich nicht der Terminus „Modernisierung“ besser eignet, um die Veränderungen in
der deutsche Wahlkampfführung zu umschreiben.
Schließlich wird der Wahlkampf der Parteien vor der Bundestagswahl 2002
untersucht. Nach einer vorangehenden Darstellung der politischen Ausgangslage der
jeweiligen
Partei
sowie
den
verschiedenen
Organisationsformen
der
Wahlkampfteams, steht die Selbstdarstellung der Parteien in den Medien im
Mittelpunkt der Untersuchung. Gleichzeitig soll dabei gezeigt werden, in welcher
Form
die
zuvor
angesprochenen
Merkmale
einer
„Amerikanisierung“
im
Bundestagswahlkampf 2002 wiederzufinden sind. Abschließend widmet sich ein
kurzer Überblick der Frage, ob es sich bei den angeführten Merkmalen tatsächlich
um neue Erscheinungen des Wahlkampfes 2002 handelt oder ob sie nicht auch
schon im Vorfeld früherer Bundestagswahlen zu beobachten waren.
Ziel der Arbeit ist es, die Wesensmerkmale des Bundestagswahlkampfes 2002 im
Hinblick auf den Begriff „Amerikanisierung“ zu charakterisieren und dem Leser einen
hinreichenden Eindruck über die Anwendbarkeit dieses Begriffs in der öffentlichen
und wissenschaftlichen Diskussion zu vermitteln.
1.2 Literatur und Forschungsstand
Über Medientheorie, politische Kommunikation und das Verhältnis von Politik und
Medien findet in der wissenschaftlichen Literatur eine breite Diskussion statt.
Dementsprechend
ist
die
Anzahl
der
diesbezüglichen
Publikationen
fast
unüberschaubar. Dabei fällt auf, dass die Zahl der Veröffentlichungen von
Fachliteratur in diesem Forschungsfeld gerade im Nachklang von Wahlen deutlich
zunimmt. Dies verwundert nicht, da Wahlkämpfe eine verstärkte kommunikative
Leistung der Parteien bedingen, die sich entsprechend in den Medien widerspiegelt.
Wahlkämpfe bieten der Wissenschaft daher reichlich Material für Studien und
Analysen. So ist auch zu erwarten, dass sich in nächster Zeit wieder eine Vielzahl
von Arbeiten der Untersuchung der Bundestagswahl 2002 widmen werden. Bisher
allerdings sind erst wenige Veröffentlichungen vorzufinden. Eine erste Auswertung
des Wahlkampfes liefert allerdings Richard Hilmer2. Das Thema „Amerikanisierung“
wurde vor allem nach der Bundestagswahl 1998 in zunehmenden Maße zum
2
Vgl. Hilmer: Bundestagswahl 2002 (2003).
5
Gegenstand der Debatte, auch wenn der Begriff schon früher gelegentlich in der
Diskussion auftauchte3.
Die größte Zahl der Aufsätze – bisher hat sich noch keine Monographie dem Thema
gewidmet – behandelt jedoch indes lediglich Einzelaspekte der „Amerikanisierung“.
So
widmen
sich
etwa
Pfetsch
und
Schmitt-Beck4
in
erster
Linie
den
Kommunikationsstrategien der Parteien im Wahlkampf, während Klein und Ohr
genau wie Wirth und Voigt5 auf die Personalisierung der Politikdarstellung eingehen.
Falter und Römmele behandeln dagegen vorwiegend die Professionalisierung von
deutschen Wahlkämpfen6. Breite Aufmerksamkeit in der Fachliteratur erhielt
schließlich auch ein Artikel Falters, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
veröffentlicht wurde und das Thema Spindoctoring zum Gegenstand hatte 7. Einen
guten Gesamtüberblick über die Thematik liefert ein Aufsatz von Holtz-Bacha aus
dem Jahr 19998.
Neben diesen wissenschaftlich-analytischen Untersuchungen wurde in jüngster Zeit
auch zunehmend Literatur von Journalisten, Politikberatern und Werbefachleuten
veröffentlicht, die in der Vergangenheit aktiv an der Planung und Durchführung von
Wahlkämpfen mitgewirkt hatten. Hervorzuheben sind insbesondere die Bände von
Machnig9 und Althaus10. Daneben findet auch eine Monographie von Althaus zum
Thema Politikberatung11 breite Beachtung in der wissenschaftlichen Diskussion. Die
Autoren
setzen
sich
vorwiegend
mit
der
praktischen
Seite
des
Kampagnenmanagements auseinander und tragen damit dem zunehmenden
Interesse der Öffentlichkeit an der Wahlkampforganisation Rechnung. Dieses zeigt
sich insbesondere in einer Vielzahl von Veröffentlichungen in den Medien, die im
Vorfeld der Bundestagswahl 2002 erschienen sind und sich mit dieser Frage
auseinander setzen12.
3
So z.B: Radunski: Politisches Kommunikationsmanagement (1996).
Vgl. Pfetsch/Schmitt-Beck: Amerikanisierung von Wahlkämpfen? (1994); Pfetsch: „Amerikanisierung“
der politischen Kommunikation? (2001).
5 Vgl. Klein/Ohr: Gerhard oder Helmut? (2000); Wirth/Voigt: Der Aufschwung ist meiner! (1999).
6 Falter/Römmele: Professionalisierung bundesdeutscher Wahlkämpfe (2002).
7 Vgl. Falter, J: Alle Macht dem Spindoctor (1998), in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.04.1998.
8 Vgl. Holtz-Bacha: Bundestagswahlkampf 1998 (1999).
9 Vgl. Machnig: Politik – Medien – Wähler (2002).
10 Vgl. Althaus: Kampagne! Neue Strategien für Wahlkampf, PR und Lobbying (2002).
11 Vgl. Althaus: Wahlkampf als Beruf (1998).
12 Vgl. u.a. Goffart: Nur der Sieg zählt, in: Handelsblatt vom 12.07.2002; Albers: Modern,
medientauglich, ratlos, in: Welt am Sonntag vom 21.07.2002; Leersch: Die Kanzlermacher, in: Die
Welt vom 13.08.2002.
4
6
Für die nachfolgende Darstellung wurde die vorhandene Literatur im Hinblick auf die
Fragestellung eingehend untersucht und einer Sekundäranalyse unterzogen. Das
Hauptaugenmerk
gilt
dabei
der
Frage,
ob
die
entsprechenden
Untersuchungsergebnisse auf die Bundestagswahl 2002 anwendbar sind. Der zweite
Teil der Arbeit stützt sich auf Medienberichte sowie auf Material, das dem Verfasser
von den Parteien zur Verfügung gestellt wurde, so etwa Wahlkampfhandbücher und
Kampagnenberichte. Zwei Experteninterviews mit dem stellvertretenden Leiter der
Abteilung strategische Planung und Wahlkämpfe der CDU, Oliver Röseler 13, und
dem Wahlkampfmanager der Grünen im Wahlkampf 2002, Rudi Hoogvliet, brachten
weitere wertvolle Erkenntnisse.
13
Röseler war im Bundestagswahlkampf 2002 gleichzeitig Mitglied des Stoiber-Teams.
7
2. Rahmenbedingungen für einen Wahlkampf in den Medien
2.1 Verhältnis von Politik und Medien in der BRD
2.1.1 Aufgaben der Medien im demokratischen System
Die
Bundesrepublik
Entsprechend
Artikel
Deutschland
20
ist
Grundgesetz
eine
parlamentarische
bestimmen
die
Bürger
Demokratie.
in
Wahlen
Repräsentanten, die für befristete Zeit die politischen Entscheidungen für die
Bevölkerung treffen. Um sich bei Wahlen sachgerecht und kompetent für einen
Repräsentanten entscheiden zu können, müssen die Bürger in der Lage sein, sich
umfassend über dessen Absichten und Ziele zu informieren. Dies kann nur in den
seltensten Fällen durch direkten Kontakt zwischen Bürger und den zur Wahl
stehenden Kandidaten geschehen. Auf lokaler Ebene mögen die Akteure dazu zwar
durchaus noch in der Lage sein. Auf Landes-, Bundes- oder gar europäischer Ebene
jedoch ist der direkte Kontakt kaum realisierbar. Die Größe unserer Gesellschaft und
eine Vielzahl an politischen Handlungsalternativen machen eine unmittelbare
Kommunikation meistens unmöglich. Das Transportmittel für die politische
Kommunikation bilden daher die Massenmedien14. Sie sind geeignet, die
größtmögliche Zahl von Bürgern zu erreichen und sie zu minimalen Kosten über die
politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen zu informieren. So ermöglichen sie
es dem Einzelnen, den politischen Prozess laufend zu verfolgen und sich ein
rationales Urteil zu bilden, auf Grund dessen er eine Wahlentscheidung fällen kann.
14
Massenmedien sind die technischen Verbreitungsmittel für Massenkommunikation. Dabei handelt
es sich um jene „Sonderform zwischenmenschlicher Kommunikation, bei der [...] ein ‚Kommunikator‘
seine Aussagen öffentlich [...], indirekt und einseitig [...] an ein anonymes, heterogenes und
raumzeitlich verstreutes ‚Publikum‘ richtet. Kommunikatoren sind [...] Beobachter der Wirklichkeit, die
Ihre Beobachtungen und Reflexionen [...] wiedergeben“. Siehe: Andersen/Woyke: Handwörterbuch
des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland (2000), S. 366. Die Begriffe
„Massenmedien“ und „Medien“ werden in dieser Arbeit synonym verwendet.
8
Unter den verschiedenen Funktionen15, die die Massenmedien in der Gesellschaft
erfüllen, lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur die drei Hauptaufgaben
Information, Meinungsbildung sowie Kritik und Kontrolle hervorheben16.
Da es dem Einzelnen kaum möglich ist, sich ohne die Vermittlungsrolle der Medien
ein umfassendes Bild von seinem gesellschaftlichen Umfeld zu machen, „gilt die
Informationsfunktion häufig als die vornehmste Aufgabe der Massenmedien“17. Mit
ihrer
Hilfe
soll
den
Bürgern
ermöglicht
werden,
die
Zusammenhänge,
Entscheidungen und Handlungen in Politik, Wirtschaft und allen anderen Bereichen
der Gesellschaft zu verfolgen und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen. Je
größer der Informationsgrad des Einzelnen ist, desto eher ist er in der Lage, eine
rationale Wahlentscheidung zu treffen oder sich sogar aktiv am politischen Prozess
zu beteiligen18. Um einen hohen Informationsgrad der Bevölkerung zu erreichen,
müssen die Massenmedien möglichst allgemein verständlich, umfassend und
objektiv berichten.
Zu beachten ist jedoch, dass die Medien nicht in der Lage sind, permanent über
sämtliche politischen Aspekte, Entscheidungen und Hintergründe zu berichten. Die
täglichen Abläufe der modernen Politik sind viel zu komplex, um sie in ihrer
Gesamtheit laufend in den üblichen Medienformaten darstellen zu können. Die
Medien sind daher gezwungen, eine Auswahl an Ereignissen zu treffen, über die sie
die Öffentlichkeit informieren wollen. Sie allein entscheiden, ob ein Ereignis
berichtenswert ist oder ob es in der Berichterstattung keine Beachtung findet.
Information wird daher immer auch von Nicht-Information begleitet19. Auch die
Entscheidung, ob über ein bestimmtes Thema ausführlich oder nur am Rande
berichtet wird, liegt allein in der Verantwortung der Medien. Dadurch haben die
Massenmedien großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Politik durch die
Bevölkerung und besitzen eine erhebliche Machtposition im politischen System der
Bundesrepublik Deutschland.
Auf der Informationsfunktion der Medien basiert die Meinungsbildungfunktion. Durch
diese werden die Bürger in die Lage versetzt, die ihnen vermittelten Informationen
Der Begriff „Funktion“ ist hier im Sinne von „Leistung“ zu verstehen, die die Massenmedien in der
Gesellschaft erbringen. Vgl. Schulz: Politische Kommunikation (1997), S. 27ff.
16 Vgl. Kamps: Politik in Fernsehnachrichten (1999), S. 58ff; Meyn: Massenmedien in Deutschland
(1999), S. 32; Schulz: Politische Kommunikation (1997), S. 46ff.
17 Kamps: Politik in Fernsehnachrichten (1999), S. 60.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. ebd., S. 61.
15
9
über den politischen Prozess nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch
kritisch zu bewerten. Da in einer pluralistischen Gesellschaft Parteien und andere
Interessengruppen permanent darum bemüht sind, ihre eigenen Interessen zu
vertreten, werden sie gegenüber der Öffentlichkeit kaum Argumente anbringen, die
ihren jeweiligen Positionen entgegenstehen20. Würden die Medien also die
Argumentation dieser Gruppen ungefiltert und unkommentiert wiedergeben, könnte
sich der Bürger nur schwer und unter großem Aufwand ein ausgewogenes Bild vom
politischen Geschehen
machen.
Mit
Hintergrundinformationen,
Kommentaren
und
alternativen
Argumenten versuchen die Medien daher, den Bürgern eine ausgewogene
Urteilsbildung zu erleichtern. „Es besteht dann die Hoffnung, daß im Kampf der
Meinungen das Vernünftige die Chance hat, sich durchzusetzen“21.
Um diese Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen zu können, müssen und sollten
die
Medien
weitestgehend
ausgewogen
und
objektiv
informieren.
Reine
Berichterstattung und Kommentar müssen strikt und für die Rezipienten der Medien
klar erkennbar voneinander getrennt sein. Diesem Ideal wird in der Realität nicht
immer entsprochen. Zwar gibt es selten einen deutlich sichtbaren Verstoß gegen die
Trennung von Nachricht und Meinung. Doch schon die Auswahl der Ereignisse und
die Intensität, mit der über sie berichtet wird, spiegelt oft bereits eine vorgefertigte
Meinung wider. Hinzu kommt, dass die Akteure in den Medien, also Redakteure und
Journalisten, eine persönliche Meinung zu den Themen, über die sie berichten,
haben. Ob angesichts dessen eine klare Trennung zwischen individuellen Ansichten
und neutraler Berichterstattung immer gewährleistet ist, darf bezweifelt werden. Die
Selektion der Themen sowie die persönliche Meinung der Journalisten haben daher
einen bedeutenden Einfluss auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit. Um
trotzdem einen möglichst hohen Grad an Objektivität zu erreichen, ist ein breit
gefächertes Medienangebot erforderlich.
Die dritte klassische Aufgabe der Massenmedien ist die Kritik- und Kontrollfunktion.
In demokratischen Gesellschaften sind es die Medien, die neben der Opposition die
Regierung kritisieren und deren Amtsführung kontrollieren. Ihnen obliegt daher die
Aufgabe, Missstände aufzudecken und die Öffentlichkeit davon zu unterrichten.
Ohne sie „liefe die Demokratie Gefahr, der Korruption oder der bürokratischen Willkür
20
21
Vgl. ebd., S. 63.
Meyn: Massenmedien in Deutschland (1999), S. 33.
10
zu erliegen“22. Diese wichtige Rolle im Regierungssystem hat den Medien
gelegentlich die Bezeichnung vierte Gewalt23 eingebracht. Der Begriff soll die Medien
in ihrer Bedeutung für die Demokratie auf eine Stufe mit der Exekutive, Legislative
und Judikative stellen. Er ist jedoch mit Vorsicht zu verwenden. Die Kontrollfunktion
der Medien ist weder demokratisch legitimiert, noch wird sie selbst überwacht; für die
Durchführung der Kontrolle gibt es keine fest vorgeschriebenen Verfahren oder
Abläufe und Neutralität ist - wie oben erwähnt wurde - nicht immer gewährleistet.
Nichtsdestotrotz
weist der Begriff in die richtige Richtung und es „herrscht doch weitgehend Einigkeit
darüber, dass Kritik und Kontrolle durch Massenmedien eine wichtige Errungenschaft
demokratischer Gesellschaften ist“24.
Durch die wichtige Stellung im politischen Prozess erwächst den Medien jedoch auch
eine große Verantwortung. Ob Journalisten dieser immer gerecht werden, ist
zweifelhaft. So ist für eine effiziente Kontrolle oft enger Kontakt zu Mitgliedern der
Regierung oder anderer Entscheidungsträger erforderlich. Inwieweit sich Journalisten
davon beeinflussen lassen und ob sie alle Informationen, die sie erhalten, auch
veröffentlichen, ist fraglich.
Aus den bisherigen Ausführungen ist bereits deutlich geworden, dass sich die drei
Funktionen zum Teil überschneiden und deren Ausübung durch die Medien nicht
immer unproblematisch ist. Gleichwohl zeigen sie die große Bedeutung auf, die die
Massenmedien in einem demokratischen Regierungssystem innehaben und
verdeutlichen, dass sie einen unverzichtbaren Bestandteil in der Gesellschaft der
Bundesrepublik Deutschland bilden.
2.1.2 Rechtliche Grundlagen der Medien in der BRD
Um ihre Funktionen in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung
wahrnehmen zu können, benötigen die Medien eine rechtliche Grundlage. In der
Bundesrepublik Deutschland stellt diese zunächst das Grundgesetz dar. Artikel 5 GG
gewährleistet
das
Recht
auf
freie
Meinungsäußerung,
Informations-
und
Pressefreiheit. Gleichzeitig untersagt es jegliche Zensur der Berichterstattung.
Einschränkungen sind den Medien lediglich „in den Vorschriften der allgemeinen
22
Ebd. S. 35.
Vgl. u.a. Altmeppen/Löffelholz: Zwischen Verlautbarungsorgan und „vierter Gewalt“ (1998), S. 121;
Bergsdorf: Die 4. Gewalt (1980).
23
11
Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem
Recht der persönlichen Ehre“ (Art. 5 Abs. 2 GG) gesetzt. Damit ermöglicht das
Grundgesetz den Medien, die oben genannten Funktionen ohne Beeinträchtigung
oder Kontrolle durch den Staat ausüben zu können. Welch hoher Stellenwert der
freien Meinungsäußerung, der Informations- und Pressefreiheit zugerechnet wird, ist
aus verschiedenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ersichtlich. So
heißt es in einem Urteil des Ersten Senats aus dem Jahre 1958: „Für eine freiheitlichdemokratische Staatsordnung ist es [das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung jw] schlechthin konstituierend, weil es erst die ständige geistige Auseinandersetzung,
den Kampf der Meinungen ermöglicht, der ihr Lebenselement ist. Es ist in gewissem
Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“.25
Neben
dem
Grundgesetz
bilden
die
Landesverfassungen
und
die
Landespressegesetze weitere rechtliche Grundlagen für die Arbeit der Medien. Die
Formulierungen
der
Landesverfassungen
ähneln
in
Bezug
auf
Meinungs-,
Informations- und Pressefreiheit in der Regel dem Text des Grundgesetzes26 und
gehen zum Teil auch über dessen Regelungsinhalt hinaus. So enthält etwa die
Verfassung von Brandenburg das Gebot, „ein Höchstmaß an Meinungsvielfalt zu
gewährleisten“
und
verbietet,
journalistische
Tätigkeit
durch
„Zeugnispflicht,
Beschlagnahme und Durchsuchung“ zu behindern27. Weitergehende Regelungen
beinhalten die Landespressegesetze. So räumen sie etwa den Medien ein
Informationsrecht ein, das zum Teil über die im Grundgesetz verankerte
Informationsfreiheit hinausgeht. Dazu gehören etwa die Auskunftspflicht der
Behörden
oder
das
Zeugnisverweigerungsrecht28.
Die
Bestimmungen
der
Landesverfassungen und der Landespressegesetze gelten auch für das Verhältnis
zwischen Medien und Bundesorganen, die ihren Sitz in dem jeweiligen Land haben,
da der Bund auf seine Rahmengesetzgebungskompetenz, die ihm nach dem
Grundgesetz zusteht, verzichtet hat (Vgl. Art. 75 Abs. 1. Ziff. 2 GG).
Da der Staat den Medien bei der Ausführung ihrer Aufgaben einen weitgehenden
rechtlichen Handlungsspielraum einräumt, sie aber gleichzeitig einen großen Einfluss
auf die öffentliche Meinung haben, erwächst ihnen eine bedeutende gesellschaftliche
24
Kamps: Politik in Fernsehnachrichten (1999), S. 63.
BVerfGE 7, S. 198ff.
26 Vgl. etwa Art. 8 Abs. 1-3 der Verfassung von Berlin
27 Vgl. Art. 19 Abs. 4-5 der Verfassung von Brandenburg
28 Vgl. z.B. § 5 Pressegesetz des Landes Brandenburg; §§ 4 u. 18 Berliner Pressegesetz.
25
12
Verantwortung. Um dieser gerecht zu werden, existieren neben den genannten
staatlichen Grundlagen auch „Ansätze zu einem Standesrecht der Massenmedien“ 29.
Sie sollen in erster Linie eine berufliche Selbstkontrolle gewährleisten. Hierzu zählen
die Publizistischen Grundsätze und die Richtlinien für die redaktionelle Arbeit nach
den Empfehlungen des Deutschen Presserates. Darin heißt es etwa: „Die Achtung
vor der Wahrheit [...] und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind
oberste Gebote der Presse“30. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Akzeptanz
dieser Grundsätze lediglich auf einer freiwilligen Verpflichtung beruht.
2.1.3 Mediatisierung der Gesellschaft?
Die
Massenmedien
haben
aufgrund
ihrer
großen
Reichweite
und
der
Unabhängigkeit, die ihnen durch das Grundgesetz gewährt wird, eine herausragende
Stellung im gesamtgesellschaftlichen Kommunikationsprozess. Diese ermöglicht es
ihnen, ihre politischen Funktionen in der Gesellschaft sinnvoll und umfassend
wahrzunehmen. Die Wirkung, die sie dabei auf ihr Publikum und auf die
gesellschaftlichen Akteure, über die sie berichten, im allgemeinen haben, wandelt
sich ständig. Insbesondere haben sich die Beziehungen zwischen Medien und Politik
im Laufe der Zeit verändert: Wurden die Medien traditionell lediglich als ein
Vermittlungsinstrument zwischen Bevölkerung und staatlichen oder anderen
Organisationen angesehen, stellen sie heute Akteure dar, die direkt oder indirekt auf
die Handlungen ihrer Umwelt Einfluss nehmen. So spricht Oberreuter inzwischen von
einem Prozess der Mediatisierung31 der Gesellschaft.
Damit umschreibt er eine Entwicklung, in deren Verlauf sich Politiker und Vertreter
anderer gesellschaftlicher Organisationen zunehmend den Regeln und der
Funktionsweise des Mediensystems unterwerfen, um öffentliche Aufmerksamkeit zu
bekommen. Da visualisierte und personalisierte politische Handlungen von den
Medien bevorzugt würden, passe sich die Politik dieser Gegebenheit an. Politische
Handlungen und Argumente seien unwichtiger als die Frage, ob ein politischer
Akteur beim Publikum gut oder schlecht ankomme. Infolgedessen beginne nicht nur
die politische Seriosität, sondern auch ein „präziser Politikbegriff“ überhaupt, sich
aufzulösen32.
29
Kepplinger: Massenkommunikation (1982), S. 55.
Deutscher Presserat: Publizistische Grundsätze in der Fassung von 1996, einzusehen unter:
www.presserat.de/site/pressekod/kodex/index.shtml
31 Vgl. Oberreuter: Mediatisierte Politik und politischer Wertwandel (1989), S. 36.
32 Vgl. ebd., S. 37f.
30
13
Als
Ergebnis
dieser
Mediengesellschaft33
Entwicklung
gesprochen.
wird
Darunter
in
der
Literatur
oft
versteht
Ulrich
Saxer
von
einer
„moderne
Gesellschaften [...], in denen Medienkommunikation [...] eine allgegenwärtige und
alle Spähren des gesellschaftlichen Seins durchwirkende Prägekraft entfaltet“34.
Merkmale für eine solche Mediengesellschaft sieht Jarren darin, dass sich die
Medien immer weiter ausbreiten und immer engmaschiger die gesamte Gesellschaft
durchdringen, die Informationsvermittlung sich enorm beschleunigt und sich neue
Medientypen herausbilden und dass die Medien selbst als Akteure eine hohe
Aufmerksamkeit beanspruchen und sich letztlich zu Institutionen entwickeln35.
Ein wichtiger Grund für die Mediatisierung ist die große Reichweite der
Massenmedien allgemein und insbesondere des Fernsehens. Laut Medienbericht
der Bundesregierung lag die Gesamtreichweite tagesaktueller Medien im Jahr 1995
bei 97 Prozent. Das Fernsehen erreichte dabei täglich 83 Prozent der Bevölkerung36.
Hinzu kommt eine rasante Entwicklung der Internet- und Onlinemedien in den letzten
Jahren. So stieg die Zahl der Internetnutzer zwischen 1997 und 2001 von rund vier
auf knapp 39 Prozent der Bevölkerung37. Dieser hohe Verbreitungsgrad der Medien
hat zur Folge, dass gesellschaftliche und politische Ereignisse für einen Großteil der
Bevölkerung erst durch die Medien wahrnehmbar werden. „Was nicht in der
Hauptsendezeit läuft, gelangt häufig nicht ins Bewußtsein der Bürger“38.
Als weiterer Grund kann die Ökonomisierung des Mediensystems angesehen
werden. Im Gegensatz zu den Printmedien waren Rundfunk und Fernsehen bis in
die 1980er Jahre staatlich reguliert. Erst als neben den öffentlich-rechtlichen Sendern
auch privatwirtschaftliche zugelassen wurden, erhielt das Marktprinzip auch in
diesem Bereich Einzug. Mit der fortschreitenden Europäischen Integration wurden
Unternehmensverflechtungen im Medienbereich auch über die Grenzen der
Bundesrepublik Deutschland hinaus möglich und verstärkten diese Entwicklung.
Durch die technische Entwicklung entstanden darüber hinaus immer mehr
Sendeplätze, so dass weitere private Sendeanstalten ihr Programm anbieten
konnten. Die Folge dieser Ökonomisierung ist eine stärkere Orientierung der Medien
33
Vgl. Jarren: Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel (1998); Saxer:
Mediengesellschaft (1998).
34 Saxer: Mediengesellschaft (1998), S. 53.
35 Vgl. Jarren: Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel (1998), S. 74.
36 Vgl. Bericht der Bundesregierung über die Lage der Medien in der Bundesrepublik Deutschland
1998.
37 Vgl. Eimeren/Gerhard/Frees: ARD/ZDF Online-Studie (2001), S. 383.
38 Meyn: Massenmedien in Deutschland (1999),S. 337.
14
an Werbemarkt- und Publikumsinteressen zu Lasten von Vermittlungsinteressen
gesellschaftlicher Organisationen und politischer Akteure39.
Es lassen sich noch andere Gründe für die Mediatisierung und die Entwicklung hin zu
einer Mediengesellschaft nennen: So sieht etwa Kepplinger in der Verbesserung der
Allgemeinbildung eine Voraussetzung für ein gesteigertes Interesse am aktuellen
Geschehen und in Folge dessen eine verstärkte Mediennutzung40. Alle angeführten
Gründe haben dabei die Konsequenz, dass der Einfluss der Massenmedien auf die
Öffentlichkeit in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist und diese Entwicklung
noch immer anhält. Die Folge ist, dass das Publikum die Realität in zunehmenden
Maß durch die Medien erfährt. Insbesondere dem Fernsehen schreibt Jarren eine
„überragende soziokulturelle Position“ zu und bezeichnet es daher, wie auch
Sarcinelli, als „Leitmedium“41. Meyer spricht sogar von der „Visualisierung der
sozialen Kommunikationsgewohnheiten“. Die Bilder im Fernsehen wirkten wie
„unvermittelte Elemente der objektiven Welt selbst“42. Dem Publikum ist dabei häufig
nicht bewusst, dass die gesendeten Bilder genau wie die Berichterstattung der
Printmedien einer Selektion durch die Redakteure unterworfen sind und nicht ein
bloßes Abbild der Wirklichkeit darstellen. „Mit dem Wachstum massenmedialer
Kommunikation kennt die Bevölkerung in der öffentlichen Sphäre eine eigene,
manchmal nur eine einzige Realität, die massenmediale Realität“43.
2.1.4 Anpassung der Politik an die Regeln der Medien
Die Mediatisierung der Gesellschaft beeinflusst vor allem das Verhältnis zwischen
Politik und Medien. War der politische Journalismus ursprünglich Bestandteil der
politischen Interessenvermittlung, entwickelte er sich im Laufe des 19. Jahrhunderts
zu einem autonomen Gegenpol zur Politik44: Medien und Politik bildeten zwei klar
voneinander getrennte Systeme, die jedoch gleichzeitig voneinander abhängig
waren. So waren die Medien auf Informationen aus der Politik angewiesen, um über
sie berichten und auf diese Weise ihrer Informationsfunktion nachkommen zu
können. Die Politik wiederum benötigte die Medien, um der Öffentlichkeit ihre
jeweiligen Handlungen und Entscheidungen bekannt zu machen und sich so
39
Vgl. Jarren: Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel (1998), S. 79f.
