Skript zur Veranstaltung Arbeit- und Sozialordnung der Berufakademie Lörrach Stand: Juni 2003 Das Skript soll einen leichteren Zugang zum Stoff der Vorlesung ermöglichen. Es kann diese jedoch nicht ersetzen. Gliederung 1 Einführung in die Arbeits- und Sozialordnung 3 2 Sozialen Sicherungssysteme 5 2.1. Sozialversicherungen 7 2.1.1 Arbeitslosenversicherung 8 2.1.2 Krankenversicherung 10 2.1.3 Pflegeversicherung 11 2.1.4 Rentenversicherung 12 2.1.5 Unfallversicherung 13 2.2 Rentenfinanzierungssysteme 14 2.3 Soziale Grundsicherung und Sozialhilfe 18 2.3.1 Sozial Grundsicherung im Alter 18 2.3.2 Alternative Modelle der Grundsicherung 19 3 Grundlagen der Arbeitsmarkttheorie und -politik 22 3.1 Akteure am Arbeitsmarkt 22 3.1.1 Die Gewerkschaften 22 3.1.2 Die Arbeitgeberverbände 24 3.1.3 Der Staat 25 3.2 Die Tarifautonomie 27 3.3 Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland 29 3.4 Arbeitsmarktpolitik 30 4 Einkommens- und Vermögenspolitik 32 4.1 Begriffsdefinitionen 32 4.2 Einkommensentstehung und -verteilung 33 4.3 Vermögensverteilung 35 1 5 Verteilungs- und Sozialpolitik 36 5.1 Ziele der Verteilungspolitik 36 5.2 Instrumente der Verteilungs- und Sozialpolitik 36 5.3 Ökonomische Konsequenzen der Verteilungspolitik 37 6 Internationaler Vergleich 39 6.1 Arbeitsmärkte der EU-Staaten und der USA 39 6.2 Soziale Sicherungssysteme im Europäische Vergleich 41 2 1 Einführung in die Arbeits- und Sozialordnung Die Existenz des Menschen ist tief von dem geprägt, was man mit dem Begriff „Arbeit“ umschreibt. Arbeit stellt einen konstitutiven Charakter des menschlichen Seins in sozialer wie psychischer Hinsicht dar. Die menschliche Arbeit und ihre Probleme sind daher Gegenstand einer Vielzahl von wissenschaftlichen Disziplinen. Dabei wird der Begriff „Arbeit“ höchst unterschiedlich definiert. Zudem schlägt sich in den verschiedenen Definitionsversuchen die Vielfalt der Erscheinungsformen von „Arbeit“ nieder. Allgemein formuliert könnte man alle Betätigungen geistiger und körperlicher Kraft als Arbeit bezeichnet werden. Allerdings fällt bei einer so allgemeinen Definition die Abgrenzung von „Nicht-Arbeit“ sehr schwer. Eine Interdisziplinäre Definition des Begriffs „Arbeit“ muss jedoch auch die unterschiedlichen Untersuchungsziele der verschiedenen Wissenschaften berücksichtigen. So ist die psychologische Betrachtungsweise auf Grund der anderen Untersuchungsziele eine andere als die medizinische, soziologische oder juristische. In der Volkswirtschaftslehre wird in der Regel der erwerbswirtschaftliche Zweck der Arbeit hervorgehoben und der erwerbswirtschaftliche Aspekt zur Abgrenzung von Arbeit zu freizeitlichen Aktivitäten wie Sport und Spiel verwandt. Zudem stellt die Arbeit ein knappes ökonomisches Gut dar, weshalb Arbeit einen Preis hat, der gemeinhin als Lohn oder Gehalt bezeichnet wird. Im folgenden wird nun der ökonomisch Arbeitsbegriff, also die in der Regel bezahlte körperliche oder geistige Tätigkeit aus wirtschaftlicher Zielsetzung heraus zu Grunde gelegt werden. Es wird zudem davon ausgegangen dass es sich um ein knappes Gut handelt, auch wenn das angesichts von rund 4,5 Mio. registrierten Arbeitslosen in Deutschland ein wenig paradox klingen mag. Innerhalb der Wirtschaftswissenschaften hat sich auf Grund der herausragenden Bedeutung der Arbeit für den Menschen die Arbeitsökonomik als Teildisziplin herausgebildet. Unabhängig davon waren sowohl in den Grundzügen der Mikroökonomie – z.B. Nutzen von Arbeit versus Freizeit – als auch in der Makroökonomie – z.B. Angebot und Nachfrage auf dem gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarkt - wesentliche Aspekte der ökonomischen Betrachtungsweise der Arbeit bereits berücksichtigt. Ausgehend vom makroökonomischen Arbeitsmarkt, auf dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen, sind durch die ordnungspolitischen Vorgaben des Staates eine Reihe von Einschränkungen gegenüber den klassischen Arbeitsmarktmodell von Bedeutung. 3 Die umfassenden Gesetzlichen Regelungen werden zudem um tarifrechtliche und z.T. Standesrechtliche Bestimmungen ergänzt. Diese Regelungen umfassen jedoch nicht nur den eigentlichen Arbeitsmarkt, sondern auch die Ausführung der Tätigkeit „Arbeit“ im Unternehmen. So ist es keineswegs untertrieben von einer sehr komplexen Arbeitsordnung zu sprechen. Allerdings kann eine sinnvolle Betrachtung der Arbeit und des Arbeitsmarktes nur unter Berücksichtigung der Sozialgesetzgebung erfolgen. Hier hat der Bundesgesetzgeber mit den 10 Sozialgesetzbüchern ein ebenso umfassendes wie gesellschaftspolitisch bedeutsames Regelwerk erlassen. Durch diese Gesetzgebung wird ein umfassender Rechtsanspruch auf eine Vielzahl von Leistungen für abhängig Beschäftigte definiert und gleichzeitig das Recht dieser sozialen Sicherungssysteme einen erheblichen Teil des Arbeitsentgeltes einzuziehen. Darüber hinaus werden auch die Unternehmen zu Zahlungen ins Soziale Sicherungssystem verpflichtet. Eine detaillierte Darstellung erfolgt in Kapitel 2. Will man praktisch relevante ökonomische Erkenntnisse gewinnen, so ist diese Arbeitsund Sozialordnung adäquat in den Modellen zu berücksichtigen. Angesichts der aktuellen Diskussion über den Umbau der sozialen Sicherungssysteme und der enorm hohen Arbeitslosigkeit hat dieses Gebiet der Volkswirtschaftslehre z.Z. besondere Bedeutung gewonnen. Ein Blick auf die Entwicklungen der Arbeitsmärkte der Europäischen Nachbarstaaten zeigt, dass Massenarbeitslosigkeit kein typisch deutsches Phänomen ist. Aber auch die Sozialversicherung finden in nahezu allen europäischen Staaten ein Pendant. Daher wird in der aktuellen Reformdebatte oft auf Lösungen aus dem europäischen Ausland verwiesen, ohne Sicherstellen zu können, dass vergleichbare Veränderungen in der Arbeits- und Sozialordnung ähnliche Erfolge nach sich ziehen. Während Arbeitsmarktpolitik und Sozialversicherungen wie selbstverständlich zur Arbeits- und Sozialordnung gezählt werden so häufig vergisst man die Einkommensund Vermögenspolitik sowie die Verteilungspolitik. In Kapitel 4 und 5 sollen die wesentlichen Ursachen sowie ökonomischen Bestimmungsgrößen für die Verteilung von Einkommen und Vermögen dargestellt werden. Die Instrumentarien zur Veränderung dieser Verteilung, insbesondere des Staates (z.B. Transfers, Steuerpolitik) aber auch anderer Sozialer Gruppen (z.B. Tarifverträge), bilden einen weiteren Schwerpunkt der beiden Kapitel. 4 2 Sozialen Sicherungssysteme Das deutsche Sozialrecht ist im Laufe der letzten Jahrhunderte entwickelt worden. Seine Anfänge reichen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Konzipiert wurde es als Maßnahme gegen die Schäden, die die Industrialisierung für die Arbeiter mit sich brachte. Den Arbeitsschutzgesetzen und den Gesetzen über Armen- und Wohlfahrtspflege folgten die Sozialversicherungsgesetze (Unfall-, Kranken-, Altersversicherung) zwischen 1884 und 1889. Das auch als Bismarcksche Sozialreform bekannte Reformwerk stellt bis heute die wesentliche Grundlage der Sozialversicherung dar. Als Folge des ersten Weltkrieg wurde die Sozialgesetzgebung u.a. um die soziale Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenenfürsorge das Schwerbeschädigtengesetz ergänzt. Im Jahre 1927 wurde mit dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung der viertes elementare Bereich der Sozialversicherungen begründet. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges und den ersten Nachkriegsjahren stagnierte die Sozialgesetzgebung. Die von den Alliierten geschaffenen Länder (späteren Bundesländer), bei denen nach Kriegsende die Gesetzgebungskompetenz zunächst lag, versuchten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das bisher Erreichte zu erhalten. Trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, dass hier und dort Abstriche gemacht werden mussten oder notwendige Ergänzungen unterblieben, was länderweise Unterschiede in der Leistungshöhe und sogar in den Anspruchsvoraussetzungen zur Folge hatte. Mit der politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung lief eine Bereinigung und ein allmählicher Ausbau des Sozialrechts Hand in Hand. Richtungsweisend für die letzte Phase der Entwicklung des deutschen Sozialrechts waren die Ausführungen in der Regierungserklärung vom 20.10.1953 zu Beginn der zweiten Legislaturperiode des deutschen Bundestages. Hierin heißt es, dass an dem wirtschaftlichen Aufstieg in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie die im Arbeitsprozess Tätigen teilgenommen haben und dass es deshalb das besondere Anliegen der Bundesregierung sein müsste, die wirtschaftliche Lage der übrigen Bevölkerung ebenfalls zu verbessern, ein Ziel, das durch eine umfassende Sozialreform erreicht werden sollte. Immer neue Tatbestände, wurden gesetzlich geregelt, alte Vorschriften wurden zu wiederholten Malen abgeändert oder ergänzt, der Leistungsumfang wurde angepasst. 