Amerikanische_Geschichte_Quellen_und_Texte

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Lehrgang V: Die USA - Entstehung einer Großmacht
1.
Die Entstehung eines neuen Staates
A. Amerikanische Ideale
Q 1 Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten vom 4. Juli 1776
Nach einem Jahr des Kampfes gegen die britischen Truppen erschien den Kolonisten die endgültige Trennung vom
Mutterland unausweichlich. Der Kontinentalkongress in Philadelphia stimmte am 2. Juli 1776 für die
Unabhängigkeit. Am 4. Juli, dem heutigen Nationalfeiertag, wurde die von Thomas Jefferson (1743-1826;
1801-1809 Präsident der Vereinigten Staaten) vorbereitete Erklärung ohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung
(New York) gebilligt, am 8. Juli wurde sie öffentlich verkündet. Sie bestand aus zwei Teilen: 1. einer auf
naturrechtlichen Vorstellungen beruhenden Prinzipienerklärung zur Begründung der Lösung der bestehenden
politischen Bande mit England und zur Änderung der Regierungsform (Republik anstatt Monarchie); 2. einem
Beschwerdekatalog, um die Aufkündigung des Treueverhältnisses der bisherigen Untertanen zum englischen
König rechtlich abzusichern. Aus dem zweiten Teil werden hier nur einige Punkte wiedergegeben. Mit der
Unabhängigkeitserklärung traten die „Vereinigten Staaten von Amerika" förmlich ins Leben. Die dauerhafte
Sicherung und die Anerkennung der Unabhängigkeit in der Welt forderten jedoch noch große Anstrengungen von
den Amerikanern (Frieden von Paris 1783).
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Wenn es im Zuge der Menschheitsentwicklung für ein Volk notwendig wird, die politischen Bande zu lösen, die es
mit einem anderen Volke verknüpft haben, und unter den Mächten der Erde den selbständigen und
gleichberechtigten Rang einzunehmen, zu dem Naturrecht und göttliches Gesetz es berechtigen, so erfordert eine
geziemende Rücksichtnahme auf die Meinung der Menschheit, daß es die Gründe darlegt, die es zu der Trennung
veranlassen.
Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: daß alle Menschen gleich geschaffen sind; daß sie von
ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das
Streben nach Glück gehören; daß zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt werden,
die ihre rechtmäßige Macht aus der Zustimmung der Regierten herleiten; daß, wenn immer irgendeine
Regierungsform sich als diesen Zielen abträglich erweist, es Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen
und eine neue Regierung einzusetzen und diese auf solchen Grundsätzen aufzubauen und ihre Gewalten in der
Form zu organisieren, wie es ihm zur Gewährleistung seiner Sicherheit und seines Glückes geboten zu sein scheint.
Gewiß gebietet die Weisheit, daß von alters her bestehende Regierungen nicht aus geringfügigen und
vorübergehenden Anlässen geändert werden sollten; und demgemäß hat jede Erfahrung gezeigt, daß die Menschen
eher geneigt sind zu dulden, solange die Mißstände noch erträglich sind, als sich unter Beseitigung altgewohnter
Formen Recht zu verschaffen. Aber wenn eine lange Reihe von Mißbräuchen und Übergriffen, die stets das gleiche
Ziel verfolgen, die Absicht erkennen läßt, sie absolutem Despotismus zu unterwerfen, so ist es ihr Recht und ihre
Pflicht, eine solche Regierung zu beseitigen und neue Wächter für ihre künftige Sicherheit zu bestellen.
So haben diese Kolonien geduldig ausgeharrt, und so stehen sie jetzt vor der zwingenden Notwendigkeit, ihre
bisherige Regierungsform zu ändern. Die Regierungszeit des gegenwärtigen Königs von Großbritannien ist von
unentwegtem Unrecht und ständigen Übergriffen gekennzeichnet, die alle auf die Errichtung einer absoluten
Tyrannei über diese Staaten abzielen. [...]
Er hat sich mit anderen zusammengetan, um uns eine Form der Rechtsprechung aufzuzwingen, die unserer
Verfassung fremd und von unseren Gesetzen nicht anerkannt war; und er hat ihren Maßnahmen einer vorgeblichen
Rechtsprechung seine Billigung erteilt: um starke Kontingente bewaffneter Truppen bei uns zu stationieren; um
diese durch ein Scheingerichtsverfahren vor jeglicher Bestrafung für etwaige Mordtaten zu bewahren, die sie an
den Einwohnern dieser Staaten verüben; um unseren Handel mit allen Teilen der Welt zu unterbinden; um uns
ohne unsere Einwilligung Steuern aufzuerlegen;um uns in vielen Fällen des Rechtes auf ein ordentliches
Verfahren vor einem Geschworenengericht zu berauben;um uns zur Aburteilung wegen angeblicher Vergehen
nach Übersee zu verschleppen; um in einer Nachbarprovinz das freie Englische Rechtssystem zu beseitigen und
dort eine Willkürregierung zu errichten und deren Befugnisse zu erweitern, um sie dadurch gleichzeitig zu einem
Präzedenzfall und einem geeigneten Werkzeug für die Einführung der gleichen, absoluten Herrschaft auch in
diesen Kolonien zu machen;um uns unsere Freibriefe zu entziehen, unsere wichtigsten Gesetze aufzuheben und
unsere Regierungsform grundlegend zu ändern;um unsere eigene gesetzgebende Gewalt aufzuheben und sich
selbst als mit der unumschränkten gesetzgebenden Gewalt über uns betraut zu erklären. [.. .] In jedem Stadium
dieser Bedrückung haben wir in der untertänigsten Form um Abhilfe nachgesucht: Unser wiederholtes Bitten ist
lediglich durch wiederholtes Unrecht beantwortet worden. Ein Monarch, dessen Charakter durch jede seiner
Handlungen in dieser Weise gekennzeichnet wird, die einem Tyrannen zuzutrauen ist, kann nicht geeignet sein,
über ein freies Volk zu herrschen.
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Wir haben es auch nicht an Aufmerksamkeit gegenüber unseren britischen Brüdern fehlen lassen. Wir haben sie
von Fall zu Fall warnend auf die Versuche ihrer Gesetzgeber verwiesen, eine ungerechtfertigte Rechtsgewalt über
uns zu erlangen. Wir haben sie an die Umstände gemahnt, unter denen unsere Auswanderung und Ansiedlung
erfolgten. Wir haben an ihr natürliches Gerechtigkeitsgefühl und ihre Hochherzigkeit appelliert und sie bei den
Banden unserer gemeinsamen Herkunft beschworen, von diesen Übergriffen abzulassen, die unvermeidlich zum
Abbruch unserer Verbindungen und Beziehungen führen müßten. Auch sie sind der Stimme der Gerechtigkeit und
der Blutsverwandtschaft gegenüber taub geblieben. Wir müssen uns daher mit der notwendigen Folgerung aus
unserer Trennung abfinden und sie wie die übrige Menschheit behandeln: als Feinde im Krieg, als Freunde im
Frieden.
Daher tun wir, die in einem gemeinsamen Kongreß versammelten Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika,
unter Anrufung des Obersten Richters über diese Welt als Zeugen für die Rechtschaffenheit unserer Absichten
namens und im Auftrag der anständigen Bevölkerung dieser Kolonien feierlich kund und zu wissen, daß diese
Vereinigten Kolonien freie und unabhängige Staaten sind und es von Rechts wegen bleiben sollen; daß sie von
jeglicher Treuepflicht gegen die britische Krone entbunden sind, und daß jegliche politische Verbindung zwischen
ihnen und dem Staate Großbritannien vollständig gelöst ist und bleiben soll; und daß sie als freie und unabhängige
Staaten das Recht haben, Krieg zu führen, Frieden zu schließen, Bündnisse einzugehen, Handel zu treiben und alle
anderen Handlungen vorzunehmen und Staatsgeschäfte abzuwickeln, zu denen unabhängige Staaten rechtens
befugt sind. Und zur Erhärtung dieser Erklärung verpflichten wir uns gegenseitig feierlich in festem Vertrauen auf
den Schutz der göttlichen Vorsehung zum Einsatz unseres Lebens, unseres Gutes und der uns heiligen Ehre.
Zitiert nach: Leben, Freiheit und das Streben nach Glück, Dokumente der
amerikanischen Demokratie in neuen Übersetzungen und im englischen
Originaltext. O. O., o. J., S. 21—25.
(a)
Welche Ideale kommen hier sowie in den Bildern B 1-4 zum Ausdruck? Erstellen Sie eine Liste.
(S. a. Q 22, S. 154.)
B. Ursachen der Unabhängigkeitsbewegung
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13 Kolonien lösen sich vom Mutterland
Im Jahre 1607 fuhren 120 Menschen auf drei Schiffen über den Atlantik zur Küste Virginias und gründeten dort
JamestovVn, die erste auf Dauer angelegte englische Siedlung in Amerika. Die Londoner Handelsgesellschaft, die
das Unternehmen mit Genehmigung des Königs James I. finanzierte und durchführte, ließ bald weitere
Siedlerschiffe folgen. Eines davon, die Mayflower, kam 1620 vom Kurs ab und landete weiter nördlich in
Massachusetts, mit 41 englischen Puritanern an Bord. Diese sogenannten Pilgerväter beschlossen, eine eigene
Siedlung zu gründen und nannten sie Plymouth (s. Q 28, S. 102).
Bis 1732 entstanden so an der nordamerikanischen Atlantikküste 13 englische Kolonien: Virginia, Massachusetts,
Maryland, Rhode Island, Connecticut, Delaware, New Hampshire, Nord- und Süd-Carolina, New York, New
Jersey, Pennsylvania und Georgia. Jede Kolonie wurde von einem Gouverneur regiert, der entweder vom
englischen König selbst eingesetzt wurde oder von britischen Adligen oder Handelsgesellschaften, die das
Eigentumsrecht über eine Kolonie vom König erhalten hatten. Neben dem Gouverneur gab es eine
Volksvertretung, die von den landbesitzenden Männern gewählt wurde. Sie wirkte bei der Gesetzgebung mit und
bewilligte die Steuern. Die einzelnen Städte und Grafschaften verwalteten sich meist selbst.
Durch britische Steuer- und Zollgesetze nach dem Siebenjährigen Krieg (vgl. T 2) fühlten sich die Kolonisten, die
bis dahin praktisch selbständig waren, benachteiligt und forderten Gleichberechtigung mit den Bürgern des
Mutterlandes. Aus Protest gegen die Teesteuer bestiegen Bostoner Bürger, als Indianer verkleidet, im Hafen
liegende Schiffe der Ostindienkompanie und warfen die Teeladung ins Wasser (Boston Tea Party, 1773). Als das
englische Parlament daraufhin Strafgesetze gegen Massachusetts erließ, versammelten sich Vertreter aller
Kolonien zu einem ersten Kontinentalkongreß in Philadelphia und beschlossen einen Boykott aller britischen
Waren (1774). Der Militärgouverneur von Massachusetts wollte einige Anführer der rebellierenden Siedler
verhaften lassen. Um dies zu verhindern, stellten sich den königlichen Soldaten bewaffnete Kolonisten entgegen
und lieferten ihnen bei Lexington und Concord ein Gefecht (1775). Der offene Krieg hatte begonnen.
Ein zweiter Kontinentalkongreß bestellte George Washington (s. T 7) zum Oberbefehlshaber der amerikanischen
Truppen und erklärte 1776 die Unabhängigkeit der Kolonien von England (s. Q 1, Q 4). Die Armee der Siedler war
unzulänglich ausgerüstet und schlecht organisiert; sie konnte sich nur mit Mühe gegen die überlegenen Engländer
halten. Französische Hilfe brachte 1778 die Wende. Gemeinsam mit dem französischen Adligen Marquis de
Lafayette (vgl. T 1, S. 144) besiegte Washington 1781 bei Yorktown die britische Hauptarmee. Großbritannien
erkannte die Unabhängigkeit der 13 Kolonien im Frieden von Paris 1783 an und überließ den Amerikanern das
Gebiet bis zum Mississippi (s. a. T 19, S. 109). Lafayette kehrte nach Frankreich zurück und wurde dort einer der
Anführer der Revolution gegen die absolute Königsherrschaft.
T2
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Englische Kolonialpolitik
Die Navigationsakte von 1651 bestimmt, daß nur englische Schiffe Waren nach England und seinen Kolonien
bringen dürfen. Die Einfuhr von Fischen nach England ist verboten. Nach der Navigationsakte von 1660 dürfen
die Kolonien bestimmte Waren (z. B. Zucker, Tabak, Wolle, Indigo) nur nach England ausführen. 1699 wird den
Kolonien die Ausfuhr von Wolle ganz verboten (Wolle-Gesetz); 1732 gilt das Verbot auch für die Ausfuhr von
Hüten nach England oder anderen europäischen Ländern (Hut-Gesetz). 1750 untersagt das Eisen-Gesetz den
Kolonien die Herstellung von Eisenwaren. 1764 wird durch das Zucker-Gesetz die Einfuhr von Zucker aus
Westindien besteuert. Das Stempelsteuer-Gesetz von 1765 besteuert alle Drucksachen und Dokumente in den
Kolonien. 1767 wird eine Einfuhrsteuer auf Tee, Papier, Glas und andere Waren beschlossen (Townshend-Gesetz).
Das Melasse-Gesetz von 1773 belegt Melasse (s. B 5) aus Westindien mit hohen Einfuhrzöllen.
(a) Welche Ziele verfolgt die englische Wirtschaftspolitik? (S. a. Q 50, S. 110.)
(b) Wie ändert sich diese Politik nach 1763 ? Warum? (Vgl. T 1 und K 2.)
T3
Handelsbilanz der Kolonien mit England
(Warenwert
in engl. Pfund)
Neu-England
New York
Pennsylvania
Virginia + Maryland
Carolina
Georgia
(a)
(b)
T4
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Export nach
1762
45000
60000
40000
415000
180000
6000
England
1774
112000
80000
70000
612000
432000
68000
Import aus
1762
250000
285000
210000
420000
200000
23000
England
1774
562000
438 000
625 000
529000
378000
57000
Vergleichen Sie die Handelsbilanzen der nördlichen und südlichen Kolonien. Welche
Unterschiede ergeben sich? Wie sind sie zu erklären?
Wie wirkt sich die englische Wirtschaftspolitik (s. T 2) auf die Handelsbeziehungen der Kolonien
mit England aus? Vgl. K 9, S. 103 und K 10, S. 104.
Das Handelsschiff „Sanderson" auf großer Fahrt
Im März 1752 verließ die „Sanderson" ihren Heimathafen Newport in der Kolonie Rhode Island mit Kurs auf
Afrika. Sie war beladen mit 8 220 Gallonen Rum und einem Stapel Eisenbarren. „Afrikanisches Eisen" nannte
man diese Barren, da sie in Afrika als Zahlungsmittel galten. Einige Monate später lag das Schiff vor Cape Coast
Castle an der afrikanischen Goldküste. 56 Negersklaven, 900 Pfund Pfeffer und 40 Unzen Gold wurden an Bord
gebracht. Wieder segelte die „Sanderson" über den Atlantik. Auf der Antillen-Insel Barbados wurde die Ladung
erneut gewechselt. Mit 58 großen Fässern zu je 240 Litern kam das Schiff im Mai 1753 wieder in Newport an. 55
dieser Fässer waren mit Melasse gefüllt, 3 mit Zucker. Als der Kapitän an Land ging, trug er in seiner Tasche
Wechsel einer Liverpooler Bank im Werte von über 412 Pfund.
(a) Verfolgen Sie die Fahrt der ,,Sanderson" auf einer Karte. (Siehe S. 104.)
(b) Erläutern Sie, wo die einzelnen Waren herkommen und wo sie gebraucht werden (s. B 5).
(c) Erklären Sie, warum dieser ,,Dreieckshandel" so gewinnbringend war.
Q 2 Thomas Jefferson, der Verfasser der Unabhängigkeitserklärung, 1774 über die
Rechte Britisch-Amerikas
„Sie [die Engländer] dürfen nicht glauben, daß sie uns von anderen Märkten ausschließen können, wo wir jene
Waren absetzen, die sie nicht brauchen, oder jene Bedürfnisse befriedigen, für die sie nicht sorgen können. Noch
weniger ist daran zu denken, daß irgendeine Macht der Erde außer unserer eigenen über unseren Besitz auf unseren
eigenen Territorien bestimmt oder ihn besteuert."
(Th. Jefferson, A Summary View of the Rights of British America. In: The
Political Writings of Thomas Jefferson. New York 1955. S. 33)
(a)
(b)
Welche Märkte, Waren und Bedürfnisse meint Jefferson? Vgl. T 2-4 und B 5.
Fassen Sie die wirtschaftlichen Ursachen des Kampfes um die Unabhängigkeit zusammen.
Q 3 Beschluß der Kolonien auf dem gemeinsamen „Stempelsteuer-Kongreß", 1765
Vom 7. bis 25. Oktober 1765 trafen sich Delegierte von neun britischen Kolonien in New York City, um gegen das
Stempelsteuergesetz zu protestieren, mit dem das britische Parlament den amerikanischen Kolonisten erstmalig
direkte Steuern auferlegt hatte (Abgaben für die Erstellung von Rechtsurkunden und Lizenzen, für Zeitungen,
Broschüren, Spielkarten, Würfel, Alkoholausschank u. a.). England brauchte nach dem Siebenjährigen Krieg, der in
Amerika als French and Indian War ausgefochten worden war (1754-1763) und zur Eroberung der französischen
Gebiete im Norden und im Hinterland der britischen Kolonien geführt hatte, Geld und wollte die amerikanischen
Siedler zur Finanzierung der Militärausgaben in Amerika heranziehen. Die Steuer betraf alle Kolonisten. Deshalb
kam eine überregionale Abwehrfront schnell zustande. Die Kirchenglocken wurden zur Trauer geläutet,
Antistempelvereine gegründet und Demonstrationen veranstaltet. Der Bostoner Jurist James Otis rief zum
Stempelsteuerkongreß auf und vertrat dort seine Auffassung: „Keine Besteuerung ohne Parlamentsvertretung." In
der Kolonialversammlung von Virginia soll Patrick Henry gerufen haben: „Caesar hatte seinen Brutus, Karl I. seinen
Crom-well; Georg IM. möge aus diesen Beispielen seine Lehren ziehen!" Die Resolutionen des Kongresses waren
jedoch maßvoll und bezweifelten nicht die Autorität von Krone und Parlament in London. Sie wiesen den Weg zur
Revolution, ohne daß sie diese bewußt herbeiführen wollten. Das Stempelsteuergesetz wurde 1766 widerrufen.
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Wir, die Mitglieder dieses Kongresses, [. ..] halten es für unsere unabdingbare Pflicht, nachdem wir so reiflich, wie
es die Zeit erlaubte, den Zustand der besagten Kolonien erörtert haben, die folgenden Erklärungen abzugeben, mit
denen wir unsere bescheidenen Absichten kundtun über die wichtigsten Rechte und Freiheiten der Kolonisten
sowie über die Mißstände, unter denen diese auf Grund mehrerer Parlamentsbeschlüsse des Mutterlandes zu leiden
haben:
I. Daß die Untertanen Seiner Majestät in diesen Kolonien der Krone Großbritanniens dieselbe Ergebenheit
schulden wie alle im Reich geborenen Untertanen und daß sie sich auch dem ehrwürdigen Parlament von
Großbritannien pflichtmäßig unterordnen;
II. Daß die pflichtschuldigen Untertanen Seiner Majestät in diesen Kolonien zu allen angeborenen Rechten und
Freiheiten, die die geborenen Untertanen des Britischen Königreiches genießen, berechtigt sind;
III. Daß es ein unabdinglicher Bestandteil der Freiheit eines Volkes und das unbestreitbare Recht aller Engländer
ist, daß von ihnen keine Steuern ohne ihre eigene Zustimmung oder die ihrer Vertreter erhoben werden;
IV. Daß die Bewohner dieser Kolonien wegen der räumlichen Entfernung nicht im Unterhaus von
Großbritannien vertreten sein können;
V. Daß Vertreter der Bevölkerung dieser Kolonien nur Personen sein können, die hier von ihr selbst gewählt
worden sind, und daß ihr Steuern nur auferlegt worden sind oder verfassungsmäßig auferlegt werden können von
den eigenen Kolonialversammlungen;
VI. Daß alle Geldbewilligungen für die Krone freiwillige Geschenke des Volkes sind und es unvernünftig und
unvereinbar mit den Grundsätzen und dem Geist der britischen Verfassung ist, daß die Bewohner Großbritanniens
Seiner Majestät das Eigentum der Kolonisten bewilligen;
VII. Daß Verhandlungen vor Geschworenengerichten zu den ererbten und unschätzbaren Rechten eines jeden
Untertanen dieser Kolonien gehören;
VIII. Daß das unlängst vom Parlament verabschiedete Gesetz mit der Überschrift: „Ein Gesetz über die Erhebung
und Anwendung gewisser Stempelsteuern und anderer Steuern in den britischen Kolonien und Siedlungen in
Amerika usw.", indem es den Bewohnern dieser Kolonien Steuern aufzwingt, zusammen mit verschiedenen
anderen Gesetzen, die die Rechtsprechung der Admiralitätsgerichte1 über deren herkömmliche Grenzen
ausdehnen, offenbar bestimmt sind, die Rechte und Freiheiten der Kolonisten zu untergraben; [. . .]
