Die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich

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Die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich
Quellenübersicht
Q. 1: Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. Jan. 1963
Q. 2: Kritik der sozialistischen Parteien der EWG am dt.-frz. Vertrag
Q. 3: Rückzug Frankreichs aus der NATO: Note vom 11. März 1966
Q. 4: Deutsches Memorandum an die französische Regierung vom 3. Mai 1966
Bundeskanzler Konrad Adenauer und Staatspräsident Charles de Gaulle umarmen sich
nach der Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrages am 22. Januar 1963.
Q. 1: Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. Jan. 1963
a) Die Erklärung zum Vertrag
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Konrad Adenauer, und der
Präsident der Französischen Republik, General de Gaulle, haben sich zum Abschluss
der Konferenz vom 21. und 22. Januar 1963 in Paris (...) in der Überzeugung, dass die
Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk, die eine
jahrhundertealte Rivalität beendet, ein geschichtliches Ereignis darstellt, das das
Verhältnis der beiden Völker zueinander von Grund auf neu gestaltet, in dem
Bewusstsein, dass eine enge Solidarität die beiden Völker sowohl hinsichtlich ihrer
Sicherheit als auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung
miteinander verbindet – angesichts der Tatsache, dass insbesondere die Jugend sich
dieser Solidarität bewusst geworden ist und dass ihr eine entscheidende Rolle bei der
Festigung der deutsch-französischen Freundschaft zukommt – in der Erkenntnis, dass
die
Verstärkung
der
Zusammenarbeit
zwischen
den
beiden
Ländern
einen
unerlässlichen Schritt auf dem Wege zu dem vereinigten Europa bedeutet, welches Ziel
beider Völker ist, mit der Organisation und den Grundsätzen der Zusammenarbeit
zwischen den beiden Staaten, wie sie in dem heute unterzeichneten Vertrag
niedergelegt sind, einverstanden erklärt.
Geschehen zu Paris, am 22. Januar 1963 in zwei Urschriften in deutscher und
französischer Sprache.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Der Präsident der Französischen Republik.
b) Die Präambel vom 16. Mai 1963:
In der Überzeugung, dass der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Französischen Republik vom 22. Januar 1963 die Aussöhnung und Freundschaft
zwischen dem deutschen und dem französischen Volk vertiefen und ausgestalten wird,
- mit der Feststellung, dass durch diesen Vertrag die Rechte und Pflichten aus den von
der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen multilateralen Verträgen unberührt
bleiben – mit dem Willen, durch die Anwendung dieses Vertrages die großen Ziele zu
fördern, die die Bundesrepublik Deutschland in Gemeinschaft mit den anderen ihr
verbündeten Staaten seit Jahren anstrebt und die ihre Politik bestimmen, nämlich – die
Erhaltung und Festigung des Zusammenschlusses der freien Völker, insbesondere
einer engen Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika
– die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts für das deutsche Volk und die
Wiederherstellung der deutschen Einheit – die gemeinsame Verteidigung im Rahmen
des nordatlantischen Bündnisses und die Integrierung der Streitkräfte der in diesem
Bündnis zusammengeschlossenen Staaten – die Einigung Europas auf dem durch die
Schaffung der europäischen Gemeinschaften begonnenen Wege unter Einbeziehung
Großbritanniens und anderer zum Beitritt gewillter Staaten und die weitere Stärkung
dieser Gemeinschaften – den Abbau der Handelsschranken durch die Verhandlungen
zwischen
der
Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft,
Großbritannien
und
den
Vereinigten Staaten sowie anderer Staaten im Rahmen des „allgemeinen Zoll- und
Handelsabkommens“ – in dem Bewusstsein, dass eine deutsch-französische
Zusammenarbeit, die sich von diesen Zielen leiten lässt, allen Völkern Nutzen bringen,
dem Frieden in der Welt dienen und dadurch zugleich dem deutschen und dem
französischen Volke zum Wohle gereichen wird – hat der Bundestag das folgende
Gesetz beschlossen: ...
(in: Geschichte in Quellen - Die Welt seit 1945 -, bearbeitet von Helmut Krause und Karlheinz Reif, Bayerischer Schulbuch-Verlag,
München 1980, S. 368).
Aufgaben:
1. Welches große Ziel steht über der deutsch-französischen
Aussöhnung?
