James Petras - SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina

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James Petras
Amerikanisch-israelischer Krieg gegen Iran:
Der Mythos vom begrenzten Waffengang
Window into Palestine, Montag, 16. April 2012
Washington und Tel Aviv glauben, daß ihr geplanter Angriff auf Iran ein
„begrenzter Krieg“ sein würde mit einer begrenzten Zahl von Zielen und
einer Dauer von wenigen Tagen oder Wochen – ohne ernste Konsequenzen.
Einführung
Die wachsende Gefahr eines amerikanisch-israelischen Militärschlags auf Iran beruht auf
verschiedenen Faktoren:
1. Die jüngste Geschichte der militärischen Aktionen beider Länder in der Region
2. öffentliche Erklärungen amerikanischer und israelischer Politiker
3. jüngste und laufende Operationen gegen Libanon und Syrien, wichtige Verbündete
Irans
4. Ermordungen von iranischen Wissenschaftlern und Sicherheitskräften durch
terroristische Gruppen im Auftrag von Mossad und CIA
5. der Fehlschlag ökonomischer Sanktionen und diplomatischer Zwangsmaßnahmen
6. eskalierende Hysterie und extreme Forderungen an Iran zur Beendigung der ihm
rechtlich zustehenden Uran-Anreicherung zu zivilen Zwecken
7. provokative Militär-„Übungen“ an der Grenze zu Iran und Kriegsspiele, die der
Einschüchterung dienen, sowie eine Generalprobe für einen präventiven Angriff
8. mächtige Gruppen von Kriegsbefürwortern in Washington und Tel Aviv,
einschließlich der größeren israelischen Parteien und der einflußreichen AIPAC
(American Israel Public Affairs Committee) in den USA, und schließlich
9. der „National Defense Authorization Act” (Obamas Orwell’scher Notstands-Erlaß
vom 16. März 2012)
Der US-Propaganda-Krieg fährt auf zwei Gleisen:
1. Die dominante Botschaft betont, daß der Krieg nah ist und daß die USA gewillt sind,
Zwang und Gewalt anzuwenden.
2. Auf dem zweiten Gleis richtet sich eine Handvoll ansonsten marginaler „sachkundiger
Akademiker“ (oder progressiver Mitarbeiter des Außenministeriums) an die „liberale
Öffentlichkeit“ und spielt die Kriegsdrohung herunter mit dem Argument, daß
vernünftige Politiker in Tel Aviv und Washington sich bewußt seien, daß Iran über
keine Nuklearwaffen oder die Fähigkeit, sie gegenwärtig oder in naher Zukunft zu
produzieren, verfügt. Der Zweck dieses liberalen Zurückruderns besteht darin, die
Mehrheit der Öffentlichkeit, die zusätzliche Kriegsvorbereitungen eindeutig ablehnt,
zu verwirren und zu schwächen, und die wachsende Anti-Kriegs-Bewegung aus dem
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Gleis zu bringen.
Es ist kaum erwähnenswert, daß die Bekundungen der Kriegsbefürworter leichthin absehen
von allen historischen und empirischen Beweisen, die gegen einen Krieg sprechen.
Wenn die USA und Israel von Krieg reden, ihn vorbereiten und Vorkriegs-Provokationen
inszenieren, dann wollen sie den Krieg auch – so wie sie 2003 gegenüber dem Irak verfuhren.
Unter den gegenwärtigen internationalen politischen und militärischen Bedingungen ist ein
Angriff auf Iran, zunächst durch Israel mit amerikanischer Unterstützung, hochgradig
wahrscheinlich, selbst wenn die weltwirtschaftlichen Umstände eigentlich etwas anderes
gebieten sollten, und selbst wenn die strategischen Konsequenzen sich höchstwahrscheinlich
in den kommenden Jahrzehnten auf die gesamte Welt negativ auswirken werden.
Einschätzungen von Irans militärischen Fähigkeiten durch die USA und Israel
Amerikanische und israelische Strategen stimmen nicht überein, was die Konsequenzen eines
iranischen Gegenschlags auf einen Angriff betrifft. Die Israelis spielen die militärische
Fähigkeit des Irans herunter, den jüdischen Staat anzugreifen und zu schädigen, was ihre
einzige Sorge ist. Sie verlassen sich auf die geographische Distanz, auf ihr Raketenabwehrsystem und den Schutz durch amerikanische Luft- und Seestreitkräfte im Persischen
Golf, die einem Überraschungsangriff Rückendeckung geben. US-amerikanische
Militärstrategen dagegen wissen, daß die Iraner US-Kriegsschiffen, die iranische
Verteidigungsanlagen an der Küste angreifen müßten, um die Israelis zu unterstützen oder zu
schützen, schwere Verluste zufügen können.