XII. Daß Wachstum, Wohlstand und Glück dieser Kolonien vom vollen und freizügigen Genuß ihrer Rechte
abhängen, sowie von einem für beide Seiten freundschaftlichen und vorteilhaften Verkehr mit Großbritannien;
XIII. Daß es das Recht der britischen Untertanen in diesen Kolonien ist, Petitionen an den König oder an beide
Häuser des Parlaments zu richten.
Schließlich: Daß es die unabdingbare Pflicht dieser Kolonien gegenüber dem besten aller Könige, gegenüber dem
Mutterland und gegenüber sich selbst ist, durch eine ergebene und pflichtbewußte Botschaft an Seine Majestät und
einen bescheidenen Antrag an beide Häuser des Parlaments den Widerruf des Stempelsteuergesetzes und aller
Bestimmungen anderer Parlamentsgesetze, die die Rechtsprechung der Admiralitätsgerichte ausdehnen, wie es
oben gesagt wurde, und der anderen neuerlichen Gesetze, die den amerikanischen Handel einschränken 2, zu
erwirken.
1
Die britischen Admiralitätsgerichte waren in den Kolonien deshalb besonders unpopulär, weil an ihren Verfahren
keine Geschworenen beteiligt waren. 1764 war ein Vizeadmiralitätsgericht in Halifax, Neuschottland, eingesetzt
worden, dessen Zuständigkeit alle amerikanischen Kolonien umfaßte und die Kompetenz der Kolonialgerichte
einschränkte. Hauptziel dieser Maßnahme war die strikte Durchsetzung der Zollbestimmungen.
2 1764 war z.B. auch eine striktere Überwachung der Handelsgesetze eingeführt worden. Die Kolonisten hatten
darauf mit Einfuhrboykotten geantwortet.
Zitiert nach: Samuel E. Morison (Hrsg.), Sources and Documents
Illustrating the American Revolution 1764—1788 and the Formation of the
Federal Constitution. 2. Aufl., Oxford Uni-versity Press, New York 1965, S.
32—34. Eigene Übersetzung.
(a)
(b)
Welche weiteren Gründe für die Unabhängigkeitsbewegung ergeben sich aus Q 1 und Q 3?
Welche der bisher gefundenen Ursachen der Unabhängigkeitsbewegung halten Sie für
ausschlaggebend?
Q 5 Der englische Staatsphilosoph John Locke, 1690
5
„Die Gesetze sollten letztlich keinen anderen Zweck haben als das Wohl des Volkes ...
Das Eigentum des Volkes darf nicht besteuert werden ohne die vom Volke selbst oder durch seine Vertreter
gegebene Einwilligung . . .
Wer die gesetzgebende Gewalt daran hindert, zur fälligen Zeit tätig zu werden oder ihre Freiheit beschneidet, hebt
damit die gesetzgebende Gewalt praktisch auf... Wenn ein Gesetzgeber es unternimmt, den Menschen ihr Eigentum wegzunehmen oder zu zerstören, oder sie als Sklaven unter eine Willkürherrschaft zu zwingen, so versetzt er
sich selbst in einen Kriegszustand mit dem Volk, das dadurch von jedem weiteren Gehorsam befreit ist. . ."
(J. Locke, The Second Treatise of Government. New York 1952, S. 81, 121,
124)
(a)
(b)
Vergleichen Sie diesen Text mit Q 3 und Q 4.
Warum berufen sich die Amerikaner ausgerechnet auf einen englischen Denker, wenn sie ihre
Loslösung von England rechtfertigen wollen?
C. Die neue Verfassung
Q 6 Aus der amerikanischen Verfassung von 1787
Obwohl erst nach langwierigen Verhandlungen als Kompromiß zwischen den widerstreitenden Interessen der 13
ehemaligen Kolonien entstanden und zudem auf die besonderen Erfordernisse eines republikanischen Bundesstaates zugeschnitten, erlangte die Verfassungsurkunde der Vereinigten Staaten vom 17. September 1787 für
das gesamte Staatsdenken der Folgezeit grundlegende Bedeutung. Die wichtigsten Bestimmungen der bis heute
gültigen Verfassung lauten:
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„Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, verordnen und errichten, um eine vollkommenere Vereinigung zu bilden,
das Recht aufzurichten, die Ruhe im Innern zu verbürgen, für die gemeinsame Verteidigung zu sorgen, die
gemeine Wohlfahrt zu fördern und die Segnungen der Freiheit uns und unserer Nachkommenschaft zu sichern,
diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Artikel I.
Abschnitt I. Alle hier gewährten gesetzgeberischen Befugnisse sollen bei einem Kongress der Vereinigten Staaten
liegen, der aus einem Senat und einem Repräsentantenhaus bestehen soll. Abschnitt 2. Das Repräsentantenhaus
soll sich zusammensetzen aus alle zwei Jahre vom Volk der verschiedenen [Einzel-] Staaten gewählten
Mitgliedern... [deren Zahl sich je nach der Bevölkerungszahl richtet].
Abschnitt 3. Der Senat der Vereinigten Staaten soll sich zusammensetzen aus zwei Senatoren aus jedem Staat,
gewählt durch dessen gesetzgebende Körperschaft auf je sechs Jahre; und jeder Senator soll eine Stimme haben...
[Alle zwei Jahre scheidet ein Drittel der Mitglieder aus und wird neu gewählt].
Abschnitt 4. ... Der Kongress soll sich mindestens einmal im Jahr versammeln...
Abschnitt 6. Die Senatoren und Abgeordneten sollen eine Vergütung für ihre Dienste erhalten... Sie sollen in allen
Fällen, außer [Hoch- und Landes-] Verrat, schwerem Verbrechen und Friedensbruch, während der Teilnahme an
einer Sitzung ihres Hauses und auf der Hin- und Rückreise das Vorrecht der Immunität genießen; und für ihre
Reden und Äußerungen in einem der beiden Häuser dürfen sie außerhalb nicht zur Verantwortung gezogen
werden.
Abschnitt 7. Alle Gesetzentwürfe über Steuererhebung sollen vom Repräsentantenhaus ausgehen; aber der Senat
kann wie bei anderen Gesetzentwürfen Verbesserungen vorschlagen oder ihnen zustimmen.
Jeder Gesetzentwurf, der das Repräsentantenhaus und den Senat passiert hat, soll dem Präsidenten der Vereinigten
Staaten vorgelegt werden, bevor er Gesetz wird; billigt er ihn, soll er ihn unterzeichnen, wo nicht, ihn mit seinen
Einwänden dem Haus zurückreichen, aus dem er hervorgegangen ist, und das soll die Einwände in aller Breite zu
Protokoll nehmen und ihn neuerlich beraten. Wenn nach solcher erneuter Beratung zwei Drittel jenes Hauses den
Gesetzentwurf annehmen, soll er zusammen mit den Einwänden dem anderen Haus übersandt werden, von dem er
gleichermaßen aufs neue beraten werden soll, und so er von zwei Dritteln dieses Hauses genehmigt ist, soll er
Gesetz werden...
Abschnitt 8. Der Kongress soll die Befugnis haben, Steuern, Zölle, Auflagen und Verbrauchsabgaben festzulegen
und zu erheben, um die Staatsschulden zu zahlen sowie für die gemeinsame Verteidigung und die gemeine
Wohlfahrt der Vereinigten Staaten Sorge zu tragen; doch müssen alle Zölle, Auflagen und Verbrauchsabgaben
über die ganzen Vereinigten Staaten hin gleicher Art sein...
Abschnitt 9. Die Einwanderung oder Einfuhr von Personen, die einer der jetzt bestehenden Staaten für geeignet zur
Zulassung hält, darf vom Kongress nicht vor dem Jahr eintausendachthundertundacht verboten werden, aber eine
solche Einfuhr kann mit einer Steuer oder einem Zoll, nicht höher als zehn Dollars pro Person, belegt werden.
Das Recht auf die Habeas-corpus-Verfügung [D. h. das Recht auf gerichtliche Prüfung der Zulässigkeit der Haft
innerhalb einer bestimmten Frist] darf nicht suspendiert werden, außer wenn in Fällen von Aufruhr und Invasion
die öffentliche Sicherheit es erfordert.
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Kein Gesetzentwurf auf Vermögenskonfiskation und Ehrverlust [Bill of Attainder] und kein rückwirkendes Gesetz
darf angenommen werden...
Artikel II.
Abschnitt I. Die ausübende Gewalt soll bei einem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika liegen. Er soll
sein Amt auf die Spanne von vier Jahren bekleiden und, zusammen mit dem für die- selbe Amtsperiode
ausersehenen Vizepräsidenten, wie folgt gewählt werden:
Jeder Staat soll in einer von seiner Gesetzgebung zu bestimmenden Weise eine Anzahl von Wahlmännern
ernennen, die der Gesamtzahl von Senatoren und Repräsentanten gleichkommt, auf die der Staat im Kongreß ein
Recht hat: aber kein Senator, Abgeordneter oder jemand, der ein Ehren- oder besoldetes Amt der Vereinigten
Staaten bekleidet, darf zum Wahlmann ernannt werden... [Diese Wahlmänner vollziehen dann die eigentliche
Wahl.] Abschnitt 2. Der Präsident soll Oberkommandierender des Heeres und der Marine der Vereinigten Staaten
sowie der Miliz der Einzelstaaten sein, wenn sie zum aktiven Dienst für die Vereinigten Staaten einberufen wird;
er kann von den leitenden Beamten jedes Verwaltungszweiges schriftliche Meinungsäußerungen über alle in den
Pflichtenkreis ihres Amtes fallenden Angelegenheiten anfordern, und er soll die Befugnis haben, Strafaufschub
oder Begnadigung für Vergehen gegen die Vereinigten Staaten zu gewähren, außer in Fällen der Staatsanklage.
Er soll Vollmacht haben, unter Beratung und mit Zustimmung des Senats Verträge abzuschließen, vorausgesetzt,
daß zwei Drittel der anwesenden Senatoren übereinstimmen; und er soll vorschlagen und, unter Beratung und mit
Zustimmung des Senats, ernennen Botschafter, andere Gesandte und Konsuln, Richter des Obersten Gerichtshofes
und alle anderen Beamten der Vereinigten Staaten, deren Ernennung nicht hier [in der Verfassung] auf andere
Weise vorgesehen ist und durch Gesetz zu regeln sein wird: doch kann der Kongreß durch Gesetz die Ernennung
unterer Beamter, soweit er es für angemessen hält, dem Präsidenten allein, den Gerichtshöfen oder den
Departementschefs übertragen.
Abschnitt 3. Er soll von Zeit zu Zeit dem Kongress über die Lage der Union Bericht erstatten und ihm Maßnahmen
zur Beratung empfehlen, wie er sie für notwendig und zweckmäßig hält; er kann, bei außergewöhnlichen Anlässen,
beide Häuser oder eines von ihnen einberufen, und im Fall ihrer Verunreinigung hinsichtlich der Vertagungsdauer
kann er sie vertagen, so lange es ihm richtig erscheint; er soll Botschafter und andere Gesandte empfangen; er soll
Sorge tragen, daß die Gesetze gewissenhaft vollzogen werden, und er soll alle Beamten der Vereinigten Staaten
bestallen ...
Artikel III.
Abschnitt I. Die richterliche Gewalt der Vereinigten Staaten soll bei einem Obersten Gerichtshof liegen und bei
solchen niedereren Gerichten, wie sie der Kongress zu Zeiten verordnen und einrichten mag. Die Richter des
obersten wie der niedereren Gerichte sollen im Amt bleiben, so lange sie sich wohl verhalten, und sollen zu festgesetzten Terminen für ihre Dienste eine Entschädigung erhalten, die während ihrer Amtsdauer nicht geschmälert
werden darf.
Abschnitt 2. Die richterliche Gewalt soll sich auf alle Fälle erstrecken, die sich nach Recht und Billigkeit unter
dieser Verfassung, den Gesetzen der Vereinigten Staaten und in ihrer Zuständigkeit abgeschlossenen oder noch
abzuschließenden Verträgen ergeben; - ... auf Streitigkeiten, bei denen die Vereinigten Staaten Partei sind; -auf
Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren Staaten; - zwischen einem Staat und Bürgern eines anderen Staates; zwischen Bürgern verschiedener Staaten; - zwischen Bürgern desselben Staates mit Landansprüchen aus
Bewilligungen verschiedener Staaten, und zwischen einem Staat oder seinen Bürgern und auswärtigen Staaten,
Bürgern oder Untertanen...
Artikel IV.
Abschnitt I. Volles Vertrauen und Anerkennung sollen in jedem Staate den öffentlichen Akten, Urkunden und
Gerichtsprotokollen jedes anderen Staates geschenkt werden...
Abschnitt 2. Die Bürger jedes Staates sollen einen Anspruch auf alle Vorrechte und Freiheiten der Bürger in den
verschiedenen Einzelstaaten haben.
Jemand, der wegen Verrats, schweren oder anderen Verbrechens in einem Staat angeklagt sich seinem Richter
entzieht und in einem anderen Staate gefunden wird, soll auf Ansuchen der Vollzugsbehörde des Staates, aus dem
er geflohen ist, ausgeliefert werden, damit er in den Staat gebracht werde, dem die Gerichtsbarkeit für das
Verbrechen zukommt.
Niemand, der in einem Staate nach dessen Gesetzen in Dienst- oder Arbeitsverpflichtung gehalten wird und in
einen anderen entweicht, soll zufolge irgendeines dortigen. Gesetzes oder einer Bestimmung von solcher Dienstoder Arbeitsverpflichtung entbunden werden, sondern soll auf Verlangen der Partei, der er Dienst und Arbeit
schuldet, ausgeliefert werden.
Abschnitt 3. Neue Staaten können durch den Kongress zur Union zugelassen werden; aber kein neuer Staat soll im
Hoheitsbereich eines anderen gebildet oder eingerichtet werden; noch werde ein [neuer] Staat gebildet durch die
Verschmelzung von zwei oder mehreren Staaten oder Staatsteilen ohne die Einwilligung sowohl der
gesetzgebenden Körperschaften der beteiligten Staaten als des Kongresses.
Der Kongress soll die Befugnis haben, über das Territorium [Gemeint ist der noch nicht in Einzelstaaten
organisierte Territorialbesitz der Vereinigten Staaten.] und alles übrige den Vereinigten Staaten gehörige
Vermögen zu verfügen und alle erforderlichen Bestimmungen und Anordnungen zu treffen...
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Abschnitt 4. Die Vereinigten Staaten sollen jedem Staat in dieser Union eine republikanische Staatsform
garantieren und sollen jeden einzelnen gegen Invasion beschützen; und auf Ansuchen der gesetzgebenden
Körperschaft oder der Exekutive (wenn die gesetzgebende Körperschaft nicht einberufen werden kann) gegen
Gewaltanwendung im Inneren ...
Zusatzartikel zur Verfassung [ratifiziert 1791]
[I] Der Kongress soll kein Gesetz verabschieden, das die Einführung einer [Staats-] Religion betrifft oder die freie
Religionsausübung verbietet; oder die Freiheit der Rede oder der Presse schmälert; oder das Recht des Volkes, sich
friedlich zu versammeln und bei der Regierung um Abstellung von Beschwernissen einzukommen.
[II] Da eine wohleingerichtete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates nötig ist, darf das Recht des Volkes,
Waffen zu besitzen und zu führen, nicht beeinträchtigt werden...
[IV] Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person, von Häusern, Papieren und fahrender Habe vor unbilliger
Durchsuchung und Beschlagnahme, soll nicht angetastet werden, und keine [Haft- oder Durchsuchungs-]
Anordnungen sollen erlassen werden, als bei wahrscheinlichem, durch Eid oder Affirmation21 gestütztem
Verdachtsgrund und mit ins einzelne gehender Beschreibung des zu durchsuchenden Platzes und der
festzunehmenden Personen und zu beschlagnahmenden Sachen.
[V] Niemand soll über ein Kapital- oder sonstwie ehrenrühriges Verbrechen vernommen werden, es sei denn auf
Antrag oder Anklage eines Großen Geschworenengerichts, ausgenommen in Fällen, die sich bei den Land- oder
Seestreitkräften oder bei der Miliz im aktiven Dienst in Zeiten des Krieges oder öffentlicher Gefahr ergeben; noch
darf irgendjemand für dasselbe Vergehen zweimal einer Gefährdung von Leib und Leben unterworfen werden;
noch darf jemand in einer Strafsache gezwungen werden, gegen sich selbst zu zeugen, noch ohne ordentliches
Gerichtsverfahren um Leben, Freiheit oder Eigentum gebracht werden; noch soll Privateigentum ohne
angemessene Entschädigung zum öffentlichen Nutzen enteignet werden.
[VI] Bei allen Strafverfolgungen soll der Angeklagte das Recht auf baldige und öffentliche Verhandlung vor
einem unparteiischen Geschworenengericht des Staates und Bezirks genießen, in denen das Verbrechen begangen
wurde ..., und das Recht, über Art und Grund der Anklage unterrichtet zu werden; den Zeugen der Gegenseite
gegenübergestellt zu werden; zwangsweise Zeugen zu seinen Gunsten beischaffen zu können und den Beistand
eines Anwalts zu seiner Verteidigung zu haben ...
[IX] Die Aufzählung gewisser Rechte in der Verfassung soll nicht so ausgelegt werden, als würden damit andere
beim Volk verbliebene Rechte geleugnet oder geschmälert.
[X] Die durch die Verfassung weder den Vereinigten Staaten übertragenen noch den Einzelstaaten vorenthaltenen
Befugnisse sind den betreffenden Staaten oder dem Volke vorbehalten."
Harry J. Carman and Harold C. Syrett: A History of American People. a.a.O.
I S. 657-667
(a)
5
(b)
(c)
Stellen Sie fest, welche Formulierungen der Verfassung auf Ideen der europäischen Aufklärung
zurückgehen (s. Q 5 und 7; s. auch Q 13-15, S. 149 f.).
Vergleichen Sie mit Q 9, S. 24.
Beschreiben Sie die Stellung des Präsidenten. Beachten Sie dabei B 8.
T5
Die 13 unabhängigen Einzelstaaten schaffen gemeinsame Staatsorgane
Die 13 Staaten waren von recht unterschiedlicher Größe, Bevölkerungszahl und Wirtschaftsstruktur. Erst nach langen
Verhandlungen gelang es, den losen Bund der Kolonien in einen Staat mit gemeinsamer Regierung umzuwandeln. Mit der
Verfassung wurde ein republikanischer Bundesstaat begründet, der den Einzelstaaten wichtige Rechte beließ und ihnen im
Senat eine gleichmäßige Vertretung sicherte: jeder Staat stellte zwei Senatoren. In die zweite Kammer des Kongresses, das
Repräsentantenhaus, entsandte jeder Staat eine seiner Bevölkerungszahl entsprechende Anzahl von Abgeordneten, wobei
jeweils 5 Sklaven als 3 Einwohner gezählt werden sollten. Staats- und Regierungsoberhaupt war der auf vier Jahre gewählte
Präsident. Als erster übernahm 1789 George Washington dieses Amt nach einer Wahl ohne Gegenkandidat. Ein oberstes
Bundesgericht, der „Supreme Court", war für die Rechtsprechung zuständig. Die Verfassung trat 1789 in Kraft und gilt mit
wenigen Änderungen (s. z. B. T 16) noch heute.
