Präsidenten und Kanzler

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Präsidenten und Kanzler: Politische Paare über 60 Jahre
Die deutsch-französischen Beziehungen blicken auf eine lange Geschichte zurück – eine gemeinsame
Geschichte, die auch die Geschichte Europas ist. 2013 wird der 50. Jahrestag der Unterzeichnung des
Elysée-Vertrags gefeiert, der die Zusammenarbeit zwischen den beiden ehemals verfeindeten
Ländern formalisiert und vertieft. Mit der Unterzeichnung des Vertrags im Januar 1963 brachten
General de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck,
eine enge und privilegierte Beziehung zwischen den beiden Ländern zu begründen.
Mit dem Vertrag wird die Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland, die bereits Anfang der
Fünfziger Jahre begann, in einen festen und offiziellen Rahmen gefasst. Oft wird das „Paar“ de
Gaulle-Adenauer als das erste deutsch-französische Paar dargestellt. Doch im Grunde begann die
Geschichte bereits 1951 mit der Gründung der EGKS.
Robert Schuman und Konrad Adenauer: die Geburtsstunde des deutsch-französischen Paars
Der Schuman-Plan für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) war ein
bahnbrechender Schritt in einer Zeit, wo die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg den Menschen
noch tief in den Knochen steckte. Dieser Plan zur Errichtung eines supranationalen Markts für Kohle
und Stahl gilt als der erste Schritt zur deutsch-französischen Aussöhnung. Er brachte Deutschland
wieder näher an das westliche Lager heran und ließ neue Verflechtungen zwischen Deutschland und
Frankreich entstehen. Weil Kohle und Stahl als Grundprodukte für die Kriegsindustrie gehandelt
wurden, wendete die EGKS nachhaltig die Gefahr eines Konflikts zwischen den beiden
Nachbarländern ab.
Guy Mollet und Konrad Adenauer: die europäische Wende des deutsch-französischen Paars
Die Fünfziger Jahre waren zugleich auch der Beginn des Kalten Krieges. Während die internationale
Bühne von den Vereinigten Staaten und Russland beherrscht wurde, gelang es den anderen Nationen
kaum noch, sich Gehör zu verschaffen und ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Doch dann gaben
zwei bedeutende Ereignisse dem europäischen Einigungswerk einen entscheidenden Impuls. Zum
einen wurde 1956 der ungarische Volksaufstand mit Hilfe der sowjetischen Armee blutig
niedergeschlagen. Zum anderen verurteilten die UdSSR und die Vereinigten Staaten gemeinsam den
Einsatz französischer und britischer Truppen am Suez-Kanal. Für die französische Regierung wie auch
für die Bundesregierung war klar: Konrad Adenauer würde die Wiedervereinigung seines Landes
gegenüber dem sowjetischen Riesen niemals durchsetzen können, und Frankreich würde in einer
bipolaren Welt nie wieder das internationale Gewicht zurückgewinnen können, das es einmal hatte.
Allein hatten die beiden Länder keine Chance, ihren wirtschaftlichen, militärischen und politischen
Einfluss geltend zu machen. Die Lösung lag in der Einigung. 1957 wurden die Römischen Verträge
unterzeichnet – der Gründungsvertrag für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.
Charles de Gaulle und Konrad Adenauer (1958-1963): ein legendäres Paar
http://www.youtube.com/watch?v=1Ll_bW_cv6E
Der gemeinsame Auftritt des französischen Staatspräsidenten und des deutschen Bundeskanzlers in
der Kathedrale von Reims ist bis heute legendär. Und das Paar de Gaulle-Adenauer hat die deutschfranzösischen Beziehungen vielleicht am stärksten geprägt. Mit der Unterzeichnung des ElyséeVertrags stellten sie die Weichen für die deutsch-französische Zusammenarbeit und besiegelten
offiziell die Aussöhnung zwischen den beiden Ländern. Der Vertrag sah in erster Linie Kooperationen
in den Bereichen Verteidigung, internationale Beziehungen und Wirtschaft vor, aber auch
Städtepartnerschaften, Kulturaustausch und Hochschulzusammenarbeit sollten gefördert werden.
http://www.arte.tv/de/de-gaulle-rede-an-die-deutsche-jugend/6914146.html
http://www.arte.tv/de/charles-de-gaulle-superstar/6917090.html
Während die beiden Staatsmänner maßgeblich zur deutsch-französischen Aussöhnung beitrugen, so
gilt das weniger für den Aufbau Europas. Was Europa betrifft, so vertraten de Gaulle und Adenauer
unterschiedliche Ansichten. De Gaulle lehnte eine starke Bindung zu den Vereinigten Staaten und der
NATO ab und plädierte für ein Europa der Nationalstaaten, ein föderales Europa, das Frankreich zu
einer entscheidenden Rolle auf dem internationalen Parkett verhilft. Adenauer dagegen fürchtete die
sowjetische Bedrohung im Osten und wollte unter keinen Umständen die Verbindungen zu den
Vereinigten Staaten gefährden.
http://www.arte.tv/de/der-anfang-einer-wirklichen-freundschaft/7250242.html
Georges Pompidou und Willy Brandt (1969-1974): die deutsch-französischen Beziehungen
verlieren an Spannkraft
Als Willy Brandt 1969 Bundeskanzler wurde, suchte er den Dialog mit der UdSSR und den
Satellitenstaaten, um die bestehenden Spannungen abzubauen. Seine Ostpolitik belastete die
deutsch-französischen Beziehungen. Nach außen hin schien alles in Ordnung zu sein. Gipfeltreffen
fanden regelmäßig statt, zahlreiche Willenserklärungen wurden abgegeben. Doch in der deutschen
Politik Anfang der Siebziger Jahre rückte die deutsch-französische Beziehung gewissermaßen in den
Hintergrund.