Der israelische Geheimdienst ist bestens bekannt für seine Fähigkeit, die Ermordung von
Personen weltweit zu organisieren: der Mossad hat erfolgreich terroristische Aktionen auf
anderen Kontinenten gegen palästinensische, syrische und libanesische Führer durchgeführt.
Andererseits hat er eine sehr dürftige Erfolgsbilanz vorzuweisen, wenn es um seine
Einschätzung größerer militärischer und politischer Unternehmungen geht. Während des
Libanonfeldzugs 2006 wurde die militärische Stärke und Organisationsfähigkeit der Hisbollah
sowie ihr Rückhalt im Volk sträflich unterschätzt. Ähnlich falsch schätzte der israelische
Geheimdienst Fähigkeit und Stärke der demokratischen Volksbewegung in Ägypten während
ihrer Entstehung und beim Sturz des strategischen regionalen Alliierten, der MubarakDiktatur, ein.
Während die israelischen Führer „Paranoia simulieren“ – indem sie floskelhaft die
„existentielle“ Bedrohung beschwören -, lassen sie sich von ihrer narzisstischen Arroganz und
ihrem Rassismus blenden, die wiederholt zur Unterschätzung der technischen Kompetenz und
politischen Intelligenz ihrer arabischen und regionalen islamischen Gegner geführt haben.
Dies gilt zweifellos auch für ihre leichtfertige Geringschätzung der iranischen Fähigkeit, nach
einem geplanten israelischen Luftangriff zurückzuschlagen.
Die amerikanische Regierung hat sich nun offen zur Unterstützung eines israelischen Angriffs
auf Iran verpflichtet, wenn er unternommen wird. Insbesondere macht sie geltend, daß sie
Israel „bedingungslos“ verteidigen wird, falls es „angegriffen“ wird. Wie kann Israel
vermeiden, „angegriffen“ zu werden, wenn seine Flugzeuge Bomben und Raketen auf
iranische Einrichtungen regnen lassen, auf militärische Verteidigungs- und Nachschubsysteme, ganz abgesehen von iranischen Städten, Häfen und der strategischen Infrastruktur?
Darüber hinaus wird angesichts der engen Zusammenarbeit mit den israelischen Streitkräften
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(IDF) und der koordinierten Geheimdienstsysteme die Rolle des Pentagons bei der
Identifizierung von Zielen, Routen und anfliegenden Raketen sowie bei der Integration der
Waffen- und Versorgungsketten entscheidend sein für einen israelischen Angriff. Die USA
haben keine Möglichkeit, sich von dem Krieg des jüdischen Staates gegen Iran, sobald der
Angriff einmal begonnen hat, zu distanzieren.
Die Mythen vom „begrenzten“ Krieg: Geographie
Washington und Tel Aviv behaupten - und scheinen auch zu glauben -, dass ihr geplanter
Angriff auf Iran ein „begrenzter Krieg“ sein wird, mit einer begrenzten Zahl von Zielen und
einer Dauer von wenigen Tagen oder Wochen – ohne ernste Konsequenzen. Man erzählt uns,
dass Israels brillante Generäle alle wichtigen Nuklearanlagen identifiziert hätten, die sie durch
„chirurgische“ Luftschläge ohne horrende Kollateralschäden in der benachbarten
Bevölkerung zerstören würden. Sobald das vermutete „Nuklearwaffen“-Programm vernichtet
sei, könnten die Israelis ihr normales Leben in voller Sicherheit wieder aufnehmen im
Bewusstsein, dass eine weitere „existentielle“ Bedrohung abgewendet worden sei. Die
israelische Vorstellung von einem„in Zeit und Raum“ begrenzten Krieg ist absurd und
gefährlich – und unterstreicht nur die Arroganz, die Dummheit und den Rassismus ihrer
Urheber.