(a)
Erläutern Sie die erwähnte unterschiedliche Größe und Wirtschaftsstruktur einzelner Kolonien mit
Hilfe von K 4 und T 3. Siehe auch K 9, S. 102.
Q 7 Über Gewalt und Freiheit im Staat
Aus Schriften europäischer Aufklärer.
a) „Wir haben gesehen, daß die gesetzgebende Gewalt dem Volk gehört und nur ihm gehören kann. Die
ausübende Gewalt kann nicht der Gesamtheit als der Gesetzgeberin oder dem Souverän zukommen . . . Sehr zu
Unrecht verwechselt man die Regierung mit dem Souverän, dessen Werkzeug sie nur ist... Ein vom Volk nicht
persönlich bekräftigtes Gesetz ist nichtig, ist kein Gesetz."
(J. J. Rousseau, Contrat social. 1762. In: Denker über Staat und Politik,
Hirschgraben-Verlag, Frankfurt am Main 1959. S. 47, 49.)
b) „Die Vernunft lehrt alle Menschen, die sie nur befragen wollen, daß, da alle gleich und unabhängig sind, keiner
einen andern in seinem Leben, seiner Gesundheit, seiner Freiheit oder seinem Eigentum schädigen soll."
(J. Locke, The Second Treatise of Government. New York 1952. S. 5.)
c) „Damit die Gewalt nicht mißbraucht werden kann, müssen die Dinge so geordnet sein, daß eine Gewalt die
andere im Zaume hält... Wenn die gesetzgebende Gewalt mit der ausführenden Gewalt in derselben Person oder
derselben Amtskörperschaft vereint ist, gibt es keine Freiheit, weil zu befürchten ist, daß der Monarch oder der
Senat tyrannische Gesetze machen, um sie dann tyrannisch auszuführen. Es gibt auch keine Freiheit, wenn die
richterliche Gewalt nicht von der gesetzgebenden und der ausführenden Gewalt getrennt ist. Wenn sie mit der
gesetzgebenden Gewalt verbunden wäre, dann wäre die Macht über das Leben und die Freiheit der Bürger
willkürlich; denn der Richter wäre Gesetzgeber. Wenn sie mit der ausführenden Gewalt verbunden wäre, dann
könnte der Richter die Macht eines Unterdrückers innehaben. Alles wäre verloren, wenn derselbe Mensch oder
dieselbe Körperschaft... diese drei Gewalten ausüben würden."
(Ch. de Montesquieu, De l'esprit des lois. 1748. Paris 1961, S. 162-164.)
(a)
(b)
Was ist nach Montesquieu der Zweck der Gewaltentrennung?
Wie ist in der amerikanischen Verfassung die Unabhängigkeit der einzelnen Gewalten
abgesichert? Vgl. dazu Q6, ß 7 und B 8.
D. Die Gesellschaft des neuen Staates
Q 8 Ein Einwanderer über Amerika, 1782
5
10
15
„Hier sind die Reichen und die Armen nicht so weit von einander entfernt wie in Europa. Von ein paar Städten
abgesehen, bebauen wir alle den Boden . . . Wer durch unsere ländlichen Gebiete reist, sieht kein feindseliges
Schloß und kein stolzes Herrenhaus im Kontrast mit armseligen Lehmhütten, wo Vieh und Menschen einander
wärmen müssen und in Dürftigkeit und Elend wohnen. Alle unsere Behausungen sind menschenwürdig und
gleichen sich in erfreulicher Weise . . . Die Armen Europas haben sich in diesem großen amerikanischen
Zufluchtsort ein Stelldichein gegeben . . . Wozu sollten sie einander fragen, was für Landsleute sie sind? ... Hier
sind sie Bürger...
Was ist eigentlich ein Amerikaner, diese neue Art Mensch? Er ist kein Europäer und auch nicht Nachkomme eines
Europäers; er ist eine seltsame Mischung, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Ich kenne einen Mann, dessen
Großvater Engländer war, dessen Frau Holländerin war, dessen Sohn eine Französin heiratete, und dessen vier
Söhne jetzt Frauen von vier verschiedenen Nationalitäten haben. Er ist ein Amerikaner. . . Hier hält der Lohn des
Fleißes Schritt mit der aufgewandten Mühe ... Frauen und Kinder, die den Vater früher vergeblich um ein Stück
Brot anbettelten, helfen ihm jetzt wohlgenährt und fröhlich bei der Bestellung der Felder, deren üppige Ernten sie
alle nähren und kleiden, und kein despotischer Fürst, kein reicher Abt, kein mächtiger Herr fordert seinen
Anteil . .."
(J. deCrevecceur, Letters From an American Farmer, 1782. In: The
Heritage of America. Boston 1951, S. 352-354.)
(a)
(b)
Worin sieht Crevecceur den Hauptunterschied zwischen Amerika und Europa?
Welche Vorzüge haben die Bewohner dieses Landes, gemessen an Europa?
Q 9 Ein amerikanischer Wissenschaftler über die Geschichte seines Landes, 1967
„Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Vereinigten Staaten von reichen Großgrundbesitzern und Sklavenhaltern aus Virginia regiert; gegen Ende des Jahrhunderts war die Macht in gegenseitigem Einvernehmen auf den -je
nach Standpunkt - Unternehmer oder reichen Bösewicht übergegangen. Aus dem Senat war ein Klub reicher
Geschäftsleute geworden."
(J. K. Galbraith, Die moderne Industriegesellschaft. München 1968, S. 71.)
(a)
(b)
Vergleichen Sie die Äußerungen Galbraiths mit dem Bericht Crevecosurs (Q 8) und mit den
Angaben in B 7.
Formulieren Sie Unterschiede zwischen Ideal (vgl. S. 112) und Wirklichkeit der amerikanischen
Gesellschaft.
T6
5
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T7
5
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15
Die Bevölkerung der USA um 1790
Als 1790 die erste Volkszählung in den USA durchgeführt wurde, hatten die 13 Staaten zusammen 4 Mio.
Einwohner (1970 waren es 205 Mio. in 50 Staaten). Die 750000 Neger, von denen allein 300000 in Virginia lebten,
machten 19% der Bevölkerung aus (1970 22 Mio. Neger, 11%). Die Bevölkerungsdichte betrug damals 1,7
Einwohner auf 1 km2 (1970 im Gebiet der USA 22 Einwohner pro km2, Kanada 2, UdSSR 11, Bundesrepublik
Deutschland 245 E/km2). 1790 wohnten 97% der Bevölkerung in Orten mit weniger als 8000 Einwohnern (1970
45% in Orten unter 10000 E.). 50% aller Amerikaner waren über 17 Jahre alt (1970 66%). 80% der 3,2 Mio.
Weißen waren britischer Abstammung. 80% der Kirchenmitglieder waren Kongregationalisten, Anglikaner oder
Presbyterianer. Insgesamt stellten die Protestanten 98% der Gläubigen (1970 54%, Katholiken 37%, Juden 5%).
Unter den 55 Delegierten, die 1787 über die Annahme der Verfassung entschieden, waren 30 Großgrundbesitzer
und 18 Sklavenhalter.
(a) Beschreiben Sie nach diesen Angaben den „Durchschnitts-Amerikaner" des Jahres 1790.
(b) Wieweit trifft diese Beschreibung heute noch zu?
Wer wird Präsident?
Der 1. Präsident: George Washington (1732-99)
Washington entstammte einer protestantischen virginischen Pflanzerfamilie, deren Vorfahren 1657 aus England
eingewandert waren. Als Zwanzigjähriger erbte er die Plantage seines Vaters. Vier Jahre später übernahm er das
Kommando der Truppen Virginias im Krieg gegen die Franzosen. 1759 heiratete er eine Plantagenbesitzerin und
wurde Mitglied im Abgeordnetenhaus von Virginia. 1773 erwarb er weitere Ländereien am Ohio, so daß er
schließlich etwa 18 000 Hektar Land und 300 Sklaven im Gesamtwert von über einer halben Million Dollar besaß.
1774 entsandte ihn Virginia als Delegierten in den Kontinentalkongreß; 1775 erhielt er den Oberbefehl über die
amerikanischen Truppen (s. T 1).
Der 16. Präsident: Abraham Lincoln (1809-65) Die Eltern Lincolns, Quäker englischer Abstammung, waren
aus Virginia ins Grenzgebiet nach Kentucky gezogen, um dort eine kleine Farm aufzubauen. Die Mutter konnte
weder lesen noch schreiben. 1816 übersiedelte die Pionierfamilie nach Indiana und erwarb schließlich 1830 in
Illinois zum dritten Mal ein Stück Land für eine neue Farm. Abraham arbeitete in einem Ladengeschäft, wurde
Posthalter, dann Landvermesser. 1834 wurde er in das Abgeordnetenhaus von Illinois gewählt. Daneben bildete er
sich weiter und erhielt 1837 seine Zulassung als Rechtsanwalt. 1847 wurde er Kongressmitglied (s. T 16).
Die ersten 30 Präsidenten: Von den ersten 30 Präsidenten, die von 1789 bis 1929 die USA regierten, waren: 30
Weiße, 30 Protestanten, 30 östlich des Mississippi geboren, 29 verheiratet, 28 britischer Abstammung, 23
Akademiker (meist Juristen), 21 aus den Nordstaaten (9 Südstaatler, alle vor 1865), 11 verwandt mit einem
anderen Präsidenten, 10 Sklavenbesitzer, 9 vorher General, 9 vorher Vizepräsident.
(a) Vergleichen Sie diese Angaben mit T 6.
(b) Beschreiben Sie den ,,idealen" Präsidentschaftskandidaten,
(c) Welche Bürger hatten wenig Chancen, Präsident zu werden?
(d) Welche ungelösten Probleme stellten sich dem neuen Staat für die Zukunft? Benutzen Sie alle
bisherigen Informationen.
2.
Der Aufstieg zur Großmacht
A. Ein Kontinent wird besiedelt
T8
5
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15
20
T9
5
10
15
Daniel Boone, der wirkliche „Lederstrumpf" (1734 bis 1820)
Daniel Boone kam in einer Quäkersiedlung in Pennsylvanien zur Welt. Als er 17 Jahre alt ist, zieht die Familie
nach Nord-Carolina. Daniel betätigt sich als Schmied und Jäger. Nicht lange nach seiner Hochzeit mit einem
sechzehnjährigen Mädchen muß die Familie 1759 vor angreifenden Indianern nach Virginia fliehen, kann aber im
folgenden Jahr zurückkehren. Zwischen 1767 und 1775 unternimmt Boone mehrere Reisen ins Indianerland
Kentucky, zunächst als Kundschafter, dann als Siedler mit seiner Familie. Abwechselnd verhandelt und kämpft er
mit den Indianern. Sein Sohn James wird gefangengenommen und zu Tode gemartert. 1775 gründet Boone das
Fort -Boonesborough in Kentucky als feste Siedlung. 1778 gerät er selbst in die Gefangenschaft von
Shawnee-Indianern. Deren Häuptling Schwarzwal adoptiert ihn unter dem Namen „Große Schildkröte".
Schließlich gelingt ihm die Flucht und er kehrt nach Bosnesborough zurück.
Boone wird dann Bezirksgouverneur, Oberstleutnant der Miliz, Sheriff, Landvermesser und Mitglied des
Repräsentantenhauses von Virginia. 1782 ist Kentuckys „blutiges Jahr". Sein zweiter Sohn Israel stirbt vor seinen
Augen im Kampf gegen Indianer. Boone zieht sich 1786 zurück nach Maysville und wird dort Gastwirt,
Ladenbesitzer und Stadtrat. 1789 zieht er wieder um, diesmal nach Point Pleasant in West-Virginia und versucht
dort, verschiedene Landansprüche durchzusetzen. Er verliert aber sämtliche Prozesse und wird von seinem Besitz
vertrieben.
Als 65jähriger reist Boone mit seiner Familie nach Spanisch-Missouri, um dort noch einmal das Pionierleben
aufzunehmen, zu jagen, Fallen zu stellen und Land urbar zu machen. Als das Gebiet 1803 an die USA abgetreten
wird, verliert er in langjährigen Prozessen das meiste Land wieder. 1845, ein Vierteljahrhundert nach dem Tod des
berühmten Grenzers, wird sein Sarg von Missouri nach Kentucky überführt. Dort wird Daniel Boone als eine Art
Nationalheld unter großen Feierlichkeiten ein zweites Mal beigesetzt.
(a) Verfolgen Sie die Wanderungen des „Lederstrumpf“ auf einer Karte,
(b) Was ist am Lebenslauf Boones kennzeichnend für die Entwicklung der USA in jener Zeit?
(c) Welche Eigenschaften werden durch ein solches Leben entwickelt? Vgl. Q 20, S. 128.
Der Indianerhäuptling Tecumseh (1768-1813)
Tecumseh, vom Stamme der Shawnees, wurde in Alt-Piqua im Ohio-Gebiet geboren. Als sein Vater von weißen
Grenzern getötet wird, adoptiert Häuptling Schwarzwal den verwaisten Sechsjährigen. Der gefangene Daniel
Boone ist für kurze Zeit sein Adoptivbruder, beteiligt sich aber dann an der Zerstörung von Tecumsehs Heimatdorf.
Dessen Haß gegen die Weißen wächst, als er die Massaker von 1782 miterlebt und dann auch noch zwei seiner
Brüder im Kampf gegen die Kolonisten fallen. Er wird berühmt und gefürchtet als Einzelkämpfer im Grenzgebiet.
Ständig versucht er, die Indianer davon abzuhalten, den Weißen Stück um Stück ihres Landes durch Verträge
abzutreten. „Ein Land verkaufen! Warum nicht die Luft verkaufen, die Wolken und das große Meer?" So redet er
auf die andern Häuptlinge ein. „Dieses Land gehört uns. Niemand hat das Recht, uns daraus zu vertreiben." (Nach
G. Tucker, Tecumseh. Bremen o. J. [1969], S. 119, 167.) Schließlich sieht Tecumseh nur noch eine Möglichkeit,
das weitere Vordringen der Weißen zu verhindern: den Zusammenschluß aller Stämme in einem Indianerstaat, der
dann in Frieden neben dem Staat der Weißen existieren könnte. Er reist von Stamm zu Stamm und überredet viele
zum Bündnis. Er verhandelt auch mit William H. Harrison, dem weißen Gouverneur des Territoriums. 1811 aber
marschiert Harrison mit seinen Soldaten im Indianerland ein. Sein Sieg in der Schlacht von Tippecanoe macht ihn
so populär, daß er später (1841) zum Präsidenten der USA gewählt wird. Tecumseh aber gibt noch nicht auf. Als
im folgenden Jahr ein englisch-amerikanischer Krieg um den Besitz Kanadas ausbricht, verbündet er sich mit den
Briten. Er führt weiße und rote Truppen gegen die Amerikaner, unterliegt und fällt aber schließlich in der
entscheidenden Schlacht. Seine Leiche wurde nie gefunden. Die Engländer zahlten seinem Sohn eine Rente, da
ohne Tecumsehs Hilfe Kanada vielleicht nicht britisch geblieben wäre.
(a) Vergleichen Sie den Lebenslauf Tecumsehs mit dem Daniel Boones (T 8). Welche
Gemeinsamkeiten sind festzustellen?
(b) Was würde sich an den Formulierungen der Texte ändern, wenn Tecumseh die Geschichte
Boones erzählen würde und umgekehrt? Machen Sie den Versuch, die Lebensläufe in diesem
Sinne neu zu erzählen.
T10 Die Ausdehnung nach Westen
5
10
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20
In den Jahren nach dem Unabhängigkeitskrieg wurden im „Alten Westen" bis zum Mississippi neue Staaten
organisiert und in die Union aufgenommen (Kentucky 1792, Tennessee 1796, Ohio 1803). Louisiana, das
gesamte Gebiet zwischen Mississippi und Felsengebirge, erwarben die USA für 15 Millionen Dollar von
Napoleon (1803), Florida für 5 Millionen Dollar von Spanien (1819).
Der Versuch, durch einen Krieg gegen England Kanada zu gewinnen, scheiterte 1812/13 (Entstehung der
Nationalhymne „The Star-Spangled Banner"). Als Spanien sich anschickte, seine südamerikanischen Kolonien
zurückzuerobern und Rußland an der Pazifik-Küste vorstieß, verbaten sich die USA in der Monroe-Doktrin (s. Q
27) jede weitere Einmischung europäischer Mächte auf dem amerikanischen Kontinent. Der Weg für die
Ausdehnung nach Westen blieb frei. Die Indianer wurden in genau festgelegte Territorien gezwungen (Indian
Removal Act 1830, s. T 14).
Als die Republik Texas, die sich unter Führung Sam Houstons 1836 von Mexiko losgerissen hatte, als 28. Staat
1845 in die Union aufgenommen wurde, protestierte Mexiko und entsandte Truppen an die Grenze. Die USA
erklärten Mexiko den Krieg (s. Q 28, Q 29), marschierten in das Land ein und besetzten die Hauptstadt Mexico
City. Mexiko mußte Kalifornien und alle Gebiete nördlich des Rio Grande an die USA abtreten, die dafür 25
Millionen Dollar Entschädigung zahlten. Durch Verträge mit England sicherten sie sich Maine (1842) und
Oregon (1846). 1848 wurde im Sacramento River in Kalifornien Gold entdeckt. Tausende von Goldsuchern
besiedelten das neue Territorium so rasch, daß es bereits 1850 als erster Weststaat in die Union aufgenommen
wurde. Mit dem Kauf Alaskas von Rußland für 7,2 Millionen Dollar war 1867 der Landerwerb auf dem Kontinent
abgeschlossen (vgl. K 16, K 17). Großzügige Landgesetze (s. T 13), der Bau von Kontinentalbahnen (s. K 11)
und zunehmende Einwanderung (s. B 10) schoben die Besiedlungsgrenze immer weiter nach Westen, bis 1890
die Erschließung im wesentlichen vollendet war und die „Frontier" (s. B 17) verschwand (s. K 5-8).
Q 10 Bevölkerungsentwicklung in den USA
Die Zahlen (in Millionen Einwohner) gelten für das Gebiet der jeweiligen Mitgliedsstaaten der USA, 1770 für das
Gebiet der 13 Kolonien.
USA
New York Massachusetts
Virginia (mit West-Va.)
Nord-Carolina
California Texas
1770
2,2
0,16
0,26
0,45
0,23
-
1790
3,9
0,34
0,38
0,75
0,39
-
1810
7,2
0,96
0,47
0,97
0,55
-
1830
12,9
1,92
0,61
1,21
0,74
-
1850
23,2
3,10
0,99
1,42
0,87
0,09
0,21
1900
76,0
7,27
2,81
2,80
1,89
1,49
3,05
1970
204,8
18,24
5,69
6,41 5,08
19,95
11,20
(Nach C. L. Lord, E. H. Lord: Historical Atlas of the United States. New
York 1944, S. 220 f. und Statistical Abstract of the United States 1971, U. S.
Bureau of the Census. Washington D. C, 1971, S. 12.)
(a)
(b)
(c)
In welchen Gebieten verläuft die Entwicklung am schnellsten, in welchen am langsamsten? Was
kann man daraus schließen?
Vergleichen Sie die Entwicklung in den nördlichen, südlichen und westlichen Staaten,
Vergleichen Sie die Größenverhältnisse der einzelnen Staaten zueinander zu verschiedenen
Zeitpunkten. Erklären Sie die Unterschiede.
