Mini-Skriptum Intensivmedizin - Sepsis SS 2011 LB V Im Folgenden finden Sie ein kleines Skriptum über Intensivmedizin und Sepsis zur Vorbereitung auf den Anteil Intensivmedizin in der anstehenden Klausur Anästhesie(15 Fragen, die restlichen Fragen sind Notfallmedizin, wie Sie sie im Kurs erlebt haben). Neben einer Reihe von grundsätzlichen Informationen über Diagnostik und Therapie der Sepsis finden Sie im folgenden Text auch Hinweise, die Ihnen helfen können, die meisten Fragen zur Intensivmedizin in der anstehenden Klausur zu beantworten. Ich habe mich bemüht, Informationen, die zwar wichtig, aber nicht klausurrelevant sind, kursiv zu stellen. Trotzdem kann es aber sein, dass im wirklichen medizinischen Leben normal gedruckte Sätze weniger bedeutend sind als die Daten, die kursiv gedruckt erscheinen. Aber wie gesagt, das Kursive wird nicht abgefragt. Hintergrund für dieses Miniskriptum ist, dass: 1. Sie auf Moodle für die Intensivmedizin eine Datei finden, in der die wohl wichtigste Krankheit auf operativen Intensivtherapiestationen abgehandelt wird, nämlich die Sepsis. Dieser Vortrag ist ursprünglich erstellt worden von dem Dozenten, den Sie selbst kennengelernt haben, Prof. Fritz Fiedler und ist von Prof. Lücke und PD Kalenka weiterentwickelt worden. Dannach haben wir auch immer unsere Klausuren erstellt. 2. Sie letzthin zu meinem Erstaunen einen ganz anderen Vortrag über Intensivmedizin gehört hatten, konzipiert von Dr. Kalenka. Eigentlich ist dieser Vortrag besser als der Sepsisvortrag, da hier Prinzipien der Intensivmedizin umfangreicher abgehandelt werden als nur das Beispiel eines einzigen Krankheitsgeschehens. Bei der Durchsicht sehe ich(CL) mich aber außer Stande, auf die Schnelle geeignete Prüfungsfragen zu entwickeln(Sie finden eine PDF-Version dieses Vortrags unter "Intensivmedizin_SS_2011.pdf" - Allerdings sind einige wenige Folien nicht darstellbar). 3. Deshalb beziehen sich die Fragen zur Intensivmedizin in der anstehenden Klausur vorwiegend auf die Ausführungen zur Sepsis, wie Sie sie in Moodle vorfinden. Da deren Verständnis ohne, aber auch mit Vortrag relativ kompliziert ist, finden Sie im folgenden Text ein Basiswissen zu Diagnostik und Therapie der Sepsis, aus dem sich die meisten der Klausurfragen beantworten lassen müßten. 4. Dazu kommen noch einige wenige Fragen zu Beatmung, Infusionstherapie, Blutgasanalyse und 1 Frage zur präoperativen Patientenvorbereitung. Sepsis Erkennung und Diagnostik Nach wie vor weist das septische Kreislaufversagen die höchste Mortalität auf operativen Intensivtherapiestationen auf, auch wenn die Patienten mit anderen Organversagen eingeliefert worden waren(z B. Akutes Lungenversagen(ARDSAdult Respiratory Distress Syndrom – die Lieblingskrankheit der Anästhesisten – oder Nierenversagen, Blutungsschock usw.). Im Verlauf der Intensivtherapie entwickeln dann viele Patienten eine schwere Allgemeininfektion(Sepsis), wenn das nicht schon der ursprüngliche Einlieferungsgrund war und versterben oft an dieser sekundären Komplikation im Kreislauf- und Multiorganversagen. Es ist daher nützlich, wenn man ein beginnendes septisches Geschehen erkennen oder voraussagen kann um mit der Therapie frühzeitig zu beginnen. Klassische Parameter sind Anstieg der Leukozytenzahl, auch Anstieg der Granulozyten im Differenzialblutbild, Fieber, Anstieg des C-reaktiven Proteins. Bei Herrn Mustermann kommen noch eine relative Tachykardie hinzu, sowie Müdigkeit(häufig, aber sehr indifferent) und Schüttelfrost(seltener, aber mehr pathognomonisch) Neuerdings haben sich zudem die Werte von Procalcitonin als Sepsisparameter hervorragend bewährt. Zum OP-Zeitpunkt haben sich bei Herrn Mustermann bereits Anzeichen eines beginnenden Versagens einiger Organe entwickelt(Kreislauf, Lunge, Niere). Organspezifische Anzeichen für Infektionen sind weiter gelbliches(in der Regel Staphylococcen) oder grünliches(Pseudomonas) Trachealsekret, in der Mikroskopie Leukozyten im Trachealsekret(das alles geht natürlich