5 Aus der Fülle der gesetzlichen Regelungen seien hier nur folgende genannt, die Rentenreformgesetze die neben einem großzügigen Leistungsausbau die Dynamisierung der Renten brachten, das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte, das Unfallversicherungsneuregelungsgesetz, das Arbeitsförderungsgesetz (das an die Stelle des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung trat), das Bundessozialhilfegesetz, das Schwerbehindertengesetz und die vielen Gesetze zur Änderung und Weiterentwicklung des Rechts der Krankenversicherung, Pflegversicherungsgesetz. All diese Ergänzungen und Veränderungen der Sozialgesetze sind nicht nur durch Industrialisierung und Technisierung der Arbeitsabläufe und deren negative gesellschaftspolitische Folgen ausgelöst, sondern spiegeln auch Wandlungen der machtpolitischen Verhältnisse und der Erwartungen und Forderungen der Menschen über die ihnen zustehende Stellung innerhalb der Gesellschaft wider. An die Stelle einer Volkswohlfahrtspolitik oder Sozialpolitik, die sich lediglich als Summe der staatlichen Maßnahmen zum Schutze der sozialschwachen Arbeiter verstanden wissen wollte, ist die Auffassung getreten, dass es Inhalt und Aufgabe der modernen Sozialpolitik sein müsste, Möglichkeiten und Voraussetzungen zu schaffen, um jedem Mitglied der Gesellschaft eine Existenz in Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Würde zu ermöglichen, um innerhalb der Gesellschaft eine Chancengleichheit für alle zu schaffen, kurz, um die soziale Sicherung aller zu gewährleisten. Bis heute sind insgesamt 10 Sozialgesetzbücher (SGB) erlassen: SGB I Allgemeiner Teil seit 1.1.1976 SGB III Arbeitsförderung seit 1.1.1998 SGB IV Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung seit 1.7.1977 SGB V Gesetzliche Krankenversicherung seit 1.1.1989 SGB VI Gesetzliche Rentenversicherung seit 1.1.1991 6 SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung seit 1.1.1997 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe seit 1.1.1991 SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen seit 1.7.2001 SGB X Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz seit 1.1.1981 SGB XI Soziale Pflegeversicherung seit 1.1.1995 Die Vorschriften der Sozialgesetzbücher wurden und werden durch eine Vielzahl von Gesetzen geändert bzw. ergänzt, um sie der allgemeinen Rechtsentwicklung anzupassen oder um den Leistungskatalog des SGB um Leistungen anderer Sozialgesetze zu erweitern. 2.1 Die Sozialversicherungen Die Sozialversicherung ist eine gesetzliche Zwangsversicherung mit dem Ziel der Leistungsgewährung. Sozialversichert sind unselbständig Beschäftigte. Im Gegensatz dazu können Selbständige in der Regel ihren Versicherungsschutz selbst bestimmen. Allerdings bestehen dazu Ausnahmen, die zum einen von den einzelnen Versicherungsbereichen, zum anderen von der Tätigkeit des Selbständigen abhängen. Die Sozialversicherungen stellen die zentralen Regelungsgebiete der Sozialgesetzgebung dar. Sie umfassen folgende fünf Bereiche: Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung Pflegeversicherung Rentenversicherung Unfallversicherung Die Krankenkassen Die Krankenkassen sind die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung. Neben dieser eigentlichen Aufgabe führen die Krankenkassen den Beitragseinzug für die gesetzliche Pflege-, Rentenversicherung und für die Arbeitslosenversicherung durch. Zudem ist die Krankenkasse des Arbeitnehmer auch für die Entgegennahme der sozialversicherungsrechtlichen An- und Abmeldungen von Beschäftigten durch den Arbeitgeber bei der zuständig. Die Beiträge für die Sozialversicherungen – Gesamtsozialversicherungsbeitrag – werden vom Arbeitgeber an die jeweilige Krankenkasse 7 des Arbeitnehmers abgeführt und sind je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu tragen. Soweit das Wahlrecht nicht in Sonderfällen eingeschränkt ist, entscheidet der Arbeitnehmer bei welcher Krankenkasse er versichert sein will. Die der Krankenversicherung und die ihren Trägern übertragenen Aufgaben werden – historisch bedingt – von einer Vielzahl von Krankenkassen durchgeführt. Erstreckt sich der Zuständigkeitsbereich einer Krankenkasse über die Grenzen eines Bundeslandes, ist sie eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, sonst eine landesunmittelbare. Folgende Krankenkassenarten sieht das Sozialgesetzbuch vor: • Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) • Betriebskrankenkassen (BKK) • Innungskrankenkassen (IKK) • landwirtschaftliche Krankenkassen (LKK) • See-Krankenkasse • Bundesknappschaft als Träger der knappschaftlichen Krankenversicherung • Ersatzkassen. Die Berufsgenossenschaft Die Unfallversicherung ist durch die jeweilige Berufgenossenschaft abgedeckt, die ihre Versicherungsbeiträge gesondert einzieht. Während die Beiträge für die Unfallversicherung durch den Arbeitgeber zu leisten sind, werden die Beiträge zu den übrigen Versicherungen grundsätzlich je zur Hälfe von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. 2.1.1 Arbeitslosenversicherung Die Arbeitslosenversicherung hat zur Aufgabe die zeitlich befristete Versorgung von arbeitslos gewordenen Erwerbstätigen sowie die Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Zu den Entgeltersatzleistungen der Arbeitslosenversicherung gehören das Arbeitslosengeld, das Teilarbeitslosengeld, das Kurzarbeitergeld und das Winterausfallgeld. 8 Das Arbeitslosengeld wird in der Regel maximal 12 Monate gewährt und beträgt rund 60 % des letzten Nettolohns; bei Arbeitslosen mit Kindern 67%. Nach neuerer Rechtsauffassung sind bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes auch die sog. Lohnzusatzleistungen wie 13. Monatgehalt oder Urlaubsgeld zu berücksichtigen. Für die Dauer der Zahlung ist auch die zu vorige Beschäftigungsdauer relevant. Hierbei gilt grundsätzlich, dass zwei Monate Beschäftigung Anspruch auf einen Monat Arbeitslosengeld erzeugen. Für ältere Arbeitnehmer ( ab dem 45. Lebensjahr) verlängert sich Schrittweise die maximale Bezugsdauer auf bis zu 32 Monate. Während des Bezugs auf Arbeitslosengeld darf der Arbeitslose eine Nebenbeschäftigung ausüben, wenn diese weniger als 15 Wochenstunden beträgt und das Arbeitsentgelt weniger als 20 % des Arbeitslosengeldes ausmacht. Für Bezieher eines geringen Arbeitslosenentgeltes wurde an Stelle der 20%-Grenze eine Grenze von 165 Euro pro Monat ergänzend eingeführt. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld besteht weiterhin der volle Versicherungsschutz bei den übrigen Sozialversicherungen. Ab dem 1. Juli 2003 wird es für alle Arbeitnehmer verpflichtend sich unverzüglich nach Kenntnis über das Beschäftigungsende, sich bei der Arbeitslosenvermittlung zu melden. Bei Nichtmeldung vermindert sich der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung auf bis zur Hälfte. Seit 1.1.1998 besteht die Möglichkeit, Teilarbeitslosengeld zu beziehen. Das Teilarbeitslosengeld soll Arbeitnehmern, die eine von mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen verlieren, einen angemessenen Ersatz für ausfallendes Arbeitsentgelt bieten. Für das Teilarbeitslosengeld gelten grundsätzlich die Vorschriften über das Arbeitslosengeld. Teilarbeitslosengeld kann für längstens 6 Monate bezogen werden. Die Arbeitslosenhilfe ist – da steuerfinanziert und bedürftigkeitsabhängig - keine Leistung der Arbeitslosenversicherung; sie folgt jedoch in ihren Voraussetzungen und in der Leistungsbemessung wesentlich den Regelungen der Arbeitslosenversicherung. Im Rahmen der Reform des Arbeitsmarktes durch die sog. Hartz-Kommission wurde verstärkt über eine Abschaffung der Arbeitslosenhilfe diskutiert. Da sich die Höhe der Leistungen der Arbeitslosenhilfe für die einfachen Beschäftigten mit Kindern nur unwesentlich von den Sozialhilfesätzen unterscheidet, wird in der öffentlichen Diskussion über eine Zusammenlegung der beiden Leistungen gesprochen. Zusammengelegt 9 werden sollen dabei die zuständigen Behörden, da bisher für die Arbeitslosenhilfe das Arbeitsamt und für die Sozialhilfe das kommunale Sozialamt zuständig ist. Die Arbeitslosenbeitrage in Höhe von 6,5 % des Bruttolohn werden je zur hälfte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Allerdings reichten in den letzten Jahren die Einnahmen aus den Beiträgen nicht aus, um die Kosten der Bundesanstalt für Arbeit und der ihr nachgeordneten Arbeitsämter zu decken. Somit war regelmäßig ein Zuschuss aus dem Etat des Bundesarbeitsministeriums notwendig, der allerdings angesichts knapper Kassen 2003 erstmals seit Jahren wieder gestrichen werden soll. 2.1.2 Krankenversicherung Die Krankenversicherung ist wohl die komplizierteste Sozialversicherung, da hier eine Vielzahl von Anbietern einen sehr unterschiedlichen Leistungskatalog zu teilweise stark abweichenden Beitragssätzen anbieten. Zudem ändern sich in immer kürzeren Abständen die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Während früher der Leistungskatalog durch Gesetze wie das Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle, die den gesetzliche Krankenversicherungsschutz (Lohnfortzahlung für Arbeiter) brachten , wurden in den letzten Jahren durch Weiterentwicklungsgesetze und Kostendämpfungsgesetze versucht den Leistungsumfang kontinuierlich zu reduzieren. Ursprünglich diente die Krankenversicherung zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit im Krankheitsfalle und gegen die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen der Krankheit und war für Arbeitnehmer bestimmt. Allerdings die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Krankenversicherung für bestimmte Personenkreise (Landwirte, Künstler) gesetzlich gesondert geregelt, womit auch für Selbständige teilweise eine Versicherungspflicht eingeführt wurde. Die Versicherung in der Krankenversicherung wird regelmäßig durch eine Pflichtversicherung begründet. Der freiwillige Beitritt zur Krankenversicherung für bisher nicht krankenversicherte Personen ist grundsätzlich nicht möglich. Versichert sind im Rahmen der Familienversicherung auch die Angehörigen eines Versicherten. 