Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 1 ELEKTROTHERAPIE von Marco Bischof copyright 1990 by Marco Bischof (Berlin) Mit der Entdeckung der elementaren Rolle, die elektromagnetische Felder (z.B. Biophotonen) in der Regulation der Lebensvorgänge spielen, sind auch elektromagnetische Therapieverfahren wieder in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die therapeutische Anwendung elektrischer Ströme und elektromagnetischer Felder ist ein zukunftsträchtiges, aber trotzdem wenig bekanntes Gebiet mit Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 2 einer langen Tradition und vielfältigen Anwendungsformen. Ein historischer Überblick - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - gibt eine Vorstellung davon. Elektrische Fische Die therapeutische Anwendung von elektrischen Strömen hat eine lange Geschichte. Lange bevor der Engländer William Gilbert, Leibarzt der Königin Elizabeth der Ersten, im Jahre 1600 Elektrizität und Magnetismus definierte, haben unsere Vorfahren den therapeutischen Wert von natürlich vorkommender Elektrizität gekannt und angewendet. Bereits im alten Ägypten wurde der Nil-Zitterwels elektrotherapeutisch eingesetzt, und antike Schriftsteller berichten, daß der römische Arzt Scribonius Largus 46 n. Chr. die elektrischen Entladungen des Zitterrochens bei Beschwerden wie Kopfweh und Gicht angewendet habe. Ströme von elektrischen Fischen sind in Europa bis ins Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 3 19. Jahrhundert therapeutisch verwendet worden; ausserhalb Europas (z.B. in Südamerika) geschieht dies z.T. heute noch. Ausdruck der Lebenskraft Seit der Mensch die Phänomene von Elektrizität und Magnetismus beobachtet hat, hat er sie als Ausdruck einer geheimnisvollen, göttlichen, überall vorhandenen Lebenskraft gedeutet, die von überragender Heilkraft sei. Schon vor Tausenden von Jahren war vermutlich bekannt, daß beim Reiben und Schlagen von sogenannten "dielektrischen" Materialien wie Bernstein, Achat, Bergkristall und Horn ein Leuchten oder Funkensprühen entsteht. Was heute als Effekt statischer oder "triboelektrischer" (Reibungs-) Elektrizität verstanden wird, wurde damals für das Entfachen dieser geheimnisvollen Energie gehalten, die diesen zur Herstellung von Kultobjekten verwendeten Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 4 Materialien genauso innewohnte wie auch gewissen "Orten der Kraft" oder machtvollen oder heiligen Menschen wie Schamanen und Häuptlingen. In den Werken der Alchemisten wird unter unzähligen Namen wie z.B. Mercurius eine Kraft beschrieben, die für das alchemistische "Werk" von zentraler Bedeutung sei und mit der Elektrizität in Verbindung gebracht wird. Paracelsus (1493-1541) schreibt in seinem Buch "De Lapide Philosophorum" (Vom Stein der Philosophen): "In dem Elektro ist ein solche Kraft, die Menschen damit zu versorgen, daß keine höhere und gewissere Medizin in der ganzen Welt sein kann und wird erfunden werden". Paracelsus war auch davon überzeugt, daß die im Menschen und überall vorhandene Lebenskraft "magnetische Eigenschaften" besitze und zum Heilen, auch auf Entfernung, eingesetzt werden könne. Sein Schüler Johann Baptista van Helmont (1577-1644) und dessen Zeitgenosse, der Universalgelehrte Athanasius Kircher, verkündeten im 17. Jahrhundert, daß Magnetismus Wunden heilen könne. Ähnliche Äusserungen gab es in dieser Zeit auch über die Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 5 Elektrizität. Beide Kräfte wurden lange, bevor sie für technische Zwecke Verwendung fanden, zu Heilzwecken eingesetzt. Statische Elektrizität ("Franklinisation") Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war es denn auch, daß man erstmals die uralte Reibungselektrizität im wissenschaftlichen Sinne untersuchte und auch an anderen Stoffen als an Bernstein, Bergkristall und Horn entdeckte. William Gilbert (1530-1603) begründete um 1600 die Lehre vom Elektrizität und vom Magnetismus, die er als erster voneinander abzugrenzen versuchte, und prägte den Namen "Elektrizität" (von griechisch "Elektron", Bernstein). Die damals als einzige bekannte statische Elektrizität, d.h. das elektrische Feld zwischen ruhenden und ihrer Größe nach gleichbleibenden Ladungen, konnte schon um 1700 durch die sogenannten "Elektrisiermaschinen" erzeugt werden, in denen durch die Reibung einer rotierenden Glasscheibe an Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 6 Lederstreifen, die mit Zinkamalgam präpariert sind, das Leder negativ und die Scheibe positiv aufgeladen wird. Erst durch die Erfindung von Kondensatoren wie der "Leidener Flasche" und der "Franklinschen Tafel", mit denen man erstmals Elektrizität anhäufen und speichern konnte, wurde aber eine eigentliche Elektrotherapie möglich. Die Leidener Flasche, ein Glasgefäß, das innen und außen mit Stanniol belegt ist, wurde 1745 vom pommerschen Domherrn E.J. von Kleist, die Franklinsche Tafel, ein sogenannter "Blatt-Kondensator", der aus einer Glasplatte mit beidseitigem Stanniolbelag besteht, ebenfalls in der Mitte des 18. Jahrhunderts vom amerikanischen Schriftsteller, Staatsmann und Naturforscher Benjamin Franklin 1706-1749) erfunden. Diese Geräte wurden denn auch sogleich in den Dienst der nun rasch aufblühenden Elektrotherapie gestellt. Einer der ersten, die, noch vor der Erfindung der Leidener Flasche, die künstliche Elektrizität von elektrostatischen Maschinen medizinisch anwendeten, war der dänische Physiker und Arzt Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 7 Christian Gottlieb Kratzenstein (1723-1795). Die englischen Physiker John Walsh (1725-1795) und Henry Cavendish 1731-1810) waren vermutlich die ersten, die schmerzstillende Wirkungen beschrieben, die durch die elektrostatischen Maschinen hervorgerufen worden waren. Ein enthusiastischer Verfechter der Elektrotherapie war auch John Wesley (1703-1791), der Gründer des Methodismus, der nach einer Demonstration mit einer Leidener Flasche seinen eigenen elektrostatischen Apparat baute. Sein vielgelesenes Buch, "The Desideratum" (London 1760), beschreibt eine Reihe von Schmerzzuständen, die durch Elektrotherapie gelindert wurden. Daß man sich in der Einschätzung der neuen Elektrotherapie damals durchaus nicht immer einig war, zeigt die von Wesley gestellte Frage, ob Elektrizität "ein reines Spielzeug oder die edelste bisher bekannte Medizin" sei. 1754 erschien in Kopenhagen das Buch "Erfaringer angaende elektricitets virkinger pa sygdomme" (Erfahrungen betreffend die Wirkungen der Elektrizität auf Krankheiten) von L. Spengler, das die Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 8 Beschreibung eines solchen Reibungsgenerators sowie Krankengeschichten von Patienten enthält, die mit der dadurch erzeugten statischen Elektrizität gegen verschiedenste Leiden - von Gelenkschmerzen und Menstruationsbeschwerden bis zu epileptischen Anfällen - behandelt wurden. Einer der führenden Vertreter der elektrostatischen Therapie im England des 18. Jahrhunderts war Richard Lovett (1692-1780) aus Worcester. Er veröffentlichte 1756 ein Buch mit dem Titel "The Subtil