Wenn sie sich den iranischen Nuklearanlagen nähern, werden die israelischen und
amerikanischen Streitkräfte mit gut ausgerüsteten und verteidigten Stützpunkten,
Raketenstellungen, maritimen Verteidigungsanlagen und ausgedehnte Befestigungen
konfrontiert sein, die unter dem Kommando der Revolutionsgarden und iranischen Streitkräfte
stehen. Zusätzlich sind die Verteidigungssysteme, die die Nuklearanlagen schützen, verknüpft
durch zivile Fernstraßen, Flugplätze, Häfen und abgesichert durch eine duale (zivilmilitärische) Infrastruktur, die Ölraffinerien und ein riesiges Netzwerk von administrativen
Einrichtungen. Um die mutmaßlichen Nuklearanlagen auszuschalten, wird also die
geographische Ausweitung des Krieges erforderlich sein. Der wissenschaftlichtechnologische Umfang des zivilen iranischen Nuklearprogramms umfasst einen weiten
Bereich von Forschungseinrichtungen, einschließlich Universitäten, Laboratorien,
Fertigungsstätten und Entwicklungszentren. Um das zivile Nuklearprogramm Irans zu
zerstören, müsste Israel (und folglich die USA) also sehr viel mehr angreifen als bloß die
unter einem weit entfernten Berg versteckten Forschungseinrichtungen oder Laboratorien.
Dazu wären wiederholte, großflächige Angriffe auf Ziele im ganzen Land erforderlich – mit
anderen Worten: ein umfassender Krieg.
Irans oberster Führer, Ayatollah Ali Khamenei, hat erklärt, dass Iran „in äquivalenter Weise“
zurückschlagen wird. Iran wird jedem möglichen Angriff mit einem in Umfang und
Reichweite entsprechenden Vergeltungsschlag begegnen. „Wir werden sie auf derselben
Ebene angreifen, auf der sie uns angegriffen haben.“ Das bedeutet, Iran wird seinen
Gegenschlag nicht beschränken auf den bloßen Versuch, israelische und US-Bomber
abzuschießen oder Raketen auf US-Kriegsschiffe in seinen Gewässern abzufeuern, sondern
wird den Krieg zu entsprechenden Zielen in Israel und in amerikanisch besetzten Ländern
rund um den Golf tragen. Israels „begrenzter Krieg“ wird ein umfassender Krieg im
gesamten Mittleren Osten und darüber hinaus werden.
Israels gegenwärtiger illusionärer Fetisch, nämlich sein ausgefeiltes Raketenabwehrsystem,
wird entlarvt werden, wenn Hunderte leistungsstarker Raketen von Teheran, dem südlichen
Libanon und von jenseits der Golan-Höhen abgefeuert werden.
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Der Mythos vom begrenzten Krieg: der Zeitrahmen
Die israelischen Militärexperten vertrauen darauf, ihre iranischen Ziele innerhalb weniger
Tage wegfegen zu können – einige scheinen da an ein Wochenende denken -, und dies
vielleicht ohne den Verlust auch nur eines einzigen Piloten. Sie hegen die Erwartung, dass der
jüdische Staat seinen brillanten Sieg in den Straßen von Tel Aviv und Washington feiern
wird. Ihr Überlegenheitsgefühl gaukelt ihnen da etwas vor. Iran hat nicht einen brutalen, ein
knappes Jahrzehnt dauernden Krieg gegen die von den USA unterstützten irakischen
Invasoren und ihre westlich-israelischen Militärberater geführt, bloß um dann eine begrenzte
Zahl von israelischen Luftschlägen und Raketenangriffen untätig hinzunehmen. Iran ist eine
junge, gut ausgebildete, mobilisierte Gesellschaft, die auf Millionen von Reservisten,
Männern und Frauen aus dem gesamten politischen, ethnischen und religiösen Spektrum
zurückgreifen kann, die zur Unterstützung ihrer angegriffenen Nation nur zu bereit sein
werden. In einem Krieg zur Verteidigung des Heimatlandes verschwinden alle internen
Differenzen, um dem unprovozierten israelisch-amerikanischen Angriff zu begegnen, der
ihre gesamte Zivilisation bedroht - ihre fünftausend Jahre alte Kultur und Tradition, wie
auch ihre modernen wissenschaftlichen Errungenschaften und Einrichtungen. Die erste Welle
amerikanisch-israelischer Angriffe wird zu heftiger Gegenwehr führen, die weder auf die
ursprünglichen Konfliktgebiete begrenzt sein wird, noch wird ein solcher Akt israelischer
Aggression beendet sein, wenn und falls Irans Nuklearforschungseinrichtungen zerstört sind
und einige seiner Wissenschaftler, Techniker und hochspezialisierten Arbeitskräfte getötet
wurden. Der Krieg wird sich zeitlich hinziehen und geographisch ausweiten.