Vgl. Kepplinger: Die Demontage der Politik in der Informationsgesellschaft (1998), S. 37.
41 Jarren: Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel (1998), S. 84; Sarcinelli:
Parteien und Politikvermittlung (1998), S. 284.
42 Vgl. Meyer: Die Transformation des Politischen (1994), S. 134.
43 Kamps: Politik in Fernsehnachrichten (1999), S. 26
44 Vgl. Altmeppen/Löffelholz: Zwischen Verlautbarungsorgan und „vierter Gewalt“ (1998), S. 97.
40
15
politische Legitimation zu verschaffen45. Doch auch diese Vorstellung von einem
Dualismus zwischen Medien und Politik entspricht längst nicht mehr der Realität und
wurde vom Prozess der Mediatisierung überholt. Je mehr die Medien an Verbreitung
gewannen, desto abhängiger wurde der Erfolg von Politikern von deren
Berichterstattung. Zu beobachten sind daher zunehmend „Machtverlagerungen
zugunsten der Massenmedien und zu Ungunsten des Systems politischer
Herrschaft“46. Jarren sieht zudem in der abnehmenden „gesamtgesellschaftlichen
Bindungsstärke und Integrationsfähigkeit“ anderer gesellschaftlicher und politischer
Akteure einen Grund für die stärker werdenden Einflussmöglichkeiten der
Massenmedien47.
Durch die Ausweitung ihres Einflusses wirken die Massenmedien daher immer
stärker an der Gestaltung der öffentlichen Meinung und damit auch an der politischen
Willensbildung der Bevölkerung mit. Beide Aufgaben sind in der Bundesrepublik
Deutschland jedoch traditionell vor allem den politischen Parteien zugedacht (Vgl.
Art. 21 Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1,2 Parteiengesetz). Hinzu kommt, dass Klingemann und
Wattenberg
bereits
1990
in
der
Bevölkerung
eine
„Abschwächung
der
psychologischen Bindung an die etablierten politischen Parteien“48 festgestellt haben.
Dies hat zur Folge, dass die Parteien bei der Wahrnehmung ihrer politischen
Willensbildungsfunktion
zunehmend
auf
die
Berichterstattung
der
Medien
angewiesen sind. So kommt auch Brettschneider zu dem Schluss, dass
Massenmedien für die Politikvermittlung heute von größerer Bedeutung sind als
direkte Gespräche zwischen Vertretern der Parteien und den Bürgern49.
Die Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass die politischen Akteure ihre
kommunikative Infrastruktur den medialen Gegebenheiten anpassen müssen, wenn
sie Ihre spezifischen Interessen an die Öffentlichkeit bringen wollen. Die Vermittlung
von Inhalten nach außen wird verstärkt in die Hände von PR-Agenturen gelegt,
Informationen werden den Medien veröffentlichungsbereit zugespielt und die
gesamte Außenkommunikation wird professionalisiert50.
Gerade mit Blick auf die wichtige Rolle, die das Fernsehen für die Vermittlung von
Ereignissen
inzwischen
hat,
achten
45
Politiker
dabei
verstärkt
Vgl. ebd., S. 101.
Schulz: Politische Kommunikation (1997), S. 25.
47 Vgl. Jarren: Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel (1998), S. 85.
48 Klingemann/Wattenberg: Zerfall und Entwicklung von Parteiensystemen (1990), S. 330.
49 Vgl. Brettschneider: Kanzlerkandidaten im Fernsehen (2002), S. 264.
50 Vgl. Jarren: „Mediengesellschaft“ (2001), S. 16.
46
16
auf
die
Medienwirksamkeit ihrer Auftritte und Handlungen. Darüber hinaus lassen sich
komplizierte politische Sachverhalte im Fernsehen vereinfacht darstellen, um ein
größeres Publikum zu erreichen: „Die Personifizierung eines Problems ist ein
üblicher Weg, um Aufmerksamkeit zu erzeugen“51. Die Folgen sind die Inszenierung
symbolischer Politik, Durchführung von sogenannten Pseudoereignissen und eine
verstärkte Konzentration auf die politischen Akteure statt auf Themen und Inhalte.
Meyer spricht von der „Inszenierung des Scheins“. Herstellung von Politik werde im
Hinblick auf die Wirkungsmacht der Nachrichtenfaktoren kalkuliert. Das politische
Produkt erschöpfe sich in seiner reinen Darstellung, die die Vorstellung der Bürger in
Dienst nehme. Er konstatiert: „Schaupolitik ist zu einer eignen [...] dominierenden
Form politischer Kommunikation geworden“52. Eine ähnliche Sichtweise auf die
Entwicklung haben Dörner und Vogt, wenn sie davon sprechen, dass der sichtbare
Teil der Politik zu einer „professionell inszenierten Dauerwerbesendung gerate“ 53.
Zwar gibt es auch Stimmen, die diese Perspektive nicht teilen. So weist der
Wahlkampfmanager der SPD im Bundestagswahlkampf 2002, Matthias Machnig,
darauf hin, dass Politik nur wenig Kontrolle über das habe, was andere von ihr
wahrnehmen und betont, dass Personen und Inhalte unauflöslich miteinander
verbunden seien54. An der Tatsache, dass sich Politik heute verstärkt an den Regeln
der Massenmedien orientiert, besteht indes allerdings kein Zweifel.
2.1.5 Bedeutung der Medien für den modernen Wahlkampf
Unter Wahlkampf wird im permanenten Wettbewerb der Parteien diejenige zeitliche
Phase verstanden, in der vor allem die Parteien und die von ihnen aufgestellten
Kandidaten verstärkt inhaltliche, organisatorische und kommunikative Anstrengungen
unternehmen, um Wähler zu mobilisieren und deren Stimmen für sich zu gewinnen.
Wenn
die
Massenmedien
bereits
im
politischen
Alltagsgeschehen
eine
herausragenden Stellenwert besitzen, werden sie für die Parteien daher vor allem in
Wahlkampfzeiten zu einem unverzichtbaren Transportmittel und Multiplikator für ihre
politischen Botschaften.
Die Funktionen des Wahlkampfes lassen sich in Information, Identifikation und
Mobilisierung unterscheiden55. Der Bürger muss über Wahlprogramme und die
51
Hoffmann-Riem: Politiker in den Fesseln der Mediengesellschaft (2000),S. 117.
Meyer: Die Transformation des Politischen (1994), S. 137.
53 Dörner/Vogt: Der Wahlkampf als Ritual (2002), S. 15.
54 Vgl. Machnig: Politische Kommunikation in der Mediengesellschdaft (2002), S. 146.
55 Vgl. Woyke: Stichwort: Wahlen (1998), S. 106f.
52
17
politischen Ziele der Parteien informiert werden. Gleichzeitig bietet der Wahlkampf
mit
seiner
intensiven
Außendarstellung von
Politikinhalten
Anhängern
und
Mitgliedern verstärkt Gelegenheit, sich mit einer bestimmten Partei zu identifizieren
und sich gegenüber anderen abzugrenzen. Schließlich sollen Parteianhänger und
andere Wähler mobilisiert werden, um die jeweilige Partei aktiv zu unterstützen, oder
ihr am Wahltag die Stimme zu geben. Für die Erfüllung dieser drei Funktionen sind
die Parteien auf die Leistungen der Massenmedien angewiesen. Zudem weisen
Dörner und Vogt darauf hin, dass nur wenige Bürger die Wahlprogramme der
Parteien lesen oder anhand der vorangegangenen Legislaturperiode die Leistungen
und Misserfolge der Parteien genau analysieren und bei der Wahlentscheidung
gegeneinander
abwägen.
„Stattdessen
wirken
hier
oft
Stimmungen,
Medienkampagnen, Personen und ihre professionell inszenierte Ausstrahlung“56. Die
Vermittlungsleistung der Massenmedien erhält vor diesem Hintergrund nochmals
eine größere Bedeutung.
Dabei kommen für die Parteien im Wahlkampf grundsätzlich zwei Formen der
Mediennutzung in Frage. Unter dem Begriff Paid Media können sämtliche Formen
bezahlter Wahlwerbung gezählt werden. Dazu gehören etwa Wahlwerbespots,
Plakate oder Anzeigen in den Printmedien. Eine wesentlich höhere Bedeutung
kommt jedoch der Berichterstattung im redaktionellen Bereich der Medien, der Free
Media, zu. Diese Form bietet den Parteien die Gelegenheit zur kostenlosen
Selbstdarstellung und damit zur Wahlkampfwerbung in den Medien57. Wie die
Parteien im einzelnen versuchen, die Formen der Paid und Free Media zu nutzen,
wird weiter unten (siehe 4.3) gezeigt.
2.2 Systemunterschiede zwischen den USA und der BRD
2.2.1 Politische Unterschiede
Das
jeweilige
politische
System
eines
Landes
stellt
die
notwendigen
Rahmenbedingungen für den Wahlkampf. Will man den Bundestagswahlkampf auf
seine „Amerikanisierung“ hin untersuchen, ist daher ein Vergleich zwischen den
politischen Systemen der BRD und der USA unerlässlich. Für eine ausführliche
systematische Darstellung dieser Unterschiede reicht jedoch der Rahmen dieser
Arbeit bei weitem nicht aus. Daher werden im Folgenden lediglich diejenigen
56
Dörner/Vogt: Der Wahlkampf als Ritual (2002), S. 21.
18
Merkmale des jeweiligen politischen Systems erörtert, die für den Wahlkampf und
damit für den Begriff der „Amerikanisierung“ relevant sind. Dazu zählen im
wesentlichen drei Aspekte: a) die unterschiedlichen Regierungssysteme, b) die
Wahlsysteme sowie c) die Rolle der politischen Parteien. Es soll gezeigt werden,
welche Voraussetzungen für den Wahlkampf sich aus den Systemunterschieden
ergeben.
a) Die Regierungssysteme
Wie
in
den
meisten
Rahmenbedingungen
europäischen
in
der
Staaten
entsprechen
Bundesrepublik
dem
die
politischen
parlamentarischen
Regierungssystem. Dies bedeutet konkret, dass auf Bundesebene der Bundestag
das einzige Staatsorgan ist, das unmittelbar vom Volk gewählt wird. Die übrigen
Organe verfügen demzufolge
lediglich über eine abgeleitete Legitimation. So obliegt etwa die Wahl des
Bundeskanzlers
den
Abgeordneten
des
Bundestages.
Jener
schlägt
die
Regierungsmitglieder vor, die vom Bundespräsidenten ernannt werden (Vgl. Art. 64
Abs. 1 GG). Anders als in den USA kann sich also ein Kandidat für das Amt des
Regierungschefs nicht direkt der Bevölkerung zur Wahl stellen, sondern zunächst
höchstens als Bewerber um ein Mandat als Bundestagsabgeordneter. Diese
Regelung ließe vermuten, dass es zunächst keinen Bewerber gibt, der eine zentrale
Rolle im Wahlkampf spielt. In der Realität bestimmen jedoch zumindest diejenigen
Parteien, die die größten Chancen auf den Wahlsieg haben, frühzeitig einen
Kanzlerkandidaten, mit der Absicht, ihn zum Regierungschef zu wählen, falls ihre
Fraktion die Mehrheit im Bundestag stellen sollte. Die Aufstellung eines
Kanzlerkandidaten ist allerdings weder im Grundgesetz noch im Parteiengesetz
vorgesehen, sondern erfolgt allein auf die Eigeninitiative der Parteien hin. Die Folge
für den Wahlkampf ist, dass der Kanzlerkandidat meistens im Mittelpunkt der
Wahlwerbung seiner Partei steht, obwohl er nicht direkt gewählt werden kann.
Demgegenüber existiert in den USA ein Präsidialsystem58. Dies bedeutet, dass
neben den beiden Kammern des Kongresses, die auf zwei (Repräsentantenhaus)
57
Vgl. Fengler/Jun: Kopie der Kampa im neuen Kontext (2003), S. 174.
Shell lehnt der Begriff „Präsidialsystem“ ab, da er die Wechselbeziehung zwischen Exekutive und
Legislative verschleiere. Vgl. Shell: Das politische System – Kongreß und Präsident (1998), S. 207.
Da an dieser Stelle keine Begriffsanalyse durchgeführt werden kann und der Begriff geeignet ist, die
58
19
beziehungsweise vier Jahre (Senat) direkt von der Bevölkerung gewählt werden,
auch der Präsident als Staatsoberhaupt und Chef der Exekutive vom Volk bestimmt
wird. Formal handelt es sich dabei lediglich um eine indirekte Wahl, da von den
Bürgern in den einzelnen Bundesstaaten zunächst Wahlmänner bestimmt werden,
die wiederum ihre Stimme für einen Präsidentschaftskandidaten abgeben. Diese
Regelung ist durch die Annahme der amerikanischen Verfassungsväter begründet,
dass
aufgrund
des
erforderlichen
Urteilsvermögens
bei
der
Wahl
des
Staatsoberhauptes „die direkte Wahl von Männern vorgenommen wird, die
besonders befähigt sind zur Beurteilung der für den Rang des Amtes nötigen
Eigenschaften“59. Heute gehören die Wahlmänner allerdings in der Regel einer der
beiden großen Parteien an und sind damit faktisch verpflichtet, für den von ihrer
Partei nominierten Kandidaten zu stimmen. Die Präsidentenwahl kommt damit einer
direkten Wahl sehr nahe. So sieht auch Wasser eine Entwicklung hin zu einer
„faktischen Volkswahl“60. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland ergibt sich
also die zentrale Rolle, die der Kandidat für das Amt des Regierungschefs im
Wahlkampf spielt, in den USA zwangsläufig aus dem politischen System.
b) Die Wahlsysteme
Um die Wählerstimmen in Parlmentsmandate umzurechnen, sind zwei Verfahren
denkbar: das Verhältniswahlsystem und das Mehrheitswahlsystem. Beide führen zu
unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen im Parlament. Während in ersterem auch
kleine Parteien ihrem Stimmenanteil entsprechend Mandate erhalten, begünstigt
letzteres große Parteien und führt in der Regel zu klaren Mehrheiten im Parlament.
Beide Wahlsysteme haben Vor- und Nachteile. So spiegelt das Verhältniswahlsystem
den politischen Willen der Wählerschaft korrekter in der Zusammensetzung des
Parlaments wider. Gleichzeitig kann es aber auch leicht zu einer Zersplitterung der
Parteienlandschaft
kommen,
Regierungsbildungen
sind
falls
daher
keine
Sperrklausel
meistens
vorgesehen
Koalitionen
ist.
notwendig.
Für
Das
Mehrheitswahlsystem dagegen bringt stabile Mehrheiten hervor. Normalerweise sind
in einem solchen System nur zwei Parteien im Parlament vertreten. Der Nachteil liegt
bei diesem Verfahren darin, dass kleine Parteien und Gruppen kaum eine Chance
haben, ihre politischen Vorstellungen in die parlamentarische Debatte einzubringen.
Abgrenzung zum parlamentarischen System zu veranschaulichen, wird er in dieser Arbeit dennoch
verwendet.
59 Hamilton: Die Federalist Papers. Artikel 68 zitiert in: Adams: Die Federalist-Artikel (1994), S. 411.
20
Die Konsequenzen, die sich aus den unterschiedlichen Wahlsystemen ergeben,
haben auch Folgen für den jeweiligen Wahlkampf.
Das konkrete Wahlverfahren wird in der Bundesrepublik Deutschland nicht durch das
Grundgesetz sondern durch das Bundeswahlgesetz bestimmt (Vgl. Art. 38 Abs. 1, 3
GG). Es entspricht im Prinzip der Verhältniswahl. Zwar haben die Wähler mit der
Erststimme die Möglichkeit, die Hälfte der Abgeordneten im Parlament direkt zu
bestimmen.
Diese Stimme
entscheidet aber lediglich
über die
personelle
Zusammensetzung des Bundestages, nicht über die Mehrheitsverhältnisse an sich.
Diese werden allein auf Grundlage des Anteils der Zweitstimmen, die eine Partei auf
sich vereinigen kann, ermittelt. Abgeordneten, die nicht direkt gewählt werden,
ziehen über die von den Parteien erstellten Landeslisten ins Parlament ein. Das
Bundeswahlgesetz spricht daher von „einer mit der Personalwahl verbundenen
Verhältniswahl“ (§ 1 Abs. 1 Bundeswahlgesetz). Nur wenn in einem Bundesland
mehr Kandidaten einer Partei durch die Erststimme gewählt werden als ihr nach dem
Anteil der Zweitstimmen zusteht, hat auch die Erststimme einen kleinen Einfluss auf
die Zusammensetzung des Parlaments. Diese Abgeordneten können dann auf der
Basis von Überhangmandaten zusätzlich in den Bundestag einziehen.
Um der bereits erwähnten Gefahr einer Zersplitterung der Parteienlandschaft
vorzubeugen, ist eine Sperrklausel von fünf Prozent vorgesehen. Dies bedeutet,
dass nur diejenigen Parteien Sitze im Bundestag erhalten, die mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen auf sich vereinigen können. Lange Zeit führte diese
Regelung dazu, dass nur drei Parteien im Parlament vertreten waren. Erst 1983
wurde mit den Grünen erstmals seit 1957 wieder eine vierte Partei in den Bundestag
gewählt. Nach der Wiedervereinigung kam 1990 die PDS dazu, die gegenwärtig
jedoch nur mit zwei Abgeordneten, die durch die Erststimme direkt gewählt wurden,
vertreten ist. Aufgrund mehrerer im Bundestag vertretener Parteien ist es
unwahrscheinlich, dass eine Partei die absolute Mehrheit der Sitze erlangt. Zur Wahl
des Bundeskanzlers und damit auch zur Bildung einer Regierung sind daher
regelmäßig Koalitionen von mindestens zwei Parteien notwendig. Seit Bestehen der
Bundesrepublik Deutschland hat bisher auch noch keine Partei alleine die Regierung
gestellt.
60
Wasser: Institutionen im politischen System (1997), S. 8.
21
Die Tatsache, dass eine Koalitionsbildung mit hoher Wahrscheinlichkeit notwendig
ist, hat Konsequenzen für die Wahlkampfführung. Parteien mit ähnlichen politischen
Vorstellungen und Ideen sehen ineinander oft schon früh einen potenziellen
Koalitionspartner.
So
Angriffswahlkampf in
verbietet
sich
etwa
ein
allzu
hart
ausgetragener
Richtung eines möglichen Regierungspartners. Auf der
anderen Seite stehen auch Parteien mit ähnlichen Werten in Konkurrenz um die
Zweitstimme der Wähler, so dass die Parteien eher versucht sein werden, sich zu
profilieren
und
voneinander
abzugrenzen
anstatt
einen
gemeinsamen
Lagerwahlkampf zu führen.
Trotz seines geringfügigen Einflusses auf die Anzahl der Mandate hat auch das
Element der Personalwahl, das im bundesdeutschen Wahlsystem vorgesehen ist,
Folgen für den Wahlkampf. So müssen die Bewerber, die als Direktkandidaten in
ihrem Wahlkreis antreten, nicht nur für das Programm ihrer Partei werben, sondern
auch versuchen, sich selbst als Person gegenüber den Bewerbern aus den
konkurrierenden Parteien zu profilieren.
Auch in den USA gibt die Verfassung lediglich Rahmenbedingungen für die Wahl von
Kongress und Präsident vor. Die genauen Bestimmungen werden von den
Bundesstaaten festgelegt (Vgl. Art. 1 Abschnitt 4 u. Art. 2 Abschnitt 1 der Verfassung
der Vereinigten Staaten von Amerika). Generell entsprechen die Wahlen jedoch dem
Prinzip der Mehrheitswahl. Die Bevölkerung jedes Bundesstaates wählt mindestens
drei Abgeordnete in den Kongress. Alle sechs Jahre wählen die Bürger jedes Staates
zwei Senatoren in den Senat sowie alle zwei Jahre, abhängig von der
Einwohnerzahl, mindestens einen Abgeordneten in das Repräsentantenhaus. Die
Bewerber stellen sich dabei direkt den Wählern. Kandidatenlisten der Parteien
existieren nicht. Wer in einem Wahlkreis die meisten Stimmen auf sich vereinigen
kann, ist gewählt. Die Wahlkämpfe vor den Wahlen zum amerikanischen Kongress
müssen daher von vornherein mehr auf die zur Wahl stehenden Bewerber
konzentriert sein, als dies beim Verhältniswahlsystem der Fall ist. Darüber hinaus
müssen Parteien und Kandidaten nicht auf potenzielle Koalitionspartner Rücksicht
nehmen. Dies liegt zum einen daran, dass das Mehrheitswahlsystem die
Herausbildung eines Zweiparteiensystems begünstigt. So sind in den USA lediglich
Anhänger der Demokraten und Republikaner im Kongress vertreten. Es gibt zwar
noch andere Parteien. Diese spielen jedoch auf Bundesebene keine Rolle. Zum
22
anderen werden die Mitglieder der Regierung durch den Präsidenten ernannt, so
dass es dabei nicht auf die Stimmenmehrheit im Kongress ankommt.
Auch die Wahl des Präsidenten erfolgt entsprechend der Mehrheitswahl. Dies
resultiert natürlich zum einen aus der Tatsache, dass eben nur ein Amt zu vergeben
ist. Zum anderen kann jedoch ein Bundesstaat die Stimmen seiner Wahlmänner nur
geschlossen abgeben. Dies bedeutet, dass sämtliche Wahlmännerstimmen eines
Staates für denjenigen Kandidaten abgegeben werden, der dort die Mehrheit erzielt.
Die Stimmen, die auf den Gegenkandidaten entfallen, werden nicht berücksichtigt.
Dieses Verfahren kann im Extremfall dazu führen, dass ein Kandidat aufgrund der
Mehrheit der Wahlmännerstimmen zum Präsidenten gewählt wird, obwohl er nicht
die Mehrheit der abgegebenen Wählerstimmen erhalten hat.
Da jeder Bundesstaat so viele Wahlmänner hat, wie er Abgeordnete in den Kongress
entsendet, sind die Präsidentschaftskandidaten vor allem daran interessiert, die
bevölkerungsstärksten
Bundesstaaten
für
sich
zu
gewinnen.
Für
die
Wahlkampfführung bedeutet dies, dass in diesen Staaten „die Kandidaten in den
letzten Wochen vor der Wahl ihre Ressourcen massieren“61, um ihre Chancen zu
verbessern.
c) Die politischen Parteien
Politische Parteien spielen in modernen Demokratien eine bedeutende Rolle bei der
Wahl legitimierter Regierungen. Ihre Funktionen lassen sich im wesentlichen in fünf
Punkten umreißen62:
-
Zielfindungsfunktion
-
Artikulation und Aggregation gesellschaftlicher Interessen
-
Regierungsbildung
-
Mobilisierung der Bürger
-
Rekrutierung von Eliten
Der Stellenwert der einzelnen Aufgaben kann dabei in unterschiedlichen Staaten
variieren. Relevant für die Wahlkampfführung sind jedoch generell vor allem die
beiden zuletzt genannten Funktionen.
In
der
Bundesrepublik
Deutschland
haben
die
politischen
Parteien
eine
außerordentliche Bedeutung im politischen Prozess. So betont das Grundgesetz
61
Wasser: Politische Parteien und Wahlen (1998), S. 328.
23
ausdrücklich die Gründungs- und Betätigungsfreiheit der politischen Parteien (Vgl.
Art. 21 Abs. 1 GG). Damit nehmen sie den Rang einer „verfassungsrechtlichen
Institution“63 ein. Das Grundgesetz regelt jedoch nur die Rahmenbedingungen. Die
konkreten Aufgaben, die von den Parteien wahrgenommen werden sollen, sind im
Wahlgesetz und im Parteiengesetz näher bestimmt. Vor allem letzteres beinhaltet
einen breiten Aufgabenkatalog. Für den Wahlkampf sind dabei vor allem zwei
Funktionen wichtig: die Mobilisierungs- und die Rekrutierungsfunktion.
Die Mobilisierungsfunktion ergibt sich aus der Bestimmung, dass die politischen
Parteien „die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern“ (§ 1 Abs. 2
Parteiengesetz) sollen. Die Mobilisierung der Bürger zur Teilnahme am politischen
Prozess ist zwar nicht nur im Wahlkampf eine wichtige Aufgabe der Parteien. Sie
gewinnt allerdings in dieser Zeit einen besonders hohen Stellenwert, geht es doch
um die Legitimation der politischen Macht und damit um das Herzstück eines demokratischen Regierungssystems. Die Parteien selbst sind an der Mobilisierung der
Bürger interessiert, da sie einen hohen Stimmenanteil und in Folge dessen möglichst
viele Mandate und damit eine einflussreiche Stellung im Parlament anstreben. Wie
erfolgreich die Parteien bei der Wahrnehmung ihrer Mobilisierungsfunktion sind,
hängt wesentlich von den Methoden ab, die sie zu diesem Zweck anwenden. Diese
sind indes nicht vorgeschrieben. Parteien könnten daher im Wahlkampf leicht der
Versuchung erliegen, mit Hilfe populärer Wahlversprechen und grober Vereinfachung
der politischen Argumentation, die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen. Wenn
die Anwendung solcher Mittel überhand nimmt, besteht die Gefahr einer
„allgemeinen Entpolitisierung“64.
Durch die Heranbildung von Bürgern, die in der Lage sind, „öffentliche
Verantwortung“ (§ 1 Abs. 2 Parteiengesetz) zu übernehmen und deren Aufstellung
zu Wahlen, nehmen die Parteien die Aufgabe der Rekrutierung von Eliten wahr. Bei
der Kandidatenaufstellung verfügen die Parteien damit im Prinzip über eine
Monopolstellung. Ein unabhängiger Bewerber, der nicht die Unterstützung einer
Partei
besitzt,
hat
kaum
Aussicht
darauf
gewählt
zu
werden.
Der
Entscheidungsspielraum der Wähler über die personelle Zusammensetzung des
Bundestages wird damit stark eingeschränkt. Durch Aufstellung von Kandidaten und
deren Platzierung auf den Landeslisten können die Parteien bereits eine
62
Vgl. Woyke: Stichwort Wahlen. S. 90.; Wasser: Politische Parteien und Wahlen, (1998), S. 315.
Andersen/Woyke: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland
(2000), S. 444f.
63
24
Vorentscheidung darüber treffen, wer mit Sicherheit in den Bundestag gewählt wird.
Darüber hinaus wird in vielen Wahlkreisen traditionell eine bestimmte Partei gewählt,
so dass dort auch durch die Vergabe der Erststimme selten der Kandidat einer
anderen Partei die Mehrheit gewinnt. Die Konsequenz ist, dass „in dem Moment, in
dem
die
Parteien
ihre
Kandidaten
gekürt
haben,
[...]
die
personelle
Zusammensetzung des Bundestages weitgehend vorprogrammiert“65 ist. Selbst bei
einer abnehmenden psychologischen Bindung der Bevölkerung an eine bestimmte
Partei, wie sie Klingemann und Wattenberg feststellen66, spielen die politischen
Parteien in der Bundesrepublik also aufgrund der Rekrutierungsfunktion eine
wesentliche Rolle im politischen Prozess.
Damit liegt auch die Wahlkampfführung in erster Linie bei den Parteien anstatt bei
den einzelnen Kandidaten selbst. Wer durch eine gute Position auf einer Landesliste
abgesichert ist, muss im Wahlkampf weniger stark für sich werben, als wenn seine
Wahlchancen allein von seiner persönlichen Wahlkampfführung abhinge.
In der amerikanischen Verfassung ist die Funktion politischer Parteien zwar nicht
vorgesehen. Ihre gesellschaftlichen Aufgaben werden auch nicht durch unterrangige
Gesetze bestimmt. Sie sind aber dennoch von großer Bedeutung im politischen
Kommunikationsprozess der USA. Anders als in Deutschland spielten jedoch
ideologische oder soziologische Prinzipien bei der Bildung der US-Parteien kaum
eine Rolle. In einer stark heterogenen Gesellschaft, wie sie in den USA schon immer
existierte, entstanden Parteien vielmehr als zweckmäßige Zusammenschlüsse
einzelner Interessengruppen mit dem Ziel, Mehrheiten für die Übernahme öffentlicher
Ämter zu gewinnen67. Dies ist auch bis heute ihre wichtigste Aufgabe geblieben. So
sieht Wasser die US-Parteien als „Instrumente der Herrschaftsorganisation, der
Rekrutierung politischen Führungspersonals, der Organisation von Wahlen und des
Zusammenfügens disparater Interessen“68. Damit würden sie vorrangig Wahl- und
Kandidatenrekrutierungsfunktionen übernehmen, während die Zielfindungsfunktion
vernachlässigt wird. Pfetsch sieht die politischen Parteien in den USA sogar „auf
technische Funktionen von Wahlkampfmaschinen reduziert“69.