Das neue Leitmotiv westlicher Diplomatie lautete „Entspannung“. In diesem Sinne blieb Georges
Pompidou nichts anderes übrig, als die Politik von Willy Brandt offiziell zu unterstützen. Doch erlebte
er die Annäherung zwischen der deutschen Regierung und der UdSSR in gewisser Weise als „Verrat“.
Zudem belasteten weitere Streitfragen das deutsch-französische Verhältnis, z. B. die
Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion, die Geldpolitik, die Haltung gegenüber der
Vereinigten Staaten. Als Willy Brandt und Georges Pompidou beide aus dem Amt schieden, schien
die deutsch-französische Beziehung einen Tiefpunkt erreicht zu haben.
Valéry Giscard d’Estaing et Helmut Schmidt (1974-1981): das „Paris-Bonn-Paar“
Mit Giscard d’Estaing und Schmidt erfuhr die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich einen
neuen Impuls. Die beiden Männer pflegten ein persönliches und vertrauensvolles Verhältnis. Und sie
teilten den Willen, das deutsch-französische Paar zum Motor der europäischen Einigung zu machen.
So wurden auf europäischer Ebene zahlreiche deutsch-französische Initiativen auf den Weg gebracht
und die deutsch-französische Zusammenarbeit erlebte zwischen 1974 und 1981 eine produktive
Phase (Einigung über das allgemeine Wahlrecht für die Wahlen zum EU-Parlament,
Institutionalisierung des Europäischen Rats, Einführung des Europäischen Währungssystems uvm.).
Beide Länder kämpften jedoch mit einer schwierigen wirtschaftlichen Situation: Mitte der Siebziger
Jahre geriet das Wirtschaftswunder ins Stocken und die erste Ölkrise setzte ein. Dem deutschfranzösischen Tandem gelang es in jener Zeit nicht, die Krise zu beheben.
http://www.arte.tv/de/valery-giscard-d-estaing-helmut-schmidt-eine-gemeinsame-vision/7150728.html
François Mitterrand und Helmut Kohl (1982-1995): der Mauerfall als Zäsur
für die deutsch-französischen Beziehungen
Unter Helmut Kohl und François Mitterrand gewannen die deutsch-französischen Beziehungen eine
neue Intensität. Helmut Kohl räumte den deutsch-französischen Beziehungen und der europäischen
Einheit einen zentralen Platz in seiner Politik ein. Und François Mitterrand war unter dem Eindruck
des Kalten Krieges von der Notwendigkeit einer weiteren Annäherung zur BRD überzeugt. Die
Staatsbesuche wurden mit der Zeit häufiger und die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen
beiden Ländern intensiver. Als Symbol für diese Annäherung steht die Rede Mitterrands vor dem
Deutschen Bundestag, in der er die deutsche Entscheidung für die Stationierung amerikanischer
Pershing-Raketen auf deutschem Boden als Reaktion auf sowjetische SS20-Raketen unterstützte.
Und dennoch waren sich die beiden Politiker in einigen Punkten uneins, besonders in
europapolitischen Fragen wie zur Rolle Großbritanniens in Europa, zur Reform der GAP, zum Beitritt
der Mittelmeerländer und insbesondere zur institutionellen Zukunft Europas. Mitterrand hielt an der
nationalen Unabhängigkeit und an einem Europa der Nationalstaaten fest, während Kohl für ein
föderales Europa eintrat.
Der Mauerfall im Jahre 1989 bedeutete einen tiefen Einschnitt in die deutsch-französischen
Beziehungen. Vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts hielt Paris eine deutsche
Wiedervereinigung für ein unwahrscheinliches Szenario. In seiner Beziehung zur BRD spielte es eine
dominante Rolle. Solange eine Wiedervereinigung nicht wahrscheinlich war, konnte Frankreich den
Wunsch danach als legitime Bestrebung der BRD gutheißen. Als es aber schließlich dazu kam,
befürchtete Paris, die Deutschen würden nun ihre nationalen Interessen über ihre europäischen
Partner stellen. Die Beziehungen erfuhren durch dieses Ereignis eine gewisse Erschütterung und eine
neue Balance musste hergestellt werden.