Medium Prov'd; or, that Wonderful Power of Nature, so long ago conjectur'd by the Most Ancient and Remarkable Philosophers, which they call'd Sometimes Aether, but oftener, Elementary Fire, verify'd" - der Titel ist ein klarer Hinweis darauf, daß für Lovett die Elektrizität identisch mit der Lebenskraft der alten Philosophen, dem Äther, war. Der Engländer beschreibt in seinem Buch eine Reihe von Fällen, in denen seine Methode erfolgreich war, meistens chronische Krankheiten, oder solche, um die man sich nicht mehr gekümmert hatte, nachdem die übliche medizinische Behandlung der Zeit nicht geholfen hatte. Zu ihnen gehörten chronisches Kopfweh, Schmerzzustände, Abszesse, Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 9 Epilepsie und andere Krampfzustände, Lähmungen und Schlaganfälle, Geschwülste, Gicht, Ödeme und Infektionen. Lovett ging dabei - eher ungewöhnlich für Ärzte und Elektrotherapeuten seiner Zeit - sehr sorgfältig vor und benützte sehr differenzierte Formen der Anwendung, wobei er immer Rücksicht auf Persönlichkeit und Befinden des Patienten nahm. Zu diesen Formen gehörten neben dem sogenannten "statischen Wind" auch elektrische Funken und Schocks, doch Lovett achtete darauf, nur schwache bis mittlere Stromstärken zu verwenden und immer nur präzise an der erkrankten Stelle zu behandeln. Mit seinen Methoden scheint er denn auch größeren Erfolg gehabt zu haben als viele seiner Kollegen. Im Middlesex Hospital in London wandte man um 1767 ebenfalls eine Art von elektrischer Schocktherapie an, wobei der verwendete Strom aus einer Leidener Flasche kam. Der Engländer William Watson (1715-1786) stellte um dieselbe Zeit aufgrund von aufsehenerregenden Experimenten eine Verbindung zwischen Elektrizität und psychophysiologischen Erscheinungen zur Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 10 Diskussion, und der französische Abbé Jean Antoine Nollet (1700-1770) versuchte 1746 erstmals - allerdings ohne Erfolg - gelähmte Patienten durch die Anwendung statischer Elektrizität zu heilen. Dies gelang ein Jahr später jedoch anderen frühen Elektro-Forschern; besonderes Aufsehen erregte damals der detaillierte Bericht des Genfer Professors für experimentelle Philosophie und Mathematik, Jean Jallabert (1712-1768), über die erfolgreiche elektrotherapeutische Behandlung einer rechtsseitigen Lähmung durch die Funken aus einer Leidener Flasche. 1788 berichtete ein gewisser Charles Kite (gest. 1811) in seinem "Essay on the Recovery of the Apparently Dead" gar von der erfolgreichen Wiederbelebung eines dreijährigen Kindes, das nach einem Fenstersturz als tot gegolten hatte. Die Vorrichtung, mit der dies geschah, war in ihrem Grundkonzept gar nicht so weit von einem jener elektrischen Defibrillatoren entfernt, die man heute bei Herzstillstand anwendet. Einen gewissen Einfluss auf die elektrotherapeutischen Ideen des 18. und 19.Jahrhunderts besassen die vitalistischen Theorien des Schweizer Universalgelehrten Albrecht von Haller (1708-1777) über Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 11 die "Sensibilität" und "Irritabilität" lebender Materie. Haller sah im damals neuentdeckten Nervensystem den Träger der Lebenskräfte, deren Äusserungen durch Reizanwendung verschiedenster Art provoziert werden konnten. Hallers Theorien wurden vom schottischen Arzt John Brown (1735-1788) zu einem Heilsystem ausgebaut, das bis ins 19. Jahrhundert großen Einfluß besass. Nach Brown hängen Gesundheit und Krankheit weitgehend von den Reiz-, Erregbarkeits- und Erregungsverhältmnissen des Nervensystems ab - von Sensibilität und Irritabilität eben. Seine Therapie bestand deshalb in ausgleichenden Reizanwendungen, wobei der Zustand der Irritabilität nach zwei Seiten unausgeglichen sein konnte: nach der "sthenischen" Seite hin mit einem Zuviel, nach der "asthenischen" Seite mit einem Zuwenig an Lebensenergie. Für Browns Nachfolger wie den Deutschen Girtanner (1760-1800) wurde bald die Elektrizität zu einem der wichtigsten therapeutischen Reize. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 12 Galvani: Pionier der Elektrobiologie Als Luigi Galvani (1737-1798) an der Universität von Bologna Medizin studierte, wurden dort von Schülern von Haller häufig Experimente mit elektrischer Stimulation an Fröschen und anderen Versuchstieren durchgeführt. Auch für den späteren Bologneser Arzt und Anatomieprofessor Galvani, einer der Pioniere der wissenschaftlichen Elektrizitätforschung, war diese aufs engste mit der Frage nach der Lebenskraft verbunden; dies war nicht zuletzt die Ursache der großen öffentlichen Resonanz, die Galvanis diesbezügliche Untersuchungen bei seinen Zeitgenossen gefunden haben. Sein berühmter Froschschenkelversuch von 1789 und seine Arbeiten über elektrische Fische führten ihn zur Überzeugung, daß es eine "tierische Elektrizität" gebe, die sich durch ihre speziellen Eigenschaften von der gewöhnlichen Elektrizität unterscheide. Er hielt sie für eine Energie, die nur lebendigen Organismen eigen sei und von diesen selbst erzeugt werde. Damit vertrat er eine Auffassung, die man später als "Vitalismus" bezeichnen sollte. Seine Behauptung, die Elektrizität, Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 13 die den Froschschenkel an seinem Metallhaken am Metallzaun zur Kontraktion veranlaßte, sei nicht dem von außen einwirkenden Einfluß der beteiligten Metalle zuzuschreiben, sondern dieser "Bio-Energie", die in Lebewesen zirkuliere, führte zu dem berühmten Streit mit Alessandro Volta (1745-1827). Volta konnte durch den Bau der für die spätere Elektrizitätsforschung wichtigen "Voltaschen Säule", der ersten Batterie der Geschichte, die aus einer Reihe von hintereinandergeschalteten "Voltaschen Elementen" bestand, die die Spannung und den daraus resultierenden Stromfluß zwischen Kupfer- und Zinkelektroden in verdünnter Schwefelsäure ausnützten, 1801 beweisen, daß der größte Teil der Elektrizität hier tatsächlich nicht aus dem Organismus, sondern aus dem Spannungsgefälle zwischen den beteiligten Metallen stammte. Galvani ließ sich aber dadurch nicht von der Überzeugung abbringen, der Torpedofisch und andere Tiere würden zeigen, daß tierische Organismen eine selbsterzeugte Elektrizität besitzen, die wie in einem Kreislauf von einem Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 14 Körperteil zum anderen fließe. Er hielt diese "tierische (animale) Elektrizität", die er später nur noch "Lebenskraft" nannte, für eine nicht bipolare Energie wie die gewöhnliche Elektrizität, die aber zwei entgegengesetzte Funktionen besitze, indem sie Kontraktion und Expansion im Organismus hervorrufe. Die Zirkulation dieser Energie im Körper hat nach Galvani eine wichtige und komplexe Beziehung zur athmosphärischen Elektrizität, die mit ihr über die Haut korrespondiere. Die Haut spiele eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen, dynamischen Gleichgewichts zwischen dem Organismus und dem "Elektrischen Ozean", von dem dieser umgeben sei. Im Gegensatz zu Volta, der auf mechanistische Weise die Organe und vor allem die Nerven und die willkürliche Muskulatur als bloße "Elektrometer" betrachtete - d.h. als Instrumente, die selbst keine Elektrizität erzeugen, jedoch die Fähigkeit besitzen, elektrische Ladungen und Spannungen festzustellen und zu messen - war Galvani überzeugt, daß das Studium der elektrischen Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 15 Erscheinungen an Lebewesen zu Erkenntnissen über das Wesen des Lebens und über die Entstehung und Heilung von Krankheiten führen werde. Durch Voltas Einwände angestachelt, wurden er und seine Schüler zu den eigentlichen Begründern der Elektrobiologie, einer Wissenschaft, deren Bedeutung wir erst heute zu erkennen vermögen. Elektrische Gleichströme ("Galvanisation") Galvanis Versuche wurden von einer großen Zahl von europäischen Forschern nachgemacht. 