64
Backes/Jesse: Parteien, Wahlrecht und Wahlen (1996), S. 37.
Woyke: Stichwort Wahlen (1998), S. 94.
66 Vgl. Klingemann/Wattenberg: Zerfall und Entwicklung von Parteiensystemen (1990).
67 Wasser: Politische Parteien und Wahlen (1998), S. 306f.
68 Ebd., S. 316.
69 Pfetsch: „Amerikanisierung“ der politischen Kommunikation? (2001), S. 29.
65
25
Die Rekrutierung folgt in den USA jedoch einem anderen Prinzip als in Deutschland:
Demokraten und Republikaner
haben bei der Kandidatenaufstellung keine
Monopolstellung wie die Parteien in der Bundesrepublik. Das Mitspracherecht der
Bürger ist daher entsprechend größer. Dies liegt vor allem daran, dass in den
meisten Bundesstaaten in Vorwahlen, den sogenannten Primaries, über die
Aufstellung der Kandidaten abgestimmt wird70. Dies gilt sowohl für Parlaments- als
auch für Präsidentschaftskandidaten. In vielen Bundesstaaten müssen sich die
Bürger lediglich entscheiden, ob sie an der Primary der Demokraten oder der
Republikaner
teilnehmen
wollen,
um
einen
Kandidaten
zu
küren.
Einige
Bundesstaaten halten auch Closed Primaries ab. Dabei müssen die Bürger formal
erklären, dass sie in der anschließenden Kongress- oder Präsidentschaftswahl
tatsächlich für den Kandidaten der jeweiligen Partei stimmen werden. Bei
Präsidentschaftswahlen stehen die in den Vorwahlen ermittelten Kandidaten dann
erneut bei einem nationalen Parteikonvent zur Wahl. Welche Delegierten auf diesem
Konvent abstimmen dürfen, wird ebenfalls in vielen Fällen dem Wählervotum in den
einzelnen Bundesstaaten überlassen. Obwohl die einzelnen Verfahren der
Kandidatennominierung stark variieren können, ist der Unterschied zur einheitlichen
Praxis in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich.
Die Bedeutung, die den nominierten Kandidaten aufgrund des Mehrheitswahlrechts
zukommt, hat auch Konsequenzen für die Wahlkampfführung der Parteien. So
obliegt ihnen in erster Linie die Organisation und Durchführung der unterschiedlichen
Primaries und Konvente sowie die Aufbringung der dafür erforderlichen finanziellen
Mittel. Für die Mobilisierung der Wähler sind jedoch in erster Linie die Kandidaten
selbst verantwortlich. Dies gilt insbesondere für die Vorwahlen, in denen sich die
Bewerber noch nicht der Unterstützung der gesamten Partei sicher sein können.
Auch bei den anschließenden Kongress- und Präsidentschaftswahlen können die
Kandidaten zwar auch auf die Unterstützung der Parteien zurückgreifen. Für ihre
Wahlkampfführung sind sie jedoch selbst verantwortlich.
70
Die Regelungen über die Kandidatenaufstellungen sind den einzelnen Bundesstaaten überlassen.
Die politische Praxis bei der Durchführung von Vorwahlen variiert daher oft sehr stark. In wenigen
Staaten werden die Kandidaten auch noch durch ein Caucus- oder Conventionverfahren bestimmt, bei
dem die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschlossen bleibt. Die einzelnen Regelungen umfassend
darzustellen, ist deswegen in dieser Arbeit nicht möglich. Es soll jedoch deutlich werden, dass sich die
Kandidatennominierung in den USA von der Praxis in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich
unterscheidet.
26
Bereits dieser knappe Überblick über die politischen Gegebenheiten verdeutlicht,
dass die Voraussetzungen für Wahlkämpfe in der Bundesrepublik Deutschland und
den USA sehr unterschiedlich sind. Es ist daher fraglich, inwieweit der Begriff
„Amerikanisierung“ für die Beschreibung der Entwicklung von Wahlkämpfen in
Deutschland anwendbar ist. Auf diese Frage wird weiter unten (siehe 3.2) näher
einzugehen sein. Zunächst sollen jedoch die Unterschiede im medialen System der
beiden Länder dargestellt werden.
2.2.2 Mediale Unterschiede
In modernen Demokratien sind die Massenmedien unverzichtbare Voraussetzung für
eine erfolgreiche Wahlkampfführung. Die rechtlichen Grundlagen, auf denen Existenz
und Arbeit der Medien in der Bundesrepublik Deutschland basieren, wurden bereits
dargestellt. Auch in den USA ist das Recht auf freie Meinungsäußerung und damit
auch auf ein unabhängiges Mediensystem in der Verfassung verankert: „Der
Kongreß darf kein Gesetz erlassen, das [...] die Rede- oder Pressefreiheit [...]
einschränkt“ (1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika).
Dennoch gibt es zum Teil deutliche Unterschiede in den Mediensystemen der beiden
Staaten, die die jeweiligen Wahlkämpfe beeinflussen können. Dies gilt insbesondere
im Bereich von Rundfunk und Fernsehen. Darüber hinaus lassen sich auch
Unterschiede in der Kommunikationskultur feststellen.
Während in der Bundesrepublik die Printmedien vorwiegend privatwirtschaftlich
organisiert sind, existiert im Rundfunkbereich ein Duales System aus privaten und
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten
sind unabhängig von staatlicher Kontrolle und finanzieren sich überwiegend durch
Gebühren. Ein Rundfunkrat, der sich aus Mitgliedern gesellschaftlich relevanter
Gruppen zusammensetzt, soll eine Selbstkontrolle hinsichtlich Ausgewogenheit,
Unparteilichkeit und Objektivität der Sender gewährleisten71. Die seit Mitte der
1980er Jahre zugelassenen privaten Fernseh- und Hörfunksender finanzieren sich im
Gegensatz dazu ausschließlich durch Werbung und unterliegen nicht der Kontrolle
eines Rundfunkrates.
Das Nebeneinander von privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat
Auswirkungen auf die Wahlkampfplanung und -führung der Parteien. Dies resultiert
71
Vgl. Papier/Möller: Presse- und Rundfunkrecht (1999), S. 458.
27
insbesondere aus dem generellen Anspruch auf kostenlose Wahlwerbespots, den
politische Parteien gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern geltend machen
können. Entsprechende Regelungen enthalten die Staatsverträge des ZDF und der
meisten ARD-Rundfunkanstalten72. Diejenigen Sender, aus deren Staatsverträgen
keine Anspruchsgundlage der Parteien auf Gewährung von Sendezeit abzuleiten
ist73, stellen diese in der Regel freiwillig zur Verfügung. Dabei ist jedoch entspechend
dem Parteiengesetz die Chancengleichheit der Parteien zu wahren (Vgl. § 5 Abs. 1
Parteiengesetz).
In
der
Praxis
wird
die
Gesamtwerbezeit
dabei
unter
Berücksichtigung der Bedeutung der Parteien und unter Wahrung bestimmter
Mindestkontingente verteilt. Aufgrund der großen Reichweite der öffentlich-rechlichen
Rundfunkanstalten bedeutet diese Regelung, dass auch Parteien mit einem geringen
Wahlkampfbudget die Möglichkeit haben, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu
werden.
Doch
auch
die
privaten
Rundfunkanstalten
müssen
den
Parteien
zu
Wahlkampfzeiten angemessene Sendezeiten zur Verfügung stellen. Entsprechende
Bestimmungen für bundesweit zu empfangende Sender enthält der vierte
Rundfunkstaatsvertrag74.
Im
Gegensatz
zu
den
öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten sind den privaten Sendern jedoch bei der Vergabe von Sendezeit
die Selbstkosten zu erstatten. Die Chancengleichheit der Parteien bleibt dennoch
weitgehend gewährleistet.
Obwohl Wahlwerbespots für Parteien in der Bundesrepublik kostenlos sind
beziehungsweise lediglich gegen Erstattung der Selbstkosten ausgestrahlt werden
können, sind sie zum Bereich Paid Media zu zählen, da sie keiner redaktionellen
Bearbeitung
durch
die
ausstrahlenden
Sender
unterliegen,
in
alleiniger
Verantwortung der Parteien produziert werden und eindeutig als Wahlwerbung
erkennbar sind. In diesem Bereich haben die Regelungen in der Bundesrepublik
Deutschland daher erhebliche Auswirkungen auf den Wahlkampf. Gebe es keine
entsprechenden Vorschriften, wäre damit zu rechnen, dass die Parteien mit den
größten Budgets deutlich mehr Sendezeit hätten als finanzschwächere Parteien.
72
Vgl. etwa. § 11 Abs. 1 des ZDF-Staatsvertrage; § 14 Abs. 2 des Staatsvertrages über den
Mitteldeutschen Rundfunk.
73 So beinhaltet etwa der ARD-Staatsvertrag keine entsprechende Regelung. Auch der Staatsvertrag
des Sender Freies Berlin sah keine kostenlosen Wahlwerbespots vor. Der Staatsvertrag der
Rundfunkanstalt Berlin Brandenburg, der aus dem Zusammenschluss von SFB und ORB am 1. Mai
2003 entstanden ist, räumt dem neuen Sender entsprechend § 8 Abs. 2 lediglich die Möglichkeit ein,
Sendezeit zur Verfügung zu stellen.
28
Aufgrund der großen Breitenwirkung von Radio und Fernsehen hätten sie damit
eindeutig Vorteile im Wahlkampf.
In den USA dagegen gibt es keine öffentlich-rechtlichen medialen Strukturen. So gut
wie alle Medien sind in privatem Eigentum. Rundfunksender finanzieren sich
ausschließlich über Werbeeinnahmen. Eine staatliche Kontrolle findet nicht statt.
Zwar gibt es im Rundfunkbereich mit der Federal Communications Commission eine
Regulierungskommission, die Sendelizenzen vergibt. Diese werden in der Regel
routinemäßig ausgestellt oder verlängert. In der Praxis beschränkt sich die Funktion
der Kommission jedoch auf die Wahrnehmung einer Vermittlerrolle bei Konflikten
innerhalb der Medienindustrie75.
Was die Vergabe von Sendezeit an Parteien oder Kandidaten für öffentliche Ämter
betrifft, gibt es keine Regulierungen. Genau wie jede Produktwerbung können
politische Werbespots in beliebiger Menge gegen Bezahlung im Programm der
Sender platziert werden. Dies führt dazu, dass vermögende Parteien und Kandidaten
grundsätzlich die Möglichkeit haben, mehr Sendezeit zu bekommen als finanziell
schwächere76.
Zwar
ließe
sich
argumentieren,
dass
aufgrund
des
Mehrheitswahlsystems die zwei großen Parteien ohnehin begünstigt werden. Auf
der anderen Seite wurde
bereits dargelegt, dass es vorrangig in der Verantwortung der einzelnen Bewerber
liegt, ihren Wahlkampf zu organisieren. Insbesondere bei den Vorwahlen haben
somit finanzschwächere Bewerber das Nachsehen, wenn sie sich weniger Sendezeit
kaufen können. Die unterschiedliche Regelung in den USA und der Bundesrepublik
haben darüber hinaus Auswirkungen auf die Länge der Werbespots. So haben HoltzBacha und Kaid in einer Studie festgestellt, dass in Ländern, in denen Wahlwerbung
frei erworben werden kann, die Spots wesentlich kürzer sind als in Ländern, die eine
Regulierung vorsehen. Danach ist eine Wahlsendung in den USA in der Regel 30
oder 60 Sekunden lang. In Deutschland dauern die Spots durchschnittlich 2,5
Minuten77. Ein wesentlicher Grund für diesen Unterschied ist in den unterschiedlich
hohen Kosten für Wahlwerbung in den jeweiligen Ländern zu sehen. Die Länge von
Werbespots kann jedoch Auswirkungen auf die Strategie der Wahlkampfführung
74
Vgl. § 42 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag vom 31. August 1991, i.d.F. des vierten
Rundfunkstaatsvertrages, gültig ab 1. April 2000.
75 Vgl. Kleinsteuber: Medien und öffentliche Meinung (1998), USA. S. 380f.
76 Vgl. Holtz-Bach/Kaid: A Comparative Perspective on Political Advertising (1995), S. 15.
77 Vgl. ebd. S., 16.
29
haben, denn es ist fraglich in welchem Umfang sich politische Inhalte innerhalb einer
halben Minute transportieren lassen.
Die unterschiedlichen Strukturen im Medienbereich haben auch Auswirkungen auf
die Kommunikationskultur der beiden Länder. So stellt Pfetsch einen Zusammenhang
zwischen dem Ausmaß der Kommerzialisierung der Medienstrukturen und dem Stil
der politischen Kommunikation fest78. Demnach sind die Medien bei zunehmenden
wirtschaftlichen
Wettbewerb
verstärkt
darum
bemüht,
die
Kosten
der
Informationsbeschaffung zu minimieren. Dies macht sie jedoch empfänglicher für die
von der politischen Öffentlichkeitsarbeit mediengerecht vorbereiteten Botschaften. Je
geneigter die Medien sind, vorproduziertes Material in ihrer Berichterstattung zu
verwenden, desto wichtiger ist für die Parteien die Planung mediengerechter
Inszenierungen im Wahlkampf.
Sowohl im politischen als auch im medialen System sind also deutliche Unterschiede
zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich. Gerade vor
diesem Hintergrund soll im Folgenden der Begriff der „Amerikanisierung“ auf seine
Anwendbarkeit auf den deutschen Wahlkampf hin untersucht werden.
3. „Amerikanisierung“ – was ist das?
3.1 Merkmale der „Amerikanisierung“
Der Begriff „Amerikanisierung“ taucht seit den 1990er Jahren regelmäßig im Vorfeld
von Bundestagswahlen in der öffentlichen Diskussion auf. So bezeichnete etwa
Radunski
1996
den
Begriff
als
„stereotype
Kommentierung
deutscher
Wahlkämpfe“79. Welche Elemente des Wahlkampfes machen nun aber eine
„Amerikanisierung“ aus? An dieser Stelle soll erläutert werden, auf welche Merkmale
des modernen Wahlkampfes sich dieser Terminus genau bezieht. In der Literatur
lassen sich zahlreiche Aspekte finden, an denen der Begriff festgemacht wird. Zum
einen wird der Terminus auf die Planungs- und Organisationsebene des
Wahlkampfes bezogen. So betrachtet etwa Donges die Professionalisierung der
78
79
Vgl. Pfetsch: „Amerikanisierung“ der politischen Kommunikation? (2001), S. 30.
Radunski: Die Amerikanisierung der Wahlkämpfe (1996), S. 33.
30
Wahlkampfführung als ein Hauptmerkmal80 der „Amerikanisierung“. Falter und
Römmele dagegen heben in diesem Zusammenhang vor allem das sogenannte
Spindoctoring, also den Einsatz von unabhängigen Politikberatern, als Merkmal
hervor81. Zum anderen spielt der Begriff auch auf die Durchführungsebene des
Wahlkampfes an. Winfried Schulz sieht etwa in der zunehmenden Bedeutung des
Marketing-Ansatzes oder der Inszenierung des Wahlkampfes als KandidatenWettstreit wichtige Merkmale der „Amerikanisierung“82, während Plasser sogar „die
Tendenz zur sportlichen Dramatisierung“ des Wahlkampfs hinzuzählt83.
Letztendlich lassen sich jedoch aus der Literatur sechs Hauptmerkmale der
„Amerikanisierung“ herauskristallisieren, die sich jedoch nicht immer eindeutig
voneinander abgrenzen lassen und sich zum Teil überschneiden:
-
Professionalisierung des Wahlkampfes
-
Spindoctoring
-
Personalisierung
-
Vermehrtes Ereignis- und Themenmanagement durch die Wahlkampfteams
-
Zunehmende Inanspruchnahme von Meinungsforschung
-
Ein verstärkter Angriffswahlkampf.
Vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen Systemunterschiede wird im
Folgenden dargestellt, was unter den einzelnen Merkmalen zu verstehen ist und wie
ausgeprägt diese im amerikanischen Wahlkampf tatsächlich sind. Darüber hinaus
soll gezeigt werden, inwieweit die politischen und medialen Bedingungen in der
Bundesrepublik eine Übernahme dieser Merkmale ermöglichen. In welchem Ausmaß
sich
die
einzelnen
Merkmale
im
Bundestagswahlkampf
2002
tatsächlich
wiederfinden, wird im vierten Teil dieser Arbeit ausführlich überprüft.
3.1.1 Professionalisierung
Unter Professionalisierung des Wahlkampfes wird eine Zentralisierung der
Wahlkampagne
verstanden.
Dadurch
sollen
Wahlkampfmaßnahmen
besser
koordiniert und ein einheitlicher Auftritt von Partei und Kandidaten gegenüber den
Medien gewährleistet werden. Um diese Ziele zu erreichen, bedienen sich die
Parteien zunehmend professioneller Hilfe. Die Leitung der Kampagnen übernehmen
nicht mehr nur Parteifunktionäre, sondern unabhängige Medienprofis, die oft nicht
80
Vgl. Donges: Amerikanisierung, Professionalisierung, Modernisierung? (2000), S. 29.
Vgl. Falter/Römmele: Professionalisierung bundesdeutsche Wahlkämpfe (2002), S. 52f.
82 Vgl. Schulz: Politische Kommunikation (1997), S. 186f.
81
31
einmal der Partei angehören. So gehört für Schulz zur Professionalisierung des
Wahlkampfes, dass „die Aufgaben engagierter Parteisoldaten von Experten für die
Diagnose und Steuerung der öffentlichen Meinung, wie Meinungsforscher,
Medienberater, Werbe- und Public-Relations-Agenturen übernommen werden“84. Die
Kampagnenorganisation
wird
damit zunehmend
aus
den
Parteien
hin
zu
Medienspezialisten verlagert, die außerhalb des politischen Systems stehen85.
Das wohl prominenteste Beispiel für die Professionalisierung des Wahlkampfes in
der Bundesrepublik stellt bisher die erstmals 1998 eingerichtete Wahlkampfzentrale
der SPD, Kampa, dar. Zu ihren Aufgaben gehörten unter anderem Medienberatung,
Pressearbeit, Werbung, Gegnerbeobachtung, Unterstützung der Kandidaten bei
Veranstaltungen
und
die
Auswertung
der
Ergebnisse
von
Meinungsforschungsinstituten86. Daneben bestand eine bedeutende Leistung in der
Koordination der traditionellen Parteigremien für die Wahlkampfführung. Doch auch
die Parteien, bei denen die Organisation des Wahlkampfes vorrangig noch in den
Parteigremien angesiedelt ist, greifen verstärkt auf die Hilfe unabhängiger
Werbeagenturen zurück87. Pfetsch und Schmitt-Beck stellen allerdings fest: „Der
Trend zur Professionalisierung und Zentralisierung der Wahlkampforganisation ist
aufgrund der unterschiedlichen ideologischen Festlegungen nicht in allen Parteien
gleich weit fortgeschritten“88.
Die Gründe für eine zunehmende Professionalisierung können zum einen im
Bedeutungszuwachs der Medien gesehen werden. So erkennt etwa Holtz-Bacha in
dem Bemühen der Politik, die Medienberichterstattung gezielt zu beeinflussen, eine
Folge der Zulassung privater Rundfunkanstalten und der damit einhergehenden
Zunahme der Sender89. Zum anderen sei auch in den Veränderungen in der
Wählerschaft
wie
die
abnehmende
Parteienidentifikation
und
dem
damit
einhergehenden Bedeutungsverlust der politischen Parteien ein Grund für die
Professionalisierungstendenzen zu sehen90.
Die im Vergleich zur Bundesrepublik relativ unbedeutende Rolle der Parteien ist auch
in den USA die Voraussetzung für stark professionalisierte Wahlkämpfe. Da es vor
83
Plasser: Globalisierung der Wahlkämpfe (2003), S. 107.
Schulz: Wahlkampf unter Vielkanalbedingungen (1998), S. 378.
85 Vgl. Holtz-Bacha: Bundestagswahlkampf 1998 (1999), S. 10.
86 Vgl. Becker: New Labour auf dritten Wegen (2002), S. 270.
87 Vgl. Müller, Marion: Parteienwerbung im Bundestagswahlkampf (2002), S. 629ff.
88 Pfetsch/Schmitt-Beck: Amerikanisierung von Wahlkämpfen? (1994), S. 237.
89 Vgl. Holtz-Bacha: Massenmedien und Wahlen (2002), S. 25f.
90 Ebd.
84
32
allem in der Verantwortung der einzelnen Kandidaten liegt, für sich zu werben, sind
sie es auch, die sich ein eigenes Wahlkampfteam zusammenstellen müssen. Dabei
greifen sie auf kleine private Unternehmen zurück, die sich meistens auf die
Durchführung von Wahlkampagnen spezialisiert haben. Da sich eine Kampagne in
den USA also jeweils nur auf eine einzelne Person und nicht auf eine Partei
konzentrieren muss, sind die Bedingungen für einen professionalisierten Wahlkampf
dort eher gegeben als in Deutschland.
3.1.2 Spindoctoring
Das
Spindoctoring
geht
meist
mit
der
Professionalisierung
der
Wahlkampforganisation einher. Der Begriff Spin Doctor ist nur schwer ins Deutsche
zu übertragen. Der Vorschlag Holzers, ihn mit „Hexenmeister“91 zu übersetzen,
erscheint unzutreffend, hat doch die Aufgabe eines Spin Doctors weniger mit Hexerei
als mit professioneller Medienarbeit zu tun. Auch Falters und Römmeles Vorschlag,
in der Person des Spin Doctors „eine Art Medizinmann der Wahlkampfführung“ 92 zu
sehen, greift zu kurz. Vielmehr handelt es sich um einen professionellen
Wahlkampfmanager, der den gesamten Wahlkampf überblicken, koordinieren und
ihn letztendlich in die richtige Richtung lenken soll. Will man also die Aufgabe eines
Spin Doctors anschaulich umschreiben, kann man davon sprechen, dass er dem
Wahlkampf den richtigen „Dreh“ gibt. Dies entspricht auch am ehesten der
Übersetzung des englischen Verbs to spin. Althaus lehnt sogar nicht nur eine
Übersetzung, sondern den Begriff Spin Doctor an sich ab, da dieser den Markt für
eine sehr spezifische Dienstleistung verniedliche. Stattdessen zieht er die
Bezeichnung Political Consultant vor 93.
Doch welche Bezeichnung man auch vorzieht, fest steht, dass in den USA die
Wahlkampfführung auf allen politischen Ebenen ohne professionelle Berater nicht
mehr denkbar ist. Die Beratung der Politiker im Wahlkampf hat sich dort mittlerweile
zu einem eigenständigen Berufszweig etabliert, und „die Professionalisierung der
Political Consultants schreitet fort“94. So existiert mit der American Association of
Political Consultants bereits seit 1969 ein eigener Berufsverband für politische
Berater mit über 1100 Mitgliedern. Deren Mitglieder bekennen sich nicht nur zu
einem Ehrenkodex für Political Consultants, sondern nehmen auch regelmäßig an
91
Holzer: Von Hexenmeistern und Media-Handwerkern (1996), S. 119.
Falter/Römmele: Professionalisierung bundesdeutsche Wahlkämpfe (2002), S. 52.
93 Vgl. Althaus: Professionalismus im Werden (2002), S. 79
92
33
der Verleihung der sogenannten Pollies teil, einem vom Verband ausgelobten Preis
für Leistungen im Bereich der professionellen Politikberatung. Die knapp hundert
Kategorien reichen von der Beurteilung gesamter Kampagnen über Teilaspekte wie
Fernsehspots oder Radiowerbung für die Kandidaten bis hin zu „Best Use of Negative Advertising on a Website”95. Daneben existieren eine Reihe von akademischen
Einrichtungen, die sich auf die Ausbildung professioneller Wahlkampfberater
spezialisiert haben. Als erste und renommierteste unter ihnen gilt die 1986
gegründete Graduate School of Political management der George Washington
University. Diese tägt ihrem Selbstverständnis nach der Tatsache Rechnung, dass
„both electoral politics and governing have become increasingly specialized and
professionalized“96. Beide Beispiele verdeutlichen, welch hohen Stellenwert die
professionelle Politikberatung in den USA mittlerweile erreicht hat. Althaus
konstatiert: „Das für das europäische Denken fremde Konzept, politische Expertise in
einem freien Beruf zu organisieren statt in einem bürokratischen Parteiapparat, ist
inzwischen fixer Bestandteil der politischen Kommunikation in den USA“97.
Die Wahlkampfführung in der Bundesrepublik Deutschland ist allerdings noch weit
davon entfernt. Auf das Management der Wahlkampforganisation hierzulande wird in
Punkt 4.2 noch näher eingegangen. An dieser Stelle sei nur vermerkt, dass der
Wahlkampfmanager der CDU/CSU im Jahr 2002, Michael Spreng, dem Bild eines
Spin Doctors beziehungsweise Political Consultants am nächsten kommt. Als
Medienexperte wurde auch er von außerhalb des politischen Alltagsgeschehens
engagiert, um den Wahlkampf erfolgreich zu organisieren. Nichtsdestotrotz ist er
nicht grundsätzlich auf die Politikberatung im Sinne eines Political Consultants
spezialisiert. Auch kann seine Rolle im Wahlkampf der Bundesrepublik zumindest
noch als Ausnahme gesehen werden. Mit dem Ausmaß des Political Consulting in
den USA ist die Praxis in der Bundesrepublik bisher kaum zu vergleichen.
3.1.3 Personalisierung
Der Begriff Personalisierung umschreibt eine wachsende Bedeutung der Darstellung
von persönlichen und unpolitischen Eigenschaften eines Kandidaten in den Medien
auf Kosten von Sachthemen und Inhalten von Parteiprogrammen. Komplexe
politische Sachverhalte sollen auf diese Weise vereinfacht dargestellt werden. Ein
94
Ebd., S. 97.
Vgl. www.theaapc.org
96 Vgl. www.gwu.edu/~gspm/about/index.htm
95
34
wichtiger Grund hierfür ist die Tatsache, dass dem Publikum die „Orientierung an
Personen allemal leichter fällt als die Auseinandersetzung mit Sachfragen“98.
Darüber hinaus ist jedoch zu bedenken, dass Massenmedien auf Bilder und damit
auch auf die Darstellung von Personen angewiesen sind. Sollen etwa ein neues
Gesetz, ein Parteiprogramm oder geplante Reformen dem Publikum im Fernsehen
vermittelt werden, bedarf es eines Politikers, der die jeweiligen Inhalte erläutert und
rechtfertigt.
Die
Personalisierung
trägt
damit
auch
den
Bedürfnissen
des
Mediensystems Rechnung und kann insofern hauptsächlich als eine Folge des
Bedeutungszuwachses des Fernsehens angesehen werden99.
Im Wahlkampf zeigt sich allerdings noch ein anderer Aspekt der Personalisierung:
„Wenn also hier eine zunehmende Personalisierung diagnostiziert wird, meint das
dann wohl auch weniger die an Personen orientierte Vermittlung und Wahrnehmung
von Politik, sondern in erster Linie die hervorgehobene Position weniger Politiker in
den Kampagnen ihrer Parteien“100. Holtz-Bacha spricht damit die zunehmende
Konzentrierung auf die Spitzenkandidaten der Parteien, vor allem von SPD und CDU,
an, als deren Höhepunkt die beiden Fernsehduelle zwischen Gerhard Schröder und
Edmund Stoiber im Bundestagswahlkampf 2002 gesehen werden kann. Dabei
nehmen die Ausstrahlung und das Auftreten der Kandidaten in den Medien
zunehmend einen größeren Stellenwert ein. Bruns kommt zu dem Schluss: „Die
Persönlichkeit des Politikers entscheidet über Glaubwürdigkeit, Hoffnung und
Vertrauen, das die Bürger in die von ihm und seiner Partei vertretene Politik setzen
können“101. Die Personalisierung muss sich dabei aber nicht ausschließlich auf das
Fernsehen beschränken. Das Wahlplakat der CDU von 1994, auf dem lediglich
Helmut Kohl inmitten einer Menschenmenge zu sehen war und selbst das Parteilogo
fehlte, dient dafür als Beispiel. Problematisch ist diese Entwicklung insofern, als dass
sie suggeriert, der Bundeskanzler könne direkt vom Volk gewählt werden. Wie aber
oben bereits gezeigt wurde, entspricht das Verfahren in der Bundesrepublik
grundsätzlich dem parlamentarischen System, wobei der Regierungschef von der
sich ergebenden Mehrheit im Parlament bestimmt wird. Grundsätzlich wäre daher mit
einer geringeren Konzentration auf die Persönlichkeit der Kandidaten im deutschen
Wahlkampf zu rechnen.
97
Althaus: Professionalismus im Werden (2002), S. 97.
