Sprache und Weltbild VO im WS 2006/07 Manfred Kienpointner (Skript Kevin Krennhuber) Einführung: ........................................................................................................................................................ 3 Wilhelm v. Humboldt .......................................................................................................................................... 4 Biographie: .................................................................................................................................................... 4 Sprachtheoretische Grundideen: .................................................................................................................. 4 Jede Sprache vermittelt eine jeweils eigene Perspektive der Wahrnehmung der Welt: .......................... 4 Sprache und Volk, Sprache und Fremdsprache: ...................................................................................... 5 Grundsätzliche Ausdrucksfähigkeit aller Sprachen: ................................................................................. 5 Prinzipielle Gleichheit aller Sprachen: ...................................................................................................... 5 Dynamische Sprachdefinition: .................................................................................................................. 5 Sprache ist kreativ: ................................................................................................................................... 5 Begründung der modernen Sprachtypologie: ........................................................................................... 5 Weitere Ansichten und Feststellungen: ......................................................................................................... 5 Einfluss der Norm auf das Weltbild: .......................................................................................................... 5 Humboldt zu Sprache und Nation: ............................................................................................................ 5 Humboldt zu Sprache vs. Weltansicht: ..................................................................................................... 5 Edward Sapir (1884 – 1939) .............................................................................................................................. 6 Biographie: .................................................................................................................................................... 6 Wissenschaftliche Entwicklung: .................................................................................................................... 6 Zitate: ........................................................................................................................................................ 7 Benjamin Lee Whorf .......................................................................................................................................... 7 Biographie: .................................................................................................................................................... 8 Leitmotive: ..................................................................................................................................................... 8 Seine Thesen beweist Whorf mit Beispielen aus dem Hopi: ........................................................................ 8 Grundlegende Stellungnahmen Whorfs zum Thema: ................................................................................... 9 Die Hopi ....................................................................................................................................................... 11 Das Volk der Hopi: .................................................................................................................................. 11 Die Sprache der Hopi: ............................................................................................................................. 12 Forschung und Kritik nach Whorf: ............................................................................................................... 13 Forschung zur Sapir-Whorf Hypothese: .......................................................................................................... 13 Farbwortschatz: ........................................................................................................................................... 13 Die Evolution von Basisfarbwörtern (Berlin/Kaye 1969): ........................................................................ 13 Kritik ........................................................................................................................................................ 13 Physiologie der menschlichen Farbbverarbeitung: ................................................................................. 13 Numerus und Klassifikatoren: ..................................................................................................................... 13 Genus .......................................................................................................................................................... 14 Raumdarstellung ......................................................................................................................................... 14 o Intrinsic Frame of Reference .......................................................................................................... 15 o Relative Frame of Reference: ........................................................................................................ 15 o Absolute Frame of Reference: ....................................................................................................... 15 Norm, Diskurs und Ideologie ........................................................................................................................... 16 1. Ethnozentrischer Sprachgebrauch: „Wir und die Anderen“ ................................................................ 16 Negativ-Stereotype in Phraseologismen in „mediterranen“ Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch, Arabisch, Türkisch) sowie Deutsch und Englisch: ................................................................. 16 2. Androzentrischer Sprachgebrauch: .................................................................................................... 17 Stereotype Asymmetrien in Wortschatz und Wortbildung: ..................................................................... 17 Stereotype in traditionellen Redewendungen, Sprichwörtern, Metaphern: ............................................ 17 Beispiele für Asymmetrien auf der Text-/Diskursebene:......................................................................... 17 Ähnliche Asymmetrien im Englischen und Französischen: .................................................................... 18 3. Andropozentrischer Sprachgebrauch ................................................................................................. 18 Übertragung von (negativ konnotierten) Tierbezeichnungen aus dem eigenen, vertrauten Ökosystem auf unbekannte Tierarten eines neu besiedelten, völlig andersartigen Ökosystems: ............................ 18 Einige Beispiele für abwertend-pejorativen Gebrauch von Tierbezeichnungen: .................................... 18 Kritische Diskursanalyse (CDA): ..................................................................................................................... 19 Teun van Dijk: Soziokognitiver Ansatz der CDA ......................................................................................... 19 Die Wiener Schule der Diskursanalyse ....................................................................................................... 20 Metaphern und Weltbild ................................................................................................................................... 23 Einführung: Der Satz „Sprache bringt ein Weltbild zum Ausdruck“ bringt uns bereits in arge Definitions-Bedrängnis. Was ist Sprache und was ist Weltbild? Schon bei dem Begriff Sprache müssen wir verschiedene Dinge unterscheiden: Sprachsystem: Ebene der sprachlichen Oppositionen (Weltsicht), was wirkt in welcher Sprache distinktiv (unterscheidend)? z.B. Phoneme (lautlich), Genus (morphol.), Fragesatz-Aussagesatz (syntakt.) Sprachnorm: Ebene der traditionellen Fixierung der Möglichkeiten die ein Sprachsystem bietet. („Symbolisches Kapital“) z.B. Dialekte, geschlechtsspez. Unterscheidungen, Ideologische Unterscheidungen Rede: Realisierung des sprachlichen Systems in Text/Diskurs. Hier kann über die Norm hinausgegangen werden. 