T 11 Ein Einwanderer macht Karriere
5
10
15
20
Carl Schurz wurde 1829 als Sohn eines Lehrers bei Liblar in der preußischen Rheinprovinz geboren, besuchte das
Gymnasium im nahen Köln und begann ein Geschichtsstudium an der Universität Bonn. 1848 schloß sich der
Student zusammen mit seinem Professor Gottfried Kinkel der revolutionären Bewegung an. Beide waren in der
badischen Festung Rastatt, als diese von den preußischen Truppen eingeschlossen und schließlich eingenommen
wurde. Kinkel wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt, Schurz aber gelang die Flucht in die Schweiz.
Mit falschem Paß kehrte Carl Schurz im nächsten Jahr nach Deutschland zurück und brachte es fertig, mit Hilfe
eines Wärters den Professor aus dem Gefängnis in Berlin-Spandau zu befreien. Dann hielt er sich einige Zeit in
Frankreich und England auf und landete schließlich 1852 in New York. Er ließ sich in Wisconsin nieder und wurde
dort Rechtsanwalt. 1854 schloß er sich der neugegründeten Republikanischen Partei an und unterstützte 1860
Abraham Lincoln im Präsidentschaftswahlkampf. Lincoln siegte und ernannte den Deutsch-Amerikaner 1861 zum
Gesandten in Madrid. Nach seiner Rückkehr befehligte Schurz als Brigadegeneral eine Division der Nordstaaten
im Bürgerkrieg. In den folgenden Jahren war er als Journalist in Washington, Detroit und St. Louis tätig. 1869
wurde er für Missouri in den U. S.-Senat gewählt. Er wandte sich gegen die damalige harte Politik der eigenen
Partei gegenüber den geschlagenen Südstaaten und wurde deshalb nicht wiedergewählt. Der nächste Präsident
aber ernannte ihn 1877 zum Innenminister. Nun konnte Schurz die lange schon von ihm geforderte Reform des
öffentlichen Dienstes durchsetzen. Die Beamtenstellen sollten nicht mehr nach Parteizugehörigkeit, sondern nach
Eignung und Leistung besetzt werden. Nach dem Sioux-Aufstand unter Häuptling „Sitting Bull" organisierte er
auch das seinem Ministerium unterstellte „Büro für indianische Angelegenheiten" neu. Nach seiner Ablösung
1881 betätigte er sich wieder als Publizist und wurde ein gefürchteter Kritiker der Regierungspolitik. Carl Schurz
starb 1906 und ist in Tarrytown/New York begraben.
(a) War Schurz ein typischer Einwanderer? Vgl. Q 11.
Q11 Berufe der Einwanderer
Akademische Berufe
Kaufleute
Handwerker
Bauern
Arbeiter
Bedienstete
Berufslose
(z. B. Frauen, Kinder)
1830
136
1427
1 745
1424
720
22
19363
1850
918
6400
26369
42873
46640
3203
188 931
1870
1831
7139
35 698
35656
84577
14261
207174
1890
3236
7802
44540
29 296
139365
28625
195 770
(Nach Historical Statistics of the United States, Colonial Times to 1957. U.
S. Bureau of the Census, Washington D. C, 1960. S. 61.)
(a)
(b)
(c)
Untersuchen Sie die Entwicklung innerhalb der einzelnen Berufsgruppen sowie die
Zusammensetzung der Einwanderergruppen in den einzelnen Jahren und ihre Veränderungen,
In welche Gebiete der USA werden die einzelnen Berufsgruppen ziehen wollen? Vgl. B 31.
Welche Folgen ergeben sich daraus für die wirtschaftliche Entwicklung in den USA?
K11 Transkontinentalbahnen
5
Erbauer der Zentral-Pazifik-Bahn war Leland Stanford (1824-93), ein New Yorker Rechtsanwalt, der 1852 Beruf
und Wohnsitz wechselte: er eröffnete ein Warengeschäft in Kalifornien. 1861 wurde er Gouverneur dieses Staates
und Präsident der Central Pacific Railroad Company. 1885 gründete er die Stanford-Universität und wurde in den
U. S.-Senat gewählt, dessen Mitglied er bis zu seinem Tode blieb.
Das Eisenbahnnetz der USA hatte 1890 eine Länge von 268409 km. (Deutschland damals 42889 km,
Großbritannien 32297 km, Europa 192500 km.)
T12 Binnenwanderung
5
Im Jahre 1870 wurde festgestellt, wieviele gebürtige Amerikaner westlich des Mississippi lebten, die östlich davon
geboren waren, und umgekehrt, wieviele im Osten lebten, die im Westen geboren waren. Die erste Zahl lag um 2,3
Millionen höher als die zweite. 1880 betrug dieser „Wanderungsüberschuß" für den Westen gegenüber dem Osten
3,3 Millionen, 1890 4,0 und 1910 4,6 Millionen.
Dieselbe Untersuchung wurde für den Süden und den Norden der USA durchgeführt. Hier ergab sich, daß 1870
750 000 mehr Menschen im Süden lebten, die im Norden geboren waren, als umgekehrt. 1880 hatten die
Südstaaten einen Wanderungsüberschuß von 640000, 1890 von 500000 und 1910 von 78000 gegenüber den
Nordstaaten.
(a) Was läßt sich daraus über die Entwicklung der drei Regionen Nord, Süd und West ersehen?
(b) Vergleichen Sie die Angaben über die Binnenwanderung mit der Besiedlungsgeschichte des
Westens (K 5-8) und berücksichtigen Sie dabei die Einwanderungszahlen (B 10).
B. Der Westen lockt
Q 12 Aus einem Brief des Einwanderers Samuel Crab-tree an seinen Bruder in England,
1818
5
10
15
„Ohio, Indiana und das Missouri-Territorium: das ist das Land, wo es einem gefallen kann! Wo man Prärien sieht,
60 Meilen lang und 10 breit, weder Stock noch Stein darin, um 2 Dollar den acre! Da wächst Mais zu 70 bis 100
Büschel pro acre. Der Boden ist zu gut für Weizen oder anderes Getreide. Im letzten September habe ich Maisstauden gemessen, die über 15 Fuß hoch waren, und einige Kolben hatten zwischen 400 und 700 Körner. Ich
glaube, ich habe so viele Pfirsiche und Äpfel auf dem Boden verfaulen sehen, daß man damit die britische Flotte
versenken könnte. In Ohio habe ich viele Pflanzungen besucht, wo sie die Zahl ihrer Schweine so wenig kannten
wie ich. Und ihre Herden von Truthühnern, Gänsen, Enten und Hühnern würden dich in Erstaunen versetzen. Sie
leben hauptsächlich von Geflügel und Eiern und im Sommer von Apfel- und Pfirsichkuchen. Sogar die ärmste
Familie hat ein paar Kühe und Schafe und kann im Herbst soviel Obst einsammeln, daß es fürs ganze Jahr reicht...
Alles, was man wünschen kann, ist im Überfluß vorhanden; ich habe weder Mann noch Frau über die Regierung
oder die Preise schimpfen hören. Die ärmsten Familien beladen den Tisch dreimal am Tag wie zu einem Hochzeitsmahl: Tee, Kaffee, Rindfleisch, Geflügel, Kuchen, Eier, Gepökeltes, gutes Brot; und ihr Lieblingsgetränk ist
Whisky oder Pfirsichschnaps. Sag, ist das vielleicht in England auch so? Wenn du den Unterschied zwischen
diesem Land hier und England kennen würdest, müßte man dich nicht lange überreden, es zu verlassen und hierher
zu kommen ..."
(H. S. Commager, A. Nevins, Hrsg. The Heritage of America. Boston 1951,
S. 262.)
(a)
Vergleichen Sie B 27, S. 130.
T 13 Der Staat vergibt Land
5
10
Durch das Land-Gesetz von 1785 wurde das westliche Indianer-Territorium in Sektionen zu 640 acres eingeteilt
(=1 Quadratmeile, 1 acre = 40 Ar). Der Preis je acre betrug zunächst 1 Dollar, wurde aber 1795 auf 2 Dollar erhöht.
1820 ermöglichte ein weiteres Gesetz auch den Kauf von halben, Viertel- und Achtel-Sektionen zum neuen Preis
von 1,25 Dollar je acre.
Das Heimstätten-Gesetz von 1862 bestimmte, daß jeder volljährige amerikanische Bürger oder Anwärter auf die
Staatsbürgerschaft eine Viertelsektion (160 acres) Land im Westen ohne Bezahlung in Besitz nehmen kann. Das
Land gehört ihm, wenn er fünf Jahre lang darauf wohnt und es bebaut. Auf Grund dieses Gesetzes wurden in 20
Jahren über 40 000 Quadratmeilen Boden vergeben (entspricht etwa der Fläche der DDR). Die privaten
Eisenbahngesellschaften erhielten staatliche Landzuweisungen von insgesamt 242000 Quadratmeilen (Fläche
der Bundesrepublik Deutschland 96000, Frankreichs 213 000 Quadratmeilen). Um den Eisenbahnbau zu
finanzieren und zugleich das Gebiet entlang der Bahnlinien zu bevölkern, verkauften die Gesellschaften das Land
parzellenweise.
(a) Erläutern Sie den Zweck der einzelnen Maßnahmen staatlicher Land- und Preispolitik mit Hilfe
von T 10 und K 5-8. Vgl. auch K 10-12.
(b) Vergleichen Sie mit den Preisen, die den Indianern für Landabtretungen gezahlt wurden (T 14
und T15).
Q 13 Ein Journalist über Bodenspekulation in Kansas, 1866
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„Beinahe alle Geschäfte wurden gegen Barzahlung abgemacht, und das Geld war im Überfluß vorhanden, obschon
die monatlichen Zinsen 3 bis 5 Prozent betrugen. Die Aktien stiegen oft in zwei bis drei Wochen um das Doppelte.
Sogar die Dienstmädchen spekulierten in Bauplätzen . . . Auf dem Papier nahmen sich alle diese Städte prächtig
aus. Die fein lithographierten Karten und Pläne zierten die Wände sämtlicher öffentlicher Plätze. Wir betrachten
zum Beispiel die Karte von Neu-Babylon und meinen, daß alle Pracht und Größe des alten Babylon vor der
Großartigkeit dieser neuen Riesenstadt verschwinde. Die großen Parks, die Opernhäuser, Kirchen und
Kathedralen, Universitäten, Bahnhöfe und Dampfboot-Anlegestellen überbieten alles, was man in New York,
Philadelphia oder St. Louis erblickt. Ist aber der Einwanderer klug genug, sich die prophetische Stadt erst selbst
anzusehen, ehe er Bauplätze kauft, so wird er bald den Unterschied zwischen der Wirklichkeit und dem Ideal
kennenlernen .. . Landeigentümer konnten leicht mit ungeheurem Gewinn ausverkaufen, aber jeder glaubte, die
Preise würden von Tag zu Tag noch mehr steigen, und hielt daher an seinen Besitztümern fest."
(A. D. Richardson, Jenseits des Mississippi. New York 1867. In: M. Mittler,
Eroberung eines Kontinents. Zürich 1968. S. 344-346.)
(a)
Vergleichen Sie mit T 13 und erläutern Sie, warum das billige Staatsland so teuer geworden ist.
C. Das Schicksal der Indianer
T14 Die Politik der Regierung
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Im Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten lebten über eine Million Indianer, als im 17. Jahrhundert die
europäische Einwanderung begann. 1790, nach der Gründung der USA, waren es noch 0,7 Millionen. Für die neue
Regierung galten die Indianer bis 1849 als „Ausland", mit dem Kriege geführt und Verträge geschlossen wurden.
Die Regierung kaufte 95% aller staatlichen Ländereien von den Indianern, zu einem durchschnittlichen Preis von 3
cents pro acre. Ein „Gesetz zur Entfernung der Indianer" (Indian Removal Act, 1830) wies den Indianern
bestimmte Territorien als „dauernde Wohnsitze" zu: die heutigen Staaten Oklahoma, Kansas, Nebraska und die
Dakotas. Alle übrigen Gebiete mußten geräumt werden.
Durch ein neues Gesetz wurden 1887 diese Territorien wieder aufgelöst und der Hoheit der einzelnen Staaten
unterstellt. Das Land gehörte nun nicht mehr den Stämmen, sondern wurde als Privatbesitz an die einzelnen
Indianer aufgeteilt. Die Gesamtzahl der Indianer betrug 1890 noch 0,2 Millionen. 1934 erhielten die Indianer
Reservationen zugewiesen, die sie selbst verwalten sollten, allerdings unter der Aufsicht eines , ,Büro für
indianische Angelegenheiten'' im Innenministerium. Seit 1953 sind die Indianer den amerikanischen Bürgern
grundsätzlich gleichgestellt; sie können ihre Reservate jederzeit verlassen. Diese umfassen heute etwa 200000 km2,
davon sind aber nur 6 % brauchbares Ackerland. Von den 0,5 Millionen Indianern (1970) leben fast die Hälfte
bereits in den Städten der Weißen.
(a) Vergleichen Sie die Bevölkerungszahlen der Indianer mit der Entwicklung der weißen und
schwarzen Bevölkerung (T 6, S. 117 und Q 10).
T15 Die Geschichte der Cherokees
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Der Stamm kämpfte im Unabhängigkeitskrieg auf der Seite der Briten, schloß 1794 Frieden mit den USA und
erhielt vertraglich Land in Georgia zugewiesen. Die Cherokees waren der einzige Stamm, der (um 1820) eine
Silbenschrift erfand und verwendete.
Als im Gebiet der Cherokees Gold entdeckt wurde, enteignete der Staat Georgia das Land der Indianer. Auf Grund
des Umsiedlungsgesetzes von 1830 wurde der Stamm gezwungen, 7 Millionen acres zu verkaufen, die ihm noch
verblieben waren. Der Preis betrug 4,5 Millionen Dollar, wurde aber nicht ausbezahlt, sondern als Guthaben im
Schatzamt der Regierung hinterlegt.
1838 erschienen 7000 Mann US-Truppen und vertrieben den ganzen Stamm, plünderten die bewegliche Habe und
verbrannten die Häuser. Von den 14000 Indianern, die mitten im Winter den langen Marsch nach Westen antreten
mußten, kamen unterwegs etwa 4000 um. Die Kosten der Umsiedlungsaktion wurden vom Guthaben der
Cherokees abgezogen. Sie lebten dann im Indianerland Oklahoma, bis 1887 auch dieses Territorium für Weiße
geöffnet wurde. Von den 4 Millionen acres, die dabei an die Stammesmitglieder verteilt wurden, war zwanzig
Jahre später nur noch ein Zehntel in indianischem Besitz; die meisten mußten ihr Stück Land wegen zunehmender
Verschuldung verkaufen. Heute leben die Cherokees größtenteils in Reservationen. Ein Bundesgericht hat ihnen
vor einiger Zeit 14 Millionen Dollar als Entschädigung für die verlorenen Gebiete zugesprochen.
(a) Vergleichen Sie mit T 14.
(b) Eine amerikanische Schriftstellerin hat das 19. Jahrhundert im Hinblick auf die Behandlung der
Indianer ein .Jahrhundert der Schande" genannt. Trifft dieser Vorwurf zu? Was hätte die
Regierung anders machen können? (Vgl. auch Q 14-16.)
Q 14 Aus einem Befehl des Generals James Carleton, 1862
„Mit den Indianern sind keine Beratungen oder sonstige Gespräche zu führen. Die Männer sind zu töten, wann
immer und wo immer man sie findet. Die Frauen und Kinder mögen gefangengenommen werden, aber sie sollen
natürlich nicht getötet werden."
(In: D. Brown, Bury my Heart at Wounded Knee. London 1971. S. 20.)
Q 15 Aus einem Bericht des Generals William Tecum-seh Sherman an den
Kriegsminister 1867
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„Meine Meinung ist, daß wir jede Poststation, jeden Zug und jeden Bahnarbeitertrupp bewachen müssen, wenn
man fünfzig Indianern erlaubt, sich zwischen dem Arkansas und dem Platte-Fluß aufzuhalten. Mit anderen Worten,
50 feindliche Indianer werden 3000 Soldaten in Schach halten. Wir sollten sie lieber so bald wie möglich herausschaffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie getötet oder von Regierungskommissaren zum Abzug überredet werden."
(Brown, a. a. O., S. 157 f.)
Q 16 General Philip Sheridan über die Indianer, 1868
„Die einzigen guten Indianer, die ich je sah, waren tote Indianer."
(Brown, a. a. 0., S. 170.)
(a)
(b)
Ist die in Q 14 bis 16 zum Ausdruck kommende Haltung erklärbar?
Entsprechen diese Äußerungen amerikanischer Generale der offiziellen Politik der Regierung (s.
T 14)?
Q17 Der Apachen-Häuptling Cochise beschreibt die Lage seines Volkes
Cochise starb 1874. „Als ich jung war, wanderte ich durch das ganze Gebiet, nach Osten und nach Westen, und ich
sah kein anderes Volk als das der Apachen. Nach vielen Sommern wanderte ich wieder und fand ein anderes Volk,
das gekommen war, das Land wegzunehmen ... Einst waren die Apachen ein großes Volk; jetzt sind sie nur noch
wenige, und deshalb wollen sie sterben ..."
(Brown, a. a. O„ S. 192.)
Q18 Häuptling Joseph (1840-1904) vom Stamme der Nez Perces über die Rechte der
Indianer
5
„Ich habe nie gesagt, daß das Land mir gehört und daß ich damit tun könne, was mir beliebt. Nur der kann über das
Land verfügen, der das Land geschaffen hat. Ich beanspruche nur das Recht, auf meinem Land zu leben, und euch
gestehe ich das Recht zu, auf euerm Land zu leben." „Ich habe einige der großen weißen Häuptlinge gefragt, woher
sie das Recht haben, dem Indianer zu sagen, er müsse sich an einem bestimmten Platz aufhalten, während er die
weißen Männer hingehen sieht, wo es ihnen gefällt. Sie können mir keine Antwort geben."
(Brown, a. a. O., S. 316, 330.)
(a)
Vergleichen Sie mit den Äußerungen Tecumsehs (T 9) und beurteilen Sie die Argumente der
Indianer.
Q 19 Wie Indianer ihr Verhältnis zu den Weißen sehen
„Die Weißen haben immer versucht, die Indianer dazu zu bringen, ihre Lebensweise aufzugeben und wie Weiße zu
leben - eine Farm zu betreiben, hart zu arbeiten und zu tun, was die Weißen taten-und die Indianer wußten nicht,
wie man das macht, und wollten es auch gar nicht... Hätten die Indianer versucht, ihre Lebensweise den Weißen
aufzuzwingen, so hätten die Weißen sich dagegen gewehrt; bei vielen Indianern war dies genauso."
(Sioux-Häuptling Großer Adler, um 1862. In: Brown, a. a. O., S. 38.)
„Wir sind das einzige Volk, das der amerikanische Schmelztiegel nicht verschmelzen kann. Wir sind die einzigen
in der amerikanischen Nation, die nicht als Flüchtlinge hierhergekommen sind. Und wenn wir auch wieder und
wieder geschlagen wurden, auf die Dauer kann man uns nicht besiegen. Amerika ist eine wurzellose Nation von
Einwanderern;... wir sind die ursprünglichen Amerikaner."
(Mel Thom 1964. In: J. M. Erdman, Handbook on Wisconsin Indians.
Madison 1966. S. 96.)
(a)
(b)
Warum ist es nicht gelungen, die Indianer mit dem amerikanischen Volk zu verschmelzen?
Welche Formen eines friedlichen Zusammenlebens von Indianern und Weißen sind für die
Zukunft denkbar?