10 2.1.3 Pflegeversicherung Nach jahrelangen kontroversen Diskussionen ist mit dem Pflege-Versicherungsgesetz die fünfte Säule im System der gesetzlichen Sozialversicherung geschaffen worden. Die soziale Pflegeversicherung ist am 1.1.1995 in Kraft getreten und dient der Absicherung des Pflegefallrisikos. Die Pflegeversicherung wird von den bei den Krankenkassen eingerichteten Pflegekassen wahrgenommen. Grundsätzlich gilt, wer in der Gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, ist auch pflegeversicherungspflichtig. Pflegeversichert sind auch Familienversicherte zudem kann man sich unter gewissen Umständen freiwillig versichern. Die Pflegeversicherung kennt folgende Leistungen (§§ 28 ff. SGB XI): • Pflegesachleistungen, Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen, Kombination von Geldleistung und Sachleistung, häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson, Pflegehilfsmittel und technische Hilfen, • teilstationäre Pflege (in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege), • Kurzzeitpflege, • vollstationäre Pflege, • Pflege in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe, • Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen und Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen. Sie werden unter Beachtung des Grundsatzes der Beitragsstabilität angepasst (§ 30 SGB XI). Das gilt auch für die neu in das Gesetz aufgenommenen Höchstbeträge für Pflegeeinsätze bei einer selbst beschafften Pflegehilfe. Die Leistungen setzen voraus: • Pflegebedürftigkeit (gestaffelt nach Pflegestufen), • einen entsprechenden Antrag (vom Antragsdatum hängt der Beginn der Leistung ab, vgl. § 33 Abs. 1 SGB XI), • Eine bestimmte Vorversicherungszeit Die Pflegeversicherung stellt was die Beiträge betrifft einen Sonderfall dar. Mit der Einführung der Pflegeversicherung wurde es den Bundesländern überlassen zu bestimmen, ob der Buß- und Bettag als Feiertag gestrichen wird, oder die Arbeitnehmer 11 den vollen Beitrag zahlen müssen. Während sich 15 Bundesländer entschlossen haben, den Feiertag zu streichen und den Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von z.Z. 1,7 % des Bruttolohns je von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Hälfte bezahlen zu lassen, entschied sich der Freistaat Sachsen den Feiertag nicht zu streichen und stattdessen den vollen Beitrag durch die Arbeitnehmer zahlen zu lassen. 2.1.4 Rentenversicherung Die gesetzliche Rentenversicherung (einschließlich der Alterssicherung der Landwirte) ist einer der vierte Zweige der Sozialversicherung. Träger der Rentenversicherungen sind für die 1. Angestelltenversicherung die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; 2. Arbeiterrentenversicherung die Landesversicherungsanstalten, die Seekasse und die Bahnversicherungsanstalt; 3. knappschaftliche Rentenversicherung die Bundesknappschaft, und die Knappschaftsversicherung. Darüber hinaus gibt es noch berufsständische Versorgungswerke. Rentenversicherungspflichtig sind: alle Beschäftigten sowie ihnen gleichgestellte, d.h.: 1. Arbeiter und Angestellte die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt sind, 2. Auszubildende, 3. Bezieher von Winter- oder Kurzarbeitergeld, 4. Eltern, denen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind; 5. Wehr- oder Zivildienstleistende (Wehr- und Zivildienst) unter bestimmten Voraussetzungen; 6. Personen, die von einem Sozialleistungsträger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung in der Rentenversicherung pflichtversichert waren 7. sowie bestimmte Selbständige (z.B. Lehrer und Erzieher Künstler und Publizisten Handwerker, Scheinselbständige 12 Die Rentenversicherung kennt folgende Leistungen ( §§ 9 ff. SGB VI; § 23 SGB I): • Heilbehandlung, Berufsförderung und andere Leistungen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit einschließlich wirtschaftlicher Hilfen; • Renten wegen Alters (Altersrente), Erwerbsminderungsrente und Knappschaftsausgleichsleistung, Rente wegen Todes; • Witwen- und Witwerrentenabfindungen (Rentenabfindung); • Beitragserstattung; • Zuschuss zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag (für Rentner); • Leistungen für Kindererziehung (Kindererziehungsleistung Kindererziehungszeit). 2.1.5 Unfallversicherung Die gesetzliche Unfallversicherung ist der letzte Zweig der Sozialversicherung, deren Träger in der Hauptsache die Berufsgenossenschaften (Unfallversicherungsträger) sind. Aufgabe der Unfallversicherung ist es, 1. Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten; 2. nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Versicherten wiederherzustellen und ihn (oder seine Hinterbliebenen) durch Geldleistungen zu entschädigen. Pflichtversichert sind alle Arbeitnehmer, wobei je nach Berufszweig sogar eine Unfallversicherungspflicht für den Arbeitgeber durch die Satzung der Berufsgenossenschaft vorgesehen ist. Nach einem Arbeitsunfall (als Arbeitsunfall gilt auch ein Wegeunfall vom bzw. zum Arbeitsplatz) oder einer Berufskrankheit stehen grundsätzlich von Amts wegen gegebenenfalls folgende Leistungen der Unfallversicherung zu ( §§ 26 ff. SGB VII): • Heilbehandlung, z.B. ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Arzneimittel und Verbandmittel, Heilmittel inklusive Krankengymnastik u.ä., Ausstattung mit Körperersatzstücken, häusliche Krankenpflege, stationäre Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Kur- oder Spezialklinik, ferner Pflege bei Hilflosigkeit; • Verletztengeld, das dem Krankengeld entspricht; • berufsfördernde Rehabilitationsleistungen; 13 • Übergangsgeld (während einer Berufsförderung); • Leistungen zur sozialen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (ergänzende Rehabilitationsleistung), so u.a. die Haushaltshilfe, Kraftfahrzeughilfe, Wohnungshilfe; • Verletztenrente bei Minderung der Erwerbsfähigkeit, vgl. auch Kinderzulage Schwerverletztenzulage; • Sterbegeld und Erstattung von Überführungskosten; • Hinterbliebenenrenten; • einmalige, gegebenenfalls auch laufende Beihilfen für die Witwe/den Witwer und für Kinder eines/einer Schwerverletzten, wenn kein Rentenanspruch besteht (Witwenund Waisenbeihilfe); • Abfindung von Verletzten-, Witwen- und Witwerrenten (Rentenabfindung). 2.2 Rentenfinanzierungssysteme Das System der deutschen Rentenversicherung basiert seit der großen Reform von 1957 auf einem sogenannten intergenerativen Umlageverfahren, das oft auch als Generationenvertrag bezeichnet wird. Dabei zahlt die jetzt junge und arbeitende Generation in die Rentenversicherung ein und erwirbt damit einen Rentenanspruch in der Zukunft. Aus den eingezahlten Beiträgen dieser Generation werden die Renten der aktuellen alten Generation bezahlt. Das Prinzip läuft darauf hinaus, dass die arbeitende Bevölkerung über die Rentenbeiträge als Umlage die vergleichsweise kleinere Rentnergeneration mitfinanziert. Dieses Finanzierungsmodell ist jedoch aus folgenden Gründen in Deutschland nicht mehr aufrecht erhaltbar: 1. Die Alte Generation lebt immer länger während der Rentenzeit, womit die bezogenen Leistungen pro Rentner deutlich steigen. 2. Die Anzahl derer die das Rentenalter erreichen nimmt kontinuierlich zu. 3. Die zahl der Kinder, die die nachwachsende Generation darstellen ist in der Relation zu aktuell arbeitenden Generation viel zu gering 4. Die hohe Arbeitslosigkeit verschärft dazu kurzfristig die Lage, da somit rund 10 % der Beitragszahler keinen Beitrag leisten. Oft wird in der öffentlichen Debatte die geringe Kinderzahl als Hauptproblem des umlagefinanzierten Rentensystems angesehen. Allerdings würden selbst eine Fertilitäts14 rate von 2 statt 1,4, d.h. 2 bzw. 1,4 Kinder je Frau im gebärfähigen Alter keineswegs die Rentenprobleme lösen. Vielmehr ist durch die deutliche Zunahme der Lebenserwartung langfristig nur eine signifikante Erhöhung des Renteneintrittsalters oder eine Erhöhung der Fertilitätsrate auf deutlich über 3 notwendig, um die finanzierbare Relation von arbeitender Bevölkerung und Rentnern sicherstellen zu können. So wurden noch vor wenigen Jahren ein Rentner von drei Arbeitnehmern finanziert. Bereits in wenigen Jahren soll dieses Verhältnis sich auf 2 zu 1 reduziert haben. Um die Beiträge der Rentenversicherung stabil zu halten und die vereinigungsbedingten Zusatzlasten ( Frühverrentung von Millionen Ostdeutscher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den 90er Jahren) nicht länger durch einen hohen Beitragssatz zu finanzieren, wurde in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ein immer größerer Zuschuss aus Steuereinnahmen an die Rentenkassen gewährt. Dieser Zuschuss wurde durch die sog. Ökosteuereinnahmen ab 1999 nochmals deutlich erhöht und der Betragssatz um über 1 % gesenkt. Doch die Probleme sind mit bloßen Umfinanzierungsmaßnahmen nicht dauerhaft lösbar. Dementsprechend steigt der Rentenversicherungsbeitrag seit gut einem Jahr wieder an und beträgt zur Zeit 19,5 % des Bruttolohns. Förderung der kapitalgedeckten Rente Um eine grundlegende Reform wird das deutsche Rentensystem wohl nicht herumkommen. Dabei sind mit der sog. „Riesterrente“ erste Schritte hin zu einem kapitalgedeckten privaten Rentensystem gemacht worden. Dieser Paradigmenwechsel in der Versorgung im Alter ist mit einem großen Werbeaufwand und einem großzügigen Förderungspaket begleitet worden. So kann man ab 2002 zunächst 1 % seines Einkommens steuermindernd zu Gunsten einer Altersvorsorge ansparen. Diese Prozentsatz steigert sich über 2 % ab 2004 und 3 % ab 2006 auf bis zu 4 % ab 2008. Allerdings wurde der maximale steuerabzugsfähige Betrag für 2002 und 03 auf 525 Euro und in den Folgejahren auf das entsprechend vielfache bis hin zu 2100 Euro ab 2008 begrenzt. Doch gerade bei den niedrigen Einkommensschichten ist zu befürchten, dass die notwendige Ansparung als Altersvorsorge unterbleibt. Da der steuerliche Anreiz hier auch eher gering, wurde als zweites Element der Förderung ein Zuschuss des Staates in Höhe von 38 Euro pro Person und Jahr in 2002 und 2003 über 76 Euro ab 2004 und 15 114 Euro ab 2006 bis hin zu 154 Euro ab 2008. Darüber hinaus wird noch eine Kinderzulage von z.Z. 46 Euro gewährt die sich auf 185 Euro ab 2008 pro Kind und Jahr mehr als vervierfacht. Vor- und Nachteile der kapitalgedeckten Rentenversicherung Mit der Krise des umlagefinanzierten Rentensystems wurde der Gedanke eines kapitalgedeckten Rentensystems wieder populär. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass das Umlagesystem bei zurückgehenden Geburtenzahlen nicht dauerhaft finanzierbar sei. Das Hauptproblem einer alternden Gesellschaft ist aus volkswirtschaftlicher Sicht, dass ein immer geringerer Anteil der Bevölkerung durch seine Arbeitskraft aktiv an der Erstellung des Sozialproduktes beteiligt ist. Allerdings müssen die Kinder und vor allen Dingen auch die Alten mit den von der arbeitenden Generation erzeugten Waren mitversorgt werden. Somit stellt sich das Rentenproblem als gigantisches volkswirtschaftliches Umverteilungsproblem dar. Kann dieses Problem durch ein kapitalgedecktes Rentensystem vermindert werden? In der Theorie ja, da bei einem kapitalgedeckten Verfahren die Generation der Alten einen Großteil des Produktivkapitals besitzen und aus diesem einen Ertrag erzielen. Für die Betrachtung in der Theorie ist es nun zunächst irrelevant ob das Kapital den Unternehmen als Fremdkapital mit Zinsertrag oder als Eigenkapital mit Dividendenertrag und Kursgewinnen zur Verfügung gestellt wird. Doch auch in einem so einfachen theoretischen Modell ergeben sich bereits einige Probleme. Bei zunehmender Kapitalintensität einer Volkswirtschaft ist der Grenzertrag des investierten Kapitals abnehmend. Steigt nun in der Volkswirtschaft der Kapitalanlagebedarf auf Grund der Altersstruktrur so rasant an wie in Deutschland würde dies deutlich sinkende Zinsen nach sich ziehen, wodurch die benötigte angesparte Kapitalmenge je zukünftigen Rentner deutlich steigen wurde. Hierzu ein Beispiel: Bei einer Kapitalverzinsung von 6 % muss ein Arbeitnehmerhaushalt 600.000 Euro ansparen um eine Rente von 3000 Euro monatlich beziehen zu können, sofern das angesparte Geld nicht verbraucht werden soll. Bei einer Kapitalverzinsung von 4% sind es bereits 900.000 Euro, bei 3 % 1,2 Mio. Euro und bei 2 % sogar 1,8 Mio. Euro. 16 Das solch niedrige Zinsen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind zeigt hierbei das Beispiel Japan, wo über 10-jährige Staatsanleihen als sichere Anlage mit nur noch rund 1,7 % rentieren. Das Beispiel Japan zeigt auch das der mögliche Ausweg aus der Zinssenkungsspirale – die Kapitalanlage im Ausland, wo auf Grund des relativen Kapitalmangels höhere Renditen erzielt werden können in der Praxis nur teilweise wahrgenommen wird. Alleine das Wechselkursrisiko und erhebliche politische und wirtschaftliche Unsicherheiten in Schwellenländern oder Entwicklungsländern halten einen erheblichen Teil der Kapitalanleger davon ab, diese Investments einzugehen. Zudem ergibt sich aus den Erfahrungen der kapitalgedeckten Rentenversicherung im Angelsächsischen Raum ein weiteres praktisches Problem. Kapitalanlagen in Aktien, die bei einer solchen Rente einen erheblichen Teil des Anlagekapitals binden unterliegen zum Teil großen Schwankungen, die auch durch temporäre politische Ereignisse ausgelöst werden können. Zudem können große Unternehmenspleiten einen erheblichen Verlust an Anlagekapital nach sich ziehen. Dies kann noch weiter verstärkt werden wenn die Alte Generation deutlich mehr Kapitalanlagen liquidiert als durch die zahlenmäßig deutlich kleinere Generation nachgefragt wird. In einem solchen Fall würden sowohl am Aktien als auch am Rentenmarkt signifikante Kursverluste entstehen, die eine erhebliche Umverteilungswirkung entfalten kann. Verlierer wären dabei die Generation, die gerade das Rentenalter erreicht hat oder in Kürze reichen wird. Fazit Ob das bisherige Umlageverfahren, das kapitalgedeckten Verfahren oder eine Mischung zwischen den Alternativen, für alle Rentensysteme gilt, dass letztendlich nur das verteilt werden kann, was zuvor an Gütern produziert worden ist. Geld, sei es als Rentenzahlung aus einer Umlage oder als Zinseinkunft, stellen nichts anderes als einen Anteil an dem Sozialprodukt dar. Der Vorteil des kapitalgedeckten Verfahrens ist die Schaffung eines hohen Kapitalssockels, der eine hohe Produktion auch bei geringer werdenden Arbeitseinsatz verspricht. Allerdings sind die Produktionszuwächse mit weiter steigenden Kapitalsockel immer geringer. Unklar ist auch die möglichen negativen Auswirkungen auf die Konsumnachfrage in der Gegenwart, die einen erheblichen Anteil am realwirtschaftlichen Wachstum hat. 17 2.3 Soziale Grundsicherung und Sozialhilfe Bei der Sozialhilfe handelt es sich um eine Sozialleistung nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die als Hilfe zum Lebensunterhalt oder als Hilfe in besonderen Lebenslagen in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Unterstützung gewährt wird. Die Unterstützung differenziert sich in verschiedene Zuschüsse für einmalige Anschaffungen und einem Grundbetrag für den täglichen Bedarf. Dabei werden Familienangehörige (Kinder) mit einem geringeren Betrag berücksichtigt als Erwachsene. Ziel der Sozialhilfe ist die Unterstützung von Menschen, die nicht oder in nicht ausreichenden Maße von Familienangehörigen unterstützt werden können. Um Sozialhilfe zu erhalten, wird zudem die eigene Einkommens- und Vermögenssituation berücksichtigt. So darf man nahezu kein Barvermögen besitzen und muss weniger als 540 Euro verdienen. 2.3.1 Grundsicherung im Alter Zum 1.1.2003 wurde die bedarfsorientierte "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" als eigenständige Sozialleistung auf der Grundlage des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) eingeführt. Für den berechtigten Personenkreis werden hierdurch in vielen – wenn auch nicht in allen – Fällen Sozialhilfeleistungen ersetzt. Ziel der Grundsicherung ist die Sicherstellung des grundlegenden Bedarfs für den Lebensunterhalt von Personen, die wegen Alters oder auf Grund voller Erwerbsminderung endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und deren Einkünfte oder Vermögen für den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichen. Im Gegensatz zur Sozialhilfe erfolgt hier kein Rückgriff auf Kinder oder Eltern. Dadurch soll vor allem älteren Leistungsberechtigten die Scham genommen werden, aus Angst eines Unterhaltsrückgriff auf ihre Kinder berechtigte Sozialhilfeansprüche geltend zu machen. Die Berechnung der Grundsicherungsleistung ist eng an das Sozialhilferecht angelehnt. Die Leistung dürfte jedoch regelmäßig höher sein als die Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Sicherung des "grundlegenden Bedarfs" erfolgt bedarfsorientiert. Es erhält also nur derjenige Leistungen, dessen Einkommen und Vermögen seinen individuell zu bestimmenden grundlegenden Bedarf nicht abdecken. 18 2.3.2 Alternative Modelle der Grundsicherung Das Hauptproblem von Grundsicherungsmodellen ist, dass sie die Bereitschaft seine Arbeitskraft zum Lebensunterhalt zur Verfügung zu stellen verringert. Graphisch betrachtet handelt es sich hierbei um eine Grenzlösung, da bei vollständiger Freizeit ein ausreichendes Mindestmaß an Gütern konsumiert werden kann. x x I0 GZ * I1 I0 l p GZ * x l p x xmin GZ FZ FZ GZ AZ FZ FZ Theoretische Lösungsansätze zur Behebung dieser Problematik gibt es eine Vielzahl. Zunächst einmal zwei Ansätze um den Anreiz vollständiger Freizeitnutzung entgegenzuwirken. 1. Durch eine Absenkung der Unterstützung genügt das Güterbündel nicht mehr um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Als Konsequenz wird der Haushalt seine Arbeitskraft anbieten müssen und gegebenenfalls zu einem sehr geringen Lohn das notwendige hinzuverdienen. Dieser Ansatz ist vor allen in den USA angewandt worden. 2. Als alternativer Lösungsansatz, der auch in Deutschland von vielen Kommunen verfolgt wird, bietet sich an Sozialhilfeempfänger, die erwerbsfähig sind und grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen als Arbeitskraft für kommunale Belange einzusetzen. In Deutschland wird häufig kritisiert, dass es keinen Niedriglohnsektor gibt und durch (zu) hohe Sozialhilfesätze der Anreiz seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen 19 entsprechend gering ist. Obwohl beide Argumentationen verknüpft werden, widersprechen sie sich eigentlich. Die Tatsache, dass durch die Flächentarifverträge bisher kaum Niedriglohngruppen für wenig qualifizierte Beschäftigte existieren sorgt sicherlich dafür, dass für diese Beschäftigten immer weniger Arbeitsplätze angeboten werden. Die Kosten eines Arbeitnehmers für einfache Tätigkeiten sind durch den zu erwartenden Ertrag nicht finanzierbar. Insbesondere da die hohen Lohnnebenkosten die eigentlichen Arbeitskosten erheblich verteuern. – So erhält ein Arbeitnehmer mit Partner und einem Kind aus 1000,00 Euro monatlichen Bruttoverdienst nur rund 790 Euro als Nettoverdienst. Der Arbeitgeber muss sogar mit Kosten in Höhe von rund 1230 Euro Kosten rechnen. Obwohl in diesem Beispiel das Einkommen steuerfrei bleibt, sind die Kosten des Arbeitgebers über 150 % des Nettoverdienstes des Arbeitnehmers. Durch die aktuell diskutierten Reformansätze in der Arbeits- und Sozialpolitik werden Einkünfte unterhalb von 800 Euro pro Monat von einem Teil der Sozialversicherungskosten befreit. Das obige Beispiel macht aber deutlich, dass stärkere Veränderungen notwendig gewesen wären, Nettoverdienste nahe dem Sozialhilfesatz attraktiver zu gestalten. Da eine Absenkung der Sozialhilfe in existenzgefährdende Höhe verfassungsrechtlich nicht möglich ist, kann sich der zweite Teil nur auf die Differenz zwischen Sozialhilfe einerseits und Arbeitseinkommen andererseits beziehen. Um diesen Abstand zu erhöhen muss das Arbeitseinkommen von Abgaben entlastet werden. Des weiteren bietet sich an den staatlichen Zuschuss anders zu organisierten und durch Teilanrechnungssysteme auch höhere Arbeitsentgelte und staatliche Lebensunterstützung zu kombinieren. Bürgergeld und Negative Einkommensteuer Dem Bürgergeld und der negative Einkommensteuer liegen die gleichen volkswirtschaftlichen Konzepte zu Grunde. Beim Bürgergeld erhält jeder Bürger einen Anspruch auf eine gewisse Zuzahlung des Staates die bei keinem Einkommen eine ausreichende Versorgung sicherstellt. Mit jedem Einkommen verringert sich der staatliche Zuschuss um einen gewissen Prozentsatz, sodass sich einerseits das verfügbare Einkommen eines Haushaltes durch 20 Arbeitsleistung signifikant erhöht und andererseits die Ausgaben nur für die Bedürftigen getätigt werden. Vorteile des Bürgergeldes sind die vereinfachte Handhabung gegenüber der Sozialhilfe sowie die Möglichkeit auf Sonderregelungen in der Steuer- und Sozialabgabenregelung zu verzichten. Die negative Einkommensteuer ist faktisch eine steuerrechtliche Umsetzung der Bürgergeldidee. Allerdings ist die Konzeption des Bürgergeldes jüngeren Datums. Bei der Negativen Einkommensteuer erhält jeder Bürger nach einem Steuertarif vom Staat (in Deutschland währe wohl das Finanzamt zuständig) eine monatliche Zahlung, wenn sein zu versteuerndes Einkommen unterhalb eines gewissen Betrages liegt. Je weiter das Einkommen unterhalb des Grenzbetrages liegt um so größer wird die „Steuererstattung“. Liegt das Einkommen hingegen über des Grenzbetrages ist Einkommensteuer zu zahlen. Allerdings ist der sog. Eingangssteuersatz nahe 0 %. Bei Berechnungen durch in den 90er Jahren ergab sich bei einer solchen Steuerreform ein Volumen von umgerechnet rund 65 bis 75 Mrd. Euro. Dem ständen zunächst nur Einsparungen von rund 30 Mrd. Euro gegenüber. Die Differenz von 35 bis 45 Mrd. Euro würde als Steuerentlastung oder Einkommenszuschuss den Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen Bürgern zu Gute kommen. Eine tendenzielle Bevorzugung unterer Einkommensschichten ist dabei zu erwarten. 