1. Alltagssprache und Fachsprache: Was auf der Ebene der Alltagssprache nicht darstellbar ist, bzw. zu falschen Schlussfolgerungen verleitet, ist auf der Ebene der Fachsprachen klar differenzierbar. z.B. Alltagssprache: „empty gasoline drums“ (leer aber noch immer gefährlich) Fachsprache: „explosive vapor“, „liquid vestiges“ 2. Lexikon und Weltsicht Was sich in der Realität als Kontinuum darstellt wird in der Sprache oft als Opposition definiert. z.B. Hell – dunkel od. Rot – rosa ... 3. Syntax und Weltsicht Die Syntax ist oft für die sprachliche Perspektive einer Weltsicht verantwortlich Deutsch: „Ich habe Geld“ Turk.: „ Par-m var“. = „Mein-Geld existiert“ 4. Sprache und Kultur: Ähnlichkeiten von Sprachen variieren oft je nach geografischer Nähe. Einige Ähnlichkeiten bleiben aber universell. => Universalien? z.B. Metaphern Drei Positionen: 1. Sprache prägt Nation/Kultur/Gesellschaft (Whorf) 2. Gesellschaft/ökonomische Basis prägt Sprache/Kultur/Nation (Marxismus) 3. Sprache spielt unterschiedliche Rolle im Bereich des kulturellen Lebens, der Wirtschaft und des Staates Ideologie schlägt sich nicht im System nieder, sehr wohl aber in der Norm. (Eine Ideologie oder Religion kann über etliche Sprachen verbreitet werden und umgekehrt...) 5. Sprache und Denken: 3 Positionen: ■ Sprache ist Abbildung des Denkens Kritik: äußerst unscharf; Alltagssprache muss in gewisser Weise unscharf sein, um pragmatisch und flexibel zu sein. ■ Sprache ist ungleich Denken Argumente: Vorsprachliches Denken, Tiere, Musik, Sprachstörungen,... Chomsky: Nativismus: Sprache ist angeboren Wygotski: Bewusstsein und Sprache bilden sich erst sozial dann individuell Piaget: Konstruktivismus: kognitive Entwicklung führt vom Individuum zur Gemeinschaft. Erst Denken dann Sprache ■ Sprache ist Denken (im Extremfall Sprache determiniert Denken) 6. Natürliche Sprache und Logik ■ Sprache widerspricht Logik z.B. durch Paradoxien („Weniger ist mehr“, „Cum tacent, clamant“) ■ Tertium non datur (Aristoteles) Die doppelte Verneinung vieler nat. Sprachen ist unlogisch: nein + nein = ja Aber: in den Sprachen, in denen die doppelte Verneinung vorkommt, wirkt sie wie eine einfache Verneinung. (Redundanz) Wilhelm v. Humboldt Biographie: Humboldt wurde in eine preußische Adelsfamilie hineingeboren. Seine Eltern engagierten schon bald prominente Hauslehrer für ihn – er brauchte sich Zeit seines Lebens nie wieder Sorgen ums Geld machen. Nach einem Jusstudium in Göttingen (Freund von Schiller und Goethe) führt er in Paris seine ersten Sprachstudien durch (Baskisch). Nach einer zeit als Diplomat in Rom geht er nach Berlin, wo er maßgeblich an der preußischen Bildungsreform mitwirkt. Er fordert die Unabhängigkeit der Universitäten und eine Befreiung des Individuums von den Einflüssen des Staates. => Gründung der Humboldt-Universität In Wien entfremdet er sich von der preußischen Politik, woraufhin er entlassen wird. Danach widmet er sich Full-Time dem Studium der Sprachen. Sprachtheoretische Grundideen: Jede Sprache vermittelt eine jeweils eigene Perspektive der Wahrnehmung der Welt: „Da aller objektiven Wahrnehmung unvermeidlich Subjektivität beigemischt ist, so kann man, schon unabhängig von der Sprache, jede menschliche Individualität als eigenen Standpunkt der Weltansicht betrachten. […] da auch auf die Sprache in derselben Nation eine gleichartige Subjectivität einwirkt, so liegt in jeder Sprache eine eigene Weltansicht. Wie der einzelne Laut zwischen den Gegenstand und den Menschen, so tritt die ganze Sprache zwischen ihn und die innerlich und äußerlich auf ihn einwirkende Natur.“ Sprache und Volk, Sprache und Fremdsprache: „Durch denselben Act, vermöge dessen er [= der Mensch] die Sprache aus sich herausspinnt, spinnt er sich in dieselbe ein, und jede zieht um das Volk, welchem sie angehört, einen Kreis, aus dem es nur insofern hinauszugehen möglich ist, als man zugleich in den Kreis einer andren hinübertritt. Die Erlernung einer fremden Sprache sollte daher die Gewinnung eines neuen Standpunktes in der bisherigen Weltansicht sein, und ist es in der That auch bis auf einen gewissen Grad, da jede Sprache das ganze Gewebe der Begriffe und die Vorstellungsweise eines Theils der Menschheit enthält.“ Grundsätzliche Ausdrucksfähigkeit aller Sprachen: „[…] jede Sprache besitzt die Geschmeidigkeit, Alles in sich aufnehmen und Allem wieder Ausdruck aus sich verleihen zu können. Sie kann dem Menschen niemals, und unter keiner Bedingung, zur absoluten Schranke werden.“ Prinzipielle Gleichheit aller Sprachen: „Es ist eine bemerkenswerte Erscheinung, dass man wohl noch keine Sprache jenseits der Gränzlinie vollständiger grammatischer Gestaltung gefunden, keine in dem flutenden Werden ihrer Formen überrascht hat. [...] Meine bisherige [Erfahrung] aber hat mir bewiesen, dass auch die so genannten rohen und barbarischen Mundarten schon Alles besitzen, was zu einem vollständigen Gebrauche gehört. Dynamische Sprachdefinition: „Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst, ist etwas beständig und in jedem Augenblicke vorübergehendes [...]. Sie selbst ist kein Werk (Ergon) sondern eine Thätigkeit (Energeia) Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische sein. Sie ist nämlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen.“ Sprache ist kreativ: „Die Sprache steht ganz eigenlich einem unendlichen und wahrhaft gränzenlosen Gebiet, dem Inbegriff des Denkbaren gegenüber. Sie muß daher von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch machen, und vermag dies durch die Identität der Gedanken und Sprache erzeugenden Kraft.“ Begründung der modernen Sprachtypologie: Weitere Ansichten und Feststellungen: Einfluss der Norm auf das Weltbild: Die Norm einer Sprache übt dahingehend Einfluss auf unser Weltbild aus, wir (aus Bequemlichkeit) das System repetieren. Dieses System wird aber teilweise durch die Norm eingeschränkt/ modifiziert. Dadurch repetieren durch die Norm und mit ihr teilweise die Ideologie/ Gesellschaft. Humboldt zu Sprache und Nation: Grundprinzip ist die geistige Kraft eines Volkes. Die Sprache haftet nur an ihr. Humboldt zu Sprache vs. Weltansicht: Die individuelle Weltansicht ist subjektiv. Durch das Kollektiv einer Nation wirkt aber auch auf die Sprache Subjektivität ein. Dadurch tritt die Sprache zwischen die Menschen und die Welt, auf die sie sich beim Sprechen beziehen. Humboldt erweist sich in seinen Ansichten teilweise als Universalist: Ihm zufolge gibt es Universalien auf phonetischer und semantischer Ebene. Aber: „Das Netz, das der Mensch erzeugt, um die Welt einzufangen, fängt auch ihn selber ein. Einzige Möglichkeit aus dem Netz auszubrechen ist laut Humboldt das Erlernen einer Fremdsprache. Die Sprache kann dem Menschen nie zur Schranke werden. Kann ihm nie ein Gefängnis oder Käfig sein. (vgl. Whorf: Sprache determiniert Weltsicht) Edward Sapir (1884 – 1939) Biographie: *26.1.1884 in Lauenburg, Pommern. 1889 Emigration der Familie in die U.S.A. 1905 Magister in Germanistik. Studium der Anthropologie; Schüler von F. Boas. 1905 im Bundesstaat Washington Feldforschung zu den Indianersprachen Wasco und Wishram. 1906 in Oregon Feldforschung über Takelma. 1909 Promotion. 1910 Feldforschung über Yana (Kalifornien) und Southern Paiute (Utah). 1910-25 in Ottawa, Leiter der Division of Anthropology des National Museum. Erforschung des Nootka (Vancouver Island, Kanada). 1925 in Chicago Professor am Dept. of Sociology and Anthropology. Erforschung des Navaho (Arizona) und des Hupa (Kalifornien). 1931 Professor für Anthropology and Linguistics an der Yale University. SchülerInnen u.a. B. L. Whorf, M. Haas, H. Hoijer, Z. Harris. 1937 Herzanfälle. 4.2.1939 gestorben in New Haven. Sapir vertritt zu seiner Zeit eine unpopuläre Ansicht: L. Bloomfield (Behaviorismus) ignoriert die Semantik. Weil sie nicht direkt beobachtbar ist, ist sie für ihn auch nicht wissenschaftliche analysierbar. Erst später überwindet Jakobson diese Bedeutungsfeindlichkeit in der Linguistik: „linguistics without meaning is meaningless!“ Wissenschaftliche Entwicklung: Durch seine europäische Herkunft bringt er die Ansichten Humboldts auf den neuen Kontinent. Dort erweitert er mit dem Studium zahlreicher Indianersprachen seinen sprachlichen Horizont. Seine Forschungsergebnisse gibt er an seine Schüler weiter. Dadurch erwächst aus seiner Professur eine ganze Generation bedeutender Linguisten. In seinem frühen Werk „language“ vertritt Sapir noch keine Weltsichts-These. „Das Instrument macht das Produkt möglich, aber das Produkt verfeinert das Instrument.“ (Produkt = Denken; Instrument = Sprache) „It would be possible to go on indefinitely with such examples [= engl. The stone falls vs dt. Der Stein fällt vs frz. La pierre tombe (“Die Stein fällt”) vs lat. Saxum cadit (“Stein fällt”) vs chines. Shí tou diaò le (“Stein fall schon”) vs Nootka “It stones down”] of incommensurable analyses of experiences in different languages. The upshot of it all would be to make very real to us a kind of relativity that is generally hidden from us by our naïve acceptance of fixed habits of speech as guides to an objective understanding of the nature of experience.