Deutsch-französische Beziehungen seit 1945

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Deutsch-französische Beziehungen seit 1945
Die heute guten deutsch-französischen Beziehungen sind das Ergebnis der Aussöhnung zwischen
Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg.
In den Jahrhunderten zuvor gab es mehrere (teils jahrzehntelange) Phasen, in denen diese
Beziehungen versteckt oder offen feindselig waren. In diesem Zusammenhang wurde und wird oft der
Begriff Deutsch-französische Erbfeindschaft verwendet.
1) Geschichte
Das deutsch-französische Verhältnis war jahrhundertelang durch die Deutsch-französische
Erbfeindschaft geprägt.
1789 begann die Französische Revolution. 1794 besetzten französische Truppen das linke Rheinufer
(„Franzosenzeit“). Im Frieden von Tilsit wurden im Juli 1807 Napoleon Bonaparte und der russische
Zar Alexander I. Verbündete. 1809 kam es zum Krieg zwischen Frankreich und Österreich (Fünfter
Koalitionskrieg). Gleichzeitig kam es zu Aufständen in Tirol, in Preußen und im Königreich
Westphalen. Als Verbündeter Frankreichs griff Russland in Österreichs Feldzug gegen das Herzogtum
Warschau ein. Die russische Armee führte aber nur einen Scheinfeldzug, in dem es zu keinem Kampf
mit den Österreichern kam. Auch zu Preußen, mit dem Russland bis 1807 verbündet war, bestanden
weiter gute Kontakte. Ende 1810 annektierte Frankreich das Herzogtum Oldenburg und griff damit
einen angeheirateten Verwandten des Zaren an.1811 begannen Frankreich und Russland mit den
Vorbereitungen für einen Krieg. Ende Juni 1812 überschritt die Grande Armée die Memel. Der
Russlandfeldzug 1812 endete für Frankreich in einem Desaster.
Dann begannen die Befreiungskriege, die Napoléons Herrschaft über große Teile Europas
beendeten. Anfang 1813 kündigte Preußen als erstes deutsches Land die Allianz mit Frankreich auf
und verbündete sich mit Russland und Schweden. Im Sommer trat Österreich diesem Bündnis bei,
das Napoléons Armee vom 16. bis 19. Oktober 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig entscheidend
besiegte. Die letzten deutschen Verbündeten Napoléons wechselten nun die Seiten. Nach dem
Einmarsch der Alliierten in Frankreich sah Napoleon sich im März 1814 gezwungen, abzudanken und
auf die Insel Elba ins Exil zu gehen. Nach seiner Rückkehr und der Herrschaft der 100 Tage wurde er
in der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 endgültig besiegt.
Unterdessen hatten sich die Sieger auf dem Wiener Kongress bereits an die Neuordnung Europas
gemacht, die Russland, Österreich und Preußen durch die Gründung der Heiligen Allianz zu
garantieren gedachten. In Frankreich, das die Grenzen von 1792 erhielt, kehrten mit Ludwig XVIII. die
Bourbonen auf den Thron zurück. Durch die Februarrevolution 1848 wurden die Bourbonen
endgültig gestürzt. Präsident der Zweiten Republik wurde Louis Napoléon. 1852 ernannte er sich zum
Kaiser Napoleon III. (Zweites Kaiserreich 1852–70). Er trieb Prestigepolitik und erwarb weitere
Kolonien in Nord- und Mittelafrika, Madagaskar und Indochina. Nach der Niederlage im DeutschFranzösischen Krieg (1870/71) wurde er abgesetzt und machte der Dritten Republik Platz.
Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/1871 verbreitete sich in Frankreich ein Revanchismus
gegen die Sieger (diese hatten 1871 im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich
gegründet).
In Europa bildeten sich nach 1871 zwei Machtblöcke: auf der einen Seite der Dreibund, auf der
anderen Seite die Triple-Entente aus Frankreich, Großbritannien und Russland. Diese Konstellation
führte zum Ersten Weltkrieg (1914–18). Am Ende stand Frankreich auf der Seite der Sieger. Deutsche
und französische Truppen kämpften auf den Schlachtfeldern Flanderns erbittert; es gab auf beiden
Seiten Millionen Tote. Anfang 1917 verwüsteten deutsche Truppen im Rahmen eines taktischen
Rückzugs zur Frontverkürzung (Unternehmen Alberich) etwa 200 französische Orte und deportierten
100.000 Franzosen.
Im Westfeldzug (10. Mai bis 22. Juni 1940) errang die Wehrmacht einen unerwartet schnellen Sieg
über Frankreich.