21 3 Grundlagen der Arbeitsmarkttheorie und -politik Der Arbeitsmarkt ist besonderer Markt. Dies hängt mit der herausragenden Bedeutung der Arbeit für den Menschen zusammen. Diese besonderen Bedeutung zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich mit der Arbeitsökonomik ein volkswirtschaftlicher Zweig gebildet hat, der sich nur mit diesem Gebiet beschäftigt. Grundlage des Arbeitsmarktes und seiner Verbindungen zum Gütermarkt über die Produktion einerseits und die Nachfrage nach Gütern durch die Arbeitnehmer andererseits wurden bereits in den Makroökonomischen Theorien der Neo-Klassiker und Keynsianer behandelt. Doch werden diese vereinfachenden Modelle der Realität keineswegs gerecht. So sollen in diesem Kapitel zunächst die Akteure, dann die Entwicklung und schließlich die aktuelle Politik des Arbeitsmarktes dargestellt werden. 3.1 Akteure am Arbeitsmarkt Der deutsche Arbeitsmarkt ist seit langem durch drei Akteure maßgeblich bestimmt worden. Durch die verfassungsrechtlich garantierte Koalitionsfreiheit und der formalen Übertragung der Lohnverhandlungen auf die Kartelle der Arbeitnehmer und Unternehmer im Rahmen des Tarifrechtes sind die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberverbände als Vertreter der Unternehmer zu wichtigen Trägern der Arbeitsmarktpolitik geworden. Arbeitgeberverbände wie Gewerkschaften gelten dabei als kooperative Akteure, da positive wirtschaftspolitische Impulse nur im Zusammenspiel beider erreicht werden können. Der Staat setzt als dritter Akteur den gesetzlichen Rahmen der Arbeits- und Sozialpolitik und stellt mit der Arbeitsgerichtsbarkeit besondere gerichtliche Entscheidungsgremien für Streitfälle zur Verfügung. 3.1.1 Die Gewerkschaften Die Gewerkschaften sind freiwillige auf Dauer angelegte Interessensvereinigungen von abhängig Beschäftigten mit dem Ziel der Absicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie der Arbeitbedingungen ihrer Mitglieder. 22 Der Erfolg der Gewerkschaften hängt in einem hohen Maße vom Organisationsgrad, d.h. vom Anteil der Arbeitnehmer, die sich gewerkschaftlich organisieren, und der Organisationsform ab. Man unterscheidet drei Organisationsformen: 1. Die Berufsgewerkschaft, die Arbeitnehmer eines Berufes zusammenfasst, was zur Folge hat, dass ein Arbeitgeber in der Regel mit mehreren Berufsgewerkschaften in seinem Betrieb zu tun hat. Dieses System ist in Großbritannien weit verbreitet, wo auch eine gewisse Rivalisierung zwischen den einzelnen Gewerkschaften beobachtbar war. 2. Die Weltanschauungsgewerkschaft. Hier bestehen mehrere Gewerkschaften nebeneinander, die sich durch ihre grundsätzliche Weltanschauung bzw. politische Orientierung unterscheiden. Dieses System von Gewerkschaften war in der Weimarer Republik durchaus verbreitet und ist auch heute noch in Spanien und Frankreich vorzufinden. Oft waren folgende Ausrichtungen vorzufinden: Christliche Gewerkschaft, Sozialistische/sozialdemokratische Gewerkschaft, Kommunistische Gewerkschaft. 3. Die Industriegewerkschaft. Dieses Modell setzte sich in Westdeutschland nach 1945 durch. Es galt das Prinzip: Ein Betrieb eine Gewerkschaft. Somit gehörten alle Arbeitnehmer einer Branche unabhängig ihrer Berufsgruppenzugehörigkeit einer Gewerkschaft an. Mit der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR schlossen sich die 12 Einzelgewerkschaften im Westen zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammen. Durch Fusionen zwischen mehreren kleineren Gewerkschaften entstanden in den letzten Jahren Einzelgewerkschaften, die als Arbeitnehmervertretung in einer Vielzahl von Branchen tätig sind. Mit dem letzten Großen Zusammenschluss u.a. von Deutscher Angestelltengewerkschaft (DAG), Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen sowie der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) entstand die Dienstleistungsgewerkschaft verdi, die mit über 3,1 Mio. Mitgliedern sogar größer war als die bis dahin größte Einzelgewerkschaft IG Metall. Beide zusammen vereinen mehr als die Hälfte aller Gewerkschaftsmitglieder auf sich. Die gewerkschaftliche Struktur überlässt die Lohnpolitik den Einzelgewerkschaften, während der DGB für die politische Lobbyarbeit und für öffentlichkeitswirksame Erklärungen zuständig ist. Dementsprechend gilt der DGB in seinen Entscheidungen als 23 sehr eng an die IG Metall und in jüngster Zeit auch an verdi gebunden. Dennoch brauchen die Einzelgewerkschaften den DGB, da sie somit eine wichtige Einflussmöglichkeit auf politische Entscheidungsträger der Bundesebene haben. Die Organisationsstruktur der Einzelgewerkschaften ist sowohl durch eine straffe wie demokratische Entscheidungsstruktur gekennzeichnet. So entscheiden die Mitglieder vor Ort über ihre Delegierten auf Bezirks-, Landes- oder Bundesebene. Der lohnpolitische Entscheidungsprozess wird zwar durch die Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft öffentlich vorgegeben, doch liegt der letztendliche Willensbildungsprozess in der Regel auf Bezirks- oder Landesebene. Dieser Dualismus lässt sich durch die Rechte des Hauptvorstandes und er Einzelmitglieder wie folgt erklären. Der Hauptvorstand als nach außen juristisches Vertretungsorgan hat sowohl die letztendliche Entscheidungsbefugnis als auch die Finanzhoheit über die Streikkasse. Zudem entscheidet er über die Durchführung einer Urabstimmung zum Streik und setzt den für die Lohnpolitik verantwortlichen Bezirksleiter in den einzelnen Bezirken ein. Die Gewerkschaftsmitglieder entscheiden bei einer Urabstimmung über Streik – hier ist eine Mehrheit von 75 % notwendig - und müssen einen Tarifkompromiss mach einem Streik bestätigen. Mit der Tarifkommission, die von den Bezirksdelegierten gewählt wurde existiert zudem ein basisnahes Organ die über Strategie und Ziele der Lohnpolitik entscheidet. Trotz der starken Stellung der Gewerkschaften und ihre straffe Ausrichtung an den Interessen ihrer Mitglieder nimmt die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder kontinuierlich ab. Der Organisationsgrad also der prozentuale Anteil der Arbeitnehmer, die gewerkschaftlich organisiert sind liegt inzwischen bei deutlich unter 30 %. Ein niedriger Organisationsgrad stellt jedoch die Wirksamkeit des Streiks in Frage und schwächt somit die Verhandlungsposition der Gewerkschaften. 3.1.2 Die Arbeitgeberverbände Die Unternehmerorganisationen lassen sich in drei verschiedene Arten untergliedern: 1. Die Wirtschaftsverbände. Sie vertreten die gemeinsamen wirtschaftpolitischen Interessen ihrer Mitglieder und beschäftigen sich meist mit Branchen und fachspezifischer Lobbyarbeit. Den 34 Spitzen und 352 Fachverbänden steht auf Bundesebene der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor. Die 24 umfangreichen Kontakte der einzelnen Verbände zu Stellen in der Ministerialverwaltung und zu politischen Entscheidungsträgern sorgen für einen großen Einfluss dieser Organisationen auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik. 2. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) stellt das Pendant zu den Gewerkschaften dar. Hier sind alle Arbeitgeber organisiert. Analog zum DGB hat der BDA in erster Linie Lobby- und PR-Funktionen. Die lohnpolitischen Entscheidungen werden in den Fachverbänden getroffen. Mit einem Organisationsgrad von rund 75 % der Unternehmen mit 80 % der Beschäftigten ist in den westlichen Bundesländern eine starke Verbandszugehörigkeit erkennbar. In den Neuen Ländern sind jedoch nur rund 27 der Unternehmer mit rund 64 % der Beschäftigten in einem Verband des BDA organisiert. 3. Als dritte Struktur der Meinungsbildung im Unternehmerlager sind die Pflichtverbände zu nennen. Dies sind zum einen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und zum anderen der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Beide Verbände müssen sich über ihren Organisationsgrand keine Gedanken machen, da Handwerksunternehmen Mitglied in der einer der 57 örtlichen Handwerkskammer (HWK) alle übrigen Unternehmen Mitglied in einer der 83 Industrie- und Handelskammern sein müssen. Da die Arbeitgeberorganisationen alle Lobbyarbeit und individuelle Beratung für ihre Mitglieder anbieten ist es angesichts sinkendem Interesse insbesondere in den fünf neuen Ländern zu einer verstärkten Konkurrenzsituation zwischen BDI, BDA und DIHK gekommen. Der ZDH war auf Grund der anderen Mitgliederstruktur wenig betroffen. Dieser Konkurrenzkampf wirkte sich auch auf den Arbeitsmarkt aus, da insbesondere der BDI bemüht war, Unternehmer durch markante und radikale Forderungen von seiner Bedeutung als Lobbyorganisation zu überzeugen. 3.1.3 Der Staat Durch die mediengerechte Inszenierung der Tarifauseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften wird oftmals vergessen, dass der Staat durch seine Legislative die maßgeblichen Regeln für Tarifautonomie vorgegeben hat. Die Tarifparteien bewegen sich also innerhalb dieses Rahmens. 