“ Besagtes Beispiel: dt.: Der Stein fällt. Frz.: la pierre tombe. („die“ Stein) lat.: saxum cadit („ein“ Stein) chin.: Shi [...] Jap.: Sono Dem. Pron. tou Stein diao fall... le. schon (Veränderung eines Zustandes) isi Stein ga Subj.-Part. ochiru. Fall... + Präs Erst in den 20er Jahren ist er der Meinung, dass Sprachen die Weltsicht strukturieren, wodurch es in den verschiedenen Weltbildern zu unterschieden kommen kann. Gegen Ende der 20er Jahre vertritt er bereits die Meinung, dass es durch Sprachmuster zu einer unbewussten Prägung des Verhaltens kommt. Damit nähert sich Sapir bereits einem sprachlichen Relativitätsprinzip an. (Sein Schüler Whorf setzt das später fort) Zitate: „Language is a guide to ‘social reality’. […] Human beings do not live in the objective world alone, nor alone in the world of social activity as ordinarily understood, but are very much at the mercy of the particular language which has become the medium of expression for their society. It is quite an illusion to imagine that one adjusts to reality essentially without the use of language and the language is merely an incidental means of solving specific problems of communication or reflection. The fact of the matter is that the ‘real world’ is to a large extent unconsciously built up on the language habits of the group. “ „No two languages are ever sufficiently similar to be considered as representing the same social reality. The worlds in which different societies live are distinct worlds, not merely the same world with different labels attached. “ (E. Sapir (1968): Selected Writings. Berkeley: Univ. of California Press. S. 162) „This is the relativity of concepts or, as it might be called, the relativity of the form of thought. It is not so difficult to grasp as the physical relativity of Einstein nor is it as disturbing to our sense of security as the psychological relativity of Jung, which is barely beginning to be understood, but it is perhaps more readily evaded than these.“ (E. Sapir (1968): Selected Writings. Berkeley: Univ. of California Press. S. 159) Benjamin Lee Whorf Biographie: *24. April 1897 in Winthrop, Massachusetts. Whorf studierte ab 1914 „Chemical Engineering“ am Massachusetts Institute of Technology. 1918 Bachelor of Science. 1919 Beginn seiner sehr erfolgreichen Tätigkeit bei der Hartford Fire Insurance Company. 1926 begann sich Whorf mit Indianersprachen zu beschäftigen. 1930 Feldforschungen zum Nahuatl in Mexiko. 1931 Studium bei Edward Sapir an der Universität Yale. 1932 Beginn der Befragung eines in New York lebenden Native Speakers von Hopi. 1938 kurze Zeit auf der Hopi-Reservation in Arizona. In seinen letzten Lebensjahren setzte er trotz eines Krebsleidens seine linguistische Tätigkeit fort. Am 26. Juli 1941 starb Whorf. Leitmotive: Das Weltbild der Hopi-Indianer ist von dem in der „westlichen“ Zivilisation völlig verschieden. Gemeinsame Maßstäbe sind nicht möglich. (zB. Keine Zeit in Hopi) Das Verhalten wird unbewußt von der Sprache gesteuert. (vgl. Sapir) Whorf vertritt den sprachlichen Pluralismus (alle Sprachen sind vollwertig) „Western culture has made, through language, a provisional analysis of reality and, without correctives, holds resolutely to that analysis as final. The only correctives lie in all those other tongues which by aeons of independent evolution have arrived at different, but equally logical, provisional analyses.“(Whorf 1956: 244) Sprachliches Relativitätsprinzip: „We are thus introduced to a new principle of relativity, which holds that all observers are not led by the same physical evidence to the same picture of the universe, unless their linguistic backgrounds are similar, or can in some way be calibrated.“ (Whorf 1956: 214) „The phenomena of language are background phenomena, of which the talkers are unaware or, at the most, very dimly aware [...]. These automatic, involuntary patterns are not the same for all men but are specific for each language and constitute the formalized side of the language, or its "grammar" […]. From this fact proceeds what I have called the "linguistic relativity principle," which means, in informal terms, that users of markedly different grammars are pointed by their grammars toward different types of observations and different evaluations of externally similar acts of observation, and hence are not equivalent as observers but must arrive at somewhat different views of the world.“ (Whorf 1956: 221) Seine Thesen beweist Whorf mit Beispielen aus dem Hopi: Das Hopi besitzt keine Zeit in unserem Sinn:* „After long and careful study and analysis, the Hopi language is seen to contain no words, grammatical forms, constructions or expressions that refer directly to what we call "time", or to past, present or future [...].Hence, the Hopi language contains no reference to "time", either explicit or implicit.“ (Whorf 1956: 57f.) „Verbs have no “tenses” like ours, but have validity-forms (“assertions”), aspects, and clause-linkage forms (modes), that yield even greater precision of speech. The validity-forms denote that the speaker (not the subject) reports the situation (answering to our past and present) or that he expects it (answering to our future) or that he makes a nomic statement (answering to our nomic present).“ (Whorf 1956: 144f.) Das Hopi legt verstärktes Augenmerk auf Prozesse: Im Hopi gibt es keine räumlichen Metaphern für zeitliche Sachverhalte:* „To fit discourse to manifold actual situations, all languages need to express durations, intensities, and tendencies. It is characteristic of SAE [= Standard Average European] and perhaps of many other language types to express them metaphorically. The metaphors are those of spatial extension, i.e. of size, number (plurality), position, shape and motion. […] The absence of such metaphor from Hopi speech is striking. Use of space terms when there is no space involved is NOT THERE – as if on it had been laid the taboo teetotal!“(Whorf 1956: 145f.) In Hopi werden nur echte Entitäten als Objekte bezeichnet und verwendet. Diese „echten“ Objekte werden mit Kardinalzahlen gezählt, alle anderen Dinge und Sachverhalte mit Ordnungszahlen:* „Plurals and cardinals are used only for entities that form or can form an objective group. There are no imaginary plurals, but instead ordinals used with singulars. Such an expression as ‘ten days’ is not used. The equivalent statement is an operational one that reaches one day by a suitable count. ‘They stayed ten days’ becomes ‘they stayed until the eleventh day’ or they left after the tenth day’.“ (Whorf 1956: 140) *) In der neueren Forschung widerlegt, zumindest in der scharfen und generellen Formulierung bei Whorf. Grundlegende Stellungnahmen Whorfs zum Thema: - Whorf vertritt in seinem Aufsatz zum Hopi „An American Indian Model of the Universe“ (1936) die grundsätzliche Verschiedenheit des Weltbildes, das durch das Hopi vermittelt wird, in dem nach Whorf keinerlei Bezug auf „Zeit“ in der Art der indeoeuropäischen Sprachen existiert. - In seinem Aufsatz „The Relation of Habitual Thought and Behavior to Language“ (1939) vertritt Whorf die Auffassung, dass das menschliche Verhalten oft durch unbewusste Sprachgewohnheiten gesteuert wird, und dass die menschliche Erfahrung durch stark unterschiedliche Sprachsysteme in jeweils völlig andere Bahnen gelenkt wird, was wieder am Beispiel des Hopi im Gegensatz zu den Standard Average EuropeanSprachen oder kurz SAE-Sprachen erläutert wird. - Ferner vertritt er in seinen 1940 und 1941 für die Zeitschrift Technological Review of M.I.T. („Science and Linguistics“, „Linguistics as an Exact Science“, „Languages and Logic“) verfassten Aufsätzen die Position, dass diese starke Unterschiedlichkeit von Sprachen wie dem Hopi und den SAE-Sprachen wegen des Fehlens eines Vergleichsmaßstabes ein „linguistisches Relativitätsprinzip“ begründet. - Teilweise betont Whorf aber auch in diesen Aufsätzen und besonders deutlich in dem mit G.L. Trager verfassten „Report on Linguistic Research in the Department of Anthropology of Yale University for the Term September 1937 to June 1938“ abgeschwächte bzw. weniger radikale Positionen. Dabei nimmt er keine Determination von Denken und Verhalten durch das Sprachsystem an und bestreitet auch das Bestehen von sprachlichen Universalien auf der Grundlage von Gestaltwahrnehmung zumindest für die Sphäre des Raumes nicht. - Whorf betont stets die Gleichwertigkeit aller Sprachen und der durch sie vermittelten „Weltbilder“. 1. Formulierungen des sprachlichen Relativitätsprinzips: We are thus introduced to a new principle of relativity, which holds that all observers are not led by the same physical evidence to the same picture of the universe, unless their linguistic backgrounds are similar, or can in some way be calibrated. (Whorf 1956: 214) The phenomena of language are background phenomena, of which the talkers are unaware or, at the most, very dimly aware [...]