Holtz-Bacha: Das Private in der Politik (2001), S. 24.
99 Vgl. Stern/Graner: It’s the candidate, Stupid? (2002), S. 148.
100 Holtz-Bacha: Bundestagswahlkampf 1998 (1999), S. 13.
101 Bruns: Der Politiker ist die Message, in: Der Tagesspiegel vom 03.02.2001.
98
35
In den USA hingegen lässt bereits das Mehrheitswahlsystem und die Verfahren zur
Bestimmung der Kandidaten in den einzelnen Bundesstaaten eine starke
Personalisierung erwarten. Egal ob es sich nun um Vorwahlen, Repräsentantenhausoder Präsidentschaftswahlen handelt; stets treten zwei Kandidaten gegeneinander
an. Wer von beiden die Mehrheit der Stimmen erhält, ist gewählt. Dass die
Kandidaten angesichts dieses Verfahrens neben politischer Kompetenz verstärkt auf
die Vermittlung von Persönlichkeit und Sympathie achten, darf daher nicht
verwundern. So ist auch die Veranstaltung von Fernsehduellen zwischen den
Bewerbern um das Amt des Präsidenten in den USA fast schon zu einer Tradition
geworden. Bereits 1960 traten John F. Kennedy und Richard Nixon auf diese Weise
gegeneinander an. Dass Kennedy das Rededuell gewann, schreibt Hoffmann nicht
nur dessen Sachverstand zu: „Kennedy besaß neben einem öffentlichkeitswirksamen
Privatleben die ideale Kombination aus Wissen, Schlagfertigkeit, Humor und
Verständnis – Charisma“102. Zwar folgte daraufhin eine 16-jährige Pause, seit 1976
bilden die Duelle jedoch bei jeder Präsidentschaftswahl einen Höhepunkt des
Wahlkampfes.
Aber auch in der Bundesrepublik wird der Personalisierung ein zunehmender
Einfluss auf die Wahlentscheidung zugesprochen. Klein und Ohr etwa gehen in einer
empirischen
Untersuchung
der
Frage
nach,
ob
persönliche,
unpolitische
Eigenschaften von Helmut Kohl und Gerhard Schröder die Wahlentscheidung der
Wähler bei der Bundestagswahl 1998 beeinflusst haben. Sie kommen zu dem
Ergebnis: „Auch wenn man sehr strenge Kriterien anlegt, üben unpolitische
Kandidatenorientierungen einen nachweisbaren Einfluss auf die Wahlentscheidung
aus, der über die
Effekte der Parteiidentifikation, der Kompetenzzuschreibung an die Parteien sowie
der
rollenrelevanten
Kandidateneigenschaften
hinausgeht“103.
Besonders
die
persönliche Vertrauenswürdigkeit, aber auch das Privatleben und die physische
Attraktivität der Kandidaten hätten signifikant zum Wahlergebnis beigetragen. Dass
sich diese Entwicklung verstärkt, zeigt Ohr in einer anderen Untersuchung, in der er
die Kandidatenorientierung in den Wahlkämpfen vor den Bundestagswahlen von
1961 bis 1998 analysiert. Danach ist ein stärkerer Trend zur Personalisierung in den
letzten Jahrzehnten festzustellen. So seien insbesondere in den Wahlen 1994 und
102
103
Hoffmann: Das große Zittern (2002), S. 429.
Klein/Ohr: Gerhard oder Helmut? (2002), S. 218.
36
1998 die Kandidatenbewertungen bereits wichtiger als die Parteibindungen für die
Erklärung der Wahlentscheidung geworden104.
3.1.4 Themen- und Ereignismanagement
Das Augenmerk eines Wahlkampfteams muss vor allem darauf gerichtet sein, die
Botschaften,
die
die
Partei
oder
der
Kandidat
vermitteln
soll,
in
die
Medienberichterstattung, insbesondere die des Fernsehens, und damit in die
öffentliche Aufmerksamkeit zu bringen. Ein Mittel dazu ist die Produktion von
Wahlwerbespots für das Fernsehen. Zum einen ist dies aber vor allem in einem rein
kommerziellen Rundfunksystem wie in den USA sehr teuer. Zum anderen ist die
Absicht, die hinter den Spots steht, offensichtlich und dementsprechend die
„Abwehrhaltung der Zuschauer ausgeprägter“105. In der Bundesrepublik ist darüber
hinaus der bezahlte Fernsehwahlkampf gesetzlich eingeschränkt. Daher wird
versucht, durch gezieltes Themen- und Ereignismanagement die Botschaft der
Kandidaten im redaktionellen Teil der Berichterstattung unterzubringen. So stellt
auch Holtz-Bacha fest, dass das persuasive Kommunikationsziel der politischen
Akteure in den Free Media weniger offensichtlich ist und sie daher hoffen, von deren
Glaubwürdigkeit zu profitieren106. Die Absicht der Kandidaten ist dabei, ihre Präsenz
in der öffentlichen Wahrnehmung
zu steigern und die Aufmerksamkeit des
Publikums auf die von ihnen bevorzugten Themen zu lenken.
Indem die Politik also vor allem im Wahlkampf versucht, Einfluss auf die
Themenauswahl der Medien zu nehmen, muss sie sich bei der Auswahl und
Inszenierung der Themen und Ereignisse der Medienlogik anpassen. Diese müssen
dementsprechend
„so beschaffen sein, daß sie die Widerstände des Mediensystems überwinden, d.h.
eine Anpassungsleistung an Medienformate, Nachrichtenfaktoren und Logistik der
Medienorganisationen erbringen, um zu Nachrichten zu werden“107. Durch
entsprechende Präsentationsformen, abgestimmtes Timing und eine gute Logistik
können Wahlkampfmanager Journalisten die Arbeit erleichtern und damit die
Wahrscheinlichkeit, ein Ereignis in den Medien platzieren zu können, erheblich
steigern. Das Ausmaß des Einflusses, den die Politik damit auf die Themenauswahl
der Medien hat, ist beachtlich. Dies zeigt auch eine Untersuchung von Genz,
104
Vgl. Ohr: Wird das Wählerverhalten zunehmend personalisierter? (2000), S. 297.
Falter: Alle Macht dem Spin Doctor, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.04.1998.
106 Vgl. Holtz-Bacha: Bundeswahlkampf 1998 (1999), S. 17.
105
37
Schönbach und Semetko. Darin wurden die Hauptnachrichtensendungen der vier
größten
deutschen
Fernsehsender
jeweils
sieben
Wochen
vor
den
Bundestagswahlen der Jahre 1990, 1994 und 1998 analysiert. Dabei kam heraus,
dass die meisten gesendeten Beiträge auf den Anstoß eines politischen Akteurs
zurückgingen. Lediglich 18 Prozent der Beiträge waren erkennbar von Journalisten
bestimmt108.
Welche Methoden ein effizientes Themen- und Ereignismanagement in der Praxis
ausmachen, zeigt Brunner anhand der Präsidentschaftswahlen 2000 in den USA 109.
So bestand die Strategie des Wahlkampfteams um George W. Bush darin, lange
vorbereitete Politikinitiativen im zweiwöchigen Rhythmus auf nationaler Ebene zu
präsentieren. Durch permanentes Wiederholen der entsprechenden Botschaften und
die strikte Vermeidung, andere Themen anzusprechen, wurde den Medien wenig
Spielraum geboten, andere Aspekte zu thematisieren. Andere Methoden bestehen in
der selektierten Ausgabe von exklusiven Informationen an ausgewählte Journalisten
oder in der Bekanntgabe von wichtigen Entscheidungen oder Ereignissen kurz vor
Redaktionsschluss
der
jeweiligen
Medien,
um
die
Recherchemöglichkeiten
einzuschränken.
Neben der gezielten Steuerung realer Themen und Initiativen wird darüber hinaus
politischen Ereignissen oft auch lediglich aufgrund des Bewusstseins, dass über sie
berichtet wird, ein mediengerechter Charakter verliehen, oder sie finden überhaupt
erst aus diesem Grunde statt. Kepplinger spricht in diesem Zusammenhang von
mediatisierten und inszenierten Ereignissen110. Als Beispiel für mediatisierte
Ereignisse wird oft der SPD-Bundesparteitag 1998 in Leipzig genannt, bei dem
Gerhard Schröder zum Kanzlerkandidaten gewählt wurde. Der gesamte Ablauf des
Parteitages war
für die Berichterstattung in den Medien inszeniert. So kommentierte das heute-jounal
im April 1998: „Ein mediengerecht inszenierter Wahlkampfauftritt, typisch für Amerika
oder Großbritannien, an den wir uns hier erst noch gewöhnen müssen“111. Als
Beispiele für inszenierte Ereignisse, auch oft als Pseudoereignisse bezeichnet,
lassen sich Pressekonferenzen von Regierung, Opposition oder Parteien sowie
107
Pfetsch/Schmitt-Beck: Amerikanisierung von Wahlkämpfen? (1994), S. 238.
Vgl. Genz/Schönbach/Semetko: „Amerikanisierung“? (2001), S. 408f.
109 Vgl. Brunner: Wahlkampf in den USA (2002), S. 65ff.
110 Vgl. Kepplinger: Die Demontage der Politik (1998), S. 170.
111 Niemetz im ZDF-heute-journal vom 17.04.1998, hier zitiert nach: Holtz-Bacha:
Bundestagswahlkampf 1998 (1998), S. 9.
108
38
Stellungnahmen
einzelner
Politiker
anführen,
die
nur
stattfinden,
um
Medienaufmerksamkeit zu erzeugen. Besonders häufig sind solche Inszenierungen
von Ereignissen im Wahlkampf zu beobachten. So beschreibt Meyer das Vorgehen
wie folgt: „Die Politiker wissen, daß sie das Geschehen und vornehmlich das
Nichtgeschehen so inszenieren müssen, wie es die Medien brauchen, um es nach
ihren Nachrichtenwertgesetzen zur Nachricht und damit zum Ereignis in der Welt
promovieren zu können“112.
Einige Autoren sehen durch diese Anpassung der Politik an die Regeln der
Massenmedien eine Tendenz zur Dethematisierung. So schreibt Leif in diesem
Zusammenhang, dass „(inszenierte) Bilder, gut gestylte Stimmungen und überlegt
eingesetzte Emotionen [...] immer mehr die Argumente oder den redlichen
intellektuellen Austausch“113 verdrängen. Eine Konsequenz dieses Prozesses ist eine
Zunahme symbolischer Politik, die bereits weiter oben (siehe 2.1.4) angesprochen
wurde.
3.1.5 Meinungsforschung
Der Einsatz von Meinungsforschung im Wahlkampf ist in der Bundesrepublik
Deutschland keine neue Erscheinung. Bereits in den 1950er Jahren nutzte das
Kanzleramt Umfragedaten des Allensbacher Instituts114. Regelmäßig wird seitdem
die Stimmung in der Bevölkerung erfasst. Gefragt wird etwa nach der allgemeinen
politischen Stimmungslage, die Einstellung zu bestimmten politischen Problemen,
Charakter- und Kompetenzimages von konkurrierenden Kandidaten oder die
grundsätzliche politische Neigung und die Wahlabsicht der Wähler. Diese sehr
umfangreichen Umfragen werden auch als benchmark polls bezeichnet115. Ist jedoch
im Zusammenhang mit dem Begriff der „Amerikanisierung“ von einem verstärkten
Einsatz der Umfrageforschung während des Wahlkampfes die Rede, ist der Einsatz
von kurzfristigeren und konkreteren demoskopischen Methoden zum Zweck einer
effizienten Kampagnensteuerung gemeint.
Anstatt lediglich relativ langfristige politische Stimmungen in der Wahlbevölkerung zu
erfassen, ist es in den USA üblich, die Meinungsforschung kontinuierlich als
Erfolgsmesser
von
bestimmten
Argumentationen,
Werbemitteln
und
Wahlkampfstrategien zu verwenden. Dazu dienen vor allem Ad Hoc-Umfragen und
112
Meyer: Die Transformation des Politischen (1994), S. 142.
Leif: Macht ohne Verantwortung (2001), S. 9.
114 Vgl. Gallus: Demoskopie in Zeiten des Wahlkampfs (2002), S. 32.
113
39
kürzere Trendumfragen, die sogenannten brushfire polls und tracking polls116, die um
so öfter eingesetzt werden, je näher der Wahltermin rückt. Stellt sich dabei heraus,
dass die verwendeten Methoden nicht die gewünschte Wirkung in der Bevölkerung
zeigen oder sogar unerwünschte Folgen haben, kann die Wahlkampftaktik kurzfristig
umgestellt und der jeweiligen Situation angepasst werden. So schreibt auch Mauss,
dass es bei der politischen Meinungsumfrage nicht darum gehe vorherzusagen, wer
die Wahlen gewinne. „Es geht vielmehr darum, herauszufinden wie ein Kandidat das
bestmögliche
Ergebnis
erzielen
kann
oder
welches
die
beste
Kommunikationsstrategie für ein bestimmtes Vorhaben ist“117.
Bei der Meinungsforschung müssen allerdings ebenfalls die systembedingten
Unterschiede zwischen den USA und der Bundesrepublik berücksichtigt werden. Wie
schon bei der Personalisierung bedingt das personenbezogene amerikanische
System eine andere Wahlkampfführung. Hier sind zwei Hauptgründe zu nennen:
Erstens liegen die programmatischen Schwerpunkte in den USA weniger bei den
Parteien, die ohnehin nur eine sehr beschränkte Rolle in den Wahlkämpfen
einnehmen, als bei den Kandidaten und deren persönlicher Wahlkampforganisation.
Gelegentlich können die Themen der Kandidaten sogar von denen ihrer Partei
abweichen. Im Gegensatz zu parlamentarischen Systemen, in denen die
Themenschwerpunkte eher in den Parteien konzentriert sind, ist daher in den USA
vor allem der einzelne Kandidat selbst dafür verantwortlich, den Erfolg seiner
Strategien zu überprüfen. Zweitens sind die unterschiedlichen Medienstrukturen zu
beachten. Viele Fernsehsender in den USA sind regional begrenzt. Dies hat zur
Folge, dass Wahlwerbespots, die in den USA das wichtigste Wahlkampfinstrument
darstellen, auf bestimmte Bevölkerungsgruppen zugeschnitten werden. Anders als in
Deutschland, wo dieselben Spots flächendeckend zu empfangen sind, würde eine
landesweite Umfrage nach deren Wirkung also keinen Sinn machen.
Beide Aspekte spiegeln sich auch in der Struktur der Umfrageinstitute wider: In der
Bundesrepublik
bedienen
sich
die
politischen
Parteien
großer
quasi-
wissenschaftlicher Institute für Markt- und Sozialforschung, die sich trotz der Nähe
ihrer Geschäftsführer zu bestimmten Politikern als unabhängig betrachten. In den
115
Vgl. Brunner: Wahlkampf in den USA (2002), S. 26.
Ebd.
117 Mauss: Filtern, fragen und beraten (2002), S. 81.
116
40
USA
wird
die
Meinungsforschung
dagegen
vorwiegend
von
kleineren
Beratungsfirmen angeboten, die an ihre jeweiligen Auftraggeber gebunden sind118.
Gallus sieht allerdings auch in Deutschland einen wachsenden Bedarf der Politiker
an
Meinungsumfragen.
Verantwortlich
dafür
seien
das
Aufbrechen
fester
Sozialmilieus, eine nachlassende Parteiidentifkation und eine zunehmende Zahl von
Wechselwählern. Je stärker diese Tendenzen würden, „umso größer ist das
Verlangen nach Umfragen, nach in regelmäßigen Intervallen erhobenen Daten
darüber, was der repräsentative Querschnitt der Bevölkerung denkt, wünscht,
missbilligt“119.
3.1.6 Angriffswahlkampf
Als
weiteres
Merkmal
der
Amerikanisierung
wird
häufig
ein
verstärkter
Angriffswahlkampf – auch Negative Campaigning genannt – gesehen. Damit ist die
Verbreitung von negativen Nachrichten über den politischen Gegner gemeint. Dass
diese Taktik im Wahlkampf angewendet wird, verwundert zunächst nicht, denn, so
schreibt Radunski: „Es wird nicht nur für etwas, sondern auch gegen eine Partei oder
gegen einen Politiker gestimmt“120. Das Kritisieren von politischen Entscheidungen
und Programmen des Gegners kann daher als natürlicher Wahlkampfbestandteil in
einer pluralistischen Gesellschaft gesehen werden und ist auch in bundesdeutschen
Wahlkämpfen keine Neuheit. Es stellt sich allerdings die Frage, wann die Grenze
eines fairen Angriffswahlkampfs überschritten wird, ob tatsächlich immer nur die
politischen Inhalte des Gegners angegriffen werden und insbesondere, ob der
Persönlichkeitsschutz der einzelnen Kandidaten gewährleistet bleibt.
So sind insbesondere die Wahlkämpfe in den USA dafür berüchtigt, ihre Angriffe
auch
gegen
die
Privatsphäre
der
politischen
Gegner
zu
richten.
Die
Instrumentalisierung von Bill Clintons Affäre mit Monika Lewinsky durch die
Republikaner gilt als das bekannteste Beispiel dafür. Es darf dabei jedoch nicht
übersehen werden, dass die Darstellung des Privaten im amerikanischen Wahlkampf
ohnehin
eine
größere
Rolle
spielt
als
in
Deutschland.
Die
öffentliche
Zurschaustellung eines intakten Familienlebens wird gerne genutzt, um die eigenen
Wahlchancen zu erhöhen. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass die Kandidaten
ihren Gegnern eine größere Angriffsfläche bieten und sie dazu herausfordern, den
118
Vgl. ebd., S. 82.
Gallus: Demoskopie in Zeiten des Wahlkampfs (2002), S. 30.
120 Radunski: Politisches Kommunikationsmanagement (1996), S. 43.
119
41
Wahrheitsgehalt ihrer Darstellung zu überprüfen. Nichtsdestotrotz sind einem zu
überzogenen Negative Campaining auch in den USA Grenzen gesetzt. Im
Präsidentschaftswahlkampf 2000 wurde von Bushs Wahlkampfteam eine Werbespot
produziert, in dem der Slogan „The Gore prescription plan: bureaucrats decide“
eingeblendet wurde. Dabei löste sich der Schriftzug langsam auf, wobei am Schluss
für kurze Zeit lediglich der Wortbestandteil „rats“ lesbar blieb121. Daraufhin setzte in
den USA eine breite öffentliche Diskussion über die Zulässigkeit solcher Methoden
ein. Als umgekehrt kurz vor der Wahl berichtet wurde, dass George W. Bush als 30jähriger wegen Trunkenheit am Steuer seinen Führerschein verlor, ließ sein
Herausforderer Al Gore unverzüglich mitteilen, dass er nicht für das Bekanntwerden
dieser Angelegenheit verantwortlich sei122. Diese Reaktion zeigt, dass auch in den
USA das Aufdecken von privaten Details nicht generell auf Akzeptanz stößt.
In
der
Bundesrepublik
hingegen
beschränkt
sich
Angriffswahlkampf
fast
ausschließlich auf politische Themen. Ein prominentes Beispiel hierfür stellt die RoteSocken-Kampagne der CDU im Bundeswahlkampf 1994 dar, die gegen die PDS
gerichtet war. Zwar gibt es auch immer wieder Wahlsprüche, die sich gegen einzelne
Politiker richten. So etwa Slogans wie „Kohl muß weg“ oder „Danke, Helmut – es
reicht“ im Jahr 1998. Diese richten sich jedoch in der Regel gegen die politische
Position des Gegners und nicht gegen seine persönlichen Eigenschaften. HoltzBacha schreibt darüber hinaus: „Insbesondere läßt sich keine kontinuierliche
Entwicklung hin zu steigendem Negativismus verzeichnen“123. So seien in dieser
Hinsicht Wahlkämpfe wie 1980, als Helmut Schmidt gegen Franz Josef Strauß antrat,
eher aufgefallen als die Kampagnen der neunziger Jahre.
Allerdings kann in der Bundesrepublik zumindest ein Trend festgestellt werden, dass
Angriffswahlkampf als Wahlkampfmittel von vornherein häufiger eingeplant wird als
dies zuvor der Fall war. So hatte 1998 die SPD in ihrer Wahlkampfzentrale Kampa
einen
eigenen
Arbeitsbereich
eingerichtet,
der
ausschließlich
für
die
Gegnerbeobachtung zuständig war. Dies allein sagt zwar noch nichts über die
Qualität oder das Vorhandensein von Elementen des Angriffswahlkampfs aus, bildet
aber eine unverzichtbare Basis dafür. So schreibt Vito Cecere, der für diese
Abteilung zuständig war: „Sie [die Gegnerbeobachtung - jw] spürt frühzeitig
121
Vgl. Althaus: Professionalismus im Werden (2002), S. 90.
Vgl. Cecere: Man nennt es Oppo (2002), S. 65.
123 Holtz-Bacha: Bundestagswahlkampf 1998 (1999), S. 14.
122
42
Entwicklungen und Vorhaben, aber auch Konflikte und Widersprüche auf der
anderen Seite auf und befähigt somit das eigene Team zur schnellen Reaktion“124.
3.2 „Amerikanisierung“ oder „Modernisierung“?
Die
Darstellung
der
Elemente,
die
im
deutschen
Wahlkampf
mit
einer
„Amerikanisierung“ in Verbindung gebracht werden, zeigt, dass viele der in den USA
angewandten Wahlkampfmethoden vom dortigen politischen und medialen System
begünstigt werden. Selbst wenn sich also im deutschen Wahlkampf entsprechende
Elemente der amerikanischen Wahlkampfführung wiederfinden, ist es angesichts
dieser Systemunterschiede zweifelhaft, ob immer von einer gezielten Übernahme der
angeführten Praktiken gesprochen werden kann. Dies führt zwangsläufig zu der
Frage, ob die Verwendung des Terminus „Amerikanisierung“, der eine Orientierung
an amerikanischen Mustern impliziert, für den wissenschaftlichen Gebrauch
angemessen ist.
Auch in der Literatur gibt es Kontroversen um die Zulässigkeit des Begriffs. Während
Radunski schreibt: „Die Amerikanisierung der Politik ist längst auch deutsche
Wirklichkeit“125, lehnen Sarcinelli und Geisler den Begriff gänzlich ab: „Die Vielzahl
seiner disparaten Bezugsebenen macht deshalb den Amerikanisierungsbegriff zwar
zu einem Element der rhetorischen Politikfolklore. Als wissenschaftliches Instrument
ist er kaum tauglich, werden doch die politisch-institutionellen wie auch politischkulturellen Differenzen systematisch ausblendet [sic!]“126.
Dagegen ist für Plasser der Gebrauch des Begriffs zwar zulässig. Er sieht jedoch
zwei unterschiedliche Zugänge zum Konzept der Amerikanisierung. So sehe der
Diffusionsansatz die „Amerikanisierung“ als Folge einer transnationalen Diffusion und
Implementierung von US-Konzepten und Strategien der Wahlkampfführung. Im
Unterschied
dazu
würden
Vertreter
des
Modernisierungsansatzes
in
der
„Amerikanisierung“ eine Folge der Modernisierung des Mediensystems und der
Beziehung zwischen Wählern und Parteien sehen. In diesem Zugang stehe der
Begriff als Synonym für eine allgemeine Modernisierung und Professionalisierung127.
Aufgrund der angeführten Systemunterschiede scheint bei der Verwendung des
Begriffs „Amerikanisierung“ der zweite Zugang plausibler zu sein. So ist eine
124
Cecere: Man nennt es Oppo (2002), S. 67.
Radunski: Politisches Kommunikationsmanagement (1996), S. 39.
126 Sarcinelli/Geisler: Die Demokratie auf dem Opferaltar kampagnenpolitischer Aufrüstung? (2002), S.
156.
127 Vgl. Plasser: Globalisierung der Wahlkämpfe (2003), S. 37.
125
43
Modernisierung des Mediensystems insbesondere in den vergangenen zwei
Jahrzehnten – wie bereits erwähnt – unübersehbar. Darüber hinaus beschleunigen
neue Technologien und Medien wie das Internet den Informationsfluss zunehmend,
Nachrichten sind zu jeder Tages- und Nachtzeit und von jedem beliebigen Ort aus
abrufbar. Dass die Politik – zumal in Wahlkampfzeiten – versucht, sich dieser
Entwicklung
anzupassen,
kann
nicht
verwundern.
Darüber
hinaus
sind
Veränderungen in der Wählerschaft festzustellen. Die Parteiidentifikation nimmt
ab128, die Zahl der Wechsel- und Nichtwähler entsprechend zu. Für die Parteien im
Wahlkampf bedeutet dies, dass es zusehends größerer Anstrengungen bedarf, um
die Wählerschaft zu mobilisieren. Dass die Wahlkampfplanung und -durchführung
angesichts dessen zunehmend in die Hände von Experten gelegt wird und die
angewandten Methoden den Gegebenheiten permanent angepasst werden, liegt
daher auf der Hand.
Gleichzeitig ist aber auch offensichtlich, dass sich deutsche Wahlkampfmanager an
amerikanischen Methoden orientieren und diese zum Teil auch übernehmen. Zu
denken ist in diesem Zusammenhang vor allem an das Format der Fernsehduelle.
Aber auch andere Aspekte der amerikanischen Wahlkampfführung dienten den
deutschen
Kampagnen
als
Vorbild.
So
bestätigt
Röseler,
dass
sich
die
Kampagnenmanager der Union intensiv mit dem Wahlkampfmethoden der
Republikaner
im
amerikanischen
Präsidentschaftswahlkampf
im
Jahr
2000
auseinandergesetzt haben. Ein konkretes Resultat dieser Studien war die
Übernahme des Internetinstruments Rapid Response (siehe 4.3.3). Aber auch in
Bereichen der Organisation und Medienarbeit habe man sich Anregungen geholt.
Gründe für diese Orientierung an den Wahlkampfmethoden der USA sieht Röseler
unter anderem in der großen Zahl von privaten Unternehmen, die um die
Organisation
und
Durchführung
der
politischen
Kampagnen
konkurrieren:
„Wettbewerb schafft Innovation – gerade auch im Bereich der Wahlkampfführung“129.
Auch dem Wahlkampf der Grünen
gaben die in den USA praktizierten
Wahlkampfmethoden wichtige Impulse. Der dortige Wahlkampf hat laut Rudi
Hoogvliet in Hinblick auf Professionalität „fünf bis zehn Jahre Vorsprung auf die
Praxis in der Bundesrepublik“130. So habe sich bereits 1999 eine zehnköpfige Gruppe
um den späteren Wahlkampfmanager der Grünen diesbezüglich Anregungen bei
128
Klingemann/Wattenberg: Zerfall und Entwicklung von Parteiensystemen (1990), S. 330.
Interview mit Röseler vom 24.06.2003.
130 Interview mit Hoogvliet vom 04.07.2003.
129
44
Politikberatern
der
Demokraten
geholt.
Vor
allem
im
Bereich
der
Zielgruppenbestimmung mithilfe strukturierter Umfragen hätten die Grünen wichtige
Erkenntnisse gewinnen können, die zum Teil auch im Wahlkampf 2002 angewendet
wurden.
Vor diesem Hintergrund kann die Verwendung des Begriffs „Amerikanisierung“
zunächst nicht gänzlich abgelehnt werden. In welchem Ausmaß sich nun aber
Elemente
amerikanischer Wahlkampfführung
im
Bundestagswahlkampf
2002
wiederfanden, soll im Folgenden anhand der Selbstdarstellung der politischen
Parteien dargestellt und analysiert werden.
45
4. Wahlkampf 2002
4.1 Die politische Ausgangslage zu Beginn des Wahlkampfes
Um die unterschiedlichen Strategien und Methoden der einzelnen Parteien in ein
Gesamtbild einordnen zu können, ist es notwendig, die politische Ausgangslage, in
der sie sich zu Beginn des Wahlkampfes befanden, kurz zu skizzieren. Damit stellt
sich jedoch zunächst die Frage, auf welchen Zeitpunkt der Wahlkampfstart genau
terminiert werden kann. Marion Müller, deren Studie zur Parteienwerbung auf
Interviews mit den jeweiligen Wahlkampfleitern basiert, sieht den Wahlkampfauftakt
der einzelnen Parteien uneinheitlich. So sei die FDP bereits Anfang 1999 in den
Wahlkampf gestartet. Die anderen Parteien hätten mit ihren Kampagnen im Laufe
des Jahres 2001 begonnen131. Einerseits kann man durchaus den Wahlkampfbeginn
so früh bestimmen, zumal etwa die CDU bereits im Mai 2001 die Werbeagentur
McCann-Erickson mit der Durchführung ihrer Kampagne beauftragte. Andererseits ist
zu bedenken, dass die Terroranschläge auf das World Trade Center in den USA am
elften September eine gravierende Zäsur darstellten, die zumindest für einige
Wochen jegliche bereits vorhanden Wahlkampfaktivitäten in den Hintergrund
drängte. Erst gegen Ende des Jahres 2001 gerieten wirtschaftspolitische Fragen und damit auch eines der Hauptthemen im darauf folgenden Wahlkampf - wieder
zunehmend in die öffentliche Aufmerksamkeit. Wenn man allerdings ein Datum für
den konkreten Wahlkampfbeginn festlegen will, kann der 11. Januar 2002 als
solches angesehen werden. An diesem Tag erklärte die Vorsitzende der CDU,
Angela Merkel, dass sie auf eine Kanzlerkandidatur verzichtet habe. Damit stand
gleichzeitig fest, dass der bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber, als
Spitzenkandidat der Union antreten würde. Da also ab nun die Spitzenkandidaten
der beiden größten Parteien, SPD und CDU/CSU, feststanden, konnten sich die
einzelnen Wahlkampfteams ab diesem Tag in Position bringen und ihre konkreten
Strategien festlegen. Aus diesem Grund orientiert sich diese Arbeit an diesem
Datum, wenn im Folgenden der Wahlkampf 2002 untersucht wird.
