40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 40. TCM Kongress Rothenburg vom 20. bis 24. Mai 2009 Zum 40. Mal fand nun der TCM Kongress Rothenburg statt. So viel hat sich in diesen 40 Jahren in der TCM-Welt verändert. Was mit einer „Handvoll“ Therapeuten begann, hat sich heute zu einer weitgehend anerkannten Therapieform für Heilpraktiker und Ärzte entwickelt. Die Literatur, die zu diesem Thema inzwischen veröffentlicht wurde, hat einen umfangreichen und alle Bereiche (Akupunktur, Kräuterheilkunde, Tuina, Qigong, Diätetik und auch die psychologischen und philosophischen Aspekte der chinesischen Medizin) umfassenden Rahmen erreicht. Vor 40 Jahren musste man nach Literatur noch suchen und die Therapeuten waren rar. Im Jahr 1968 fand eine Jahrestagung der AGTCM mit ca. 20–30 Kollegen statt, heute hat es sich zu einem bedeutenden Kongress entwickelt. Im Mai dieses Jahres trafen sich die internationalen Experten für Traditionelle Chinesische Medizin auf dem TCM Kongress Rothenburg. 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 30 Ländern nahmen in diesem Jahr an der Veranstaltung teil, dies entspricht einem Wachstum von 16 Prozent gegenüber 2008. Fast einhundert international renommierte TCM-Experten referierten an den fünf Kongresstagen in über 60 Vorträgen, mehr als 70 Kursen, sieben europäischen Meetings und Podiumsdiskussionen zur TCM. So ist der Kongress mit der Chinesischen Medizin gewachsen und viele TCM-Praktizierende und -Auszubildende aus Deutschland, aus unseren europäischen Nachbarländern wie der Schweiz und den Niederlanden, aber auch aus China, Japan, Russland und Südafrika sind nach Rothenburg gekommen, um die Experten aus aller Welt zu hören und von ihnen zu lernen. Der TCM Kongress Rothenburg ist eine feste Einrichtung zum Austausch für die Fachwelt geworden. Die Schwerpunktthemen waren in diesem Jahr Autoimmunerkrankungen und die Akupunktur nach den 5 Elementen. Wieder fanden der Infertilitätstag, an dem Karin Bervoets die Moderation übernahm, der Wissenschaftstag, den Velia Wortmann als Moderatorin gestaltete und der Apothekertag, an dem sich Fachleute wie Simon Becker, Uwe Gassner, Erich Stöger, Eike Reich, Mona Tawab, Beat Meier, Ulrich Bomme und Wenjun Zhong mit Qualität, Einsatzmöglichkeiten, sinnvoller Analytik und Anbau von Chinesischen Heilpflanzen beschäftigten, statt. Zu dem Thema wie die ganzheitliche Zahnmedizin den TCM-Therapeuten unterstützen kann, fand ein Nachmittag mit Erich Wühr und Peter Bornhofen statt. Die Diskussion zur Standortbestimmung des gegenseitigen Verständnisses moderierten Dagmar Hemm und Birgit Ziegler am China-Tag. Es wurden Wege zum inhaltlichen, kulturellen und menschlichen Brückenschlag diskutiert. Zu den Autoimmunerkrankungen sprachen bekannte Dozenten wie Mazin Al-Khafji, Rani Ayal, Heiner Frühauf, William Maclean, Arnaud Versluys, Fan Yongshen und Karl Zippelius. Die Spezialisten der 5-Elemente-Akupunktur: Friedlinde Adt-Bauckhage, Angela und John Hicks, Gaby Hock, Paul Hougham, Sigird Klain und Josef Müller, ließen die Teilnehmer durch ihre langjährige Erfahrung und praktisch orientierte Kurse tiefer in diese Lehre einsteigen und vermittelten das Wissen so, dass es von den Teilnehmern sofort in die Praxis umgesetzt werden kann. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Das Angebot der Kurse, die zu den verschiedensten Themen stattfanden, war breitgefächerter denn je. Unter anderem sprachen z.B. McCarthy (The nature of the energetics of the therapeutic interface-improving clinical outcomes), Dominique Hertzer (Ist der Chinesische Geist noch zu retten), Liu Lihong (Zur Schlüsselrolle der Emotionen in der Chinesischen Medizin), Arya Nielson (Chronicity and jing), Jeffrey Yuen (Manifestation von Shen – dem Geist in der Chinesischen Medizin und den/die Heiler/in in sich selbst kultivieren), Yair Maimon (Shen und jing, fire and water – The essence of life and ist meaning in acupuncture), Hamid Montakab (Psycho-emotional disturbance and the luo-connecting channels), Ru Xie-Ritzer (Das Shen bewegen – Nadeltechnik und Akupunkturbehandlung) und Elisa Rossi (Strategies of diagnosis and therapy of psycho-emotional disorders) zu dem Thema: „Der Wandel des Jingshen in der Chinesischen Medizin.“ René van Osten gab einen Kurs zu dem Thema: Die Muster des Lebens im Strichcode des Yijing. Kurse, um in die Diagnostik tiefer einzusteigen, konnte man bei erfahrenen Dozenten wie Barbara Kirschbaum, Sybill Huessen, Scott Tower, Lilian Bridges und Rani Ayal besuchen. Workshops zur japanischen Akupunktur fanden mit Stephan Birch, Gerald Kölblinger, Anglika Volmer und Hiroshi Yanashita, und zur chinesischen Akupunktur mit Astrid Kratz, Paul Hougham, Feng Ningham, Josef WeberBluhm, Renate Schröter, Gabriel Stux und Rhada Thambirajah statt. Über die Arzneimitteltherapie referierten Arnaud Versluys, Heiner Frühauf, William Maclean, Mazin Al-Khafaji, Jeremy Ross und Liu Lihong und zur Ohrakupunktur gab es Fortbildungen mit Michael Noack. Das Angebot der Tuina-Kurse war in diesem Jahr erweitert. Gordon Faulkner, Anette Jonas, Arya Nielsen, Christine Tetling, Wu Zulian und Heike Wiedemann und Jürgen Schroll boten umfangreiche Möglichkeiten sich im Tuina weiterzubilden und zu üben. Jeden Morgen und Abend konnten die Teilnehmer auf der Wiese vor dem Wildbad verschiedene Qigong- und Taiji-Stile mit Gordon Faulkner und Lucas Wilkmann kennenlernen und praktizieren, und Li Jiacheng und Livia Kohn boten QigongWorkshops an. Außerdem gab es die Möglichkeit jeden Morgen und jeden Abend zur Stille zu kommen mit einer Zen-Meditation, die Beatrice Steiff anleitete. Anliegen der Thementage „Transmission/Rezeption“ war es, Klarheit zu verschaffen über Begrifflichkeiten (s.u.). In diesem Jahr beschäftigten sich zur „Rezeption der chinesischen Heilkunde“ Andreas Noll mit der Vorstellung über das Echte und Wichtige in Ost und West, Martina Darga und Livia Kohn mit der Alchemie im chinesischen Mittelalter und der Alchemie für Frauen. Besondere Treffen fanden zu den Fachbereichen Kräuterheilkunde, Diätetik, Geburtshilfe und Tuina statt, neben vielen weiteren Foren zu Erfahrungsaustausch, Diskussion und Information. „Unser Kongress ist damit zweifellos eine der wichtigsten Plattformen weltweit für die TCM-Weiterbildung sowie für den fachlichen Austausch von Forschungsergebnissen und Praxiserfahrungen,“ so Gerd Ohmstede. Der nächste TCM Kongress Rothenburg findet vom 11.–16.5.2010 statt. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Doris Schultze-Naumburg Bericht zum 40. TCM Kongress (chin. Delegation) In diesem Jahr konnten mehrere hochrangige Vertreter aus China, dem Mutterland der von uns praktizierten Medizin, in Rothenburg begrüßt werden. Allen voran hießen wir die Vertreter unserer Partner-Universität aus Chengdu willkommen, als da waren Prof. Huang Qingxian, Prof. Duan Junguo, Herr Wu Yaohong und Prof. Wu Zuolian. Mit der TCM-Universität Chengdu verbindet uns eine lange Tradition gegenseitiger Freundschaft, und da die AGTCM dort besonders gute Konditionen für unsere Studenten bekommt, ist es uns ein Anliegen, diese Verbindung weiter zu stärken und zu pflegen. Dieses Anliegen kam auch von Seiten der TCM-Universität Chengdu zum Ausdruck, allein durch die Tatsache, dass drei Vertreter aus der Abteilung Auslandskontakte angereist waren. Die gegenseitige Wertschätzung zeigt sich auch in der Tatsache, dass man sich das Know-how der AGTCM für KongressOrganisation zunutze machen möchte. Die Universität von Chengdu plant für das Jahr 2010 einen internationalen Kongress und hat Gerd Ohmstede gebeten, ihnen mit seinem Wissen zur Seite zu stehen. Prof. Wu Zuolian als Vertreter der therapeutischen Seite der Universität Chengdu hielt zwei Workshops über Tuina. Auf dem Gebiet der fachspezifischen Seminare besteht trotz der Bemühungen unsererseits noch Kommunikationsbedarf mit den dortigen Spezialisten, da von deren Seiten gewissermaßen die Kompetenz und der Kenntnisstand der westlichen Therapeuten unterschätzt werden. Wie in allen zurück liegenden Kongress-Jahren fand auch in diesem Jahr wieder ein Interessenten-Treffen für China-Reisen statt. Außer den an einem Studienaufenthalt Interessierten waren auch Vertreter der Universitäten Chengdu und Hangzhou zugegen, so dass Informationen sozusagen aus erster Hand gegeben werden konnten. Die Studienreisen stoßen nach wie vor auf Interesse und dies wird in Zukunft auch noch weiter steigen, wenn von Seiten der Universitäten noch mehr auf die Bedürfnisse der westlichen Studenten eingegangen wird. Diese Tendenz ist zunehmend erkennbar. Wie schon im vorigen Jahr konnten wir auch einen Vertreter der Zhejiang Chinese Medical University Hangzhou begrüßen, nämlich Herrn Huang Zaiwei, der für die dortige Universität die Auslandskontakte pflegt. Er eröffnete einige sehr interessante Studien-Möglichkeiten für ausländische Studenten. So werden zur Zeit die Voraussetzungen dafür diskutiert und geschaffen, ein Bachelor-Studium in englischer Sprache und nicht mit dauernder Anwesenheitspflicht zu absolvieren. Dies würde ebenso für das anschließende Master-Studium gelten. Hier besteht allerdings noch Diskussionsbedarf, insbesondere mit den Kooperationsschulen der AGTCM. Ein weiterer Vertreter der therapeutischen Seite war Dr. Feng Ninghan, der die NeunPalast-Methode in der Akupunktur vorstellte (siehe dazu auch der Bericht seiner langjährigen Schülerin Ulla Althans in Naturheilpraxis 4/2009). Heiner Frühauf brachte Prof. Liu Lihong aus China mit, der über Emotionen und Ethik, beides wichtige Themen in der Chinesischen Medizin, sprach. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Speziell für unsere chinesischen Gäste veranstalteten wir am Mittwoch, den 20. Mai 2009 am Nachmittag einen kleinen Empfang, anlässlich dessen wir noch einmal die Besonderheiten des Kongresses der AGTCM, der in diesem Jahr zum 40. Mal stattfand, erläuterten. Bei allem Anspruch in Ausbildung und Praxis, bei aller Tiefe der Kenntnis, bei aller Differenziertheit des Verständnisses der Chinesischen Medizin ist die Gesprächsbereitschaft und gegenseitige Wertschätzung der unterschiedlichen Schulen, Standpunkte und Ansätze untereinander lebendig. Es ist das Forum, in dem TCM Therapeuten mit Geschichts-, Sprach- und Naturwissenschaftler/innen und in dem Erfahrene und Dozierende mit Anfängern und Anfängerinnen sprechen, voneinander lernen und voneinander inspiriert werden. Eine Stärke der Chinesischen Medizin ist ihre Vielfalt, und diese finden wir in den Rothenburg-Tagen wieder. Dies unterscheidet uns sehr von anderen Kongressen, insbesondere auch in China und sicherlich ist es für Chinesen, die einen durch Kultur und Traditionen bedingten anderen Umgang miteinander pflegen, nicht so leicht, dieses zwanglose und doch sehr inspirierende Miteinander zu erleben. Birgit Ziegler Rezeption und Transmission – "Buddhismus und Heilkunde – der lange Weg von Theravada/Hinayana bis Zen" Anliegen der Thementage „Transmission/Rezeption“ ist es, Klarheit zu verschaffen über Begrifflichkeiten, die wir in unserem hiesigen Sprachgebrauch terminologisch häufig geradezu leichtfertig gebrauchen. Es sind dies Begriffe, die völlig andere Bedeutungen besitzen, wenn man sie in einem anderen Sprachgebrauch, in der Beschäftigung mit einer anderen Kultur und Heilkunde und auch in einer anderen Zeit benutzen. Viele Begriffe wie „Seele“ oder die der „Organe“ werden aus unserem abendländischen Verständnis heraus benutzt und verstanden. Auch die Termini „Religion“, „Heilkunde“ und „Philosophie“ werden von uns heutzutage sorgfältig voneinander differenziert – ganz anders im ostasiatischen Umfeld: dort gehen diese Begriffe ineinander über – allzu viel haben sie miteinander zu tun, und erst in den letzten Jahrhunderten kam es bei uns im christlichen, dann aufgeklärten Abendland zu einer solchen Differenzierung der Bezeichnungen. Daoismus ist Heilkunde, Philosophie und Religion gleichermaßen. Wir haben uns auf dem diesjährigen Thementag zur „Rezeption der chinesischen Heilkunde“ mit der Alchemie beschäftigt. Unsere Assoziationen gehen damit einher mit Vorstellungen von „Magie“, „Zauberei“, „Schamanismus“ und Wundertaten, Hexenküchen und der Suche nach dem „Stein der Weisen“. Wir haben versucht diese Vorstellungen etwas aufzubrechen, wie er in der chinesischen Kultur/Medizin gebraucht wurde. Am Donnerstag ging es im Kurs von Andreas Noll um die mittelalterliche Alchemie: in dieser Zeit zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert ging es noch wenig um die Erlangung der Langlebigkeit oder Unsterblichkeit durch Meditationen oder Imaginationen. Kräuter und Mineralien wurden in Ritualen, begleitet von Gesängen und Talismanen, zu Dekokten verarbeitet, deren Einnahme zum Aufstieg in den Himmel der 8 Unsterblichen verhelfen sollte. Ge Hong, vielen Therapeuten schon bekannt, war namhafter Vertreter dieser „äußeren Alchemie“ (waidan). Der Workshop von Martina Darga mit dem Schwerpunkt „innere Alchemie“ (neidan) hatte als Essenz, Klarheit zu verschaffen: Die Alchemie in der mittleren und späten Kaiserzeit 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Chinas hatte zum Ziel, zum Einen, zum Dao zurück zu gelangen. Nicht die unendliche Verbreitung des Lebens in den „Zehntausend Wesen“ (Daodejing) verzettelnd anzustreben, sondern zur Einheit, zum Ursprung zurück zu kommen. Meditationen und spirituelle Übungen – auch entnommen aus dem Buddhismus – dienten der Imagination und Erzeugung eines inneren Embryos als Grundlage für eigenes ewiges Leben. Die Workshops von Livia Kohn hingegen machten klar, dass Daoismus nicht nur ernst und heilig sein kann, sondern so lebendig und durchaus ungezwungen, wie er auch heute noch in China existiert – auch und gerade in den Klöstern und Tempeln Sichuans in der Nähe Chengdu´s, in denen man üben und sich ausbilden lassen kann. Daoyin-Übungen – heute vielfältig auch als Qigong/Yoga-Techniken gebraucht dienten schon immer in China der Gesunderhaltung bzw. der Pflege des Lebens (Yangsheng) – ihr ganzes Spektrum bekannt zu machen, werden auch im nächsten Jahr die Workshops von Livia Kohn dienen. Andreas Noll China Tag Auch dieses Jahr versuchte eine kleine Runde von „China-Spezialisten“ einen kulturellen und menschlichen Brückenschlag zwischen uns und China zu finden. Wir konnten Prof. Feng Ninghan aus Hangzhou als Mittler zwischen den Welten in unserer Diskussionsrunde begrüßen. Seine wohl reflektierten Thesen haben viel zum gegenseitigen Verständnis beigetragen. Gerade unser „Minderwertigkeitsgefühl“ bezüglich der chinesischen Sprache und des oft nicht ganz traditionell chinesischen Behandlungsstils räumte er völlig aus. Die Sprache ist nur ein Werkzeug, wichtig ist es, die dahinter liegenden Ideen verstanden zu haben. Er führt dazu als Beispiel den Buddhismus an: Diese Religion kam aus Indien und wurde in China und Japan angepasst. Das heißt aber nicht, dass der Chan oder Zen Buddhismus besser oder schlechter als der indische Buddhismus ist, er ist nur einigen Veränderungen unterworfen worden. Daher ist die „chinesische TCM“ auch anders als die außerhalb von China praktizierten „chinesischen Medizinen“. Nicht schlechter, aber eben an unsere Bedürfnisse und Situation angepasst. In Deutschland beispielsweise verwenden wir mehr Zeit bei der Anamnese und beziehen die emotionale/psychische Befindlichkeit des Patienten mehr mit ein. Das macht man in China traditionell nicht so, kann aber als einer der deutschen Aspekte der Chinesischen Medizin betrachtet werden. So wie es eine japanische Akupunktur oder Kräuterheilkunde (Kampo) nach chinesischem Vorbild gibt, oder auch eine koreanische Akupunktur oder die französische Ohrakupunktur, so gibt es eben eine „deutsche TCM“. Dagegen ist aus Sicht von Prof. Feng überhaupt nichts einzuwenden. Die Wurzeln bleiben dieselben, nur die Zweige verändern sich. Weitere Themen des Tages waren unter anderem der Stellenwert der TCM in China; ob mit westlichen Kräutern TCM gemacht werden kann und ob die Wissenschaft (mit all ihren Wirksamkeits-Studien) letztendlich nicht eine Bedrohung für die TCM darstellt. Sie sind herzlich eingeladen unserer Runde nächstes Jahr beizuwohnen! Dagmar Hemm Die Energiequelle und die Qualität des „Qi“ im Kochtopf 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Zum 2. internationales Treffen der Diätetik- Spezialisten Das chinesische Schriftzeichen „Qi“, das allgemein mit „Energie“ übersetzt wird, zeigt in vier Himmelsrichtungen verteilte Reiskörner und aufsteigende „Wolken“, die auch als Dampf gelesen werden können. Mit anderen Worten: Reis wird gekocht und Kochdampf steigt empor. Bis zum 18. Jahrhundert stellte man den Kochtopf auf offene Feuerstellen. Dann begann der Siegeszug der Sparherde, jener eisernen Herdgehäuse, in deren Innerem das Feuer auf Rosten brannte. Beheizt wurde mit Holz oder Steinkohle. Die Feuerlöcher wurden durch ein System von Ringen erweitert bzw. verkleinert. Ab etwa 1860 setzten sich solche Sparherde in ganz Deutschland durch. Damit verschwand das offene Feuer aus den Küchen, mit wenigen Ausnahmen auf dem platten Land. Mit den neuen Herden veränderte sich die Kochtechnik erheblich. Bratspieß, Kessel und Rost wurden überflüssig. Vor hundert Jahren fand dann der Gasherd Verbreitung, der zwar auch offenes Feuer lieferte, jedoch statt Holz oder Kohle nur noch den Anschluss an die Gasleitung benötigte. Der Elektroherd, erstmals 1893 in Chicago vorgestellt, setzte sich in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch. Die Menschen gewöhnten sich nur langsam an die neue, unsichtbare Wärmeerzeugung. So war zum Beispiel die Annahme verbreitet, dass auf einem Elektroherd zubereitete Speisen “elektrisch schmeckten“. Seit den 70-er Jahren gibt es das Mikrowellengerät, das ohne Wärmestrahlung auf die Speisen wirkt, indem deren Wassermoleküle in Rotation versetzt werden und aneinander reiben, wodurch Wärme entsteht. Etwa zwei Drittel der