. These automatic, involuntary patterns are not the same for all men but are specific for each language and constitute the formalized side of the language, or its "grammar" - a term that includes much more than the grammar we learned in the textbooks of our school days. From this fact proceeds what I have called the "linguistic relativity principle," which means, in informal terms, that users of markedly different grammars are pointed by their grammars toward different types of observations and different evaluations of externally similar acts of observation, and hence are not equivalent as observers but must arrive at somewhat different views of the world. (Whorf 1956: 221) 2. Zur Nichthintergehbarkeit dieses Prinzips: […] no individual is free to describe nature with absolute impartiality but is constrained to certain modes of interpretation even while he thinks himself most free. The person most nearly free in such respects would be a linguist familiar with very many widely different linguistic systems. As yet no linguist is in any such position. (Whorf 1956: 214) I don't wish to imply that language is the sole or even the leading factor in the types of behavior mentioned such as the fire-causing carelessness through misunderstandings induced by language, but that this is simply a coordinate factor along with others. (Aus einem Brief von Whorf, zitiert nach Lee (1996): 153) 3. Evidenz aus dem Hopi: After long and careful study and analysis, the Hopi language is seen to contain no words, grammatical forms, constructions or expressions that refer directly to what we call "time", or to past, present or future [...].Hence, the Hopi language contains no reference to "time", either explicit or implicit. (Whorf 1956: 57f.) Verbs have no “tenses” like ours, but have validity-forms (“assertions”), aspects, and clause-linkage forms (modes), that yield even greater precision of speech. The validity-forms denote that the speaker (not the subject) reports the situation (answering to our past and present) or that he expects it (answering to our future) or that he makes a nomic statement (answering to our nomic present). (Whorf 1956: 144f.) To fit discourse to manifold actual situations, all languages need to express durations, intensities, and tendencies. It is characteristic of SAE [= Standard Average European] and perhaps of many other language types to express them metaphorically. The metaphors are those of spatial extension, i.e. of size, number (plurality), position, shape and motion. […] The absence of such metaphor from Hopi speech is striking. Use of space terms when there is no space involved is NOT THERE – as if on it had been laid the taboo teetotal! Plurals and cardinals are used only for entities that form or can form an objective group. There are no imaginary plurals, but instead ordinals used with singulars. Such an expression as ‘ten days’ is not used. The equivalent statement is an operational one that reaches one day by a suitable count. ‘They stayed ten days’ becomes ‘they stayed until the eleventh day’ or they left after the tenth day’. (Whorf 1956: 140) 4. Zur Steuerung des menschlichen Verhaltens durch das Sprachsystem: 4.1. Zwei Brandentstehungsbeispiele: […] in due course it became evident that not only a physical situation qua physics, but the meaning of that situation to people, was sometimes a factor, through the behaviour of the people, in the start of the fire. […] this factor of meaning was clearest when it was a LINGUISTIC MEANING, residing in the name or the linguistic description commonly applied to the situation. Thus, around a storage of what are called “gasoline drums”, behaviour will tend to a certain type, that is, great care will be exercised; while around a storage of what are called “empty gasoline drums”, it will tend to be different – careless, with little repression of smoking or of tossing cigarettes stubs about. (Whorf 1956: 135) An electric glow heater on the wall was little used, and for one workman had the meaning of a convenient coathanger. At night a watchman entered and snapped a switch, which action he verbalized as ‘turning on the light’. No light appeared, and this result he verbalized as ‘light is burned out’. He could not see the glow of the heater because of the old coat hung on it. Soon the heater ignited the coat, which set fire to the building. (Whorf 1956: 136). 4.2. Globale Auswirkung des gesamten Sprachsystems auf das Verhalten der Hopi einerseits und das der SprecherInnen von SAE-Sprachen andererseits: A characteristic of Hopi behaviour is the emphasis on preparation. This includes announcing and getting ready for events well beforehand, elaborate precautions to insure persistence of desired conditions. […] Inner preparing is use of prayer and meditation, and at lesser intensity good wishes and good will, to further desired results. Hopi attitudes stress the power of desire and thought. With their “microcosm” it is utterly natural that they should. Desire and thought are the earliest, and therefore the most important, most critical and crucial, stage of preparing. Moreover, to the Hopis, one’s desires and thoughts influence not only his own actions, but all nature as well. (Whorf 1956: 148f.) To us, for whom time is a motion on a space, unvarying repetition seems to scatter its force along a row of units of that space, and be wasted. To the Hopi, for whom time is not a motion but a “getting later” of everything that has ever been done, unvarying repetition is not wasted but accumulated. (Whorf 1956: 151). A peaceful agricultural society isolated by geographic features and nomad enemies in a land of scanty rainfall, arid agriculture that could be made successful only by the utmost perseverance (hence the value of persistence and repetition), necessity for collaboration (hence emphasis on the psychology of teamwork and on mental factors in general), corn and rain as primary criteria of value, need of extensive PREPARATIONS and precautions to assure crops in the poor soil and precarious climate […] – these things interacted with Hopi linguistic patterns to mold them, to be molded again by them, and so little by little to shape the Hopi world-outlook. (Whorf 1956: 157f.) Our objectified view of time is, however, favourable to historicity and to everything connected with the keeping of records, while the Hopi view is unfavourable thereto. […] Just as we conceive our objectified time as extending in the future in the same way that it extends in the past, so we set down our estimates of the future in the same shape as our records of the past, producing programs, schedules, budgets. […] No doubt this vast system, once built, would continue to run under any sort of linguistic treatment of time; but that it should have been built at all, reaching the magnitude and particular form it has in the Western world, is a fact decidedly in consonance with the patterns of the SAE languages. (Whorf 1956: 153f.) 5. Zur Relation zwischen Kultur und Sprachsystem: Which was first: the language patterns or the cultural norms? In main they have grown up together, constantly influencing each other. But in this partnership the nature of the language is the factor thatlimits free plasticity and rigidifies channels of development in the more autocratic way. This is so because a language is a system, not just an assemblage of norms. Large systematic outlines can change to something really new only very slowly, while many other cultural innovations are made with comparative quickness. Language thus represents the mass mind; it is affected by inventions and innovations, but affected little and slowly, whereas TO inventors and innovators it legislate with the decree immediate. (Whorf 1956: 156) I should be the last to pretend that there is anything so definite as “a correlation” between culture and language, and especially between ethnological rubrics such as ‘agricultural, hunting,’ etc. and linguistic ones like ‘inflected,’ ‘synthetic,’ or ‘isolating’. (Whorf 1956: 138f.). There are connections but not correlations or diagnostic correspondences between cultural norms and linguistic patterns (Whorf 1956: 159) There is no causal connection, in either direction, between language and (non-linguistic) cultural features. (Whorf/Trager 1996: 267) 6. Zu den Konstanten menschlicher Wahrnehmung: […] probably the apprehension of space is given in substantially the same form by experience irrespective of language (Whorf 1956: 158). [...] we must have a way of describing phenomena by non-linguistic standards, and by terms that refer to experience as it must be to all human beings, irrespective of their languages or philosophies. This is possible, the way having been shown by Gestalt psychology. Visual perception is the standard, norm and framework of all experince. The forms and laws of visual perceptions are the same for all individuals [...] The basic principle is the contrast of figure and ground, involving the differing degrees of organization, stability, and fixity in figures or outlines