Candoco Dance Company (GB) Notturnino Set and Reset/Reset Choreografie: Thomas Hauert, Trisha Brown Tanzen ohne Grenzen Mit der britischen Candoco Dance Company, die 2016 ihr 25-jähriges Bestehen feiert, kommt eine der Top-Compagnien der zeitgenössischen Tanzszene Europas ans Migros Kulturprozent Tanzfestival Steps, die mit kontrastierenden Choreografien immer wieder frisch in neue Richtungen denkt. Das gelingt dem Ensemble ungemein erfolgreich. Und zwar nicht trotz, sondern aufgrund der Tatsache, dass bei sämtlichen Stücken des Ensembles Tänzerinnen und Tänzer mit und ohne Behinderung gleichermassen eingebunden sind. Choreografinnen und Choreografen nutzen variantenreich die erweiterten Möglichkeiten, die sich aus dieser Konstellation ergeben. Die in diesem Programm kombinierten Werke basieren beide – wenn auch in unterschiedlicher Weise – auf einer intensiven Auseinandersetzung mit Improvisation. Mit Trisha Browns Set and Reset/Reset erneuert Candoco ein Meisterwerk des amerikanischen Postmodern Dance und setzt die Bewegungsforschungen der Avantgardistin des 20. Jahrhunderts in heutigem Sinne fort. Es ist ein Genuss, den konstanten, rhythmisch fliessenden, sich immer wieder neu bildenden Formationen zuzuschauen. Thomas Hauert lässt seine Akteure, ganz ihm eigen, sogar während der Vorstellung improvisieren, anhand bestimmter Regeln und Vorgaben. Zusätzliche Inspiration bezieht das Stück durch die Tonspur aus dem berührenden Dokumentarfilm «Il bacio di Tosca», den der Regisseur Daniel Schmid über Bewohner des von Giuseppe Verdi gegründeten Seniorenheims für Musikerinnen und Musiker gemacht hat. Es ergibt sich ein spannender, immer leicht schwebender Dialog auf offener Bühne über die menschliche Verletzlichkeit, das Älterwerden und die Eitelkeit – ein Dialog, der jedes Mal ein bisschen anders aussieht. Candoco Dance Company 1 / 5 Trisha Brown Die amerikanische Tänzerin und Choreografin (geb. 1936 in Aberdeen, Washington) zählt heute zu den massgeblichen Vorreitern der amerikanischen Avantgarde in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie weitete die Grenzen des Tanzes konsequent aus. Im Zentrum steht die reine, abstrakte Bewegung, unabhängig von der Musik und oft die Enge des Theaterraums verlassend. Nach einem Modern-Dance-Studium am Mills College in Oakland, Kalifornien, entwickelte sie ab ca. 1960 in New York allmählich ihren eigenen, experimentellen Stil; 1970 gründete sie die Trisha Brown Dance Company. Zwar fusst die Avantgarde auf der Graham-Technik (Brown ist von Cunningham beeinflusst, der bei Martha Graham studierte), ist aber vor allem als Reaktion auf die stark strukturierten und formalen Werke des klassischen Balletts und der klassischen Moderne zu verstehen. Brown improvisierte oft mit kleinsten, alltäglichen Bewegungen, die sie variantenreich zu Sequenzen zusammensetzte. Thomas Hauert Der Solothurner Thomas Hauert ist einer derjenigen Schweizer Tanzkünstler, denen es gelungen ist, sich prominent in der gesamteuropäischen Tanzszene zu verankern. Nach einer Ausbildung an der Tanzakademie Codarts in Rotterdam sammelte er tänzerische Erfahrung unter anderem bei Anne Teresa De Keersmaeker, Pierre Droulers und David Zambrano. In seiner Arbeit nimmt die Improvisation eine zentrale Rolle ein. Seit 1998 choreografiert er vor allem für seine eigene Compagnie ZOO; eine Zusammenarbeit gab es aber unter anderem auch mit dem Zürcher Ballett und mit der Forsythe Company. 2005 erhielt er den Schweizer Tanz- und Choreografiepreis der Corymbo-Stiftung. Seit 2014 ist er künstlerischer Leiter des Bachelor für zeitgenössischen Tanz an der Manufacture Lausanne. Steckbrief Name der Compagnie Künstlerische Leitung Programm 1. Titel Choreograf Candoco Dance Company (Grossbritannien) Pedro Machado und Stine Nilsen Zweiteilig, eine Pause Notturnino (Thomas Hauert) und Set and Reset/Reset (Trisha Brown) Reihenfolge tbd Notturnino Thomas Hauert Candoco Dance Company 2 / 5 Choreografische Assistenz Lichtdesign Kostümdesign Audio Uraufführung Spieldauer Liz Kinoshita Chahine Yavroyan Natasa Stamatari aus Il bacio di Tosca / Tosca’s Kiss (1984), Regie: von Daniel Schmid, T&C Film, 1984 2014 ca. 35 Minuten Koproduzent des Stücks ist Live at LICA (Lancaster Institute for the Contemporary Arts); es entstand mit zusätzlicher Unterstützung von Platform, Islington und Greenwich Dance. Dank an Denis Laurent von ZOO, Kevin O’Hare vom Royal Opera House, Suzanne Lee, Naomi Blanche und CJ Dyson von Platform. Tänzerinnen/Tänzer 2. Titel Choreografie Einstudierung Musik Kostüme Bühnenbild Lichtdesign Uraufführung Neueinstudierung Spieldauer NN (Anzahl: 7) Set and Reset/Reset Trisha Brown Set and Reset/Reset (2011): Abigail Yager Laurie Anderson (Musik verwendet mit freundlicher Genehmigung von Canal Street Communications / Laurie Anderson Studio) Celeste Dandeker-Arnold OBE (nach den Originalentwürfen von Robert Rauschenberg 1983) David Lock (nach dem Originaldesign