deutschen Haushalte besitzen ein solches Gerät. Die letzte Errungenschaft sind Induktionsherde, sich äußerlich nicht von herkömmlichen Elektroherden mit Ceranfeld unterscheiden. Erst wenn ein Topf aus magnetisierbarem Material, also zum Beispiel Stahl, auf der Platte steht, wird diese warm. Durch die Induktionsspule in der Platte wird ein Wechselstrom erzeugt, der ein sich schnell änderndes Magnetfeld verursacht. Der Topfboden und damit auch der Topfinhalt werden so sehr schnell warm. Spätestens bei der Beschreibung der letzten beiden Geräte kommt die Frage auf, welche Folgen das für zumindest das „Qi“ hat, das wir täglich in Form gekochter Speisen zu uns nehmen. Beeinflusst das Kochen mit unterschiedlichen Energiequellen das Qi der Speisen? Diese Frage stellten sich 17 KollegInnen aus Deutschland, Schweiz, Österreich, Italien und England beim 2. internationalen Treffen der Diätetik- Spezialisten im Rahmen des TCM Kongesses in Rothenburg am 21. Mai 2009. Allen war klar, dass die offene Feuerstelle der Vergangenheit angehört. Niemandem waren ernst zu nehmende und überprüfbare Studien bekannt, die schädliche Wirkungen durch Induktionsherde und selbst Mikrowellengeräte bisher nachgewiesen hätten. Vielmehr stand im Vordergrund, die Patienten zu motivieren, wieder selbst zu kochen, wobei es zweitrangig ist, mit welcher Energiequelle gekocht wird. Alle einigten sich darauf, eigene Erfahrungen mit den unterschiedlichen Energiequellen machen zu wollen und sie untereinander auszutauschen. Der Mikrowelle stand man mit Misstrauen gegenüber. Peter v. Blarer (Schweiz) berichtete von einem Experiment, bei dem die Keimfähigkeit von Getreide mit unterschiedlichem Wasser getestet wurde. Dabei stellte sich heraus, dass 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Kranenwasser und abgekochtes Wasser normale Ergebnisse hervorbrachten, das in der Mikrowelle gekochte Wasser jedoch bessere Keimfähigkeit erzielte. Allerdings wurde festgestellt, dass Essen aus der Mikrowelle nicht mehr duftet. Jani White (England) berichtete von einer Studie aus Devon (GB), bei der sich herausstellte, dass die Verwendung regionaler Nahrungsmittel mit frischer Zubereitung einen nachweislich positiven Einfluss auf die Regeneration der Patienten hat gegenüber in der Mikrowelle aufgewärmter Fertiggerichte. Die Patienten sind deutlich rascher fit, was für das Krankenhaus enorme Kostenersparnis bedeutet. Weiterhin wurde festgestellt, dass Kochen immer ein Denaturierungs-Vorgang ist. Hier sei daran erinnert, dass das Wort „kochen“ vom lateinischen coquere kommt und „kochen, sieden, reifen“ bedeutet. Ohne chemische Reaktionen kann das Kochen nicht funktionieren. Der Vorgang lässt Eiweiße gerinnen, lockert Zellgewebe, gelatiniert Bindegewebe, verflüssigt Fette, dickt Stärke ein, setzt Mineralstoffe frei und – nicht zuletzt – bildet verlockende Geschmacksstoffe. Neben der Bekömmlichkeit liefert Gekochtes dem Körper Wärme. Man kocht für das Verdauungsfeuer. Besonders mit geringer Hitze lange Gekochtes liefert auch dann Wärme, wenn es auf Zimmertemperatur abgekühlt gegessen wird. Zuletzt wurde noch das Tieffrieren kurz angesprochen und als eine Form des Garens bezeichnet. Beim Fleisch lässt sich das deutlich beobachten: Fleisch „reift“ beim Tiefkühlen; es dauert nur länger. Insgesamt war das Treffen ein guter Anfang, untereinander in eine inhaltliche Diskussion miteinander zu kommen. Themenwünsche für das nächste Treffen mit Kurzreferat: Ernährungswende (Konsumentenverhalten): 1. Empirische Ernährungstypen und Fünf Wandlungsphasen. 2. Stoffwechseltypen: Metabolic typing. Helmut Magel Teilnehmer zu verschiedenen Seminaren in Rothenburg: Roland Döring über Josef Müller Das gesamte Spektrum des Leitbahnsystems ausschöpfen Nach den Aussagen von Kollegen und auch aus dem Inhalt mancher Bücher ist zu entnehmen, dass „schwere innere Erkrankungen (Substanzdefekte) nur mit Kräutermedizin behandelt werden können". Josef Müller hat uns in seinem Kurs Möglichkeiten aufgezeigt, mit denen man durchaus mit der Akupunktur solche tiefer liegenden Erkrankungen behandeln kann. Das gesamte Spektrum des Leitbahnsystems ausschöpfen bedeutet nicht nur alle Leitbahnen (Tendino Muskuläre Meridiane, Sonderleitbahnen) zu verwenden, sondern den Menschen und seine Erkrankung auf die drei Ebenen einzuteilen und zu behandeln: Himmelsebene behandelt den Shen. Menschebene behandelt das Chi. Erdebene behandelt den Körper. Josef Müller zeigte uns einige Methoden, wie verschiedene Techniken kombiniert werden können. Diese waren unter anderem: 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Diagnostik über die Bauchzonen,- Transmissionen über den Shen- oder Ko-Zyklus, Antike Punkte, Moxa, Gua Sha, heiße Nadel, der Einsatz von Magneten. Für mich war der Kurs interessant und lehrreich, und ich bekam neue Wege aufgezeigt. Sabine Goldmann über Li Jiacheng Dantian Qigong Das Jin DanDao System setzt sich aus mehreren Qigong-Übungen zusammen, die dazu dienen die eigene Aufmerksamkeit ins Dantian zu richten und diese Stärke nutzbar zu machen: Es wird kosmisches Qi aus dem Himmel und aus dem Universum aufgenommen, um es – besonders als Therapeut – nutzen zu können. Viele Übungen dienen außerdem der Reinigung und der Abgrenzung gegenüber den Energien der Patienten. Zuerst übten wir gemeinsam den kleinen Energiekreislauf Xiao zhou tian, mit dem Ziel, den inneren Kreislauf – bestehend aus Ren Mai und Du mai – zum Fließen zu bringen, um verschiedene Organsysteme zu stärken und Blockaden zu beseitigen. Wir erlernten ein System von 5 Übungen aus dem Jin Dan Dao, die alle darauf abzielen, das Qi im unteren Dantian zu mehren und sich von schadhaften Energien zu befreien. Es sind sehr einfache Übungen, die aber unglaublich kraftvoll und facettenreich sind, außerdem sind sie gut in den Alltag einzubauen. Beeindruckend war das aufmerksame Nachfragen von Meister Li bezüglich unserer Empfindungen: Er nahm sich die Zeit, jedem Einzelnen zu sagen, wo er in seiner Übensphase steht und wo die Schwierigkeiten liegen; so, als könnte er direkt in die Menschen hineinschauen. Die Wirkung der Übungen besteht in der Regulierung und Harmonisierung des QiFlusses, außerdem in der Regulierung des Atemflusses, Kräftigung der Nieren und Stärkung der Mitte. Entspannung und Ruhe stehen im Vordergrund, um den Leber-Qi Fluss geschmeidig zu halten. Hinweis: Meister Li Jiacheng wird vom 02.07.–05.07. das Basis Wissen Dantien Qigong in einem Seminar der Naturheilpraxis Sabine Goldmann in München/Gräfelfing unterrichten; mehr unter www.naturheilpraxis-goldmann.de oder [email protected] Roswitha Hauke über John Hicks Emotion Testing and the Constitutional Imbalance Auf Grundlage der Arbeiten von J.R. Worsley hat John Hicks, London, GB, u.a. CoAutor des Buches „Five Element Constitutional Acupuncture“, eine Methode entwickelt, die es dem Praktiker ermöglicht, zu lernen, die Emotionen des Patienten nicht nur zu beobachten, sondern bewusst Situationen zu erschaffen, in denen emotionale Reaktionen getestet werden können um den Konstitutionstyp eines Menschen herauszufinden. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Jeder Wandlungsphase kann dabei eine bestimmte Bandbreite von Emotionen zugeordnet werden, dem Holz z.B. Depression, Frustration, Ärger, rasende Wut. Zunächst macht man sich klar, was z.B. Ärger auslösen kann, etwa eine Beleidigung. Der Behandler schafft eine Situation, in der der Patient Ärger ausdrücken kann. Beispielsweise indem er ihn von einem entsprechenden Erlebnis erzählen lässt, darauf dann selber Ärger zeigt und den Patienten indirekt auffordert, ebenfalls seinem Ärger Ausdruck zu verleihen. Alsdann nimmt sich der Behandler vollkommen zurück, und beobachtet, ob die Reaktion des Patienten angemessen ist oder nicht. Dafür empfiehlt er uns zur Übung, um einen Maßstab zu bekommen, mindestens 25 Nicht-Holz-Typen auf Ärger zu testen, damit wir eine Referenz haben. Denn nur der Holz-Typ wird ein Ungleichgewicht beim Ausdruck von Ärger zeigen, alle anderen Konstitutionstypen können Ärger angemessen ausdrücken und dann wieder loslassen. Vermutet man einen Erde-Typ, testet man die Reaktion auf Mitgefühl, beim MetallTyp auf Anerkennung, beim Feuer-Typ den Ausdruck von Freude oder die Reaktion auf ein Kompliment. Nachdem der Behandler auf überzeugende Weise eine Emotion ausgedrückt hat, wobei er es ehrlich meinen muss, auch die Körperhaltung, ganz allgemein der nonverbale Ausdruck spielt eine große Rolle, danach also muss er die Emotion quasi wieder abstellen, sich also nicht persönlich verwickeln, und die emotionale Reaktion des Patienten beobachten. Körperhaltung, Atmung, Gesichtsausdruck, Stimme, Intensität, Dauer, Anstieg, und Abflauen der Reaktion, all das beschreibt John Hicks genau in seinem Test-Konzept. Wir haben im Verlauf des Tages die Elemente Erde, Feuer, Metall und Holz besprochen. Nachdem er uns das jeweilige Testsetting und Vorgehen beschrieben hat, hat J. Hicks uns Beispiele