Für die SPD stellte sich die politische Ausgangslage im Januar 2002 schwierig dar. In
einer repräsentativen Umfrage zeigten sich lediglich 31 Prozent der Befragten
zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Insbesondere die Leistungen im
131
Vgl. Müller, Marion: Parteienwerbung im Bundestagswahlkampf (2002), S. 629f.
46
wirtschaftspolitischen Bereich – hier vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wurden überwiegend negativ beurteilt. Andererseits erfreute sich jedoch der
Bundeskanzler selbst einer großen Beliebtheit. So erklärten im Januar 2002 72
Prozent, dass sie es gerne sähen, wenn er auch künftig „eine wichtige Rolle“ in der
Politik spielen würde132. Für die SPD war daher eine personalisierte, auf die Person
Gerhard
Schröder
ausgerichtete
Wahlkampfführung
naheliegend.
Ein
Bilanzwahlkampf, in dem die bisherigen Leistungen der SPD während ihrer
Regierungszeit hätten betont werden können, bot sich dagegen vor allem aufgrund
der steigenden Arbeitslosenzahlen nicht an133.
Für die Union war die Situation zu Beginn des Wahlkampfes einfacher. Als größte
Oppositionspartei war es für sie leichter, sich auf Inhalte zu konzentrieren, indem sie
die Arbeit der Regierung kritisierte und politische Alternativen anbot. Da Stoiber
zudem nicht über die gleiche positive Medienwirkung wie Schröder verfügte, sollte
dem erwarteten personalisierten Wahlkampf der SPD ein Kompetenzwahlkampf der
beiden Unionsparteien gegenübergestellt werden. So gab Stoiber, kurz nachdem er
als Spitzenkandidat feststand, in einem Interview die Richtung des Wahlkampfes vor:
„Ich will, dass es ein Wahlkampf der Kompetenz wird, des Ringens um die bessere
Lösung.
Es
darf
nicht
nur
ein
Medienwahlkampf
und
vor
allem
kein
Diffamierungswahlkampf werden“134. Für die Wahlkampfplanung der Union musste
darüber hinaus noch ein weiterer Aspekt beachtet werden. Da der gemeinsame
Spitzenkandidat für die Bundestagswahl erstmals seit 1980 wieder aus den Reihen
der CSU stammte, musste verstärkt darauf geachtet werden, die Kampagne der
beiden Unionsparteien einheitlich zu gestalten.
Für die Grünen als zweite Regierungspartei stellte sich die Ausgangslage
uneinheitlich dar. Zwar lag sie im Januar 2002 in den Umfragen lediglich bei fünf
Prozent135. Dies kann in erster Linie auf die Diskussion um die Zustimmung zur
Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan zurückgeführt werden. Auf
132
Die Angaben beruhen auf einer Umfrage, die das Institut NFO-Infratest jeden Monat im Auftrag des
Nachrichtenmagazins Der Spiegel und verschiedenen Tageszeitungen durchführt. Sie basiert auf
telefonischen Interviews mit rund 1000 Befragten. Hier zitiert in: Der Spiegel, Nr. 4/2002, S. 42f., vgl.
auch: www.infratest-dimap.de/sonntagsfrage/default.htmmap.de/wahlen/btw02/default.htm.
133 Vgl. Hilmer: Bundestagswahl 2002 (2003), S. 193.
134 Vgl. Edmund Stoiber im Spiegel-Interview: "Kampf um beste Lösungen", in: Der Spiegel. Nr.
3/2002, S. 30.
135 Siehe Fn. 132.
47
dem Parteitag der Grünen in Rostock im November 2001 stimmten rund 75 Prozent
der Delegierten für den Einsatz, was vor allem an der Basis der Grünen als Verstoß
gegen die pazifistische Tradition der Partei gewertet wurde. Nichtsdestotrotz konnten
sich
die
Grünen
vorangegangenen
auf
einen
Bilanzwahlkampf
Legislaturperiode
wichtige
einlassen,
Anliegen
da
ihrer
sie
in
der
Anhängerschaft
umgesetzt hatten: Atomausstieg, eine verbesserte Verbraucherpolitik und die
Anerkennung
von
gleichgeschlechtlichen
Partnerschaften136.
Darüber
hinaus
verfügten sie mit Außenminister Joschka Fischer über den Politiker mit den höchsten
Sympathiewerten in Deutschland137, so dass sich auch personalisierte Elemente in
der Wahlkampfführung anboten.
Ähnlich wie die Unionsparteien konnte die FDP aus der Oppositionsrolle heraus ihre
Strategie auf die Kritik an den Inhalten der Arbeit der Bundesregierung in der
vorangegangenen Legislaturperiode ausrichten. Gleichzeitig befand sich die FDP im
Januar 2002 bereits seit längerem in einer Phase der Neuausrichtung. Bereits auf
ihrem Bundesparteitag in Düsseldorf im Mai 2001 hatte sie beschlossen, sich von
einer Klientelpartei zur einer „Partei für das ganze Volk“ zu wandeln. Ihr strategisches
Ziel sah die FDP dabei in der Erreichung eines Wähleranteils von 18 Prozent bei der
Bundestagswahl. Wie sie dies erreichen wollte, legte sie ebenfalls bereits zu diesem
Zeitpunkt fest: „durch eine eindeutige, inhaltliche Kompetenz“ sowie „durch eine
Wahlkampagne, die mobilisiert und motiviert, indem sie unkonventionell ist und auch
überholte Tabus bricht“138. Damit war schon frühzeitig die Strategie für die
Wahlkampfführung der FDP vorgegeben. Dieses unkonventionelle Vorgehen sollte
sich allerdings im Laufe des Wahlkampfes angesichts des Hochwassers im Osten
Deutschlands
und
des
Skandals
um
ein
israelfeindliches
Flugblatt
des
Landesverbandes Nordrhein-Westfalen als zunehmend problematisch erweisen.
Für die PDS erschien die Ausgangsposition im Januar 2002 zunächst aussichtsreich.
Die Umfragewerte, die zu diesem Zeitpunkt bei rund sieben Prozent lagen, waren
relativ vielversprechend139. Die positiven Werte für die pazifistisch eingestellte Partei
waren auch eine Folge der Zustimmung der Grünen zur Truppenentsendung nach
136
Vgl. Hilmer: Bundestagswahl 2002 (2003),S. 196f.
Siehe Fn. 132.
138 Beschluss des 52. Ord. Bundesparteitags in Düsseldorf. 4. – 6. Mai 2001, einzusehen unter:
www.fdp-bundesverband.de/pdf/b_025.pdf
139 Siehe Fn. 132.
137
48
Afghanistan im November 2001. Daher schien auch für einen inhaltlichen Wahlkampf
eine Betonung der pazifistischen Gesinnung erfolgversprechend zu sein. Beim
Personal der Partei verfügte lediglich Gregor Gysi über eine genügend positive
Medienwirkung für eine personalisierten Kampagne. Da dieser jedoch seit dem
vorhergehenden Herbst das Wirtschaftsressort in Berlin leitete, war er nur schwer in
vollem Umfang für den Wahlkampf einsetzbar. Mit seinem Rückritt von diesem Amt
Ende Juli 2002 in der Folge der Bonusmeilen-Affäre fiel er sogar gänzlich als
Galionsfigur der PDS im Wahlkampf aus.
4.2 Kampa, Kompetenzteam und Co. – die Organisation des Wahlkampfes
Als ein Merkmal der „Amerikanisierung“ wurde oben bereits die Professionalisierung
der Wahlkämpfe genannt. Diese kommt besonders in der Organisation der
Wahlkampfführung zur Geltung. An dieser Stelle soll daher näher auf die
Organisationsformen der Wahlkampfteams der einzelnen Parteien eingegangen
werden.
Bereits 1998 hatte die SPD in der Wahlkampforganisation mit ihrem Kampa-Modell
erfolgreich neue Maßstäbe gesetzt. Oliver Röseler spricht sogar von einem
„Quantensprung in der Wahlkampfführung selbst“140. Die Wirkung, die die moderne
und professionell gestaltete Kampagne der SPD auf ihr Wahlergebnis hatte, fand in
der wissenschaftlichen Literatur breite Beachtung141. Dementsprechend verwundert
es nicht, dass sich die SPD auch im Bundestagswahlkampf 2002 weitgehend an ihr
Konzept von 1998 hielt. So wurde die Kampa 02 erneut außerhalb der Parteizentrale
angesiedelt. Verantwortlich für die Planung, Organisation und Ausführung des
Wahlkampfes waren in erster Linie Generalsekretär Franz Müntefering und der
Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig. Die rund 120 Mitarbeiter verteilten sich auf
zehn verschiedene Teams, von denen jedes für einen bestimmten Arbeitsbereich
zuständig war. Neben Bereichen wie Presse und Finanzen gehörten dazu auch
Teams, die für den Wahlkampf-Ost, Gegnerbeobachtung und Online-Wahlkampf
zuständig
waren.
Als
unabhängige
Partner
wurden
wie
schon
1998
die
Werbeagentur KNSK/BBDO und das Meinungsforschungsinstitut Polis beauftragt.
140
Röseler: Union wie noch nie (2003), S. 201.
Vgl. u.a. Jun: Der Wahlkampf der SPD im Bundestagswahlkampf 1998 (2001); Schmitt-Beck: Ein
Sieg der „Kampa“? (2001); Timm: Die SPD-Strategie im Bundestagswahlkampf 1998 (1999).
141
49
Eine wesentliche Aufgabe der Wahlkampfzentrale bestand darin, Kommunikation und
Handlungen zwischen den einzelnen Akteuren der Partei zu koordinieren.
Parteizentrale, Bundestagsfraktion, Kanzleramt und die von der SPD geführten
Regierungen in den Bundesländern mussten permanent auf dem gleichen
Informationsstand gehalten und Wahlkampfaktionen unter ihnen abgestimmt werden.
Dies sollte durch regelmäßig stattfindende Sitzungen gewährleistet werden. So
fanden zwei- bis dreimal pro Woche Treffen zwischen Schröder, Münterfering und
dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Peter Struck, statt. Ebenso oft trafen sich
auch Machnig, der Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und Vertreter der
parlamentarischen Geschäftsführung zu Sitzungen. Die Ministerpräsidenten der SPD
wurden bei Präsidiums- oder Bundesratssitzungen und durch einmal wöchentlich
stattfindende Schaltkonferenzen in das Geschehen eingebunden142. Durch diese
Abstimmungen sollte ein einheitlicher Medienauftritt der SPD während des
Wahlkampfes gewährleistet werden.
Die
Unionsparteien
standen
durch
die
Entscheidung
für
Stoiber
als
Spitzenkandidaten vor der Herausforderung, den Wahlkampf von CDU und CSU eng
zu koordinieren. So war zu Beginn des Wahlkampfes bezweifelt worden, ob die
beiden Schwesterparteien im Wahlkampf effizient zusammenarbeiten können143.
Zwar lag die organisatorische Verantwortung für den Wahlkampf in Bayern bei der
Landesleitung der CSU, während die CDU-Bundesgeschäftsstelle für die restlichen
Bundesländer verantwortlich war. Das strategische und politische Zentrum, in dem
die Wahlkampfführung abgestimmt wurde, lag jedoch für beide Parteien in Berlin.
Anders als die SPD entschied sich die Union dabei nicht für eine Ausgliederung aus
der Parteizentrale, sondern beließ die Führung der Kampagne im Konrad-AdenauerHaus. Neben einer Umstrukturierung der klassischen Hauptabteilungen der
Bundesgeschäftsstelle wurde im selben Haus die Arena 02 eingerichtet. In ihr
wurden einzelne Arbeitseinheiten, zu deren Aufgabengebieten - ähnlich wie in der
Kampa
-
etwa
Medienbeobachtung
oder
Online-Wahlkampf
gehörten,
zusammengefasst. Hinzu kam noch ein Team der von den Unionsparteien
beauftragten Werbeagentur McCann-Erickson. Die strategischen und inhaltlichen
Entscheidungen wurden im Team 40 plus getroffen. In diesem Gremium saßen die
142
Vgl. Fengler/Jun: Kopie der Kampa 98 im neuen Kontext (2003), S. 179f.
Vgl. Tartler: Stoiber-Team dirigiert Unions-Wahlkampf, in: Financial Times Deutschland vom
18.01.2002.
143
50
führenden Politiker beider Parteien, Vertreter der Bundestagsfraktion, der Leiter des
Stoiber Teams, Michael Spreng, sowie die Ministerpräsidenten der von der CDU
geführten Landesregierungen. Daneben gab es das Kompetenzteam. Dessen
vorrangige Aufgabe war es, die verschiedenen Politikfelder mit Fachleuten aus der
Union zu verknüpfen. Auf das größte Interesse der Medien stieß aber das Stoiber
Team. Unter der Leitung des ehemaligen Chefredakteurs der Bild am Sonntag hatte
es die Aufgabe, das persönliche Profil Stoibers zu stärken und mediengerecht in
Szene
zu
setzen:
„Seine
Aufgabe
bestand
in
der
Entwicklung
der
Kommunikationsstrategie für den Kanzlerkandidaten und der Gestaltung und
Begleitung seines Medienauftritts“144. Dementsprechend entstammten auch die
Mitarbeiter
des
Teams
vorwiegend
aus
dem
Bereich
der
Presse-
und
Öffentlichkeitsarbeit sowie aus der Medienbranche. Insgesamt wollte die Union dem
erwarteten personalisierten Wahlkampf der SPD mit der Betonung der Begriffe
„Kompetenz“ und „Team“ einen Sach- und Themenwahlkampf gegenüberstellen: „Die
Betonung des Team-Gedankens fußte auf der Überlegung, Schröder als isolierten,
von der Partei gelösten Solisten darzustellen und gleichzeitig die eigene
Geschlossenheit zu unterstreichen.“145
Den Grünen standen mit einem Wahlkampfbudget von rund 2,5 Millionen Euro mit
Abstand am wenigsten Mittel im Wahlkampf zur Verfügung. An eine Ausgliederung
der Kampagnenzentrale oder eine große Zahl von Mitarbeitern war daher nicht zu
denken. Die Wahlkampfzentrale wurde daher in der Bundesgeschäftsstelle
eingerichtet, deren 15 Mitarbeiter die wesentliche Organisation übernahmen. Neben
dem Wahlkampfmanager, Rudi Hoogvliet, wurden lediglich zwei Mitarbeiter
zusätzlich eingestellt. Weitere Unterstützung gab es lediglich von maximal zehn
Praktikanten146. Der Wahlkampfstab, der für die Beschlüsse verantwortlich war,
bestand aus dem Spitzenkandidaten der Partei, Joschka Fischer, sowie einem
siebenköpfigen Team und kam einmal wöchentlich zur Beratung zusammen. Mit der
Firma „Zum Goldenen Hirschen“ engagierten die Grünen erstmals eine unabhängige
Werbeagentur. Deren Mitarbeiter waren ebenfalls in den Sitzungen anwesend. Die
weitere innerparteiliche Kommunikation erfolgte vor allem über regelmäßig
durchgeführte Telefonkonferenzen und ein SMS-Verteiler-System. Neben einem
144
Röseler: Union wie noch nie (2003), S. 209.
Ebd., S. 210.
146 Vgl. Becher: Grün wirkt (2003), S. 248.
145
51
erstmals aufgestellten Spitzenkandidaten und einer unabhängigen Werbeagentur
gab es noch eine weitere Neuerung im Wahlkampf der Grünen: Erstmals führte die
Partei eine systematische Gegnerbeobachtung durch. Allerdings war lediglich ein
einziger Mitarbeiter ausschließlich mit dieser Aufgabe betraut.
Die FDP richtete ihre Kampagne ganz auf das Ziel aus, 18 Prozent der
Wählerstimmen zu erhalten. Dementsprechend wurde das wichtigste Gremium in der
Wahlkampfplanung der Partei auch als Team 18/2002147 bezeichnet. Diese Gruppe,
der unter anderem Parteichef Guido Westerwelle, Generalsekretärin Cornelia Pieper
und Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfelz angehörten, traf sich einmal
wöchentlich zur Sitzung. In sechs Arbeitsgruppen, den sogenannten „Tischen“,
wurden die Sitzungen des Teams 18/2002 vor- und nachbereitet. Diese „Tische“
waren jeweils für einen eigenen Arbeitsbereich zuständig. So etwa für die
Erarbeitung von Strategien zu bestmöglichen medialen Übermittlung der relevanten
Wahlkampfinhalte der FDP oder zur Kampagnenentwicklung zu Schwerpunktthemen.
Wie bereits im Beschluss des Düsseldorfer Parteitages festgehalten, konzentrierten
sich die Teams dabei auch verstärkt auf die unkonventionelle Präsentation von
Werbebotschaften in den Medien. Ausdruck für diese Strategie war nicht zuletzt die
Präsentation Guido Westerwelles als eigenständiger Kanzlerkandidat der FDP.
Das WahlQuartier 2002 der PDS befand sich in einem gläsernen Pavillon, aus dem
heraus auch schon der vorhergehende Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus
organisiert worden war. Geleitet wurden die knapp 30 Mitarbeiter von der Juristin
Halina Wawzyniak, allerdings wurde de facto Bundesgeschäftsführer Dietmar
Bartsch als eigentlicher Wahlkampfmanager angesehen148. Zusammen mit diesem
standen die damalige Parteivorsitzende Gaby Zimmer, Fraktionschef Roland Claus
und die ehemalige Landesvorsitzende Petra Pau als Vierer-Team der Zentrale vor.
Das Wahlkampfbudget der Partei war dabei mit knapp sechs Millionen Euro noch
größer als das der FDP. Bei der Wahl der Werbeagentur griff die Partei auf das
Berliner Unternehmen Trialon zurück, mit der sie bereits seit 1993 regelmäßig
zusammenarbeitet. Eine klare Strategie war bei der PDS allerdings nicht
auszumachen. So sah auch Richard Hilmer den PDS-Wahlkampf 2002 „eigenartig
147
148
Vgl. Kapferer/Chatzimarkakis: FDP: Auf dem Weg zur 18 (2003), S. 215.
Vgl. Damme: PDS: Absturz aus dem Wahlquartier (2003), S. 270.
52
uninspiriert und lustlos“149. Eine klare Struktur war anders als bei den anderen
Parteien somit bei der PDS nicht erkennbar.
Betrachtet man die Organisationsstrukturen der Wahlkampfteams der einzelnen
Parteien, wird deutlich, dass sie, mit Ausnahme der PDS, gut gerüstet waren für
einen Medienwahlkampf. Die klar strukturierte innerparteiliche Kommunikation mit
Telefonkonferenzen
und
regelmäßigen
Sitzungen
zwischen
den
einzelnen
Verantwortungsträgern war eine wichtige Voraussetzung, um in der Öffentlichkeit ein
Bild der Geschlossenheit abzugeben. Die Einrichtung einzelner Arbeitsgruppen, die
sich auf einzelne Schwerpunktthemen wie Internetwahlkampf, Umgang mit den
Medien oder dem Erscheinungsbild des jeweiligen Kandidaten in der Öffentlichkeit
konzentrieren sollten, waren Garant für ein professionelles Auftreten in diesen
Bereichen. Viel Wert gelegt wurde zudem auf eine deutliche Personalisierung. Neben
Schröder, der ohnehin als Medienkanzler150 gilt, wurde dies durch die Tatsache
verdeutlicht, dass die CDU/CSU ein eigenes Team hatte, dessen einzige Aufgabe es
war, das Image Stoibers zu verbessern und die Grünen und die FDP erstmals
überhaupt
mit
einem
Spitzenkandidaten
beziehungsweise
einem
eigenen
Kanzlerkandidaten antraten.
Festzuhalten
ist
allerdings
auch,
dass
im
Gegensatz
zu
den
USA
die
Hauptverantwortung für den Wahlkampf nicht etwa allein bei den Kandidaten,
sondern im Wesentlichen bei der Parteiführung lag. Auch die Rolle der
Wahlkampfmanager läßt sich nicht ohne weiteres mit den Spin Doctors
amerikanischer Art vergleichen. So wurden Machnig und Spreng zwar in den Medien
oft als die „Kanzlermacher“151 dargestellt. Tatsächlich waren sie jedoch gemeinsam
mit
den
jeweiligen
Entscheidungsprozesse
Kandidaten,
Partei-
eingebunden
und
und
Fraktionsführungen
hatten
keine
in
die
alleinige
Entscheidungsvollmacht. Insbesondere in der SPD gab es im Verlauf des
Wahlkampfes Uneinigkeit über die Kompetenz Machnigs. Als die SPD bei den
Umfragewerten im August 2002 noch immer rund sieben Prozent hinter der Union
lag, berichtete der Spiegel: „Matthias Machnig [...] wurde ohne formellen
149
Hilmer: Bundestagswahl 2002 (2003), S. 198.
Vgl. Goffart: Nur der Sieg zählt, in: Handelsblatt vom 12.07.2002.
151 Vgl. Leersch: Die Kanzlermacher, in: Die Welt vom 13.08.2002.
150
53
Gremienbeschluss entmachtet“ und zitiert Machnig selbst mit den Worten: „Der
Generalsekretär greift jetzt stärker ins operative Geschäft ein“152.
Im folgenden Abschnitt soll nun untersucht werden, wie die Parteien ihre
Organisationsstrukturen zur Selbstdarstellung in den Medien genutzt haben.
4.3 Selbstdarstellung der Parteien in den Medien
Zweck und Aufgabe des Wahlkampfes in modernen Demokratien wurden ebenso wie
die herausragende Rolle, die die Medien dabei spielen, oben bereits (siehe 2.1)
erläutert. An dieser Stelle soll nun darauf eingegangen werden, wie sich die Parteien
und ihre Kandidaten im einzelnen während des Bundestagswahlkampfes 2002 in der
Öffentlichkeit dargestellt haben. Dabei soll das Augenmerk vor allem darauf gerichtet
werden, ob, beziehungsweise in welchem Ausmaß, sich bei der Selbstdarstellung der
Parteien die zuvor beschriebenen Merkmale der „Amerikanisierung“ wiederfinden
lassen.
Vier Aspekte der Selbstdarstellung sollen dabei angesprochen werden. Zur
Klassischen Parteienwerbung ist all das zu zählen, was mit den Begriffen Paid Media
umschrieben wird, also jegliche von den Parteien bezahlte Darstellung von Inhalten
und Personen. In erster Linie lassen sich dazu Parteienspots und Wahlplakate
zählen. Im Abschnitt Medienstrategien soll die Aufmerksamkeit auf das Bemühen der
Parteien gerichtet werden, ihre Themen und Kandidaten in den redaktionellen Teil
der Berichterstattung, also die Free Media, zu bringen. Hierzu gehören etwa das
Themenmanagement oder die Inszenierung von Ereignissen. Da der OnlineWahlkampf als relativ neues Wahlkampfmittel immer mehr an Bedeutung gewinnt,
beschäftigt sich ein eigenständiger Punkt mit der Internetpräsentation der Parteien.
Da schließlich die Fernsehduelle ein Novum in der Geschichte des deutschen
Wahlkampfes darstellten und ein erhebliches Echo in der Medienlandschaft
hervorriefen, wird ihnen ebenfalls ein gesonderter Abschnitt gewidmet.
4.3.1 Klassische Parteienwerbung
Im Gegensatz zur Berichterstattung im redaktionellen Teil der Medien ist anhand der
klassischen Parteienwerbung die gewählte Strategie der einzelnen Parteien schnell
152
Vgl. Der Spiegel, Nr. 33/2002, S. 22.
54
erkennbar, obliegt es doch allein ihrer Entscheidung, wie Wahlplakate und
Fernsehspots gestaltet werden und welche Botschaft sie vermitteln sollen.
Wahlplakate stellen in der Bundesrepublik eines der wesentlichen Mittel der
klassischen Parteienwerbung dar. So bewerteten alle Kampagnenmanager mit
Ausnahme der PDS die Bedeutung von Plakaten im Wahlkampf 2002 zum Teil
deutlich höher als Wahlspots im Fernsehen oder Kino153. Dies ist vor allem im
Vergleich zum Wahlkampf in den USA auffällig, da Wahlplakate dort nur sehr
sporadisch eingesetzt werden, während Wahlwerbung durch Fernsehspots die
größte Bedeutung hat. Doch auch im Bundestagswahlkampf 2002 wurden allein in
den vier Wochen vor der Wahl 428 Wahlwerbespots mit einer Gesamtlänge von 224
Minuten im privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesendet154.
Die Wahlplakate der SPD verdeutlichten die Strategie der Partei, die Person
Schröders in den Mittelpunkt zu rücken. Auf vielen Plakaten war lediglich der
Bundeskanzler allein neben dem Parteilogo abgebildet. Die dazu gehörigen Slogans
konzentrierten sich entweder auf die Person selbst – „Der Kanzler der Mitte“ oder
„Ein moderner Kanzler für ein modernes Land.“ – oder sie transportierten minimale
Ziele der Partei: „Das Ziel meiner Arbeit? Dass alle Arbeit haben.“ Ein zweiter
Schwerpunkt lag in dem Angriff auf den politischen Gegner, wobei dieser fast
ausschließlich
in
der
Union
gesehen
wurde.
Dabei
wurde
die
Personalisierungsstrategie erneut deutlich, da nicht die beiden Unionsparteien als
solche, sondern lediglich deren Kandidat, Stoiber, angegriffen wurde. So wurde etwa
kurz nachdem dieser als Kanzlerkandidat feststand ein Motiv mit der Überschrift
„Endlich: Der Kandidat der CDU/CSU ist da.“ plakatiert. Anstatt eines Fotos von
Stoiber war vor einem weißen Hintergrund jedoch lediglich zu lesen: „Leider nicht im
Bild, da zu weit rechts.“ Mit ihren Angriffsplakaten wollte die SPD vier zentrale
Botschaften vermitteln: „Stoiber verstellt sich, Stoiber steht für die Vergangenheit,
Stoiber hat nur negative Botschaften und die Versprechen der Union sind unseriös“.
Die Angriffe sollten dabei „nicht aggressiv und verbissen, sondern originell und
ironisch“155 wirken. Die im Vergleich zu diesen beiden Schwerpunktthemen wenigen
Plakate, die politische Inhalte vermitteln sollten, konzentrierten sich überwiegend auf
Familienpolitik,
Bildungs-
und
Wissenschaftsförderung
153
oder
Vgl. Müller, Marion: Parteienwerbung im Bundestagswahlkampf (2003), S. 634.
Vgl. Müller, Dieter: Wahlwerbung im Fernsehen (2002), S. 623.
155 SPD-Parteivorstand: Die Kampagne zur Bundestagswahl 2002, S. 13.
154
55
betonten
die
Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Eines der wenigen Plakate, die für die
SPD als Ganzes warben, zeigte die deutsche Flagge in Großaufnahme mit dem
Satz: „In Deutschland ist die Mitte rot.“
Personalisierung und Angriff kamen auch in den Werbespots der SPD zum
Ausdruck. Ein Fernsehspot zeigte Schröder bei der Arbeit am Schreibtisch und im
ernsten Gespräch mit Finanzminister Eichel und Mitarbeitern des Kanzleramtes.
Damit sollte das Bild eines „dynamischen, entschlossenen“156 Kanzlers präsentiert
werden. Gleichzeitig war der Spot mit einem Originalton Schröders unterlegt, so dass
auch politische Inhalte transportiert wurden. Insbesondere wurde das Ziel betont, die
Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Die Angriffsstrategie wurde vor allem in einem
Kinospot ersichtlich, in dem Filmausschnitte von putzenden Hausfrauen in den
1950er Jahren gezeigt wurden. Mit dem Schriftzug: „Die Zukunft. Wie Herr Stoiber
sie sich vorstellt.“ am Ende des Spots „sollte das rückwärts gewandte Frauen- und
Familienbild Stoibers und der Union karikiert und auf ironische Weise – besonders für
ein vorwiegend jugendliches Kinopublikum – thematisiert werden“157.
