Röntgen-Gymansium Würzburg (nach Skript Josef-Effner-Gymnasium Dachau) Grundkurs Gerätturnen INHALTSVERZEICHNIS 1. Geschichte des Gerätturnens 2. Geräte 3. Bewegungsfamilien im Gerätturnen 3.1. Rollbewegungen 3.2. Felgbewegungen 3.3. Kippbewegungen 3.4. Überschlagbewegungen 3.5. Auf- und Umschwungbewegungen 4. Verhaltensweisen zum Gerät 5. Stellung zum Gerät 6. Griffarten 7. Bewegungsrichtungen 8. Körperachsen 9. Unfallvermeidung 9.1. Verbesserung der koordinativen und konditionellen Fähigkeiten 9.2. Situationsgerechtes Aufwärmen 9.3. Sachdienlicher Ordnungsrahmen 9.4. Sachgerechter Umgang mit den Turngeräten 9.5. Helfen und Sichern 1. Geschichte des Gerätturnens • Turnen ist eine Leibesübung, die aus dem angeborenen Spieltrieb und dem Leistungsbedürfnis des Menschen heraus entstanden ist. Bei den antiken Festspielen der griechisch-römischen Kulturen gewannen sportliche Wettspiele vor 2800 Jahren große Bedeutung. • Im 18. Jahrhundert wurde in Thüringen der erste deutsche Turnplatz angelegt und zwar von Johann Christoph Friedrich Guts Muths (1759 - 1839). Der Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (1778 1852) gilt als der eigentliche Begründer des Turnens und der deutschen Turnbewegung. Sein Motto war: "Frisch, fromm, fröhlich, frei!" Er richtete 1811 in der Berliner Hasenheide einen Turnplatz ein. Die Turngeräte Barren und Reck wurden von ihm entwickelt. • 1816 verfasste Jahn das Buch Deutsche Turnkunst, es gilt bis heute als klassisches Werk der Turnliteratur. Bis 1842 waren Turnsperren verhängt worden (wegen der Ermordung Kotzebue, Gegner der Jahn-Bewegung), sodass sich die Turner in Hallen trafen und das Geräteturnen entwickelten. • 1868 wurde die Deutsche Turnerschaft gegründet und 1893 der ArbeiterTurnerBund. 1950 wurde der Deutsche Sportbund (DSB) gegründet und der Deutsche Turnerbund (DTB) wurde Mitglied des DSB. Turnen wird von Frauen und Männern jeden Alters ausgeübt. • Das leistungsbezogene Kunstturnen ist seit 1896 im olympischen Programm. 2. Die Geräte Im Wettkampfbereich männlich sind folgende sechs Geräte üblich (in olympischer Reihenfolge): • Boden • Pauschenpferd • Ringe • Sprung • Barren • Reck Im Wettkampfbereich weiblich sind folgende vier Geräte üblich (in olympischer Reihenfolge): • Sprung • Stufenbarren • Schwebebalken • Boden 3. Die Bewegungsfamilien im Gerätturnen Man unterscheidet mehrere Bewegungsfamilien im Gerätturnen: • Rollbewegungen • Felgbewegungen • Kippbewegungen • Überschlagbewegungen • Auf- und Umschwungbewegungen 3.1 Rollbewegungen Rollen sind rotatorische Bewegungen des Körpers um momentane Drehachsen (vorwärts, rückwärts, seitwärts). Verbunden mit der Rotation, bedingt durch die Auflage des Körpers auf einer Unterlage, ist eine translatorische Bewegungskomponente (Bewegung in linearer Richtung). Systematische Einteilung mit strukturellen Übergängen 3.2 Felgbewegungen Kennzeichen und Grobgliederung Wesentliche Kennzeichen der Felgbewegungen sind • rückwärts gerichtete, rotatorische Bewegung des Körpers um eine Drehachse (feste, annähernd feste oder momentane Drehachse) bei gebeugten Hüftgelenken. • die Streckung der Hüftgelenke nach einer Teilrotation des Körpers, wobei der Körperschwerpunkt sich annähernd geradlinig von der Drehachse weg bewegt (translatorischer Bewegungsabschnitt). Man kann »kleine« und »große« Felgbewegungen voneinander unterscheiden. Felgnahe Bewegungen - Strukturübergänge Es gibt eine ganze Reihe von Bewegungsabläufen, die den Felgen nicht eindeutig zugeordnet werden können, die jedoch neben anderen auch Merkmale von Felgen aufweisen. 