nur, wenn die Patienten schon intubiert sind), trüber Urin. Im Idealfall können Sie schon auf der Station eine GramFärbung des Trachealsekrets anfertigen und Leukozyten, grampositive Bakterien(häufig) und gramnegative Bakterien(selten) oder Pilzsporen(wenig) unter dem Mikroskop erkennen. Wenn Sie auf der Intensivtherapiestation nachts um halb vier Ihre Oberärztin anrufen um zu fragen, ob Sie eine Antibiotika-Therapie ansetzen sollen und welche -1- Antibiotika sie anwenden sollen, sollten Sie in der Lage sein, diese Befunde bereitzuhalten und durchgeben können(Nebenbei dort wo ich auf einer Intensivtherapiestation tätig gewesen war, gab es nur Oberärtzinnen und zwar zwei an der Anzahl. Wir haben uns höllisch gehütet, sie wegen irgendwelcher Banalitäten und dann auch noch datenmäßig unvorbereitet nachts um halb vier anzurufen). Normalerweise ist eine Infektion mit Fieber assoziiert. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass im Gegensatz zu dem im letzten Abschnitt Gesagten bei einer Sepsis die Körpertemperatur durchaus auch erniedrigt sein kann. Falls dann die Quelle einer Infektion operativ angegangen werden kann, ist die Entfernung des Infektionsherdes die optimale Therapie. Wenn dies nicht möglich ist, muss man auf Antibiotika und Gott vertrauen. Das konkrete Vorgehen ist dann so: Wenn man annimmt, dass die Ursache eines schweren Kreislaufversagens ohne direkte äußere Ursache(z. B. Blutung) eine schwere Allgemeinentzündung (Sepsis) ist(das sollte die erste Arbeitshypothese sein, auch wenn sie Operateuren nicht gefällt[auf bayerisch/östereicherisch: „Wann i net woaß, was es is, dann soag i hoalt i denk es is a Sepsis“]), ist es wesentlich, nach möglichen anatomischen Quellen der Infektion zu suchen um sie falls möglich, operativ angehen zu können. Am häufigsten kann das sein: Die Lunge (Röntgen Thorax, Thorax CT)->Infiltrate, Verschattungen(Therapie-> Antibiotika, Absaugen von Trachealsekret). Die Niere (Harnverhalt, Aufstauung des Nierenbeckens in der Sonographie und im Röntgen -> Therapie: Drainage, Antibiotika) Im Blut (so genannte Blutvergiftung)->Allgemeine Sepsis, Entnahme von Blutkulturen sinnvoll (unter Antibiotikatherapie aber leider oft erfolglos. Dazu als Fußnote noch, wenn sie in der Blutkultur Staphyolococcus epidermidis bei nicht immunsuprimierten Patienten vorfinden, ist das meistens ein Artefakt, hervorgerufen durch zu wenig Desinfektion vor der Blutentnahme, bei immunsuprimierten Patienten sollten Sie aber länger darüber nachdenken, ob das wirklich nur ein Artefakt ist, oder dieser Befund doch den Tatsachen entsprechen könnte. Sie müssen sich dann ernsthafte Gedanken über die weitere Antibiotikatherapie machen(Therapie-> Da wird’s schwierig, im Wesentlichen Antibiotika, viel Nachdenken und Gottes Hilfe). Als bakterielle Ursache einer solchen Sepsis ohne spezifischen Herd kommt eine Translokation von Bakterien aus dem Magen-Darm-Trakt in Frage. Das Peritoneum: Druckschmerzen/Loslassschmerz (beim beatmeten Patienten natürlich nicht erhebbar), Peritonismus (Steifheit des Peritoneums beim Palpieren), Zustand nach abdominalen Operationen(Therapie >Peritoenallavage(Auswaschen des Peritoneums und damit Erniedrigung des Bakterienloads – Statement der Operateure: Wir haben nichts gefunden. Nur sieht man dann häufig, dass es dem Patienten nach der Lavage von Stund an besser geht; ansonsten natürlich Antibiotika). Künstliche Implantate, zum Beispiel künstliche Hüftgelenke, oder künstliche Gefäßprothese(Therapie: Ausbau des Implantats). Natürlich gibt es auch andere Infektionsherde, an die man denken sollte, wenn man nichts anderes findet, z. B. solche aus dem HNO-Bereich(Tonsillitis, Nasennebenhöhlen[Ich habe einmal tagelang einen armen HNO-Kollegen damit genervt, einem Patienten, der im Röntgen eine Verschattung einer Nasennebenhöhle hatte die Selbige aufzumeißeln. Es hat sich dann herausgestellt, dass die Verschattung knöchern war und keine Infektion. Der Patient ist dann unter