of all sorts. (Whorf/Trager 1996: 259) 7. Zur Gleichwertigkeit der sprachlichen “Weltbilder”: Western culture has made, through language, a provisional analysis of reality and, without correctives, holds resolutely to that analysis as final. The only correctives lie in all those other tongues which by aeons of independent evolution have arrived at different, but equally logical, provisional analyses. (Whorf 1956: 244) Die Hopi (Anm.: heutzutage kommen für ernstzunehmende linguistische Forschungen nur noch Indianervölker in Frage, die sich ihre traditionelle Lebensweise bewahrt haben.) Das Volk der Hopi: Die Hopi sind die westlichste Gruppe der Pueblo-Indianer und leben im nordöstlichen Arizona, USA, inmitten der Reservation der Diné (Navajo) am Rande der Painted Desert in einer 12.635 km² großen Reservation. Es gibt heute etwa 18.000 Hopi, von denen ca. 5.000 Hopi sprechen. Die meisten ihrer Siedlungen liegen auf hohen Mesas, die aus dem Colorado-Plateau emporragen. Das Land der Hopi ist eine trockene Hochlandebene, in der außer ihnen niemand leben könnte. Doch den Hopi gelingt es, diesem unwirtlichen Boden sehr viele landwirtschaftliche Produkte, vor allem Mais der verschiedensten Sorten, abzuringen. Die Hopi sind als ein tief religiöses Volk bekannt. Die Religion ist so untrennbar mit dem täglichen Leben verknüpft, dass man sie nicht isoliert betrachten kann. Die Stammesältesten glauben, dass sie als Erben die Verwaltung und den Schutz der Mutter Erde übernommen haben. Diese Aufgabe übernehmen die Geheimbünde, Wuutsim genannt. Sie leiten religiöse Zeremonien, die das irdische und geistliche Wohlergehen aller Menschen sichern und gute Beziehungen zur Umwelt und den Geistern aufbauen. Das bekannteste aller Hopi-Rituale ist der alle zwei Jahre Ende August durchgeführte Schlangentanz, in dem die Akteure, die erfahrensten Hopi, mit lebenden Schlangen im Mund tanzen. Tatsächlich sehen die Zuschauer nur einen kurzen, jedoch aufregenden Ausschnitt einer längeren Zeremonie, von der das meiste geheim in Kivas zelebriert wird. Beide Geschlechter beginnen ihre zeremonielle Laufbahn bald nach dem vollendeten sechsten Lebensjahr mit der Einführung in den Kachina-Kult (Katsina-Kult). Hopi-Kachinas sind maskierte Nachahmungen einer großen Anzahl von Göttern, Geistern, gestorbener Ahnen und Wolken, die von Männern dargestellt werden. Frauen nehmen selten aktiv bei Zeremonien teil, außer als freiwillige Mitglieder in einer von mehr als drei weiblichen Geheimbünden. Doch in jedem Dorf haben Männer die Möglichkeit, einer großen Anzahl von Geheimbünden beizutreten, darunter auch solchen, die eine strenge Stammesaufnahme arrangieren und die eine jährliche Wintersonnenwende (Soyal) zelebrieren. Die Soyal ist so wichtig, dass sein Leiter immer mit einem hohen öffentlichen Amt betraut wird, gewöhnlich dem des Dorfhäuptlings. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hopi) Diese rituelle Lebensweise drückt sich auch in der Sprache der Hopi aus, ebenso wie das Leben auf und neben den Mesas (vgl. Lokativarten). Die Sprache der Hopi: Morphologie: Im Hopi wird ähnlich wie im Deutschen zwischen a. drei Raumzonen unterschieden. (nahe, neutral, fern) Diese werden mit sieben Kasi weiter differenziert. Lokativ: Destinativ – extrem destinativ Ablativ punktiv (Punkt) – extrempunktiv (sehr hoch, sehr tief...) - diffusiv (Fläche) – extrem diffusiv Z.B.: neutrales Mittelfeld: Lokativ-punktiv vs Lokativ-diffusiv: LOKATIV-PUNKTIV: [nuʔ ʔep 'ʔè:petɑvi] wörtl.: 'Ich da-PUNKTIV nachpflanzen' = 'Ich habe da nachgepflanzt'. LOKATIV-DIFFUSIV: [nuʔ ʔaŋ 'ʔè:petɑptɑ] wörtl. 'Ich da-DIFFUSIV nachpflanzen-OBJEKT-IM-PLURAL' = 'Ich habe da an mehreren Stellen nachgepflanzt'. b. Verbalsystem: Alle Wortarten können durch Suffixe in Verben umgewandelt werden (vgl. dazu den zunehmenden „Nominalstil“ der westl. Sprachenwelt) Z.B. [kowɑ:kom] „Küken“ ⇒ [kowɑ:komja ] „Küken exister(t)en“, „Es gibt/gab Küken“ Z.B. [ʔutuhu ] „Hitze“ ⇒ [ʔutuhuʔu ] „Es war heiß“ Z.B. [ɑpi] „weg, weiter“ ⇒ [ɑpiʔu ] „Er/sie geht/ging weiter“ c. Tempus: Entgegen Whorfs Annahmen existiert im Hopi ein zweistufiges Tempussystem „Nicht-Futur(-Ø)-Futur (-ni)“, das allerdings durch die modale Opposition „faktisch-nichtfaktisch überlagert wird: Z.B. [nuʔ ‘hɑlɑj] “Ich bin/war glücklich” Z.B. [nuʔ ‘hɑlɑjni] “Ich werde glücklich sein” d. Wortschatz: Entgegen der Annahmen Whorfs existieren im Hopi zahlreiche Raum-Metaphern für zeitliche Größen, z.B. das Pronominaladverb/der Lokator [ʔep] „da“, das auch „zu diesem Zeitpunkt“, „an diesem Tag“ bedeuten kann. Forschung und Kritik nach Whorf: Malotki bestätigt Whorfs Raum-Hypothese, widerlegt aber seine Zeit-Hypothese. Was Whorf besonders streitbar macht sind die Formulierungen in seinen Aufsätzen. Mal prescht er mit absoluten Formulierungen vor („..is not there!“), mal nimmt er sich bewusst zurück: „I should be the last to pretend that there is anything so definite as “a correlation” between culture and language, and especially between ethnological rubrics such as ‘agricultural, hunting,’ etc. and linguistic ones like ‘inflected,’ ‘synthetic,’ or ‘isolating’.“ (Whorf 1956: 138f.). „There is no causal connection, in either direction, between language and (non-linguistic) cultural features.“(Whorf/Trager 1996: 267) Ist die Sapir-Whorf-Hypothes überhaupt empirisch überprüfbar? - JEIN - Nein, weil man selbst in ein Weltbild eingebunden ist - Ja, z.B. die Raumwahrnehmung ist empirisch vergleichbar Forschung zur Sapir-Whorf Hypothese: Farbwortschatz: Brown/Lenneberg (1954) untersuchten die Farbwahrnehmung der Zuñi (New Mexico/U.S.A., isolierte Sprache, Pueblo-Kultur): In dieser Sprache gibt es die Bezeichnung „chupcʕin:a“, die sowohl „gelb“ als auch „orange“ abdeckt. Kay/Kempton (1984): Untersuchung des Tarahumara (NW-Mexiko, Sprache aus der Uto-Aztekischen Familie): In dieser Sprache gibt es das gleiche Phänomen für grün und blau. (Ein Wort deckt beide Frequenzbereiche ab) Auch Sprecher einer Bantu-Sprache in Setswana (S-Afrika) können grün und blau schlecht unterscheiden. Die Evolution von Basisfarbwörtern (Berlin/Kaye 1969): Basic Color Terms: Mussen ein einfache Lexeme sein (blau vs. blaugrün) Dürfen kein Spezialfall sein (z. B. purpur, karmesin) Dürfen nicht auf einen bestimmten Gegenstand zugeschnitten sein (z.B. blond) Dürfen nicht vor kurzem eingeführte Lexeme sein Müssen intersubjektiv stabil sein (nicht: „Die Farbe des Rostes meines alten Chevy“) Aus diesen Kriterien ergeben sich für Berlin/Kaye 11 Basic Color Terms (überprüft an etwa 100 Sprachen) Kritik Empirisches Material: zu vielen dieser 100 Sprachen wurde nur ein Nativespeaker befragt. Oft war dieser auch schon lange aus seiner Heimat ausgewandert Kann die ausschließende Betrachtung des Farbwortschatzes ausreichen? Methodische Unklarheiten: Weiß-schwarz bedeutet in Sprachen, die nur zwei Werte unterscheiden, eher „hell“ (=alle warmen Farben und weiß) und „dunkel“ (=alle kalten Farben und schwarz). Es gibt Sprachen mit mehr als 11 Basic Terms Physiologie der menschlichen Farbbverarbeitung: Der Mensch kann nur bestimmte Wellenlängen des Lichts wahrnehmen (380nm – 750nm) Diese Farben können nach Qualität, Helligkeit und Sättigung unterschieden werden. Dabei werden fokale Farbtöne besser wahrgenommen. Farbthorie nach Hering: 3 physiologische Systeme: hell-dunkel, grün-rot, gelb-blau Das Licht fällt auf die Photorezeptoren des Auges (Stäbchen und Zäpfchen), wo es vom Sehnerv als el. Impuls an die Sehzentren des Hinterhauptlappens weitergeleitet wird. Numerus und Klassifikatoren: In vielen Sprachen gibt es so genannte Klassifikatoren, die die Gegenstände der Welt nach ihren Eigenschaften einteilen. John Lucy: behauptet, Yucatec (Maya-Sprache) habe eine spezielle Klassifikatoren-Art: Yucatec Plural: Englisch Plural: A + belebt B - belebt +diskret C -belebt -diskret optional obligatorisch kein Plural obligatorisch kein Plural kein Plural A = Lebewesen (Menschen, Tiere) B = „Implemente“ (Geräte, Behälter) C = Substanzen (Wasser, Sand, etc.) Lucy (1992) zeigte experimentell, dass Native Speakers des Yucatec bei Bildbeschreibungen 1. insgesamt dargestellte Objekte weniger zahlenmäßig spezifizierten und 2. besonders Objekte der Kategorien B und C weniger zahlenmäßig spezifizierten als SprecherInnen des Englischen und dass Native Speakers des Englischen 1. insgesamt mehr Objekte zahlenmäßig spezifizierten, insbesondere aber 2. Objekte der Kategorien A und B häufiger zahlenmäßig spezifizierten als SprecherInnen des Yucatec Genus In vielen Sprachen herrscht ein androzentrisches Weltbild vor Generisches Maskulin (bei Verwendung des männl. Plurals werden Frauen „miteinbezogen“ z.B. „Studenten“) Positive Bewertung traditionell auf Seite der Männer Die Sapir-Whorf-Hypothes ist für die feministische Linguistik von großer Bedeutung. Fatemeh Khosroshahi (1990) führte zur empirischen Überprüfung der Sapir-Whorf-Hypothese in Bezug auf den Zusammenhang von Genus-Gebrauch und Gender-Wahrnehmung ein Experiment durch. Dabei