D. Die amerikanische Tradition
Q 20 Die Bedeutung der Grenze für die amerikanische Geschichte
Der Historiker Frederick Jackson Turner nahm die offizielle Schließung der Grenze im Fernen Westen (1890)
zum Anlaß zu geistvollen Erörterungen über die Bedeutung des Grenzlebens für die Entwicklung der Vereinigten
Staaten, die bei allem um sie entfachten Streit nicht nur objektiv bedeutsam sind, sondern auch das Denken und die
Terminologie des amerikanischen Volkes tief beeinflußt haben. Er schreibt unter anderem:
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„... Bei den meisten Nationen hat sich die Entwicklung in einem begrenzten Raum abgespielt; und wenn die Nation
sich ausdehnte, ist sie auf andere wachsende Völker getroffen, die sie erobert hat. Aber im Fall der Vereinigten
Staaten haben wir eine andersartige Erscheinung. Beschränken wir unsere Aufmerksamkeit auf die Atlantikküste,
haben wir die vertraute Erscheinung der Entwicklung von Einrichtungen in einem begrenzten Gebiet, wie etwa die
Entstehung eines repräsentativen Regierungssystems; die Differenzierung einfacher Kolonialregierungen in
vielschichtige Organe; den Eortschritt von einer primitiven Gewerbegesellschaft ohne Arbeitsteilung zur
industriellen Zivilisation. Zusätzlich dazu aber haben wir eine Wiederholung des Entwicklungsprozesses in jedem
Gebiet des Westens, das im Vorschreiten der Expansion erreicht wird. Derart hat die amerikanische Entwicklung
nicht bloß ein Vorrücken entlang einer einzigen Linie dargestellt, sondern die Rückkehr zu primitiven
Verhältnissen auf einer ständig vorrückenden Grenzlinie und eine neue Entwicklung für dieses Gebiet. Die
gesellschaftliche Entwicklung Amerikas hat an der Grenze ständig wieder von vorn angefangen. Diese beständige
Wiedergeburt, dies Fließende des amerikanischen Lebens, diese Expansion westwärts mit ihren neuen
Möglichkeiten, ihrer dauernden Berührung mit der Einfachheit primitiver Gesellschaft, stellen die Kräfte, die den
amerikanischen Charakter beherrschen. Der wahre Gesichtspunkt in der amerikanischen Geschichte ist nicht die
Atlantikküste, ondern der Große Westen ... Von den Lebensbedingungen an der Grenze kamen intellektuelle Züge
von profunder Wichtigkeit her..., und diese Züge sind, sich abschwächend, als Überbleibsel an ihrem Ursprungsort
bestehen geblieben, auch als eine höhere soziale Organisation nachfolgte. Das Ergebnis ist, daß der amerikanische
Geist seine auffallenden Charakteristika der Grenze verdankt. Jene Rauheit und Kraft verbunden mit Scharfsinn
und Wißbegier; jene praktische, erfinderische Denkungsart, rasch im Auffinden von Behelfen; jene meisternde
Hand in materiellen Dingen, mangelhaft im Künstlerischen, aber machtvoll zur Erreichung großer Ziele; jene
ruhlose, nervöse Tatkraft; jener dominante Individualismus, zum Guten und zum Bösen wirkend, und zu all dem
die Spannkraft und Üppigkeit, die mit der Freiheit einhergehen - das sind Züge der Grenze oder Züge, die
anderswo auf Grund des Daseins der Grenze hervorgerufen wurden. Seit den Tagen, da die Flotte des Columbus in
die Gewässer der Neuen Welt segelte, war Amerika ein anderer Name für Möglichkeit, und das Volk der
Vereinigten Staaten hat den Ton aufgenommen von der unaufhörlichen Ausdehnung, die den Leuten nicht nur
freistand, sondern sogar aufgezwungen wurde ..."
The People Shall Judge. Readings in the Formation of American Policy.
a.a.O. II S. 130, 140 f.
(a)
(b)
Wie schätzt Turner die Bedeutung der ,,Frontier" (vgl. B 17) für die Entwicklung des
amerikanischen Nationalcharakters ein?
Welche Eigenschaften förderte, welche verdrängte das Leben an der Grenze nach Ansicht
Turners? Siehe auch T 8, S. 118.
Q 21 Ein amerikanischer Historiker unserer Zeit
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„Das Grenzland war eher konservativ als liberal; politische und soziale Reformen hatten ihren Ursprung im Osten,
nicht im Westen; und die Pioniere formten ihre politischen Einrichtungen nach dem Vorbild des Ostens, sie waren
nicht schöpferisch ...
Die Neubildung der Gesellschaftsordnung unter Pionierbedingungen brachte drei neue Klassen hervor. Die oberste Schicht bildeten die .besseren Leute': erfolgreiche Geschäftsleute, Politiker, Akademiker, deren höhere Bildung sie über das gemeine Volk hinaushob. Dann kamen die .Gewöhnlichen' - Bauern, Arbeiter, Gastwirte,
Flußschiffer, Bergleute ...
Noch tiefer auf der sozialen Leiter standen jene, die durch rassische oder ethnische Unterschiede gebrandmarkt
waren: die Neger im Süden, Neueinwanderer aus Deutschland oder Irland im Tal des Mississippi, Chinesen im
Fernen Westen.
Diese Klassenunterschiede waren in jeder neuen ländlichen wie städtischen Siedlung eindeutig festgelegt."
(R. A. Billington, America's Frontier Heritage. New York 1966. S. 98, 118.)
(a)
(b)
Vergleichen Sie mit Q 20. Was hält Billington von der sogenannten ,,Frontier-Theorie" Turners?
Suchen Sie Beispiele für Einflüsse des Westens und des Ostens auf die amerikanische
Entwicklung und beurteilen Sie danach die Argumente Turners und Billingtons. Benutzen Sie
dazu auch Q 8, S. 117; T 7, S. 117; Q 22-24, B 23.
Q 22 Die „Sendung" Amerikas („Manifest Destiny")
Der New Yorker Journalist John L. O'Sullivan über die Zukunft seines Landes, 1839 und 1845:
a) „Wir dürfen zuversichtlich daran glauben, daß unser Land dazu bestimmt ist, die große Nation der Zukunft zu
sein ... Wir sind die Nation des menschlichen Fortschritts, und wer will oder was kann unser Vorwärtsschreiten
aufhalten? ... Amerika ist auserwählt zu einer heiligen Mission gegenüber den Nationen der Welt, die ausgeschlossen sind vom lebenspendenden Licht der Wahrheit ..."
(In: 0. Handlin, American Principles and Issues. S. 536 f.)
b) „Es ist unsere offensichtliche Bestimmung [manifest destiny], den gesamten Kontinent einzunehmen und zu
besitzen, den uns die Vorsehung zur Entfaltung des großen Experiments der Freiheit übergeben hat..."
(In: M. Kraus, The United States to 1865. Ann Arbor 1959. S. 430.)
Q 23 Charles Sumner, Senator aus Boston, 1848 zum gleichen Thema
5
„Der Einzelmensch,... Gemeinschaften, Nationen ... und die gesamte Menschheit sind unendlicher Aufwärtsentwicklung fähig. Und dies ist auch ihr vorherbestimmtes Schicksal... Aus diesem großen Gesetz des Fortschritts
leiten wir unsere Pflichten und Hoffnungen ab. Instinkt und Notwendigkeit haben die Menschheit stets vorwärtsgetrieben ... Vertrauen wir daher darauf, daß nach einem unumstößlichen Statut der Vorsehung das Gerechte, das
Humane, das Gute, das Wahre im sicheren Licht der Zukunft siegen muß."
(In: O. Handlin, American Principles and Issues. S. 104 ff.)
(a)
(b)
Welche Haltung ist den Autoren von Q 22 und Q 23 gemeinsam?
Liefert die amerikanische Geschichte eine Erklärung für die Entstehung solcher Einstellungen?
Q 24 Präsident John F. Kennedy in einer Rede, 1960
5
„Wir stehen heute am Rande eines neuen Grenzlands -der Frontier der 60er Jahre - voll unbekannter Möglichkeiten
und Gefahren ... Diese neue Frontier ist kein Land der Verheißungen, es ist ein Land der Herausforderungen ...
Jenseits dieser Grenze sind die unbekannten Gebiete der Wissenschaft und des Weltraums, die ungelösten
Probleme von Frieden und Krieg, die uneroberten Territorien der Unwissenheit und des Vorurteils, die
unbeantworteten Fragen der Armut und des Überflusses... Ich fordere jeden einzelnen von Ihnen auf, ein Pionier
dieser neuen Grenze zu sein."
(In: President Kennedy Speaks. Niemeyer, Tübingen 1964. S. 14.)
(a)
(b)
(c)
Vergleichen Sie mit Q 23 und Q 22. Was ist bei Kennedy gleich geblieben, was ist anders
geworden?
Beschreiben Sie die Art ,,amerikanischer Tradition", die in Q 20-24 angesprochen wird,
Gibt es in der Gesellschaft und Politik der heutigen USA Beispiele dafür, daß diese Tradition
immer noch wirksam ist? Vgl. auch Q 40. S. 137.
E. Politische und wirtschaftliche Entwicklung
T16 Gegensätze zwischen Norden, Süden und Westen
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Schon in der Kolonialzeit hatten sich in den Südstaaten Wirtschaftsformen entwickelt, die sich grundlegend von
denen der Nordstaaten unterschieden (s. B 5, S. 114). Tabak im „alten Süden" an der Atlantikküste, Baumwolle im
„tiefen Süden" (s. T 17), aber auch Reis und Zuckerrohr an der tropischen Golfküste wurden in großen Plantagen
angebaut. Mit diesen Spezialkulturen konnten die Grundbesitzer große Gewinne durch Export erzielen, zumal
ihnen die Negersklaven als billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Die gemischte Landwirtschaft des
Nordens war dagegen weniger exportabhängig. In den Neu-England-Staaten wurde hauptsächlich Viehzucht,
Milchwirtschaft, Obst- und Gemüseanbau betrieben; der Mittlere Westen lieferte in zunehmendem Maße Mais und
Weizen. Daneben hatte sich in dem Gebiet zwischen den Appalachen und den Großen Seen frühzeitig Industrie
entwickelt, begünstigt durch Kohlen- und Eisenlager in Pennsylvanien und gute Verkehrsverbindungen zu den
Atlantikhäfen.
Die alten Gegensätze zwischen Nord- und Südstaaten entzündeten sich aufs neue im Streit um die Kontrolle der
neuen Westgebiete, die wirtschaftlich wie politisch enger mit dem Norden verbunden waren. (Fortsetzung s. S.
132.) Die 1854 in Wisconsin gegründete Republikanische Partei befürwortete Schutzzölle, Förderung des Westens
durch Bahnbau und Landverteilung und das Verbot der Sklaverei in den Westgebieten. Als ihr Kandidat Abraham
Lincoln 1860 bei den Präsidentschaftswahlen siegte, erklärten die Südstaaten ihren Austritt (Sezession) aus der
Union und bildeten einen eigenen Bund, die „Konföderierten Staaten von Amerika". In einem erbittert geführten
Bürgerkrieg, der über 500000 Menschenleben forderte (zum Vergleich: 190000 Tote im deutsch-französischen
Krieg von 1870/71), zwang Lincoln die elf abgefallenen Staaten in die Union zurück (1861-1865). Eine
Verfassungsänderung verfügte die Abschaffung der Sklaverei und die Verleihung des Bürgerrechts an die
Farbigen. Nach der Ermordung Lincolns (1865) wurde der besiegte Süden jahrelang vom Norden militärisch und
politisch unterdrückt und wirtschaftlich ausgebeutet (sogenannte Periode der „Reconstruction"), so daß sich die
Gegensätze noch vertieften (Gründung des Ku Klux Klan).
Die Nordstaaten erlebten nach dem Krieg einen gewaltigen Wirtschaftsaufschwung. Es entstanden die
Großunternehmen Vanderbilt, Rockefeiler, und Carnegie. Der Reichtum Amerikas entfaltete sich im
Großkapitalismus des Nordens (vgl. T19)
T17 Die Baumwollplantagen des Südens
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Bereits im 16. Jahrhundert arbeiteten afrikanische Neger in den Zuckerrohrplantagen Westindiens. Der englische
Sklavenhandel entwickelte sich zu einem einträglichen Geschäft (s. T 14 und T 15, S. 104). 1619 wurden die ersten
Neger nach Jamestown in Virginia gebracht (vgl. T 1). Die Tabak- und später auch die Baumwollpflanzer der
Südkolonien hatten einen ständig wachsenden Bedarf an billigen Arbeitskräften. Das gesetzliche Verbot des
Imports von Sklaven in die USA (1808) fiel gerade in eine Zeit, als zahlreiche neue Baumwollplantagen in den
neuerworbenen Gebieten westlich des Mississippi angelegt wurden. Die Preise für Sklaven schnellten in die Höhe.
In den Nordstaaten entstand währenddessen eine Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei (Abolitionisten). Die
eindringliche Beschreibung der Lage der Negersklaven in dem Buch „Onkel Toms Hütte" von Harriet Beecher
Stowe (1852) trug viel dazu bei, daß die Abolitionisten immer mehr Anhänger fanden. Die Sklavenfrage wurde zu
einem Hauptpunkt in der politischen Auseinandersetzung (vgl. T 16). Die Baumwollproduktion stieg von 2,1
Millionen Ballen im Jahre 1850 auf 5,4 Millionen 1860. Der Preis pro Pfund betrug 1820 17 cents, 1850 12, 1860
11, 1870 24 und im Jahre 1900 10 cents. Ein gesunder Negersklave kostete 1845 noch 750 Dollar, 1860 bereits
1500 Dollar.
Der Reichtum eines Pflanzers wurde an der Zahl seiner Sklaven bemessen. Eine Plantage durchschnittlicher Größe
hatte etwa 1000 acres Land und 100 Sklaven. Der Besitzer wohnte in einem Herrenhaus mit 10 bis 12 Zimmern,
die Neger in den „Quartieren": für jede Familie eine Blockhütte. Die Sklaven wurden jährlich neu eingekleidet und
erhielten bestimmte Wochenrationen an Fleisch, Mehl und Melasse. Meist hatten die Sklaven eigene Gärtchen, aus
denen sie sich mit Gemüse versorgen und wo sie ein paar Hühner halten konnten.
(a) Erläutern Sie die wirtschaftliche Entwicklung der Baumwollplantagen im 19. Jahrhundert,
(b) Erklären Sie die Tatsache, daß europäische Einwanderer fast nur in den Norden und Westen,
nicht aber in den Süden gekommen sind (vgl. Q 11).
T18 Der reichste Mann Amerikas: Johann Jacob Astor
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Johann Jacob Astor wurde 1763 in Walldorf bei Heidelberg geboren. Er ging 1780 nach London und wanderte drei
Jahre später nach Amerika aus, als der Unabhängigkeitskrieg zu Ende war. In New York arbeitete er in einem
Pelzgeschäft und machte sich 1786 selbständig. Drei Ereignisse ermöglichten ihm bald eine Ausdehnung seiner
Handelsbeziehungen: 1796 räumte England die amerikanische Nordwestküste, 1803 kauften die USA Louisiana
von Frankreich, 1804 unternahmen Lewis und Clark eine erste Expedition nach Oregon. Astor gründete die
„Amerikanische und Pazifische Pelz-Gesellschaft" und errichtete 1811 die Handelsstation Astoria an der
Mündung des Columbia River (s. K 14). Auch im Mississippi-Tal bildete er Stützpunkte für seinen Pelzhandel, der
bald den ganzen Kontinent umspannte.
Seine Gewinne legte er in New Yorker Grundstücken an, die ihm bald noch mehr einbrachten als das Pelzgeschäft,
so daß er sich 1827 zur Ruhe setzen konnte. Er stiftete die Astor-Bibliothek in New York und das Astor-Haus in
seinem Geburtsort in Deutschland. 1848 starb er als reichster Mann Amerikas und hinterließ seinen Erben über 20
Millionen Dollar.
(a) Vergleichen Sie den Lebenslauf Astors mit dem Daniel Boo-nes (T8, S. 118) und dem
Rockefellers (Q 25). Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede fallen auf?
Q 25 Der reichste Mann der Welt: John D. Rockefeller
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„Rockefeller, John Davison, amerikan. Großindustrieller, *Richford (N. Y.) 8. 7. 1839, fOrmond Beach (Florida)
23. 5. 1937, gründete mit 18 Jahren die Produktenhandlung ,Clark & Rockefeller' in Cleveland, errichtete 1862 die
Erdölraffinerie .Rockefeller & Andrews' und eröffnete kurz danach mit seinem Bruder die neue
Raffinerie .William Rockefeller & Company', New York. Um die amerikan. Erdölerzeugung zu beherrschen,
kaufte er mit Verlust arbeitende Unternehmen auf und nutzte als erster die in den Verein. Staaten gemachte
Erfindung, Erdöl in Röhrenleitungen (Pipe Lines) über weite Strecken zu befördern. 1870 gründete er die Standard
Oil Company of Ohio, Cleveland, später New York, mit einem Kapital von 1 Mio. $. Es gelang jedoch nur
vorübergehend, die gesamte Erdölerzeugung der Vereinigten Staaten zusammenzufassen. 1892 wurde die
Standard Oil of Ohio aufgelöst (Sherman Act) und die neue Dachgesellschaft Standard Oil Company of New
Jersey gegründet. Das große Vermögen, das R. aus dem Erdölgeschäft zog, legte er zum Teil auch in anderen
Industriezweigen (Eisenbahnen, Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie) an. Seine außerordentliche geschäftl.
Begabung und die Entschiedenheit, mit der er seine Ziele verfolgte, machten ihn zum damals reichsten Mann der
Welt; über 500 Mio. $ legte er in Stiftungen an; 1890 gründete er die Universität Chicago. Seit 1896 widmete sich
R. nur seinen Philanthrop. Stiftungen; sein Sohn John D. Rockefeller II. (*Cleveland 29. 1.1874) übernahm die
Leitung; er schenkte 1947 den Verein. Nationen das Gelände am East River in New York für deren Sitz."
(Der Große Brockhaus. Wiesbaden 161956, Bd. 10. S. 27 f.)
(a)
Mit welchen Mitteln erwarb Rockefeller sein Vermögen? Vgl. dazu T 19.
T19 Die Industrie des Nordens
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1890 produzierten die USA 9,4 Millionen Tonnen Roheisen,
1900 waren es 14, 1910 27,2 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: England 1890 8,3, 1900 9,1, 1910 10,2 Millionen
Tonnen; Deutschland 1890 4,7, 1900 8,5, 1910 14,8 Millionen Tonnen.
Kennzeichnend für die industrielle Entwicklung der USA gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Entstehung des
„Big Business". Durch Zusammenschlüsse der verschiedensten Art konzentrierte sich das Kapital in einigen
wenigen Großunternehmen. Es gab Gesellschaften, die Anteile verschiedener Unternehmen besaßen und
verwalteten (Holding), und andere, die lediglich die Gewinne mehrerer Betriebe sammelten und neu verteilten
(Pools). Zahlreiche Unternehmen einzelner Industriezweige standen unter einheitlicher Leitung, wobei die
Betriebe entweder formal ihre Selbständigkeit behalten konnten (Konzern) oder ganz in die Abhängigkeit der
neuen Gesellschaft gerieten (Trust).
Rockefellers Standard Oil Trust beherrschte 1904 85% des einheimischen Ölmarktes und 90% des Außenhandels.
Er erzielte 1905 einen Jahresgewinn von 57 Millionen Dollar. Die Firmengruppe J. P. Morgan & Company
kontrollierte 1913 112 verschiedene Gesellschaften mit einem Kapital von zusammen 22 Milliarden Dollar und
785499 Beschäftigten. 70% der amerikanischen Eisen- und Stahlproduktion waren 1901 in Händen der U. S. Steel
Corporation.
Zum Vergleich: 1967 hatte die Volkswagenwerk AG 127 700 Beschäftigte, einen Umsatz von 9,3 Milliarden DM
und einen Marktanteil von 26,9% der in der Bundesrepublik Deutschland verkauften Personenkraftwagen.
(a) Vergleichen Sie die industrielle Entwicklung der USA und Englands (s. T 10, S. 202) um die
Jahrhundertwende. Berücksichtigen Sie dabei auch die Auslandsinvestitionen (Q 36, S. 136).
(b) Erörtern Sie Vor- und Nachteile der Trust-Bildung.
