Steinadler stirbt an Bleivergiftung

Werbung
Steinadler stirbt an Bleivergiftung!
Am 9. Jänner dieses Jahres wurde D. Steitmeier (Arge NATURSCHUTZ) von
Hegeringleiter O. Prepotnik über einen Steinadler nahe Eisenkappel informiert, der
flugunfähig aufgefunden worden war. Der Vogel zeigte Verwirrung, Erbrechen und starke
Krämpfe – ein Hinweis auf eine Vergiftung – und wurde schließlich zur Greifvogelwarte
Landskron zu F. Schüttelkopf bzw. später dann zu Tierarzt Dr. C. Kuschej verbracht.
Gleichzeitig wurde auch BirdLife Kärnten informiert (durch C. Lassnig) sowie das Serum des
Adlers an das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen
(FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität in Wien zur Analyse geschickt.
Am 2. Februar bekamen wir von Prof. Dr. T. Steineck vom FIWI die Information, dass der
Steinadler stark überhöhte Bleiwerte aufwies! Dabei muss mit größter Wahrscheinlichkeit von
einer Aufnahme von bleihältiger Munition ausgegangen werden (denn es gibt sonst keine uns
bekannte Möglichkeit in der freien Natur solche Mengen aufzunehmen)! Auf Rückfrage
wurde leider bekannt, dass der Adler am 1. Februar – aller Wahrscheinlichkeit nach an einer
Bleivergiftung - verstorben war!
Damit hat auch Kärnten seinen ersten nachgewiesenen Fall von Bleivergiftung bei einem
Greifvogel! Es ist besonders ärgerlich, als die Steinadlerpopulation zwar stabil erscheint, es
im Bundesland aber nur rund 25 – 40 Brutpaare gibt (MALLE 2006). Dies dürfte aber nur die
Spitze des Eisbergs sein, denn wer findet schon Mitten im Winter in den ausgedehnten
Alpengebieten einen verendeten Steinadler? F. Schüttelkopf (mündl. Mitt.) berichtet aber über
einen 2008 im Raum Ferlach gefundenen Steinadler, der dieselben Symptome aufwies und
auch verstarb – der Vogel wurde nicht veterinärpathologisch untersucht, jedoch auch in
diesem Fall ist eine Vergiftung zu vermuten. Auch anderswo in Österreich und dem
Alpenraum wurden schon vergiftete Steinadler nachgewiesen (z. B. ZECHNER et al. 2004,
KENNTNER et al. 2007) und beim Seeadler in Deutschland stellt mit über 20 % die
Bleivergiftung heute schon die häufigste Todesursache dar (KRONE 2008, O. KRONE et al. in
Vorb.)!
Kärnten ist Steinadlerland, denn mehr als 10 % des österreichischen Bestands brütet hier, und
trägt somit auch über die Grenzen hinaus eine hohe Verantwortung für die Art. Darüber
hinaus gibt es allein im Kärntner Teil des Nationalparks Hohe Tauern 11 Brutpaare, was etwa
1
25 % des Vorkommens im gesamten Nationalpark (42-43 Paare), 4 % des österreichischen
bzw. 1 % des Bestands in den Alpen (~ 1.500 Paare) entspricht (vgl. PROBST 2008). Des
Weiteren sind vermutlich auch andere Arten betroffen, bedenkt man, dass Kärnten ein
Zielgebiet für den wiederkehrenden Bartgeier ist und viele Nicht-Brüter vom Gänsegeier (die
Populationsreserve für die Vorkommen in Kroatien!) hautsächlich in Kärnten und Salzburg
übersommern!
Angesichts der Bedeutung dieses Themas – in Österreich bisher aber wohl zu vernachlässigt!
- für den Natur- und Artenschutz, führte ich mit Dr. Oliver Krone aus Berlin, einem der
weltweit führenden Experten, ein Interview zum Thema:
Hr. Dr. Krone, wie könnte der Steinadler überhaupt das Blei aufgenommen haben?
„Prinzipiell sind zwei Wege denkbar: Er könnte angeschossene Tiere erbeutet oder an Aas
oder Aufbrüchen gefressen haben, die entweder Bleischrote oder Splitter von bleihaltigen
Teilmantelgeschossen beinhaltet haben. Größtenteils unbekannt war bisher, dass sich auch als
Deformationsgeschosse konzipierte Büchsenmunition im Tierkörper zerlegt und Hunderte
kleinster Fragmente an das Gewebe abgibt, auch wenn kein Knochen getroffen wird. Diese
Bleipartikelwolken
konnten
wir
auf
Röntgenaufnahmen
in
allen
untersuchten
Schalenwildarten, die mit bleihaltiger Büchsenmunition erlegt wurden, nachweisen.