von Robert Rauschenberg 1983) Chahine Yavroyan Trisha Brown Dance Company, 20. Juli 1983, Festival d’Avignon Candoco Dance Company 2011, ca. 20 Minuten Koproduzent der Neueinstudierung Set and Reset/Reset: Dance Umbrella 2011 Tänzerinnen/Tänzer NN (Anzahl: 6) Medien www.theguardian.com/stage/dance-blog/2014/feb/27/candoco-improv-dance-rehearsalsstage The Guardian Blog, 27. Februar 2014 «Thomas Hauert’s Notturnino is ‹improvised›; that is, rather than setting moves that the dancers perform, it sets rules that they follow. This approach suits the company well, its effects particularly clear in the follow-and-flee swirl of the group work.» Candoco Dance Company 3 / 5 The Guardian, 2. März 2014 «Candoco certainly don’t play safe in their programming. For the 20th-anniversary tour of this integrated company of disabled and non-disabled dancers, the centrepiece is a reworking of Trisha Brown’s seminal 1983 Set and Reset – a piece of such freshness and sophistication that people tend to remember the first time they saw it. How could this version measure up? Called Set and Reset/Reset, it reprocesses but does not replicate Brown’s original. Laurie Anderson’s casually insistent score of loopy bassline, deadpan vocals and monotone clangs is still here, but the slide projections are gone and the set and costumes are different, though clearly modelled on Robert Rauschenberg’s originals. But it’s the choreography that makes this an inspired choice for the company. The composition – the placement, sequencing and configuration of phrasing – is masterly, yet also has enough leeway for individual variety and adaptation to the dancers. So Candoco’s six performers (Annie Hanauer in particular) look at home within a first-rate work, and we can simply watch the perpetual motion, the slipknot formations, the off-the-cuff accents and accidents – and marvel.» The Guardian, 17. Oktober 2011 «The jewel in the evening’s crown is a new staging of Trisha Brown’s signature work, aptly titled Set and Reset/Reset. This re-creation uses a combination of repertory elements and new choreography based on Brown’s original instructions to her company, personalising the piece to the performers. Now almost 30 years old, Brown’s buoyant masterpiece seems as fresh as the day it was born, as does Laurie Anderson’s accompanying synthesised score. Set and Reset/Reset is another company experiment, being the first time Candoco has presented a piece of existing repertory not made specifically for its dancers. There’s plenty of challenge in the deceptive ease of Brown’s long-limbed choreography – moments of rhythmic and dynamic detail, little hops and shuffles that emphasise instants of musical detail, and lots of hitting the spot to show ensemble shapes at strictly calculated points in time. It’s all performed with Brown’s characteristic sense of effortlessness, and the company acquits itself well with this iconic challenge.» londondance.com, 19. Oktober 2011 «In New York 1983 uraufgeführt ist Set and Reset/Reset der Amerikanerin Trisha Brown ein Klassiker der Postmodere. Von Robert Rauschenberg stammt das semitransparente Bühnenbild aus zartgrauen Dreiecken, die sich überlagern; von Laurie Anderson der minimalistische Soundtrack, der, typisch für die Musikerin, auch gesprochene Elemente enthält, die elektronisch verzerrt und rhythmisch verfremdet, ein Gespinst feinster Klangstrukturen ergibt. Die Choreografie der Avantgardistin Brown besteht aus einer festgelegten Schrittfolge (Set) mit Beinwürfen, lässigen Armschwüngen, federnden Hüpfern und beiläufig eingestreuten Hebefiguren. Reset bezeichnet den improvisatorischen Freiraum, in dem Candoco Dance Company 4 / 5 Tänzerinnen und Tänzer Variationen zum Set entwickeln. Ein Bewegungsgefüge in raschem Fluss, das sich die sieben Candoco-Profis, drei Behinderte und vier Nichtbehinderte, erneut angeeignet haben (Reset), und zwar entlang der ursprünglichen choreografischen Vorgaben wie «line up» (bildet Reihen), «act on instinct» (handelt instinktiv), «play with visibility and invisibility» (spielt mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit) oder «keep it simple» (achtet auf Einfachheit). Trotz der monochromen Farbigkeit nuancierter Grautöne überwiegen im Zusammenspiel von Musik und Tanz Schwung, Sensibilität und Optimismus, das Heilbronner Publikum reagiert auf die heitere Grundstimmung mit rauschendem Applaus und stehenden Ovationen.» tanznetz.de, 11. Mai 2012 Linkliste www.candoco.co.uk/about-us/background zu Notturnino: www.candoco.co.uk/productions/repertory/current/new-company-work zu Set and Reset/Reset: www.candoco.co.uk/productions/repertory/current/set-and-resetreset www.trishabrowncompany.org/index.php?section=34 www.zoo-thomashauert.be/news/overview www.srf.ch/kultur/film-serien/ein-schweizer-meisterwerk-am-filmfestival-von-venedig www.omm.de/cds/etc/EMI-il-bacio-di-tosca-dvd.html Stand: März 2015 Candoco Dance Company 5 / 5