„Dieses Wort ist uns aus der Seele gesprochen“

Werbung
Dokumentation
„Dieses Wort ist uns aus der Seele
gesprochen“
Predigt von Weihbischof Helmut Bauer im Pontifikalgottesdienst im Dom am
Montag, 4. Juli 2005, beim Wallfahrtstag für die Dekanate Ebern, Haßfurt,
Kitzingen, Würzburg links und rechts des Mains
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
„Herr, bleibe bei uns!“
Diese Bitte steht in diesem Jahr als Leitwort über unserer Kiliani-Wallfahrtswoche zu den Häuptern der
Frankenapostel.
Es ist die Bitte, die aus dem tiefsten Herzen der Emmausjünger kam. Sie hatten nach den bedrückenden
Erlebnissen in Jerusalem einen so einfühlsamen und mitfühlenden Weggefährten erlebt.
„Herr, bleibe bei uns!“
Und wie wenn der noch unbekannte Weggefährte auf ihre Bitte gewartet hätte, ging er mit ihnen. Und als
er mit ihnen das Brot brach, gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn, aber sie sahen ihn nicht
mehr. Noch in derselben Stunde brachen sie auf und verkündeten den Jüngern, dem Auferstandenen
begegnet zu sein.
Liebe Schwestern und Brüder!
Irgendwann und irgendwie müssen auch die Frankenapostel eine ähnliche Christusbegegnung gehabt
haben. Denn ihr großer Aufbruch vom fernen Irland in unsere fränkische Heimat, nach Würzburg, ist
nur zu erklären, wenn auch sie von dieser österlichen Christuserkenntnis ergriffen und überwältigt
worden sind. Gerade aber die innige Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie, also beim
„Brotbrechen“, wie es in der Apostelgeschichte heißt, hat zu allen Zeiten den missionarischen Geist in
der Kirche bewegt oder die Menschen befähigt, bewusst im Geiste Jesu ihr Leben zu gestalten. In der
Tat: Nirgendwo sonst, bei keinem Geschehen in der Kirche, ist der Auferstandene so zu erkennen als
bei der Eucharistiefeier. In dieser Feier spricht er zu uns im Wort der Schrift. In der Heiligen Messe ist
er wie nirgendsonst mit seiner ganzen Liebe „erkennbar“ im Glauben. In dieser Feier will uns der
Heilige Geist die Augen öffnen für ein göttlich-reales Geschehen in unserer Mitte. Daher hat der
verstorbene Papst Johannes Paul II. lapidar sagen können: „Die Kirche lebt von der Eucharistie.“ Es
ist sein Vermächtnis geworden, dass wir in diesem Jahr das Geheimnis unseres Glaubens – die
Eucharistie – bedenken und noch mehr als das große Gottesgeschenk betrachten.
Die Häupter der Frankenapostel sind während des Jahres im Altar unserer Kathedrale aufbewahrt. So
zeigen sie uns (und vielen Generationen vor uns), wie sehr sie im Leben und Sterben mit dem
Geschehen auf dem Altar verbunden waren. Sie zeigen uns, mit wem wir verbunden sein sollen als
Christen unserer Tage. In der Eucharistiefeier können uns die Augen des Glaubens aufgehen. Hier in
der Nähe des Altares kann in uns die Bitte aufsteigen: „Herr, bleibe bei uns!“, weil wir in der rechten
Mitfeier der Heiligen Messe spüren können, wie Trost, Hoffnung, Liebe, Zuversicht unser Herz erfüllen
kann. Wohin sollen wir auch gehen mit unserer Trauer, mit unserem Leid, mit unseren vielfach
enttäuschten Hoffnungen und Erwartungen?
Liebe Schwestern und Brüder!
