ProtFourteenJONAS Liebe Kommiliton(inn)en ! Da Jonas Kolb mir sein sehr übersichtliches, äußerst korrekt geschriebenes Protokoll schon heute am Samstag früh zugesandt hat, stelle ich es auch gleich - mit nur wenigen Ergänzungen innerhalb des Textes – gleich rüber in die Homepage. Es folgt also das 14. Protokoll von JONAS KOLB : Freie Universität Berlin Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Otto-Suhr-Institut PS* 15012 Federalist Papers Dozent Univ. Prof. Dr. Dieter Löcherbach 14. Sitzung am 28. Januar 2003 Protokoll TOP I : Referat über die amerikanische Verfassung mit Zusatzartikeln 1. Struktur und Aufbau der US-Verfassung 2. weitere Zusatzartikel 3. einzelne Aspekte der Verfassung 4. Vergleich der US-Verfassung mit dem Bonner Grundgesetz 5. anschließende Diskussion TOP II: Referat über die politologische Ausschöpfung des Internets TOP III: Fragen zu möglichen Hausarbeitsthemen TOP I : Referat über die amerikanische Verfassung mit Zusatzartikeln 1. Struktur und Aufbau der US-Verfassung: Zuerst wiesen die Referenten daraufhin, dass sie sich mehr als Diskussionsleiter sehen, denn als bloße Redner, und sie versuchen werden, den Vortrag so zu gestalten, dass sich daraus eine Gruppendiskussion entwickeln kann. Der Vortrag startet mit der Präambel, die der US-Verfassung vorangestellt ist: „Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, von der Absicht geleitet, unsere Union zu vervollkommnen, Gerechtigkeit zu verwirklichen, die Ruhe im Innern zu sichern, für die Landesverteidigung zu sorgen, die allgemeine Wohlfahrt zu fördern und das Glück der Freiheit uns selbst und unseren Nachkommen zu bewahren, verfügen und erlassen diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Die einleitenden Worte der Articles of Confederation begannen hingegen mit der Wendung: „ Wir, das Volk jedes einzelnen Staates …“ (DL: Hier der Originaltext der Präambel der ‚Articles’: “ To all to whom these Presents shall come, we the undersigned Delegates of the States affixed to our Names send greeting. Articles of Confederation and perpetual Union between the States of New Hampshire, Massachusetts bay, Rhode Island and Providence Plantations, Connecticut, New York, New Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland, Virginia, North Carolina, South Carolina and Georgia. “ (Herhorhebung durch DL – heißt das ‚Volk jedes Staates’ ?) In jener Einleitung werden Werte und Ziele sehr allgemein und wenig detailliert ausgedrückt. Somit ist die Abgrenzung zu der Verfassung auf dem generellen und grundlegenden Charakter der Präambel begründet. Die einzelnen Artikel wurden kurz mit einigen Stichworten über deren Inhalte wiedergegeben: → Artikel I ( mit 10 Abschnitten) die legislative Gewalt: Kongress – Repräsentantenhaus und Senat ( Qualifikation der Abgeordneten, Wahlen, Verteilung der Sitze auf die Bundesstaaten, Kompetenzen und Restriktionen ) → Artikel II ( mit 4 Abschnitten) die exekutive Gewalt: der Präsident ( Wahl, Kompetenzen und Pflichten des Präsidenten, Amtsenthebungsverfahren ) → Artikel III ( mit 3 Abschnitten) die judikative Gewalt: das Oberste Bundesgericht und die nachgeordneten Gerichte ( Ausdehnung der rechtssprechenden Gewalt, Hochverrat ) → Artikel IV ( mit 4 Abschnitten) Beziehung der Union zu den Bundesstaaten ( Souveränität der bundesstaatlichen Zuständigkeit in Rechtsfragen, rechtliche Beziehungen der Staaten untereinander, die republikanische Form der Regierung wird den Staaten garantiert ) → Artikel V ( ein Abschnitt ) Möglichkeit und Bedingungen für Verfassungsänderungen durch Zusatzartikel → Artikel VI ( ein Abschnitt ) Verfassung und alle auf ihrer Grundlage erlassenen Gesetze der Vereinigten Staaten sind das höchste Recht des Landes → Artikel VII ( ein Abschnitt ) Ratifizierungsanforderung, um diese Verfassung in Kraft zu setzen. Weitergehend wurden noch die ersten zehn Zusatzartikel erläutert, die Bill of Rights, d.h. die Bürgerrechtscharta der USA, die am 15.12. 