3.3 Kippbewegungen Kennzeichen Kippbewegungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Körper durch eine Beinbeschleunigung, die abgebremst wird, in eine höhere Position gelangt. Die Beinbeschleunigung entsteht durch eine dynamische Hüftstreckung nach einer Beugung. Durch lmpulsübertragung von den Beinen auf den Rumpf nach der Beinbeschleunigung (Kippstoß, -schub) in Verbindung mit Druck-, Zug-, Stemmtätigkeit der Arme wird der Schultergürtel über die Stützstellen angehoben (um ganze oder doppelte Armlänge). Der Körper führt während der Kippbewegung eine Teilrotation um die jeweilige Drehachse aus. Sind Kippbewegungen mit einer Pendelbewegung oder einer Umschwungbewegung, also einer ganzen Drehung um Breitenachsen, verbunden, spricht man, entsprechend der strukturellen Übergänge, von Kippaufschwüngen bzw. von Kippumschwüngen. »Reine« Kippbewegungen sind somit nur aus der Ruhelage als vorwärts gerichtete Bewegungen möglich. Sämtliche rückwärtsgerichteten, bislang noch so bezeichneten, Kippbewegungen werden hier, soweit sie aus der Ruhelage beginnen, den Felgbewegungen, soweit sie mit einem Pendel- bzw. Umschwung verbunden sind, den Aufschwung- bzw. Umschwungbewegungen zugeordnet, da typische Merkmale der Kippbewegungen fehlen und von daher eine Eingliederung in diese Strukturgruppe nicht mehr gerechtfertigt sein dürfte. Systematische Einteilung der Kippbewegungen 3.4 Überschlagbewegungen Kennzeichen Überschlagbewegungen sind Bewegungsfertigkeiten, die sich durch Rotation um Körperbreitenachsen oder -tiefenachsen um mindestens 360° auszeichnen, verbunden mit horizontal gerichteter Bewegung (Translation). Man unterscheidet gestützte Überschlagbewegungen von freien Überschlagbewegungen (Salti) vorwärts, rückwärts, seitwärts in gehockter, gebückter oder gestreckter Körperhaltung. Sie können dynamisch-schnell oder langsam-geführt geturnt werden. Überschlagbewegungen können aus dem Sprung (Abdruck), dem Hangschwingen oder dem Stützschwingen erfolgen. Systematische Einteilung Der folgenden Einteilung von Überschlagbewegungen liegen zwei Kriterien zugrunde: • die Bewegungsrichtung: vorwärts oder rückwärts oder seitwärts • die Art der Ausführung: gehockt und gebückt, gestreckt. 3.5 Auf- und Umschwungbewegungen Kennzeichen Auf- und Umschwungbewegungen sind Teil- bzw. Ganzrotationen des Körpers in senkrechter Ebene um feste, bzw. annähernd feste Drehachsen, parallel zur Körperbreitenachse. Bei Aufschwungbewegungen wird eine Höhendifferenz zwischen Ausgangs- und Endlage überwunden unter Annäherung des Körperschwerpunkts an die Drehachse, nachdem er den tiefsten Punkt durchschwungen hat. Bei Umschwungbewegungen - vorwärts oder rückwärts - sind Ausgangs- und Endlage weitgehend gleich. Der Körperschwerpunkt nähert sich nach Durchschwingen des tiefsten Punktes der Drehachse an. Systematische Einteilung 4. Verhaltensweisen zum Gerät Die Verhaltensweisen zum Gerät drücken jeweils mit einem Wort aus in welcher Position sich der Körper zum Bezugssystem Gerät befindet. Dadurch ist es möglich turnerische Übungen exakt zu beschreiben. Vorlings: Körpervorderseite zeigt zum Gerät z.B. Stand vl. Reck vor der Kippe Rücklings: Körperrückseite zeigt zum Gerät, z.B. Stand rl. nach der Hocke Seit: Schulterachse und Längsachse des Geräts verlaufen parallel z.B. Stütz am Reck quer: Breitenachse des Körpers und Längsachse des Geräts stehen rechtwinklig zueinander z.B. Stütz am Barren schräg: zwischen Seit- und Querverhalten innen: innerhalb der Holmengasse (Barren, Stufenbarren) außen: außerhalb der Holmengasse (Barren, Stufenbarren) 5. Stellung zum Gerät Die Beschreibung der Stellung des Körpers zum Gerät ist im Zusammenhang mit der Bewegungsrichtung zu sehen und jeweils von dieser abzuleiten. 