„Herr, bleibe bei uns!“
Das ist auch eine Bitte, die in der Tat mit unserem Leben, mit unserer Lebenssituation heute zu tun
hat. Viele Menschen fühlen sich heute in ihren Erwartungen an das Leben enttäuscht. Sie stehen vor
vielem Unbegreiflichen, vor manchem Scherbenhaufen. Gerade im Blick auf die Glaubenssituation in
unserem Land, in unseren Pfarreien und in unseren Familien könnte man auch sagen: „Es will Abend
werden ...“. Überall sehen wir die Hoffnung schwinden, dass sich in der geistigen Großwetterlage in
Europa oder im geistigen Kleinklima unserer Familie etwas Grundlegendes ändert. Die Lichter des
Glaubens scheinen nach und nach auszugehen. Die Glaubensweitergabe in unseren Familien gelingt
nicht mehr so wie früher. Viele junge Leute scheinen ihr Leben ohne Gottesbezug, ohne
Glaubensbezug, ohne Kirchenbezug gestalten zu wollen. Wir selbst haben auch nicht mehr die
rechten Antworten auf die Fragen der jungen Generation. So stehen viele besorgte und nachdenkliche
Menschen vor der Frage: „Wohin führt das alles?“
„Gott sei Dank!“ – dass die Emmausjünger dieses Wort gesagt haben: „Herr, bleibe bei uns!“ Es ist
uns, ist vielen aus der Seele gesprochen. Ja – wir sollen diese Bitte aussprechen, gerade weil es uns
oft so schwer ums Herz ist. Aber in dieser Bitte steckt die Wegerfahrung: Bei dir kann das Herz warm
werden, Herr, auch wenn wir nicht mehr so recht wissen, wie es weitergehen soll. Die Frankenapostel
sind uns Bürgen, dass der Herr sich als machtvoller Helfer zu erkennen gibt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Unser neuer Papst Benedikt XVI. hat in den ersten Wochen seines Pontifikates gezeigt, wie sehr er
das Anliegen und Vermächtnis seines Vorgängers sich zu eigen gemacht hat. Es fällt auf, dass er die
Mitfeier der Heiligen Messe beziehungsweise die heilige Kommunion als die große Möglichkeit einer
tiefen Christusbegegnung sieht. Es geht gerade ihm darum, dass „es uns warm ums Herz“ wird bei
der Eucharistiefeier. Es geht um die Begegnung mit dem Auferstandenen. In der Homilie zum
diesjährigen Fronleichnamsfest nannte er das Essen des eucharistischen Brotes durch den
Glaubenden wirklich eine Begegnung zwischen zwei Personen. In der heiligen Kommunion lasse sich
der Empfangende vom Leben, von der Liebe dessen durchdringen, der sein Herr ist, sein Schöpfer,
Heiland und Erlöser. Der Sinn der heiligen Kommunion erfüllte sich erst in der Vereinigung des Ich mit
dem Du Christi, in der Angleichung meines Lebens an das seine, in der Gleichgestaltung mit dem, der
die Liebe ist. In einer solchen Kommunion schenkt uns Jesus sein volles Vertrauen, seine
Freundschaft und seine leidenschaftliche Liebe bis zur Torheit des Kreuzes. Aus einer solchen
Kommunion wächst jene Sicherheit und jenes Hoffnungspotential, das alle Erschütterungen des
Lebensweges bestehen lässt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir verehren unsere Frankenapostel mit und in der Feier der Eucharistie. Sie verstärken mit ihrer
Gegenwart, mit ihrer Fürbitte unser Tun am Altar. Sie haben sicher in allen Herausforderungen ihres
Lebens gebetet: „Herr, bleibe bei uns!“ Sie wurden nicht enttäuscht. So wollen wir gerade dieses Gebet
der Emmausjünger bei der heiligen Kommunion beten: „Herr, bleibe bei uns!“, wenn wir auf die Wege des
Lebens hinausgehen, wenn es uns schwer fällt zu gehen.
Wir haben die Antwort Jesu: „Fürchtet euch nicht. Ich bin bei Euch alle Tage bis zur Vollendung der
Welt.“
(74 Zeilen/2705/0887)
Herunterladen