Die Strategie der Unionsparteien baute auf Umfragewerten auf, die besagten, dass
Stoiber mehr wirtschaftspolitische Kompetenz zugetraut wurde als Schröder158.
Dementsprechend konzentrierten sich auch die Wahlplakate vorwiegend auf
Personalisierung und Angriff. So hatte das Plakat, das allein Stoiber mit dem Slogan:
„Kantig. Echt. Erfolgreich.“ zeigt, mit 350,000 Kopien die größte Auflage von den
Motiven der Union159. Gleichzeitig gab es jedoch auch zwei Motive, die Stoiber
zusammen mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel zeigten. Dies sollte
Geschlossenheit von CDU und CSU demonstrieren und den Verdacht von
Unstimmigkeiten, die in Folge der Entscheidung für Stoiber als Kanzlerkandidaten
hätten vermutet werden können, ausräumen. Die Angriffskampagne stellte vor allem
die
wirtschaftspolitische
Kompetenz
der
Bundesregierung
in
Frage.
Im
Kampagnenbericht der CDU heißt es: “Zentrales Ziel der Angriffs-Kampagne der
CDU gegen Rot-Grün war es, deren schlechte wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische
Bilanz in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte zu rücken“160. Die Kritik wurde
dabei überwiegend an der Person Schröders festgemacht. Ein Plakat zeigte
156
Ebd., S. 21.
Ebd., S. 20
158 Vgl. Kampagnenbericht der CDU, S. 16.
159 Vgl. ebd., S. 30.
160 Ebd., S. 11.
157
56
beispielsweise lediglich den Kopf Schröders, der aus dem Wasser ragte. Darunter
war die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen von über vier Millionen zu lesen.
Da die Zahl in Form eines Kilometerzählers dargestellt war, wurde impliziert, dass sie
weiter steigen wird. Ein anderes Motiv zeigte einen Zwerg, der das SPD-Logo und
eine rote Laterne trägt mit dem Slogan: „Schlußlicht durch Schröder. Kleinstes
Wirtschaftswachstum in Europa“. Die Plakate, mit denen sich die Union bei den
Wählern als bessere Alternative darstellen wollte, zeigten in der Regel kein Motiv.
Stattdessen war vor blauem Hintergrund und dem Parteilogo zu lesen: „Zeit für
Taten.“ oder „Deutschland braucht eine bessere Regierung“.
Bei den Wahlwerbespots der Union fiel auf, dass sie darin weniger auf eine
Personalisierungsstrategie setzten als etwa die SPD. Während etwa in einem Spot
verschiede Bürger zu sehen waren, wurden aktuelle Probleme wie die hohe
Arbeitslosigkeit angesprochen und Lösungsvorschläge der Union vorgestellt. Erst in
den letzten Sekunden des Spots war Stoiber an der Seite Merkels zu sehen und ein
Originalton des Kanzlerkandidaten zu hören. Daneben wurde ähnlich wie bei der
SPD ein Werbespot produziert, der hauptsächlich im Kino ausgestrahlt wurde und in
erster Linie junge Wähler ansprechen sollte161. Die darin dargestellten Szenen
zeigten unterschiedliche Situationen eines Wechsels, so etwa ein Trikottausch
zwischen Fußballern oder das Umziehen in einer Umkleidekabine. Die letzte Szene
zeigte eine junge Autofahrerin, die ein Foto von Schröder am Armaturenbrett ihres
Wagens durch eines von Stoiber ersetzt. Der Wechsel der Bundesregierung wurde
damit in eine Reihe mit alltäglichen Handlungen gestellt und auf diese Weise als
etwas ganz Natürliches dargestellt.
Auch die Grünen setzten bei der Gestaltung ihrer Wahlplakate auf Elemente der
Personalisierung. Allerdings fällt auf, dass sie sich dabei im Gegensatz zu SPD und
CDU/CSU nicht ausschließlich auf ihren Spitzenkandidaten konzentrierten. So waren
neben Joschka Fischer auch andere Minister sowie Vertreter der Partei- und
Fraktionsspitze abgebildet. Die bedeutende Rolle, die Fischer im Wahlkampf spielte,
wurde dennoch deutlich. Auf die Plakate, die ihn unter der Überschrift zeigten:
„Wählen Sie den Außenminister!“ wurde kurz vor der Wahl noch zusätzlich ein gelber
Aufkleber, in der Werbesprache auch Störer genannt, mit dem Satz: „Zweitstimme ist
Joschka-Stimme!“ angebracht. Mehrere Wahlplakate der Grünen enthielten auch
161
Vgl. ebd., S.18.
57
Angriffe auf die politische Konkurrenz. Sie waren überwiegend gegen die
Unionsparteien und die FDP gerichtet. Allerdings dominierte der Angriffswahlkampf
nicht sosehr wie bei SPD und CDU. Zudem schien er auch nicht konsequent einer
bestimmten Strategie zu folgen. Ein Plakat zeigte etwa Stoiber und Merkel unter der
Überschrift: „No Sex, no Drugs, no Rock ’n‘ Roll. – Eine Warnung von Bündnis 90/Die
Grünen.“, während ein anderes Stoiber mit Westerwelle vor dem übergroßen Gesicht
Jürgen W. Möllemanns und dem Satz zeigte: „Damit der Albtraum nicht Wirklichkeit
wird“. Darüber hinaus kommunizierten die Grünen auf ihren Wahlplakaten wesentlich
mehr politische Inhalte als die anderen Parteien. Angesprochen wurden vor allem die
traditionellen
Themen
der
Grünen,
wie
etwa:
Atomausstieg,
Klimaschutz,
Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Zuwanderung, Verbraucherschutz und
Familienpolitik. Damit grenzten sich die Grünen deutlich von SPD und CDU ab, die
auf ihren Plakaten hauptsächlich Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarkt thematisierten.
Außerdem bekannte sich die Partei kurz vor der Wahl mit ihren Plakatmotiven zur
Fortsetzung der Koalition mit der SPD. In den letzten drei Wochen vor der
Bundestagswahl war auf Großplakaten unter der Überschrift: „Kein BSE, kein AKW,
kein Stoiber, keine FDP“ nebeneinander grünes und rotes Gemüse - die Parteifarben
von Grünen und SPD - abgebildet.
Anders als die Plakate waren die Werbespots der Grünen ganz auf den
Spitzenkandidaten Joschka Fischer konzentriert. Dabei wurde vor allem sein hoher
Beliebtheitsgrad in der Bevölkerung genutzt. So erklärte er in einem Spot, wer ihn
weiterhin als Außenminister wolle, müsse die Grünen wählen. Ein anderer Spot, der
für das Kino und den Musiksender MTV und damit eher auf junge Wähler
zugeschnitten war, war humorvoller gestaltet. In Anspielung auf Stoibers Herkunft
war darin bayerische Blasmusik zu hören, während Fischer mit gequältem Gesicht zu
sehen war. Anschließend wurde der Satz eingeblendet: „Joschkas Rezept gegen den
Sound der Vergangenheit:“, worauf Fischer sagt: „Wählt Grün am 22. September“.
Die Motive auf den Wahlplakaten der FDP standen ganz im Zeichen der Strategie
„Projekt 18“. Diese Zahl tauchte auf sämtlichen Plakaten der Partei auf. Auf einem
war sie sogar allein mit dem Parteilogo abgebildet. Darüber hinaus fällt auf, dass die
Partei bei der Gestaltung ihrer Wahlplakate etwas weniger stark auf Personalisierung
setzte als SPD, CDU und Bündnis ‘90/ Die Grünen. Nichtsdestotrotz verzichtete auch
die FDP nicht auf dieses Element, zumal sie erstmals einen Kanzlerkandidaten
58
aufgestellt hatte. So wurde vor allem Guido Westerwelle dargestellt; meist im
Gespräch mit Bürgern. Auch der Angriffswahlkampf unterschied sich von dem
anderer Parteien. So wurden die politischen Gegner selten direkt attackiert. Vielmehr
wurden
auf
den
Wahlplakaten
aktuelle
Probleme
angesprochen
und
die
Bundesregierung damit indirekt kritisiert. Die beiden Themenschwerpunkte stellten
dabei die Abgabenlast durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und das in
der PISA-Studie der OECD ermittelte unterdurchschnittliche Bildungsniveau162
deutscher Schüler. So zeigte ein Plakat asiatische Schriftzeichen zusammen mit der
Aufforderung: „Lesen Sie das, und Sie fühlen sich wie jeder vierte Schüler im
Deutschunterricht“. Mit diesem Vorgehen war es der Partei möglich, Kritik an der
Bundesregierung zu üben und gleichzeitig die eigenen Ziele - Senkung von Steuern
und Beiträgen sowie mehr Ausgaben für Bildung - darzustellen. Einige Motive griffen
auch die politischen Gegner direkt an. So etwa ein Plakat, das zwei schmutzige
Handtücher an einem schwarzen und einem roten Haken zeigte, während daneben
ein sauberes an einem blau-gelben – die Parteifarben der FDP - Haken hing, und
damit auf die Spendenaffären der SPD und der CDU anspielte.
In den Werbespots der FDP war eine Personalisierung eindeutig erkennbar. Ein Spot
zeigte ausschließlich Guido Westerwelle, abwechselnd als Privatmann in der Natur
und als Politiker vor dem Reichstag. Die wichtigsten Themen, die er in dem Spot
ansprach, entsprechen denen auf den Wahlplakaten: Steuern und Bildungspolitik.
Abschließend war neben dem Parteilogo wieder die Zahl 18 eingeblendet. In einem
anderen Spot präsentierte sich die FDP als modern und zukunftsorientiert. Außerdem
enthielt er Elemente eines Angriffswahlkampfs. So war etwa in einer Szene der Satz
„Früher standen Frauen am Herd.“ eingeblendet, während eine Hubschrauberpilotin
zu sehen war. Nach weiteren, ähnlichen Szenen war zu lesen „Früher wählte man
SPD oder CDU/CSU“.
Die Wahlplakate der PDS unterschieden sich deutlich von denen der anderen vier
Parteien. Personalisierung war lediglich im Ansatz zu erkennen. So waren auf den
Plakaten nur sehr selten Parteimitglieder abgebildet. Die drei unter dem Slogan:
„Gysis junge Truppe“ auf einem Plakat abgebildeten relativ jungen Mitglieder
besaßen zudem keinerlei Bekanntheitsgrad. Angriffe auf die Konkurrenzparteien
162
Im Dezember 2001 veröffentlichte die OECD eine Studie, die bei Schülern aus 32 Ländern die
Leistungen in Mathematik, Naturwissenschaften und Leseverständnis verglich. Die Bundesrepublik
zählte in allen drei Gebieten zum unteren Drittel. Vgl. Der Spiegel, Nr. 50/2001, S. 60ff.
59
fanden in den unterschiedlichen Motiven überhaupt keinen Ausdruck. Bei den
politischen Inhalten war als einziger Schwerpunkt die Anti-Kriegs-Haltung der Partei,
die sich in den meisten Plakaten widerspiegelte, eindeutig zu erkennen. Zu anderen
Inhalten gab es nur vereinzelte Motive: „Macht den Osten stark“, „Nazis raus aus den
Köpfen“ oder „Vermögenssteuer wieder einführen“ waren als entsprechende Slogans
zu lesen. Auf einigen Plakaten wurden überhaupt keine politischen Inhalte
thematisiert: „Das Leben ist Deine Party: PDS“ oder „Immer wieder PDS“ sind hierfür
zwei Beispiele. Darüber hinaus fiel die Gestaltung der einzelnen Plakate sehr
unterschiedlich aus. Außer dem Parteilogo waren kaum Elemente zu sehen, die eine
Zuordnung der einzelnen Motive zur PDS erleichtert hätten. Die Aussage des
Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch, „ein typisches PDS-Plakat ist auch aus
einem mit 250 Stundenkilometern dahinrauschenden ICE eindeutig als solches zu
identifizieren“163, muss somit angezweifelt werden.
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die Werbespots der PDS betrachtet. Auch
darin waren keine Personalisierung und kein Angriff auf andere politische Parteien
enthalten. Die Themen der PDS wurden ebenfalls nicht eindeutig benannt. So
deutete ein in schwarzweiß gehaltener Spot lediglich in einzelnen Szenen an, auf
welche Problemfelder sich die Partei konzentriert. So waren etwa zwei junge Männer
zu sehen, die den Spruch „Frieden kommt von Frieden“ an eine Mauer sprühen. In
zwei anderen Szenen wurde eine alte Fabrikhalle geschlossen, woraufhin ein
Jugendlicher seine Heimat in den neuen Bundesländern verlässt, da er dort keine
Arbeit bekommt. Unterlegt war der Spot mit einem Lied, dessen Hauptaussage sich
in der Zeile „Dass keiner verliert, ist das Ziel“ widerspiegelte. Zum Schluss des Spots
wurde das Parteilogo eingeblendet.
Untersucht man die Plakatmotive des Bundestagswahlkampfes 2002, wird deutlich,
dass die Parteien sich vor allem auf Personalisierung und Angriffswahlkampf
konzentriert haben. Politische Inhalte werden dagegen nur sehr begrenzt übermittelt.
Dies darf zwar nicht verwundern, da Wahlplakate nicht das geeignete Medium sind,
um Themen und Programme ausführlich vorzustellen. Allerdings fällt auf, dass
manche Parteien, insbesondere die Grünen, trotzdem stärker als andere auch ihre
politischen Ziele auf Plakaten angesprochen haben.
163
Bartsch, zitiert nach: Damme: PDS: Absturz aus dem Wahlquartier (2003), S. 279.
60
Ähnlich verhält es sich mit den Wahlwerbespots. Auch hier setzen die Parteien oft
auf Personalisierung und Angriffswahlkampf. Allerdings fällt gerade bei der Union
auf, dass die Spots weniger die Person Stoiber in den Mittelpunkt stellen als sie dies
auf den Plakaten tut. Daneben vermitteln die Werbespots mehr politische Inhalte,
was unter anderem auf die Vorteile des Mediums, Bild und Ton zu kombinieren,
zurückzuführen ist.
4.3.2 Medienstrategien
Ein professioneller Umgang mit den Massenmedien kann den Parteien im
Wahlkampf viele Vorteile bringen. Wer es versteht, Ereignisse geschickt zu
inszenieren und damit die von ihm gewünschten Themen und Bilder in die
redaktionelle Berichterstattung zu bringen, erhält nicht nur kostenlose Wahlwerbung.
Die in den Nachrichten der Print- und Rundfunkmedien dargestellten Ereignisse
besitzen in den Augen der Zuschauer oft auch eine größere Glaubwürdigkeit als
bezahlte Wahlwerbung, da die entsprechenden Beiträge letztendlich nicht von den
Parteien, sondern von Journalisten ausgewählt werden und die Werbeabsicht
weniger offensichtlich ist. Die Medienexperten in den Wahlkampfteams bemühen
sich daher permanent durch Themenmanagement und die Inszenierung von
Ereignissen, die Themenauswahl der Journalisten zu beeinflussen, um in den Free
Media präsent zu sein. So kommt auch der Form dieser Free Media eine deutlich
größere
Bedeutung
zu
als
der
bezahlten
Wahlwerbung 164.
Auch
im
Bundestagswahlkampf 2002 waren die Anstrengungen der Parteien, sich auf diese
Weise in die öffentliche Aufmerksamkeit zu bringen, deutlich erkennbar. Die dafür
eingesetzten Methoden waren dabei sehr unterschiedlich und vielfältig. Sie reichten
von der medienwirksamen Inszenierung der Diskussion um den Spitzenkandidaten
der Union über den sogenannten „Spaßwahlkampf“165 der FDP bis hin zum
gemeinsamen Auftritt von Gerhard Schröder und Joschka Fischer vor dem
Brandenburger Tor in Berlin wenige Tage vor der Wahl. Im Abschnitt 3.1.4 wurde
bereits erläutert, wie wichtig die Produktion und Darstellung von Bildern in einer
mediatisierten Gesellschaft ist. Nun sollen im Folgenden die Vorgehensweise der
einzelnen Parteien und die wichtigsten Inszenierungen von Ereignissen im
Wahlkampf dargestellt werden.
164
Vgl. Fengler/Jun: Kopie der Kampa 98 im neuen Kontext (2003), S. 174.
61
Die Kampa gab frühzeitig ein Wahlkampfhandbuch mit dem Titel „Moderner
Wahlkampf“ heraus, das jedem Wahlkampfteam zur Verfügung stand. Damit sollte
die Wahlkampfführung der SPD bis auf die Kreisebene aufeinander abgestimmt
werden. Insbesondere enthielt es auch Anleitungen und Tipps zum Umgang mit den
Medien. So wird etwa unter dem Stichwort „Inszenierte Termine“ darauf hingewiesen,
dass es wichtig sei, die Vorstellung von politischen Forderungen mit geplanten
Aktionen vor Ort zu verbinden. Dabei müsse darauf geachtet werden, wo sich
günstige
Gelegenheiten
für
die
Medien
ergeben,
Pressebilder
oder
Fernsehaufnahmen zu machen166. Einen besonderen Vorbildcharakter für diese
Anregungen hatte die Wahlkampfpraxis der SPD auf Bundesebene. Ob auf dem G-8Gipfel in Kanada, beim Besuch der deutschen Nationalmannschaft nach dem Finale
der Fußballweltmeisterschaft oder bei der Besichtigung der Hochwassergebiete in
Gummistiefeln und Regenjacke im August; stets war Gerhard Schröder um einen
medienwirksamen Auftritt bemüht. Dabei war ihm zwar sein Amtsbonus von großem
Vorteil: Viele Termine im Wahlkampf nahm Schröder aufgrund seiner Funktion als
Bundeskanzler und nicht in erster Linie als Wahlkämpfer wahr und konnte sich daher
von vornherein des Interesses der Medien sicher sein. Allerdings wurde auch bei
diesen Terminen das Bemühen Schröders deutlich, sich in Szene zu setzen und
positive Bilder zu produzieren. So wurde etwa sein Inspektionsbesuch bei den in
Afghanistan stationierten Einheiten der Bundeswehr im Mai auch dazu genutzt, vor
laufenden Kameras zusammen mit Franz Beckenbauer Fußbälle an Straßenkinder in
Kabul zu verteilen. Des Medieninteresses an dieser inszenierten Szene konnte er
sich dabei gewiss sein.
Neben diesen Terminen absolvierte Schröder im August und September die
sogenannte „Kanzler-Tour“, bei der er insgesamt 39 Großveranstaltungen in ganz
Deutschland besuchte. Darüber hinaus fanden weitere 120 Veranstaltungen mit
Bundesministern statt167. Neben dem persönlichen Kontakt zu den Wählern wurden
auch diese Auftritte dazu genutzt, um medientaugliche Szenen zu produzieren.
Bilder, auf denen Schröder im Gespräch mit Bürgern oder beim Händeschütteln
gezeigt wurde, demonstrierten dabei Offenheit und Bürgernähe. Den Höhepunkt
dieser Veranstaltungen bildete der gemeinsame Auftritt von Schröder und dem
grünen Außenminister Joschka Fischer vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Auf
165
Löhe/Neubacher: "Zur Munterkeit verdammt", in: Der Spiegel, Nr. 35/2002, S. 38.
Vgl. Wahlkampfhandbuch der SPD, S. 19f.
167 Vgl. ebd., S. 29.
166
62
Interesse bei den Medien stieß dieses Ereignis nicht nur wegen des bunten
musikalischen Rahmenprogramms und einer Zuschauerzahl von rund 20 000
Menschen,
sondern
auch
aufgrund
des
gemeinsamen
Wahlkampfes
von
Spitzenkandidaten zweier unterschiedlicher Parteien. Noch nie war in der
Bundesrepublik derart eindeutig für eine Regierungskoalition Wahlkampf gemacht
worden.
Die Auswahl der Themenschwerpunkte stellte sich für die SPD zunächst schwierig
dar. Einen Bilanzwahlkampf hinsichtlich der Wirtschaftspolitik zu führen, bot sich
aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der stagnierenden Wirtschaftsentwicklung
nicht an. Da aber vor allem die Union ihren Wahlkampf auf diesen Bereich
konzentrierte, musste dem ein alternatives Konzept entgegengestellt werden. Zu
diesem Zweck thematisierte die SPD die Ergebnisse der Hartz-Kommission, die im
Auftrag der Bundesregierung ein Konzept zur Reduzierung der Arbeitslosenquote
erarbeitet hatte. Der Vorsitzende der Kommission, Peter Hartz, behauptete, mit dem
Konzept könne die Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Jahren halbiert werden168.
Angesichts einer solch optimistischen Prognose und der Absichtserklärung
Schröders, das Konzept schnellstmöglich umsetzen zu wollen, fand das Thema
breite Beachtung in den Medien. Gegen Ende des Wahlkampfes wurden noch zwei
weitere Themen von der SPD forciert. Zum einen erklärte Schröder angesichts eines
drohenden Angriffs der USA auf den Irak, dass es unter ihm als Bundeskanzler einen
Einsatz der Bundeswehr in dem Konflikt unter keinen Umständen geben würde.
Damit grenzte er sich deutlich von der Position der Union ab. Zum anderen versuchte
er, sich nach den Überflutungen im Osten Deutschlands als Katastrophenhelfer zu
profilieren, indem er den Opfern des Hochwassers schnelle Hilfe durch die
Bundesregierung versprach und die Bürger zu Spenden aufrief. Angesichts der
Besetzung dieser beiden Themen - Krieg und Umweltkatastrophe - durch die SPD
konnten die Massenmedien gar nicht umhin, der Partei und vor allem dem Kanzler
breite Aufmerksamkeit in der Berichterstattung zu geben.
Bei der CDU/CSU sorgte bereits die Debatte um die Spitzenkandidatur der Union für
große Aufmerksamkeit in den Medien. Die Umstände, unter denen die Vorsitzende
der CDU, Angela Merkel, zugunsten Edmund Stoibers auf eine Kandidatur
verzichtete, fanden noch lange Nachhall in der Berichterstattung und brachten dem
63
Wahlkampf der Union frühzeitig eine breite öffentliche Beachtung ein169. Nachdem
Stoiber als Spitzenkandidat feststand, wurde die Zusammensetzung des um ihn
gebildeten Kompetenzteams ein wichtiges Instrument, um medienwirksame Bilder zu
erzeugen. Als etwa die SPD versuchte, Stoiber ein veraltetes Rollenverständnis
zwischen Männern und Frauen zu unterstellen, wurde im Juli die 28-jährige Katharina
Reiche in das Team berufen. Die Bilder von der erfolgreichen, unverheirateten
Mutter, die zudem zu diesem Zeitpunkt schwanger war, sorgten für großes Interesse
in den Medien und stellten ein geeignetes Mittel dar, die Vorwürfe der SPD zu
widerlegen. Eine ähnliche Funktion hatte bereits im Mai die Benennung Lothar
Späths
in
das
Kompetenzteam.
Der
ehemalige
Baden-Württembergische
Ministerpräsident, der erfolgreich den Jenoptik-Konzern saniert hatte, sollte die
wirtschaftliche Kompetenz Stoibers unterstreichen.
Auch sonst war die Union permanent darum bemüht, werbewirksame Bilder zu
erzeugen. So ließ Stoiber sich beim Besuch eines Freizeitparks im Mai mit seiner
Tochter und seinen Enkelkindern vor einem Modell des Reichstagsgebäudes
ablichten. Genau wie Schröder flog auch er nach Japan, um sich nach dem Endspiel
der Fußballweltmeisterschaft zusammen mit der Nationalmannschaft fotografieren zu
lassen. Außerdem besuchte auch er im August die Hochwassergebiete, um sich mit
den Freiwilligen einer Hilfsorganisation sehen zu lassen. Medienwirksam ist dabei vor
allem ein Bild, auf dem er zusammen mit einem Helfer einen Sandsack auf eine
Flutbarriere legt. Schließlich entstanden auch bei Stoibers Besuch in den USA
werbewirksame Bilder. Während bereits die Aufnahmen von Stoiber am Ground Zero
in New York hohen Wert für den Wahlkampf der Union hatten, ist den Bildern, die ihn
mit George W. Bush im Weißen Haus zeigen, eine noch größere Bedeutung
beizumessen.
Welche Bedeutung das ständige Bemühen um die Inszenierung von Bildern hat, wird
indes Anfang September auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU in Düsseldorf
deutlich. Den rund 10 000 Gästen der Veranstaltung wurde zunächst ein
umfangreiches und medienwirksames Rahmenprogramm mit Hochseilakrobaten und
Musik geboten, so dass die Nachrichtensendung Tagesthemen kommentierte: „Musik
und Stimmung wie bei einem Boxkampf“170. Auf dem Weg zum Rednerpult geriet
Stoiber jedoch ins straucheln, fing den Sturz mit den Händen ab und ist daher für
168
Vgl. Peter Hartz im Spiegel-Interview: "Ich bin ein Überzeugungstäter", in: Der Spiegel, Nr.
26/2002, S. 37.
169 Vgl. u.a. Der Spiegel, Nr. 3/2002.
64
einen Moment auf allen Vieren zu sehen. Trotz des ansonsten professionell
inszenierten Auftritts, ist es vor allem diese Szene, die in der Berichterstattung
Beachtung fand. Der Spiegel beschrieb die Symbolik entsprechend: „Wie einer, der
ins Ziel robben muss“171.
Die eindeutig wichtigsten Themen, auf die sich der Wahlkampf der Union fixierte,
waren die Wirtschaftslage und die hohe Zahl der Arbeitslosen. Bei jeder sich
bietenden Gelegenheit wurden diese beiden Aspekte angesprochen. Besonders
deutlich wurde dies beim zweiten Fernsehduell, bei dem Stoiber grundsätzlich bei
jeder Frage versuchte, diese Bereiche zu thematisieren. Auch in Interviews und
öffentlichen Auftritten waren dies die zentralen Punkte, so dass die Medien wenig
Gelegenheit hatten, andere Wahlkampfinhalte in Verbindung mit der Union zu
thematisieren.
Den Grünen garantierte ähnlich wie Gerhard Schröder bei der SPD Joschka Fischers
Amtsbonus
als
Außenminister
eine
regelmäßige
Berichterstattung
in
den
Massenmedien. Zusammen mit dem hohen Beliebtheitsgrad, den Fischer in der
Bevölkerung genoss172, stellte diese Tatsache für die Partei eine gute Grundlage für
den Wahlkampf dar. So sagt auch Rudi Hoogvliet: „Wenn man schon den
beliebtesten Politiker Deutschlands in seinen Reihen hat, ist es klar, dass sich die
Wahlkampfführung auf diese Person konzentrieren muss“.173 Daher setzten die
Grünen weniger stark auf spektakuläre Inszenierungen, um die Aufmerksamkeit der
Medien zu erhalten als etwa SPD, Union und FDP. Zwar schreibt Becher, dass man
„im Vorfeld der heißen Phase [...] auf die mediale Berichterstattung von
Präsentationen und Veranstaltungen“174 setzte. So begab sich Fischer etwa mit
einem auffällig lackierten Reisebus, der die Aufschrift „Joschka“ trug, auf eine
ausgedehnte Wahlkampftour durch die Bundesrepublik. Im Vergleich zu den
Methoden anderer Parteien, wie etwa dem Einsatz des „Guidomobils“ bei der FDP,
waren die Bemühungen der Grünen, das Medieninteresse auf sich zu ziehen, viel
zurückhaltender. Eine Ausnahme bildet dabei allerdings der bereits erwähnte
gemeinsame Auftritt Fischers mit Gerhard Schröder am Brandenburger Tor in Berlin.
170
ARD-Tagesthemen vom 1.9.2002.
Spiegel, Nr. 38/2002, S. 71.
172 Siehe Fn. 132.
173 Interview mit Hoogvliet vom 04.07.2003.
174 Becher: „Grün wirkt“ mit wenig Ressourcen (2003), S. 262.
171
65
Bei der Themenauswahl stellten die Grünen ihre bereits erreichten Ziele in den
Mittelpunkt.
Dazu
gleichgeschlechtlicher
gehörten
insbesondere
Lebensgemeinschaften,
die
rechtliche
Anerkennung
Atomausstieg,
Klimaschutz,
Zuwanderung und Verbraucherschutz. Insbesondere beim Thema Klimaschutz
wurde der Partei nach den Überschwemmungen im Osten Deutschlands im August
noch einmal verstärkte Aufmerksamkeit durch die Medien zuteil. Gleichzeitig wurden
auch die Leistungen Fischers als Außenminister betont und thematisiert, was zu
einer weiteren Personalisierung führte. Angesichts der herausragenden Rolle, die
Fischer im Wahlkampf der Grünen spielte, behauptet Deupmann sogar: „Niemand
weiß, ob die Partei ohne ihn überhaupt eine Zukunft hat“175.