Nach der Kapitulation des Deutschen Reichs im Mai 1945 gab es zunächst drei Besatzungszonen;
gemäß Berliner Erklärung vom 5. Juli 1945 übernahmen die Franzosen Gebiete von den britischen
und amerikanischen Alliierten (Französische Besatzungszone).
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Seit der Europa-Erklärung von Jean Monnet und Robert Schuman am 9. Mai 1950 sind Frankreich
und Deutschland treibende Kräfte der europäischen Integration.
Vertrauensbildenden Maßnahmen in der EGKS (ab 1952) und
den Europäischen Gemeinschaften (ab 1958) und andere
Faktoren führten schließlich zum Élysée-Vertrag vom 22.
Januar 1963, der die guten Beziehungen und die
„Freundschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich
institutionalisierte. Die politische Ausgestaltung des
Vertrages sieht regelmäßige Konsultationen der deutschen
und französischen Regierung vor.
Seit dem Beginn der deutsch-französischen Kooperation, die
von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle angestoßen
wurde, haben sich jeweils „Paare“ aus den Staats- bzw.
Regierungschefs der beiden Länder gebildet, die zum Teil
große Fortschritte für Europa sowie die deutschfranzösischen Beziehungen durchgesetzt haben.
Da die Kontakte zwischen dem Kanzler Ludwig Erhard (1963–1966) bzw. Kurt Georg Kiesinger (1966–
1969) und Präsident de Gaulle (1958–1969) sowie zwischen Kanzler Willy Brandt (1969–1974) und
dem französischen Präsidenten Georges Pompidou (1969–1974) eher frostig blieben, beschränkte
sich die Zusammenarbeit hauptsächlich auf schulpolitische Maßnahmen.
Mit dem Amtsantritt von Helmut Schmidt (1974–1982) und Valéry Giscard d’Estaing (1974–1981) im
Jahr 1974 wurden die deutsch-französischen Beziehungen wieder herzlicher und produktiver:
Zusammen regten die beiden die Bildung des Europäischen Währungssystems sowie die Direktwahl
des Europäischen Parlaments 1979 an.
Ähnlich verhielt es sich bei Helmut Kohl (1982–1998) und François Mitterrand (1981–1995), die 1984
gemeinsam das symbolträchtige Schlachtfeld von Verdun besuchten, auf dem beide Länder einst
gegeneinander gekämpft hatten. Des Weiteren wirkten beide auf die Gründung des deutschfranzösischen Sicherheits- und Verteidigungsrats sowie des Wirtschafts- und Finanzrats hin und
plädierten für eine einheitliche europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Auch für die Entstehung
des europäischen Binnenmarktes 1986 und der EU 1993 im Zusammenhang mit dem Vertrag von
Maastricht haben Kohl und Mitterrand einen wichtigen Beitrag geleistet.
Der Regierungswechsel tat den intensiven Beziehungen beider Länder keinen Abbruch: Jacques
Chirac (1995–2007) und Gerhard Schröder (1998–2005) führten das Begonnene fort. Die Treffen der
beiden Staats- und Regierungschefs werden häufiger – die informellen sogenannten BlaesheimTreffen finden seit 2001 alle sechs bis acht Wochen statt. Im Rahmen des Irakkriegs positionierten
sich beide gegen die amerikanische Politik; im Oktober 2003 ließ sich Gerhard Schröder sogar von
Chirac bei einer Sitzung im Europäischen Rat vertreten.
Die Zusammenarbeit der beiden Nachfolger Angela Merkel (seit 2005) und Nicolas Sarkozy (2007–
2012) zeichnete sich insbesondere durch die gemeinsame Koordinierung des weiteren Vorgehens der
europäischen Staats- und Regierungschefs während der Staatsschuldenkrise im Euroraum aus. Die in
den gemeinsamen Treffen von Merkel und Sarkozy gefassten Beschlüsse mussten von den anderen
Staats- und Regierungschefs meist nur noch abgesegnet werden. Während der Berichterstattung
kreierten die Medien das aus den beiden Namen bestehende Kofferwort Merkozy.
