Therapie neuroendokriner Tumore Peptidvermittelte Radiorezeptortherapie (PRRT) Was ist der Zweck der Behandlung? Neuroendokrine Tumore sind häufig langsam wachsende, jedoch bösartige Neubildungen. Sie verursachen häufig Symptome wie Durchfälle, anfallsartiges Schwitzen (Flush) und erhöhten Blutdruck. Aufgrund des eher langsamen Wachstums und der nicht immer typischen Beschwerden ist bei vielen Patienten zunächst nur eine symptomatische Therapie (medikamentöse Blutdruckeinstellung und/oder Hemmung der Durchfälle) erforderlich. Eine ursächliche, chemotherapeutische Behandlung kommt erst im fortgeschrittenen Stadium zum Einsatz, da diese bei dem langsamen Tumorwachstum nur eingeschränkt wirksam ist. Effektivere Therapien sind erst seit einigen Jahren verfügbar, z. B. mit Sandostatin, das nicht nur die Durchfälle beseitigt, sondern auch an die in Karzinoidzellen typischerweise vorhandenen Somatostatinrezeptoren bindet, und damit das Tumorwachstum bremst, ohne Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Haarausfall zu verursachen. Um diese Wirkung zu verstärken, lag es nahe, einen radioaktiv markierten Abkömmling des Sandostatins gegen NET einzusetzen. Seit rund 10 Jahren wird daher das 177 Lutetium-Dotatoc vornehmlich in der Schweiz und in USA zur Behandlung von bösartigen Tumoren eingesetzt, die Somatostatinrezeptoren aufweisen. Welches Medikament oder welche Behandlung wird eingesetzt? Das eingesetzte Medikament ist ein mit Lutetium-177 oder Yttrium-90 markierter Ligand. Liganden kommen auch natürlicherweise vor; es sind kleine Bestandteile, die an einen Rezeptor binden und damit auf zellulärer Ebene ein Signal übertragen. Sobald sich das Medikament im Blutkreislauf befindet, erkennt der Ligand gesunde sowie auch bösartige („Krebs-„)Zellen, die den Somatostatinrezeptor auf ihrer Oberfläche tragen und bindet sich an sie. Die radioaktiven Teilchen, die an den Liganden gebunden sind, töten die durch den Liganden besetzten Zellen ab. Wir wird die Radiopeptid-Therapie durchgeführt? Alle Patienten werden vor Therapie in einem interdisziplinären Tumorboard unter Beteiligung von Internisten, Chirurgen, Strahlentherapeuten und Nuklearmedizinern besprochen, um die bestmögliche Therapiestrategie festzulegen. Vorbereitung Um eine Besetzung der SSTR mit dem oft therapeutisch verabreichten Depot-Sandostatin zu vermeiden (hierdurch wären weniger Bindungsstellen für das radioaktive Peptid vorhanden), sollte dieses mindestens 6 Wochen vor Therapie abgesetzt werden. Aufgrund der möglichen nierenschädigenden Wirkung des Radiopeptids ist eine eingehende Untersuchung der Nierenfunktion vor Therapiebeginn und als Verlaufskontrolle vor möglichen weiteren Therapien vorgesehen. Hierbei werden neben den üblichen Laboruntersuchungen (Kreatinin und Harnstoff) zum einen die glomeruläre Filtrationsrate und die tubuläre Extraktionsrate der Nieren mit zwei nuklearmedizinischen Verfahren bestimmt. Des Weiteren wird vor jeder Therapie des Tumors mit den o.g. nuklearmedizinsichdiagnostischen Verfahren (PET/CT) prätherapeutisch untersucht. Je nach Tumorart und vorliegender Symptomatik können weitere Untersuchungen wie z. B. Tumormarkerbestimmung (Chromogranin A) erfolgen. Therapie Für die eigentliche Therapie wird einen Venenverweilkanüle gelegt und mit einem Infusionssystem verbunden. Etwa 2 