von Patienten auf Video gezeigt. So konnten wir sehr gut beobachten, wie sich die ausgeglichene emotionale Reaktion von einer gestörten, nicht harmonischen emotionalen Ausdrucksweise unterscheidet. Als dritter Abschnitt kam die Übung das Gelernte sogleich in die Praxis umzusetzen. In Vierergruppen haben wir getestet: A war Therapeut, B Patient, C und D Beobachter. Anschließend an das Testen wurde B-Patient hinausgeschickt und C und D haben A Feedback gegeben und gemeinsam hat man die Reaktion von B analysiert. Es war also ein sehr ganzheitliches Seminar. Hören/Verstehen, Sehen/Erkennen und Erfahren/Umsetzen waren geboten, und ich habe das Gefühl, mit dem, was ich dort gelernt habe, wirklich arbeiten zu können. Erstens, weil ich es verstanden habe, und zweitens weil die Umsetzung so klar beschrieben ist. Allerdings bedarf es viel Übung. J. Hicks erzählte, dass seine Studenten allein 80 Stunden damit verbringen, Emotionen zu testen und zu diagnostizieren. Auch die Frage, was ein TCM-Therapeut, der nicht 5-Elemente-Akupunktur praktiziert, damit anfangen kann, hat er uns beantwortet. Seiner Erfahrung nach erzielt man auch als TCM-Akupunkteur bessere, tiefgreifendere Resultate, wenn man den Konstitutionstyp berücksichtigt. Als Beispiel nannte er einen Feuer-Typ mit Magenproblemen. Anstatt das Erdelement zu behandeln, würde er den Erdpunkt auf einer Feuer-Leitbahn nadeln. Oft sind die Resultate dann viel tiefgreifender und langfristiger wirksam. J. Hicks Stil ist sehr klar, systematisch, seine jahrzehntelange Erfahrung ist deutlich spürbar. Er wusste genau, wovon er sprach und hat auch nichts ausgelassen. Und bei aller Ruhe und Gelassenheit kam doch immer wieder mal sein feiner, trockener Humor durch, von Dinah Marker gekonnt übersetzt. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Prof. Wu Zuolian Behandlungsformen beim Tuina für weit Fortgeschrittene Mit viel Spannung erwartet wurde der Kurs von Prof. Wu Zuolian von uns TuinaTherapeuten, wobei die Erwartungen hinsichtlich der Ankündigung „für weit Fortgeschrittene“ recht unterschiedlich waren. Wir waren eine Gruppe von 8 Teilnehmern, sodass neben der theoretischen Erörterung der Themen auch Zeit und Raum blieben für praktische Übung. Sehr klar und systematisch wurden 3 Krankheitsbilder besprochen. Nackenschmerzen, Schulterschmerz und Lumbalgie bzw. Lumbalprolaps. Dabei hat Prof. Wu viel Wert auf die Differentialdiagnose nach TCM-Kriterien gelegt. Die Behandlung auf der Basis einer falschen Diagnose kann u.U. zu einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes und der Schmerzen führen. Prof. Wu ließ viel Raum für Fragen und hat sich auch viel Zeit genommen, die Techniken genau zu zeigen und zu erklären. Auf den ersten Blick schien für mich nicht viel Neues dabei zu sein, da es sich um die Basisbehandlungen der genannten Krankheitsbilder handelte. Das Interessante aber lag im Detail, in der genauen Ausführung der einzelnen Griffe und Techniken. Am Beispiel der drei Krankheitsbilder vermittelte Prof. Wu auch eine Idee, nach welchen Kriterien man ein Behandlungskonzept aufbauen kann. Er erläuterte die verschiedenen Phasen der Behandlung und welche Technik wo und wie am besten wirkt – alles sehr präzise. Dabei hat er uns deutlich gemacht, dass es nicht auf Kraft und Schnelligkeit allein ankommt. Oft bleibt die Wirkung dann nur an der Oberfläche, abgesehen davon, dass es den Therapeuten zu viel Kraft kostet. Besonders für Rou (Kneten) und Gun (Rollen) gilt, dass man mit einer langsameren, ruhigeren und gezielten Ausführung der Technik eine tiefergehende Wirkung erzielen kann. Der Vortrag wurde von Prof. Wu auf Chinesisch gehalten und von Min Wu aus Hamburg hervorragend und mit viel Fachkenntnis übersetzt. Auch wenn sich einige vielleicht noch ein paar Spezialitäten erwartet hätten, denke ich, haben wir alle unsere Praxis verbessern und vertiefen können. Cynthia Roosen über Dr. Feng Ning Han Dumai) Ren Du Liu Zu-Methode (Akupunktur von Renmai und Dr. Feng erläuterte auch Dank der guten Übersetzung in sehr verständlicher Weise eine Methode des Balancierens von Yin und Yang auf Ren- und Dumai. Bei dieser Methode spielen die 8 Leitkriterien eine zentrale Rolle in der Anamnese. Es werden bei dieser Methode die hilfreichsten Punkte aus den je 6 Schlüsselpunkten der beiden Meridiane gesucht und mit sedierender oder tonisierender Technik genadelt. Für den/die erfahrene/n Akupunkteur/in waren die ausführlich dargelegten Techniken des Sedierens und Tonisierens nach der Tradition seiner Familie neu, interessant und einleuchtend. Dr. Feng Ning Han Das Neun Palast Modell in der Akupunktur 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Trotz Überfüllung eines Raumes mit störenden Säulen, wodurch die Sicht auf die Wandprojektionen und den Flip-Chart für viele nahezu unmöglich war, gelang es Dr. Feng durch seine zugewandte und liebevolle Art den ganzen Tag eine gute und gelöste Atmosphäre aufrecht zu erhalten. Diese Methode beruht auf einem numerischen Modell, bei dem die Zahlen 1–9 als die Neun Paläste bezeichnet werden und in einem Quadrat angeordnet sind. Dabei ergibt die Quer-, Längs- und Diagonalsumme immer die Zahl 15. Dieses Quadrat lässt sich auf die zu behandelnden Bereiche projizieren und sowohl in der Bauchakupunktur, als auch für die Behandlung der Wirbelsäule, von Ekzemen und Alopezie einsetzen. Dabei spielten die am Vortag dargelegten Techniken des Sedierens und Tonisierens eine bedeutende Rolle. Beide Kurse waren eine Bereicherung für den Praxisalltag. Gordon Faulkner Nabeldiagnose und Tuinabehandlung Da es keinen wirklichen Sinn gehabt hätte nur einen einzelnen dieser Kurse zu besuchen, fasse ich in diesem Bericht beide Kurse zu einem zusammen: Wir lernten eine feine und differenzierte Form der Nabeldiagnose kennen. Dabei begutachtet man die Lage, Form und Struktur des Nabels und versucht die Ursachen für die Faltenbildungen, Verziehungen und Lageveränderung herauszufinden. Mir war vorher noch nicht bewusst gewesen, wie schnell sich das Aussehen des Nabels durch bestimmte Lagerungen und durch die sanfte Behandlung verändern kann. Gordon Faulkner zeigte uns mit seiner feinen humorvollen und ruhigen Art ein paar Möglichkeiten der sanften Tuina-Behandlung des Bauches, die eine allgemein ausgleichende Wirkung auf Körper, Psyche, Seele und Emotionen hat und dadurch bei den unterschiedlichsten Erkrankungsmustern angewendet werden kann. Eine Bereicherung für die Arbeit jedes/er Tuina-Therapeuten/in. Gabriele Schennen über Elisa Rossi Strategies of Diagnosis anf Therapy of Psycho-Emotional Disorders Auch noch in den letzten Stunden des TCM-Kongresses 2009 fand eine Gruppe wackerer KongressteilnehmerInnen ihren Weg in die obere Etage des Kurhauses, um an einem interessanten Vortrag von Elisa Rossi aus Mailand über die Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten psycho-emotionaler Störungen teilzunehmen. Neben einigen anschaulichen Fallbeispielen aus der langjährigen Praxis von Frau Rossi galt ihre besondere Aufmerksamkeit der Beschreibung und Definition der verschiedenen Qi-Bewegungen im menschlichen Organismus, die als Emotionen ihren Ausdruck finden. Frau Rossi nahm einen Vergleich zwischen den Klassischen Texten, die sie zahlreich zitierte, und dem DSM III ( Diagnostic and Statisical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen ) vor, der erfrischender Weise einmal nicht auf die Unterschiede zwischen chinesischer und westlicher Medizin abhob, sondern auf die Übereinstimmungen in den Zustandbeschreibung der jeweiligen psycho-emotionalen oder psychopathologischen Störung einging und diese unterstrich. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Sie gab damit einen Denkanstoß auf das integrative Potential zwischen Klassischen und Modernen Texten zu achten, und dieses in der Diagnosestellung als auch in der Behandlung zu nutzen. Darüber hinaus gab E. Rossi einen kurzen Einblick in eine ihre Therapiemöglichkeiten bei psycho-emotional erkrankten PatientInnen, nämlich jene über die sog. "Shen-Achse" zu behandeln. Diese Methode basiert simplifiziert dargestellt auf der Strategie über den "Kleinen Kreislauf" von Renmai und Dumai zu behandeln. In Korrespondenz zu den gezeigten Symptomen der psycho-emotionalen Störung wird ein Akupunkturpunkt in jedem "dantian"-Bereich (oberer, mittlerer und unterer jiao) auf dem Renmai resp. Dumai in Kombinationen mit einigen wenigen entsprechenden Punkten in der Peripherie genadelt. Die Therapieergebnisse stellte Frau Rossi als effektiv und nachhaltig dar. Anhand einiger Fallbeispiele, die durch Fragen der TeilnehmerInnen aus deren Praxis ergänzt wurden, gab Frau Rossi ein abgerundetes Bild ihrer Arbeit in Theorie und Praxis wieder. Eine gelungene Veranstaltung zum Abschluss eines gelungenen Kongresses! Jürgen Schroll über Arya Nielsen Gua Sha, a Traditional Technique for Modern Integrative Practice Anhand einer praktischen Demonstration an einem Workshop-Teilnehmer startete Arya Nielsen humorvoll und in altbekannter Kompetenz die Gua Sha Fortbildung in Rothenburg. Sehr viel Wert legte sie auf die Zungendiagnose und die sofortigen Änderungen des Zungebildes nach der Behandlung – insbesondere in Bezug auf das Verschwinden von Hitzezeichen. Nach einer theoretischen Einführung und einigen klinischen Beispielen, z.B. Clusterkopfschmerz, chronische Sinusitis, Fibromyalgie, Tennisellbogen, etc setzten alle Teilnehmer in 3er Gruppen das Gelernte direkt und mit sichtbarem Erfolg um. Gua Sha ist eine effektive Methode zum Blutbewegen, Lindern von Schmerzen und Steifheit, sowie zum Ausleiten von pathogenen Faktoren. Es ist relativ leicht zu erlernen und sofort in der eigenen Praxis umsetzbar. Für Arya Nielsen ist es eine Selbstverständlichkeit, ihr enormes Wissen und ihre klinische Erfahrung in Gua Sha Therapie anwendbar weiterzugeben. Besonders hilfreich waren die Schilderungen zur Kombination mit Akupunktur, da die Nadelung starker lokaler Punkte (keine Triggerpunkte!) das Qi regional sammeln und somit das Auswärtsbewegen pathogener Faktoren unterstützt. Am späten Nachmittag schilderte sie zusätzlich ihre Literaturrecherchen bezüglich Gua Sha und die internationale – oft sehr falsche – Darstellung dieser Therapieform. Doris Schultze-Naumburg über Gaby Hock „The doctor is the medicine“ Besonders wenn es um tiefere, seelische Probleme und Fragen der Patienten geht, werden wir in einer Art gefordert, die immer wieder den Grad der eigenen 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Entwicklung und die Fähigkeit zur Präsenz in der Arbeit mit dem Patienten zeigt. Und die Frage nach dem, was Heilung oder den Heiler in uns eigentlich ausmacht, beschäftigt Therapeuten wohl immer wieder. Gaby Hock führte uns in einer bereichernden Art an die fünf Shen, die Bestandteile, die die innewohnende ‘Natur’ einer Person ausmachen, heran. Das Herz steht in den meisten Kulturen für den Mittelpunkt des gesamten Systems, um das sich alles dreht, ohne das das Leben nicht stattfinden kann. Auch steht es für unsere geistige Klarheit und Entscheidungskraft, ohne die wir keine Diagnose und Behandlungsstrategie erarbeiten können. Shen entspricht dem Prinzip des Lichts und der Intelligenz und gehört zu dem Element Feuer. Wenn wir mit dem Herz „denken“ stimmt die Verbindung von Herz und Verstand und unsere Intuition kommt zum Tragen. Um Shen zu kultivieren müssen wir Stress und Angst reduzieren, den Geist mit friedlichen Gedanken besänftigen, das Herz beruhigen und Mitgefühl, Dankbarkeit, Anerkennen, Großzügigkeit und Liebe entwickeln. Dem gegenüberliegendem Element Wasser zugeordnet ist die Qualität des Zhi, das der Willenskraft entspricht und für die Motivation zuständig ist. Um Zhi zu kultivieren müssen wir ungesunde Ängste reduzieren und Bedachtsamkeit praktizieren, die lebenswichtigen Resourcen erhalten, auf die Weisheit des Körpers achten und innere Stärke durch Stille entwickeln. Po gehört zum Element Metall und kann auch als animalische Seele bezeichnet werden, die für die Intelligenz des Körpers steht und durch körperliche Betätigung z.B. in Form von Yoga- und Atem-Übungen und einen disziplinierten Lebensstil kultiviert werden kann. Hun, die allumfassende menschliche Wanderseele, hat ihren Bezug zum Element Holz und ist verantwortlich für Intuition, Tag- und Nachträume, und die Intelligenz und Phantasie. Wir können sie kultivieren durch Kreativität, durch die Kunst, Musik, Tanz, Sein in der Natur usw. Und Yi, die mit dem Element Erde assoziiert und unserer Absicht und Intention entspricht, können wir kultivieren indem wir das Herz mit dem Yi und dem Qi verbinden. Wenn das Herz stabil ist, kann sich Shen durch das Erdelement manifestieren und Form annehmen in der Kraft der Intention Yi. Wu Wei – Is it essential in todays TCM practise Ein sehr interessantes Treffen stellte für mich das “World Café” dar. Dies war für mich persönlich die beeindruckenste Veranstaltung des diesjährigen Kongress. Es trafen sich für diese 1½ Stunden nur 6 Personen, 6 Frauen, die sehr gespannt und interessiert und sehr offen an dieser Runde teilnahmen. Und gerade diese Offenheit der Teilnehmer machte es aus, dass diese Veranstaltung so beeindruckend sein konnte. Immer zwei Personen bildeten eine Gruppe, d.h. wir hatte drei Gruppen, die miteinander kommunizierten und nach 20 Minuten ging einer der Gesprächspartner zu nächsten Gruppe weiter, die Gespräche wurden fortgesetzt, so dass am Ende der 1½ Stunden sich neun unterschiedliche Gesprächsgruppen miteinander ausgetauscht hatten. Gaby Hock führte uns kurz in das Prozedere ein, dann bildeten sich die ersten Paare und tauschten sich in einem sehr tiefgehenden Prozess darüber aus, was es möglich macht, dass Heilung wirklich geschehen kann, was geschehen muss, dass die „Heilenergie“ fließen kann und sich der Patient angenommen fühlt ohne Bewertung, 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 wie wir diesen Raum kreieren können, ohne dabei Energie zu verlieren, sondern uns im Gegenteil nach der Behandlung eigentlich erholter fühlen als vor dem Behandeln. Wir tauschten uns auch über die Gründe aus dafür, wenn unsere Energie doch einmal absinkt, welche Themen wir dabei berühren, und wie wir nur durch Anerkennen und Nicht-Urteil diesen Prozess wieder umkehren können. Nach diesem Austausch fühlten wir uns, als kämen wir aus einer tiefen Meditation. Es war eine sehr beglückende Arbeit und ich möchte mich bei allen Teilnehmern und natürlich der Dozentin bedanken, dass diese Arbeit möglich war. Silja Thiemann über Jeffrey C. Yuen Kultivierung unserer Berufung als Heiler Auf dem 40. TCM Kongress in Rothenburg im Mai 2009 hielt Jeffrey C. Yuen, New York, einen Vortrag über den Umgang mit unserer Berufung als Heilkundige sowie die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit. Immer wieder schlossen sich in den Rothenburger Vorträgen die Kreise, sobald der Begriff der geistigen Welten, Shen, thematisiert wurde. Die Kernaussagen hallten mehrfach in mehreren Vorträgen von verschiedenen Dozenten wider, sei es bei Josef Weber-Bluhms (D) Weg zum Herzen über die Lebensachse; sei es Liu Lihongs (CN) Auseinandersetzung mit der Schlüsselrolle der Emotionen mit (Spontan-)Heilung; sei es Elisa Rossi (IT) über psychische Erkrankungen im Kontext der geistigen Welten, Shen; oder Heiner Frühaufs (USA) Symbolanalyse zu den Tiefenaspekten der AkuPunkt-Funktionen. Nicht zuletzt finden sich immer wieder Parallelen und Ergänzungen zum zweiten Vortrag von Jeffrey C. Yuen mit dem Thema „Manifestationen des Shen“. Auch wenn der daoistische Priester und weltweit bekannte Dozent für Chinesische Medizin sein Thema vor dem daoistischem Hintergrund der chinesischen Medizin darstellte, sind seine Aussagen und Aufforderungen für alle Therapeuten unabhängig der Fachrichtung von großer Relevanz. Dieser Artikel will die Aufforderung an uns alle, die wir therapeutisch tätig sind, zur Erinnerung festhalten. Es ist die Aufforderung von Jeffrey C. Yuen, uns immer wieder mit uns und unserer Rolle als Behandler auseinander zu setzen im Kontext von Gesundheit und Krankheit, in der Beziehung zwischen Patient zu Therapeut. „Der Therapeut sollte die Pfade des Himmels und der Erde gut kennen, die Bewegungen des menschlichen Geistes verstehen und die Tiefe der Natur erkannt haben. Dann wird er das Dao begreifen.“ (SuWen, Kap. 75) Einführung in den Begriff der „Kultivierung unserer Berufung als Heiler“ Der Begriff der Kultivierung unseres Selbst fordert an sich nicht nur Therapeuten, sondern Jeden auf, an sich zu arbeiten, sich weiter zu entwickeln. Unterschiedlich ist jedoch das Niveau, auf dem die Entwicklung gefordert wird. Grundbedingung ist Disziplin, verbunden mit Zeit und Muse zur Achtsamkeit unseres Selbstverständnisses. Die Anleitung zur Kultivierung kann nicht einfach so vermittelt werden, sondern die Unterweisung ist eher eine Aufforderung zur Bewertung und Plausibilitätsprüfung, bzw. Beobachtungen zur „Selbst-Hilfe“. Die Grundlage aller Aspekte menschlichen Bemühens ist eine strotzende Gesundheit. Aus der Gesundheit heraus eröffnen sich uns alle Möglichkeiten und Aktivitäten des Lebens. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Die Berufung als Heiler ist eine Gnade für sich und andere. Es ist die Chance durch Krankheit zu lernen, und die Bedeutung zu erfahren, die hinter der Krankheit verborgen ist. Paradigmen der Heilung I. Was begründet Heilung und bedeutet Heilmethodik? Die allgemein bekannten Begriffsdefinitionen über Heilung umfassen Worte wie Kurieren, Wiederherstellen, Wandlung, inneren Frieden, Ganz-Werdung, Akzeptanz, Rückkehr zur bisherigen, gewohnten Normalität. Heilung wird auch als kontinuierlich verlaufenden Prozess statt einem Endresultat verstanden. Auch gibt es die Auffassung, dass Heilung wohl nicht erfolgt sei, wenn eine Verschlechterung eintritt. Kranksein wird ebenso als Aufforderung beschrieben, uns mit Kräften auseinanderzusetzen, die uns zwar fremd sind, uns aber dennoch zur Übernahme von Verantwortung für unseren Zustand auffordern. Heilmethoden reflektieren jeweils Modelle aus Ätiologie, Pathologie1, und Prognose. Dies ist die Basis der Behandlung2. Viele der „Systeme“ halten sich für objektiv in ihrem Glauben an „Wahrheit“ (ob konventionell oder alternativ). Der Patient kann dabei gerne auch außerhalb des Systems bleiben (ZhuDanXi, die Suche nach einem Etikett, Muster, etc). Das Objektive neigt dazu, das am meisten Wahrnehmbare, Konkrete zu sein, überprüfbar durch „Realitäts-Checks“. Es ist eine Suche (Sucht?) nach konkreter Ursache und greifbarem Heilmittel. Manchmal ist allerdings weniger der Patient das Problem, sondern das „System“ selbst gehört für ungültig erklärt – das System an sich ist damit kein bestimmender Faktor für Heilung! Systeme setzen verschiedene Stufen des Ungleichgewichtes fest, wodurch die Priorität der Behandlung festgelegt wird. Grundlegende Dysfunktionen spiegeln fundamentale Herausforderungen (oder anders ausgedrückt: Einladungen zur Veränderung) an die Grundfunktionen des Lebens wider vom blanken Überleben über die Interaktion zur Differentiation. Interaktion meint das Knüpfen von Beziehungen zu anderen als eine Grundbedingung für Lebensqualität. Zusammen mit (kindlicher) Aufgeschlossenheit und Unvoreingenommenheit spinnt sich der rote Faden zur Abgrenzung, der Differentiation. Krankheit kann der Versuch sein, Intimität zu erreichen, um erkannt oder gehört zu werden. Zusätzlich kann sich Krankheit auch bilden als Wunsch nach Erlösung aus einem Leben voller moralischer Verpflichtungen. Das Äußere (Physis) passt sich durch Adaption an. Das Innere (Gefühlswelt/Verstand) reagiert durch Auswahl. Die Konstitution (Bestimmung/Bedeutung/Schicksal) sieht den Körper als Vehikel für das Dao (oder wie auch immer zu nennen). Die Bedeutung des Körpers liegt darin, als Instrument für das innere Sein gepflegt zu werden, statt als Hindernis empfunden zu werden, das isoliert, gemartert, ausgehungert, kurz gehalten werden muss. 1 Pathologie beinhaltet im Allgemeinen den Kampf/Widerstand zwischen Gastgeber (Zhu) und Gast (Ke), im Sinne des Immunsystems, das mit einem pathogenen Faktor ringt. Hierbei besteht ein dauerhaftes Bedürfnis nach Balance (d.h. Homöostase), incl. der Kontrolle von potentiellen Pathogenen (Gästen), die eindringen und den Gastgeber stören. Ätiologie muss dabei nicht materielle Substanz sein, denn Qi ist gleichzeitig Form und Funktion (analog Licht mit seiner Welle-Teilchen-Dualität). J. Yuen betont, dass wir nicht die physische Welt als die alleinige Quelle unserer Realität annehmen sollen. 2 Behandlung erfolgt meist durch Hilfsmittel, weniger durch das Selbst. Jeffrey C. Yuen betont an dieser Stelle allerdings, dass unabhängig von der Art des Heilmittels, dieses immer individualisiert an den Patienten gegeben werden sollte! 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Die Fragen, die sich somit an alle Medizinsysteme stellen, lauten u.a.: Was bedeutet also „wahre“ Medizin? Kann Heilung trotzdem erfolgen, wenn keine „wirkliche“ Medizin ausgeübt wird? Auf die orientalische Medizin bezogen: Wieweit ist östliche Medizin also „wirklich“ Medizin? (Und lassen sich Leitbahnen standardisieren? Was passiert beim Akupunktieren? Wie wichtig ist Deqi?) II. Konstruktion des Mythos Krankheit Zuerst stellt sich die Frage, wie kann Heilfähigkeit überhaupt überprüft werden? Ausgehend von (vermeintlichen) Tatsachen wird normiert und standardisiert. Es wird der Anschein einer Realität kreiert, wobei diese durch Statistiken und Erwartungen zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann. Den statistischen Studien, die auf klinischen Fällen beruhen, fehlt grundsätzlich die Kontrollgruppe von Personen, die nicht an dieser Erkrankung oder von der Symptomatik betroffen sind. Außerdem geben medizinische Erhebungen zwar Informationen über einen Zustand einer statistischen Kontrollgruppe, aber sie spiegeln nicht die betroffenen Einzelindividuen wider. Sicherlich ist interessant, was solche Statistiken und Studien ergeben. Viel spannender ist jedoch, was sich alles hinter ihnen verbirgt! Zweitens kommt die Frage auf, woher kommt Heilung? Stammt sie aus dem Therapeuten, oder hat er an sich keinen Einfluss, oder sogar beides? Das SuWen, Kap.14, spricht von der Bedeutung der Resonanz (Kan-Ying): „Ein guter Heiler wird sich nicht nur auf sein Wissen und seine Fähigkeiten verlassen. Er muss über Integrität, Mitgefühl, und Aufrichtigkeit als verantwortungsbewusster Therapeut verfügen. Kommt es zur Resonanz zwischen Patient und Therapeut, wird die Krankheit verschwinden.“ D.h., der Therapeut sollte auch die Ehrlichkeit haben, zu sagen, wenn er nicht daran glauben kann zu helfen. Gleichzeitig ist aber auch wichtig, diesen Mechanismus in sich selbst zu durchschauen. Es handelt sich um eine grundlegende Beschränkung durch das eigene Glaubenssystem. Vielleicht hat der Therapeut in der Vergangenheit bereits die Erfahrung gemacht, dass in einem ähnlichen Fall seine Therapie versagt hat. Nun hält er an dem einschränkenden Glaubensatz fest, statt offen zu bleiben für die Möglichkeit des Heilens, die sich immer wieder neu und individuell bietet. Der Patient hingegen muss auch bereit sein, die eigene Macht und Verantwortung zu bekräftigen, statt sich nur der Krankheit zu ergeben und zu akzeptieren. Und nicht zuletzt wird auch von seiner Seite Offenheit benötigt, um alle Möglichkeiten zulassen zu können, statt sich durch Erwartung, Ablehnung, Resignation zu verweigern. So steht im SuWen, Kap.11: „Glaubt ein Patient nicht an seine Heilung, spielt keine Rolle, was ein Therapeut macht – der Patient wird nicht genesen. Alle Heilung muss aus dem Patienten entstehen.“ Das bedeutet, der Patient trägt die Verantwortung für seine Heilung in sich selbst durch seine Handlungen, Akzeptanz und seine Glaubenssätze. Im vorhergegangenen Vortrag betonte Jeffrey C. Yuen, es gäbe keine Krankheit, die nicht geheilt werden könne, sondern nur Menschen, die unheilbar seien. Symptomatik sollte als Antwort und Reaktion angesehen werden, weniger als Pathologie. Ein Bedürfnis, ein Verlangen, ist unerfüllt oder wird auf diese Art zur „Quasi-Erfüllung“ gebracht. Stagnationen entstehen aus Mangel oder mit umgekehrtem Mechanismus aus einer pathologischen Reaktion als Kompensation. Es ist hierbei wichtig zu verstehen, dass nicht alle Symptome und Erscheinungen direkt mit der Erkrankung zusammenhängen. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 III. Die Rolle des Heilers Aus dem Schamanen (Wu) entwickelte sich im Laufe der Menschheitsgeschichte der Lehrer (Fang Shi). Jedoch benannte damals noch der Patient, was verändert werden solle. Der Schamane war Vermittler. Im Laufe der Entwicklung entstand dann der eigentliche Therapeut (Yi). Somit wurde aus dem ursprünglichen Zeuge, als den sich der Schamane sieht, erst ein Instruktor. Ein Schamane kann vielleicht nicht erklären, warum er etwas macht, aber er weiß intuitiv, warum er bestimmte Dinge tut. Je erfahrener er ist, desto besser kann er erklären, er wird zum Lehrer. Später wurde aus dem Heiler sogar mehr und mehr ein Erlöser, ein Messias, der exakt weiss, was der Patient zu brauchen hat. Der Patient wird so zum hilflosen Ignoranten degradiert und der Therapeut zum Experten hochstilisiert. Somit hat sich die Rolle des Heilers im Laufe der Zeit stark verändert, vom Anstifter über den Diktator bis hin zum coschöpferischem „Gott in Weiß“. Die heutige Gesellschaft lebt oft in dem Glauben, je mehr Wissen ein Therapeut angehäuft hat, desto kompetenter ist er als Heilkundiger (Der beste Therapeut ist also derjenige, der die Spitzenposition in irgendeinem wissenschaftlichen Ranking anführt?). Ist es nicht aber auch so, dass je mehr gelernt und Wissen gesammelt wird, desto mehr Konfusion entstehen kann? Und viel wichtiger: es entsteht ein Riesenverlust in der Bereitschaft, das Unerwartete zuzulassen! Wem oder was will ich Glauben schenken? Jeffrey C. Yuen betont an dieser Stelle, wie wichtig es ist, zu ehren, was man glaubt. Denn Wissen kann weitergegeben werden, Erfahrung hingegen nicht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die eigene Beobachtung der Beziehung zwischen Patient und Behandler. Es gilt, ebenso die Reaktionen der Patienten auf deren Erkrankung wahrzunehmen, wie die Ehrlichkeit, die eigenen Reaktionen auf diese zu erkennen. Die Reaktion des Patienten löst eine Kettenreaktion in seinem Umfeld aus, zu dem auch der Therapeut gehört. Hier gilt die eigenen Grenzen zu erkennen, durch Mitgefühl,, Gereiztheit, Ungeduld etc. Es ist wichtig zu klären, welche Aufgaben beide, Behandler und Patient, für diese Krankheit geschaffen haben. Viel wichtiger ist aber noch herauszufinden, wieweit beide bereit sind, diese Aufgaben zu verändern oder an diesen Rollen festzukleben. Das Konzept des Mitgefühls (Ren) ist verankert in den Heilmethoden, in denen der Therapeut mehr mit