Im Mai 2012 folgte François Hollande Sarkozy nach. Im Zuge der Staatsschuldenkrise im Euroraum
gilt die Zusammenarbeit als besonders eng. Noch am Tag seiner Amtseinführung besuchte der neue
französische Staatspräsident François Hollande Berlin. Im Juli 2012 gedachte man der 50 Jahre
zurückliegenden Verrsöhnungsmesse, die 1962 in Reims (Adenauer und de Gaulle) gefeiert wurde.
Merkel und Hollande trafen sich ebenfalls in Reims. Am 22. September eröffneten die beiden in
Ludwigsburg ein 'deutsch-französisches Jahr'.
Versöhnungsgesten der Staatsoberhäupter
22. Januar 1963: Konrad Adenauer und Charles de Gaulle umarmen sich anlässlich der
Unterzeichnung des Élysée-Vertrages.
22. September 1984: Helmut Kohl und François Mitterrand Hand in Hand vor dem Beinhaus von
Douaumont in der Nähe von Verdun anlässlich einer großen Zeremonie zur Erinnerung an die Opfer
der Kriege zwischen Frankreich und Deutschland.
6. Juni 2004: Gerhard Schröder und Jacques Chirac umarmen sich am 60. Jahrestag der Landung der
Alliierten in der Normandie, bei dem zum ersten Mal ein deutscher Kanzler eingeladen ist.
Übersicht der französischen Präsidenten und deutschen Bundeskanzler
Schulpolitische Maßnahmen
Die Einführung von Französisch als Fremdsprache schon in den Grundschulen ist sehr bedeutend.
Auch in Frankreich ist Deutsch nach Englisch und Spanisch eine der wichtigsten und meistgewählten
Fremdsprachen. Insbesondere in den grenznahen Gebieten, also im Saarland, in Rheinland-Pfalz in
den Regionen Trier und der südlichen Pfalz sowie in Baden-Württemberg am südlichen Oberrhein
zwischen Karlsruhe und Lörrach, aber zum Beispiel auch in Berlin ist die Amtssprache des Nachbarn
in den Grundschulen ein zentrales Unterrichtsfach. Dem gegenüber steht jedoch die restriktive Politik
Frankreichs gegenüber Minderheitssprachen und damit auch dem Deutschen, die trotz der
Aussöhnung nach dem Krieg entschieden vorangetrieben wurde.
Europäische Integration
Deutschland und Frankreich sind die beiden EU-Staaten, die in Medien häufig als der „Motor“ der
europäischen Einigung bezeichnet wurden. Staatsmänner beider Länder haben teilweise
weitreichende Ideen zur europäischen Einigung vorgelegt. Selten wurde eine Konföderation zwischen
den beiden Staaten angedacht.
Deutsch-französische Institutionen und Projekte
Als älteste noch heute exisierende deutsch-französische Tradition gilt die Städtepartnerschaft Le
Mans–Paderborn
Das Eurokorps und die Deutsch-Französische Brigade sind militärische Verbände, die auf deutschfranzösische Initiativen zurückgehen. Das Eurokorps hat seinen Standort in Straßburg (Frankreich),
die Truppenteile der Deutsch-Französischen Brigade sind in Südwestdeutschland stationiert.
ARTE ist ein Fernsehsender, der in deutsch-französischer Kooperation betrieben wird.
Histoire/Geschichte ist ein seit 2007 in zwei Sprachfassungen erschienenes, inhaltsgleiches deutschfranzösisches Geschichtslehrbuch für Oberstufen, geschrieben von Teams aus beiden Ländern, aus
mehreren sukzessive publizierten Bänden bestehend … !!!!
André-Gide-Preis für Literaturübersetzer in beiden Richtungen
Comité français d’échanges avec l’Allemagne nouvelle
Joseph-Rovan-Preis
Deutsch-Französisches Jugendwerk, DFJW/OFAJ
Deutsch-Französische Hochschule
Deutsch-Französisches Gymnasium
ABIBAC
Deutsch-Französischer Medienpreis, (Preisträger 2012: Alfred Grosser; frühere: Tomi Ungerer,
Simone Veil, Volker Schlöndorff) ein Teilpreis im Rahmen des Deutsch-Französischen
Journalistenpreises (DFJP);
Portail franco-allemand, in Deutsch Offiziöses „Deutsch-Französisches Internetportal“ mit einem
Schwerpunkt auf der wechselseitigen Diplomatie : http://www.france-allemagne.fr/-France-.html
Carolus Magnus-Kreis. Cercle Carolus Magnus. Vereinigung für deutsch-französische pädagogische
und kulturelle Zusammenarbeit, Association pour la coopération franco-allemande pédagogique et
culturelle. Deutscher Sitz in Mönchengladbach, Gründung 1954 in Freiburg (Breisgau).