Antibiotikatherapie von allein gesund geworden. Bis zum heutigen Tage weiß ich noch nicht, wo der Infektionsherd gelegen war]). Eine weitere Erfahrung in der Intensivmedizin besteht darin, dass man zwar ein infektiöses (septisches) Geschehen vor sich hat, aber in Abstrichen und Blutkulturen keine Bakterien finden kann, die dafür verantwortlich sind. Es wird dann die Diagnose eines Systemic Inflammatory Response Sydroms(SIRS) gestellt, das dennoch gleich wie eine Sepsis behandelt wird. Als Definition eines SIRS gilt, wenn 2 oder mehr der folgenden Symptome vorliegen: - Körpertemperatur > 38° oder < 36°. - Herzfrequenz > 90/min - Atemfrequenz > 20/min oder pCO2 < 32 mmHg. - Leukozyten > 12 000/mm3 oder < 4 000/mm3 oder > 10% unreife Formen -2- Allgemeine Therapie - Prinzipien Ein wesentliches allgemeines Ziel der Therapie beim septischen Kreislaufversagen ist es, alle Körperorgane optimal mit Sauerstoff zu versorgen, auch wenn man da physiologische Kompromisse machen muss(„alle Organe möglichst gleich schlecht zu halten, sodass nicht eines auf Kosten der anderen völlig versagt“). Deshalb sollte man sich in Erinnerung rufen, wovon die Oxigenierung der Organe des menschlichen Körpers abhängt: Von der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (je dünner die Luft, desto eher bekommt man Probleme mit der Atmung, vor allem wenn man herzkrank oder lungenkrank ist, zum Beispiel auf der Zugspitze, dem höchsten Berg Deutschlands(nicht ganz 3000 Meter). Da habe ich einmal meine spätere Frau beeindruckt, weil ein Arzt gesucht wurde um eine ältere Patientin mit Atemnot zu betreuen. Zum Glück hatte sie sich nach meiner Ankunft schon wieder hingesetzt und etwas ausgeruht. Ich konnte ihr nur den Ratschlag geben, mit der Bergbahn wieder nach unten zu fahren(Bei Bergfahrten habe ich nicht automatisch eine Sauerstoffflasche dabei. ). Trotzdem hat mir der Bergwirt daraufhin kostenlos einen Schnaps spendiert.) Vom Ausmaß der funktionellen Residualkapazität (Sie haben schon in der Physiologie gelernt, dass die funktionelle Residualkapazität der Lungeninhalt ist, der nach einer normalen Expiration übrig bleibt und von dessen Sauerstoffgehalt ich lebe, während ich Sie in einer Vorlesung belabere ohne eingeatmet zu haben.) Man kann natürlich nur so viel tragen, wie man tragen kann. Deshalb hängt die Sauerstofftransportfähigkeit des menschlichen Blutes auch ab vom Gehalt an zirkulierendem Hämoglobin (Erythrozyten). Außerdem: je schneller das Herz das Blut durch den Körper pumpt (Steigerung des Herzzeitvolumens), desto besser werden die peripheren Organe mit Sauerstoff versorgt. Die so genannte gemischt venöse Sauerstoffsättigung(„gemischt venös“ heißt die Mischung des Blutes aus Vena cava superior und inferior im rechten Herzen), gewonnen aus Blut, das aus dem Körper zurückkommt(in der Regel aus der Vena cava oder besser aus der Arteria pulmonalis), und den benötigten Sauerstoff bereits an die Körperperipherie abgegeben hat, zeigt an, wie viel Sauerstoff noch für den nächsten Herzzyklus übrig ist. Wenn eine niedrige gemischt venöse Sauerstoffsättigung im zentralen venösen Blut gemessen wird (zum Beispiel 50 % Sauerstoffsättigung oder weniger), dann heißt das, dass das Blut sehr langsam durch das Gefäßsystem geflossen ist und deshalb der Sauerstoff aus den Erythrozten in den peripheren Geweben sehr stark ausgeschöpft worden ist. Konkret sind solche Patienten im Schock und unterliegen einer Ganzkörperhypoxie, messbar durch die Sauerstoffabsättigung des gemischt venösen Blutes auf 50 % oder weniger. Normalerweise ist das zurückkehrende venöse Blut etwa noch bis 70 zu 80 % mit Sauerstoff gesättigt (die Hirnperfusion in Narkose manchmal noch über 90 %). Konkret heißt das, mit der venösen Sauerstoffsättigung des Blutes haben sie ein Maß, wieviel Sauerstoff im Blut noch beim nächsten Herzzyklus übrig ist, außerdem können sie das Herzzeitvolumen abschätzen (bei halbwegs normaler Lungenfunktion, je geringer die gemischt gelöste Sauerstoffsättigung