Jacques Chirac und Gerhard Schröder (1995-2005): neuer Schwung für das
deutsch-französische Paar
Zu Anfang schienen die Beziehungen zwischen Jacques Chirac und Gerhard Schröder schwierig. Die
beiden Männer brauchten eine Weile, um miteinander warm zu werden und ein stabiles Verhältnis
zu entwickeln. Der Mauerfall hatte zu einem Kräfteausgleich zwischen Deutschland und Frankreich
geführt. Frankreich hatte es nun mit einem Partner zu tun, der 80 Millionen Einwohner und eine
zentrale Stellung in Europa hatte. Das wiedervereinigte Deutschland vertrat in Europa selbstbewusst
seine Interessen. Mit dem Ausbleiben gemeinsamer Projekte, den Meinungsverschiedenheiten in
europapolitischen Fragen (GAP, institutionelle Entwicklung Europas usw.) und einer stagnierenden
bilateralen Zusammenarbeit kam es in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zu einer Schwächung der
bilateralen Beziehungen.
Ab dem Jahr 2000 kam dann wieder neuer Schwung in die Zusammenarbeit. Schröder und Chirac
konnten sich in einigen strittigen Punkten einigen, insbesondere bei der GAP, und sie hatten dieselbe
Vorstellung von einer europäischen Wirtschaft auf der Grundlage von Wachstum und nachhaltiger
Entwicklung. Neue Impulse entstanden durch Abstimmungs- und Kooperationsbemühungen, durch
mehr Dialog und neue Formen des Austauschs. Deutschland und Frankreich näherten sich in ihrer
Vorstellung vom politischen Europa immer weiter an und Präsident und Bundeskanzler sprachen
außenpolitisch zunehmend mit einer Stimme, insbesondere 2003, als sich beide Länder gemeinsam
gegen den US-Einsatz in Irak stellten.
Zu Beginn der 2000er Jahre erlangte das deutsch-französische Paar seine Rolle als Motor des
europäischen Aufbauwerks wieder. Symbolisch für diesen Neubeginn war die Teilnahme Gerhard
Schröders als erster deutscher Bundeskanzler an der Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der
Landung der Alliierten in der Normandie im Jahre 2004.
Die deutsch-französischen Beziehungen hatten wieder richtig an Fahrt aufgenommen, als das
französische „Nein“ bei der Volksabstimmung zum europäischen Verfassungsvertrag im Jahre 2005
für eine weitere Zäsur sorgte. Mit dem Volksentscheid kam Frankreichs Scheu vor einer tiefer
gehenden europäischen Integration zum Ausdruck. Wie sollte man nun für ein europäisches
Gesellschaftsmodell werben, wenn die französische Regierung nicht einmal auf nationaler Ebene die
Bevölkerung im Rücken hatte?
Folge dieses Scheiterns war ein Legitimitätsverlust des deutsch-französischen Paars bei seinen
europäischen Partnern. Die Beständigkeit des deutsch-französischen Tandems schien unbestreitbar,
doch mit den Entwicklungen im Jahre 2005 wuchs die Skepsis an seiner Impulskraft und seiner
Fähigkeit, die Zukunft Europas zu gestalten.
Angela Merkel und Nicolas Sarkozy (2007-2012): die Ära „Merkozy“
Die Zweifel an der Zukunft Europas und der Rolle des deutsch-französischen Paars rückten in den
Hintergrund, als Europa 2008 von der Wirtschafts- und Finanzkrise eingeholt wurde und das
europäische Bankensystem ins Wanken geriet. Die zahlreichen Rettungspläne auf europäischer
Ebene lasteten auf den Staatskassen und die Wirtschafts- und Finanzkrise entwickelte sich zur
Schuldenkrise. Paris und Berlin sahen sich gezwungen, ihre Unstimmigkeiten beizulegen und sich auf
Lösungswege zu verständigen. Es wurde immer intensiver bilateral verhandelt, Deutschland und
Frankreich brachten zahlreiche Initiativen auf den Weg und trieben auf europäischer Ebene die
Rettungspläne, insbesondere für Griechenland, voran. Das deutsch-französische Paar wurde seiner
Rolle als Motor und federführende Kraft auf europäischem Parkett gerecht, doch wenn es um
langfristige Lösungen für die Krise geht, standen sich die beiden Länder mit ihren unterschiedlichen
wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen zuweilen gegenseitig im Weg.
Seit seiner Wahl zum neuen französischen Staatspräsidenten im Mai 2012 hat François Hollande stets
betont, welch große Bedeutung er den deutsch-französischen Beziehungen beimisst. Wie sein
Vorgänger kam er noch am Tag seiner Amtseinführung, am 15. Mai, zum Antrittsbesuch nach Berlin,
wo er von Bundeskanzlerin Merkel empfangen wurde.
Seither haben eine gut gefüllte europäische Agenda und zahlreiche Veranstaltungen im Rahmen der
Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum des Elysée-Vertrags dafür gesorgt, dass sich Staatspräsident
Hollande und Bundeskanzlerin Merkel besser kennenlernen konnten. Gemeinsam sind sie fest
entschlossen, in diesen schwierigen Zeiten für die Europäische Union eng zusammenzuarbeiten. Ein
weiteres „Paar“ also in der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen.
2012 …
http://www.youtube.com/watch?v=jrTJcAc1fKM
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