T 20 Politische Streitfragen
Die politischen Auseinandersetzungen im amerikanischen Kongreß waren im 19. Jahrhundert von folgenden
Streitfragen beherrscht:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Höhe der Zölle
Sklaverei
Förderung oder Bremsung der Einwanderung
Starke Zentralgewalt oder mehr Rechte für die Einzelstaaten
Höhe der staatlichen Investitionen
Weitere territoriale Ausdehnung
3. Auf dem Wege zur Weltmacht
A. Amerika den Amerikanern?
Q 26 Aus der „Abschiedsbotschaft" George Washingtons, des ersten Präsidenten der
USA, 1796
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25
„... Die große Verhaltensregel hinsichtlich fremder Nationen liegt für uns darin, bei der Ausweitung unserer
Handelsbeziehungen so wenig politische Verbindung wie möglich mit ihnen zu haben. Soweit wir bereits
Verpflichtungen eingegangen sind, laßt sie in vollendet gutem Glauben erfüllt werden. - Hier aber laßt uns Halt
machen.
Europa hat ein Gefüge primärer Interessen, die keine oder sehr entfernte Beziehungen zu uns haben. Deshalb muß
es in häufige Auseinandersetzungen geraten, deren Ursachen unseren Anliegen wesentlich fremd sind. Daher also
muß es unklug für uns sein, uns durch künstliche Bande in die gewöhnlichen Wechselfälle seiner Politik oder die
gewöhnlichen Kombinationen und Zusammenstöße seiner Freund- oder Feindschaften zu verwickeln. Unsere
abgesonderte und entfernte Lage veranlaßt uns und setzt uns instand, einen anderen Kurs zu verfolgen. Wenn wir
ein einiges Volk unter einer wirksamen Regierung bleiben, ist die Zeit nicht fern, wo wir beträchtlicher
Schädigung durch auswärtige Staaten trotzen können; wo wir eine Haltung einnehmen können, die die Neutralität
achten lassen wird, die wir zu irgendeiner Zeit beschließen mögen; wo kriegführende Nationen angesichts der Unmöglichkeit, Erwerbungen bei uns zu machen, nicht leichthin damit spielen werden, uns zu provozieren; wo wir
Krieg oder Frieden wählen können, wie unser Interesse, geleitet vom Recht, es geraten sein läßt.
Warum sich der Vorteile einer so besonderen Lage begeben? Warum unseren eigenen Boden verlassen, um auf
fremdem zu stehen? Warum durch Verflechtung unseres Geschicks mit dem irgendeines Teils von Europa unseren
Frieden und unseren Wohlstand in die Netze europäischer Ambition, Rivalität, Interesses, Stimmung oder Laune
verstricken?
Unsere wahre Politik ist, uns fernzuhalten von allen dauernden Bündnissen mit irgendeinem Teil der
ausländischen Welt; insoweit, meine ich, als wir jetzt frei sind es zu tun; denn laßt mich nicht so verstanden werden,
als wäre ich für Untreue gegenüber bestehenden Verpflichtungen. Ich halte die Maxime für nicht weniger anwendbar auf öffentliche als auf private Angelegenheiten, daß ehrlich immer am längsten währt. Ich wiederhole es
deshalb, laßt diese Verpflichtungen in ihrem wirklichen Sinn beobachtet werden. Aber meiner Meinung nach ist es
unnötig und wäre es unklug, sie auszudehnen.
Wenn wir immer darauf sehen, uns durch geeignete Einrichtungen in achtunggebietendem Verteidigungszustand
zu halten, können wir ohne Gefahr zeitweiligen Bündnissen für ungewöhnliche Notlagen vertrauen ..."
Botschaften der Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika
zur Außenpolitik, 1793-1947. Bearbeitet von Herbert Strauß. Bern 1957. S.
13 f.
(a)
Welche beiden Grundsätze sollten nach Ansicht Washingtons die künftige amerikanische
Außenpolitik bestimmen?
Q 27 Aus einer Erklärung
Monroe-Doktrin)
von
Präsident
James
Monroe,
1823
(sogenannte
Als Präsident James Monroe (1758-1831, Amstzeit 1817-1825) in seiner Jahresbotschaft vom 2. Dezember 1823
Grundsätze der amerikanischen Außenpolitik formulierte, wollte er in erster Linie die Position der Vereinigten
Staaten angesichts weltpolitischer Verwicklungen seiner Zeit klarstellen. Verschiedene Vorgänge hatten diese
Erklärung veranlaßt: weitgehende russische Besitzansprüche an der nordamerikanischen Pazifikküste, vermeintliche Rekolonisierungsabsichten der Heiligen Allianz bezüglich Lateinamerikas, britische Wünsche zur
Offenhaltung des unabhängig gewordenen Lateinamerika für den englischen Handel. Ursprünglich hatte der
britische Außenminister George Canning eine gemeinsame britisch-amerikanische Erklärung vorgeschlagen. Auf
Anraten des amerikanischen Außenministers John Quincy Adams (1767-1848) entschloß sich Monroe für eine
einseitige amerikanische Erklärung. Erst um die Jahrhundertmitte wurden die Grundsätze von 1823 als „Doktrin"
der amerikanischen Außenpolitik bezeichnet. Amerikanische Politiker haben sich bis in die Gegenwart auf sie
berufen.
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Auf Vorschlag der Kaiserlich Russischen Regierung, übermittelt durch den hier residierenden Gesandten des
Kaisers, erhielt der Gesandte der Vereinigten Staaten in St. Petersburg Vollmacht und Instruktionen, um in
freundschaftlichen Verhandlungen die jeweiligen Rechte und Interessen beider Nationen an der Nordwestküste
unseres Kontinents abzustecken. Einen ähnlichen Vorschlag hatte Seine Kaiserliche Majestät der Regierung von
Großbritannien unterbreitet, und diese hat ihm weise zugestimmt. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat mit
diesem freundschaftlichen Vorgehen den großen Wert, den sie stets der Freundschaft des Kaisers beigemessen hat,
und ihr Bemühen um ein gutes Einvernehmen mit dieser Regierung dokumentieren wollen 1. Angesichts der
Diskussionen, die daraus resultieren, und der Abmachungen, die an deren Ende stehen können, erschien die
Gelegenheit angemessen zur Aufstellung eines Grundsatzes, der die Rechte und Interessen der Vereinigten Staaten
einschließt, nämlich daß der amerikanische Doppelkontinent mit seiner errungenen und behaupteten Freiheit und
Unabhängigkeit von nun an nicht mehr als Gegenstand zukünftiger Kolonialexpansion europäischer Mächte
anzusehen ist. [.. .]
Am Ende der letzten Sitzungsperiode des Kongresses konnte festgestellt werden, daß in Spanien und Portugal
große Anstrengungen gemacht wurden, die Verhältnisse der Bewohner dieser Länder zu verbessern, und daß dies
Ziel anscheinend mit außerordentlicher Mäßigung verfolgt wurde. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß das
Ergebnis nun ganz anders aussieht, als damals erwartet wurde 2. Wir sind immer höchst aufmerksame und
interessierte Beobachter der Vorgänge gewesen, die sich in jenem Teil der Erde abgespielt haben, mit dem wir so
viel Verkehr unterhalten und von dem wir unsere Ursprünge herleiten. Die Bürger der Vereinigten Staaten hegen
die freundschaftlichsten Empfindungen zugunsten von Freiheit und Glück ihrer Mitmenschen auf jener Seite des
Atlantik. An den Kriegen der europäischen Mächte in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, haben wir niemals
irgendeinen Anteil gehabt, und es entspricht auch nicht unserer Politik, dies zu tun. Nur wenn unsere Rechte
beeinträchtigt oder ernsthaft bedroht sind, nehmen wir Unrecht übel oder bereiten wir uns auf unsere Verteidigung
vor. Von den Entwicklungen in dieser Hemisphäre sind wir notwendigerweise direkter betroffen, und zwar aus
Gründen, die allen aufgeklärten und unparteiischen Beobachtern klar sein müssen. Das politische System der
alliierten Mächte3 ist in dieser Hinsicht wesentlich anders als das Amerikas. Dieser Unterschied ergibt sich aus
demjenigen, der zwischen den jeweiligen Regierungen besteht; und zur Verteidigung unseres Systems, das mit
dem Verlust von so viel Blut und Gut erkauft worden ist und das gereift ist durch die Weisheit seiner erleuchtetsten
Bürger und unter dem wir beispielloses Glück genossen haben, ist unsere ganze Nation bereit. Wir schulden daher
der Aufrichtigkeit und den freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und diesen Mächten
die Erklärung, daß wir jeden Versuch von ihrer Seite, ihr System auf irgendeinen Teil dieser Hemisphäre
auszudehnen, als eine Gefahr für unseren Frieden und unsere Sicherheit ansehen würden. In die bestehenden
Kolonien oder Dependenzen irgendeiner europäischen Macht haben wir uns nicht eingemischt und werden uns
nicht einmischen. Bezüglich der Regierungen aber, die ihre Unabhängigkeit erklärt haben und behaupten und
deren Unabhängigkeit wir nach sorgfältigen Erwägungen und auf Grund gerechter Prinzipien anerkannt haben4,
könnten wir einen jeglichen Eingriff von Seiten einer europäischen Macht mit dem Ziel, sie zu unterdrücken oder
in anderer Weise ihr Schicksal unter Kontrolle zu bringen, nur als Ausdruck einer unfreundlichen Haltung
gegenüber den Vereinigten Staaten ansehen. Im Krieg zwischen jenen neuen Regierungen und Spanien haben
wiranläßlich ihrer Anerkennung unsere Neutralität erklärt und diese eingehalten, und wir werden sie auch
zukünftig einhalten, es sei denn, es träten Veränderungen ein, die nach Auffassung kompetenter Stellen unserer
Regierung auch eine Veränderung in der Haltung der Vereinigten Staaten zugunsten ihrer eigenen Sicherheit
unbedingt erforderlich machten.
Die jüngsten Vorgänge in Spanien und Portugal zeigen, daß Europa immer noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Für
diese wichtige Tatsache gibt es keinen stärkeren Beweis als den, daß die alliierten Mächte es für angebracht
gehalten haben, ganz wie es ihren eigenen Grundsätzen entspricht, sich in die inneren Angelegenheiten Spaniens
mit Gewalt einzumischen. Alle unabhängigen Mächte, deren Regierungssysteme anders aussehen, selbst weit
entfernt liegende, sind an der Frage interessiert — und sicherlich keine Macht weniger als die Vereinigten Staaten
—, wie weit eine solche Einmischung aufgrund jener Prinzipien eigentlich betrieben werden kann. Unsere Politik
gegenüber Europa, die wir in einem früheren Stadium der Kriege eingeleitet haben, die solange jenen Teil der Welt
erschüttert haben, bleibt dessen ungeachtet dieselbe, nämlich uns nicht einzumischen in die inneren Verhältnisse
ihrer Mächte, eine de facto bestehende Regierung für uns auch als legitim anzusehen, freundliche Beziehungen mit
ihr zu unterhalten und diese Beziehungen durch eine offene, feste und männliche Politik zu pflegen, immer den
gerechten Ansprüchen einer jeden Macht entgegenzukommen, aber von keiner Unrecht hinzunehmen. Bezüglich
des [amerikanischen] Doppelkontinents liegen die Verhältnisse jedoch in hohem Maße und auffallend anders. Es
55
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ist unmöglich, daß die alliierten Mächte ihr politisches System auf irgendeinen Teil dieses Kontinents ausdehnen,
ohne unseren Frieden und unser Glück zu gefährden; auch kann keiner glauben, daß unsere Brüder im Süden,
wenn sie sich selbst überlassen würden, dies System aus freien Stücken übernehmen würden. Und es ist deshalb
auch ausgeschlossen, daß wir bei solch einer Einmischung in irgendeiner Weise gleichgültig bleiben könnten.
Wenn wir die Stärke und die Hilfsquellen Spaniens mit denen der neuen Regierungen vergleichen und uns die
Entfernung zwischen ihnen ansehen, ist es offenkundig, daß Spanien diese niemals unterwerfen kann. Es ist immer
noch die aufrichtige Politik der Vereinigten Staaten, die Parteien sich selbst zu überlassen in der Hoffnung, daß
andere Mächte denselben Kurs verfolgen werden.
1
Rußland hatte seit 1821 erweiterte Gebietsansprüche an der nordamerikanischen Pazifikküste (im Oregongebiet)
erhoben. Am 17. April 1824 sollte ein Vertrag mit Rußland zustande kommen, in dem die beiderseitigen Ansprüche
abgegrenzt wurden, und zwar entlang dem 54. Grad, 40 Minuten nördlicher Breite.
2 Frankreich hatte im April 1823 mit Truppen in Spanien interveniert, um im Auftrage der europäischen Großmächte
(Österreich, Rußland, Preußen, Frankreich) die Revolution zu unterdrücken und die konstitutionelle Monarchie zu
beseitigen. In Portugal war 1823 die liberale Verfassung von 1820 aufgehoben worden.
3 Gemeint ist das System der Heiligen Allianz und der Quadrupelallianz von 1815.
4 Die Vereinigten Staaten hatten 1822 Kolumbien und Mexiko, 1823 Chile und Argentinien als unabhängige
Staaten anerkannt. 1824 sollte die Anerkennung Brasiliens und der Föderation Zentralamerikanischer Staaten,
1826 die Anerkennung Perus folgen.
Zitiert nach: James D. Richardson (Hrsg.), A Compilation of the Messages
and Papers of the Presidents. Bd. II, Bureau of National Literature, New
York 1897, S. 778, 786—788. Eigene Übersetzung.
(a)
(b)
Fassen Sie die Monroe-Doktrin in drei Punkten zusammen.
Was ist daran neu gegenüber den Grundsätzen Washingtons (Q26)?
Q 28 Präsident James K. Polk begründet die Kriegserklärung gegen Mexiko, 1846
5
„Es ergab sich die Notwendigkeit, dem drohenden Einmarsch mexikanischer Truppen in Texas entgegenzutreten.
Der Einmarsch wurde allein deshalb angedroht, weil Texas sich entschlossen hatte, in Übereinstimmung mit einem
feierlichen Beschluß des Kongresses der Vereinigten Staaten sich unserer Union anzuschließen, und unter diesen
Umständen war es unsere offensichtliche Pflicht, seinen Bürgern und Grenzen unseren Schutz zu gewähren ...
Zur Behauptung unserer Rechte und zur Verteidigung unseres Landes rufe ich den Kongreß auf, unverzüglich den
Kriegszustand festzustellen ..."
(R. Hofstadter, Great Issues in American History. New York 1959. Bd. I. S.
340 f.)
(a)
Informieren Sie sich über Anlaß (T 10, S. 120) und Ergebnis (K 16) des Krieges mit Mexiko.
Q 29 Aus einer Entschließung des Parlaments von Massachusetts zum Krieg gegen
Mexiko, 1847
5
„Jede Schlacht, die in Mexiko geschlagen wird, und jeder Dollar, der dort ausgegeben wird, dient ausschließlich
dazu, Gebiete zu erwerben, die künftig die wirtschaftliche und politische Macht der Südstaaten erweitern ... Es ist
ein Krieg gegen die sklavenfreien Staaten, ein Krieg zur Stärkung der Sklaverei. Hier wird ein Eroberungs- und
Raubzug unternommen, um die politische Macht im Innern zu erringen . .. Der gegenwärtige Krieg hat seinen
Ursprung in der verfassungswidrigen Eingliederung des ausländischen Staates Texas, solange dieser noch im
Kriegszustand mit Mexiko war.. .
Ein solcher Eroberungskrieg, mutwillig, ungerecht und verfassungswidrig in Ursprung und Wesen, ist ein Krieg
gegen die Freiheit, gegen die Menschlichkeit, gegen die Gerechtigkeit ..."
(R. Hofstadter, Great Issues in American History, New York 1959. S. 344.)
(a)
(b)
Wessen Freiheit sieht das Parlament von Massachusetts durch den Krieg gegen Mexiko
gefährdet?
Vergleichen Sie mit Q 28 und beurteilen Sie die Gründe für diesen Krieg.
Q 30 us einer Botschaft des Präsidenten Ulysses S. Grant an den Senat, 1870
5
Der Präsident plante die Besetzung der Insel San Domingo. Auf Betreiben des Senators Carl Schurz (s. T 11, S.
120) wurde die Vorlage jedoch abgelehnt. Erst 1904 griffen die USA tatsächlich in San Domingo ein (s. Q 34).
„Der Erwerb von San Domingo steht im Einklang mit der Monroe-Doktrin. Er bedeutet die Durchsetzung unseres
gerechten Anspruchs auf einen bestimmenden Einfluß auf den großen Handelsverkehr, der bald über die Landenge
von Darien von Ost nach West fließen wird ..."
(H. S. Commager, A. Nevins, Hrsg. The Heritage of America. Boston 1951.
S. 513.)
(a)
Informieren Sie sich über die geographische Lage von San Domingo und der Landenge von
Darien (Kolumbien).
Q 31 Präsident William McKinley über die Ursachen des spanisch-amerikanischen
Krieges, 1898
5
10
Der Krieg sollte die spanische Herrschaft über Kuba beenden. „Die Gründe für ein Eingreifen können wie folgt
zusammengefaßt werden:
Im Namen der Menschlichkeit und um Grausamkeiten, Blutvergießen, Hungersnot und entsetzliche Leiden zu
beenden ...
Wir schulden unseren Bürgern in Kuba jenen Schutz und jene Sicherung ihres Lebens und Eigentums, die keine
dortige Regierung gewähren kann oder will ...
Die Einmischung wird gerechtfertigt durch den schweren Schaden, den unsere Geschäfte und Handelsbeziehungen durch die mutwillige Zerstörung von Eigentum und die Verwüstung der Insel erleiden.
Die gegenwärtige Lage in Kuba ist eine ständige Bedrohung unseres Friedens ...
Ich fordere daher den Kongreß auf, dem Präsidenten die Vollmachten zu übertragen, die nötig sind, um eine endgültige Beendigung der Feindseligkeiten zwischen der spanischen Regierung und dem kubanischen Volk zu erreichen."
(R. Hofstadter, Great Issues in American History, New York 1959. Bd. II, S.
195 f.)
(a)
(b)
(c)
Welche der genannten Gründe halten Sie für ausschlaggebend?
Befindet sich McKinley in Übereinstimmung mit der Monroe-Doktrin (Q 27)?
Welche Ergebnisse hatte der Krieg von 1898? S. T 22, S. 137 und K17.S. 138.
Q 32 Aus dem Programm der „Liga der Anti-Imperialisten", 1899
Die Errichtung der amerikanischen Herrschaft über die Philippinen rief in den Vereinigten Staaten zeitweilig heftige
Kritik hervor. Sollten Amerikaner, deren Vorfahren einst die kolonialen Bande zu Europa zerschnitten hatten, nun
selbst eine Kolonialmacht werden? Die Opposition organisierte sich in einer Liga gegen den Imperialismus, der
Politiker der Demokratischen und der Republikanischen Partei, ehemalige Präsidenten und Kabinettsmitglieder und
andere prominente Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben angehörten, z.B. Benjamin Harrison (Präsident
1889-1893), Grover Cleveland (Präsident 1885 bis 1889 und 1893-1897), der Industrielle Andrew Carnegie, der
Deutschamerikaner Carl Schurz und der Schriftsteller Mark Twain. Im Wahlprogramm der Demokraten von 1900
hieß es: „Wir verdammen und brandmarken die Philippinenpolitik der gegenwärtigen Regierung." Kritik entzündete
sich vor allem an der Tatsache, daß die philippinischen Aufständischen unter Emilio Aguinaldo in ihrer Hoffnung auf
Unabhängigkeit enttäuscht worden waren und sich nach der Niederlage Spaniens gegen die amerikanische
Herrschaft erhoben hatten. Der Aufstand wurde militärisch niedergeworfen. Die Vereinigten Staaten stellten die
Unabhängigkeit nach einer unbestimmten Übergangsperiode amerikanischer Verwaltung in Aussicht. Der Protest
der Anti-imperialistischen Liga, der im Programm vom Oktober 1899 prägnant formuliert worden war, verstummte
bald. Die Philippinen erhielten 1916 innere Autonomie und wurden 1946 unabhängig.