dem Individuum arbeitet, als sich nur für den Zustand eines Patienten zu interessieren. Stattdessen behandelt er das Individuum mit seinem Zustand. Das Leiden zu anzunehmen ist eine Konstante der Menschlichkeit, denn Leiden (und z.B. Sterben) gehört untrennbar zum Leben dazu. Die Intensität des Leidens ist individuell, und die Absichtlichkeit des Leidens ist Gegenstand der Unterweisung. Dein Leiden ist mein Leiden, verbunden mit dem Bemühen zu trösten oder zu lindern. Dem Behandler wird es möglicherweise schwerfallen, Veränderungen in den Patienten zu erreichen, wenn er selbst eine solche harte Zeit des Leidens durchlebt hat und seine Distanz schwerfällt. Die Bedeutung von Krankheit I. Krankheit ist Teil des Lebens. Jeder wird krank, wie auch jeder unter Krankheit leidet. Nur in Verbindung mit Krankheit ist Leiden als normal anzusehen. Und letztendlich stirbt jeder. Das sind natürliche Aspekte des Lebens. Die Intensität des Leidens ist jedoch sehr individuell. Krankheit ist eine Chance zu lernen. Wenn alles im Leben in Balance wäre und wunderbar glatt verliefe, wozu sollte dann Reinkarnation dienen? Die Störung unseres Gleichgewichtes gibt uns die Gelegenheit andere oder neue Impulse in unser Leben zu bringen; Dinge zu tun, die wir sonst niemals gemacht hätten; die uns 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 neue Einsichten in verschiedene Perspektiven und Ziele gestatten. Wenn wir erkranken, werden wir achtsamer, aufmerksamer. Wir werden zwar mit unseren individuellen Lebensthemen geboren, haben aber stets die Wahl, was wir daraus machen, wie wir unser Leben gestalten. Krankheit ruft zur Wachsamkeit und Introspektion auf: wahrzunehmen, was z.B. in unserem Leben nicht mehr funktioniert (Stagnation); wie frei wir sind (Leber-Qi); wie es um unsere Ziele und Pläne steht (Leber-Qi); wie ernsthaft ich lebe (Lungen-Qi); wo wir uns unserem Leben entgegen stellen (Rebellierendes Qi); welche Grenzen wir uns setzen (Milz-Qi); und wie sehr wir unser jetziges Leben (Herz-Qi) mögen. In diesem Sinne kann der Kontrollzyklus der WuXing weniger als Beschreibung von Pathologie verstanden werden, sondern als Beschreibung der Herausforderungen des Lebens dienen, von denen zu lernen gilt. II. Symptome und Muster Eradikation von Symptomen und Erscheinungen wird in unserer modernen Welt als Therapie eingesetzt. Unter Berücksichtigung, dass Symptomatik ein Kompensationsmechanismus sein kann, ist hierbei jedoch Vorsicht angesagt! Es ist ein Zuwenden zu den Symptomen, - statt die eigentliche Manifestation zu eliminieren durch Aufdecken der Dinge, die gemieden und unterdrückt wurden (Bsp. gegenläufiges Qi). Der Prozess der Erkrankung beginnt mit dem Wissen von etwas Problematischem, das den normalen Fluss des Qi, des Lebens unterbricht. Dann schrillen die Alarmglocken nach Behandlung/Intervention/Lösung, um wieder die Kontrolle und die Macht über das eigene Leben zu erlangen. Das Erinnerungsvermögen informiert über ähnliche Situationen und deren frühere Lösungen und fordert zur Wiederholung auf. Ohne diese Erinnerung bleibt nur, eine neue Richtung einzuschlagen und auszuprobieren, oder Unterstützung von Außen zu holen. Breitet sich nun ein Problem aus, chronifiziert sich, flammt wiederholt auf, führt dies zu Frustration über den Kontrollverlust. Es zehrt am Bewusstsein und je nach Intensität erzeugt es Angst, Ärger, etc. Betrifft ein Problem nicht nur uns allein, sondern auch unsere Umgebung, werden wir uns der Verflechtung und Abhängigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen bewusst. So stellt ein Problem den Weg nach Innen zum inneren Dialog her. III. Das Konzept der Veränderung In der Krankheit liegt also das Potential zur Veränderung .Was muss ich (in mir) verändern, um Heilung zu ermöglichen? Aus der Geisteshaltung, die in die Krankheit hineingeführt hat, können wir keine Lösung erwarten. Wir müssen unser Bewusstsein verändern, bevor sich unser Leben und resultierend unsere Krankheit verändern. Der Mensch, symbolisiert durch das Zeichen Ren im Chinesischen stellt den Menschen dar, wie er mit gebeugtem Kopf den ersten Schritt in die Welt macht. Bei diesem Hinausstolpern ins Leben entdeckt er demütig, wie groß doch die weite Welt um ihn herum ist. Der Mensch als Verbindung zwischen Himmel und Erde steht in stetigem Dialog mit dem Himmel in sich selbst. Daher brauche ich mich nur selbst zu verändern, um den Himmel zu verändern. Dann kann ich die unendlichen Möglichkeiten leben, die der Himmel in mir durch mich auf die Erde bringt. Der Begriff des Windes in der daoistischen Medizin ist ein Synonym für Veränderung. Wind provoziert die Herausforderung unsere Fähigkeiten anzupassen, neu auszurichten. Gemäß dem SuWen ist Wind mehr als nur ein Klimafaktor, dem wir ausgesetzt sind, und der die Fähigkeit zur Adaption an klimatische Bedingungen verringert. Wind bedeutet immer Veränderung. Die Unfähigkeit, sich zu verändern, 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 bedeutet, dass wir selbst ins Ungleichgewicht kommen, Disharmonie und letztlich Krankheit entsteht. Der Satz aus dem SuWen, dass Wind die Ursache der 100 Krankheiten sei, bzw. die Wurzel von pathogenen Prozessen im Körper, bedeutet nach Jeffrey C. Yuen vielmehr, dass die eigentliche Ursache aller Krankheit die Unfähigkeit ist sich zu wandeln! Eine Veränderung im Bewusstseinszustand verändert auch die Körperlichkeit. Um Gefühle zu verändern, reicht es die Wahrnehmung zu verändern. IV. Die Wichtigkeit der Zeit Heilung geschieht im Jetzt. Trotz aller medizinischen Erfahrungsgeschichte kann Heilung spontan erfolgen und benötigt nicht unbedingt lange Zeit oder halbherzige Ansätze zur Besserung. Entscheidend ist jedoch die Bereitschaft, Zukunft und Vergangenheit gehen zu lassen. Dies geschieht durch den Prozess des Verzeihens, anderen und uns selbst vergeben, um frei zu werden. Opfer zu sein, heißt nicht verzeihen zu können. Dieses Freilassen geschieht aber nur dann, wenn die Portale sich öffnen, in der Regel begleitet von körperlichen Ausscheidungen und emotionalem Ausdruck, weinen, schreien, etc. Nur daran zu denken, reicht allein nicht. Das Gehenlassen einer Sache schenkt Disziplin, um weitere folgen zu lassen. Stagnation kennt keine Zeit. So können Qi-Ansammlungen auf physischen und mentalen Verletzungen in der Kindheit beruhen, sowie auf Enttäuschungen der Vergangenheit. Emotionen werden nur dann „negativ“, wenn sie nicht frei und angemessen zum Ausdruck kommen. V. Einfluss von Gesellschaft und Kultur Die erste Stabilität und Verankerung finden wir in unserer Familie. Die Anerkennung der Familie ist aus diesem Grund von hoher Bedeutung. Folgen wir nicht den Erwartungen der Familie, der Gesellschaft, und unseren eigenen, erzeugt das Separation und Stress. Es kommt zu Sorge, dass die Krankheit die Einschätzung von anderen mindert, die uns damit weniger kompetent, weniger leistungsstark, weniger präsent wahrnehmen. Die familiäre und gesellschaftliche Einschätzung kann zu völliger Verzerrung der eigenen Identität führen. Beruf, Familie, Aktivitäten, Gewohnheiten sind alles nur Möglichkeiten zur Darstellung nach Außen. Eine Veränderung dieser Möglichkeiten führt jedoch nicht zwingend zur Veränderung der persönlichen Identität. Das Leben ist eine unendliche Auswahl aus einer Serie von Optionen für zu machende Erfahrungen. Es ist nur ein Glaube, dass andere Möglichkeiten verwehrt wären. Dies erzeugt eine erstarrte Haltung, z.B. im Sinne eines Bi-Syndromes, indem eine Emotion von allen anderen abgeschnitten wird. Die Einbettung in eine Gruppe kann sowohl Unterstützung bedeuten, genauso aber auch Behinderung. Vertraulichkeit ist einerseits Voraussetzung für Heilung. Die vertrauensvolle Abhängigkeit von anderen, wie z.B. Führungspersönlichkeiten, Lehrern, Gurus, kann den Heilungsprozess aber ebenso behindern. Wird von diesen die Krankheit oder das Gesundwerden unterstützt? Welche Information wird an den Patienten weitergegeben? Krankheit wird häufig auch vom gesellschaftlichen Hintergrund als Sühne und Strafe für Fehlverhalten und Sünden angesehen. Der Patient empfindet oft genug Scham und Schuldgefühle. Die Verurteilung durch ethische und religiöse Autoritäten, aber auch denjenigen, denen wir es recht machen wollen wie Eltern, Lehrer, Gott, 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 provozieren Hilflosigkeit und Machtlosigkeit. Die große Frage an den Patienten lautet daher: „Können Sie die Gnade der Heilung JETZT annehmen? Erneuerung geschieht in jedem einzelnen Moment! Sie ist unabhängig vom jetzigen Lebens- und Leidenszustand. Oder ist für den Patienten Vergebung nur im Tode möglich, wenn nicht sogar erst im Jenseits? Syndrome und mögliche Bedeutungen als Beispiele Gegenläufiges Qi kann einerseits eine Verweigerungsreaktion gegen Inkorporation von externen und internen pathogenen Faktoren sein. Der Organismus wehrt sich mit Husten, Niesen, Übelkeit, Erbrechen etc. Anderseits kann gegenläufiges Qi bedeuten, dass