2. Warum hat der Bundestag dem deutsch-französischen Vertrag die
Präambel vom 16. Mai 1963 vorangesetzt?
Q. 2: Kritik der sozialistischen Parteien der EWG am dt-frz. Vertrag (14. März 1963)
1. Jedes Ziel des deutsch-französischen Vertrages hätte wirkungsvoller im Rahmen
und mit den Methoden der umfassenden Europäischen Gemeinschaft erreicht
werden können.
2. In seiner zur Zeit vorliegenden Fassung aber erschüttert dieser Vertrag das
Vertrauen zwischen den Partnern der Europäischen Gemeinschaft. Er erweckt in
den andern Partnerstaaten den Verdacht, dass er den Willen zur Errichtung einer
Hegemonie beinhaltet und infolgedessen zur Sprengung der europäischen
Solidarität führen könnte.
3. Er gefährdet den Mechanismus der Mehrheitsbildung im Rahmen der Europäischen
Gemeinschaft durch die vorherige Verständigung von zwei Regierungen über
Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft gehören. Die in dem
deutsch-französischen Vertrag vorgesehene Prozedur der Vorabsprachen beinhaltet
die Gefahr, dass das Funktionieren der Europäischen Gemeinschaft blockiert wird.
4. Seine von der überholten Vorstellung völlig souveräner Staaten beherrschten
Methoden sind ein Rückfall in die Allianzgepflogenheiten, deren Gefährlichkeit zwei
Weltkriege bewiesen. Auf keinen Fall stellt dieser Vertrag einen weiteren Beitrag zur
Errichtung der Vereinigten Staaten von Europa dar.
5. Zuständigkeiten, welche die Verträge von Rom und Paris gemeinsamen Organen
übertragen haben, werden durch den deutsch-französischen Vertrag erneut in den
Zuständigkeitsbereich in ihrer Wirksamkeit beschränkter Regierungskonferenzen
verlegt.
6. Der deutsch-französische Vertrag schwächt zwangsläufig das gegenseitige
Vertrauen der NATO-Partner und damit die Sicherheit Europas.
(in: Geschichte in Quellen - Die Welt seit 1945 -, bearbeitet von Helmut Krause und Karlheinz Reif, Bayerischer Schulbuch-Verlag,
München 1980, S. 369).
Aufgaben:
1. Was kritisieren diese Parteien am deutsch-französischen Vertrag?
2. Hat der deutsch-französische Vertrag die europäische Einigung bis
heute gefördert oder verlangsamt?
Q. 3: Rückzug Frankreichs aus der NATO: Note vom 11. März 1966
(...) Die französische Regierung hat seit Jahren bei zahlreichen Gelegenheiten öffentlich
und bei Gesprächen mit den verbündeten Regierungen ihre Ansicht zu erkennen
gegeben, dass die Organisation des Nordatlantikpaktes, was Frankreich betrifft, nicht
mehr den Bedingungen entspricht, die in der Welt zur Zeit herrschen und
grundverschieden sind von denen des Jahres 1949 und der folgenden Jahre. In der Tat
hat sich die Natur der Drohungen, die auf der westlichen Welt besonders in Europa
lasteten und den Abschluss des Vertrages begründet hatten, geändert. Sie haben nicht
mehr den unmittelbaren und drohenden Charakter, den sie einst hatten. Auf der
anderen Seite haben die europäischen Länder ihre Wirtschaft wieder aufgerichtet und
sind dadurch wieder handlungsfähig geworden. Im besonderen stattet sich Frankreich
mit einer Atombewaffnung aus, deren Natur selbst es ausschließt, dass es integriert ist.
Ferner hat das nukleare Gleichgewicht zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten
Staaten, das an die Stelle ihres früheren Monopols tritt, die allgemeinen Bedingungen
der Verteidigung des Westens verändert. Schließlich ist es eine Tatsache, dass Europa
nicht mehr der Brennpunkt der internationalen Krisen ist. Dieser hat sich anderswohin
verlagert, besonders nach Asien, wo die Länder der Atlantischen Allianz in ihrer
Gesamtheit selbstverständlich ganz offensichtlich nicht betroffen sind.
Diese Entwicklung veranlasst jedoch die französische Regierung keineswegs, den am
4. April 1949 in Washington unterzeichneten Vertrag in Frage zu stellen. Zweifellos
hätte man sich vorstellen können, dass Verhandlungen eingeleitet werden, um im
gemeinsamen
Einvernehmen
die
geltenden
Bestimmungen
abzuändern.
