GLOBENMUSEUM Raum 1 Der Erdglobus Der Erdglobus ist ein Modell der kugelförmigen Erde, das auf seiner Oberfläche mit einer kartographischen Darstellung versehen ist. Diese zeigt die Verteilung der Landmassen und der Meere nach dem jeweiligen Kenntnisstand. Die meisten alten und neuen Erdgloben enthalten darüber hinaus Informationen zur Erdoberfläche (Terrain, Gewässernetz, bedeutende Siedlungen). Das kartographische Bild wurde und wird oft mit der Darstellung politischer und administrativer Grenzen sowie mit zusätzlichen Informationen, wie zum Beispiel zu Lagerstätten von Bodenschätzen, Standorten bedeutender Wirtschaftszweige, Verkehrswege sowie Kommunikationseinrichtungen ergänzt. Häufig sind auch Angaben zu Klima, Pflanzen- und Tierwelt, Meeresströmungen sowie Daten und Routen von Entdeckungsreisen wiedergegeben. Die Vorteile von Erdgloben liegen darin, dass sie die Oberfläche maßstabsgetreu und unverzerrt, das heißt, längen-, flächen- und winkeltreu, wiedergeben und dass sie die Beziehungen von Orten und die Verhältnisse von Flächen veranschaulichen. Auf Karten hingegen ist eine gleichzeitige unverzerrte Abbildung von Flächen und Winkeln ausgeschlossen. Globen bieten den Überblick über die kartographische Darstellung im Verhältnis zum Kugelkörper, was bei Karten schwer nachvollziehbar ist. Ihr wesentlichster Nachteil liegt im relativ kleinen Maßstab der kartographischen Darstellung. Um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten, beträgt der Durchmesser einer Globuskugel üblicherweise zwischen 20 und 40 cm. Dies bedingt eine relativ starke Generalisierung, das bedeutet, eine bewusste inhaltliche und graphische Vereinfachung des Kartenbildes. Bei einem üblichen Globusdurchmesser von 32 cm, der einen Maßstab von 1:40 Millionen repräsentiert, entspricht eine Strecke von 1 cm auf dem Globus einer Entfernung von 400 km auf der Erdoberfläche. Die Abplattung des Erdkörpers an den Polen lässt sich auf Globen gar nicht darstellen: bei dem genannten Durchmesser würde diese auf der Globuskugel nur etwa 1 mm betragen. Erdgloben werden in die Kategorien Karten- und Reliefgloben unterschieden, die Kartengloben wiederum in physische und in Themagloben gruppiert. Zu den Themagloben zählen auch Globen, die politische Einteilungen wiedergeben. Im allgemeinen Bewusstsein sind diese politischen Globen jedoch als die übliche Form der Erdgloben verankert. Neben dem Kartenbild sind für den Aussagegehalt von Globen die Beschriftung des Karteninhaltes, Angaben zu Autor, Hersteller, (bei Seriengloben) Verleger sowie Ort und Jahr der Herstellung von Bedeutung. Alte Erdgloben enthalten oft Textfelder, in denen Personen, denen das Werk gewidmet wurde, sowie Quellen der wiedergegebenen Informationen, Hinweise für die Benützung, Anmerkungen zu bestimmten geographischen Phänomenen oder zu besonders wichtigen Ereignissen der Entdeckungsgeschichte erwähnt werden. Diese Textfelder sowie dekorative, bildliche Darstellungen verdecken nicht selten absichtlich Gebiete, über die zur Zeit der Anfertigung des Globus keine oder nur sehr wenige – und/ oder unsichere Informationen vorlagen. Auf moderneren Globen werden die dargestellten raumbezogenen Daten abstrahiert wiedergegeben und die dazu verwendeten Kartenzeichen und Farbsignaturen in Legenden erklärt. Viele Hersteller publizierten zu ihren Erdgloben Gebrauchsanleitungen, denen oft eine Einführung in die Geographie vorangestellt war. Der Himmelsglobus Der Himmelsglobus ist ein Modell des scheinbaren Himmelsgewölbes, dessen Oberfläche mit einer kartographischen Darstellung versehen ist. Dieses Kartenbild gibt die Positionen der Fixsterne und deren Zusammenstellung zu Sternbildern wieder. Oft sind auch astronomische Nebel und andere Himmelsobjekte sowie Informationen zu astronomischen Phänomenen, zum Beispiel zu Kometen und ihren Bahnen oder zu plötzlich aufgetretenen Helligkeitsveränderungen von Sternen (Novaausbrüche)abgebildet. Von der Erde aus wird der nächtliche Sternenhimmel von jedem Punkt aus so wahrgenommen, als würden sich alle Himmelskörper in der gleichen Entfernung von ihr auf der Innenseite einer Hohlhalbkugel befinden. Auf der Grundlage des Wissens um die Kugelgestalt der Erde entstand so in der Antike die