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Wir glauben, daß die Politik, die man als „Imperialismus" bezeichnet, gegen die Freiheit gerichtet ist und zum
Militarismus tendiert, einem Übel, dem wir zu unserem Ruhm bisher nicht erlegen waren. Wir bedauern, daß es im
Lande Washingtons und Lincolns notwendig geworden ist, daran zu erinnern, daß alle Menschen, ungeachtet ihrer
Rasse oder Hautfarbe, ein Recht auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück haben. Wir halten uns an den
Grundsatz, daß Regierungen ihre rechtmäßige Macht von der Zustimmung der Regierten ableiten. Wir möchten
betonen, daß die Unterwerfung eines Volkes eine „verbrecherische Angriffshandlung" und eine offene Verletzung
charakteristischer Grundzüge unseres Regierungssystems ist.
Wir verurteilen nachdrücklich die Politik unserer derzeitigen nationalen Regierung auf den Philippinen. Sie ist
darauf gerichtet, den Geist von 17761 auf diesen Inseln auszulöschen. Wir bedauern das Opfer unserer Soldaten
und Seeleute, deren Tapferkeit selbst in einem ungerechten Krieg Bewunderung verdient. Wir verurteilen das
Abschlachten der Filipinos als eine unnötige Greueltat. Wir protestieren gegen die Ausweitung der amerikanischen Herrschaft mit Hilfe spanischer Methoden2.
Wir verlangen die sofortige Beendigung des Krieges gegen die Freiheit, den Spanien begonnen hat und den wir
fortsetzen. Wir verlangen den sofortigen Zusammentritt des Kongresses, um den Filipinos unsere Absicht
mitzuteilen, daß wir ihnen die Unabhängigkeit geben, für die sie so lange gekämpft haben und die ihnen
rechtmäßig zukommt. Die Vereinigten Staaten haben stets gegen jene Doktrin des internationalen Rechts protestiert, die eine Unterwerfung der Schwachen durch die Mächtigen zuläßt. Ein Staat, der sich selbst regiert, kann
nicht die Herrschaft über ein widerstrebendes Volk errichten. Die Vereinigten Staaten können nicht nach der alten
Irrlehre handeln, daß Macht Rechtschafft.
Die Imperialisten glauben, daß jede Opposition in unserem Lande aufhört, wenn erst die Selbstverwaltung auf den
Philippinen durch die Amerikaner beseitigt worden ist. Das ist ein schwerer Irrtum. So sehr wir auch den
„verbrecherischen Angriffskrieg" auf den Philippinen verabscheuen, so sehr wir bedauern, daß das Blut der
Filipinos an amerikanischen Händen klebt, wir sind noch mehr empört über den Verrat an amerikanischen
Ordnungsprinzipien hier bei uns. Das wirkliche Kampffeld liegt nicht in den Vororten von Manila. Der Feind sitzt
im eigenen Land. 1861 wurde der Versuch gemacht, unser Land zu teilen. 1899 wird der Versuch gemacht, die
fundamentalen Prinzipien und höchsten Ideale dieses Landes zu zerstören.
1 Der Geist der Freiheit, der in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 zum Ausdruck
gekommen ist.
2 Gemeint sind die Methoden der gewaltsamen Eroberung, die Spanien bei der Errichtung seines
Kolonialreiches in Amerika angewandt hatte. Zitiert nach: Henry Steele
Commager (Hrsg.), Documents of American History. 7. Aufl.,
Apple-ton-Century-Crofts, New York 1963, Bd. II, S. 11—12. Eigene
Übersetzung.
(a)
(b)
Warum berufen sich die Verfasser gerade auf Washington und Lincoln?
Vergleichen Sie mit Q 31 und Q 33. Was soll hier „unamerikanisch" sein?
Q 33 Aus einer Rede des Senators Albert J. Beveridge über die Annexion der
Philippinen, 1900
5
„Die Philippinen sind unser auf ewig, sie sind ,den Vereinigten Staaten zugehöriges Territorium', wie unsere
Verfassung dies nennt. Und gleich jenseits der Philippinen sind Chinas unbegrenzte Märkte. Keines von beiden
werden wir aufgeben ...
Selbstbestimmung und innere Entwicklung haben das erste Jahrhundert unserer Geschichte geprägt; Verwaltung
und Entwicklung fremder Länder werden unsere vorherrschenden Aufgaben im zweiten Jahrhundert sein ... Von
allen Völkern des Menschengeschlechts hat Gott das amerikanische Volk dazu auserwählt, letztendlich die Führung zu übernehmen bei der Erneuerung der Welt. . ."
(O. Handlin, American Principles and Issues. S. 541,545 f.)
Q 34 Präsident Theodore Roosevelts Auslegung der Monroe-Doktrin anläßlich des
Eingreifens in San Domingo, 1904
In seiner Jahresbotschaft an den Kongreß vom 6. Dezember 1904 (und erneut 1905) rechtfertigte Präsident
Roosevelt eine Interventionspolitik der Vereinigten Staaten in Lateinamerika mit dem Argument, daß die
Monroe-Doktrin Eingriffe europäischer Mächte in die westliche Hemisphäre, z. B. zum Eintreiben von Schulden,
verbiete und es deshalb Sache der Vereinigten Staaten sei, für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung in
amerikanischen Republiken zu sorgen. Roosevelt leitete also aus der Monroe-Doktrin internationale
Polizeibefugnisse für sein Land ab. Dies geschah angesichts der Unfähigkeit der Dominikanischen Republik, ihren
Schuldverpflichtungen gegenüber ausländischen Gläubigern nachzukommen, und diesbezüglicher
Interventionsdrohungen europäischer Mächte (vgl. auch Anmerkung 2). Im Sinne des Roosevelt-Zusatzes zur
Monroe-Doktrin (sog. Roosevelt Corollary) intervenierten die Vereinigten Staaten in der Dominikanischen Republik
1905 und 1916, in Kuba 1906 und 1912, in Nicaragua 1912 und 1926, in Mexiko 1914 und in Haiti 1915. Der
Roosevelt-Zusatz wurde 1928 durch das sogenannte Clark-Memorandum des amerikanischen Außenministeriums
praktisch widerrufen, in dem es hieß, die Monroe-Doktrin betreffe das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu Europa,
nicht das der Vereinigten Staaten zu Lateinamerika. Franklin D. Roosevelt leitete 1934 eine „Politik der guten
Nachbarschaft" ein.
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Es ist nicht wahr, daß die Vereinigten Staaten Hunger auf Land haben und irgend etwas mit anderen Nationen der
westlichen Hemisphäre vorhaben, es sei denn, es dient deren eigener Wohlfahrt. Dieses Land wünscht nur, seine
Nachbarländer stabil, geordnet und blühend zu sehen. Jedes Land, dessen Bewohner sich gut betragen, kann
unserer herzlichen Freundschaft sicher sein. Wenn eine Nation zeigt, daß sie weiß, wie man mit angemessener Tüchtigkeit und
Anständigkeit soziale und politische Angelegenheiten anfaßt, wenn sie für Ordnung sorgt und ihre Schulden
bezahlt, braucht sie kein Eingreifen der Vereinigten Staaten zu befürchten. Chronisches Fehlverhalten oder
Schwäche, die auf eine allgemeine Lockerung der Bindungen einer zivilisierten Gesellschaft hinauslaufen, kann in
Amerika wie überall schließlich die Intervention einer zivilisierten Nation erfordern, und in der westlichen
Hemisphäre kann die Bindung der Vereinigten Staaten an die Monroe-Doktrin die Vereinigten Staaten zwingen, in
besonders schlimmen Fällen von Fehlverhalten oder Schwäche, wenn auch widerstrebend, eine internationale
Polizeigewalt auszuüben. Wenn jedes Land am Karibischen Meer den gleichen Fortschritt in Richtung auf eine
stabile und gerechte Zivilisation aufwiese, den Kuba mit Hilfe des „Platt Amendments" 1 seit dem Abzug unserer
Truppen gezeigt hat und den so viele Republiken des amerikanischen Doppelkontinents ständig und glänzend
aufweisen, gäbe es für unsere Nation überhaupt keine Frage der Einmischung in ihre Angelegenheiten. Unsere
Interessen und die unserer südlichen Nachbarn sind in Wirklichkeit identisch. Sie besitzen große Naturschätze,
und wenn in ihren Grenzen Gesetz und Gerechtigkeit hergestellt werden, dann kommt bestimmt auch der
Wohlstand zu ihnen. Halten sie sich also an die Normen der zivilisierten Gesellschaft, dann können sie versichert
sein, daß wir sie im Geiste herzlicher und hilfreicher Anteilnahme behandeln. Wir würden uns bei ihnen nur
einmischen, wenn uns kein anderer Ausweg bleibt, und auch dann nur, wenn offenkundig geworden ist, daß sie
unfähig oder nicht willens sind, Gerechtigkeit im Innern walten zu lassen, und wenn sie nach außen die Rechte der
Vereinigten Staaten verletzen oder den Angriff eines anderen Landes zum Schaden der Gesamtheit der
amerikanischen Nationen herausgefordert haben. Es ist eine Binsenwahrheit, daß jede Nation, in Amerika oder
irgendwo anders, die Freiheit und Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten wünscht, letzten Endes erkennen muß, daß
das Recht auf solch eine Unabhängigkeit nicht von der Verpflichtung zu trennen ist, von ihr auch guten Gebrauch
zu machen.
Wenn wir uns auf die Monroe-Doktrin berufen, wenn wir solche Schritte tun, wie wir sie in Kuba, Venezuela und
Panama unternommen haben2, wenn wir uns bemühen, den Kriegsschauplatz im Fernen Osten einzugrenzen3 und
die „Offene Tür" in China zu sichern4, dann handeln wir sowohl in unserem eigenen Interesse als auch im Interesse
der Menschlichkeit allgemein. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen unsere Anteilnahme sehr stark erregt ist,
ohne daß auch unsere eigenen Interessen besonders berührt sind. [. . .] In extremen Fällen mag ein Einschreiten
gerechtfertigt und angemessen sein. Wie dieses Einschreiten aussieht, hängt von den Umständen des Falles ab, d. h.
von dem Grad der Abscheulichkeit und von unserer Macht, sie zu beheben. Die Fälle, in denen wir uns mit
Waffengewalt so einmischen könnten, wie wir es getan haben, um die unerträglichen Verhältnisse in Kuba zu
beenden, sind selbstverständlich sehr selten.
1
Im Platt Amendment von 1901, einer von den Vereinigten Staaten erzwungenen Ergänzung zur kubanischen
Verfassung, mußte Kuba den Vereinigten Staaten Protektoratsrechte und Marinebasen im eigenen Lande
zugestehen (aufgehoben 1934).
2 Nach der Besetzung Kubas im Spanisch-amerikanischen Krieg (1898) warenamerikanische Truppen noch bis
1902 auf der Insel geblieben, um deren innere Verhältnisse zu stabilisieren. In den Venezuelakrisen von 1895
(Grenzstreit zwischen Venezuela und Großbritannien über die Grenze Britisch-Guayanas) und 1902 (Blockade
europäischer Mächte zur Durchsetzung von Schuldforderungen) griffen die Vereinigten Staaten zugunsten
schiedsgerichtlicher Lösungen ein. In der
kolumbianischen Provinz Panama hatten die Vereinigten Staaten 1903 eine Revolution genutzt, um ihr Interesse
am Bau des interozeanischen Kanals durchzusetzen (vgl. Text 56).
3 1902 war eine antiamerikanische Erhebung auf den Philippinen unterdrückt worden.
4 1900 hatten amerikanische Truppen an der Strafexpedition gegen die Boxer in China teilgenommen, gleichzeitig
aber das Prinzip der „Offenen Tür" verfochten: territoriale und administrative Integrität Chinas bei Offenhaltung des
Landes für den Welthandel (vgl. Text 55).
Zitiert nach: Henry Steele Commager (Hrsg.), Documents of American
History. 7. Aufl., Bd. II, Appleton-Century-Crofts, New York 1963, S.
33—34. Eigene Übersetzung.
(a)
Vergleichen Sie mit Q 27.
T 21
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Der Panama-Kanal
Schon 1846 sicherten sich die USA durch einen Vertrag mit Kolumbien das Recht, einen Kanal durch die
Landenge zu bauen. 1850 wurde mit Großbritannien eine künftige gemeinsame Kontrolle über einen solchen
Kanal vereinbart. Nach dem spanisch-amerikanischen Krieg kündigten die USA diese Vereinbarung, da sie sie nun
als Verletzung der Monroe-Doktrin betrachteten. Sie erwarben die Reste der bankrotten
Lesseps-Kanalgesellschaft für 40 Millionen Dollar. Als die Verhandlungen mit Kolumbien über die Abtretung
eines Landstreifens für den Kanalbau scheiterten, unterstützte Präsident Roosevelt 1903 einen Aufstand in Panama,
der Nordprovinz Kolumbiens. Von der neuen, unabhängigen Republik Panama erwarben die USA eine 16 km
breite Kanalzone für 10 Millionen Dollar (1904). Der Kanal wurde für 500 Millionen Dollar erbaut und 1914 zum
gleichberechtigten Verkehr für alle Schiffe eröffnet. 1921 zahlten die USA eine nachträgliche Entschädigung von
25 Millionen Dollar an Kolumbien.
Der Panama-Kanal ist 81,6 km lang; er verkürzt den Seeweg von New York nach Yokohama, dem Haupthafen
Japans, um 7000 Seemeilen (ca. 13 000 km). Im Jahre 1970 passierten ihn über 15 000 Schiffe, die Gebühren in
Höhe von 95 Millionen Dollar einbrachten; davon erhielt Panama etwa 2 Millionen. 1964 begannen neue
Verhandlungen zwischen den USA und Panama über die Besitzrechte an der Kanalzone und über die Verteilung
der Einnahmen. 1973 legten die USA ihr Veto gegen eine Entschließung der Vereinten Nationen ein, die volle
Souveränität für die Republik Panama über den Kanal forderte.
Ein 1977 abgeschlossener Vertrag sieht vor, daß die USA die Kanalzone stufenweise bis zum Jahr 2000 an die
Republik Panama übergeben.
Q35 Präsident William H. Taft erläutert die „Dollar-Diplomatie" der USA, 1912
In seiner letzten Jahresbotschaft an den Kongress vom 3. Dezember 1912 erläuterte der republikanische Präsident
William Howard Taft (1857-1930, Amtszeit 1909-1913) die amerikanische Stabilisierungs- und Interventionspolitik
in Mittelamerika unter Verwendung des oft kritisierten Ausdrucks „Dollar-Diplomatie". Er rechtfertigte die
Einmischung der Vereinigten Staaten in verschuldete und zahlungsunfähige lateinamerikanische Republiken mit
der Notwendigkeit, ein Eingreifen europäischer Gläubigerstaaten zu verhindern. Er unterstrich vor allem die
Entwicklungschancen, die den betroffenen Staaten geboten wurden, verhehlte aber auch nicht Vorteile, die sich
daraus für die amerikanische Wirtschaft ergaben. In den angesprochenen Fällen Nicaragua und Honduras sollten
bald militärische Interventionen der Vereinigten Staaten folgen.
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Die Außenpolitik der gegenwärtigen Regierung war darauf angelegt, moderne Konzeptionen des Handelsverkehrs
zu berücksichtigen. Diese Politik ist als Ersetzung der Kugeln durch Dollars umschrieben worden. Sie kommt
zugleich idealistisch-humanitären Gefühlen, Geboten vernünftiger Politik und Strategie und legitimen
Handelsinteressen entgegen. Sie ist in ihrem Bemühen offen auf das Wachstum des amerikanischen Handels
gerichtet, gemäß dem unumstößlichen Grundsatz, daß jede Regierung der Vereinigten Staaten legitimen und
nützlichen amerikanischen Wirtschaftsunternehmungen im Ausland jede nur irgendwie angemessene
Unterstützung zukommen lassen soll. Wie bedeutend die Ergebnisse dieser Diplomatie, gekoppelt mit Maximalund Minimaltarifen der Zollgesetzgebung, gewesen sind, kann man am außerordentlichen Anwachsen des
Exporthandels der Vereinigten Staaten sehen. Weil moderne Außenpolitik Handelspolitik ist, war man in einigen
Kreisen geneigt, ihr rein materialistische Ziele zu unterstellen. Wie absolut falsch solch ein Eindruck ist, zeigt
jedoch das Studium der Resultate, nach denen die Außenpolitik der Vereinigten Staaten beurteilt werden kann. [...]
In Mittelamerika war es unser Ziel, Länder wie Nicaragua und Honduras so zu unter- stützen, daß sie sich selbst
helfen können1. Sie sind selbst die unmittelbaren Nutznießer unserer Hilfe. Für die Vereinigten Staaten gibt es
dabei zwei nationale Vorteile. Zunächst ist es klar, daß die Monroe-Doktrin in der Nachbarschaft des
Panamakanals und im karibischen Raum von viel größerer Bedeutung ist als irgendwo anders. Außerdem fällt dort
die Hauptlast bei der Aufrechterhaltung dieser Doktrin den Vereinigten Staaten zu. Es ist deshalb notwendig, daß
von den Ländern in diesem Bereich die Gefahren, die sich aus Fremdverschuldung und zerrütteten Staatsfinanzen
ergeben, und damit verbunden auch die stete Drohung internationaler Verwicklungen aufgrund innenpolitischer
Unordnung abgewendet werden. Deswegen haben die Vereinigten Staaten gern amerikanische Bankiers ermutigt
und gefördert, die bereit waren, beim finanziellen Aufbau solcher Länder zu helfen, denn dieser finanzielle
Wiederaufbau und die Sicherung ihrer Zollstationen vor dem gierigen Zugriff potentieller Diktatoren pflegt auf
einen Streich die Bedrohung durch ausländische Gläubiger und das Damoklesschwert revolutionärer Unruhe zu
beseitigen.
Der zweite Vorteil für die Vereinigten Staaten betrifft hauptsächlich alle amerikanischen Häfen im Süden und am
Golf von Mexiko sowie den Handel und die Industrie der Südstaaten. Die amerikanischen Republiken und die
Karibik sind reich an Rohstoffen. Sie brauchen nur ein Maß an innerer Stabilität und ausreichende Mittel zur
finanziellen Erholung, um in eine Ära des Friedens und Wohlstandes einzutreten, die ihnen selbst Gewinn und
Zufriedenheit bringt und die gleichzeitig Bedingungen schafft, unter denen der Handelsverkehr mit unserem
Lande blühen und gedeihen wird.
1
In Nicaragua und Honduras waren nach inneren Unruhen Zahlungsschwierigkeiten gegenüber ausländischen
Gläubigern aufgetreten. Amerikanische Bankiers gewährten Anleihen, verlangten aber dafür ein Mitspracherecht
bei der Einsetzung von Zolleinnehmern. Diesbezügliche Verträge (1911) wurden vom amerikanischen Senat nicht
ratifiziert.
Zitiert nach: David A. Shannon (Hrsg.), Progressivism and Postwar
Disillusionment, 1898—1928 (Documentary History of American Life, hrsg.
von David Donald, Bd. VI). McGraw-Hill, New York 1966, S. 74 und 76.
Eigene Obersetzung.
(a)
In welchem Verhältnis stehen hier politische und wirtschaftliche Ziele zueinander? Vgl. dazu auch
Q 36 und Q 37.
Q 36 Auslandsinvestitionen der amerikanischen Wirtschaft
(in Milliarden Dollar)
insgesamt
davon in Europa
Asien
Süd- und Mittelamerika
Kanada
Zum Vergleich:
Auslandsinvestitionen des Deutschen
Reiches 1914:
Auslandsinvestitionen Großbritanniens 1914
(davon in den USA:
Gesamte Investitionen des Auslands in USA 1970:
1897
0,68
0,15
0,02
0,31
0,19
1908
2,52
0,49
0,24
1,07
0,70
1914
3,51
0,69
0,25
1,65
0,87
1970
71,0
21,6
3,3
13,8
21,1
6,5
20,0
3,7)
13.2
(Nach: „Informationen zur politischen Bildung“ Nr. 156, Bonn 1973. S. XIV,
und H. U. Faulkner, American Economic History. New York «1960. S. 555,
569.)
(a)
(b)
Welcher Anteil der Auslandsinvestitionen der USA floß jeweils in Länder des amerikanischen
Kontinents?