25 Auch die Ausgestaltung der einzelnen Arbeitsverträge wird durch eine Vielzahl von Regelungen beeinflusst. Diese Regelungen können als Markteintritts- und Marktaustrittsschranken erhebliche Bedeutung bekommen. Signifikant wird dies bei Regelungen zum Kündigungsschutz, die zur Zeit wieder in der politischen Diskussion sind, der Öffentlichkeit wieder vor Augen geführt. Auch wenn der Staat gerne nur im Hintergrund eine Rolle spielen möchte, liegt doch eine zentrale Verantwortung für die Situation am Arbeitsmarkt bei ihm. Das betrifft Arbeitsmarktförderungen, die im SGB III bundeseinheitlich geregelt sind. Allerdings sind viele arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auch durch Landesrecht geregelt. Die Durchführung der Arbeitsförderung liegt jedoch bei der Bundesanstalt für Arbeit und der ihr nachgeordneten 181 Arbeitsämter. Mit dem Institut für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) wurde zudem eine ganze Forschungsanstalt im Geschäftsbereich der Bundesanstalt angegliedert. Während die Bundesanstalt für Arbeit die Umsetzung der Arbeitsförderung und Arbeitsvermittlung als zentrales Aufgabenziel hat, ist die Arbeitsgerichtsbarkeit der judikative Arm des Staates. Die Arbeitsgerichte, Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht haben zur Aufgabe Streitigkeiten bei der Auslegung von Betriebsverfassungsund Mitbestimmungsregeln sowie der Interpretation zu Zulässigkeit von Tarifvertragsbestimmungen. Beispielhaft sei hier die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes über die Differenzierungsklauseln und Effizienzlohnmodellen erwähnt. Der Staat hat mit seinen fast 5 Mio. Beschäftigten in Bund Ländern und Kommunen aber auch die Arbeitgeberfunktion. Hier entsteht oft eine besonders präkere Situation, da Politiker insbesondere vor Wahlen einen Streik im öffentlichen Dienst fürchten. Allerdings treffen Haushaltswirklichkeit und sozialpolitische Versprechungen selten so hart aufeinander wie im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes. Da Politiker – nach der ökonomischen Theorie der Politik - durch die Leistungen der Angestellten im öff. Dienst Güter für das Wahlvolk zur Verfügung stellen, sind sie aber auch an einer Guten Bezahlung ihrer Helfer interessiert. 26 3.2 Die Tarifautonomie Unter Tarifautonomie versteht man die gesetzlich garantierte Freiheit zur vertraglichen Festlegung von allgemeinverbindlichen Tariflöhnen und sonstigen Arbeitsbedingungen durch die gesetzlich anerkannten Tarifparteien. Zum Wesen einer Tarifpartei gehört der freie, privatrechtliche Zusammenschluss von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern auf unabhängige Weise. Dieser Zusammenschluss muss die kollektiven Interessen ihrer Mitglieder beim Abschluss eines Tarifvertrages verfolgen. Nach § 2 Tarifvertragsgesetz sind tariffähige Parteien: I. auf Arbeitnehmerseite die Gewerkschaften oder Zusammenschlüsse von Gewerkschaften. II. Auf Arbeitgeberseite ein einzelner Arbeitgeber oder eine Vereinigung von Arbeitgebern oder ein Zusammenschluss von Arbeitgebervereinigungen. Allerdings müssen diese Tarifparteien folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Bildung der Vereinigung zur Wahrung kollektiver Interessen. 2. Die Vereinigung muss auf Dauer angelegte privatrechtlicher Verein sein. 3. Es muss sich um eine sog. Gegnerfreie Vereinigung handeln 4. Der Zusammenschluss muss überbetrieblich und unabhängig vom Staat sein. Die Gründe warum Arbeitgeber wie Arbeitnehmer die Regelung eines autonomen Tarifrechtes befürworten sind recht unterschiedlich. Während für die Arbeitgeber insbesondere die Kartell- (gleichmäßig geregelte Lohn- und Arbeitsbedingungsstruktur) Ordnungs- (Transparenz und Stabilität der Lohnstruktur und Arbeitsbedingungen) und Friedensfunktion (keine wilden Streiks, Planungssicherheit) von Bedeutung sind, ist es aus Arbeitsnehmersicht die Schutz- Verteilungs- und Partizipationsfunktion. Die Schutzund Verteilungsfunktion von Zusammenschlüssen erklärt sich aus dem Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass durch den Zusammenschluss verringert wird. Somit lassen sich gemeinsame Interessen beispielsweise bessere Arbeitsbedingungen eher durchsetzen und auch die Verteilung des Ertrags auf die Faktoren Arbeit und Kapital kann so zu Gunsten des Faktors Arbeit zu mindestens vorübergehend beeinflusst werden. Für den Staat, der Tarifautonomie gewährt hat diese in erster Linie eine Entlastungsfunktion, da somit die Aufgabe der Einkommensverteilung und in gewissen Grad auch 27 die Verantwortung für den Arbeitsmarkt an die Tarifparteien weitergegeben werden kann. Bei der Art der Tarifverträge unterscheidet man zwischen Lohn- und Gehaltstarifverträgen und sog. Manteltarifverträgen, die Rahmenbedingungen der Arbeitsverhältnisse wie Arbeitszeit, Urlaubsansprüche, Kündigungsfristen etc. regeln und eine längere Laufzeit haben. Die Bedingungen des Tarifvertrages binden zunächst nur die Mitglieder der Vertragsparteien, d.h. die Gewerkschaftsmitglieder der beteiligten Gewerkschaften und die Arbeitgeber, die in den beteiligten Arbeitgeberverbänden organisiert sind. Für diese Gruppen werden die tarifvertraglichen Regelungen unmittelbar und direkt gültig. Dabei handelt es bei den vereinbarten Regelungen um Mindestregelungen von denen der Arbeitgeber nur zu Gunsten des Arbeitnehmers abweichen kann (Günstigkeitsprinzip). Alle abgeschlossenen Tarifverträge sind den Landesarbeitsbehörden und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zuzusenden. Auf Antrag einer Tarifpartei kann der Arbeitsminister gemäß § 5 Tarifvertragsgesetz eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung abgeben, wodurch die Bestimmungen des Vertrages für alle anderen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eines Tarifbereiches wirksam werden, auch wenn sie am Zustande kommen der Vereinbarung nicht beteiligt waren. Voraussetzung für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist ein „öffentliches Interesse“ und die am Vertrag beteiligten Arbeitgeber beschäftigen über die Hälfte der Arbeitnehmer, die durch den allgemein verbindlichen Vertrag betroffen wären. Die Allgemeinverbindlichkeit hat für die Gewerkschaften sowohl Vorteile als auch Nachteile. Während durch eine solche Erklärung erreichte Einkommens- und Arbeitsbedingungsstandards überall durchsetzbar waren, tauchte durch den bereits erwähnten Rückgang des Organisationsgrads die Schattenseite mehr und mehr in den Vordergrund. Die Allgemeinverbindlichkeit verwandelt die Leistung der Gewerkschaft von einem Clubgut, von dem nur die Mitglieder Nutzen ziehen, zu einem öffentlichen Gut, dass allen zu Gute kommt. Somit tauchen Trittbrettfahrer auf, die zwar an den tariflichen Erfolgen der Gewerkschaften teilhaben können, allerdings nicht bereit sind entsprechende Beiträge zu entrichten. Der Anreiz eines besseren Gehaltes für Gewerkschaftsmitglieder entfällt. 28 Auch für den Fall, dass sich die Tarifparteien nicht einigen, hat der Gesetzgeber klare Regeln vorgesehen. Zunächst besteht die Möglichkeit der Einschaltung eines neutralen Schlichters, der nach Verhandlungen mit beiden Seiten einen Kompromiss vorschlagen kann. Sollte dieser von einer der Beiden Seiten auch noch abgelehnt werden kann es zu einer Tarifauseinandersetzung kommen. Im Rahmen solcher Auseinandersetzungen sind auf Gewerkschaftsseite Streiks, d.h. gemeinsame planmäßige Arbeitsniederlegungen und auf Arbeitgeberseite Aussperrungen, d.h. planmäßige Verweigerung des Zugangs der Arbeitnehmer zum Arbeitsplatz, die schärfsten Waffen. In den letzen Jahren wurde der von den Tarifparteien ausgehandelte (Flächen-) Tarifvertrag als eine Ursache für die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt in die öffentliche Diskussion gebracht. So sei der Flächentarif zu wenig flexibel insbsondere in der dort festgelegten Lohnstruktur und gehe nicht auf die individuelle Situation im Betrieb ein. Ein Ansatz dieser Kritik entgegen zu wirken sind Öffnungsklauseln sowie die Schaffung von vermehrten Firmentarifverträgen. Gegen die verstärkte Einführung von Firmentarifverträgen spricht allerdings, dass gerade durch die Flächentarifverträge der Verteilungskampf aus den Firmen herausgehalten wurde und somit die Mitbestimmung und die betrieblichen Arbeitsbeziehungen nicht durch ständige Verteilungskämpfe belastet werden. Zudem ist der Aufwand von individuell ausgehandelten Tarifverträgen erheblich. Trotz Flächentarifvertrag existieren in Deutschland rund 50.000 gültige Tarifverträge. 