Die FDP wurde mit ihrer Medienstrategie ihrem auf dem Bundesparteitag in
Düsseldorf formulierten Anspruch gerecht, einen unkonventionellen Wahlkampf
führen zu wollen176. So gut wie alle Wahlkampfaktionen standen unter dem Motto des
„Projekts 18“. So sorgte Guido Westerwelle für Aufsehen, als er in der politischen
Talkshow „Sabine Christiansen“ mit einer auf seine Schuhsohlen geschriebenen
Ziffer 18 auftrat. Die wichtigste Inszenierung für die Medien war jedoch die
Wahlkampftour Westerwelles mit dem „Guidomobil“. Sechs Wochen lang besuchte
der Spitzenkandidat der FDP Veranstaltungen in allen Bundesländern. Zwar sollte
auf diese Weise auch der direkte Kontakt zur Bevölkerung hergestellt werden. In
erster Linie sollte jedoch der auffällige, in den Farben der Partei angestrichene Bus
die
Aufmerksamkeit
der
Medien
auf
sich
ziehen.
Angesichts
dieser
Wahlkampfmethoden kommentierte der Tagesspiegel: „Die Liberalen werden das
Image nicht los, es zumindest manchmal mit der Politik nicht ganz so ernst zu
meinen“177. So schien der Einsatz unkonventioneller Wahlmethoden vor allem nach
dem Hochwasser an der Elbe Mitte August nicht mehr angemessen zu sein. Die
Aufmerksamkeit, die die Partei damit auf sich gezogen hatte, entwickelte sich sogar
zusehends zum Bumerang. Eine Wahlkampfführung, die auf eine Vielzahl heiterer
Elemente setzte, schien angesichts der ernsten Lage im Osten Deutschlands nicht
mehr angebracht178.
175
Deupmann: Der rot-grüne Herbergsvater, in: Der Spiegel, Nr. 36/2002, S. 24.
Siehe Fn. 138.
177 von Rimscha: Ganz im Ernst, in: Der Tagesspiegel vom 10.05.2002.
178 Vgl. Löhe/Neubacher: "Zur Munterkeit verdammt", in: Der Spiegel, Nr. 35/2002, S. 38.
176
66
Doch die FDP bediente sich auch anderer Methoden, um in den Medien präsent zu
sein. So ist etwa die Verfassungsklage der Partei auf Teilnahme ihres
Spitzenkandidaten an den Fernseh-Duellen zwischen Schröder und Stoiber
zumindest zum Teil als solche zu werten. Guido Westerwelle konnte sich nur wenig
Hoffnung machen, mit der Beschwerde Erfolg zu haben. Zumal entsprechende
Klagen bereits zuvor vom Verwaltungsgericht Köln und dem Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen abgelehnt worden waren. Dass die Beschwerde indes auf
Interesse der Medien stoßen würde, war abzusehen, ging es doch nicht zuletzt um
die Zulässigkeit des in dieser Form neuen Sendeformats in der Bundesrepublik. Auf
diese Weise gelang es der FDP, nochmals die Tatsache, dass sie ebenfalls einen
Kanzlerkandidaten aufgestellt hatte, in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu
rücken.
Thematisch
konzentrierte
sich
die
FDP, wie
bereits
bei der klassischen
Parteienwerbung deutlich wurde, vor allem auf die Kritik an einer zu hohen
Abgabenlast für die Bürger und die Einführung niedrigerer Steuersätze. Forderungen
danach wurden in fast allen öffentlichen Auftritten und Interviews angesprochen und
so in der öffentlichen Wahrnehmung gehalten.
Auch das Wahlkampfteam der PDS war darum bemüht, medienwirksame Bilder zu
produzieren.
So
mietete
Wahlkampfveranstaltungen.
die
Bei
Partei
den
einigen
Berliner
Zirkus
Vorstellungen
trat
„Harlekin“
für
dabei
der
Europaabgeordnete der PDS, André Brie, als Zirkusdirektor auf. Außerdem wurde
eine Schiffstour mit der „MS Socialist“ auf der Elbe durchgeführt und vor allem für
jüngere Wähler Konzerte und Partys organisiert.
Diese Inszenierungen änderten jedoch nichts daran, dass die PDS Schwierigkeiten
hatte,
eigene
Themen
zu
besetzen,
für
sich
einzunehmen
und
in
der
Berichterstattung der Medien zu platzieren. Dies wurde besonders gegen Ende des
Wahlkampfes deutlich. Die Unterstützung, die die Opfer des Hochwassers an der
Elbe vor allem auch aus den alten Bundesländern erhielten, ließ die Versuche der
PDS, sich weiterhin als Partei für den Osten zu präsentieren, zusehends verblassen.
Mit der kategorischen Ablehnung eines Bundeswehreinsatzes in einem möglichen
Irakkonflikt durch den Bundeskanzler konnte sie sich zudem mit ihrer strikten
pazifistischen Gesinnung nicht mehr gegen die SPD abgrenzen. Als schließlich kurz
vor dem Wahltermin ein Sieg der SPD wieder im Bereich des Möglichen lag, war
67
auch der Versuch zum Scheitern verurteilt, die Wähler dazu aufzurufen, PDS zu
wählen, um zu verhindern, dass Stoiber Bundeskanzler wird 179. Im Nachhinein hat
sogar die Tatsache, dass die PDS bis auf die zwei Direktmandate nicht in den
Bundestag gewählt wurde, eine erneute Mehrheit von SPD und Grünen im Parlament
erst ermöglicht.
Betrachtet man die Inszenierungen von Ereignissen der Parteien im Wahlkampf
insgesamt, wird deutlich, dass der Medientauglichkeit der jeweiligen Veranstaltungen
größte Bedeutung zugemessen wird. Ob mit Akrobaten und Musikern auf
Parteiveranstaltungen, bunt lackierten Transportmitteln auf den Wahlkampftouren
oder gemeinsamen Auftritten der Spitzenkandidaten mit Sportlern und anderen
Prominenten – die Wichtigkeit der Bildkommunikation war im vergangenen
Bundestagswahlkampf klar erkennbar. Die Parteien hofften auf diese Weise,
verstärkt die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, um ihre Themen einem
möglichst großem Publikum unterbreiten zu können. Politische Inhalte werden dabei
nicht überflüssig. Sie erfordern jedoch offensichtlich entsprechende Inszenierungen,
um von den Medien wahrgenommen und so in die Öffentlichkeit transportiert werden
zu können. Althaus schreibt in diesem Zusammenhang: „Politische Inhalte müssen
mit echten Bildern gerahmt werden. [...] Metaphern reichen nicht mehr; man muss
sehen lassen, was man zu sagen hat“180.
4.3.3 Internetpräsentation
Das noch relativ neue Medium Internet bietet den politischen Parteien im Wahlkampf
eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Selbstdarstellung. So ermöglicht es die
vergleichsweise preisgünstige und schnelle Verbreitung von Informationen, ohne
dass diese einer journalistischen Auswahl oder Kommentierung unterliegen. Neben
Wahl- und Parteiprogrammen können auch Wahlwerbespots, Bilder von aktuellen
Geschehnisse oder Interviews mit Politikern im Netz bereitgestellt werden. Darüber
hinaus ist es auch möglich, Diskussionsforen einzurichten, in denen die Nutzer des
Internets entweder untereinander oder mit Politikern der jeweiligen Parteien über
aktuelle Themen diskutieren können. Da es außerdem möglich ist, Informationen
jederzeit bereit zu stellen, kann schnell auf Äußerungen und Handlungen der
179
180
Vgl. Damme: PDS: Absturz aus dem Wahlquartier. S. 277.
Althaus: Kameratauglich in die Kampagne. S. 317.
68
politischen Konkurrenz reagiert werden, was etwa den Einsatz von Elementen des
Angriffswahlkampfes begünstigt.
Trotz dieser Vorteile und obwohl sich die technischen Möglichkeiten seit der
Bundestagswahl 1998 deutlich verbessert haben, bewerten die Wahlkampfmanager
der Parteien laut der Studie von Marion Müller die Relevanz des Internetauftritts für
den Wahlkampf 2002 jedoch geringer als vier Jahre zuvor181. Lediglich die SPD
schätzt demnach die Bedeutung leicht höher ein als 1998. Dies mag zum einen
daran liegen, dass das Internet nicht mehr den Reiz eines gänzlich neuen
Instruments für die Wahlkampfführung hat wie dies noch 1998 der Fall war. Zum
anderen erreicht es kein so breites Publikum wie etwa das Fernsehen. Zwar ist die
Zahl der Internetnutzer in den vergangenen Jahren stark angestiegen. So sieht etwa
Bieber
eine
sukzessive
Entwicklung
des
Neztes
vom
Zielgruppen-
zum
Massenmedium182. Nach wie vor greifen aber hauptsächlich männliche Nutzer im
Alter von 14 bis 29 Jahren und Personen mit höherer Schulbildung auf das Angebot
im Netz zurück183. Darüber hinaus muss auf die Werbung der Parteien im Internet
aktiv zugegriffen werden. Dies bedeutet, dass vor allem ohnehin politisch
interessierte Gruppen die Online-Angebote der Parteien nutzen. Ähnlich sieht es
Alexander Geisler: „Dass über das
Internet der Kontakt mit bislang politisch Uninteressierten hergestellt werden kann, ist
dagegen eher unwahrscheinlich“184. Nichtsdestotrotz nutzten die einzelnen Parteien
im Bundestagswahlkampf 2002 das Instrument Internet intensiv und waren mit den
unterschiedlichsten Formaten präsent.
Der SPD stand mit der Webseite »bundeskanzler.de«185 von vornherein ein Format
zur Verfügung, dass sich auf die Person Gerhard Schröder konzentriert. Allerdings
handelt es sich dabei um ein amtliches Angebot, das nicht zu Wahlkampfzwecken
benutzt werden darf. Trotzdem enthält es Elemente, die sich auch auf den Webseiten
anderer Parteien – wie etwa der CDU/CSU – wiederfinden lassen und die für den
Wahlkampf nützlich waren, ohne eine direkte Werbung darzustellen. Abgerufen
werden können beispielsweise die Biografie Schröders, seine Reisestationen im In-
181
Vgl. Müller, Marion: Parteienwerbung im Bundestagswahlkampf (2992), S. 634.
Vgl. Bieber: Online-Wahlkampf (2002), S. 282.
183 Vgl. Eimeren/Gerhard/Frees: ARD/ZDF-Onlinestudie (2001), S. 383.
184 Geisler: Alte Gladiatoren, neue Arenen (2002), S. 203.
185 Aufgrund des besseren Leseflusses wird bei der Angabe von Internetseiten auf den Gebrauch des
Kürzels „www“ verzichtet.
182
69
und Ausland, die Zielsetzungen der Politik der Bundesregierung sowie Reden und
Zitate. Was daher das Element der Personalisierung im Internet betrifft, profitierten
die SPD und Schröder im Wahlkampf auch im Internet von dessen Amtsbonus.
Zusätzlich richtete die Partei ab Juli 2002 mit »gerhard-schroeder.de« noch eine
weitere Internetseite ein, die im Wesentlichen auf die Person Schröders ausgerichtet
war und die in erster Linie zur Wahlwerbung genutzt wurde. Nachzulesen waren dort
aktuelle Wahlkampfberichte,
eine
ausführlichere
Darstellung
von
Schröders
Lebenslauf und eine regelmäßig erscheinende Kolumne der Kanzlergattin Doris
Schröder-Köpf. Daneben ist die Seite mit zahlreichen Fotos versehen, die Schröder
bei der Arbeit, auf Reisen oder auch als Privatmann zeigen.
Dagegen diente die SPD-Seite »nichtregierungsfaehig.de« – wie der Name vermuten
lässt - ausschließlich dem Angriffswahlkampf. So wurden darin Auftritte und Reden
von Politikern der konkurrierenden Parteien dargestellt und kritisch kommentiert. In
erster Linie konzentrierte sich die Seite dabei allerdings auf die Kritik an dem
Spitzenkandidaten der CDU/CSU, Stoiber, so dass sie sich „zu einer Art Anti-StoiberPortal“186 entwickelt hatte.
Mit der Adresse »kampa02.de« bekam auch die Wahlkampfzentrale der SPD einen
eigenen Internetauftritt. Diese Seite war weniger auf Personalisierung oder Angriff
ausgerichtet, sondern diente vor allem der Information über Aufbau und Arbeitsweise
des Wahlkampfteams. Nutzer konnten sich hier über Wahlkampftermine informieren,
aktuelle Ereignisse aus im Kampa-Tagebuch nachschlagen oder sich Audio- und
Videoclips von Politikerauftritten der SPD herunterladen. Schließlich gab es noch die
Webseite »spd-online.de«. Diese wurde als Portal für die interne Kommunikation
zwischen Parteimitgliedern, Funktionären und Mitarbeitern genutzt. So wurden dort
Hintergrundinformationen
zum
Wahlkampf
bereit
gehalten,
um
die
Wahlkampfführung besser abzustimmen. Von der Gestaltung her fügte sich der
Internetauftritt der SPD gut in das Gesamtbild des sonstigen Wahlkampf ein. Eine
Ausnahme bildete jedoch die Seite »gerhard-schroeder.de«, die sich im Design von
den anderen Webseiten der Partei unterschied.
Das Pendant zur Personalisierungsstrategie der SPD im Internet bildete bei der
Union die Seite »stoiber.de«, die bereits Anfang Mai 2002 bereit gestellt wurde.
Unter den Stichpunkten „Mein Leben“, „Meine Arbeit“, und „Meine Ziele“ konnten
186
Bieber: Online-Wahlkampf (2002), S. 278.
70
beispielsweise die Biografie Stoibers oder seine politischen Einstellungen zu
bestimmten Themen abgerufen werden. Damit sollten, ähnlich wie bei »gerhardschroeder.de«, in erster Linie die persönlichen Eigenschaften des Kandidaten der
CDU/CSU herausgestellt werden.
Unter dem neutral klingenden Seitennamen »wahlfakten.de« brachte die Union
Elemente des Angriffswahlkampfs in den Wahlkampf ein. Dabei setzte sie mit dem
Prinzip der Rapid Response erstmals in der Bundesrepublik ein Instrument ein, das
sie der US-amerikanischen Wahlkampfführung entnommen hatte. Zweck dieses
Instrumentes ist es, während der Reden von Politkern der konkurrierenden Parteien
deren Inhalte aufzulisten, zu analysieren und kritisch zu kommentieren. Um den
Eindruck von Neutralität zu wahren, wurden die Positionen der CDU/CSU gleichzeitig
mit „objektiven Fakten und Quellenangaben belegt“187. Aufgrund der subjektiven
Auswahl, sowohl von Zitaten als auch von Belegen, besteht jedoch kein Zweifel, dass
es sich bei »wahlfakten.de« um ein Wahlkampfinstrument gehandelt hat. Die so
gesammelten Zitate und die dazu gehörigen Kommentare wurden anschließend
archiviert und waren jederzeit, nach Themen geordnet, wieder abrufbar. Erstmals
wurde dieses Instrument bereits im November 2001 zur Rede Gerhard Schröders auf
dem Bundesparteitag der SPD angewendet188. Die Zielgruppe der Seite stellten
hauptsächlich politisch interessierte Bürger und Journalisten dar.
Ergänzt wurde der Internetauftritt der Union durch das im Juni 2002 eingerichtete
Portal »zeit-fuer-taten.de«. Laut dem Kampagnenbericht der CDU diente es als ein
„umfassender Informationsservice für alle Wählerinnen und Wähler“189. Auf
Personalisierung und polemische Angriffe auf die konkurrierenden Parteien wurde
daher weitgehend verzichtet. Stattdessen fanden die Nutzer Zugang über die
Einzelrubriken „Themen“, „Menschen“ und „Regionen“. Der Inhalt bestand aus
Informationen über die Ziele der Union, Auswirkungen ihrer Vorhaben auf einzelne
Berufsgruppen und Lösungsvorschlägen zu spezifischen Problemen in einzelnen
Regionen. Die Seite »wahlkreis300.de« stellte schließlich eine Politiksimulation dar,
die vorwiegend Jung- und Erstwähler ansprechen sollte. Dabei sollte in einem fiktiven
Internet-Wahlkreis ein Abgeordneter gewählt werden. Allerdings stellte die Union
187
Kampagnenbericht der CDU, S. 27.
Vgl. ebd.
189 Ebd., S. 26.
188
71
hierbei lediglich den Rahmen und gab Kommunikationsanreize, während die
kommunikative Tätigkeit der Teilnehmer im Vordergrund stand190.
Auffällig ist, dass die Union bei der Bezeichnung ihrer Internetauftritte mit
»wahlfakten.de« und »wahlkreis300.de« neutralere Adressen wählte als dies bei der
SPD der Fall war. Für die Informationsseite »zeit-fuer-taten.de« wurde jedoch auch
eine
Überschrift
verwendet,
die
bereits
als
Motto
aus
der
klassischen
Parteienwerbung bekannt war.
Auch die Grünen trugen der Popularität des Außenministers Fischer in der
Bevölkerung mit einem personalisierten Internetauftritt Rechnung. Unter der Adresse
»joschka.de« richteten sie eine Webseite ein, die ganz auf ihren Spitzenkandidaten
zugeschnitten war. In den Rubriken „Joschka lebt“, „Joschka wirkt“ und „Joschka
kämpft“ konnten die Wähler Texte und Bilder über seinen Lebenslauf, seinen
politischen Werdegang und seine aktuellen Wahlkampfaktivitäten erlangen. Darüber
hinaus setzt sich die Seite auch kritisch mit der linksradikalen Vergangenheit
Fischers auseinander.
Die eigentliche Wahlkampfseite der Grünen war unter »gruen-wirkt.de« zu finden.
Die Adresse gibt gleichzeitig das Motto „Grün wirkt“ wieder, das sich durchgängig
durch den gesamten Wahlkampf der Partei zog. Inhaltlich bot die Seite die Wahl- und
Grundsatzprogramme sowie verschiedene Videos an. Daneben konnte man sich
über die Ziele grüner Politik informieren und den Wahlkampfverlauf verfolgen.
Zusätzlich bestand die Möglichkeit, der Partei online Geld zu spenden. Merkmale des
Angriffswahlkampfs sind auf der Internetseite der Grünen kaum zu finden. Dagegen
werden verstärkt die Ziele betont, die die Partei während der ersten Legislaturperiode
in der Bundesregierung erreicht hat. Rein äußerlich fügten sich die in grün
gehaltenen Internetseiten nahtlos in das Erscheinungsbild der Partei im gesamten
Wahlkampf ein.
Da die FDP mit Guido Westerwelle erstmals auch einen Kanzlerkandidaten aufstellte,
kann es nicht verwundern, dass auch sie mit einer personalisierten Seite im Internet
vertreten war. Unter »guido-westerwelle.de« präsentierte sich der Spitzenkandidat
als „Der Kanzler für mehr Netto, mehr Bildung, mehr Arbeit“. Ähnlich wie bei den auf
Personen zugeschnittenen Seiten der anderen Parteien erhielt man auch hier
190
Vgl. Bieber: Online-Wahlkampf (2002), S. 278.
72
Hintergrundinformationen zu zentralen Aussagen Westerwelles oder Termine seiner
Wahlkampfauftritte. Daneben bestand die Möglichkeit, sich Programme wie etwa
Bildschirmschoner im FDP-Design herunterzuladen. Anders als bei den anderen
Parteien sind aber auf dieser Seite keine Informationen zu Westerwelles Biografie zu
finden.
Passend zur bereits angesprochen Tour durch Deutschland im „Guidomobil“ wurde
außerdem die Seite »guidomobil.de« eingerichtet. Den Schwerpunkt bildete dabei
das sogenannte Tourtagebuch, in dem Bilder und Informationen zu den einzelnen
Stationen abgerufen werden konnten, sowie Presseberichte über die Tour selbst.
Politische Inhalte oder Angriffe auf die anderen Parteien waren hier nicht zu finden.
Schließlich
stellte
die
FDP
-
ähnlich
wie
die
Grünen
-
mit
»achtzehnzweitausendzwei.de« ein Online-Spendenportal bereit, was für Bieber „den
möglicherweise
gewagtesten
Versuch
zur
Übernahme
amerikanischer
Wahlkampfformate“191 darstellt. Diese Möglichkeit zu spenden wurde immerhin von
227 Internetnutzern wahrgenommen und brachte einen Betrag von knapp 21 000
Euro ein192.
Wie bei den Grünen entsprach auch die Internetpräsentation der FDP dem sonstigen
Bild der Partei im Wahlkampf. Die Seiten waren vorwiegend in blau und gelb
gehalten und die Zahl 18 war durchgehend präsent.
Auch beim Auftritt im Internet weicht die PDS von den Personalisierungsstrategien
der übrigen Parteien ab. Als einzige Partei hatte sie im Bundestagswahlkampf 2002
keine eigene Seite für einen Spitzenkandidaten. Stattdessen war auf der
Wahlkampfseite »pds2002.de« das „Spitzenquartett“ Bartsch, Zimmer, Claus und
Pau zu sehen. Angriffe auf die politische Konkurrenz standen auf der Seite der PDS
nicht im Vordergrund. Das inhaltliche Angebot stellte sich dafür allerdings sehr
umfangreich dar. Unterschiedliche Kategorien informierten über Kandidaten,
Positionen, aktuelle Meldungen, Statistiken und die Bundestagswahl selbst. Daneben
waren auch interaktive Angebote mit Spielen und einem Chat-Bereich aber auch die
Möglichkeit zu spenden vorhanden. Dass die PDS mit ihrem Internetauftritt auch
Erstwähler ansprechen wollte, wird an dem Link „Erste (Wahl)hilfe“ deutlich. In
191
Ebd.
73
diesem Bereich werden der Stimmzettel zur Bundestagswahl erläutert und politische
Begriffe erklärt. Äußerlich wirkt die Webseite der PDS eher unübersichtlich. Auch fügt
sich das Design nicht in ein Gesamtbild mit dem sonstigen Auftreten der Partei.
Betrachtet man die Internetauftritte aller Parteien, fällt zunächst auf, dass für den
Wahlkampf durchgehend neue Seiten eingerichtet wurden. Die Hauptseiten der
Parteien
dienten
dabei
in
erster
Linie
als
Portal
zu
diesen
speziellen
Wahlkampfadressen. Bis auf die PDS legten alle Parteien großen Wert auf die
Personalisierung ihrer jeweiligen Spitzenkandidaten, was in der Einrichtung von strikt
personenbezogenen Internetseiten zum Ausdruck kommt. Über Webseiten, die
hauptsächlich auf einen Angriffswahlkampf gegen die politische Konkurrenz
ausgerichtet waren, verfügten lediglich SPD und CDU/CSU. Dabei kritisierten sich
diese Parteien und deren Kandidaten vorwiegend gegenseitig. Wahlkampfauftritte
von Politikern und medienwirksame Aktionen der eigenen Partei wurden in der Regel
im Internet nochmals thematisiert, aufbereitet und kommentiert. Für Bieber
dokumentieren diese Webseite daher „den Trend der permanenten Mediatisierung
allen Wahlkampfhandelns“193. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die jeweilige
Selbstdarstellung der Parteien im Internet in der Regel einen professionellen
Eindruck machte und sich gut in das Gesamtbild, das die jeweiligen Parteien von sich
vermitteln wollten, einfügte.
4.3.4 Die Fernsehduelle
Mit den beiden Fernsehduellen zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber, die
im August und September 2002 jeweils zeitgleich in den Privatsendern RTL/SAT1
und den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD/ZDF ausgestrahlt wurden, gab es
ein Novum in der Geschichte Bundesdeutscher Wahlkämpfe. Nach dem Vorbild der
amerikanischen Debatten vor den Präsidentschaftswahlen in den 1970er und 1980er
Jahren standen sich der Bundeskanzler und der Kanzlerkandidat der CDU/CSU
jeweils 75 Minuten gegenüber, um ihre Positionen zu verschiedenen politischen
Themen darzulegen. Dabei sahen die Regeln, auf die sich die Wahlkampfteams
geeinigt hatten, weniger vor, dass die Politiker direkt miteinander diskutieren sollten.
Vielmehr stand ihnen ein streng begrenztes Zeitlimit zu, um auf Fragen der
Moderatoren
192
zu
antworten.
Die
Durchführung
Vgl. Biesel: Kampagne mit Gewinn (2003), S. 241.
74
von
Fernsehduellen
führte
zwangsläufig zur Zuspitzung einer ohnehin schon beobachtbaren Tendenz zur
Personalisierung im Wahlkampf. Bei keinem anderen Wahlkampfauftritt hatten
Kanzler und Kandidat eine so ausführliche Gelegenheit, sich selbst vor einem
Massenpublikum in Szene zu setzen. Im öffentlichen Interesse der Zuschauer und
der Medien standen denn auch nicht nur die Sachargumente und die politische
Programmatik, sondern vor allem der direkte Vergleich des persönlichen Auftretens
der Politiker vor laufenden Kameras. Deutlich wurde dies besonders in der
Auswertung der Duelle in den Massenmedien, die direkt im Anschluss an die
Sendungen einen Sieger zu bestimmen versuchten und sich dabei häufig auf das
persönliche Auftreten der Duellanten bezogen194. So vermutet auch Donsbach, dass
die persönliche Performance der Politiker für die Mehrheit der Zuschauer von
größerem Interesse war als die angesprochenen politischen Themen: „Die Menschen
tendieren dazu, Personen, die sie auf dem Bildschirm sehen, nach gleichen Kriterien
zu beurteilen, egal ob sie Showmaster oder Politiker sind“195.
Trotz der strengen Regeln, die für beide Duelle gleichermaßen galten, waren in den
Sendungen
Unterschiede
in
Auftreten
und
Selbstdarstellung
der
beiden
Kontrahenten zu beobachten. Im ersten Duell hielten sich Schröder und Stoiber sehr
streng an den vorgegebenen Rahmen. Im Urteil der Zuschauer wurde diese starre
Einhaltung der Regeln zwar durchaus heftig kritisiert196, sie schien aber gerade für
Edmund
Stoiber
von
Vorteil
zu
sein.
Dem
von
vornherein
als
weniger
medienkompetent geltenden Kandidaten der Union kam der formale Rahmen sehr
zupass, während er Gerhard Schröder eher hinderlich zu sein schien. Im Ergebnis
wurde die erste Sendung dann auch meist als Remis zwischen den beiden Politikern
gewertet. So schreibt Hilmer: „In der ersten Debatte gelang es Stoiber, in Auftreten,
Kompetenz und Glaubwürdigkeit mitzuhalten, in punkto Überzeugungskraft lag er im
Zuschauerurteil sogar vor dem Kanzler. Er widerlegte damit das Klischee, Schröder
im Hinblick auf die Medienwirkung weit unterlegen zu sein“197. Thematisch
konzentrierte sich Stoiber dabei auf die Kritik der Wirtschafts- und Steuerpolitik der
Bundesregierung.
Schröder
hingegen
thematisierte
mehr
Hochwasserkatastrophe und die Umweltschutzpolitik.
193
Vgl. Bieber: Online-Wahlkampf (2002), S. 279.
Vgl. u.a. Herzinger: And the Winner is: Gerhard, in: Die Zeit, Nr. 37/2002.
195 Donsbach: Sechs Gründe gegen Fernsehduelle (2002), S. 22.
196 Vgl. Dehm: Fernsehduelle im Urteil der Zuschauer (2002), S. 602.
197 Hilmer: Bundestagswahl 2002 (2003), S. 199.
194
75
die
Folgen
der
Im zweiten Duell galten zwar noch immer dieselben Regeln. Allerdings wurden diese
des Öfteren vor allem vom Bundeskanzler durchbrochen, indem er etwa gelegentlich
sein Zeitlimit überschritt und Aussagen Stoibers zum Teil direkt kommentierte. Auf
diese Weise konnte er seine Medienkompetenz wesentlich besser zur Geltung
bringen. Donsbach beurteilt die veränderte Situation wie folgt: „Auf diesem neuen
Terrain war Edmund Stoiber chancenlos. Er war nicht viel anders und nicht merklich
schlechter als beim ersten Mal. Aber er hatte einen von Fesseln befreiten Gegner
und damit einen anderen Resonanzboden für seine ihm eigene Art“ 198. Die Taktik
Schröders ging sogar so weit, dass er versuchte, Stoiber als lächerlich hinzustellen.