mussten 55 Versuchspersonen (28 Frauen, 27 Männer) mit traditionellem bzw. geschlechtsneutralem Sprachgebrauch zu 6 Texten mit neutralen Personenbezeichnungen („person“, „child“) und unterschiedlichem pronominalem Bezug auf die Personen („he“, „he or she“) Zeichnungen anfertigen und die Gender-Zugehörigkeit der gezeichneten Personen markieren. Hauptergebnisse: o Die Männer zeichneten weit mehr Männer als die Frauen. o Die Männer mit traditionellem und geschlechtsneutralem Sprachgebrauch unterschieden sich nicht. o Alle Untergruppen zeichneten mehr Männer als Frauen, außer den Frauen mit geschlechtsneutralem Sprachgebrauch. Hauptfazit: „All groups conformed to Whorf‘s thesis except the men who had reformed their language“. Raumdarstellung Der Mensch scheint sich weltweit in drei System räumlich zu orientieren: absolut, relativ und intrinsisch. Deteillierte Forschungen dazu stammen von Stephen Levinson. Er gesteht der Sprache für die Raumwahrnehmung eine wichtige Rolle zu. (i.G. zu Whorf): Whorf: Probably the apprehension of space is given in substantially the same form by experience irrespective of language […] but the concept of space will vary somewhat with language. (Whorf 1956: 158) Levinson: However, it turns out that we have drastically underestimated the potential for human language difference in this area. The claim explored here in detail is that such linguistic differences have surprisingly far-reaching cognitive effects. (Levinson 2003: 19) o Intrinsic Frame of Reference: Das Koordinatensystem bezieht sich nur auf das beobachtete Objekt. Es ist unabhängig vom Betrachter und absoluten Koordinaten (z.B. N/S): Vor – hinter Vorderseite-Hinterseite Neben Unter – ober …etc. o Relative Frame of Reference: Das Koordinatensystem bezieht sich auf den Sprecher und dessen „Blickwinkel“: Links – rechts Vorne – hinten o Absolute Frame of Reference: Das Koordinatensystem richtet sich an den Himmelsrichtungen oder an natürlichen Fixpunkten aus: Nördl. – südl. Westl. – östl. Hangaufwärts - hangabwärts Beispiele für Sprachen mit dominierendem intrinsischem Orientierungsrahmen: Totonac (Totonacan-Sprachen, südliches Mexiko) Mopan (Maya-Sprachen, südöstliches Mexiko) Beispiele Für Sprachen mit domin. relativen Orientierungsrahmen: Niederländisch, Englisch (Indo-Europäische Sprachen) Japanisch (Isolierte Sprache) Beispiele für Sprachen mit domin. absoluten Orientierungsrahmen: Arrernte, Guugu Yimithirr (Pama-Nyunganische Sprachen, Australien) Hai//om (Khoisan-Familie, Südwestafrika) Tzeltal (Maya-Sprachen, Chiapas, Mexiko) Longgu (Austronesische Sprachen, Solomon-Inseln) Beispiele für Sprachen mit allen drei Orientierungsrahmen: Belhare (Tibeto-Burmanische Familie, Nepal) Kgalagadi (Bantu-Sprachen, Afrika, Botswana) Kilivila (Austronesische Sprachen, Trobriand-Inseln) Yucatec (Maya-Sprachen, Yucatan, Mexiko) Tamil (Dravidische Sprachen, Südindien) Norm, Diskurs und Ideologie Wichtig ist hierbei die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Gebrauchsebenen der menschlichen Sprache: System: Sprachsystem Norm: Traditioneller Sprachgebrauch Diskurs: motivierter Gebrauch Norm und Diskurs sind besonders ideologieanfällig, während das System zumindest in den meisten Fällen alle Möglichkeiten der Formulierung bietet. Erst die Norm beginnt das System unterschiedlich zu gewichten. (z.B. androzentrisch, rassistisch,…) 1. Ethnozentrischer Sprachgebrauch: „Wir und die Anderen“ Unterschieden wird zwischen der eigenen und einer fremden (ethnisch, sozial, geschlechtlich)Gruppe. „wir“ ist in den allermeisten Fällen positiv besetzt. Ethnozentrische Phraseologismen ( nach Bürger: „In einer Sprachgemeinschaft fixierte Kombinationen von mindestens zwei Wörtern“) können im Laufe der zeit auftauchen und wieder verschwinden. Vieles aber nicht alles davon wird in Lexika verzeichnet (-> pol. Einfluss). Negativ-Stereotype in Phraseologismen in „mediterranen“ Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch, Arabisch, Türkisch) sowie Deutsch und Englisch: Negative Stereotype zu Fremdsprachen: In Phraseologismen, die sich auf den Gebrauch von Fremdsprachen beziehen, werden die (mediterranen) „Anderen“ u.a. als Menschen charakterisiert, die habituell unverständliches Zeug brabbeln oder stammeln bzw. notorisch fluchen oder überhaupt stumm sind, d.h. nicht sprechen können. Die jeweilige Fremdsprache wird dabei gelegentlich auch als phonetisch hässlich eingestuft. 1. Deutsch: - Das kommt mir spanisch vor („Das verstehe ich nicht“, „Das ist unverständlich“), Holländisch ist keine Sprache, sondern eine Halskrankheit 2. Französisch: - parler français comme une vache espagnole („wie eine spanische Kuh Französisch sprechen“ = „schlecht französisch sprechen“), C’est du grec („Das ist griechisch“ = „Das ist unverständlich“), parler petit nègre („kleinen-Neger-Jargon sprachen“ = „Kauderwelsch zusammenreden“). 3. Italienisch: - parlare turco („türkisch reden“ = „unverständlich reden“), bestemmiare come un turco („fluchen wie ein Türke“), Ma parlo arabo? („Spreche ich etwa arabisch?“ = „Drücke ich mich etwa unverständlich aus?“). 4. Arabisch: - b-yitkallim turki („türkisch reden“ = „unverständlich reden“), Negative Stereotype (Reisigl/Wodak: Habitonyme, Kriminonyme) zu den jeweils kulturell „Anderen“: Weitere ethnozentrische Strategien der Referenz und Prädikation werten die jeweils „Anderen“ ab, indem ihnen als negativ erachtete Eigenschaften und Verhaltensweisen (Grobheit, Hinterlist, Grausamkeit, Trunksucht, sexuelle Zügellosigkeit) zugeschrieben werden bzw. sie metonymisch für die alleinige Ursache für Seuchen hingestellt werden. 1. Deutsch: - sich auf französisch verdrücken („heimlich weggehen“), spanische Krankheit („Syphilis“), nur keine jüdische Hast, daherkommen wie ein Zigeuner (abwertend für schlampiges Äußeres), getürkt („gefälscht“). 2. Französisch: - C’est une auberge éspagnole („Zusammentreffen, wo man nur bekommt, was man mitbringt“), filer à l’anglaise („auf die englische Art = ohne Abschied weggehen“); être le nègre („der Neger sein“ = „jemand sein, der die Arbeit für jemanden macht“). 3. Italienisch: - mal francese („das französische Übel = Syphilis“, veraltet); tedesco (stur); la turca („ein Klo mit einem Loch, ohne Wasserspülung“). 4. Spanisch: - despedirse a la francesa („sich auf französische Art verabschieden = sich aus dem Staub machen“), cabeza de turco („Sündenbock, Prügelknabe“). 5. Türkisch: - Gâvur değilim („Ich bin kein Ungläubiger“, gemeint: „Tu mir das doch nicht an!“). Arap araba „yüzün kara“ demiş („Ein ‚Schwarzer‘ sagte zum anderen: Du hast ein schwarzes Gesicht“= „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen“). 6. Arabisch: - Frengi („fränkische (Krankheit)“ = „Syphilis“), Ya: yahú:di:! („O Jude!“, gemeint: „Du bist unverläßlich“), ’albak yahú:di („Dein Herz ist jüdisch“, gemeint: „Du hast ein hartes Herz“, Ana: lastu Hindi: („Ich bin (doch) kein Inder“; abwertend, denn: Inder stehen hier für Unterwürfigkeit). 2. Androzentrischer Sprachgebrauch: Frauen werden in der traditionellen Norm abgewertet, Männer aufgewertet: Stereotype Asymmetrien in Wortschatz und Wortbildung: Landeshauptmann - *Landeshauptfrau, Doktor - *Doktorin, General - (*) Generalin, Väter des Grundgesetzes - *Mütter des Grundgesetzes; Ø – Weib, *Herrlein – Fräulein, (eingefleischter) Junggeselle - (alte) Jungfer/Jungfrau, *Altmännergeschwätz – Altweibergeschwätz; mannhaft - *frauhaft, *männisch – weibisch. Stereotype in traditionellen Redewendungen, Sprichwörtern, Metaphern: seinen Mann stehen - *ihre Frau stehen manns genug sein - *fraus genug sein ein gemachter Mann - *eine gemachte Frau (*)ein gefallener Jüngling - ein gefallenes Mädchen *Typisch Mann am Steuer - Typisch Frau am Steuer Ein Mann, ein Wort ; eine Frau, ein Wörterbuch Alle Menschen werden Brüder - *Alle Menschen werden Schwestern Der kluge Mann baut vor - *Die kluge Frau baut vor Übung macht den Meister - *Übung macht die Meisterin Beispiele für Asymmetrien auf der Text-/Diskursebene: 1. Jeder vierte Arbeitslose ist z.B. nicht vermittelbar, weil er schwanger ist (Hörbeleg. In: ORFMittagsjournal vom 26.7.1991) („Hermaphroditen“=widersprüchliche Verwendung des natürlichen Maskulins) 2. Hegel drücken in dieser Zeit aber auch noch andere Sorgen. Sein Vermögen ist aufgezehrt und sein Professoren-Gehalt lächerlich niedrig. [...] Zudem hat er der Frau seines Hauswirts ein Kind gemacht. (5 aus: P.H. Koesters: Deutschland deine Denker. München: Goldmann 1982. 