Insbesondere Lunge und Herz, aber auch gelegentlich Milz, Zwerchfell und die
Verdauungsorgane können von Bleipartikeln durchsetzt sein. Je nach Treffer im Tierkörper
können alle Gewebe im Umfeld von bis zu 40 cm diese Partikel enthalten, was auch für das
Muskelgewebe gilt.“ [Anmerkung: Im alpinen Bereich in Kärnten wird im Winterhalbjahr die
Jagd mit Schrotpatronen kaum durchgeführt, sodass zweiter Fall, also die Aufnahme des
Abriebs eines Kugelschusses, hier wesentlich wahrscheinlicher ist.]
Hr. Dr. Krone, warum ist Blei eigentlich so gefährlich für Greifvögel?
„Greifvögel reagieren sehr empfindlich auf das Blei. Aufgrund des saueren Magenmilieus, der
langen Verweildauer und der besonderen Physiologie/Anatomie des Greifvogelmagens
werden Bleiionen von den metallischen Partikeln abgelöst und resorbiert. Dieses Blei gelangt
mit dem Blut in die Organe des Körpers. Besonders betroffen sind das Nervensystem und die
Blutbildung. Wir unterscheiden zwischen akuten und chronischen Vergiftungen. Bei den
2
akuten Bleivergiftungen kommt es häufig zum Kreislaufkollaps, da die Sauerstoffzufuhr
aufgrund der Schädigung der roten Blutkörperchen ins Gewebe nicht mehr funktioniert. Bei
den chronischen Bleivergiftungen verhungern die Adler sehr häufig, da sie Probleme bei der
Körperkoordination haben und nicht selten erblinden. Dabei reichen schon kleinste Mengen
aus um Greifvögel zu töten. Versuche an amerikanischen Weißkopfseeadlern konnten zeigen,
dass 20 bis 40 Milligramm erodiertes Blei ausreichen, diese Vögel in zwei bis drei Wochen zu
töten.“
Hr. Dr. Krone, gibt es für die Jagd leistbare und wirksame Alternativen zur Bleimunition?
„Tatsächlich existieren eine ganze Reihe von alternativen Büchsengeschossen, sowohl als
reine Deformations- wie auch als Teilzerlegungsgeschosse. Insbesondere die Firmen Barnes
(USA), Impala (Österreich), Lapua (Finnland), bieten Munition für fast jedes Kaliber an.
Andere Hersteller wie Brennecke, HDB, Jaguar Classic/GPA, KJG, RUAG, Sauvestre und
Skadi bieten bleifreie Munition an. Wir haben eine Liste der verfügbaren bleifreien
Büchsenmunition zusammengestellt, die unter www.seeadlerforschung.de eingesehen werden
kann. In einer neuen Broschüre haben wir die Ergebnisse von Schussversuchen bleihaltiger
und bleifreier Munition auf ballistische Seife dargestellt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, das
einige bleifreie Geschosse den bleihaltigen zu, Beispiel in Punkto Energieabgabe überlegen
sind.“ [Anmerkung Broschürentitel: KRONE, O. (Hrsg., 2008): Bleivergiftungen bei Seeadlern:
Ursachen und Lösungsansätze. Anforderungen an bleifreie Büchsengeschosse. LiebnitzInstitut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), 94 pp.]
Hr. Dr. Krone, gibt es Länder bzw. Gebiete wo heute schon auf die Jagd mit Blei verzichtet
wird?
„Aufgrund der Gefährdung des Kalifornischen Kondors ist in seinem Verbreitungsgebiet im
Bundesstaat Kalifornien die Anwendung bleihaltiger Munition verboten. Der Großteil der
wildlebenden Kondore wurde mehrmals im Jahr gegen Bleivergiftungen behandelt. Das
Bleiproblem hätte beinahe die Bemühungen zur Erhaltung dieser Art zunichte gemacht. Auch
die japanische Regierung hat sich mit einem Verbot bleihaltiger Munition auf Hokkaido für
den Schutz der dort überwinternden Riesenseeadler und Eurasischen Seeadler eingesetzt. Das
Problem der Bleivergiftungen bei Greifvögeln wurde in weiteren Ländern erkannt und es gibt
dort Bemühungen zur Lösung des Bleiproblems. Darüber hinaus existiert für den Verzicht
3
von
bleihaltiger
Schrotmunition
in
Feuchtgebieten
das
Afrikanisch-Eurasische-
Wasservogelabkommen (AEWA), das die meisten europäischen, viele asiatische und
afrikanische Länder zum Schutz von Wasservögeln unterzeichnet haben. Da das Problem der
bleihaltigen Schrotmunition schon lange bekannt ist, gehen die Bemühungen hier bisher
wesentlich weiter als bei der bleihaltigen Büchsenmunition.“ [Anmerkung: Österreich hat das
AEWA bisher nicht unterzeichnet!]
