1 Offener Brief an Reinhold Robbe, Präsident der DIG, als Antwort auf seinen Offenen Brief an Dr. Ulrich Bleyer, Direktor der URANIA, betreffend das geplante »Symposium & Podiumsdiskussion ‚Palästina – Frieden auf Basis von Gerechtigkeit‘ der Kulturabteilung der Botschaft der Iranischen Republik« – in der Diktion der Deutsch-Israelischen Gesellschaft: »DIG fordert Absage einer iranischen ‚Propagandaveranstaltung‘« vom 9. August 2013. Sehr geehrter Herr Robbe, mit Erschrecken habe ich verfolgt, auf welche Weise das Symposium »Palästina – Frieden auf Basis von Gerechtigkeit« unmöglich gemacht werden sollte. Ihr diesbezügliches Schreiben an den Direktor der URANIA, Dr. Ulrich Bleyer, kann ich nicht unwidersprochen lassen. Sie sind »erst«, wie Sie im 1. Absatz schreiben, durch den »öffentlichen Brief von Michael Spaney«, dem Vorsitzenden der Initiative »mideast-freedom-forum« auf die Veranstaltung aufmerksam geworden. Sie erwähnen die drei anderen Autoren des Briefes – Ulrike Becker, Andreas Benl und Jörg Rensmann – leider nicht. Auch nicht, dass die vier ihr Elaborat unter dem Titel »Zum Gangbang in die Urania« auf der Seite der maßgeblich ja von Henryk M. Broder betriebenen Seite »Die Achse des Guten« publiziert haben. (http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/zum_gangbang_in_die_urania) Jede Leserin und jeder Leser wird sich auf ein derart hasserfülltes Machwerk, das ja gleichfalls an und auf den Direktor der URANIA gerichtet ist, seinen Vers machen, auch auf die dort angehängten unsäglich dummen Diffamierungen der Referentinnen und Referenten des Symposiums. Ich staune nur, auf welch erbärmliches Niveau Sie, Herr Robbe, zugreifen, wenn Sie die »wensentlichen (sic!) Kritikpunkte« im 2. Absatz »inhaltlich in jeder Hinsicht« teilen. Ich frage mich auch, ob Sie in Ihrer Funktion tatsächlich für die Feststellung berufen sind, wann das »gute Ansehen der Berliner ‚Urania‘« Schaden nimmt. Sie sagen im 3. Absatz, dass Sie als Präsident der DIG »täglich mit den Auswirkungen des Regimes in Teheran konfrontiert« werden, ein Satz, der alles heißen kann und nichts. Also nichts! Sie behaupten im selben Absatz nicht nur das »konsequente(n) Festhalten(s) des Iran am Bau der Atombombe«, sondern suggerieren zugleich – ein Abwasch, nicht wahr? –, dass daran der Wechsel zum neuen iranischen Präsidenten »offensichtlich« »überhaupt nichts« ändere. Also: Rohani bleibt Ahmadinedschad. Und Sie »beweisen« das ja auch flugs durch ein angebliches Zitat von Präsident Hassan Rohani. Bevor ich aber auf dieses Zitat komme, erlaube ich mir, gleichsam als Illustration zum Text, ein paar knappe Bemerkungen vorzuschalten: Ob Iran am Bau der Atombombe tatsächlich ‚konsequent festhält‘ oder ob Sie das bloß glauben wollen sind zwei verschiedene Dinge. So wäre es doch nichts weniger als redlich, wenn Sie Ihre persönlichen Mutmaßungen als solche auch deutlich kennzeichnen würden! Wenn Sie sich die Mühe zur Pflicht machen wollen, werden Sie etwa in Zeitungsarchiven u.a. vergleichsweise leicht herausfinden, dass mindestens seit 1995 mit Regelmäßigkeit in den westlichen Medien mit Nachdruck behauptet wird, spätestens in 5, 4, 3, 2 Jahren oder einem hätte der Iran die Atombombe; manchmal auch schon in wenigen Monaten. Nichts davon hat 2 bis heute belegt werden können, und es ist noch nicht lange her, dass z.B. alle amerikanischen Geheimdienste festgestellt haben, es sei nichts dran an der Bombe. (Iranische Dementis gelten hierzulande ohnehin nicht – die da, so einfach ist das, lügen sowieso, nicht wahr?) Da Iran auf die »Achse des Bösen« genagelt wurde und folglich böse ist, muss die Propaganda um jeden Preis aufrecht erhalten und stets erneuert werden: Implementierte Angst macht ‚das Volk‘ auch bei uns allemal leichter geneigt, Krieg zu akzeptieren, dem vor allem Israel, wie mühelos über viele Jahre zu belegen ist, aggressiv entgegenfiebert – ein Land übrigens, das vor Atombomben strotzt, die man selbstverständlich auf den deutschen UBooten installieren kann. Die Lieferung der deutschen U-Boote haben z.B. Sie, Herr Robbe, ja befürwortet und gefordert. Unter »http://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/bund/imfokus/showme/angenommene-antraege« heißt es dazu: »U-Boote für Israel Israel wird in seiner Existenz bedroht. Die Sicherung seiner Existenz ist deutsche Staatsräson. Israel benötigt wie kein anderes Land die Zweitschlagfähigkeit zur Abschreckung. Deswegen sagen wir Ja zur Lieferung von U-Booten an Israel. Sie gleichen die fehlende strategische Tiefe des schmalen Landes aus. Wir weisen jeden Versuch zurück, die Lieferung der U-Boote mit erpresserischen Forderungen an Israel zu verbinden.« Hatten Sie wahrgenommen, dass der vormalige israelische Kriegsminister Ehud Barak Anfang vorigen Jahres noch vorgerechnet hatte, dass ein israelischer Krieg gegen Iran bloß etwa 500 israelische Menschenleben kosten würde? – Die Rechnung für iranische Menschen hatte er dabei jedenfalls nicht aufgemacht. Wenn Sie sich ansehen, wie viele amerikanische Militärbasen – und Stützpunkte in sämtlichen angrenzenden Ländern den Iran eingezingelt haben, wobei sie Saudi-Arabien, die Öl-Ländchen am Persischen Golf und Israel noch hinzurechnen müssen, dann müsste auch Ihnen auffallen, welche »Bedrohung« der Iran tatsächlich darstellt. Was uns dazu in den Medien hier permanent weisgemacht wird, ist so dumpf und primitiv, dass man es kaum noch beschreiben kann. Vielleicht wissen Sie ja auch um diese Zusammenhänge. Sollte das so sein, dann allerdings bliebe die Frage, wessen Geschäft Sie eigentlich betreiben. Ich komme zurück auf Ihren Brief, auf das Ende des 3. Absatzes und auf den 4. Absatz: Sie zitieren »tagesschau.de« vom 2. August 2013, es habe Hassan Rohani erklärt: "Die islamische Welt muss gegenüber dem zionistischen Regime Einheit zeigen, da dieses Regime eine alte Wunde ist, die seit Jahren in ihrem Körper steckt und beseitigt werden muss." Ich verweise zur Korrektur dieser Falschmeldung, die Sie bis zu Ihrem Brief an Dr. Bleyer hätten problemlos nachprüfen können und müssen, auf drei Zeitungsartikel: a) vom 2.8.2013 den Artikel im »Guardian«, http://www.theguardian.com/world/iranblog/2013/aug/02/iran-rouhani-misquoted-on-israel?INTCMP=SRCH, b) zum selben Datum von »Pess tv« eine entsprechende Mitteilung, c) den entsprechenden Artikel in der »Süddeutschen Zeitung«, ebenfalls vom 2. August. Mit Ihrem Zitat setzen unter anderen auch Sie suggestiv die hierzulande seit 2005 bis heute wider besseres Wissen verbreitete Kriegspropagandalüge fort, es hätte der damalige 3 Ahmadinedschad davon geredet, Israel müsse ‚von der Landkarte getilgt‘ oder ‚weggewischt‘, also der Staat Israel ‚vernichtet‘ werden. Sie finden dazu unter der Internetseite von Immanuel Steinberg (http://www.steinbergrecherche.com/), dass in Deutschland nach der ersten Richtigstellung in der Süddeutschen Zeitung, zum Beispiel das Nachrichtenmagazin Spiegel, die Deutsche Presse-Agentur (dpa) das Zweite Deutsche Fernsehen und andere von den zuvor kolportierten Falschübersetzungen sich ausdrücklich distanziert haben. Da aber schließlich nicht sein kann, was nicht sein darf, und damit die genannte bösartige Unterstellung um jeden Preis am Leben gehalten wird, geben sich leider nicht wenige diesem ekelhaften Geschäft hin, die Unwahrheit permanent zu wiederholen; die lückenlose Übertragung auf den neuen iranischen Präsidenten passt dabei prima ins Konzept. Nachdem Sie – es sei dahingestellt ob unwissentlich oder wissentlich – im Brief an den Direktor der Urania mit Unwahrheit aufwarten, fügen Sie Ihren 5. Absatz gleichsam als eine Art ‚Schlussfolgerung‘ mit zwingender Verknüpfung an: »Dieser Satz, sehr geehrter Herr Dr. Bleyer, erinnert mich persönlich an die unsäglichste Epoche in unserer deutschen Geschite (sic!). Dieser Satz spricht für sich und bedarf eigentlich keiner Interpretation.