1795 wurde für die neue Art Elektrizität, zu Ehren Galvanis, der Name "Galvanismus" geprägt. 1797 erfuhr seine Auffassung von prominenter Seite Bestätigung: in diesem Jahr veröffentlichte der berühmte Naturforscher und Entdeckungsreisende Alexander von Humboldt (1769-1859) den Bericht über Experimente, mit denen er die Existenz einer eigenständigen "animalen Elektrizität" Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 16 bestätigen konnte, die nicht auf die Berührung unterschiedlicher Metalle zurückzuführen war. Humboldt äusserte auch seine Überzeugung, daß Elektrotherapie für die Behandlung von Rheumatismus nützlich sein könnte. Giovanni Aldini (1762-1834), ein Neffe Galvanis und eifriger Parteigänger des Vitalismus, war einer der ersten und bekanntesten Elektrotherapeuten, die die neuen Batterien seines Erzfeindes Volta und die neue Art Elektrizität - elektrische Gleichströme - verwendeten. Aldini, der sogar Hingerichtete mit Stromstössen wieder zum Leben zu erwecken versuchte, betonte in einem 1803 in London erschienenen Werk die Nützlichkeit der galvanischen Ströme bei der Wiederbelebung Erstickter und Ertrunkener, ohn jedoch Details über ihre erfolgreiche Anwendung zu diesem Zweck zu offenbaren. Er behauptete auch, Asthma-Kranken mit Strom erfolgreich zu großer Erleichterung verholfen zu haben und gilt als der erste, der Elektrotherapie zur Behandlung des Nervensystems verwendet hat. Er heilte einen Mann, der heute wohl die Diagnose "Schizophrenie" bekommen würde. Seine Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 17 Überzeugung, daß äusserlich angewendeter Strom die Vitalkraft erschöpfter Nerven wieder "auffüllen" könne, wurde zur wissenschaftlichen Erklärung für ein ganzes Jahrhundert der Elektrotherapie. Die unbekannten Anfänge der Elektro-Akupunktur In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war auch die chinesische Akupunktur in Frankreich bekannt geworden. Der bekannte Elektrotherapeut Bernard Fabré-Palaprat (1773-1838) und sein Kollege Jean-Baptiste Sarlandière (1787-1838) waren wahrscheinlich die ersten, die auf die Idee kamen, elektrische Ströme über die Akupunkturnadeln zu leiten, und damit die therapeutische Elektro-Akupunktur begründeten, wie sie heute in China betrieben wird. Sarlandière war der erste, der in seinem Buch "Mémoires sur l'électropuncture considerée comme moyen nouveau de traiter efficacement la goutte, les rhumatismes et les affections nerveuses" 1825 Erfolge mit dieser Methode Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 18 vermelden konnte. Durch die Arbeit dieser zwei Männer wurde die Elektro-Akupunktur, besonders in Frankreich, zu einer akzeptierten Methode, und 1835 wurde sie sogar von dem berühmten Physiologen Francois Magendie (1783-1855), Medizinprofessor am College der France, aufgenommen. Seltsame Blüten der Elektrotherapie Die Elektrotherapie des späten 18. und des 19.Jahrhunderts trieb allerdings zum Teil seltsame Blüten, die nicht als Quacksalberei zu bezeichnen uns heute schwerfällt. Alle Arten von unglaublichen Apparaten und Vorrichtungen wurden in ihrem Namen angepriesen und kannten z.T. einen riesigen Erfolg, wie z.B. "Dr. Owens Körperbatterie" und "Elisha Perkins' Patentierter Metalltraktor" - zwei simple Metallstücke, die der prominente Arzt Perkins 1796 beim erst sechs Jahre zuvor eröffneten United Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 19 States Patent Office patentieren lassen konnte und die ihn zum reichen Mann machten -, wie die "elektrischen Helme", Gürtel und Korsetts, oder das "Voltakreuz", ein Anhänger aus Kupfer und Zink, der, um den Hals getragen, Schmerzen vertreiben sollte. Die Verwendung dieser beiden Metalle, aus denen die meisten dieser Vorrichtungen bestanden, spiegelt noch die Elektrizitätstheorie der frühen Pioniere wie Benjamin Franklin (oder diejenige von Lovett) wieder, für die diese Kraft ein bipolares "Fluidum" darstellte, das dem alten "Äther" der griechischen und Renaissance-Philosophen und der "Lebenskraft" näher stand als dem modernen Elektrizitätsbegriff. Auf das Fehlen oder den Überschuss dieses Fluidums führte man die positiven bzw. negativen elektrischen Eigenschaften der Körper zurück - ganz wie Reichenbachs "Od" oder Wilhelm Reichs "Orgon". Während in den aus Kupfer und Eisen oder Kupfer und Zink gefertigten Armbändern, wie sie noch heute z.T. in Drogerien gegen Rheuma verkauft werden, uralte volkstümliche Ideen über die okkulten Eigenschaften der Metalle ihren Niederschlag fanden, Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 20 verkörperten sich in Vorrichtungen wie den elektrischen Helmen und Korsetten eher Glaube und Wundern über Macht und Geheimnis der neuentdeckten Kraft Elektromagnetismus, deren Erforschung seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts eine immer stürmischere Entwicklung durchmachte, die der Elektrotherapie bald ein anderes Gesicht geben sollte. Gepulste, induzierte Ströme ("Faradisation") Der berühmte englische Physiker und Chemiker Michael Faraday (1791-1864), hatte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die moderne Elektrizitätslehre begründet und mit der Erfindung des Transformators die Grundlage der Elektrotechnik geschaffen. Die theoretische Begründung der einheitlichen Natur von Elektrizität und Magnetismus geht ebenso auf ihn zurück wie die Theorie des elektromagnetischen Feldes. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 21 Für die Elektrotherapie war seine 1831 gemachte Entdeckung der elektrischen Induktion wesentlich. Seine Feststellung, daß beim Bewegen eines elektrischen Leiters in einem Magnetfeld in diesem Leiter ein Strom entsteht, machte den Bau von Induktionsapparaten möglich, mit denen die in der Elektrotherapie verwendeten sogenannten "faradischen Ströme" (pulsierende, unterbrochene Ströme aus dem Induktionsapparat) erzeugt werden. Der Einsatz dieser neuen Elektrizitätsform führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch einmal zu einem massiven Aufschwung der Elektrotherapie. Vor allem in den Vereinigten Staaten, deren Medizinwesen vor 1900 sehr liberal war und die Ausbildung vollständig der Privatinitiative überließ, erfuhr in dieser Zeit neben der Homöopathie und vielen anderen Bereichen dessen, was man heute "alternative Medizin" nennen würde, auch die Elektrotherapie eine große Blüte. Für das Jahr 1884 wurden etwa 10'000 Ärzte geschätzt, die in ihrer Praxis täglich Elektrizität als therapeutisches Agens benützten. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 22 In dieser Zeit waren in der Elektrotherapie neben dem neuen Verfahren der "Faradisation" immer noch die älteren elektrotherapeutischen Methoden in Gebrauch, die nun aber mit verbesserten technischen Miteln arbeiteten: die "Galvanisation", d.h. die Anwendung eines mit galvanischen Batterien von nur wenigen Volt Spannung erzeugten konstanten Gleichstroms von von 1 bis 20 Milliampere - und die "Franklinisation", bei der ursprünglich durch die Elektrisier- oder "Influenz"-Maschine (jetzt durch einen Bandgenerator) eine sehr hohe Gleichspannung von einigen 100'000 Volt, aber sehr kleiner Stromstärke (statische Elektrizität) erzeugt und dann als einmalige Entladung angewendet wurde. Die Faradisation hingegen verwendet einen hochgespannten, rasch pulsierenden Gleichstrom von etwa 100 bis 10'000 Volt Spannung aus dem Induktionsapparat. Sie machte als erste elektrotherapeutische Methode eine weitgehende Modulation (Veränderung von Frequenz und Intensität) der Ströme und damit entscheidende Fortschritte in der genauen Kenntnis wirksamer Anwendungsweisen möglich. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 23 Als eigentlicher Begründer dieser neuen Form von Elektrotherapie gilt der französische Arzt Guillaume Benjamin Duchenne (1806-1875), genannt Duchenne de Boulogne, der seine elektrotherapeutischen Forschungen mit der damals populären Elektroakupunktur begonnen hatte. Duchenne hatte als erster beobachtet, daß die Wirkungen von direktem und induziertem Strom verschieden waren, und hatte 1851 vorgeschlagen, daß die therapeutische Anwendung induzierter Ströme, die bis dahin gleich wie diejenige direkter Ströme "Galvanisation" genannt worden war, nach dem Entdecker dieser Ströme "Faradisation" genannt werden sollte. Dieser Vorschlag wurde allgemein akkeptiert. Duchenne wurde sowohl zu einem der führenden Physiologen und Neurologen wie auch seriösesten Elektrotherapeuten der Zeit, der sich im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen der Grenzen der Elektrotherapie bewusst war und die von ihm zu einer äusserst differenzierten Methode entwickelte Faradisation mit viel Umsicht anwandte. Er beschrieb auf der Basis einer von ihm aufgestellten Elektrodiagnostik auch eine Reihe von neuen Krankheitsbildern. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 24 Der zweite prominente Pionier der Faradisation war der Engländer Golding Bird (1814-1854), Leiter der elektrotherapeutischen Abteilung am Guy's Hospital in London, der viele Erfolge bei allen Arten von Lähmungen, gegen Schmerzen und zur Induzierung von Wehen zu verzeichnen hatte. Der amerikanische Arzt J.B.Francis berichtete 1858 als erster über die Anwendung elektrischer Ströme gegen Zahnschmerzen. In der Folge verbreitete sich die zahnärztliche Elektroanästhesie ziemlich schnell, zunächst in den USA, dann auch in europäischen Ländern. Der Amerikaner Oliver war 1858 vermutlich der erste, der die Elektroanästhesie auch in der chirurgischen Praxis einführte. Ein prominenter deutscher Elektrotherapeut dieser Zeit war Julius Althaus (1833-1900), der auch die Elektroanästhesie in England bekanntmachte. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 25 Elektromagnetische Felder In diese Zeit fielen aber auch weitere epochemachende Entdekungen auf dem Gebiet des Elektromagnetismus, die den weiteren Ausbau der Elektrotherapie stimulierten und viele andere weitreichende Folgen hatten. Die faradaysche Theorie der Einheit von Elektrizität und Magnetismus und das übrige Wissen der Zeit über elektrische und magnetische Erscheinungen wurde 1865 vom englischen Physiker James Clerk Maxwell (1831-1879) in einem genialen System mathematischer Gleichungen exakt formuliert und zu einer Elektrodynamik erweitert, die auch die Wechselwirkungen zeitlich veränderlicher Felder erfaßte. Maxwell sagte auch voraus, daß es elektromagnetische Wellen geben müsse, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten; seine elektromagnetische Lichttheorie gründet sich auf die Tatsache, daß die später so genannten "Maxwellschen Gleichungen" Lösungen besitzen, die einer sich im Raume fortpflanzenden elektromagnetischen Welle entsprechen. Auch das Licht mußte deshalb ein elektromagnetischer Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 26 Wellenvorgang sein, der aus periodisch wechselnden elektrischen und magnetischen Feldern besteht. Es gelang Maxwell, zahlreiche Eigenschaften des Lichtes aus den Grundgleichungen der Elektrizität und des Magnetismus abzuleiten. Die endgültige Bestätigung dieser Theorie erbrachte dreißig Jahre später der deutsche Physiker Heinrich Hertz (1857-1894), indem er erstmals elektromagnetische Wellen auf rein elektrischem Wege erzeugte. Seine Experimente mit dem von ihm 1887 erfundenen Oszillator, einer einfachen Konstruktion, mit der er elektromagnetische Schwingungen verschiedenster Frequenzen bis hinauf zu 30 Milliarden Hertz (Schwingungen pro Sekunde) erzeugen konnte, gaben der Maxwellschen Theorie ihr entscheidendes experimentelles Fundament. Hertz konnte zeigen, daß die von ihm entdeckten elektromagnetischen Wellen (die deshalb lange auch als "Hertzsche Wellen" bezeichnet wurden) tatsächlich alle vom Licht bekannten Eigenschaften teilen, daß sie ausgesendet und empfangen werden können und daß es eine Methode gibt, ihre Wellenlängen direkt zu messen. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 27 Umgekehrt gilt seit Maxwell und Hertz Licht als eine elektromagnetische Schwingung und ordnet sich nahtlos ein in das Spektrum elektromagnetischer Frequenzen. Einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Elektrotherapie bildete die Einführung des Wechselstroms, der viel unschädlicher ist als Gleichstrom derselben Stärke. An der Entwicklung der Wechselstromtechnologie, auf der unsere ganze "elektrische Zivilisation" aufgebaut ist, hatte der geniale serbisch-amerikanische Physiker Nikola Tesla (1865-1943) den entscheidenden Anteil, dem wir u.a. die Erfindung des rotierenden Magnetfeldes und des auf diesem beruhenden Wechselstrom-Mehrphasengenerators und -motors verdanken. Tesla war auch der erste, der um 1890 die nach ihm "Tesla-Ströme" benannten hochfrequenten Wechselströme von hoher Spannung erzeugte und zeigte, daß der menschliche Körper gefahrlos von solchen Strömen durchfloßen werden kann. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 28 Hochfrequenz-Felder Der Franzose Jacques Arsène d'Arsonval (1851-1940), Physiker und Professor für experimentelle Medizin am College de France in Paris, begründete die moderne Magnetfeldtherapie, die auf diesen neuen Entdeckungen aufbaute und die therapeutische Verwendung des Elektromagnetismus erstmals respektabel machte. Er war einer der ersten, die begannen, hochfrequente Teslaströme mit Frequenzen von 1 bis 30 Megahertz (Millionen Schwingungen pro Sekunde) bei der Krankenbehandlung zu verwenden. Bereits um 1890 steckte er seine Patienten in eine Art "elektrischen Käfig" und setzte dessen Stäbe unter Hochfrequenzstrom, so daß ein magnetisches Feld entstand, das den Stoffwechsel fördern sollte. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 29 Damit wurde er zum Vorläufer der heute noch verwendeten sogenannten "Diathermie", der Erzeugung von "Tiefenwärme" im Körpergewebe durch Ströme des Radio- und Mikrowellen-Frequenzbereichs oder durch Ultraschall, deren Vorform ihm zu Ehren "Arsonvalisation" genannt wurde. Er erkannte auch als erster, daß die physiologischen Wirkungen des elektrischen Stroms nicht von der Stromquelle, sondern nur von der Wellenform des Stroms abhängig sind. Im Gegensatz zu Tesla war d'Arsonval allerdings davon überzeugt, daß die heilende Wirkung von Hochfrequenzfeldern nicht auf die erzeugte Wärme, sondern auf direkte Wirkungen der Elektrizität zurückzuführen sei. Diese Meinung hatte viele Jahrzehnte lang keine Chance in der wissenschaftlichen Diskussion, wo bis vor kurzem Teslas Überzeugung die Oberhand hatte. Noch heute sind viele Wissenschaftler der Meinung, elektromagnetische Felder, die das Gewebe nicht zu erwärmen vermögen, könnten keinerlei biologische Wirkungen haben. Erst seit wenigen Jahren Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 30 beginnt sich die Überzeugung durchzusetzen, daß es auch "nicht-thermische" Wirkungen elektromagnetischer Felder gibt. Auf solchen nicht-thermischen Wirkungen beruht z.B. die Therapie mit gepulsten Hochfrequenzfeldern, als deren Begründer der New Yorker Arzt Abraham Ginsberg gilt. Diese Form der Elektrotherapie wird seit 1934 mit Erfolg zur Wundheilung, bei Muskelproblemen, rheumatischen Störungen, Verstauchungen und sogar zur Knochenheilung eingesetzt. Sie ist nach der Auffassung ihrer Vertreter dadurch wirksam, daß sie beschädigte Zellen zur Selbstheilung anzuregen vermag. Wirksame Frequenz-"Fenster" Diese Auffassung sowie viele der Entdeckungen der Elektrotherapeuten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts über die biologische Wirksamkeit ganz bestimmter Frequenzen, Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 31 Pulswiederholungsfrequenzen und Stromstärken wurden erstmals in den fünfziger Jahren von der Wissenschaft bestätigt. Damals begann man in der Sowjetunion die Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder auf lebende Organismen systematisch zu erforschen. Die Existenz dieser Bereiche biologischer Wirksamkeit von elektromagnetischen Feldern, die man heute "Fenster" nennt und die später auch im Westen bestätigt wurden, hat wahrscheinlich damit zu tun, daß die Wirksamkeit solcher Felder auf einer Wechselwirkung mit entsprechenden elektromagnetischen Eigenresonanzen des Organismus beruht. So ist der Elektromedizin z.B. seit langem bekannt, daß Blutzirkulation und Schmerzzustände am besten über Frequenzen zwischen 90 und 100 Hz beeinflußt werden können, während sich Muskelfasern optimal mit einer Frequenz von weniger als 10 Hz stimulieren lassen. (Wahrscheinlich besteht hier ein Zusammenhang mit den von Rohracher entdeckten mechanischen Ruheschwingungen der Muskulatur, die ebenfalls in diesem Frequenzbereich liegen). Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 32 Elektrische Stimulation der körpereigenen Selbstheilungskräfte In den fünfziger Jahren wurde durch die Arbeit des Amerikaners Robert O. Becker auch die Fähigkeit von elektrischen Strömen, die Selbstheilungsfähigkeit des Organismus in erstaunlichem Masse anzuregen, bestätigt. Dieser entdeckte 1958, daß durch Stimulierung mit schwachen Gleichströmen eine beschleunigte Wund-und Knochenheilung erreicht werden konnte, und zwar selbst in Fällen, die bis dahin als hoffnungslos galten. Mit diesen Strömen werden offensichtlich körpereigene gleichartige Ströme unterstützt, die in den Regenerationsprozessen des Organismus eine Rolle spielen. Becker konnte nachweisen, daß der Körper bei verletztem Gewebe tatsächlich jener "Verletzungsstrom" produziert, den schon der italienische Physiker Carlo Matteucci (1811-1868) Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 33 1830 bei seinem Versuch, Galvani zu rehabilitieren, gefunden hatte und an den seit Julius Bernstein (1839-1917) niemand mehr glauben wollte, weil man überzeugt war, alle Bioelektrizität auf chemische Vorgänge zurückführen zu können. Becker nimmt an, daß diese Verletzungsströme auf ein von ihm entdecktes bioelektrisches Steuerungs- und Regulationssystem im Organismus zurückgehen, das für sämtliche Wachstums-, Regenerations- und Heilungsprozesse im Körper verantwortlich ist. Dieses "Perineurale Gleichstrom-System" besteht aus schwachen Halbleiter-Gleichströmen, die in der Umhüllung der Nervenzellen, den Glia- und Schwann-Zellen, fliessen und Informationen durch Potentialschwankungen (und Polaritätswechsel) - also im Gegensatz zu den Nervenzellen selbst, deren Informationsübermittlung auf digitale Weise (ein-aus) geschieht - durch analoge Signale übermitteln sollen. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 34 Die von Becker entwickelte Unterstützung und Beschleunigung von Wund- und Knochenheilung durch Elektrostimulation wurde in den 70er Jahren von Andrew Bassett weiterentwickelt. Dieser erzeugte die elektrischen Impulse mittels externer Felder und machte so die Operation zur Implantation von Elektroden überflüssig. Diese Methode wurde 1979, nach zehn Jahren experimenteller Erforschung, von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zur Behandlung nichtheilender Knochenbrüche offiziell zugelassen. Ihre Heilungsquote ist ungewöhnlich hoch: 81%, wenn nur mit Elektrostimulation behandelt wird, über 98% in Kombination mit Knochentransplantationen. Elektrostimulation von Gehirn und Nervensystem Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 35 Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich aus der langen Tradition der lokalen Elektroanästhesie, der elektrischen Schmerzbetäubung, noch eine andere Hauptrichtung der modernen Elektromedizin, die sich mit der elektrischen Stimulation des Gehirns befasst. Um 1880 beschrieb der Chilene Araya erstmals "schlafinduzierende Wirkungen von Kopfelektroden". Unabhängig von ihm entdeckte der Franzose Leduc 1902 die allgemein-anästhetische Wirkung von elektrischen Strömen. Daraus entwickelten russische Forscher, als erster Wassili Giljarowski (1875-1959) in den fünfziger Jahren, eine "Elektroschlaf" genannte Richtung der Elektrostimulation, bei der durch sehr schwachen, gepulsten Gleichstrom über Schädelelektroden ein entspannter Zustand oder Schlaf herbeigeführt wird. Ursprünglich nur als Schlaftherapie gedacht, verbreitete sich die Methode rasch in Europa. Dort kam man bald darauf, daß der Schlaf nicht unbedingt nötig für therapeutische Wirkungen war. F.M.Wageneder schlug deshalb 1969 vor, die Methode "Cerebrale Elektrotherapie" (CET) statt Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 36 Elektroschlaf zu nennen. Eine seriöse klinische Erforschung begann jedoch erst um 1970 in den Vereinigten Staaten mit einer Untersuchung von Saul H. Rosenthal. Seither ist die Methode unter dem Namen "Cranial Elektrotherapy Stimulation" (CES) bekannt. Eine Rolle bei der Entwicklung der heutigen Elektrostimulation hat auch die chinesische Elektroakupunktur (nicht zu verwechseln mit der deutschen und japanischen, diagnostischen Elektroakupunktur nach Voll, Crohn, Ryo-do-raku und Motoyama) gespielt, die seit 1958 elektrische Ströme zur Schmerzbekämpfung einsetzt. Einen großen Einfluß hatten auch die Erfahrungen, die die Gehirnforschung mit der elektrischen Stimulierung des Gehirns durch operativ implantierte Elektroden gemacht hat. Dies wurde zum erstenmal in den 20er Jahren durch den Schweizer Physiologen Walter Hess an Katzen gemacht. Hess konnte durch Stimulierung bestimmter Gehirnareale mit extrem schwachen Strömen bei den Katzen jedes denkbare Verhalten und alle möglichen Emotionen auslösen. In den 40er und 50er Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 37 Jahren entdeckte der amerikanische Gehirnforscher Wilder Penfield, daß elektrische Stimulierung des Gehirns auch lange vergessene Erinnerungen wecken konnte. Er versuchte in der Folge durch elektrische Stimulierung systematisch zu erforschen, welche Gehirnbereiche für Sprachvermögen, Erinnerung und die verschiedenen Emotionen zuständig waren. 1974 stellte der britische Forscher Ifor S. Cooper bei seinen wegen verschiedenen neurologischen Störungen am Kleinhirn stimulierten Patienten fest, daß die Elektrostimulation interessante Nebenwirkungen besass, die auch auftraten, wenn sich die körperlichen Symptome nicht besserten. Zu diesen Wirkungen gehörten die Verminderung von Angst, Stress und Anspannung, eine Verbesserung des Denkvermögens und der Sprachflüssigkeit, eine geringere Depressionsneigung und optimistischere Lebenseinstellung, geringere Neigung zu Wutausbrüchen und aggressiven Verhaltensweisen und allgemein eine gesteigerte emotionale Kontrolle. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 38 In den 60er und 70er Jahren entdeckte man, daß man die elektrische Aktivität des Gehirns und des Nervensystems auch ohne implantierte Elektroden beeinflussen konnte: durch elektrische Stimulierung der Hautoberfläche. Die damals entwickelte TENS-Methode (Transcutaneous Electrical Nerve Stimulation) war Mitte der siebziger Jahre bei Ärzten, Zahnärzten, Sporttrainern usw. weit verbreitet, vor allem zur Schmerzbekämpfung. Die bei TENS üblichen Pulse sind identisch mit den in der chinesischen Elektroakupunktur verwendeten. Erfolgreiche Suchtenwöhnung durch Elektrostimulation In dieser Zeit begann man auch die Möglichkeiten der Elektrostimulation in der Suchtentwöhnung zu erforschen. Eine Pionierin auf diesem Gebiet ist die schottische Chirurgin Margaret (Meg) Patterson, Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 39 die 1972 in Hongkong zufällig entdeckt hatte, daß zur Schmerzunterdrückung angewandte Elektroakupunktur auch die Entzugssymptome von Opiatsüchtigen zum Verschwinden brachten. Heute ist Elektrostimulation als das effizienteste aller Entzugsverfahren bei allen Arten von Abhängigkeiten, von Alkoholismus über Tablettensucht bis Heroinabhängigkeit, anerkannt. Sogar suchtbedingte organische Gehirnstörungen, die bis dahin als unheilbar gegolten hatten, können mit ihr erfolgreich behandelt werden. 1981 schliesslich entwickelte der amerikanische Neurobiologe Daniel Kirsch mit seinem "Alpha-Stim" die bisher neueste Generation der Elektrostimulationsgeräte, die tausend mal schwächere Ströme (Mikroampere) und niedrigere Frequenzen als TENS und CES verwendet und deren Pulsfrequenz auf die verschiedenen Gehirnwellenbereiche eingestellt werden kann. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 40 ELF-Therapie Eine der jüngsten Richtungen der Elektromedizin ist aus der Erforschung der elektromagnetischen Wetterstrahlung hervorgegangen. Der Deutsche W.O.Schumann hatte anfang der fünfziger Jahre die heute nach ihm benannten "Schumann-Resonanzen" entdeckt, Eigenschwingungen von Erde und Athmosphäre mit einer Grundschwingung von 7,8 Hertz, die sich in dem Raum zwischen Erdoberfläche und Ionosphäre fortpflanzen. Sein Schüler Herbert L. König wies bereits 1960 darauf hin, daß es im Bereich der natürlichen elektromagnetischen Felder in unserer Umwelt noch viele weitere solche ELF-Modulationen von Feldern im Radio- und Mikrowellen-Bereich gibt, d.h. Pulsationen dieser Felder im Bereich der ganz niedrigen Frequenzen ("Extreme Low Frequency") von 0 bis 300 Hz. Schwankungen des Erdmagnetfeldes, die durch den Sonnenwind verursacht werden und Schwankungen im elektrischen Feld der Athmosphäre, die von den Wetteraktivitäten herrühren ("Sferics"), zeigen solche ELF-Pulse im Bereich von 0 bis 100 Hz. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 41 Diese Pulse sind alle biologisch wirksam und können verschiedenste gesundheitliche Störungen auslösen. Bei den Sferics ist nicht nur interessant, daß bestimmte Frequenzen für bestimmte Wetterlagen charakteristisch sind, sondern vor allem, daß diese verschiedenen Wetterimpulse sowohl in ihrem Frequenzbereich wie auch in ihrer Impulsform in frappanter Weise den verschiedenen in einem Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichneten menschlichen Gehirnwellenarten gleichen. Die Schönwetter-Sferics entsprechen dabei den Alpha-Gehirnwellen, die im EEG im Zusammenhang mit Entspannung zu beobachten sind, während die Schlechtwetter-Sferics ebenso präzise den Deltawellen gleichen, die typisch für krankhafte Zustände und Abwehrprozesse im Organismus sind. Wahrscheinlich haben elektromagnetische Felder im ELF-Bereich wichtige Steuerungs- und Regelungs-Funktionen im Organismus selbst, was die biologische Wirksamkeit der entsprechenden Felder in der Umwelt erklären würde. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 42 Forschungen über die psychophysische Wirkungen von ELF-Feldern, die vor allem in der Sowjetunion systematisch durchgeführt wurden, haben bereits vor zwanzig Jahren zu ersten elektrotherapeutischen Anwendungen geführt. Ein Pionier auf diesem Gebiet war der deutsche Physiker Wolfgang Ludwig, der bereits 1963 erste Prototypen eines handlichen ELF-Therapiegerätes entwickelte. 1970 brachte er als erstes serienmässiges Gerät dieser Art das "Vitasette" auf den Markt, auf dessen Vorbild die meisten der heute erhältlichen Geräte (Medisend, Mecos, Elfotron, Bio-Pacer, Mood-Pacer II, Magnetodyn und wie sie alle heissen) beruhen. In der Regel flache, viereckige Geräte, die in eine Hand passen, arbeiten diese ELF-Generatoren mit Taschenlampenbatterien und erzeugen im Umkreis von etwa einem Meter ein pulsierendes elektromagnetisches Wechselfeld, dessen Pulsfrequenzen im Bereich der menschlichen Gehirnwellenfrequenzen liegen und oft verstellbar sind. Da die Forschung ergeben hat, daß impulsförmige Wellenformen größere physiologische Wirkung besitzt als oberwellenfreie Sinusschwingungen, werden meist Rechteck-Impulse Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 43 verwendet. Die ELF-Pulse des Gerätes wirken als eine Art "Gehirnschrittmacher", d.h. sie veranlassen das Gehirn, sich ebenfalls auf die vom Gerät ausgehende Frequenz einzustellen. Bei "Mecos" können mit einem kleinen Schalter die verschiedenen Gehirnwellenbereiche eingestellt werden, denen in den Unterlagen des Geräteherstellers folgende Wirkungen und Indikationen zugeordnet sind: 3,0 Hz (Deltawellen): akute und chronische Entzündungen, Immunstärkung. 