h vor Beginn der Therapie wird eine Aminosäurelösung zum Nierenschutz gegeben, die eine übermäßige Aufnahme des radioaktiven Peptids in den Nieren verhindert. Diese wird über einen Zeitraum von 4 h fortgesetzt. Das radioaktiv markierte Peptid wird dann ebenfalls für die Verweilkanüle mit Hildes Perfusors über 15 Minuten appliziert. Während der Therapie werden regelmäßige Puls- und Blutdruckkontrollen durchgeführt. Nach der Strahlenschutzrichtlinie ist nach Therapie ein 48-stündiger Aufenthalt auf der Therapiestation vorgeschrieben. In diesem Zeitraum werden drei Ganzkörperszintigraphien nach 24 h zur Dokumentation des Verbleibs der radioaktiven Substanz und zur Abschätzung der erreichten Herddosen (Tumor-/Organdosen) durchgeführt. Welche Nebenwirkungen kann die Radiopeptid-Therapie haben? Zu den bisher bekannten Nebenwirkungen gehören unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen und Müdigkeit. Möglich eine erhöhte Flush-Symptomatik, die über mehrere Tage andauern kann. Nach der Therapie kann es außerdem zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Selten kommt es infolge des Tumorzelluntergangs zu einer sehr hohen Ausschüttung von Hormonen, die mit Kreislauf- und Atembeschwerden, Kopfschmerzen und neurologischen Symptomen einhergehen können. Außerdem sind mittelfristig Blutbildveränderungen mit Reduktion der Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), der Blutplättchen (Thrombozyten) und der weissen Blutkörperchen (Leukozyten) möglich, monatliche Blutbildkontrollen nach Therapie sind daher zu empfehlen. Aufgrund der Strahlenbelastung des gesunden Lebergewebes kann es zu einer Funktionseinschränkung der Leber kommen. Aus diesem Grund wird auch eine Überwachung der Leberparameter empfohlen. Bei Patienten mit ausgedehnter Lebermetastasierung kann es durch die radioaktive Bestrahlung des Lebergewebes zu einer Leberschwellung mit vorübergehender Dehnung der Leberkapsel kommen, die Schmerzen hervorrufen kann. Bei Patienten mit ausgeprägter Lebermetastasierung empfiehlt sich daher eine Prophylaxe mit Kortison. Selten treten allergische Reaktionen unter der Verabreichung der Therapiesubstanz auf. Bei mehrmaliger Therapie kann es zu einer Einschränkung der Nierenfunktion kommen. Es ist Vorsorge getroffen, dass bei allen Nebenwirkungen eine kompetente ärztliche Versorgung zur Verfügung steht. Die Therapie kann in mehreren Zyklen in Abhängigkeit von der jeweils vor jedem Zyklus (von ca. 3 Monaten) überprüften Speicherung, die Nierenfunktion und den bis dahin erzielten Organdosen (limitierendes Organ ist die Niere) erfolgen. Nach Therapie sind regelmäßige Kontrollen mit Durchführung von CT, Nierenszintigraphie und PET/CT geplant. Ein- und Ausschlusskriterien Einschlusskriterien Ausschlusskriterien Alter zwischen 18 und 70 Jahren Eine andere maligne Zweiterkrankung Neuroendokriner Tumor (histologisch) nachgewiesen) mit positivem Nachweis einer Somatostatinrezeptorexpression in Szintigraphie oder PET/CT Eingeschränkte Nierenfunktion mit pathologischer 99mTc-DTPA- oder 99mTcMAG3-Szintigraphie bzw. erhöhten Kreatininoder Harnstoffwerten Tumorprogress unter/nach Standardtherapie Knochenmarksdepression nach Chemotherapie Schriftliche Einwilligung des Patienten zur Therapie Schlecht differenziertre neuroendokrine Tumoren mit hohem Proliferationsindex