Mehrere Konfliktherde
So wie jeder US-israelische Angriff auf Iran sehr viele unterschiedliche Ziele einbeziehen
wird, wird auch das iranische Militär eine Fülle von leicht erreichbaren strategischen Zielen
haben. Obwohl es schwierig ist, genau vorauszusagen, wo und wie Iran zurückschlagen wird,
eine Sache ist klar: der anfängliche US-israelische Angriff wird nicht unbeantwortet bleiben.
Angesichts der israelisch-amerikanischen Überlegenheit bei Lang- und Mittelstreckenwaffen
zur See und in der Luft, wird Iran vermutlich Ziele im Kurzstreckenbereich ins Visier
nehmen. Diese würden die hochbewerteten US-Militäranlagen und Nachschublinien in
angrenzenden Gebieten einschließen (Irak, Kuwait und Afghanistan) sowie israelische Ziele,
die mit Raketen aus dem südlichen Libanon und möglicherweise aus Syrien angegriffen
würden. Falls nur einige der iranischen Langstreckenraketen die vielgepriesene „AntiRaketen-Kuppel“ des jüdischen Staates durchdringen würden, dürften israelische
Bevölkerungszentren einen hohen Preis für die Leichfertigkeit und Arroganz ihrer Führung
zahlen.
Der iranische Gegenschlag wird zu einer Eskalation durch die US-israelischen Streitkräfte
führen, die ihren Luft- und Seekrieg auf das gesamte iranische Sicherheitssystem ausweiten
werden – Militärbasen, Häfen, Kommunikationssysteme, Kommandoposten und
Verwaltungszentren - viele in dicht besiedelten Städten. Iran seinerseits wird mit seinem
bedeutendsten strategischen Aktivposten kontern: einer koordinierten Bodenoffensive der
Revolutionsgarden im Verbund mit ihren Alliierten unter den irakisch-schiitischen Truppen
gegen die (verbliebenen) US-Streitkräfte im Irak. Er wird Angriffe gegen US-Einrichtungen
in Afghanistan und Pakistan mit dem wachsenden nationalistisch-islamischen bewaffneten
Widerstand koordinieren.
Der anfängliche Konflikt, zunächst konzentriert auf sogenannte militärische Objekte
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(Forschungseinrichtungen) wird sich rasch auf ökonomische Ziele ausweiten, bzw. was USund israelische Militärstrategen „duale zivil-militärische“ Ziele nennen. Eingeschlossen wären
Ölfelder, Fernstraßen, Fabriken, Kommunikationsnetzwerke, Fernsehstationen, Wasseraufbereitungsanlagen und -speicher, Kraftwerke und Verwaltungszentren, wie das
Verteidigungsministerium und die Hauptquartiere der Revolutionsgarden. Iran würde
angesichts der unmittelbar bevorstehenden Zerstörung seiner gesamten Wirtschaft und
Infrastruktur (was im benachbarten Irak durch die unprovozierten US-Invasion von 2003
geschah) sich revanchieren mit der Blockade der Straße von Hormuz und mit Kurzstreckenraketen auf die wichtigsten Ölfelder und Raffinerien der Golf-Staaten, einschließlich Kuwait
und Saudi-Arabien – eine Distanz von gerade einmal 10 Minuten -, wodurch der Ölfluß nach
Europa, Asien und den Vereinigten Staaten unterbrochen und die Weltirtschaft in eine tiefe
Depression gestürzt würde.