129, 189; zitiert nach: Pusch 1990, 111) 3. Jeder, der es (= das Internet, M.K.) kennenlernt, macht verschiedene Stadien durch: Anfangs genießt man es, darin herumzusurfen...Man sieht sich Inhaltsverzeichnisse von Museen, Bibliotheken, Bildersammlungen, Text- und Produktlisten, schöne Mädchen und anderes an. (Ernst Hilger: Internet. In: Solidarität Nr. 776. Februar 1996, 21) Ähnliche Asymmetrien im Englischen und Französischen: ENGLISCH: Wortschatz: man (Mann, auch = Mensch im allgemeinen) > woman (Frau), bachelor (Jungeselle) > spinster (unverheiratete Frau, auch = alte Jungfer), master (Herr, Lehrer, Magister, auch = Meister) > mistress (Herrin, Lehrerin, Hausfrau, auch = Mätresse), governor (Gouverneur, Direktor) > governess (Gouvernante, Hauslehrerin) Syntax: He's a professional (Er ist ein Profi) - She's a professional (Sie ist eine Prostituierte) FRANZÖSISCH: Wortschatz: homme (Mann, auch = Mensch im allgemeinen) > femme (Frau, auch = Ehefrau), garçon (Junge, Kellner, auch = Junggeselle) > fille (Mädchen, Tochter, auch = Prostituierte), maître (Herr, Herrscher, auch = Meister) > maîtresse (Herrin, Herrscherin, auch = Mätresse), gouverneur (Gouverneur) > gouvernante (Erzieherin, Haushälterin), homme public (Politiker) > femme publique (Prostituierte) Syntax: 99 femmes et 3 hommes se sont réunis. (99 Frauen und 3 Männer haben sich getroffen: das Prädikat kongruiert nach der traditionellen Norm bei Gruppen, die aus Männern und Frauen bestehen, maskulin (= reunis). 3. Andropozentrischer Sprachgebrauch Anthropozentrische Benennungsstrategien: Übertragung von (negativ konnotierten) Tierbezeichnungen aus dem eigenen, vertrauten Ökosystem auf unbekannte Tierarten eines neu besiedelten, völlig andersartigen Ökosystems: Angloaustralische Siedler: Water rat Plains rat Bush rat Swamp rat Long-haired rat Desert mouse Sandy inland mouse Silky mouse Aborigines: rakali palyoora mootit koota mayaroo wildjin mingkiri nalpo Einige Beispiele für abwertend-pejorativen Gebrauch von Tierbezeichnungen: Englisch: animal (Bestie) Französisch: animal (Trampel), bête (Bestie) to ape someone (nachäffen) cod (dumme Person) ass (Dummkopf, „Esel“) hog (Flegel, Ferkel) beetle brained (Spatzenhirn) puppy (Schnösel) (to) bitch (Schlampe, meckern) snake (falsche Person) âne (Dummkopf) poule mouillée (Angsthase) chameau (widerlicher Kerl) singe (Nachäffer, Affenkopf = häßlicher Kerl) chien (der Dumme, Packesel) cochon (Saukerl, Dreckfink) faire le singe (den Hans- cat (falsche Person, Hure) vermin (Ungeziefer) chicken (Feigling) worm (armselige Person) wurst machen) vermine (Ungeziefer) grue (Hure) mouche (geriebener Kerl) Kritische Diskursanalyse (CDA): „Ideologie“ wird nicht negativ konnotiert verstanden, sondern im Anschluß an Van Dijk (1998:49) neutral als „die allgemeine Basis der sozialen und politischen Ansichten der Mitglieder einer Gruppe“ definiert. Diese allgemeine Basis kontrolliert und organisiert wie die Axiome eines formallogischen Systems die spezielleren Ansichten und Werthaltungen einer Gruppe: “Ideologies are the foundation of the social beliefs shared by a social group. In other words, a bit like the axioms of a formal system, ideologies consist of those general and abstract social beliefs, shared by a group, that control or organize the more specific knowledge and opinions (attitudes) of a group.” Herkunft des Wortes “Ideologie”: Stammt ursprünglich von “les ideologues” in Frankreich: Diese “Ideologen stellten Systeme von Ideen auf, um z.B. die vorherrschende Politik zu beeinflussen. Das Wort bekommt später bei Napoleon bereits eine negative Konnotation. Marx und Engels bezeichnen später Ideologie als „falsches Bewusstsein“. Diese Bezeichnung lebt auch heute noch etwas abgewandelt fort: Definition: „an eine soziale Gruppe, eine Kultur o. Ä. gebundenes System von Weltanschauungen, Grundeinstellungen und Wertungen“ (aus DUDEN Fremdwörterbuch 7. Auflage 2001) Ideologiekritik: Parsons nennt es eine „Abweichung von einer soziologischen und objektiven Realität“ Mannheim ist der Meinung, dass sämtliche Ideologien „wahre“ Anschauungen der Welt sind und zwar immer vom Betroffenen aus. Aber man muss jede Ideologie innerhalb ihrer Epoche analysieren, dann kann man sehr wohl etwaige Verzerrungen erkennen. Teun van Dijk: Soziokognitiver Ansatz der CDA Cognition Discourse Society Van Dijk entwirft die allgemeine Struktur eines mentalen Modells, das u.a. die folgenden kognitiv wesentlichen Elemente einer Gruppenideologie darstellen soll: Elemente einer Gruppenideologie: Membership: Who are we? What do we look like? Activities: What do we do? What is expected of us? Goals: Why do we do this? What do we want to realize? Values/norms: What are our main values?, What should (not) be done? Position and group-relations: What is our social position? Who are our enemies? Wichtig bei van Dijk ist der „dynamische“ Aspekt: Die Verstrickung in die Ideologie wächst mit der Zeit. Wenn allerdings eine kritische Masse von „Ideologie-Abweichlern“ entsteht, kann es zu einer Ideologie-Wandlung oder einer Spaltung der Gruppe kommen. Das kognitive Ideologie-Modell: In jeder Situation handelt und spricht der Mensch auf Basis seines persönlichen und ideologischen sowie kulturellen Wissens. Dieses Wissen ist laut van Dijk in verschiedenen Bereichen des Gedächtnisses realisiert: Working Memory: Der „Arbeitsspeicher“ mit sehr eingeschränkter mnemotechnischer Leistung Bereich des „Context Model“, zuständig für die Text-Repräsentation Episodic Memory: Das „situationale“ Gedächtnis, das subjektiv besetzte Inhalte speichert Bereich des Event Model, zuständig für die aktuelle Situation Social Memory: Das Langzeitgedächtnis mit der größten Kapazität Bereich des folgender Wissens-Kapitel: Group Knowledge: besteht aus Gruppen-differenzierenden aber unbedingt beweisbaren Fakten. Group Attitudes: besteht aus gruppenspezifischen Überzeugungen (nicht beweisbar) Group Ideologies: Basis der oben genannten Wissens- und Glaubensbestände (Membership, Activities, Goals, Values/Norms, Position and Group Relation) Cultural Common Ground: gruppenübergreifendes „objektives“ Wissen Beispiel: Zwischen den menschlichen Rassen bestehen nur marginale, aber keine qualitativen Unterschiede. Das ist objektives Faktenwissen (Cultural Ground). Nazis glauben zu wissen, dass es diese qualitativen Unterschiede sehr wohl gibt (Group Knowledge). Nach nationalsozialistischen Überzeugungen muss deswegen die „Herrenrasse“ die geringeren Rassen beherrschen (Group Attitudes). Dieses System bei Van Dijk beinhaltet aber ein Dilemma: Der Cultural Common Ground ist selbst schwer abgrenzbar, d.h. er zerfällt selbst in unterschiedliches „Group Knowledge“. (Es gibt zahlreiche Kulturen. Welches kulturelle Grundwissen ist also für die jeweilige Ideologiekritik relevant?) Lösungsansatz: Ideologische Gruppen sind in sich nicht immer homogen. Daher kann man eine Ideologie aus ihr selbst heraus kritisieren: „Ihr Kollege sagt aber etwas ganz anderes als Sie zu diesem Thema…“ Man kann außerdem die Werthaltungen einer ideologischen Gruppe explizit machen und eventuelle Verstöße thematisieren und kritisieren. Habermas fordert, weniger die Inhalte als die Prozeduren des Miteinander-Sprechens zu kritisieren. Diese sollten rational (=objektiv) sein. Über diesen Umweg kann man auch Ideologiekritik üben, was sehr viel einfacher ist als die direkte Ideologiekritik. Die Wiener Schule der Diskursanalyse „Die kritische Diskursanalyse versteht „Diskurs“, sei er gesprochen oder geschrieben, als eine Form sozialer Praxis ... Das Verhältnis zwischen den spezifischen diskursiven Handlungen und den Situationen, Institutionen und sozialen Strukturen, die diese rahmen, sieht die Kritische Diskursanalyse als dialektisches an: Einerseits formt und prägt der situationale, institutionelle und soziale Kontext den Diskurs, andererseits wirkt der Diskurs auf die soziale und gesellschaftliche Wirklichkeit zurück. Anders gesagt: Der Diskurs ist sowohl sozial konstitutiv als auch sozial bestimmt“. (R. Wodak et al.1998: 42). Diskurse können soziale Bedingungen, z.B. kollektive Subjekte wie ‘Rassen’, Nationen, ethnische Gruppen 1. konstruieren, 2. den Status quo reproduzieren bzw. perpetuieren, 3. den Status quo transformieren, und schließlich 4. den Status quo destruieren. Der Diskurs existiert in unterschiedlichen Ausprägungen („Genres“) und realisiert ist in unterschiedlichen „Aktionsfeldern“. z.B. Aktionsfeld: Wahlkampf, Genre: Wahlrede Diskursive Strategien (z.B. mit dem Ziel der positiven Selbstdarstellung und der negativen Fremddarstellung): 1. Referential/nominational strategies (z.B. Metaphern, Metonymien) 2. Predicational strategies (z.B. die stereotypisierende Zuschreibung von positiven und negativen Eigenschaften) 3. Argumentation strategies (z.B. die Rechtfertigung der positiven und negativen Zuschreibung von Eigenschaften durch argumentative Topoi und Trugschlüsse) 4. Perspectivation, framing or discourse representation (z.B. die Techniken der m.o.w. starken Involvierung und Distanzierung der SprecherInnen im Diskurs mithilfe persönlicher oder unpersönlicher Konstruktionen oder der Verwendung direkter oder indirekter Rede) 5. Intensifiying/Mitigation strategies (z.B. die Wahl direkter/indirekter Sprechakte, die Moduswahl, der Gebrauch von Partikeln) Ethnozentrisches Argumentieren : a. Pragmatisches Argument: Positive Version: Wenn Handlung A zu den positiven Effekten B führt, soll A vollzogen werden. Es gibt keine andere Handlungen C mit noch positiveren Effekten D. A hat vorwiegend positive Effekte. A hat keine oder nur wenige negative Effekte E. Negative Version: Wenn Handlung A zu den negativen Effekten B führt, soll A nicht vollzogen werden. Es gibt keine anderen Handlungen C mit noch negativeren Effekten D. A hat vorwiegend negative Effekte. A hat keine oder nur wenige positive Effekte E._____________________ Also: A soll vollzogen werden. Also: A soll nicht vollzogen werden. b. Illustrative Beispiele: Um eine These zu untermauern werden (möglichst viele) praktische Beispiele angeführt. Jean-Marie Le Pen (Rede aus dem Jahr 2002: Immigration et Souveraineté. Discours au colloque thématique. Paris 27. 