3.3 Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland Die Entwicklung am (West-)Deutschen Arbeitsmarkt kann in vier Phasen unterteilt werden. Die erste Phase geht bis Ende der 50er Jahre und ist mit einem kontinuierlichen Rückgang der Arbeitslosenzahl verbunden. Die zweite Phase bis Anfang der 70er Jahre ist durch nahezu durchgängige Vollbeschäftigung gekennzeichnet. Von der Mitte der 70er Jahre bis zur Wiedervereinigung stieg die Zahl der Arbeitslosen in konjunkturellen Schwächephasen deutlich an, während in den anschließenden Konjunkturhochs nur ein Teil dieser Arbeitslosigkeit abgebaut werden konnte. Somit entstand mit jeder wirtschaftlichen Schwächephase eine höhere Sockelarbeitslosigkeit. Seit der Wiedervereinigung haben wir in Deutschland einen zweigeteilten Arbeitsmarkt. Während die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland mit 16 % bis über 20 % sehr hoch ist, 29 schwankt sie im Westen zwischen 6 und 11 %. Ein Teil der höheren Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern ist durch die höhere Frauenerwerbsquote erklärbar. Allerdings wird dies durch umfangreiche Frühverrentung größtenteils ausgeglichen sodass Probleme wohl durch die weggebrochene Großindustrie Anfang der 90er erklärbar sind. Vergleichbare strukturelle Probleme sind in Norddeutschland (Werftindustrie) und im Ruhrgebiet sowie dem Saarland (Kohle und Stahl) beobachtbar gewesen. Hier wurde mehr oder weniger konsequent ein wirtschaftlicher Umbruch durchlebt, der ebenfalls mit deutlich höheren Arbeitslosenquoten in diesen Regionen einherging. Eine weitere Sonderentwicklung der 90er Jahre war die verstärkte Nachfrage nach Teilzeitjobs. Während die stets eine Domäne der Frauen war, ist seit Anfang der 90er auch ein deutlicher Anstieg der Teilzeitbeschäftigung bei den Männern zu beobachten. Trotz des Anstiegs der Teilzeitarbeit und der Schaffung eines Rechtsanspruches auf Teilzeit für alle Vollzeitbeschäftigten seit 1999/2000 liegt Deutschland beim Anteil der Teilzeitbeschäftigten auf einem unteren Mittelfeldplatz in Europa. Eine Besonderheit gegen Ende der 90er Jahre sind die Zahl der gemeldeten offenen Stellen. Obwohl die durchschnittliche Arbeitslosigkeit über 3,5 Mio. Menschen auch in konjunkturellen Aufschwungphasen verharrte, stieg die Zahl der offenen Stellen auf deutlich über 500.000 an .Inoffiziell wurde über bis zu 1,5 Mio. offener Stellen spekuliert, die allerdings größtenteils nicht gemeldet würden, da ohnehin kein qualifizierter Bewerber durch das Arbeitsamt vermittelt werden könnte. Es tauchte die Frage auf, ob die Arbeitslosen nur nicht die richtige Qualifikation haben oder nicht die notwendige Bereitschaft zur Mobilität. In der Tat nimmt zwar seit Jahren der Anteil der Arbeitslosen ohne Berufsausbildung zu, allerdings sind auch über 100.000 Akademiker arbeitslos. Hier liegt die Arbeitslosenquote je nach Fach und Jahr zwischen 11 % und unter 1% (durchschnittlich zwischen 4 und 5 %). 3.4 Arbeitsmarktpolitik Unter der Arbeitsmarktpolitik wird häufig nur die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung und der untergeordneten Bundesanstalt für Arbeit verstanden. Wie allerdings schon oben ausgeführt tragen auch die Tarifparteien zur Arbeitsmarktpolitik bei. Mit den Reformen der Hartz-Kommission wurde die Arbeitsmarktpolitik grundlegend verändert. 30 Nachdem über lange Jahre die Weiterbildung der Arbeitnehmer massiv gefördert wurde tauchte nun die Frage des Vermittlungserfolges der Arbeitsämter verstärkt auf. Trotz wirtschaftlicher Flaute waren auch 2002 zeitweise über 500.000 offene Stellen gemeldet. Genau hier setzt einer der Reformvorschläge an. Die Arbeitsämter sollen Arbeitslose schneller vermitteln und dafür sollen auch sog. Personal-Service-Agenturen (PSA) deutschlandweit aufgebaut werden, die Arbeitslose wie Leiharbeitnehmer auch an Firmen vorübergehend verleihen können. Primäre Zielsetzung der Arbeitsämter soll nicht die Verwaltung sondern die Vermittlung von Arbeitslosen werden. Eine Aufgabe, die sich in einem immer dynamischer werdenden Arbeitsmarkt als besonders wichtig erweist. Um einen Teil der Arbeitslosen den Sprung in die Selbständigkeit zu erleichtern wurde bei der Reform des Arbeitsmarktes die sog. „Ich-AG“ erfunden. Hier erhalten Arbeitslose mit einer potentiell erfolgreichen Geschäftsidee eine zeitlich begrenzte Förderung und können vereinfachte steuerrechtliche Regelungen in Anspruch nehmen. Ob die Maßnahmen zur Förderung der Eigeninitiative allerdings den erhofften Erfolg haben darf bezweifelt werden, denn auch zuvor haben erhebliche finanzielle Anreize wenige Arbeitslose davon überzeugt den Weg in die Selbständigkeit zu suchen. Zu den klassischen Mitteln der Arbeitsmarktpolitik sei noch auf die Folien im 5. Semester verwiesen. 31 4 Einkommens- und Vermögenspolitik Die Einkommens- und Vermögenspolitik dient im allgemeinen Verständnis zu einer gerechteren Verteilung der Einkünfte und vorhandenen Vermögen. In Deutschland ist mit der Definition der sozialen Marktwirtschaft auch ein Auftrag zu einer gerechten Verteilung der Einkommen und Vermögen durch staatliches Handeln verbunden. Allerdings beschränkt sich Einkommens- und Vermögenspolitik nicht auf die Umverteilung sondern umfasst auch die Förderung der Vermögensbildung. 4.1 Begriffsdefinitionen Es werden zwischen verschiednen Arten der Einkommensverteilung unterschieden. Zunächst differenziert man zwischen der 1. Primäre Einkommensverteilung: Verteilung des Volkseinkommens, wie sie sich aus dem Wirtschaftsprozess bzw. aus dem Produktionsprozess vor der Umverteilung ergibt. 2. Sekundäre Einkommensverteilung: Verteilung des verfügbaren Einkommens nach der (staatlichen) Umverteilung durch Steuern Abgaben Subventionen und Transferzahlungen. Eine alternative Differenzierungsmöglichkeit ist die folgenden: 1. Personelle Einkommensverteilung: Verteilung der Einkommen auf Personen bzw. private Haushalte, Einkommensbezieher, Einkommensgruppen u.ä.; betrifft einerseits die Frage nach der Höhe des personellen (Personen-, Haushalts-, Gruppen-) Einkommens . abhängig von einer Vielzahl von Bestimmungsgründen und andererseits die Frage nach der Einkommensstreuung (Häufigkeitsverteilung der Einkommen unterschiedlicher Höhe). 2. Funktionelle Einkommensverteilung: Verteilung der Einkommen auf die Produktionsfaktoren; betrifft heute insbesondere die Faktoranteile am Volkseinkommen, d.h. Lohnquote und . Früher insbesondere die Faktorpreise. Lohn (Arbeit), Grundrente (Grund und Boden), Zins (Kapital), Gewinn (Unternehmertätigkeit; manchmal auch als Residualgröße aufgefasst). 32 Die Funktonelle Verteilung differenziert also die Einkünfte zwischen denen für den Faktor Arbeit also dem Anteil der Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit am Volkseinkommen:, was auch als Lohnquote bezeichnet wird und dem Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (Gewinnquote). Beide Einkünfte zusammen ergeben das Sozialprodukt weshalb beide Quoten zusammen 100 % ergeben. Bei der Lohnquote ist je nach Berechnungsmethode zwischen der Bruttolohnquote, die auch die Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer, die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und zusätzliche Sozialleistungen der Arbeitgeber enthält und der Nettolohnquote, die der Bruttolohnquote ohne Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer, wobei auch das Volkseinkommen (im Nenner) um die entsprechenden Abgaben verringert werden muss, unterschieden. Verteilung des Realeinkommens: Sekundäre Einkommensverteilung unter Berücksichtigung der Preisstruktur für alle Konsumgüter Preisstruktur und nicht Preisniveau bzw. Bezug auf die Preisniveaus für die verschiedenen Bevölkerungs- oder Haushaltsgruppen Dies beinhaltet auch die Berücksichtigung des Angebots an öffentlichen Gütern. Hiermit soll unter anderem der verteilungspolitische Einfluss mittels Bereitstellung öffentlicher Güter und durch staatliche Preisregulierungen erfasst werden. 4.2 Einkommensentstehung und -verteilung Die Einkommensentstehung lässt sich grundsätzlich aus der Faktorentlohnung bei der Produktion erklären. Aus den obigen Abgrenzungen wurde deutlich, dass in einer komplexen Volkswirtschaft eine Vielzahl von Begriffen zur Abgrenzung der Einkommen herangezogen werden können. Entsprechend umfassen ist die Liste der Einkommensarten aus denen die Gewinn- bzw. Profitquote zusammengesetzt werden kann: Arbeitseinkommen der selbständig Erwerbstätigen (.Unternehmerlöhne.) Mieteinkommen der privaten Haushalte und des Staates (öffentliche Hand) 33 Einkommen aus Kapitalbesitz (Zins), Verpachtung der privaten Haushalte und des Staates (öffentliche Hand) Gewinnen (ausgeschüttete und einbehaltene Gewinne vor Abzug der direkten Steuern von Unternehmen der privaten gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, der öffentlichen Hand und der freien Berufe) Für Messungen im Zeitverlauf ist bei der Lohn und Gewinnquote zwischen bereinigter und unbereinigter Form zu unterscheiden. Da in den letzen Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der Erwerbsquote zu beobachten war und die Zahl der Selbständigen deutlich abnahm ist es nicht verwunderlich, dass sich die Lohnquote erhöht hat. Wird die Lohnquote allerdings um das relative Beschäftigungswachstum bereinigt, erhält man eine eher sinkende (bereinigte) Lohnquote. Neben der Einkommensentstehung ist die Einkommensverteilung ein wesentlicher Indikator für Vermögensunterschiede in einer Volkswirtschaft. Da die Sozialpolitik versucht die Einkommensunterschiede zu verringern wird meist die primäre und sekundäre Einkommensverteilung in Form einer Lorenzkurve dargestellt. Dabei gilt je näher die Kurve an der Mittelhalbierenden verläuft um so gleicher ist das Einkommen verteilt. Bei der Mittelhalbierenden wäre eine vollkommene Gleichverteilung erreicht. Einkommen in % 100 % Einkommensbezieher in % 100 % Zur Berechnung der Abweichung der Einkommenskurve von der Mittelhalbierenden wird der sog. Gini-Koeffizient herangezogen, der zwischen 0,5 (Mittelhalbierenden) und nahe 34 0 schwanken kann. Der Gini-Koeffizient ist auch ein Maß für die Umverteilung durch den Staat, wenn dieser für die Primäre und Sekundäre Einkommensverteilung berechnet wird. 4.3 Vermögensverteilung Analog zur Einkommensverteilung lässt sich mit dem Konzept der Lorenzkurve auch die Vermögensverteilung zwischen den Haushalten aufzeigen. Allerdings ist die Datenbasis mit der Aussetzung der Vermögenssteuer 1998 deutlich schlechter geworden. Daher lassen sich private Vermögen heute in Deutschland überwiegend auf Basis verschiedener Schätzmethoden ermitteln. Wesentliche Grundlage der Beurteilung von Vermögensverteilung wurde daher die Mikrozensusbefragungen des Statistischen Bundesamtes. Aus den Angaben lässt sich eine weitere Verschiebung der Vermögenskurve von der Mittelhalbierenden beobachten. 35 5 Verteilungs- und Sozialpolitik Die Sozialpolitik stellt einen sehr großen und früher sehr bedeutenden wissenschaftlichen Zweig der Volkswirtschaftslehre dar. Die Sozialpolitik ist dabei weit umfassender als dies hier in einem Kapitel dieses Skriptes dargestellt werden könnten. Unter Sozialpolitik versteht man alle Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation. Oft beziehen sich Maßnahmen auf eine bestimmte besonders benachteiligte Gruppe. Allerdings sind die größten Ausgaben des Sozialbudgets durch die Sozialversicherungen determiniert und betreffen alle, die als abhängig Beschäftigte einen Anspruch auf Leistungen aus mindestens einer der Versicherungen erworben haben. Im folgenden wird die Darstellung auf die Verteilungspolitik fokussiert, da das Sozialsystem bereits in Kapitel 2 eingehender erläutert wurden. 