Dabei sollte nicht übersehen werden, dass die Iraner sich vermutlich mehr als jeder andere in
der Region der totalen Verwüstung bewusst sind, die die Iraker nach der US-Invasion erlitten,
welche das Land ins totale Chaos stürzte sowie seine weit entwickelte Infrastruktur und den
zivilen Verwaltungsapparat zerschlug, ganz zu schweigen von der systematischen
Auslöschung seiner hochgebildeten wissenschaftlich-technischen Elite. Die durch den Mossad
organisierten Morde an iranischen Wissenschaftlern, Akademikern und Ingenieuren sind nur
der Vorgeschmack dessen, was die Israelis mit herausragenden iranischen Wissenschaftlern,
Intellektuellen und exzellent ausgebildeten Technikern vorhaben. Die Iraner dürften sich
keinerlei Illusionen über die Absicht der Amerikaner und Israelis machen, Iran ins brutale
finstere Mittelalter Afghanistans und Iraks zurückzuwerfen. Es wird ihnen keine andere Rolle
in einem zerstörten Iran zugestanden werden als ihren Kollegen im Irak nach Saddam.
Der US-General Mathis, der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im Nahen Osten,
dem Persischen Golf und Südwest-Asien, meinte, „ ein israelischer Erstschlag* hätte fatale
Folgen für die gesamte Region und für die Vereinigten Staaten vor Ort“ (New York Times
vom 19. 3. 2012). General Mathis’ Einschätzung der „fatalen Folgen“ berücksichtigt allerdings nur die militärischen Verluste von vermutlich mehreren Hundert [amerikanischer]
Soldaten auf Kriegsschiffen in Reichweite iranischer Raketen.
Die wahnwitzigste und ganz und gar selbstbezogene Einschätzung des Ergebnisses und der
Konsequenzen eines israelischen Luftschlags gegen Iran kommt allerdings von höchsten
israelischen Regierungsstellen, von Akademikern und Geheimdienstexperten, die eine
Überlegenheit der Intelligenz, des Verteidigungssystems und den genauesten (wenn auch
rassistischem) Einblick in die „iranische Denkweise“ für sich in Anspruch nehmen. Typisch
ist hier der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak, der damit auftrumpft, dass jede
denkbare iranische Vergeltung im schlimmsten Fall zu minimalen Verlusten in der
israelischen Bevölkerung führen würde.
Die „Israel-zentrierte“ Vorstellung einer Neuordnung der Kräfteverhältnisse in der Region,
die in führenden israelischen Militärkreisen vorherrscht, übersieht, dass der Krieg wahrscheinlich nicht durch israelische Luftschläge und Raketenschutzschilde entschieden wird.
Irans Raketen lassen sich nicht leicht abwehren, insbesondere wenn sie zu Hunderten pro
Minute aus drei Richtungen – Iran, Libanon, Syrien und möglicherweise von iranischen UBooten – kommen. Des weiteren wird der Kollaps der israelischen Ölimporte die hochgradig
energieabhängige Wirtschaft des Landes zu Grunde richten. Und drittens werden Israels
Hauptverbündete, vor allem die USA und Europa, im höchsten Maße durch die Verwicklung
in Israels Krieg belastet werden, der dazu führt, dass sie die Straße von Hormuz, ihre
Garnisonen in Irak und Afghanistan und ihre Ölfelder und Militärstützpunkte am Persischen
Golf verteidigen müssen. Ein derartiger Konflikt könnte zum Aufstand der schiitischen
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Bevölkerungsmehrheit in Bahrain und in den strategisch wichtigen, ölreichen Provinzen
Saudi-Arabiens führen. Der umfassende Krieg wird verheerende Auswirkungen auf den
Ölpreis und die Weltwirtschaft haben. Er wird die Wut der Verbraucher und den Zorn der
arbeitenden Bevölkerung überall hervorrufen, wenn Fabriken schließen und mächtige
Schockwellen im so fragilen Finanzsystem in einer Weltwirtschaftskrise enden.
Israels pathologischer „Überlegenheitskomplex“ hat zur Folge, dass seine rassistischen Führer
ihre eigenen intellektuellen, technischen und militärischen Fähigkeiten durchweg
überschätzen, während sie das Wissen, die Fähigkeiten und den Mut ihrer regionalen
islamischen (in diesem Fall iranischen) Gegner unterschätzen. Sie ignorieren Irans bewiesene
Fähigkeit, einen langen, komplexen, an vielen Fronten geführten Verteidigungskrieg
durchzustehen, sich von einem Erstschlag zu erholen, geeignete moderne Waffensysteme zu
entwickeln und seinen Angreifern schwere Schäden zuzufügen. Zudem Iran wird den
bedingungslosen und aktiven Rückhalt der muslimischen Bevölkerung weltweit haben,
vielleicht auch die diplomatische Rückendeckung durch Russland und China, die einen
Angriff auf Iran offenkundig als eine weitere Generalprobe zur Eindämmung ihrer
wachsenden Macht betrachten werden.