Etwa indem er ihn, als dieser sich bei dem Wort Sechshundertdreißig-Mark-Gesetz
zweimal
versprach:
„Sechssssdreißig
Mark...Sechssssdreißig-Mark-Gesetz“199,
gutmütig lächelnd verbesserte: „Das heißt: Sechshundertdreißig.“ Schröder selbst
beschreibt den Unterschied zwischen den beiden Sendungen wie folgt: „Die
Moderatoren der ersten Sendung hatten sich sehr darauf beschränkt, anstatt ein
Gespräch in Gang zu bringen, mit der Stoppuhr zu agieren. Das haben die beiden
Damen beim zweiten Durchgang besser gemacht“200. In der Folge wurde Schröders
Auftreten in einer Umfrage von Infratest dimap nach dem persönlichen Profil in den
Bereichen Sympathie, Kompetenz, Verständlichkeit, Glaubwürdigkeit und Fairness
durchgehend deutlich positiver bewertet als das von Stoiber201. Inhaltlich setzte
Stoiber seinen Schwerpunkt erneut beim Thema Wirtschaftspolitik. Außerdem
versuchte er stets, die hohe Zahl der Arbeitslosen anzusprechen, auch dann, wenn
gerade ganz andere Themen im Gespräch waren. Schröder dagegen thematisierte
bei diesem Duell vor allem die Familien- und Außenpolitik. Bei letzterer nutzte er
hauptsächlich den drohenden Irakkonflikt zu der Aussage, dass sich die Bundeswehr
unter seiner Kanzlerschaft unter keinen Umständen an einem Einsatz in dem
arabischen Land beteiligen werde.
Bei den Wählern stieß das neuartige Format auf großes Interesse. Beide Sendungen
verfolgten jeweils mehr als 15 Millionen Zuschauer. Damit erreichten die beiden TVDuelle ein weitaus größeres Publikum als jede andere Wahlsendung202. Dagegen
198
Donsbach: Sechs Gründe gegen Fernsehduelle (2002), S. 25.
Hier zitiert nach: Der Spiegel, Nr. 38/2002, S. 71.
200 Vgl. Gerhard Schröder im Spiegel-Interview: "Die haben zu früh triumphiert", in: Der Spiegel, Nr.
38/2002, S. 37.
201 Vgl. Untersuchung von Infratest dimap zum TV-Duell der Kanzlerkandidaten am 8. September
2002: www.infratest-dimap.de/wahlen/tvduell02/default.htm
202 Vgl. Dehm: Fernsehduelle im Urteil der Zuschauer (2002), S. 600.
199
76
wurde die Bedeutung, die die TV-Duelle im Wahlkampf besaßen, von den
Wahlkampfmanagern der Parteien sehr unterschiedlich beurteilt. Dabei ist auffällig,
dass die CDU/CSU, obwohl sie sich für die Durchführung der Duelle eingesetzt hatte,
diesem Sendeformat in der Untersuchung von Marion Müller nur sieben von
möglichen zehn Punkten gab. Die SPD dagegen spricht den beiden Sendungen die
höchste Bedeutung aller Wahlwerbemittel zu. Da die kleineren Parteien nicht an den
Duellen beteiligt waren, ist es nicht verwunderlich, dass sie für die Grünen und die
PDS nur eine geringe Bedeutung hatten. Die FDP allerdings, die gegen den
Ausschluss
Guido
Westerwelles
von
der
Teilnahme
an
den
Duellen
Verfassungsbeschwerde erhob, maß deren Bedeutung wie auch die SPD den
höchsten Wert für die Wahlkampfführung zu 203.
Die
Beschwerde
der
FDP
unterstreicht
dabei
einen
Kritikpunkt
an
den
Fernsehduellen, der auch allgemein häufig geäußert wurde: die Benachteiligung
kleiner Parteien. Donsbach schreibt: „Die Zuspitzung des politischen Kampfes auf
zwei
Kanzlerkandidaten
lässt
die
kleineren
Parteien
in
der
öffentlichen
Wahrnehmung verblassen und verringert damit ihre Chancen“204. Dementsprechend
sah auch die FDP ihre Chancengleichheit im Wahlkampf bei einer Nichtteilnahme
nicht mehr gewahrt. Die Klage wurde allerdings vom Bundesverfassungsgericht nicht
zur
Entscheidung
vorausgegangene
angenommen.
Entscheidungen
Damit
des
bestätigte
das
Verwaltungsgerichts
Gericht
Köln
und
zwei
des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. Zur Begründung hieß es, bei den TVDuellen
handele
es
sich
um
eine
redaktionell
gestaltete
und
von
den
Rundfunkanstalten verantwortete Sendung, die trotz einer von ihr möglicherweise
ausgehenden Werbewirkung nicht als Wahlwerbesendung qualifiziert werden könne.
Damit würde die Gestaltung der Sendungen Artikel 5 GG, der das Recht auf
Pressefreiheit und Freiheit der Berichterstattung beinhaltet, unterliegen. Das Konzept
der Sendungen sei darüber hinaus so gestaltet, dass diejenigen Politiker einander
gegenüber gestellt würden, die allein ernsthaft damit rechnen könnten, zum
Bundeskanzler gewählt zu werden. Dies sei beim Spitzenkandidaten der FDP nicht
der Fall. Diese Tatsache sei von der Partei als Folge der bestehenden politischen
Kräfteverhältnisse hinzunehmen205.
203
Vgl. Müller, Marion: Parteienwerbung im Bundestagswahlkampf (2002), S. 634.
Donsbach: Sechs Gründe gegen Fernsehduelle (2002), S. 22.
205 Vgl. BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 30.08.2002 – 2 BvR 1332/02.
204
77
Trotz dieses Beschlusses muss die Nutzung des Formates von Fernsehduellen in
bundesdeutschen Wahlkämpfen kritisch hinterfragt werden. So sieht auch Rudi
Hoogvliet die Gefahr, dass „die Fokussierung auf die beiden großen Parteien
durchaus einen Einfluss auf das Wahlergebnis haben kann“206. Die Benachteiligung
kleinerer Parteien ist dabei jedoch nur einer von mehreren Aspekten. So muss auch
der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf das redaktionelle Konzept der
Sendungen skeptisch betrachtet werden. Auf das Format mit seinen strengen Regeln
einigten sich schließlich in erster Linie die beiden Wahlkampfteams von SPD und
Union. Zwar ist es richtig, dass letztendlich die Sender über das Sendeformat
bestimmen. Allerdings ist es fraglich, ob sich die beiden Parteien auch dann auf ein
Duell eingelassen hätten, wenn das Konzept der Rundfunkanstalten von ihren
Vorgaben abgewichen wäre. So bestätigt Röseler, dass sich die Wahlkampfteams
weitgehend über das Format einig waren, während sich die Sender ursprünglich für
eine „wesentlich lockerere Gesprächsatmosphäre“207 ausgesprochen hätten. Zudem
besteht die Gefahr, dass die strikte Übernahme des Sendeformats aus dem
amerikanischen Wahlkampf bei den Zuschauern zu einer verzerrten Wahrnehmung
der deutschen Verfassungswirklichkeit führt. Die extreme Personalisierung in den
Fernsehduellen kann leicht den Eindruck erwecken, der Bundeskanzler könne direkt
gewählt werden. Die bedeutende Rolle, die der Bundestag bei der Wahl des
Kanzlers spielt, wird völlig ausgeblendet. Ähnlich verhält es sich mit der Rolle der
Parteien, deren Bedeutung bei der Aufstellung ihrer Kandidaten bei der
Konzentration auf die Persönlichkeiten der Politiker in den Fernsehduellen verblasst.
Daher muss bezweifelt werden, ob dieses Fernsehformat mit unserem politischen
System vereinbar ist.
4.4 Alles anders? Ein Vergleich mit früheren Wahlkämpfen
Die Untersuchung des Bundestagswahlkampfes 2002 hat gezeigt, dass sich in der
Selbstdarstellung der Parteien in den Medien häufig die Merkmale widerspiegeln, die
mit dem Schlagwort „Amerikanisierung“ assoziiert werden. Dies reicht von der
professionellen
Planung
der
Wahlkampfführung
über
Personalisierung
und
Angriffswahlkampf bis zur medienwirksamen Inszenierung von Politikerauftritten.
Doch wie neu und innovativ sind die geschilderten Elemente des Wahlkampfes? An
dieser Stelle soll schlaglichtartig dargestellt werden, welche Merkmale bereits in
206
Interview mit Hoogvliet vom 04.07.2003.
78
vorangegangenen Bundestagswahlkämpfen auftauchten und bei welchen es sich
wirklich um eine neue Form der Wahlkampfführung handelt.
Betrachtet werden soll zunächst die Professionalisierung der Wahlkampfführung. Wie
bereits dargestellt wurde, zeichnete sich die Organisation des Wahlkampfes 2002
insbesondere bei SPD und Union durch ein hohes Maß an Planung und Koordination
aus: einzelne Arbeitsgruppen konzentrierten sich auf spezielle Bereiche, die
Kommunikation wurde eng und regelmäßig zwischen Bundestagsfraktionen, den
Regierungen der Bundesländer und der Partei selbst abgestimmt und die
Hauptverantwortung lag in der Hand erfahrener Medienprofis. Albrecht Müller, der
unter anderem als Ghostwriter für den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Karl
Schiller tätig war, weist jedoch darauf hin, dass bereits der Wahlkampf 1969 sehr
professionell geführt worden sei. So seien etwa die Fernsehspots der SPD von
einem bekannten Fernsehregisseur gedreht worden und insbesondere Schiller habe
mit
intensiver
Medienarbeit
darauf
geachtet,
Journalisten
rechtzeitig
vor
medienrelevanten Ereignissen über deren Stattfinden zu informieren 208. Die
Tatsache, dass Schiller selbst die Planung dieser Ereignisse durchführen ließ, zeigt
allerdings, dass die Wahlkampforganisation keineswegs so zentralisiert durchgeführt
wurde, wie dies 2002 der Fall war. Auch sonst wurden bei vielen Wahlkämpfen zwar
schon unabhängige Werbeagenturen und Medienexperten für die Planung und
Durchführung der Parteienwerbung engagiert. Eine von vornherein so gründlich
strukturierte Wahlkampfleitung wie sie 1998 mit der Kampa eingeführt wurde und die
bei der vergangenen Wahl in ähnlicher Form auch bei der Union zu beobachten war,
gab es bis dahin aber noch nicht. Auch die Rollen der beiden hauptverantwortlichen
Wahlkampfmanager bei SPD und Union, Machnig und Spreng, kommen den
Aufgaben von professionalisierten Spindoctors näher als dies bei ihren Vorgängern
der Fall war. Zwar weist Albrecht Müller auch hier darauf hin, dass seine Arbeit bei
Schiller
nichts
anderes
als
Spindoctoring209
gewesen
sei.
Von
den
Entscheidungsbefugnissen unabhängiger Spindoctors nach amerikanischem Vorbild
war er jedoch noch wesentlich weiter entfernt, als dies bei Machnig und Spreng der
Fall war.
Was die Personalisierung betrifft, so waren auch die meisten früheren Wahlkämpfe
auf Personen fokussiert. So weist Bösch darauf hin, dass sich bereits die
207
Interview mit Röseler vom 24.06.2003.
Vgl. Müller, Albrecht: Von der Parteiendemokratie zur Mediendemokratie (1999), S. 51ff.
209 Vgl. ebd., S. 52f.
208
79
Wahlkämpfe der CDU 1953 und 1957 stark auf die Person Konrad Adenauers
konzentrierten: „Die Wähler entschieden sich mehrheitlich weniger für die CDU als
für deren Spitzenkandidaten“210. So wurden schon damals Plakate mit dem Konterfei
Adenauers gedruckt, auf denen zum Teil selbst das Parteilogo fehlte 211. Auch als
Privatmann ließ sich Adenauer häufig für die Medien fotografieren. Am bekanntesten
sind wohl die Bilder, die ihn beim Boule-Spielen im Kreise der Familie zeigen. Aber
auch in den folgenden Wahlkämpfen spielten Personen eine wichtige Rolle. So warb
die CDU 1969 auf einem Wahlplakat, das Kurt Kiesinger zeigte, mit dem Slogan: „Auf
den Kanzler kommt es an“. Ähnlich textete die SPD 1972: „Willy Brandt muss Kanzler
bleiben“. Auch Helmut Schmidt für die SPD und Franz Josef Strauß für die Union
standen deutlich im Mittelpunkt der Wahlkämpfe 1976 und 1980. Und schließlich
warb auch die FDP gerne mit ihren Spitzenpolitikern Walter Scheel und HansDietrich Genscher. Eine Zuspitzung der Personalisierung, die 2002 letztendlich auf
die Frage „Ich oder der“212 hinauslief, war in diesem Ausmaß in vorangegangenen
Wahlkämpfen jedoch kaum zu beobachten. Dazu beigetragen haben zum einen die
erstmals durchgeführten Fernsehduelle nach amerikanischem Vorbild, die sich
zwangsläufig auf die Personen Schröder und Stoiber beschränkten. Doch der
Duellcharakter des Wahlkampfs war auch schon vor der Ausstrahlung dieser
Sendungen erkennbar. So gab es bereits im Vorfeld entsprechende Duelle in
verschiedenen Printmedien213. Im Vorwahlkampf ließ zudem das Medieninteresse an
der unionsinternen Diskussion über den Spitzenkandidaten eine starke Ausrichtung
des Wahlkampfes an Personen erwarten. Schließlich weist auch die erstmalige
Nominierung eines Spitzenkandidaten bei den Grünen und die Aufstellung eines
Kanzlerkandidaten durch die FDP auf eine stärkere Bedeutung der Personalisierung
im Bundestagswahlkampf 2002 hin.
Dagegen schien der Angriffswahlkampf auf die politischen Gegner bei der
Bundestagswahl 2002 keine neue Qualität zu haben. So zeigten 1980 Wahlplakate
der Union zwei Affen unter der Überschrift: „Eine Affenschande, was die SPD/FDPKoalition mit uns macht“. Die SPD druckte im selben Wahlkampf ein Plakat mit einem
Zitat von Adenauer: „Wenn einem so de Affären nachlaufen, wie dem Herrn Strauß,
dat kommt nit von allein“. 1976 prägte die CDU in Bezug auf die SPD den Slogan:
210
Bösch: Vorreiter der modernen Kampagne (2002), S. 443.
Ein ähnliches Plakat der CDU, das 1994 lediglich Helmut Kohl inmitten einer Menschenmenge
zeigte, wurde weiter oben bereits erwähnt.
212 Der Spiegel, Nr. 35/2002, S. 48.
213 Vgl. u.a. Bild vom 06.07.2002.
211
80
„Freiheit statt Sozialismus“. Und auch persönliche Angriffe blieben bei Wahlkämpfen
nicht aus. So wies Adenauer 1961 auf die uneheliche Geburt Brandts hin; 1972
wurden dessen Vorlieben für Alkohol und seine Affären mit Frauen von der
politischen
Konkurrenz
für
Wahlkampfzwecke
benutzt.214
Im
vergangenen
Wahlkampf ermöglichte der technische Fortschritt den Parteien zwar Angriffe gegen
die Konkurrenz schneller und umfangreicher zu veröffentlichen. In Bezug auf Qualität
und Aggressivität brachte der Angriffswahlkampf vor der Bundestagswahl 2002
dagegen keine Neuerung.
Auch die Methode des Ereignismanagements konnte in früheren Wahlkämpfen oft
beobachtet werden. Die Parteien waren schon immer bemüht, die Aufmerksamkeit
der Medien auf sich zu ziehen. So begab sich Adenauer schon 1957 mit einem
luxuriös
ausgestatteten Sonderzug in Begleitung zahlreicher Journalisten auf
Wahlkampftour. Und die SPD verwendete 1969 erstmals Anzeigen, in denen
Prominente für sie warben – ein Ereignis, das sich zu dieser Zeit der Aufmerksamkeit
der Medien sicher sein konnte. Daneben berichtet Müller von gezielten Planungen
der
SPD-Wahlkampfleitung
ausländischen
Gästen
von
1969,
Willy
Auslandsreisen
Brandt
und
durchführen
zu
Inlandsreisen
lassen,
um
mit
die
Aufmerksamkeit der Medien zu erlangen215. Dennoch scheint das Ausmaß der
Inszenierungen im Bundestagswahlkampf 2002 eine neue Qualität erreicht zu haben.
Insbesondere der „Spaßwahlkampf“ der FDP erweckte den Eindruck, dass die
Inszenierungen medienwirksamer Ereignisse nicht allein den Sinn hatten, das
Interesse der Journalisten zu wecken, um so die politischen Botschaften der Partei
besser transportieren zu können. Vielmehr wirkten die Wahlkampfaktionen der FDP,
als seien die Inszenierungen selbst
der eigentliche Zweck und dienten ausschließlich dazu, medientaugliche Bilder zu
produzieren. Doch auch die Veranstaltungen von SPD und Union mit umfangreichen
Rahmenprogrammen drängten politische Inhalte zu Gunsten von medialen
Inszenierungen weiter in den Hintergrund als dies in früheren Wahlkämpfen der Fall
war.
Dieser kurze Vergleich zu früheren Wahlkämpfen zeigt, dass die in der Literatur
angeführten Merkmale von „Amerikanisierung“ zum Teil auch schon in früheren
Wahlkämpfen zu beobachten waren. Häufig waren sie jedoch nicht so ausgeprägt
wie dies vor der Bundestagswahl 2002 der Fall war. Insbesondere beim Ausmaß der
214
Vgl. Schöllgen: Willy Brandt (2001), S. 184.
81
Personalisierung und des Ereignismanagements hat der letzte Wahlkampf neue
Akzente gesetzt. Zudem zeigte sich eine starke Professionalisierung in der
Wahlkampfplanung. Dies ist vor allem auf die Einführung der Kampa 1998
zurückzuführen.
5. Fazit
Die vorangegangene Darstellung hat gezeigt, dass die Selbstdarstellung der Parteien
in den Medien im Wahlkampf 2002 mehrere Elemente aufwies, die in der
wissenschaftlichen Literatur als Merkmale einer „Amerikanisierung“ angeführt
werden. Insbesondere war die Absicht der Parteien erkennbar, ihre jeweilige
215
Vgl. Müller, Albrecht: Von der Parteiendemokratie zur Mediendemokratie (1999), S. 46f.
82
Kampagne professionell zu managen, ihre Spitzenkandidaten in den Vordergrund zu
stellen und die Darstellung ihrer politischen Themen in medienwirksam inszenierten
Ereignissen zu verpacken.
Die
Gründe
dafür
können
zum
einen
in
den
medialen
und
politischen
Rahmenbedingungen gesehen werden. Mit einer im Vergleich zu früheren
Wahlkämpfen verstärkten Personalisierung und Ereignisinszenierung tragen die
Parteien einem sich weiterentwickelnden Mediensystem Rechnung. Dieses hat Mitte
der 1980er Jahre mit der Einführung des privaten Rundfunks eine einschneidende
Zäsur erfahren, in deren Folge die Konkurrenz unter den Sendern und damit das
Interesse an der Produktion von publikumswirksamen Bildern deutlich zugenommen
hat. Die rasante Entwicklung des Internets, die rund zehn Jahre später einsetzte und
der Berichterstattung eine nie dagewesene Aktualität ermöglicht, verstärkt die
Veränderung der medialen Landschaft zusätzlich. Hinzu kommt eine abnehmende
Parteiidentifikation der Bürger, in deren Folge die Mobilisierungsfunktion der Parteien
zunehmend an Bedeutung verliert. Stattdessen wird diese Aufgabe verstärkt von den
Massenmedien übernommen. Dies bedeutet, dass die Parteien stärker als früher auf
die Medienberichterstattung und deren Regeln angewiesen sind, wenn sie
Wählerstimmen für sich gewinnen wollen.
Der Wahlkampf 2002 hat jedoch auch gezeigt, dass der Produktion medienwirksamer
Bilder um jeden Preis Grenzen gesetzt sind. So versuchte insbesondere die FDP mit
unkonventionellen Methoden, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen.
Diese Vorgehensweise schien zwar anfangs erfolgversprechend zu sein. Als jedoch
mit dem Hochwasser der Elbe und dem drohenden Irakkonflikt ernsthafte
gesellschaftliche Probleme in den Mittelpunkt des Interesses rückten, schien dieser
„Spaßwahlkampf“ zunehmend unangebracht. Die Möglichkeiten der politischen
Parteien, sich der Medienlogik und ihrem Bedarf nach spektakulären Bildern zu
unterwerfen, sind also nicht unbegrenzt.
Zum anderen haben sich einige Elemente des Wahlkampfes 2002 eindeutig auch an
amerikanischen Methoden orientiert. Dies zeigte sich in der erstmaligen Nutzung des
Formats der Fernsehduelle am deutlichsten. Aber auch am Einsatz bestimmter
Internetinstrumente, wie etwa dem Online-Fundraising und dem Einsatz von Rapid
Response, oder an der Durchführung von bunt gestalteten Parteiveranstaltungen war
dies erkennbar. Sucht man nach Gründen dafür, sind vor allem die politischen und
medialen Systemunterschiede zwischen den USA und der Bundesrepublik zu
83
beachten. So finden Wahlen in den USA wesentlich häufiger statt. Der Präsident wird
alle vier Jahre, das Repräsentantenhaus sowie ein Drittel des Senats werden alle
zwei Jahre neu gewählt. Hinzu kommen Wahlen auf bundesstaatlicher Ebene. Die
Wahlkampfführung ist dabei nicht zentralisiert, sondern findet für jeden Kandidaten
gesondert statt. Da zudem die politischen Parteien wesentlich unbedeutender sind
als in Deutschland, werden überwiegend private Unternehmen mit der Organisation
und Durchführung von Wahlkämpfen beauftragt. Schließlich ist auch das
Mediensystem der USA schon immer fast vollständig in der Hand privater
Unternehmen, so dass Wahlkämpfer in diesem Bereich eine lange Erfahrung bei der
Produktion medienwirksamer Ereignisse haben. All diese Faktoren machen die USA
zu einem idealen Experimentierfeld in Sachen Wahlkampfführung. Neuen Methoden
und Innovationen bieten sich aufgrund des Wettbewerbs vieler Beraterfirmen
wesentlich mehr Chancen, getestet zu werden. Gleichzeitig ist deren Erfolg oder
Misserfolg aufgrund der Vielzahl von Wahlen leichter auszumachen als in der
Bundesrepublik. Daher verwundert es nicht, wenn sich deutsche Parteien für ihre
Wahlkampfplanung an erfolgreichen amerikanischen Konzepten orientieren. Ob
angesichts dessen allerdings die Anwendung des Begriffes „Amerikanisierung“ auf
den deutschen Wahlkampf gerechtfertigt ist, darf bezweifelt werden. So setzen
gerade die angesprochenen Systemunterschiede einer grundsätzlichen Übernahme
amerikanischer Methoden auch enge Grenzen.
Vor diesem Hintergrund ist daher auch die Übernahme der Fernsehduelle nach
amerikanischem Vorbild in den deutschen Wahlkampf problematisch zu beurteilen.
Ist dieses Sendeformat in einem Präsidentschaftswahlkampf, bei dem sich lediglich
zwei Personen dem Votum der Wähler stellen, durchaus ein sinnvolles Instrument
der Wahlkampfführung, verzerrt es in einem parlamentarischen Regierungssystem
mit gewollter pluralistischer Parteienlandschaft wie der Bundesrepublik leicht die
Verfassungswirklichkeit.
Beim
Publikum
entsteht
der
Eindruck,
die
beiden
Kontrahenten könnten direkt durch das Volk in das Amt des Bundeskanzlers gewählt
werden. Die tragenden Rollen, die die Parteien bei der Aufstellung der Kandidaten
und der Bundestag bei der Bestimmung des Regierungschefs haben, werden dabei
völlig ausgeblendet. Zudem lässt ein Medienereignis, das auf ein solch großes
öffentliches Interesse stößt und sich dabei nur auf die Spitzenvertreter der beiden
größten Parteien konzentriert, die Wahrnehmung der kleineren Parteien in den
Hintergrund rücken. Aus diesen Gründen ist die direkte Übernahme dieses
84
Sendeformats kaum mit dem politischen System in der Bundesrepublik vereinbar.
Nichtsdestotrotz lässt der mediale Erfolg der beiden Duelle eine Wiederholung dieses
Formates auch in zukünftigen deutschen Wahlkämpfen erwarten.
Die Fernsehduelle stellten im vergangenen Wahlkampf allerdings die einzige
Methode zur Selbstdarstellung der Parteien nach amerikanischem Muster dar, die
nicht mit dem politischen System vereinbar ist. Die Professionalisierung der
Wahlkampforganisation oder die stärkere Rolle einzelner Wahlkampfmanager etwa,
die in ihren Kompetenzen den Political Consultants in den USA näher standen als
ihre Kollegen früherer Jahre, stehen nicht schon allein deswegen im Widerspruch
zum politischen System, weil sie sich zum Teil an amerikanischem Vorbildern
orientieren.
Sofern
sie
dazu
beitragen,
einen
einheitlicheren
Auftritt
aller
Parteiebenen zu schaffen, können sie sogar von Vorteil sein. Über die Folgen einer
zunehmenden Personalisierung ließe sich zwar diskutieren. Wie gezeigt wurde, kann
Politik jedoch weder ganz ohne sie auskommen, noch ist sie eine neue Erscheinung
in Wahlkämpfen. Was den Angriffswahlkampf betrifft, waren 2002 in Hinsicht auf
dessen Qualität keine Intensivierung festzustellen. Das Internet trug lediglich zu einer
schnelleren Verbreitung der Kritik an der politischen Konkurrenz bei.
Relativ neu ist dagegen die Diskussion, die über die Wahlkampfführung nicht nur wie
bisher in der wissenschaftlichen Literatur, sondern auch in der Berichterstattung der
Massenmedien geführt wird. Das große Medieninteresse war bereits im Wahlkampf
1998 im Zusammenhang mit der Einführung der Kampa zu beobachten und setzte
sich 2002 fort. Damit wird die politische Kommunikation selbst zum Gegenstand des
öffentlichen Interesses. Dies schafft Transparenz und ermöglicht es den Wählern,
sich ein genaueres Bild von den Wahlkampfmethoden der Parteien zu machen. Für
politisch interessierte Bürger kann dies als partieller Ausgleich für eine zunehmende
Orientierung der Parteien an den Gesetzen der Medien gesehen werden.
Aus
den
genannten
„Amerikanisierung“,
von
Gründen
einer
ist
es
daher
fortschreitenden
zutreffender,
anstatt
Modernisierung
von
deutscher
Wahlkämpfe zu sprechen, die in erster Linie dem Wandel der Medienlandschaft und
der Beziehung zwischen Wählern und Politik Rechnung trägt. Dass sich die
politischen Akteure bei ihrer Selbstdarstellung in den Medien dabei punktuell auch an
amerikanischen Vorbildern orientieren, war im Bundestagswahlkampf 2002 klar
erkennbar. Insgesamt gesehen kann dies aber die Anwendung des Begriffs
„Amerikanisierung“ auf deutsche Wahlkämpfe nicht rechtfertigen.
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Landtag von Baden-Württemberg. Im Wahlkampf 2002 Wahlkampfmanager von
Bündnis‘90/Die Grünen. Interview am 04.07.2003.
Internet:216
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www.gerhard-schroeder.de
www.gruene.de
www.gruen-wirkt.de
www.guidomobil.de
www.guido-westerwelle.de
www.gwu.edu
www.infratest-dimap.de
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www.kampa02.de
www.liberale.de
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216
Hinweis: Einige der angegebenen Internetseiten wurden nach dem Wahlkampf 2002 abgeschaltet.
94
www.stoiber.de
www.theaapc.org
www.wahlkreis300.de
www.wahlfakten.de
www.zeit-fuer-taten.de
Abkürzungsverzeichnis
AAPC
American
Association
of
Political
Consultants
(=Verband
der
amerikanischen Politikberater)
Abs.
Absatz
ARD
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland
Art.
Artikel
Beschl.
Beschluss
95
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; amtliche Sammlung
(zitiert: Band, Seite)
CDU
Christlich Demokratische Union
CSU
Christlich Soziale Union
d.h.
das heißt
Ebd.
Ebenda
f.
folgende (Seite)
FDP
Freie Demokratische Partei
ff.
folgende (Seiten)
Fn.
Fußnote
GG
Grundgesetz
i.d.F.
In der Fassung
OECD
Organization
for
Economic
Cooperation
and
Development
(=Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
ORB
Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg
PDS
Partei des Demokratischen Sozialismus
PISA
Programme for International Student Assesment (= Internationale
Studie der OECD zur Bewertung schulischer Leistungen)
PR
Public Relation (=Öffentlichkeitsarbeit)
RTL
Radio Télé Luxembourg
S.
Seite
SFB
Sender Freies Berlin
SMS
Short Message System (=System zur Übermittlung von Textnachrichten
zwischen Mobiltelefonen)
Sic!
Wirklich so!
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
u.a.
unter anderem
USA
United States of America (=Vereinigte Staaten von Amerika)
Vgl.
Vergleiche
z.B.
zum Beispiel
ZDF
Zweites Deutsches Fernsehen
96
Anhang

Abildung der beschriebenen Wahlplakate

Ehrenwörtliche Erklärung
97
98
99
100
101
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