Élysée-Vertrag: Die Entstehung und die Entwicklung bis heute
Der am 22. Januar 1963 unterschriebene „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit“,
bekannt als Élysée-Vertrag, ist in erster Linie als ein Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen
zu sehen. Frankreich hatte Angst davor, dass die Bundesrepublik Deutschland in den Sog der
Sowjetunion geraten könne. Deutschland dagegen hatte Befürchtungen, dass es eine französische
Entspannungspolitik zu Lasten Deutschlands geben könnte. Obwohl beide Regierungen die StalinNote vom März 1952 und die Idee eines neutralen Gesamtdeutschlands ablehnten, gab es auf beiden
Seiten jedoch sehr unterschiedliche Interessen.
Frankreich wollte Deutschland mit der Zusammenarbeit aus dem Machtbereich der USA herausholen
und sich selbst wieder als „Grande Nation“ etablieren. Die Zustimmung Deutschlands zum Vertrag
führte zu starker Kritik der Opposition im deutschen Bundestag, aber auch durch die USA. Der Grund
dafür war die gleichzeitige Ablehnung eines britischen Beitritts zur EWG durch die französische
Regierung.
Zu Beginn des Vertrages sah es nach einem Scheitern aus. Die Deutschen schafften es, dem Vertrag
eine Präambel voranzustellen, in der als Ziel die Verpflichtung zu engen politischen, wirtschaftlichen
und verteidigungspolitischen Beziehungen zu den USA, Großbritannien und der NATO sowie die
Wiederherstellung der deutschen Einheit ausgegeben wurde.
Der Erfolg dieses Vertrages beruht vor allem auf der bilateralen Zusammenarbeit sowie auf der
Koordination in Politik, Wirtschaft und Verwaltung als organisatorische Regel. Als Beispiel sei hier das
halbjährliche Treffen der Staats- und Regierungschefs genannt. Es gab eine einzige Revision des
Gesetzestextes. Diese stammt vom 22. Januar 1988. Die Treffen wurden auf allen Ebenen noch enger
geknüpft.
Bei den Konsultationen ging es im Wesentlichen um drei Punkte. Man wollte:
> in außenpolitischen Fragen zu einer gemeinsamen Position kommen (z. B. im Rahmen der
EG (später EU) oder der NATO)
> im Rahmen der Verteidigungs- und Rüstungspolitik gemeinsame Strategien entwerfen und
militärisches Personal austauschen und
> im Bereich Jugend und Erziehung enger zusammenarbeiten, beispielsweise beim Schülerund Studentenaustausch.
Die ganze Entwicklung führte zu einem Aufschwung der deutsch-französischen Beziehungen und im
Rahmen der Europapolitik zu einer stärkeren Verhandlungsposition gegenüber den USA. Im Bereich
der Europapolitik sind die Ansätze zwar weiter unterschiedlich, jedoch konnte man einige wichtige
Erfolge verzeichnen (z. B. 1986 die Einigung auf einen gemeinsamen Binnenmarkt). Viele Punkte des
Vertrages sind allerdings mittlerweile hinfällig, da sie durch die EU vorgegeben werden. Beide Länder
sind mittlerweile als Integrationsmotor mit Blick einer Europäischen Vereinigung zu sehen.
Im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gab es anfangs nur sehr zögerlich eine
Zusammenarbeit. Grund hierfür waren unterschiedliche Ziele. Frankreich verfolgt eine europäische,
antiamerikanische Politik, während Adenauer die Annäherung an die USA suchte. Später
intensivierten die Franzosen jedoch die Zusammenarbeit, da sie eine Hinwendung Deutschlands nach
Osteuropa befürchteten. Mittlerweile stellt sich die Frage der Wiederbelebung der Zusammenarbeit
beider Länder. Allerdings gibt es immer wieder Grenzen, beispielsweise beim Nationalbegriff oder
den Strukturen beider Staaten.
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