1. 2002. (Web-site: www.frontnational.com, Einsichtnahme: 15.1.2007): 1. Or le phénomène [= l'immigration, M.K.] par son ampleur et par son developpement menace l'équilibreet la paix du monde, mais il menace surtout et d'abord l'interêt national de notre peuple, et même sa survie. (Nun bedroht das Phänomen [= die Immigration], durch seine Größe und seine Entwicklung das Gleichgewicht und den Frieden der Welt, aber es bedroht vor allem und zuallererst das nationale Interesse unseres Volkes, und sogar sein Überleben) 2. L'immigration du peuplement ..., l'attribution d'avantages sociaux attractifs lui ont donné un caractère torrentiel, demain cataclysmique. (Die Immigration fremder Völker [...], die Zuteilung von attraktiven sozialen Vergünstigungen haben ihr einen Flutcharakter gegeben, morgen (vielleicht sogar) den einer gewaltigen Katastrophe) 3. Il nous menace de submersion et à terme de soumission, voire de disparition. Mais déjà, il génère dans la société des phénomènes pathologiques graves: insécurité, chômage, fiscalisme. (Es [= dasPhänomen der Immigration] bedroht uns mit Überschwemmung, und zwar durch Unterwerfung, oder sogar Verschwinden. Aber bereits jetzt erzeugt es in der Gesellschaft schwerwiegende pathologische Phänomene: Unsicherheit, Streik, Steuerdruck) Jean-Marie Le Pen (Rede aus dem Jahr 2002: Immigration et Souveraineté): On peut estimer que la population d'origine étrangère récente est en l'an 2000 de l'ordre de 8 millions, dont 4 millions d'Africains et de Turcs, presque tous musulmans, pour une population française globale de 58,5 millions. L'assimilation n'est dès lors plus possible, car c'est la culture d'accueil qui risque d'être assimilée. . (Man kann schätzen, dass die ausländische Bevölkerung, die kürzlich immigriert ist, im Jahr 2000 auf ungefähr 8 Millionen kommt, davon 4 Millionen Afrikaner und Türken, fast alle Moslems, bei einer französischen Gesamtbevölkerung von 58,5 Millionen. Die Assimilation ist daher nicht mehr möglich, weil es die Gastkultur ist, die riskiert, assimiliert zu werden) Les étrangers, qui ne représentent officiellement que 7% de la population, représentent 31% de la population des prisons. (Die Ausländer, die offiziell nicht mehr als 7% der Bevölkerung ausmachen, sind 31% der Insassen der Gefängnisse) c. „Diskursive Verfertigung von Realität“: Z.B. „Semantische Kämpfe“ in TV-Wahlkonfrontationen: Zwei TV-Debatten (Länge: jeweils eine Stunde fünf Minuten) zur österreichischen Nationalratswahl vom 3.10.1999, die am 21.9.1999 und am 22.9.1999 im ORF 2 unter der Leitung der Moderatorin Gisela Hopfmüller durchgeführt wurden. Die Kontrahenten waren am 21.9. Dr. Wolfgang Schüssel, der Bundesparteiobmann der konservativen ÖVP (= Österreichische Volkspartei) und damalige Außenminister, und Dipl.Ing. Thomas Prinzhorn, der Spitzenkandidat der rechtskonservativen FPÖ (= Freiheitliche Partei Österreichs). Am 22.9. standen einander Rudolf Edlinger, der damalige Finanzminister und Vertreter der sozialdemokratischen SPÖ (= Sozialdemokratische Partei Österreichs) und Dr. Jörg Haider, der damalige Bundesparteiobmann der FPÖ, gegenüber. Beispiel: Prinzhorn stellt Schüssel als „sozialistischen Zwillingsbruder“ dar, ÖVP und SPÖ seien eine „schwarzrote Einheitspartei“, Schüssel sei ein „Berufspolitiker“ und „Mann des Büros“, ein bloßer „Literat in Sachen Privatisierung“, ein „Steigbügelhalter“ der Sozialisten, der in Bezug auf die SPÖ im Wahlkampf einen „Kuschelkurs“ steuere. Die FPÖ sei dagegen die Partei der „kleinen Leute“. Die Aktivitäten und Ziele der ÖVP und SPÖ beschreibt Prinzhorn so: sie würden eine Politik der „Wählertäuschung“ „für die Großen“ und „zu Lasten der Kleinen“ machen, in einem „Privilegienstaat“ „alles nach Proporz aufteilen“. Die FPÖ betreibe dagegen eine Politik des „Rückzugs des Staates“ und „der sozialen Sicherung für die Kleinen“, und trete für ein „Europa der Regionen“ ein. Die Flat Tax sei „eine echte Entlastung für die Kleinen“, die Wirtschaft profitiere „enorm von der Flat Tax“, durch die es „einen Investitionsboom geben“ werde. Van Dijks Schema der Gruppen-Ideologie und Prinzhorns Anwendung auf Schüssel/ÖVP/SPÖ: Membership: Who are they? What do they look like? Activities: What do they do? What is expected of them? Goals: Why do they do this? What do they want to realize? Values/norms: What are their main values?, What should (not) be done? Position and group-relations: What is their social position? Who are their enemies? Schüssel ist: sozialistischer Zwillingsbruder , Literat in Sachen Privatisierung, Mann des Büros, Steigbügelhalter alles nach Proporz aufteilen, Wählertäuschung für die Großen, zu Lasten der Kleinen Privilegienstaat ÖVP und SPÖ: schwarzrote Einheitspartei (FPÖ) Van Dijks Schema der Gruppen-Ideologie und Prinzhorns Anwendung auf FPÖ: Membership: Who are we? What do we look like? Activities: What do we do? What is expected of us? Goals: Why do we do this? What do we want to realize? Values/norms: What are our main values?, What should be done? Position and group-relations: What is our social position? Who are our enemies? FPÖ: Partei der „kleinen Leute“ Rückzugs des Staates soziale Sicherung für die Kleinen Europa der Regionen Flat-Tax:echte Entlastung für die Kleinen (SPÖ + ÖVP) Metaphern und Weltbild Metaphern, Kognition und Weltbild: Lakoff, George (1987) Women, Fire and Dangerous Things. Chicago: Univ. Press. Lakoff, George/Johnson, Mark (1980) Metaphors we Live by. Chicago: Univ. Press. Lakoff/Johnson (1980, 3): “Our ordinary conceptual system, in terms of which we both think and act, is fundamentally metaphorical in nature”. Lakoff (1987: 330): „To my mind, Whorf was the most interesting linguist of his day“ Beispiel: Eine Liebesbeziehung ist eine Reise: o „den gemeinsamen Lebensweg antreten“ o o o „Unsere Wege haben sich getrennt“ „Die Beziehung steckt in einer Sackgasse“ „der Hafen der Ehe“ TARGET: LOVE MAPPINGS SOURCE: JOURNEY the lovers ⇐ the travelers the love relationship itself ⇐ the vehicle events in the relationship ⇐ the journey the progress made ⇐ the distance covered the difficulties experienced ⇐ the obstacles encountered choices about what to do ⇐ decisions about which way to go the goal(s) of the relationship ⇐ the destination of journey Liebe ist Feuer „in Liebe entbrennen“ „brennen vor Liebe“ „Ihre Liebe ist erloschen“ Zorn/Wut ist eine kochende Flüssigkeit in einem Behälter „kochen vor Wut“ „Dampf ablassen“ „explodieren (vor Wut)“ Ein Beispiel für den Einsatz von Metaphern aus der Diskussion um den „freien Hochschulzugang“: Argumente für den freien Hochschulzugang werden dabei in ihrer Persuasivität oft durch einschlägige Metaphern verstärkt und optimiert. Argumente zu abstrakten Institutionen wie den Universitäten und mit ihnen zusammenhängende Positionen sind besser verständlich und wirksamer, wenn Abstrakt-Komplexes durch KonkretRäumliches veranschaulicht wird, z.B. Zugangsbeschränkungen durch „Barrieren“ oder das „Abdrängen“ von Studierenden etc. Beim Metapherngebrauch steht dabei im linksliberalen Sprachgebrauch die Universität oft als Ort bzw. konkretes Gebäude im übertragenen Sinn für die Universität als abstrakt-komplexe soziale Institution. Dieses Gebäude wird durch politische Maßnahmen des (rechts-)konservativen politischen Gegners zu einer mehr oder weniger unerreichbaren ‚Festung’ gemacht. In linker Sicht sollte es jedoch NICHT durch Gräben, Barrieren, Hürden (auf dem Weg), Schranken, verschlossene Türen Studierwillige ausschließen bzw. sie nicht von den Universitäten aussperren, abdrängen, fernhalten, z.B. indem die Schotten dicht gemacht werden oder der Rollladen heruntergelassen wird, dabei aber Verschlechterungen durch das Hintertürchen eingeführt werden. Metaphern Pro „Freier Hochschulzugang“ in einigen österreichischen Printmedien in den Jahren 2000ff.: Universität ohne freien Zugang o o o Universität mit Studiengebühren Universität mit Studiengebühren Studiengebühren werden eingeführt o Studiengebühren werden eingeführt o Regierung führt Verschlechterungen für Studierende wegen EuGh-Urteil ein = festungsartige Gebäude Gräben/Barrieren/Hürden/Schranken Gebäude mit verschlossenen Türen Man sperrt/Studierende aus/drängt sie ab/ hält sie fern Man lässt die Rollläden herunter/macht die Schotten dicht. Regierung will Verschlechterungen durchs Hintertürchen einführen