7,8 Hz (Thetawellen): beruhigend und krampflösend, besonders für Sympathikotoniker. Bei leichten Reizzuständen, Nervosität, (Herzrasen), vegetative Dystonie. Schlafstörungen, Bluthochdruck, Tachykardie Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 44 10,8 Hz (Alphawellen, durch Kombination der beiden obigen Schalter einzustellen): besonders für Sympathikotoniker und Mischtypen anregend, schmerzsenkend und und stabilisierend für Nervensystem und Kreislauf. Bei schweren Reizzuständen, Migräne, Seekrankheit, Reisekrankheit, Narbenschmerzen, Rheumaschmerzen, Arthrosen, allergischen Reaktionen, Asthma, Höhenschwindel, Blutunterdruck, Bradykardie (zu langsamer Herzschlag), Föhnkrankheit und anderen Wetterbeschwerden. stabilisierend und leicht anregend. 17 Hz: stabilisierend und anregend. 24,8 Hz: wirkt auf Vagotoniker wie 10,8 Hz, mit gleichen Indikationen. 14 Hz: Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 45 Nicht nur für therapeutische Zwecke jedoch sind diese Geräte von ihren Erfindern gedacht. So werden ELF-Generatoren z.B. von Astronauten verwendet, um in ihren Raumkapseln ein natürliches Feld zu simulieren, wie es der Organismus braucht. Die kleinen am Körper tragbaren Geräte können aber auch dazu verwendet werden, die störenden Einflüße der vielen elektromagnetischen Felder in unserer Umwelt abzuschirmen, indem sie im Bereich des Organismus ein wohltätiges ELF-Feld herstellen, das die Umweltfelder "übertönt". Der amerikanische Elektroingenieur William Bise und sein Landsmann, der Arzt und Biophysiker Andrija Puharich, haben ihre Geräte sogar ausdrücklich als Gegenmassnahme zu künstlichen ELF-Einstrahlungen entwickelt, wie sie die Grossmächte nach ihrer Ansicht seit einiger Zeit als Geheimwaffe zur elektromagnetischen Beeinflussung ganzer Bevölkerungen schon testen - die Käufer seines Apparates sollen ein relativ billiges Mittel in die Hand bekommen, um nicht den sowjetischen Fern-Manipulationen ausgesetzt zu sein. Die Wissenschaftler gehen nämlich davon aus, daß sowjetische Wissenschaftler bereits in der Lage sind, Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 46 durch elektromagnetische Einstrahlung auch auf Distanz Einfluss auf das menschliche Nervensystem zu nehmen. Heutige Anwendungsgebiete der Elektrotherapie Heute wird die Elektrotherapie in ihren verschiedenen Formen erfolgreich bei folgenden Problemen angewendet: Schmerzen aller Art, Kopfweh (besonders Migräne), Angst- und Unruhezustände, Schlaflosigkeit, Depression, Suchtkrankheiten, Hirnschäden, Magenübersäuerung, Asthma, Rheuma und Arthritis, Tinnitus (Ohrensausen), Sinusitis und verschiedene Arten von Hals-Nasen-Ohren-Problemen, schwer heilende Wunden und Knochenbrüche, alle Arten von neurologischen Störungen, sogar Multiple Sklerose (jedenfalls symptom-mildernd). Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 47 Selbst bei Krebs und AIDS scheint die generell immunstimulierende Wirkung bestimmter Frequenzen positiv anzuschlagen (andere Frequenzen stimulieren allerdings das Wachstum von Krebszellen). Der Schwede Björn Nordenström hat ein besonderes elektrotherapeutisches Verfahren entwickelt, mit dem er mittels in den Tumor eingeführter Elektroden erfolgreich Lungenmetastasen zum Verschwinden bringen kann. Andere Forscher gehen von der Beobachtung aus, daß bestimmte elektromagnetische Frequenzen die Zellteilung beeinflussen und Zellen zur Differenzierung oder Entdifferenzierung veranlassen können. Ein noch nicht gut erforschtes Gebiet ist die Anwendung der Elektrotherapie zur allgemeinen emotionalen und Stimmungsbeeinflussung (ausgenommen, wie man annehmen kann, geheime militärische und geheimdienstliche Forschungen), zur Unterstützung des Lernens, beim Training für jegliche Art von psychischer, körperlicher und geistiger Situationsbewältigung, zur Unterstützung von Hypnose, Entspannungstechniken und Imagination und zur Leistungssteigerung im Sport. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 48 Wie wirkt Elektrotherapie ? Die genauen Mechanismen dieser empirisch gefundenen Wirkungen der Elektrotherapie sind bis heute weitgehend ungeklärt, was zur Skepsis gegenüber dieser Therapieform beiträgt. Wissenschaftlich allgemein anerkannt ist heute praktisch nur die Diathermie, deren thermische Wirkungsweise als einzige im Rahmen klassischer physikalischer Modelle erklärt werden kann. Die Situation beginnt sich jedoch seit den siebziger Jahren zu ändern. Immer mehr Biophysiker und klinische Forscher beschäftigen sich mit der Erforschung der Elektrotherapie und anderer physikalischer Therapien, liefern uns Vorstellungen über mögliche Wirkungsmechanismen und experimentelle Daten, die diese Modelle untermauern. Die Auffassung, daß es auch nicht-thermische Wirkungsweisen von elektromagnetischen Feldern gibt, beginnt sich allmählich durchzusetzen. Sie Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 49 erfordert jedoch die Entwicklung neuer physikalischer Modelle, die nicht mehr auf der klassischen newtonschen Physik und auf dem thermodynamischen Gleichgewichtsmodell aufgebaut sind, und die Anwendung quantenmechanischer Prinzipien auf die Biologie, die bis vor wenigen Jahren noch sehr wenig entwickelt war. Wie schon der Russe Cholodow Ende der 60er Jahre vermutete, wirken elektrische Ströme und elektromagnetische Felder wahrscheinlich direkt auf das Zentralnervensystem. Messungen ergaben, daß magnetische Wechselfelder bestimmter Frequenzmuster, wie sie in der ELF-Therapie verwendet werden, Wirbelströme in Nervenschleifen induzieren und damit Miniaturpotentiale an Zellmembranen, inbesondere an Synapsenspalten, erzeugen könne. Der Austausch von Ionen durch die Zellmembranen wird signifikant verändert, bei einer bestehenden pathologischen Verschiebung wird er normalisiert. Die in der ELF-Therapie verwendeten Magnetfelder scheinen also einen ausgleichenden Einfluß auf die Zellmembran-Permeabilität zu Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 50 besitzen. Die Wirkung von Behandlungen mit Reizströmen geringer Intensität ist davon nicht grundsätzlich verschieden und hat ähnliche, wenn auch wegen der geringeren Eindringtiefe etwas schwächere Wirkungen. Als wesentlich für die Wirksamkeit von Strömen und Feldern hat sich in erster Linie Impulsform und Frequenz erwiesen, wobei im breiten Spektrum der elektromagnetischen Wellen nur ganz bestimmte, eng definierte Frequenzbereiche biologisch wirksam sind, während dazwischen weite Bereiche keinerlei Effekte zeigen. Auch in Bezug auf die Stimulation von Gehirn und Nervensystem mittels elektrischer Ströme, heute vielleicht das am besten erforschte Gebiet der Elektrotherapie, gab es bis Anfang der 70er Jahre keinerlei plausible Erklärung. Das änderte sich, als 1973 die junge Amerikanerin Candace Pert Opiat-Rezeptoren im Gehirn entdeckte, und 