Widerstand über lange Zeit geleistet wird, der sich z.B. in Allergien ausdrückt. Ursächlich sind hierfür Emotionen wie z.B. Angst. Qi-Stagnation hängt eng mit der Atmung zusammen. Inspiration wird inhaliert, beim Ausatmen wird Unbrauchbares, Überholtes abgegeben. Dies spiegelt die Tugend (De) des Metalls wider, Verzeihen als Voraussetzung zum Loslassen. Vielleicht erwartet ein Patient, dass die Welt und das Leben gerecht sei. Aber seine Wahrnehmung bestätigt das nicht. Die Lungenbeamtin neigt zum Moralisieren, sie entzündet sich mit Lungen-Feuer. Heilung erfolgt dann, wenn es gelingt, Vergebung und Akzeptanz zu wecken. Spiritualität und Heilung I. Auffinden des inneren Altars für das Göttliche Die Anwesenheit des göttlichen Geistes im Inneren beruhigt die innere Unruhe. Das Erfahren der Heilung wird durch Verbindung zu den geistigen Welten, Shen, transzendiert, indem wir uns selbst als Instrument des Göttlichen erfahren. Jeder von uns braucht Heilung, aber nicht jeder sucht sie. Unter dem Einfluss des Göttlichen betreten und verlassen wir jede Behandlung in innerem Frieden. II. Das Leben ehren Indem wir bewusst den Schritt machen, aus dem Leben des anderen heraus zu treten, uns nicht einzumischen, sondern uns in unser Leben zurückziehen, geben wir Fehlern des anderen und den daraus resultierenden Lebenslehren Raum. Jeder übernimmt die Verantwortlichkeit für sein Leben und nur für sein Leben. Mit Achtsamkeit gewähren wir allen Umständen Akzeptanz in einer neutralen Beobachtungshaltung. Wir lassen geschehen, was auch immer geschieht Wir werden so auch unserer Reaktionen, Abwehrhaltungen, Meinungen bewusst – statt Schuld zu suchen; Entschuldigungen, zu finden, die Veränderungen blockieren. Kultivierungstechniken für Heiler I. Aufmerksame Diagnostik Durch Wachheit aller Sinne vermeiden wir als Therapeut Bewertung und Spekulation. Manchmal vermeiden wir sogar jegliche Unterbrechung der Äußerungen des Patienten. Wir hüten uns vor Erwartungen, Annahmen und v.a. vor Ratschlägen, was der Patient zu fühlen und zu machen hat. Wir üben uns darin, ein aufmerksamer Zeuge für unseren Patienten zu sein, indem wir mit wachem Verstand zuhören. Präsenz gestattet die Verantwortlichkeit, Wahrheit statt Wahrschein in der Realität des Jetzt wahrzunehmen. Es gibt übrigens keine Notwendigkeit zum Verstehen. Denn Verstehen entwickelt sich oft erst in der Zukunft. Das Sein kann nur gefühlt, nicht verstanden werden. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Stabile Erdung und Verwurzlung verhindern das Aufnehmen von „negativen Schwingungen“ von Patienten ebenso wie das Burn-out als Therapeut. QiGong, im Sinne einer kontinuierlichen Pflege des eigenen Qi und Aufmerksamkeit für sich selbst, wird essentiell, schon um unsere eigene Anhaftung an einschränkende Glaubenssätze, unsere eigenen Muster zu entlarven und Krankheit zu transzendieren. II. Bereitschaft des Zuhörens In dem wir dem Patienten die Gelegenheit geben, seine eigene Geschichte auf die ihm eigene Art und Weise zu erzählen und seine eigenen Rückschlüsse zu ziehen, erlangen wir Einsicht, wie er das Leben versteht. Der Patient erschafft seine Realität vor uns. U.U. können wir ihm auch Anerkennung für seine Entscheidungen geben. Es geht (sowohl für Patient und Behandler) darum, immer wieder die Bedeutung auszutesten, die gerade erschaffen wird, und manchmal auch die Veränderung der Bedeutungen im Laufe des Prozesses. Es geht um Offenheit für die Wahrheit. Es geht nicht darum, das zu bestätigen, was wir bestätigt haben wollen. Ein authentischer Heiler lässt sich vom Patienten selbst als Werkzeug benutzen, um zu erschaffen, was er will und braucht. Der Patient baut seine Realität durch Manipulation, daher ist hier extreme Aufmerksamkeit des Behandlers gefordert. Geben wir ihm, was er von uns fordert? Oder fühlen wir uns in unserer Kompetenz gekränkt, und verweigern dem Patienten das Geforderte, weil wir als Experte schließlich besser wissen, was er braucht? Andererseits müssen wir auf der Hut bleiben, damit der Patient nicht vom Thema des schmerzhaften Auf-den-Punktkommen zu alltäglichem leeren Geschwätz entgleitet. Indem wir Interesse an unseren Patienten zeigen und deren Leben anerkennen statt nur die Symptomatik zu betrachten, unterstützen wir häufig bereits den Heilungsprozess. Die Anerkennung des Lebens des Patienten ist schon ein Momentum der Heilung. Wenn wir unsere Rolle darauf konzentrieren, dem Patienten die Geschichte und den Weg seiner Heilung zu nahe zu bringen, genau zu erklären, was wir machen, warum wir welchen Punkt und welches Kraut einsetzen, erzeugen wir Resonanz mit ihm. Dann lenken wir seine Konzentration weg von der Krankheit hin zur Heilung. (Dann ist im Übrigen die exakte Ätiologie ohnehin unwichtig, die sich in vielen Fällen gar nicht mehr erklären lässt.) III. Sich mit dem Sterben vertraut machen Jeden von uns erwartet der Tod. „Du kommst allein zur Welt, und Du verlässt diese Welt allein“. Wir alle sind sterblich, egal wer von uns zuerst gehen darf. Denn der Tod ist ein Geburtsrecht, ein Geschenk des Lebens und der Liebe. Durch das Sterben haben wir die Chance, das Leben in all seiner Fülle zu genießen, die wertvollen Momente mit geliebten Menschen besonders zu ehren. Wir haben immer die Wahl, wie wir unsere Zeit verbringen und welche Prioritäten wir von einem zum nächsten Augenblick setzen. Wir leben im Jetzt, nicht im Gestern oder in der Zukunft. Lieben heißt einander von Herz zu Herz zu berühren. Darunter fallen auch Hingabe, Aufmerksamkeit, Verehrung, wie auch mit unserem Patienten eine Verbindung einzugehen. Erfolg lässt sich nicht festmachen an der Anzahl Leben, die wir retten, sondern eher wie viele können wir heilen? Heilung bedeutet auch, Zufriedenheit zu unterstützen. Heilung bedeutet damit, jemandem zu helfen, zufrieden sterben zu können, statt gewaltsam das Sterben zu verhindern. Zu sterben heißt nicht zu verlieren, auch wenn sich die Verbindung an den physischen, materiellen Körper löst. Das spirituelle Band bleibt über den Tode hinaus erhalten. 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Die Angst vor dem Sterben zu verlieren ist das Wichtigste im Leben. Warum sind in Hospizen so wenige Akupunkteure, so wenige Heiler aktiv? Hier könnten wir Heilung unterstützen, dem sterbenden Patienten helfen, diese Angst zu verlieren, seinen Frieden zu machen und geheilt diese Welt zu verlassen! Genau das war doch Aufgabe des Schamanen, des Priesters, ist Aufgabe des Heilers. IV. Wunder anerkennen Wir sollten die Offenheit unseres Verstandes kultivieren, die allen Möglichkeiten Raum lässt. Wir sollten den Patienten nicht so sehen, wie er sich oft genug selbst sieht, als hilflose Last, unfähig, seine Ressourcen auszuschöpfen. In diese Gefahr laufen wir leicht, wenn die Erinnerung an einen ähnlichen Fall hochkommt, indem unsere Behandlung versagt hat. Das SuWen sagt: „Nachgiebigkeit ist der Weg des Dao“. Gehenlassen von Widerstand, Opposition, Schmerz, indem wir mit der Leber- und Lungenenergie arbeiten, um Demut zu erlangen. V. Demut pflegen Demut erzeugt Hoffnung, die Räume öffnet für Wunder. Werden wir uns bewusst, dass eine einzige Behandlung durch einen Funken Einsicht den Kurs eines ganzen Lebens verändern kann! Die ultimative Heilung der Welt durch spirituelles Heilen breitet sich durch den Patienten als Individuum aus – nicht durch den Behandler! Ode an das Herz Wir sollten uns nach Innen kehren, auf unser Herz hören. Das Selbst ist ein Gefäß für die geistigen Welten Shen, für die Unendlichkeit an Möglichkeiten. In 9 Schritten (Punkte der Herz-Leitbahn) der inneren Alchimie können wir so unser Herz erlösen. Alchemie ist das Bemühen, die Lebensumstände zu verändern, die eigene Natur wieder zu entdecken, wenn in entscheidenden Herausforderungen die Grenze meiner eigenen Belastbarkeit erreicht ist. Die Themen des Herzens, auch als Paläste (Gong) des Herzens bezeichnet, symbolisieren gleichzeitig auch die neun Schmerzen des Herzens, wenn sie noch nicht überwunden sind. Daher hat auch der Beschützer des Herzens genau neun Punkte als Lebensthemen, an denen wir wachsen können. Dies formulierte Jeffrey C. Yuen zum Ende sehr bewegend als Ode an das Herz: Aus der himmlischen Quelle sprudeln unendliche Möglichkeiten. Herz 1) Die Unschuld der Seele ruft die geistigen Welten, Shen, herbei, Herz 2) und lässt mich im überschaubaren Meer des Lebens tummeln. Herz 3) Nun kann sich der Weg der Seele ins Leben entfalten, Herz 4) deren Herausforderungen ich bereitwillig annehmen und meistern kann. Herz 5) Selbst wenn Notfälle plötzlich das Licht verfinstern, 6) bleibt das Tor des strahlenden Shen weit offen. Herz 7) Willkommen Zuhause, im Palast des Selbst! Herz 8) (Ji Quan, (Qing Ling, (Shao Hai, (Ling Dao, (Tong Li, (Yin Xi, Herz (Shen Men, (Shao Fu, 40. TCM Kongress Rothenburg o.d.T. 20.-24.05.2009 40th TCM Kongress Rothenburg o.d.T. May 20th-24th 2009 Die kommenden Leben werden immer leichter. Chong, Herz 9) (Shao