Wie ändert sich das Verhältnis Europa-USA zwischen 1914 und 1970?
Q 37 Präsident Woodrow Wilson lehnt die Beteiligung amerikanischer Banken an
einem internationalen Kredit für China ab, 1913
„Die Bedingungen des Kredits scheinen nicht weit davon entfernt, die Unabhängigkeit der chinesischen Staatsverwaltung anzutasten … Als Sicherheit sollen bestimmte
Steuern, die teilweise veraltet und drückend sind, nicht nur gepfändet, sondern auch von ausländischen Beauftragten verwaltet werden …“
(H. S. Commager, A. Nevins, Hrsg. The Heritage of America. Boston 1951.
Bd. II. S. 85.)
(a)
Vergleichen Sie mit Q 33 und Q 35.
B. Über den Kontinent hinaus
T 22 Die USA im Zeitalter des Imperialismus
5
10
15
Nach langer freiwilliger Isolierung drängten die USA nach dem Ende der Frontier (1890) als wirtschaftliche
Großmacht über ihre kontinentalen Grenzen hinaus. Durch den spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 geriet
Kuba in ihre Abhängigkeit. Spanien ass e außerdem Puerto Rico und Guam abtreten und die Philippinen für
20 Millionen Dollar verkaufen. Diese Erwerbungen sowie die Annexion Hawaiis 1897 lenkten die Interessen der
USA immer stärker in die Karibische See und den Pazifischen Ozean. Umfangreiche Kapitalinvestitionen
(„Dollardiplomatie“ – vgl. Q 35 und Q 36) brachten den Großteil der westlichen Halbkugel unter ihre
wirtschaftliche Kontrolle. Die Besetzung der Landenge von Panama 1903 und der Bau des Kanals (s. T 21)
sicherten ihre beherrschende Stellung in Mittelamerika.
In Ostasien versuchten die USA eine ,,Politik der offenen Tür’’ durchzusetzen, die China vor europäischer
Vorherrschaft sichern und damit für den amerikanischen Handel öffnen sollte. Präsident Theodore Roosevelt
vermittelte im russisch-japanischen Krieg (1904/05) und erhielt dafür den Friedensnobelpreis (s. a. T 15, S. 300).
Nach anfänglicher Neutralität entschlossen sich die USA zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg, als Deutschland
1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg verkündete (s. Q 38 und Q 39). Ihr militärischer und wirtschaftlicher
Einsatz entschied den europäischen Krieg. Europas Vormachtstellung ging zu Ende; die Rolle der USA als
Weltmacht hatte begonnen. (Vgl. T17, S. 304, und TU, S. 315.)
Q 38 Neutralität und Kriegseintritt (1914 und 1917)
Drei Jahre lagen zwischen dem Beginn des Ersten Weltkrieges, als Präsident Woodrow Wilson (1856-1924) die
Neutralität der Vereinigten Staaten proklamierte, und dem Eintritt Amerikas in den Krieg gegen Deutschland am 6.
April 1917. In dieser Zeit wandten sich die Sympathien der Amerikaner zunehmend Großbritannien und Frankreich
zu, wofür neben engeren kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen sowie einer geschickten britischen
Propaganda anstoßerregende Schritte der deutschen Kriegführung maßgebend waren: der Bruch der belgischen
Neutralität am 3. August 1914, die Versenkung des englischen Passagierdampfers „Lusitania“ mit 128 Amerikanern
an Bord am 7. Mai 1915, deutsche Sabotageakte in Amerika 1915/16, die Torpedierung der Kanalfähre
„Sussex“ am 24. März 1916, die Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Krieges am 1. Februar 1917 und die
am 1. März 1917 veröffentlichte Zimmermann-Depesche, in der die deutsche Regierung Mexiko einlud, an einem
Krieg gegen die Vereinigten Staaten auf deutscher Seite teilzunehmen. Die amerikanischen Anleihen an die
Alliierten waren inzwischen auf 2,3 Mrd. Dollar, diejenigen an die Mittelmächte nur auf 20 Mill. Dollar angewachsen.
Amerikanische Friedenssondierungen und Vermittlungsversuche hatten keine Erfolge gezeitigt. Die hier in
Auszügen wiedergegebenen Reden Wilsons von 1914 und 1917 spiegeln sowohl das Pathos, das die Situationen
diktierten, als auch den Idealismus des Sprechers wider. 1939, nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, sagte
Präsident Franklin D. Roosevelt in Anspielung auf Wilsons Worte von 1914: „… aber ich kann nicht verlangen, dass
jeder Amerikaner auch in seinem Denken neutral bleibt."
5
10
15
20
25
Woodrow Wilson, 19. August 1914:
Die Vereinigten Staaten müssen neutral sein, faktisch und auch ihrem Rufe nach, in diesen Tagen, die die Seelen
der Menschen auf die Probe stellen. Wir müssen unparteiisch sein in unserem Denken ebenso wie in unserem Tun,
wir müssen unsere Gefühle ebenso im Zaum halten wie jede Handlung, die als Bevorzugung einer der streitenden
Parteien gegenüber der anderen gedeutet werden könnte.
Woodrow Wilson, 2. April 1917:
Neutralität ist nicht länger möglich oder wünschenswert, wenn es um den Frieden der Welt und um die Freiheit der
Völker geht, und die Bedrohung von Frieden und Freiheit daher kommt, daß es autokratische Regierungen gibt, die
sich auf organisierte Kräfte stützen, welche allein von ihrem Willen, nicht aber vom Willen des Volkes kontrolliert
werden. Unter diesen Umständen sind wir mit unserer Neutralität am Ende. Wir stehen am Beginn eines Zeitalters,
in dem man darauf bestehen wird, dieselben Maßstäbe des Betragens und der Verantwortlichkeit für Unrecht bei
Nationen und ihren Regierungen anzulegen wie bei individuellen Bürgern zivilisierter Staaten. [. . .]
Wir sind froh, nun, wo wir den Tatsachen ins Gesicht sehen, ohne daß diese noch durch falsche Behauptungen
verschleiert sind, für den endgültigen Frieden auf der Welt und für die Befreiung der Völker einschließlich der
deutschen zu kämpfen: für die Rechte der großen und kleinen Nationen und für das Vorrecht der Menschen überall,
selbst darüber zu entscheiden, wie sie ihr Leben führen und wem sie Gehorsam schulden wollen. Die Welt muß für
die Demokratie gesichert werden. Ihr Frieden muß auf den erprobten Fundamenten der politischen Freiheit erbaut
werden. [. . .]
Es ist eine schmerzliche und bedrückende Pflicht, meine Herren vom Kongreß, die ich mit meiner Ansprache an
Sie erfüllt habe. Vor uns liegen möglicherweise viele Monate gefährlicher Prüfungen und Opfer. Es ist eine
furchtbare Sache, dies große friedliebende Volk in den Krieg zu führen, in den schrecklichsten und verheerendsten
aller Kriege, bei dem offenbar die Zivilisation selbst auf dem Spiel steht. Aber das Recht ist kostbarer als der
Friede, und wir werden für Güter kämpfen, die uns immer am teuersten gewesen sind — für die Demokratie, für
das Recht all derer, die sich einer Autorität unterordnen, um ein Mitspracherecht in ihrer eigenen Regierung zu
besitzen, für die Rechte und Freiheiten der kleinen Nationen, für die universale Herrschaft des Rechtes durch ein
Zusammenspiel freier Völker, das allen Nationen Frieden und Sicherheit bringen wird und schließlich die Welt
selbst befreit. Für solch eine Aufgabe können wir unser Leben und unsere Besitztümer hingeben, alles, was wir
sind, und alles, was wir haben, mit dem Stolz jener, die wissen, daß der Tag gekommen ist, an dem es Amerika vergönnt ist, sein Blut und seine Macht einzusetzen für die Prinzipien, denen es Leben, Glück und den
hochgeschätzten Frieden verdankt. Gott helfe ihm, es kann nicht anders.
Zitiert nach: Henry Steele Commager (Hrsg.), Documents of American
History. 7. Aufl., Apple-ton-Century-Crofts, New York 1963, Bd. II, S.
130—132. Eigene Übersetzung.
(a)
Vergleichen Sie die Formulierungen Wilsons mit früheren amerikanischen Kriegserklärungen (Q
28, Q 31).
Q 39 Stellungnahme des Senators George W. Norris aus Nebraska zur Kriegsbotschaft
des Präsidenten Wilson, 1917
5
„Nach meiner Meinung hätten wir von Anfang an die strikteste Neutralität wahren sollen. Wenn wir das getan
hätten, stünden wir jetzt nicht am Rande des Krieges ... Der Krieg bringt Reichtum für die Spekulanten der Wall
Street... Sie wollen Geld verdienen durch den Krieg und die Vorbereitung des Krieges ... Wir gehen in den Krieg
auf Befehl des Goldes ...
Die Folgen könnten sein, daß Millionen unserer Brüder ihr Blut vergießen müssen, daß Millionen Frauen weinen
müssen, daß Millionen Kinder frieren müssen und Millionen Säuglinge verhungern müssen - und alles nur, weil
wir das Recht amerikanischer Bürger wahren wollen, Waffen an kriegsführende Staaten zu liefern."
(R. Hofstadter, Great Issues in American History. New York 1959. Bd. II, S.
219 ff.)
(a)
Vergleichen Sie mit Q 38 und beurteilen Sie die Argumente beider Politiker.
Q 40 Aus der Rede von Präsident Richard Nixon zu seiner zweiten Amtseinsetzung am
20. Januar 1973
5
10
15
„Vor allem ist es Zeit, daß wir Amerikaner alle den Glauben an uns selbst erneuern. In den letzten Jahren ist dieser
Glaube in Frage gestellt worden. Unseren Kindern hat man beigebracht, sich ihres Landes zu schämen, sich ihrer
Eltern zu schämen, sich der Taten Amerikas im Innern und seiner Rolle draußen in der Welt zu schämen. An allen
Ecken und Enden werden wir von jenen bedrängt, die alles falsch finden an Amerika und sehr wenig richtig. Aber
ich bin zuversichtlich, daß die Geschichte anders urteilen wird über die bemerkenswerten Zeiten, in denen wir den
Vorzug haben zu leben. Ohne Beispiel in der Weltgeschichte ist es, was Amerika in diesem Jahrhundert an
verantwortungsvollem, großherzigem, schöpferischem und fortschrittlichem Tun aufzuweisen hat.
Laßt uns stolz sein darauf, daß unser System mehr Freiheit und mehr Überfluß für mehr Menschen hervorgebracht
und bereitgestellt hat als irgendein anderes System in der Geschichte der Menschheit.
Laßt uns stolz sein darauf, daß wir in keinem der vier Kriege, an denen wir in diesem Jahrhundert beteiligt waren,
auch nicht in dem, den wir jetzt im Begriff sind zu beenden [Vietnam], um eines selbstsüchtigen Vorteils willen
gekämpft haben, sondern stets um anderen zu helfen, einem Angriff zu widerstehen.
Laßt uns stolz sein darauf, daß wir durch unsere kühnen, neuen Initiativen und durch unsere Beharrlichkeit in der
Sache eines ehrenhaften Friedens einen Durchbruch erzielt haben in Richtung auf etwas, das die Welt bisher nicht
gekannt hat: die Schaffung einer Friedensordnung,
die nicht nur in unserer Zeit, sondern auch für künftige Generationen Bestand haben kann."
(„American Newsletter" Nr. 51. USIS Stuttgart, März 1973, S. 5.)
(a)
(b)
Auf welche Leistungen beruft sich Nixon ?
Wie würden Sie als Amerikaner auf diese Ausführungen reagieren?
Zu Q 26-40: Entwicklung der amerikanischen Außenpolitik von Washington bis Wilson
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
Wie beurteilen Sie die Rolle wirtschaftlicher Interessen in der amerikanischen Außenpolitik? S.
besonders Q29, 30, 31, 35.
Welche Rolle spielt die Monroe-Doktrin im Laufe des Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg?
Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Westbewegung und Außenpolitik? Vgl. Q 22, S.
129 über das „Manifest Destiny", sowie Q 28 und T 22.
Ordnen Sie Q 28-39 nach Befürwortern und Gegnern der jeweiligen offiziellen Politik. Gibt es
Gemeinsamkeiten in der Argumentation beider Seiten? S. besonders Q 28, 29, 31, 32, 38, 39.
Läßt sich auch die heutige amerikanische Politik (vgl. Q 40) in eine geschichtliche Linie
einordnen?
Nennen Sie Probleme der USA heute, die ihre Wurzel in der amerikanischen Geschichte haben,
Nennen Sie geschichtliche Gründe für die enge Verbindung zwischen den USA und Europa heute
(z. B. wirtschaftliche Verflechtungen).
T 23 Amerika - von der Kolonie zur Weltmacht
1775-83
04.07.1776
1787
1823
1846-48
1850
1867
1890
1860
1861-65
1898
Der Kampf um die Unabhängigkeit
Die 13 englischen Kolonien fühlten sich durch britische Steuer- und Zollgesetze (T 2)
benachteiligt und forderten Gleichberechtigung mit dem Mutterland. Zwischenfälle (z. B.
BostonTeaParty, 1773) führten schließlich zum Krieg. Unter der Führung George
Washingtons erkämpften die Siedler, zuletzt mit französischer Unterstützung, die
Unabhängigkeit (Tl).
Die Erklärung der Unabhängigkeit (Thomas Jeffer-son, Q 1) wurde 1783 von
Großbritannien im Frieden von Paris anerkannt.
Der neue Staat
Der lose Bund der Kolonien wurde in einen republikanischen Bundesstaat
umgewandelt. Die gesetzgebende, ausführende und rechtsprechende Gewalt sind
streng voneinander getrennt; Staats- und Regierungsoberhaupt ist der gewählte
Präsident (1789 George Washington). Ihm gegenüber steht der Kongreß: im Senat sind
die Einzelstaaten gleichmäßig, im Repräsentantenhaus nach Bevölkerungszahl
vertreten (T 5, B 7, 8).
Die Ausdehnung nach Westen
In den folgenden Jahren wurden im „Alten Westen" bis zum Mississippi neue Staaten
organisiert und in die Union aufgenommen. Das Gebiet zwischen Mississippi und
Felsengebirge, Louisiana, erwarben die USA 1803 von Napoleon, Florida 1819 von
Spanien.
In der Monroe-Doktrin (Q 27) wehrten die USA jede weitere Einmischung europäischer
Mächte auf dem amerikanischen Kontinent ab. Mit der weiteren Erschließung des
Westens wurden die Indianer in genau festgelegte Territorien zurückgedrängt.
Im Krieg mit Mexiko (Q 28) wurden Kalifornien und alle Gebiete nördlich des Rio
Grande gewonnen. Durch Verträge mit England wurden Maine (1842) und Oregon
(1846) erworben. Goldfunde in Kalifornien 1848 beschleunigten die Besiedlung und
die Aufnahme dieses Weststaates in die Union (T 10, K 16).
1867 kauften die USA Alaska von Rußland.
Landgesetze (T 13), der Bau von Transkontinentalbahnen (1869-83) und
zunehmende Einwanderung (S. 121) schoben die Besiedlungsgrenze immer weiter
nach Westen. Bis 1890 war die Erschließung im wesentlichen vollendet; die Frontier
verschwand.
Die regionalen Gegensätze
Die Südstaaten brauchten die Sklavenarbeit für ihre Plantagenwirtschaft; die früh .
industrialisierten Nordstaaten, die mit ihrer gemischten Landwirtschaft weniger
exportabhängig waren, lehnten die Sklaverei ab.
Die Republikanische Partei befürwortete Schutzzölle, Förderung des Westens durch
Bahnbau und Landverteilung und das Verbot der Sklaverei in den Westgebieten. Als der
Republikaner Abraham Lincoln Präsident der USA geworden war, traten die
Südstaaten aus der Union aus.
Im Sezessionskrieg unterlagen die Südstaaten und mußten in die Union zurückkehren.
Die Sklaverei wurde abgeschafft, die Farbigen erhielten das Bürgerrecht (T 16).
In einem gewaltigen Wirtschaftsaufschwung der Nordstaaten (T 19) nach dem Krieg Großunternehmen Vanderbilt, Rockefeiler, Carnegie - entfaltete sich der ganze
Reichtum Amerikas im Großkapitalismus des Nordens. (Industrielle Revolution)
Der Imperialismus
1898 annektierten die USA Hawaii. Im Krieg gegen Spanien wurden die Philippinen und
Puerto Rico erworben (K 17). Durch Kapitalinvestitionen („Dollardiplomatie", Q 35, 36)
in Mittel- und Südamerika brachten die USA den Großteil der westlichen Hemisphäre
unter ihre wirtschaftliche Kontrolle. 1903 wurde die Landenge von Panama besetzt, der
Panama-Kanal 1914 eröffnet (T 21). Da sie ihre wirtschaftlichen Interessen und politischen Grundsätze gefährdet sahen, traten die USA in den Ersten Weltkrieg ein (T 22).
1917
Weltmacht USA
Nach dem Sieg in Europa lehnten die USA den Beitritt zu dem von Präsident Wilson (Q
38) vorgeschlagenen Völkerbund ab (1920) und kehrten vorübergehend zur Politik des
Isolationismus zurück (Q 26). Im Zweiten Weltkrieg unterstützten sie die Gegner
Deutschlands und Japans zunächst wirtschaftlich; nach einem japanischen Überfall auf
1941
Hawaii (7. 12. 1941) traten die USA selbst in den Krieg ein und entschieden ihn, zuletzt
durch Atombomben, zugunsten der Alliierten.
1945
Als Atommacht übernahmen die USA die Führung der westlichen Welt in der
Auseinandersetzung mit der zweiten Weltmacht, der Sowjetunion (s. Band 4, LG IV).
Zur Ergänzung können SieT 1, T5, T 10, T 14, T 16, T 22 sowie B 7, B 8, B 17 und K4, K16, K 17 heranziehen.
Beachten Sie besonders die grundlegenden Dokumente Q 1, Q 6, Q 27.
5
Phasen
Innere Entwicklung
Äußere Entwicklung
1756-63 Siebenjähriger Krieg: Kolonialkrieg in
Nordamerika (s. S. 49)
Kolonialzeit (T1)
13 Englische Kolonien
1774 1. Kontinentalkongreß
1776 Unabhängigkeitserklärung (Q1)
1776-83 Unabhängigkeitskrieg gegen England (T1)
1783
1787 Verfassung (S. 115)
Zeit der
George Washington 1803 Louisiana-Kauf v. Frankreich
Westbewegung
1812 Krieg gegen England (T10)
1823 Monroe-Doktrin („Amerikad. Amerikanern")
(Q27)
1R^0 Wahlrprht<;rpfnrm (R 7\
„Manifest Destiny" (Q 22)
(Andrew Jackson)
1846-48 Krieg gegen Mexiko (Q 28)
Einwanderung
(S. 121)
Indianerkriege
(Wandernde Grenze)
(B 17 T 14)
Texas, New Mexico
1849 „Gold-Rausch" in 1846 Oregon-Vertrag m. England
Californien
1861 - 65 Bürgerkrieg, Nord gegen Süd
A. Lincoln, Sklavenbefreiung (T16)
Nord-Süd-Gegensatz
1867 Alaska-Kauf v.
Rußland
1869 Bau der Pazifik-Bahn (K11)
(T16)
„Reconstruction" im Süden
Industrialisierung im Norden
Staatenbildung im Westen (S. 130 -133)
Einfluß in Mittelamerika und
der Karibischen See
1890 Ende der „Frontier" (B 17)
1890
Trusts u. Anti-Trust-Gesetze (T 19)
1898 Krieg gegen Spanien (T 22)
Puerto Rico, Philippinen, Guam
Zeit des
Imperialismus (T 22)
| 1898 Hawaii-Annexion (K 17)
1912 48. Staat (Arizona) |
1903 Panama-Vertrag (T 21)
„Dollar-Diplomatie" (Q 35)
1920 Frauenwahlrecht
l
1917 Eintritt in den 1. Weltkrieg
B 33 Schaubild der amerikanischen Geschichte bis zum 1. Weltkrieg (schraffiert die Gebietserwerbungen der USA)
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