1791 ratifiziert wurden. Zusatzartikel 1 (1791) Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition um Abstellung von Missständen zu ersuchen. Zusatzartikel 2 (1791) Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden. Zusatzartikel 3 (1791) Kein Soldat darf in Friedenszeiten in ein Haus ohne Zustimmung des Eigentümers einquartiert werden und in Kriegszeiten nur in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise. Zusatzartikel 4 (1791) Das Recht des Volkes auf Schutz der Person und der Wohnung, der Akten und des Eigentums vor willkürlicher Durchsuchung, Verhaftung und Beschlagnahme darf nicht verletzt werden, und Haussuchungs- und Haftbefehle dürfen nur bei Vorliegen eines eidlich oder eidesstattlich erhärteten Verdachts ausgestellt werden und müssen die zu durchsuchende Örtlichkeit und die in Gewahrsam zu nehmenden Personen oder Gegenstände genau bezeichnen. Zusatzartikel 5 (1791) Niemand soll eines Kapital- oder entehrenden Verbrechens wegen vor Gericht gezogen werden können, außer auf eine Vorlage und Anklage der Grand Jury; solche Fälle ausgenommen, welche sich bei der Land- oder Seemacht, oder bei der Miliz, wenn in aktivem Dienste, wie in Kriegszeit und in allgemeiner Gefahr ereignen. Niemand soll aber für ein und dasselbe Vergehen zweimal in Gefahr von Leben und Freiheit gebracht werden; ebenso wenig soll er gezwungen sein, in irgendeinem Kriminalfall als Zeuge gegen sich selbst auszusagen, noch seines Lebens, seiner Freiheit oder seines Eigentums beraubt werden dürfen ohne das gehörige Rechtsverfahren. Auch soll Privateigentum nicht ohne angemessene Vergütung zu offentlichem Gebrauche verwendet werden dürfen. Zusatzartikel 6 (1791) In allen Strafverfahren hat der Angeklagte das Recht auf einen unverzüglichen und öffentlichen Prozess vor einem unbefangenen Geschworenengericht des Staates und Bezirks, in welchem die Straftat begangen wurde, wobei der zuständige Bezirk vorher auf gesezlichem Wege zu bestimmen ist. Er hat weiterhin Anspruch darauf, über die Art und Gründe der Anklage unterrichtet und den Belastungszeugen gegenübergestellt zu werden, sowie auf Zwangsvorladung von Entlastungszeugen und einen Rechtsbeistand zu seiner Verteidigung. Zusatzartikel 7 (1791) In Zivilprozessen nach dem Common Law, in denen der Streitwert zwanzig Dollar übersteigt, besteht ein Anrecht auf ein Verfahren vor einem Geschworenengericht, und keine Tatsachenfeststellung der Geschworenen darf von einem Gericht der Vereinigten Staaten nach anderen Regeln als denen des Common Law erneut einer Prüfung unterzogen werden. Zusatzartikel 8 (1791) Übermäßige Kautionen dürfen nicht gefordert, übermäßige Geldstrafen nicht auferlegt und grausame oder ungewöhnliche Strafen nicht verhängt werden. Zusatzartikel 9 (1791) Die Aufzählung bestimmter Rechte in der Verfassung darf nicht dahingehend ausgelegt werden, dass durch sie andere dem Volke belassene Rechte versagt oder eingeschränkt werden. Zusatzartikel 10 (1791) Die Kompetenzen, die von der Verfassung weder den Vereinigten Staaten übertragen noch den Einzelstaaten entzogen werden, bleiben den Einzelstaaten oder dem Volk vorbehalten. Besonders betont wurde der Arikel I, der eine Reihe von Grundrechten ( Religions-, Presse-, Rede- oder Versammlungsfreiheit) enthält, ebenso wie die Artikel 9 und 10, die sich damit befassen, dass durch die Bill of Rights keine nicht-genannten Rechte des Volkes eingeschränkt werden, und dass die Grenzen der Kompetenzen der Vereinigten Staaten gegenüber den Einzelstaaten garantiert werden. Außerdem wurde noch auf die momentane Aktualität des Zusatzartikels 2 hingewiesen, der US-Bürgern ausdrücklich zusagt, Waffen zu besitzen und zu tragen. 