Hr. Dr. Krone, besteht auch für den Menschen eine Gefahr bei der Aufnahme von Blei?
„Säugetiere und der Mensch reagieren im Allgemeinen nicht so empfindlich auf das Blei wie
die Greifvögel, doch stellt das hochtoxische Schwermetall auch für uns ein Problem dar.
Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die noch wachsen, wurden Schwächen in der
geistigen Entwicklung belegt. In wieweit sich die Bleibelastung des erwachsenen Menschen
im Alter auf seine geistigen Fähigkeiten zum Beispiel bei der Entwicklung der Altersenilität
oder bei der Alzheimer Erkrankung auswirkt, wird bisher nur vermutet, da solche
Langzeituntersuchungen fehlen.“
Hr. Dr. Krone, danke für Ihre Expertise!
Das Interview mit Dr. O. Krone stellt die Gefährlichkeit von Blei unmissverständlich unter
Beweis und damit auch, dass dringender Handlungsbedarf besteht! Ich habe die Kärntner
Jägerschaft daher zum gegenständlichen Fall befragt, die in Person des Landesjägermeisters,
Dr. F. Gorton, folgende schriftliche Stellungnahme abgab:
„Sehr geehrter Herr Dr. Probst!
Von BirdLife-Kärnten informiert, ist ein Adler im Gebiet von Eisenkappel an einer zu hohen Dosis an
Blei verendet, welches durch einen Aasfraß von einem Wildtier her stammen könnte.
Die Kärntner Jägerschaft stellt fest, dass die Diskussion über bleihaltige Geschosse im Gange ist und in
absehbarer Zeit eine Umstellung auf bleifreie anzustreben ist. Ein erster Schritt in dieser Richtung ist
erfolgt, als dass die Empfehlung der österreichischen Jägerschaften in Niedriggewässergebieten auf
Bleischrote zu verzichten bereits nachgekommen wird. Dies ist auch im Sinne des Naturschutzes als
Anliegen der Kärntner Jägerschaft zu sehen.“
Schlusskommentar: BirdLife Kärnten wird jedenfalls das Thema weiter verfolgen und Dich /
Sie informieren! Alle involvierten Personen / Organisationen sollten rasch – großteils schon
vorliegende - Lösungen umsetzen!
4
Bericht: Dr. Remo Probst, Geschäftsführer BirdLife Landesgruppe Kärnten
Literatur:
KENNTNER, N., Y. CRETTENAND, H.-J. FÜNFSTÜCK, M. JANOVSKY & F. TATARUCH (2007):
Lead poisoning and heavy metal exposure of golden eagles (Aquila chrysaetos) from the
European Alps. J. Orn. 148: 173 – 177.
KRONE, O. (Hrsg., 2008): Bleivergiftungen bei Seeadlern: Ursachen und Lösungsansätze.
Anforderungen
an
bleifreie
Büchsengeschosse.
Liebnitz-Institut
für
Zoo-
und
Wildtierforschung (IZW), 94 pp.
KRONE, O., N. Kenntner & F. Tataruch (in Vorb.): Gefährdungsursachen des Seeadlers
(Haliaeetus albicilla L. 1758). Denisia-Sonderband „Der Seeadler im Herzen Europas“.
MALLE, G. (2006): Steinadler (Aquila chrysaetos). In: J. FELDNER, P. RASS, W. PETUTSCHNIG,
S. WAGNER, G. MALLE, R. K. BUSCHENREITER, P. WIEDNER & R. PROBST: Avifauna
Kärntens 1. Die Brutvögel. Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Klagenfurt, 104 105.
PROBST, R. (2007): Zur Avifauna des Nationalparks Hohe Tauern, Kärntner Teil. Bericht von
BirdLife Österreich, Landesgruppe Kärnten, an den Nationalpark Hohe Tauern,
Feldkirchen, 280 S.
ZECHNER, L. T. STEINECK & F. TATARUCH (2004): Bleivergiftung beim Steinadler (Aquila
chrysaetos) in der Steiermark. Egretta 47 (2), 157 – 158.
5
Herunterladen