6. Griffarten Einige für uns wichtige Griffmöglichkeiten am Gerät werden dargestellt. Der sogenannte Affengriff soll am Reck nicht verwendet werdenen. Ristgriff Kammgriff Ellgriff am Barren 7. Bewegungsrichtungen Es gibt translatorische (geradlinige) und rotatorische (Dreh-) Bewegungen, d.h. Rotationsbewegungen eines Körpers um Drehachsen sowie Überlagerungen von beiden. vorwärts Drehungen um die Breitenachse: Die Vorderseite des Oberkörpers weist in die Drehrichtung rückwärts Drehungen um die Breitenachse: Die Rückseite des Oberkörpers weist in die Drehrichtung seitwärts: Drehungen um die Tiefenachse des Körpers links/rechts bestimmend für die Bewegungsrichtung ist jeweils die Schmalseite des Oberkörpers, die vor Bewegungsbeginn in die angegebene Bewegungsrichtung weist 8. Körperachsen Die Körperachsen sind gedachte Achsen durch den Körper. Längsachse Breitenachse Tiefenachse Bewegungsrichtungen und Körperachsen (bei Rotationsbewegungen) BEWEGUNGSRICHTUNG KÖRPERACHSE BEISPIEL Vorwärts Breitenachse Salto vw. am Boden Rückwärts Breitenachse Salto rw. / Flic-Flac Seitwärts Tiefenachse Rad Links/Rechts Längsachse Strecksprung + Drehung 9.1. Sachdienlicher Ordnungsrahmen Dazu gehört u.a. der sichere Gerätetransport, ein übersichtlicher Geräteaufbau, die Absicherung der Geräte durch Matten, funktionsgerechte Sportkleidung. 13 9.4. Sachgerechter Umgang mit den Turngeräten Beim Transport sowie beim Auf- Um- und Abbau der Geräte darf man sich und andere nicht gefährden. 9.5. Helfen und Sichern Grundregeln: Der Helfer muss die Übung und die Gefahrenpunkte kennen. Er muss die anzuwendenden Helfergriffe sicher beherrschen und über ausreichen Kraft verfügen. Er muss so nah wie möglich am Übenden stehen. Zwischen Griffansatz und Masse des Körpers sollen möglichst wenig Gelenke sein. Der Helfer muss rechtzeitig zufassen und mitgehen. Der Helfer muss so lange helfen, bis die Übung sicher abgeschlossen ist. Der Helfer soll nur so viel helfen, wie zum Gelingen der Übung notwendig ist. Der Helfer soll den Übenden nicht behindern. Der Übende muss immer das Gefühl haben, sich auf den Helfer verlassen zu können. Der Helfer muss auf seine eigene Sicherheit achten (Mattenkanten, Barrenholm, Arm- oder Beinschwung des Übenden) Man unterscheidet direkte und indirekte Bewegungshilfen. Direkte Bewegungshilfen: a.) Klammergriff b.) Klammerdrehgriff, vorwärts und rückwärts c.) Schubhilfe d.) Zughilfe e.) Drehhilfe f.) Gleichgewichtshilfe Indirekte Bewegungshilfen: a.) Gerätehilfen (Kasten, Matten, Absprungbrett … ) b.) Orientierungshilfe (Markierungen, Linien, Reifen) c.) Akustische Hilfe (Zurufe, rhythmische Begleitung) d.) Psychologische Hilfe (Lob, Ermunterung, Angstabbau) Quellenverzeichnis: - Hartmut Baumann: Turnen in Freizeit, Schule und Verein, (BLV) München 1980 - Bundesverband der Unfallkassen (Hrsg.), Sicherheit im Schulsport, GUV. 57.1.14, 1997 - http://www.schneiderweb.info