2. weitere Zusatzartikel Der zweite Teil des Referates drehte sich um weitere Zusatzartikel, die der amerikanischen Verfassung nachträglich angefügt wurden. Außer der Bill of Rights ( 10 Zusatzartikel ) wurden noch 17 weitere verabschiedet, mehrere hundert Verfassungsänderungsinitiativen wurden jedoch nicht ratifiziert. Der Referent griff die wichtigsten Artikel heraus und erläuterte deren Inhalt: → Zusatzartikel 12 (15. Juni 1804) Festlegung des Verfahrens, nach dem Präsident und Vizepräsident zu wählen sind. → Zusatzartikel 13 (6. Dezember 1865) Verbot der Sklaverei → Zusatzartikel 14 (28. Juli 1868) Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft → Zusatzartikel 15 (8. Februar 1870) Das Wahlrecht darf weder aufgrund der Rasse oder Hautfarbe der Wähler eingeschränkt werden. → Zusatzartikel 16 (3. Februar 1913) Kompetenz der Bundesregierung, Einkommenssteuer zu erheben. → Zusatzartikel 17 (8. April 1913) Jeder Bundesstaat stellt zwei Senatoren, die direkt vom Volk gewählt werden und Klärung von Sonderfällen. → Zusatzartikel 18 (16. Januar 1919) Verbot des Alkoholbesitzes und –verbrauchs. → Zusatzartikel 19 (18. August 1920) Aktives und passives Wahlrecht für Frauen → Zusatzartikel 20 (23. Januar 1933) Regelung der Amtszeiten von Präsident und Kongress → Zusatzartikel 21 (5. Dezember 1933) Aufhebung der Prohibition (Artikel 18) → Zusatzartikel 22 (27. Februar 1951) Beschränkung der möglichen Amtszeit des Präsidenten auf zwei Amtsperioden. → Zusatzartikel 25 (10. Februar 1967) Regelung des Verfahrens der Nachfolge des Präsidenten bei Todesfall oder Amtsunfähigkeit. → Zusatzartikel 26 (30. Juni 1971) Senkung des Wahlalters auf 18 Jahre. Als wichtigste Artikel erscheinen vor allem die Bestimmungen, die das Wahlsystem regeln, z. B. Artikel 15, 19 & 26 oder die Abschaffung der Sklaverei ( Art. 13). Interessant ist ebenso, dass ein Beschluss, die Verfassung zu ändern, wieder zurückgenommen werden kann, indem man einen weiteren Zusatzartikel anfügt, der eine vorherige Änderung revidiert ( Artikel 18 & 21). Auf die Frage des Dozenten, aus welchem Grund die Referatsgruppe die Bill of Rights als Bürgerrechte und nicht als Menschenrechte bezeichnet hatten, unterschieden die Referenten die beiden Kategorien damit, dass Bürgerrechte keinen universellen Charakter haben (wie eine Menschenrechtscharta), sondern Exklusivrechte für Staatsbürger eines bestimmten Landes sind und somit auch nicht für Ausländer gelten. DL: Ich halte nach wie vor den Begriff ‚Grundrechte’ für die zutreffendere Bezeichnung aller Amendments, weil er genau jene Unterscheidung in Menschenrechte (universal, inklusiv für alle Menschen gültig) und Bürgerrechte (nur für die Staatsbürger der USA, mit einem gewissen Exklusionscharakter) erlaubt. -- Man hätte nach diesem Kriterium nochmal die einzelnen Amendments analysieren und bewerten können. Auch ein Protokollant darf hier ein – zeitbedingt – zu kurz geratenes Referat durchaus ergänzen, auch im Geiste unserer vielen vorangegangenen Diskussionen zu diesen Problempunkten. 3. einzelne Aspekte der Verfassung In der Verfassung ist im Artikel V festgeschrieben, dass Zusatzartikel der Konstitution angefügt werden können. Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Vorschlagsmethoden unterschieden: - Vorschlag mit Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern der Legislative - Oder ein Vorschlag durch einen Konvent, der von einer Zweidrittelmehrheit des Kongresses einberufen wurde (dieses Instrument wurde allerdings nie genutzt) Die Ratifizierung der Änderungsvorschläge umfasst ebenso zwei verschiedene Möglichkeiten: - entweder Ratifizierung durch ¾ der Legislativen aller Einzelstaaten - oder Ratifizierung durch eine ¾ - Mehrheit des einberufenen Konvents (einmalige Benutzung dieser Option bei dem Zusatzartikel 21, der Aufhebung der Prohibition) Mit welcher Methode der Änderungsvorschlag ratifiziert werden soll, entscheidet der Kongress. Für die ersten zwölf Zusatzartikel existierte noch keine Zeitbestimmung darüber, wie schnell die Vorschläge von den Einzelstaatslegislativen ratifiziert werden mussten, sodass der Bundesstaat Michigan als 38. Staat mit 200 jähriger Verspätung den 27. Zusatzartikel am 7. Mai 1992 ratifizierte. Diese Änderung war ursprünglich als zweiter Zusatzartikel vorgeschlagen worden. Seit dem 13. Zusatzartikel gilt nun ein Siebenjahreslimit zur Ratifizierung. Auf die Frage, wieso verschiedene Optionen bei dem Vorschlag oder der Ratifizierung in die Verfassung eingebaut wurden (obwohl diese Möglichkeiten kaum oder gar nicht genutzt wurden), wurde eine Interpretation dieses Sachverhaltes in der Diskussion gefunden. Zum einen geben die beiden Legislativkammern und die Einzelstaatslegislativen ihre Macht sehr ungern aus der Hand, wenn es um die Frage der Vorschlagsmethode und der Ratifizierung des Vorschlages geht. Zum anderen wurde jedoch auch das Vorgehen des Verfassungskonventes aus dem Jahre 1787/88 im Nachhinein legitimiert, indem in den Artikel V eine hypothetische Möglichkeit eingebaut wurde, Zusatzartikel oder eine neue Verfassung im Rahmen eines weiteren Konventes zu beschließen. (DL: So wie der Philadelphia-Konvent (5/1787-9/1787) im Ergebnis eine vollständige Umkehrung (= Revolution) vieler Verfassungsbestimmungen, bewirkt hat, so würde auch die Einberufung eines neuen Konvents, sowie die Aufrufung der Frage der Konstitution als erneute und grundlegende ‚In-Gang-Setzung’ des Gemeinwesens USA: potentiell revolutionäre Züge tragen, sowohl was das formale Verfahren angeht, wie auch, was die eventuell neuen inhaltlichen Verfassungsbestimmungen angeht. Hierzu muß man natürlich als Politologe sagen, daß so etwas nur in einer extremen Staats- und Gesellschaftskrise überhaupt denkbar wäre. Normalerweise wird sich jedes Staats- und Gesellschaftswesen an jene grundlegende Staatsräson gerade für eine Republik halten , die bereits ARISTOTES in der Grundbemühung definiert hat, immer eine möglichst große Mehrheit der Staatsbürger in grundsätzlicher Loyalität zur bestehenden Verfassungsordung zu halten.) Der meist diskutierte Punkt der Verfassung stellt jedoch das Wahlmännerkollegium bei der Präsidentenwahl dar. Während des Verfassungskonvents in Philadelphia wurde diese Methode nach 60 Wahlgängen durchgesetzt und inzwischen wurden ungefähr 500 Änderungsvorschläge zu dieser Frage eingebracht. (DL. Und ?) 4. Vergleich der US-Verfassung mit dem Bonner Grundgesetz Die US-Verfassung ist sehr kurz gehalten und enthält wenige detaillierte Regelungen oder Restriktionen. Die Begriffe und Inhalte sind sehr weit gefasst und allgemein gehalten, während sich das deutsche Grundgesetz vor allem durch Genauigkeit, Differenzierungen und eine Reihe von speziellen Bestimmungen auszeichnet. Die Frage, welches der beiden Modelle effektiver ist, muss natürlich unbeantwortet bleiben. Das Grundgesetz ist zwar eine sehr stabile und sichere Variante, allerdings so festgelegt, dass es fast zu einem Kompetenzenkatalog verkommt und weniger Wert auf die der Verfassung zugrunde liegende Geisteshaltung gelegt wird. Im Gegensatz dazu steht die amerikanische Verfassung, deren heraus stechendes Merkmal die Flexibilität ist. Artikel können angefügt und wieder zurückgenommen werden, jedoch wird durch diese fehlende Stabilität die Stellung des Obersten Gerichtshofes als Kontroll- und Ordnungsinstanz