desto geringer ist auch das Herzzeitvolumen). Um zusammenzufassen: die gemischte venöse Sauerstoffsättigung ist ein Meßparameter für das Herzzeitvolumen, weniger für die Sauerstoffversorgung des Organismus und kann durch Beatmung nicht direkt beeinflusst werden. Den Blut-Hämoglobingehalt, der seit einiger Zeit zur Indikation für eine Bluttransfusion gegeben ist, habe ich Ihnen im letzten Studienjahr erklärt. Bitte erinnern Sie sich daran. Und nun raten Sie mal, wie viel Blutvolumen ich, CL habe (ich wiege glücklicherweise immer noch knapp unter 80 kg). Allgemeine Therapie – weitere Maßnahmen Wie bereits im letzten Studienjahr in der Veranstaltung über Infusionstherapie geäußert, sollte bei Patienten mit schwerer Sepsis eine adäquate Infusionstherapie frühzeitig begonnen werden. Ebenso haben ich und andere im letzten Studienjahr gesagt, dass in der operativen Medizin vorwiegend kristalloide und kolloidale Infusionslösungen verwendet werden, Glukoselösungen dagegen äußerst selten, da sie sich über den ganzen Wasserraum des Körpers verbreiten und damit einen sehr geringen Volumen-und Flüssigkeitseffekt auf das Gefäßsystem und den interstitiellen Raum bewirken. Im septischen Schock kommt zur Blutdruckstabilisierung als Vasoconstringens meistens Noradrenalin zur Anwendung (trotz positiver inotroper Effekte von Adrenalin im Vergleich zu Noradrenalin hat Adrenalin in Studien bei Intensivpatienten schlechter abgeschnitten, wenn es um die Darmperfusion geht. Dobutamin ist eine gute inotrope Substanz bei herzinsuffizienten Patienten, bei kreislaufinsuffizienten Patienten mit Sepsis in der operativen Medizin hat es sich nicht bewährt – wir haben es oft genug ausprobiert und es ist immer schiefgegangen. Konkret, der durchblutungssteigernde Effekt war minimal und die Patienten sind dann nur tachykard geworden). Ein auf Volumen- und Katecholamingabe refraktärer septischer Schock beruht manchmal auf einer -3- Nebennrierenrindeninsuffizienz. Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn durch exzessive Volumen- oder Katecholamingabe der systolische Druck von 85 mmHg nur auf schlappe 95 mmHg ansteigt. Die Gabe von Kortikosteroiden in moderater Dosierung kann hier durchaus Wunder wirken. Ein hoher Blutzuckerspiegel in der Sepsis zeigt an, dass der Körper Schwierigkeiten hat, Nahrungsstoffe zu verarbeiten. Vorteile bei der Therapie der Sepsis bringen Versuche, den Blutzuckerspiegel wenigstens halbwegs auf Normalwerte abzusenken, was allerdings organisatorisch schwierig sein kann und am Besten unter Einbehaltung von spezifischen Behandlungsstandards auf Wach- oder Intensivtherapiestationen durchgeführt werden sollte. Beim Versagen des Organsystems Lunge müssen die Patienten künstlich beatmet werden. Außer der Übernahme der mechanischen Atemarbeit durch inspiratorisch positiven Druck wird dabei in der Regel angestrebt, die Gasaustauschfläche für Sauerstoff in der Lunge zu vergrößern indem man während der Exspiration den Druck in der Lunge nicht auf Null abfallen läßt, sondern ein positiv exspiratorischer Druck(Positive EndExspiratory Pressure, PEEP) einbehalten wird, der zu einem leicht erhöhten Blähungszustand der Lungen und damit zu einer erhöhten Gasaustauschfläche für Sauerstoff führt(Die Abatmung von CO2 wird damit wenig beeinflusst. CO2 ist so diffusibel, dass es sich immer mit der Alveolarluft ins Gleichgewicht setzt und damit der Abtransport aus dem Körper vorwiegend davon abhängt, wieviel Alveolarluft pro Zeiteinheit an der alveolären Gasaustauschfläche vorbeigeführt werden kann, das heißt vom Atemzeitvolumen). Eine Beatmung mit inspiratorisch positivem Druck hat natürlich auch ihren Preis, nicht nur bei Intensivpatienten, sondern auch bei lungengesunden Patienten, die in Narkose beatmet werden: Durch Erhöhung des intrathorakalen Drucks wird der Rückfluss des Blutes zum rechten Herzen behindert, sodass bereits aus diesem Grund gegebenenfalls Kreislaufunterstützung mit Hilfe von Katecholaminen notwendig ist. -4-