1975 Hans Kosterlitz und John Hughes in Schottland im Gehirn von Ratten körpereigene Opiate nachweisen konnten, wie man sie seither auch beim Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 51 Menschen gefunden hat. In den Jahren 1976-1980 wurde, unter anderem von Nobelpreisträger Roger Guillemin, gezeigt, daß die Elektrostimulation mit großer Wahrscheinlichkeit über eine Ausschüttung solcher körpereigener Opiate wirksam ist. Die körpereigenen Opiate, Endorphine und Enkephaline, sind engstens mit Schmerz- und Lustempfinden und mit den Emotionen verbunden und bilden einen Teil des internen "Belohnungssystems" im Gehirn. Sie filtern ausserdem, wie Candace Pert vermutet, nicht nur die Schmerzsignale, sondern alle Reize, die uns durch die Sinne erreichen, und bringen sie in einen emotionellen Zusammenhang; durch das Endorphinsystem entscheidet das Gehirn, welchem Reiz es Aufmerksamkeit schenken soll. Damit wird klar, daß die Endorphine eine wichtige Rolle bei allen Lernprozessen spielen müssen. Sie sind wahrscheinlich ein wichtiges Element jener "Ich-Kraft", die für den Zusammenhalt und die Ganzheit des Organismus sorgt und eng mit dem Immunsystem Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 52 verbunden ist. Tatsächlich haben Studien aus dem Jahr 1982 gezeigt, daß die Endorphine auch das Immunsystem beeinflussen. Beim Wirkungsmechanismus der Elektrostimulation spielen aber auch noch andere Neurotransmitter eine Rolle. Sie löst z.B. nachweisbar die Ausschüttung von großen Mengen von Norepinephrin und Dopamin aus. Auch ein erhöhter Norepinephrin-Spiegel steht mit Lernprozessen in Verbindung. Weil man festgestellt hat, daß es für jeden Suchttyp eine bestimmte wirksame elektrische Frequenz gibt, vermuten Patterson und Capel, daß jedes Hirnzentrum elektrische Impulse einer bestimmten Frequenz aussendet, je nachdem welcher Neurotransmitter dort überwiegend ausgeschüttet wird. Damit könnte es aber auch sein, daß die Elektrostimulation direkt auf die körper- und gehirneigenen elektromagnetischen Felder einwirkt, wie einige Forscher vermuten. Die Ströme und die von ihnen erzeugten elektromagnetischen Felder scheinen wie Hormone zu wirken, wobei der Forschung noch Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 53 viel Arbeit bleibt, um die genauen Frequenzen, Intensitäten und Impulsformen zu bestimmen, die den unzähligen Neurotransmittern entsprechen. Die Vorstellung, daß die Elektrostimulation deshalb wirksam ist, weil im Organismus selbst entsprechende elektrische Ströme und elektromagnetische Felder existieren und eine wichtige Rolle in der Steuerung aller Lebensvorgänge spielen, rückt heute immer mehr ins Zentrum des Interesses und wird zunehmend zur Erklärung der Wirkungsweise nicht nur der Elektrostimulation, sondern der gesamten elektrotherapeutischen Verfahren herangezogen. Sie widerspricht den biochemischen Erklärungen nicht, sondern bildet vielmehr einen übergeordneten Rahmen für sie, indem sie (wie z.B. bei Robert O. Beckers "Perineuralem Gleichstrom-System" oder Fritz A. Popps Biophotonentheorie) der Elektrostimulation ein neues konzeptionelles Modell der Physiologie zugrundelegt, das auf der Annahme eines elektrischen oder elektromagnetischen Kontroll-Systems im Organismus beruht, das die biochemischen und neuralen Prozesse reguliert. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 54 Zukunftsperspektiven Im Rahmen dieser Vorstellung wird die Elektrotherapie, ganz im Gegenteil zur herkömmlichen Auffassung, die in ihr immer noch eine Art Randerscheinung der Medizin sieht, zu einem zentralen Arbeitsfeld einer Medizin der Zukunft. Denn diese neue Auffassung besagt, daß nicht nur die Wirkung aller körpereigenen Wirkstoffe und auch Medikamente durch elektrische Impulse und elektromagnetische Felder ersetzt werden kann, sondern der gezielte Einsatz schwächster elektrischer und elektromagnetischer Reize auch das viel angepasstere, physiologischere Mittel darstellt als chemische Substanzen, um auf den Organismus einzuwirken, da die übergeordnete Regulation im Organismus selbst sich solcher Reize bedient. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 55 Eine ganz neue Form der Elektrotherapie zeichnet sich am Horizont ab, die sowohl in ihren Grundlagen wie auch in ihren Anwendungsformen und -bereichen viel umfassender als die herkömmliche sein wird und möglicherweise in vielen Fällen die chemische Therapie sogar vollständig ersetzen könnte. Wenn sich die Annahmen der Poppschen Biophotonentheorie bewahrheiten, so könnte diese zu eine ihrer wichtigsten Grundlagen werden. Wenn nämlich ein auf feinste Reize ansprechendes kohärentes Biophotonenfeld die oberste physische Regulationsebene im Organismus bildet, dann stellen elektromagnetische Reize und Informationen ganz klar die adäquateste Form der Einwirkung auf den Organismus dar. Dann ist auch zu vermuten, daß selbst die Wirkung chemischer Agenzien über elektromagnetische Wechselwirkungen erfolgt, diese somit den Organismus über sein Biophotonenfeld beeinflußen. Wenn es also die elektromagnetischen Schwingungscharakteristiken eines Medikamentes sind, die seine Wirkung ausmachen, so liegt der Gedanke nahe, ob man das Medikament nicht, vielleicht sogar Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 56 mit Vorteil, durch seine Schwingungs-"Signatur" ersetzen könnte, wie das bereits in der Elektroakupunktur, in der MORA-Therapie und in der Radionik versucht wird. Der Engländer C.W.Smith hat gezeigt, daß allergieauslösende und allergie-neutralisierende Verdünnungen von Allergenen durch entsprechende elektromagnetische Frequenzen mit gleicher Wirkung ersetzt werden können. Vieles deutet also darauf hin, daß wir heute tatsächlich auf dem Wege zu einer gänzlich neuen elektromagnetische Medizin sind, die nur noch mit präzisen und sanften elektromagnetischen Reizen arbeitet. Eine Vielzahl von neuen und neuesten Forschungsergebnissen tragen zu ihrer Entstehung bei. Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 57 Quellen Christian Bachmann: Heilende Hochfrequenz. Neue Zürcher Zeitung, Nr. 232, 5. Okt. 1983, S. 73 Robert C. Beck: Mood Modification with ELF Magnetic Fields: A Preliminary Exploration. Archaeus, 4(1986), S.47-53 Robert O.Becker / Gary Selden: The Body Electric. New York 1985 Robert O.Becker: Der Funke des Lebens. Elektrizität und Lebensenergie. Scherz Verlag, München 1990. Marco Bischof: The History of Bioelectromagnetism. In Bioelectrodynamics and Biocommunication, herausgegeben von M.W.Ho, F.A.Popp und U.Warnke. World Scientific Publishing, Singapore, 1994. Marco Bischof: Biophotonen - das Licht in unseren Zellen. Zweitausendeins, Frankfurt 1995. (siehe http://www.zweitausendeins.de). Elektrotherapie von Marco Bischof Seite 58 Marco Bischof: Die Meditationsmaschinen. Esotera, Nr.1/1989, S.35-41 und Nr. 2/1989, S. 43-49 W.Ehrmann/H.v.Leitner/W.Ludwig/M.A.Persinger/W.Sodtke/R.Thomas: Therapie mit ELF-Magnetfeldern. Zeitschrift für Physikalische Medizin, 5 (1976), S.161-170 Steven Holbrook: The Golden Age of Quackery. 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