gestärkt. (DL: Bitte ausfürlicher und vielleicht anhand von Beispielen) 5. anschließende Diskussion Bei der Wiedergabe der Diskussionsthemen möchte ich mich auf die zwei Hauptgebiete, die besprochen wurden, beschränken: zum einen die Frage, inwieweit man Verfassungen miteinander vergleichen kann, und zum anderen der Charakter, den eine Konstitution auf die Bevölkerung ausstrahlt. Um verschiedenen Verfassungen überhaupt vergleichen zu können, muss man zuerst die existenten Formen kategorisieren, sodass man Vergleichsmomente erhält. Der erste Versuch der Einteilung in eine präsidentielle, parlamentarische und semipräsidentielle Demokratie wurde von dem Vorschlag des Dozenten abgelöst, nicht die Frage nach der vorherrschenden stärksten politischen Macht zu stellen, sondern mithilfe der Überlegung, durch welches politische Organ, ein Zugehörigkeitsgefühl oder eine Ordnungs- und Stabilitätsinstanz geschaffen wird, die vorhandenen Konstitutionen einzuteilen. Dieser Ansatz von Ulrich K. Preuß unterscheidet folgende Kategorien: - englische Verfassung : Bindung der Real-Verfassung das Parlament (Legislative) - franz. Verfassung : Bindung an die Nation, Staatlichkeit und Exekutive. (am eindringlichsten dargestellt in der Schrift von Emmanuel J. Sieyes, „ Qu’est-ce que le tiers etat ?“) - amerikanische Verfassung : Bindung an die Judikative, an den Supreme Court. (DL: Bitte vergegenwärtigen Sie sich die Situation von 1787: Da 1) die USA sich weder auf eine eigene lange Tradition von Parlamentarismus wie in GB beziehen konnte und damit die legislative Prägung des ganzen Verfassungsgefüges als Möglichkeit weitgehend ausschied, da 2) die USA aber auch nicht – wie z.B. in Frankreich – auf eine politisch weitgehend einige, nämlich gegen Adel Klerus gerichtete, also im Negativen relativ einige politische Nation beziehen konnte (Sieyes hatte einfach die 97 % des tiers etat zur Nation erklärt), in der sich als leitende Gewalt die Exekutive des Staates hätte ergeben können, 3) deshalb blieb den USA fast nur der Rückgriff auf die relativ abstrakteste Macht der Judikative übrig, deren Medium des Rechts die Funktion zufallen mußte, die (im Vergleich zu GB und F) viel heterogeneren Kräfte der amerikanischen Gesellschaft in ein gewaltfreies und kooperatives Verhältnis zu bringen und Konflikte nicht aufgrund von gemeinsamer Erfahrungsgeschichte oder aufgrund einer anderweitig gegebenen Werte-Übereionstimmung zu regeln, sondern aufgrund gemeinsam vereinbarter Regeln und Wertentscheidungen in einer Verfassung. Deshalb verstehen die Amerikaner noch heute ihr Verfassungssystem als = eine rule of law ) Vergl.Sie hierzu bitte: Ulrich K. Preuß, Der Begriff der Verfassung und ihre Beziehung zur Politik, in: Zum Begriff der Verfassung, Die Ordnung des Politischen, hg. von U.K. Preuß, Fischaer Tascheanbuch 12246, Fft.a.M. 1994, S. 7 – 33. In einem Protokoll sollte man solche Angaben selber nachrecherchieren und genau ausweisen.) Das deutsche Grundgesetz knüpft an verschiedene Punkten dieser Traditionen an und stellt somit eine Mischverfassung dar. Zum einen wird die Rechtsmoment der USA im Bundesverfassungsgericht berücksichtigt, und zum anderen die Betonung des Bundestages, als Aufgriff der englischen Tradition; aber inbezug auf die Exekutive wird in der Bundesrepublik nicht ganz zu Unrecht von einer Kanzler-Demokratie gesprochen. Neben den Ursprüngen der Verfassungen muss allerdings auch verglichen werden, inwieweit sich eine Konstitution an veränderte gesellschaftliche Entwicklung anpassen lässt. Dieser Punkt ist immer abhängig von der jeweiligen Reform, die umgesetzt werden soll. Flexibiliät ist das charakteristische Merkmal der US-Verfassung, allerdings konnten auch sehr sinnvolle Vorschläge nicht ratifiziert