5.1 Ziele der Verteilungspolitik Ziel der Verteilungspolitik ist eine gerechtere Vermögensverteilung in einer Volkswirtschaft zu erreichen. Diesem als distributiven Ziel staatlichen Handelns steht die Sicherstellung einer effizienten und am Leistungsprinzip orientierten optimalen Allokation der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital gegenüber. Daher ist das Erreichen einer optimalen Allokation der Produktionsfaktoren nur mit erheblichen Verteilungsungerechtigkeiten möglich bzw. eine gleichmäßige Einkommens- und Vermögensverteilung mit großen Ineffizienzen verbunden. Wirtschaftspolitisches Handeln staatlicher Stellen kann somit nur eine teilweise Erlangung beider Ziele nach sich ziehen. 5.2 Instrumente der Verteilungs- und Sozialpolitik Die Verteilungspolitik erfolgt insbesondere durch das steuerpolitische Instrumentarium. Hierbei sind in Deutschland sowohl die progressive Gestaltung der Einkommensteuer als auch die Möglichkeiten der Einkommensteuerminderung bzw. –befreiung zu nennen. Der Steuerprogression bei der Einkommensteuer steht der umgekehrte Effekt bei der Umsatzsteuer gegenüber. Während also durch die Einkommensteuer größere Einkommen überproportional belastet werden, wirkt die Umsatzsteuer auf Grund der niedrigeren Sparquote bei niedrigen Einkommen überdurchschnittlich belastend für Haushalte 36 mit niedrigen Einkommen. Um diesen Effekt zu mindern wurden Grundnahrungsmittel mit einem verminderten Umsatzsteuersatz belegt und in einigen EU-Staaten wurde für hochwertige Luxusgüter sogar ein erhöhter Umsatzsteuersatz eingeführt. Eine weitere Entlastung für Haushalter mit niedrigen Einkommen ergibt sich aus der Umsatzsteuerbefreiung der Mietzahlung. Besteuerung von Vermögen Seit einigen Monaten wird von Gewerkschaftern und einigen Politikern wieder die Besteuerung von Privatvermögen gefordert. Dabei wird darauf verwiesen, dass die Vermögenssteuer in vielen Ländern (insbesondere auch in den USA) einen erheblichen Anteil der Staatseinnahmen darstellt. Ursache für die Abschaffung der Vermögenssteuer war ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes, was eine Steuerquote deutlich über 50 % für verfassungswidrig erklärte. Damit war die Abschaffung der Vermögenssteuer keineswegs zwingend, da auch eine Senkung der Einkommensteuer möglich gewesen wäre. Den Bundesländer, die bisher die Vermögenssteuereinnahmen erhielten, wurde ein größerer Anteil an den Einnahmen der Einkommensteuer zugesagt. Ökonomisch betrachtet handelt es sich bei der Vermögenssteuer um eine Substanzsteuer, die auf nicht für Konsumzwecke verwendetes versteuertes Einkommen erhoben wird. Insofern wird oft von einer doppelten Besteuerung gesprochen. Im Marktmodell wirkt die Vermögenssteuer wie ein Einkommenssteuerzuschlagssatz, weshalb ihre Wirkung in vielerlei Hinsicht mit einer Veränderung des Einkommensteuertarifs vergleichbar ist. Die Vermögenssteuer, entfaltet zudem eine erhebliche distributive Wirkung die vermögensspezifisch gesteuert werden kann, weshalb sie als Instrument zur Nivilierung von Vermögensverteilungsunterschieden als effizientes Instrument eingesetzt werden kann. Die auch auf Vermögen abzielende Erbschaftssteuer wurde grundsätzlich neu strukturiert. So sind kleinere Vermögen bei Eltern-Kind-Vererbungen nun von der Erbschaftssteuer durch einen höheren Freibetrag nicht mehr betroffen. Dafür stieg der Erbschaftssteuersatz für größere Vermögen deutlich an. Die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer stellen mittlerweile einen bedeuten Faktor dar, insbesondere da 37 geschätzt wird, dass bis 2020 rund 4 bis 5 Billionen Euro Vermögenswerte vererbt werden. Weit größere Verteilungswirkung wird bei den Sozialen Sicherungssystemen bewirkt. Diese Umverteilung erfolgt sowohl intergenerativ (zwischen Jung und Alt) wie bei der Rentenversicherung als auch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitslosen oder gesünderen Menschen und Kranken. Eine genauere Darstellung der sozialen Sicherungssysteme erfolgte ja bereits in Kapitel 2. Um das Volumen der Umverteilung zu verdeutlichen: Das Sozialbudget machte gegen Ende der 90er Jahre zwischen 33 und 36 % des Bruttoinlandsproduktes aus. Die Summe aller Steuereinnahmen machte dagegen nur rund 24 % des Bruttoinlandsproduktes aus. 5.3 Ökonomische Konsequenzen der Verteilungspolitik Bei den ökonomischen Konsequenzen ist zwischen kurzfristigen und langfristigen Wirkungen zu unterscheiden. Kurzfristig kann eine Umverteilung einen konjunkturellen Schub auslösen, der dadurch bedingt ist, dass die von einer Umverteilung profitierenden Haushalte mehr von dem zusätzlichen Vermögen bzw. Einkommen für Konsumzwecke ausgeben, als die belasteten Haushalte ihre Konsumneigung zurückfahren. Längerfristig betrachtet spricht ein solches Verhalten für eine Absenkung der Sparquote, also des Anteils am verfügbaren Einkommen der Haushalte, das gespart wird. Diese Absenkung wird insbesondere dann begünstigt, wenn eine Vermögenssteuer die Geldanlage zusätzlich unattraktiv macht. Grundsätzlich führt eine Umverteilung von Vermögen zu Effizienzverlusten in einer Volkswirtschaft. Dieser Effekt wird mit zunehmendem Volumen der Umverteilung überproportional steigen, da die leistungsfähigen Wirtschaftssubjekte alle Möglichkeiten ausschöpfen Teile Ihres Einkommens an den Abgaben vorbei zu erwirtschaften (Schattenwirtschaft) und ihr Vermögen in anderen Staaten anzulegen. Allerdings kann dies durch entsprechende Steuerabkommen (z.B. müssen alle ausländischen Banken über die US-Bürger, die Geld bei ihnen anlegen Meldung machen) teilweise unterbunden werden. Dennoch stellt sich keine optimale Allokation mehr ein, da diese durch die Steuerpolitik und ihre Umgehungsstrategien verzerrt wird. 38 6 Internationaler Vergleich Im Rahmen der zunehmenden Vernetzung der Volkswirtschaften wurden auch in der Sozialpolitik internationale Vergleiche immer wichtiger. Neben den USA und Japan als die bedeutensten Volkswirtschaften, war vor allen Dingen der Vergleich von wirtschaftspolitischen Kennzahlen und der Sozialsysteme eine bedeutendes Kriterium im Europäischen Einigungsprozess. 6.1 Arbeitsmärkte der EU-Staaten und der USA Während in den letzten Jahren eine so weitreichende Liberalisierung des Kapitalmarktes umgesetzt wurde, dass Kapital in kürzester Zeit in nahezu allen Industrialisierten Staaten investiert werden kann ist der zweite volkswirtschaftliche Inputfaktor – die Arbeit – weit weniger mobil. Daher spricht man trotz gemeinsamer Währung nicht vom Arbeitsmarkt der Euro-Zone sondern von den verschiedenen nationalen Arbeitsmärkten, was auch mit dem geringen Einfluss europaweit agierender Institutionen auf diesen besonderen Markt zu tun hat. Lange Zeit wurde der Arbeitsmarkt als rein statistische Vergleichsgröße für den wirtschaftlichen Erfolg einer Volkswirtschaft oder der wirtschaftspolitischen Konzeption einer Regierung herangezogen. Dabei wurde jedoch weder auf unterschiedliche Erfassungsmethoden noch auf unterschiedliche Begriffsdefinitionen Rücksicht genommen. So zählt jeder Arbeitssuchende, der sich in Deutschland beim Arbeitsamt meldet als arbeitslos, auch wenn er bis zu 14 Stunden die Woche einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht. In den USA führt hingegen jede Form der Erwerbsarbeit zu einer NichtZählung in der Arbeitslosenstatistik, die dort zudem im wesentlichen aus einer Befragung von ca. 10.000 Haushalten besteht. Trotz aller methodischen Bedenken gilt auch heute noch die Arbeitslosenquote als ein wesentlicher Indikator beim Vergleich von Volkswirtschaften. Allerdings ist durch das unter 6.2 erwähnte Berichtswesen über Sozialstandart innerhalb Europas und der Angleichung der Messmethoden eine gute statistische Basis geschaffen worden, um Fehlinterpretationen bei internationalen Vergleichen zu reduzieren. Zudem wurde anerkannt, dass höhere Chancen auf staatliche Unterstützung bei Arbeitslosigkeit einen positiven Anreiz darstellen, sich arbeitslos zu melden. Daher wird als zweiter Indikator 39 die Beschäftigungsquote hinzugezogen. Hier zunächst eine Übersicht uber den Arbeitsmarkt an Hand der Arbeitslosenquoten für 2001 und 2002, sowie eine Übersicht seit 1993. 40 Länderdaten 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 US 6.8 6.1 5.6 5.4 4.9 4.5 4.2 4 4.8 5.8 Japan 2.5 2.9 3.1 3.4 3.4 4.1 4.7 4.7 5 5.4 EU15 10.1 10.5 10.1 10.2 10 9.4 8.7 7.8 7.3 7.6 : : : : : : : 13.6 14.5 14.8 Belgien 8.6 9.8 9.7 9.5 9.2 9.3 8.6 6.9 6.7 7.3 Dänemark 9.6 7.7 6.7 6.3 5.2 4.9 4.8 4.4 4.3 4.5 Deutschland 7.7 8.2 8 8.7 9.7 9.1 8.4 7.8 7.7 8.2 Griechenland 8.6 8.9 9.2 9.6 9.8 10.9 11.8 11 10.4 9.9 Spanien 18.6 19.8 18.8 18.1 17 15.2 12.8 11.3 10.6 11.4 Frankreich 11.3 11.8 11.3 11.9 11.8 11.4 10.7 9.3 8.5 8.7 Irland 15.6 14.3 12.3 11.7 9.9 7.5 5.6 4.3 3.9 4.4 Italien 10.1 11 11.5 11.5 11.6 11.7 11.3 10.4 9.4 9 Luxemburg 2.6 3.2 2.9 2.9 2.7 2.7 2.4 2.3 2 2.4 Niederlande 6.2 6.8 6.6 6 4.9 3.8 3.2 2.8 2.4 2.7 4 3.8 3.9 4.4 4.4 4.5 3.9 3.7 3.6 4.3 Portugal 5.6 6.9 7.3 7.3 6.8 5.1 4.5 4.1 4.1 5.1 Finnland 16.3 16.6 15.4 14.6 12.7 11.4 10.2 9.8 9.1 9.1 Schweden 9.1 9.4 8.8 9.6 9.9 8.2 6.7 5.6 4.9 4.9 Vereinigtes Königreich 10 9.3 8.5 8 6.9 6.2 5.9 5.4 5 5.1 ACC Österreich 6.2 Soziale Sicherungssysteme im Europäische Vergleich Seit mehr als 10 Jahren wird in der Europäischen Union ein Vergleich der sozialen Sicherungsysteme betrieben, der einen Gesamtüberblick geben soll. Dieser jährlich angefertigte Bericht über Beschäftigung und Soziales in der EU und des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR). Aus dem fas 700 Seiten umfassenden Bericht kann ein mehr oder weniger detaillierter Eindruck der sozialen Sicherungssysteme gewonnen werden. 41