Fazit
Ein Krieg, insbesondere ein israelisch-amerikanischer Krieg gegen Iran ist unauflöslich
verknüpft mit der asymmetrischen Beziehung zwischen den USA und Israel, die jede kritische
militärische und politische Analyse in den Vereinigten Staaten ins Abseits drängt und
zensiert. Da die Vertreter von Israels zionistischer Machtkbasis in den USA gegenwärtig die
US-Militärmacht zur Unterstützung von Israels Streben nach regionaler Dominanz einspannen
können, fühlen sich die politischen Führer und die meisten Militärs in Israel frei, sich in die
gewagtesten destruktiven militärischen Abenteuer zu stürzen in der felsenfesten Überzeugung, dass sie sich von Anfang an und bis zum Schluß auf die USA verlassen können, die sie
mit amerikanischem Blut und Geld unterstützen werden. Aber angesichts dieser grotesken
[amerikanischen] Willfährigkeit gegenüber einem rassistischen, isolierten Land – wer wird
den Vereinigten Staaten zu Hilfe eilen? Wer wird die Versenkung ihrer Schiffe im Persischen
Golf und den Tod und die Verstümmelung von Hunderten seiner Matrosen und Tausenden
seiner Soldaten verhindern? Und wo werden die Israelis und die Zionisten sein, wenn Irak von
iranischen Elitetruppen und ihren irakisch-schiitischen Bundesgenossen überrannt wird und es
zu einem allgemeinen Aufstand in Afghanistan kommt?
Die selbstbezogenen israelischen Politiker übersehen den wahrscheinlichen Kollaps der
Weltölversorgung als Folge ihres geplanten Krieges gegen Iran. Realisieren ihre zionistischen
Agenten in den USA, dass - nachdem die USA in Israels Krieg hineingezogen wurden – die
iranische Nation gezwungen sein wird, die Ölfelder am Persischen Golf in Flammen zu
setzen?
Wie billig ist es geworden, in den USA „einen Krieg zu kaufen“? Für ein paar Millionen
Dollar Wahlkampfunterstützung korrupter Politiker und aufgrund der wohlüberlegten Unterwanderung der Kriegsmaschinerie der US-Regierung durch „Israel zuerst“-Agenten, Akademiker und –Politiker und wegen der moralischen Feigheit und Selbstzensur führender
Kritiker, Publizisten und Journalisten, die sich weigern, Israel und seine Agenten als die
ausschlaggebenden Entscheidungsträger in der Nahost-Politik unseres Landes zu benennen,
steuern wir geradewegs auf einen Krieg weit jenseits jeden regionalen militärischen
Flächenbrands zu, auf den Zusammenbruch der Weltwirtschaft und die brutale Verarmung
von Hunderten von Millionen Menschen in Nord und Süd, in Ost und West.
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* General Mathis verwendet hier - genau wie Günter Grass in seinem Gedicht „Was gesagt
werden muss“ - den Begriff „Erstschlag“ (first strike) in einem nicht-nuklearen Sinne!
Übersetzt von Jürgen Jung
Lektoriert von Eckhard Lenner
Englisches Original unter:
http://mycatbirdseat.com/2012/04/us-israel-war-on-iran-the-myth-of-limited-warfare/generalmattis-afp-94-3/
James Petras (* 17.
Januar 1937 in Boston, Massachusetts) ist ein
emeritierter Professor für Soziologie der Saint Mary's University in
Halifax (Nova Scotia), Kanada. Er publiziert über politische Fragen
Lateinamerikas und des Mittleren Ostens. Petras promovierte an der University
of California in Berkeley. 1972 trat er in das Soziologie-Department der
Binghamton University (New York) ein. 1982–1984 war er Direktor des
Instituts für mediterrane Studien in Athen. Petras ist Autor von 62 Büchern, die in
29 Sprachen, übersetzt wurden, sowie von 600 Fachartikeln und 2000 Presseartikeln
und beschreibt sich selbst als „revolutionären und anti-imperialistischen Aktivisten und
Autor“. Er arbeitete für die brasilianische Landlosen-Bewegung MST und war 1973-76
Mitglied des Russell-Tribunals zu Repression in Latin America.
SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V.
www.salamshalom-ev.de
[email protected]
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