« Solches bedarf in der Tat keiner »Interpretation«, aber sehr wohl nüchterner Betrachtung. Sie benutzen nämlich die Unwahrheit – und dabei schwingen die Drohgebärde und das unausgesprochene Verdikt des ‚Antisemitismus‘ ja überdeutlich mit –, um den Angesprochenen an den Rand der widerlichsten Ecke der deutschen Geschichte zu stoßen. Was Sie hier tun, halte ich für schamlos und nichts weniger als infam. Ihre sogleich anschließende, im 6. Absatz niedergelegte Aufforderung, der Adressat Ihres Schreibens solle dafür sorgen »dass die Glaubwürdigkeit und die Integrität der Berliner „Urania“ nicht beschädigt wird« und Ihre Aufforderung: » Demonstrieren Sie bitte Ihre Unabhängigkeit und Ihr eindeutiges Demokratieverständnis durch eine umgehende Absage der besagten Veranstaltung« zeugen für mich von einem unglaublichen Hochmut und einer Einbildung von gesellschaftlicher Macht, welche Sie möglicherweise bereits blind gemacht hat gegenüber anderen, denen Sie Ihre Sichtweise aufzwingen wollen. Artikel 5 unseres Grundgesetzes erscheint bei Ihnen bereits außer Kraft gesetzt Was Sie mit Ihrem Brief vorgeführt haben, hat mit Demokratie nichts zu tun. Sie haben kraft Ihrer Funktion und Ihrem Verein im Rücken gegenüber einer honorigen Berliner Institution, der URANIA, bloß unverhüllt sozusagen Ihre »Muskeln spielen lassen«. Dass sich der Direktor Bleyer und offenbar sein gesamter Vorstand dem so willfährig gebeugt hat, das müssen diese Leute – das bleibt ihnen nicht erspart – vor ihrem demokratischen Gewissen selbst verantworten. Ich möchte Sie abschließend auf die Seite Ihrer Deutsch-Israelischen Gesellschaft führen, und zwar zu »Junges Forum«. (http://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/junges-forum/imfokus/showme/aufruf-gegen-den-al-quds-tag-2013) Da finden Sie den »Aufruf gegen den Al-Quds-Tag 2013«, wo es heißt: 4 »Auch in diesem Jahr ist das Junge Forum Teil des antifaschistischen Bündnisses gegen den Al-Quds-Tag. Hier findet ihr den Aufruf unseres Bündnisses«: (...) »Deshalb fordern wir: Gemeinsam gegen Antisemitismus! Nieder mit den Regimen in Iran und Syrien!« Ich habe keine Einwände gegen einen Aufruf »Gemeinsam gegen Antisemitismus!«, während hier allerdings der angeschlossene Aufruf »Nieder mit den Regimen in Iran und Syrien!« nun tatsächlich kein Übersetzungs- oder Lesefehler ist. Ich habe den Eindruck, dass die tatsächlichen Dimensionen Ihres Briefes Ihnen entgangen sind, sollte aktuell doch wohl nur rasch einmal erreicht werden, das Symposium mit allen Mitteln zu verhindern. Was Sie womöglich nicht überblicken ist, dass es außerhalb Ihres Einflussbereiches genügend Menschen gibt, die ein Verständnis nicht nur für Israel und seine Menschen, sondern nicht minder für die Palästinenser haben – denn auch die gibt es ja in Wirklichkeit! Sie übersehen auch gar nicht, wie viele Menschen es gibt, die selbstständig zu denken gelernt haben und die in einem Symposium wie dem geplanten sich sehr gut ohne Ihre propagandistische Anleitung zurechtfinden und ihre eigenen Schlüsse ziehen können. Das anzuerkennen – auch wenn es Ihren persönlichen Meinungen zuwider läuft – hätte schon eher mit Demokratie zu tun. Mit freundlichen Grüßen Heinz-Peter Seidel