Die
französische Regierung wäre glücklich gewesen, dies vorzuschlagen, wenn sie Gründe
zu der Annahme gehabt hätte, dass solche Verhandlungen zu dem ihr vorschwebenden
Ergebnis führen würden. Alles deutet unglücklicherweise darauf hin, dass ein solches
Unterfangen zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, da die Partner Frankreichs
sämtlich vermeintliche oder erklärte Anhänger der Aufrechterhaltung des Statur quo,
wenn nicht gar der Verstärkung von allem zu sein scheinen, was vom französischen
Standpunkt aus künftig untragbar erscheint.
Die französische Regierung hat bereits in der Vergangenheit Maßnahmen für ihre der
NATO zugeordneten Seestreitkräfte getroffen, sei es im Mittelmeer oder im Atlantik. Es
handelt sich jetzt um die in Deutschland stationierten Land- und Luftstreitkräfte, die dem
alliierten Oberkommando in Europa unterstellt sind. Frankreich beabsichtigt, diese
Unterstellung zu beenden. Diese Entscheidung wird seinen gleichzeitigen Rückzug aus
den beiden integrierten Kommandos, von denen diese Streitkräfte abhängen und an
denen es im Namen der NATO teilnimmt, nämlich dem Oberkommando der alliierten
Streitkräfte in Europa und dem Kommando Europa-Mitte, zur Folge haben und damit
auch die Verlegung der Hauptquartiere dieser beiden Kommandos außerhalb des
französischen Staatsgebietes. (...)
(in: Geschichte in Quellen - Die Welt seit 1945 -, bearbeitet von Helmut Krause und Karlheinz Reif, Bayerischer Schulbuch-Verlag,
München 1980, S. 387)
Aufgaben:
1. Welche Argumente führt Frankreich für seine Distanz zur NATO an?
2. Nimm Stellung zur Einschätzung der politischen Lage durch
Frankreich im Jahre 1966!
Q. 4: Deutsches Memorandum an die französische Regierung vom 3. Mai 1966
Die deutsche Regierung ist der Ansicht, dass die Bedrohung der westlichen Welt und
insbesondere Europas nicht aufgehört hat.
Die deutsche Regierung hat mit Befriedigung von der Erklärung der französischen
Regierung Kenntnis genommen, an dem Bündnis auch über das Jahr 1969 hinaus
festhalten zu wollen. Nach Auffassung der deutschen Regierung kann der militärische
Auftrag der verbündeten Streitkräfte in Deutschland nur darin bestehen, im Rahmen der
gemeinsamen Verteidigung die Unversehrtheit des Gebietes der Allianz durch eine
glaubhafte Abschreckung zu gewährleisten.
Es macht einen entscheidenden Unterschied, ob die im Bundesgebiet stationierten
ausländischen Streitkräfte einem gemeinsamen Oberbefehl unterstellt sind, an dem die
Bundesrepublik Deutschland in angemessener Weise beteiligt ist, oder ob diese
Streitkräfte ausschließlich dem nationalen Oberbefehl ihres Heimatstaates unterstehen.
Es ist der Wunsch der deutschen Regierung, mit der französischen Regierung neue
Vereinbarungen zu treffen, welche das Verbleiben der französischen Streitkräfte im
Bundesgebiet ermöglichen, sofern für die militärischen Aufgaben dieser Streitkräfte und
ihre Funktionen im Rahmen der gemeinsamen Verteidigung eine befriedigende
Regelung gefunden wird. Die neuen Vereinbarungen müssten auf den Grundsätzen der
Gleichberechtigung und der Gegenseitigkeit beruhen und der Hoheitsgewalt des
Aufnahmestaates Rechnung tragen.
(in: Geschichte in Quellen - Die Welt seit 1945 -, bearbeitet von Helmut Krause und Karlheinz Reif, Bayerischer Schulbuch-Verlag,
München 1980, S. 388).
Aufgaben:
1. Welche Unterschiede gibt es in der Einschätzung der Weltlage durch
Deutschland und Frankreich im Jahre 1966?
2. Warum ist die Bundesregierung am Verbleiben der französischen
Streitkräfte auf deutschem Boden interessiert?
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