werden, so z.B. Franklin D. Roosevelts Rede zur Lage der Nation am 11. Januar 1944, in der er eine Economic Bill of Rights forderte (d.h. das Recht auf medizinische Versorgung und Bildung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung sollten in der Verfassung festgeschrieben werden). Der Vorschlag scheiterte am Widerstand des Kongresses und dem gleichzeitigen 2. Weltkrieg, der die Regierung von der Innen- und Sozialpolitik abhielt. Allerdings sieht man diesem Beispiel trotzdem, dass es fast unmöglich ist, nachträglich schwerwiegende Veränderungen in die Verfassung aufzunehmen, die Grundlagen sind schon festgelegt. Konstitutionen sind laut J. Madison für die Nachbesserungen von engagierten Staatsbürgern offen, also für Änderungsvorschläge, die eine Anpassung an eine gesellschaftliche Entwicklung, die Werteverschiebung oder Spachentwicklung beinhalten. (DL: was soll dieser Satz besagen, nach den vorangegangeanen Sätzen? ) Anschließend wurde die Diskussion von dem Dozenten auf die Frage hin gelenkt, wie man als Staatsbürger gegenüber seiner Verfassung stehen sollte. In den USA herrscht ein starker ‚Constitutional patriotism’ vor, der die Konstitution überhöht und fast zu einer sakralen Größe werden lässt. Das wäre nicht unbedingt schlecht, wenn nicht hierdurch auch das Bewußtsein verschwände, daß die Verfassung etwas von Menschaen Gemachtes ist und wie alles Menschenwerk auch – je nach den gesellschaaftlichen und politischen Erfordernissen und Bedürfnissen – auch wieder geändert werden kann. Dieser Stolz und das Bewusstsein der amerikanischen Gründungsgeschichte, das sich größtenteils durch obligatorische Handlungen wie der Zeremonie des Pledge of Allegiance oder der Declaration of Independance am 4. Juli zeigt, ist ein mögliches Extrem. In Deutschland herrscht aufgrund der Geschichte kein vergleichbarer Zustand vor, zwar hat das Grundgesetz einen sehr hohen Stand in der Gesellschaft, aber ein richtig ausgeprägter Verfassungspatriotismus hat sich gesamtgesellschaftlich noch nicht durchgesetzt. Im Blick auf die künftige europäische Verfassung, die im EU-Verfassungskonvent bearbeitet wird, muss hinsichtlich solcher Perspektiven überlegt werden, welche Tendenz bevorzugt werden soll. Ob ein sakraler Charakter (also die gemeinsamen europäischen Ideale der Aufklärung und soziale Vorstellungen) betont werden soll, oder man stattdessen Bodenständigkeit und konkrete Ideen vorzieht. Eine Vermischung dieser beiden Extreme ist wohl die beste Lösung des Problems. Auf der einen Seite wird somit ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine loyale Verbundenheit gegenüber Europa garantiert, auf der anderen Seite muss man jedoch ebenso die Bodenständigkeit der Verfassung betonen, um dieses Werk nicht zu überhöhen. Es muss eine Schrift geschaffen werden, vor der man große Achtung und Respekt hat, aber diese Loyalität darf nicht in einen reinen Patriotismus ausarten, sondern man muss stetig in der Lage sein, die Verfassung falls nötig in die richtige Richtung zu verändern. TOP II : Referat über die politologische Ausschöpfung des Internets Im zweiten Teil der Sitzung wurde über die Vorteile und Nachteile der politologischen Internetrecherche referiert. Großen Wert legte die Referatsgruppe auf die Feststellung, dass Texte, die online publiziert werden, kaum wissenschaftliche Belege aufweisen, sinnvolle Fakten eher Mangelware sind und die Aktualität der Daten zu bezweifeln sind. Die Auflistung der vorgestellten nützlichen Adressen steht auf der Homepage von Prof. Dieter Löcherbach. TOP III : Fragen zu Hausarbeitsthemen Zu Ende der Sitzung hatte man noch die Möglichkeit, Fragen zu Hausarbeitsthemen und der jeweiligen Vorgehensweise zu stellen. Für die Richtigkeit, Jonas Kolb