Vorstellung eines kugelförmigen, die Erde umhüllenden Firmaments. Der Himmelsglobus, als Modell dieser scheinbaren Himmelskugel, bildet den Sternenhimmel jedoch auf dem Äußeren einer Kugeloberfläche ab, wobei die Erde als im Zentrum befindlich und die Kugel als transparent gedacht werden muss. Auf diese Weise erscheinen die Sternpositionen und konstellationen auf der Globuskarte seitenverkehrt. Diese übliche Form der Darstellung wird konvex genannt. Eine zweite Variante der Himmelsgloben zeigt die Sternpositionen und -konstellationen seitenrichtig – so, wie sie sich im Inneren der gedachten Himmelskugel darstellen. Diese Wiedergabeform ist jedoch problematisch, da das Bild dennoch von außen auf der Oberfläche des Globus, und somit falsch gewölbt, betrachtet wird. Diese, als konkav bezeichnete Variante ist daher seltener hergestellt worden. Himmelsgloben geben, im Gegensatz zu Karten, die Beziehungen der Positionen von Himmelskörpern, wie sie sich von der Erde aus darstellen, unverzerrt, in ihrer richtigen gegenseitigen Lage und in ihren Winkelbeziehungen zueinander, wieder. In ein, mit zusätzlichen Ringen und Skalen versehenes Gestell montiert, kann mit dem Himmelsglobus für jeden Ort der Erde und für jede Tages- und Nachtzeit des Jahres der jeweils sichtbare Ausschnitt des Sternenhimmels eingestellt werden. Um seine Achse gedreht, macht er den scheinbaren Lauf der Gestirne um die Erde, mit Auf- und Untergang sowie Kulmination, nach-vollziehbar. Neben den oft sehr dekorativ gestalteten, teilweise sogar künstlerisch anspruchsvollen, bildlichen Darstellungen der Sternkonstellationen befinden sich auf alten Himmelsgloben häufig auch Textinformationen. In einem, zumeist eingerahmten Textfeld, wird der Globus bezeichnet, Autor, Hersteller, (bei Seriengloben) Verleger und oft auch Ort und Jahr der Anfertigung angegeben. Diese Informationen sind, neben dem Kartenbild, für die Interpretation der Globen von großer Bedeutung. Zusätzlich werden manchmal die Quellen der kartographischen Darstellung – Sternkataloge, Himmelskarten und -atlanten – genannt. Weitere Texte können bestimmte astronomische Phänomene und/oder Ereignisse erläutern oder auch Anmerkungen für die Benützung des Globus enthalten. Das Kartenbild moderner Himmelsgloben weist in der Regel keine Texte auf. Viele Hersteller publizierten zu ihren Himmelsgloben Gebrauchsanleitungen, denen oft eine Einführung in die Astronomie vorangestellt war. Globenherstellung Globusinstrumente bestehen aus einer Globuskugel mit Kartenbild, einem Gestell sowie zusätzlichen Messringen und Skalen (Armierung). Die Kugeln können aus unterschiedlichen Materialien, wie Stein, Metall, Holz, Glas, Papiermaché, Karton oder Kunststoff, hergestellt werden. Seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam in Europa üblicherweise folgendes Verfahren zur Anwendung: In einer nach innen gewölbten Form werden zwei hohle Halbkugeln aus Papiermaché modelliert, wobei die Schichtstärke in der Regel nur wenige Millimeter beträgt. Diese Halbkugeln werden nach dem Trocknen zu einem Kugelkörper zusammengefügt. Bei Globen größeren Durchmessers erhöht eine Holzkonstruktion im Inneren der Hohlkugel die Stabilität. Die Kugel wird mit Gips oder einer gipsähnlichen Masse bestrichen und nach dem Trocknen fein abgeschliffen. Auf die Oberfläche wird Papier geklebt. Um einen Einzel- oder Manuskriptglobus herzustellen, wird das Kartenbild direkt auf diese Papierschicht gezeichnet und/oder gemalt. Bei Seriengloben werden nicht nur die Kugel sowie das Gestell mit Armierung in Serie produziert, sondern die Oberfläche der Kugel wird mit einer gedruckten Globuskarte versehen. Dazu muss das Kartenbild unter Anwendung einer speziellen Projektion auf so genannte Globussegmente (sphärische Zweiecke) übertragen werden. Diese Segmente werden auf Papier gedruckt und ausgeschnitten. In feuchtem Zustand sind die Papiersegmente elastisch und können – ohne Falten zu bilden – auf die Kugel aufkaschiert werden. Eine abschließend aufgetragene Firnis- bzw. Lackschicht schützt die Globusoberfläche vor Beschädigungen. Die in Holzschnitt, Kupferstich oder in Lithographie gedruckten Globuskarten mussten aufwändig von Hand koloriert werden, bis dies durch den Einsatz der Chromolithographie und später anderer moderner Farbdruckverfahren nicht mehr notwendig war. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Halbkugeln in großen Pressen maschinell und aus Karton hergestellt. Bei diesem Verfahren entstand eine ausreichend glatte Oberfläche, so dass auf das komplizierte Auftragen und Schleifen der Gipsschicht verzichtet werden konnte. Ab den 1950-er Jahren löste ein vollkommen neues Herstellungsverfahren die Methode der Globenfertigung auf der Basis von Kartonhalbkugeln ab. Thermoplastisch verformbare Kunststofffolien werden in einer speziellen Projektion bedruckt und danach in einem maschinellen Tiefziehverfahren zu Halbkugeln geformt. Während dieses Verformungsprozesses entsteht gleichzeitig das Kartenbild. Die Halbkugeln werden am Äquator verklebt und auf ein, häufig auch aus Kunststoff bestehendes, einfaches Gestell montiert. Je nach Verwendungszweck spielt das Globusgestell eine mehr oder weniger wichtige Rolle. Gestelle können aufwändig als vierfüßige Holzkonstruktion oder einfach als Sockel mit Säule gestaltet sein. Für den Gebrauch des Globus als Instrument muss die Globuskugel in einem Gestell ruhen, das mit mehreren Ringen und Skalen und zusätzlich mit einem Kompass versehen ist. Die Holzarbeiten wurden in einer Tischlerei und die aufwändige Metallbearbeitung in einer mechanischen Werkstatt ausgeführt. Globenherstellung um 1950 Bereits im frühen 20. Jahrhundert wurden Globen zu Massenprodukten. Dennoch verlangte der Produktionsprozess qualifizierte Handarbeit. Der für die Herstellung von Erdgloben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts typische Fertigungsprozess gliedert sich in fünf Bereiche: die Kugelherstellung, den Entwurf und den Druck der Globuskarte, das Aufbringen der Karte auf die Kugel, die Fertigung des Gestells und der Metallteile sowie die Endmontage des Globus. Globuskugel | Speziell gestanzte Rohlinge aus nur wenige Millimeter starkem Karton werden in einer hydraulischen Presse zu Hohlhalbkugeln geformt; jeweils zwei Halbkugeln zu einem Kugelkörper zusammengesetzt, verleimt und die Naht verkittet. Globuskarte | Das in einem kartographischen Verfahren verebnete Bild der Erdoberfläche wird in die Form sphärischer Zweiecke (Globussegmente) übertragen. Das Kartenbild wird mittels Reproduktionsverfahren auf Papier gedruckt und die Segmente aus den Druckbögen ausgeschnitten. Aufbringen der Globuskarte auf die Kugel | Die Globussegmente werden durch Befeuchten elastisch gemacht und können so auf die Globuskugel geklebt werden. Dieses Verfahren setzt Geschicklichkeit und Erfahrung voraus, da sich die Zweiecke je nach Feuchtigkeitsgrad unterschiedlich stark ausdehnen. Die mit dem Bild der Erdoberfläche versehene Kugel wird anschließend gewaschen, getrocknet und zum Schutz gegen Beschädigung mit Lack überzogen. Fertigung des Gestells und der Metallteile | In einer zur Globenfabrik gehörenden Tischlerei und Drechslerei werden aus Holz die Globusgestelle in unterschiedlichen Varianten, mehr oder weniger aufwändig gefertigt. In der Regel bestanden Globusgestelle im 20. Jahrhundert nur aus einer Säule und einem Sockel. Die aus Metall gearbeitete Globusachse und der mit einer Gradzählung versehene Voll- bzw. Halbmeridianring werden in einer mechanischen Werkstätte hergestellt. Endmontage | Durch Öffnungen am Nord- und am Südpol der Globuskugel wird die Metallachse gesteckt. Die Enden der Achse werden (je nach gewählter Gestellform und Preisklasse) an einen Voll- bzw. einen Halbmeridian geschraubt und dieser, meistens in einer Neigung von 23° 27’, am Gestell befestigt. Abschließend wird der Globus geprüft, verpackt und für den Versand vorbereitet. Der Erdglobus des Martin Behaim Der in Nürnberg geborene Martin Behaim (1459 – 1507) unternahm Handelsreisen in Europa, bis hin nach Lissabon. Er lebte später jahrelang in Portugal und nahm von dort aus angeblich an mehreren Schifffahrten entlang der westafrikanischen Küste teil. 1490 bis 1493 entstand unter seiner Anleitung und Mitwirkung in Nürnberg die älteste erhaltene Darstellung der Erde in Kugelform. Der als Einzelstück gefertigte Globus zeigt Europa, Asien und Nordafrika auf der Grundlage überlieferter Erdbeschreibungen und Reiseberichte. Bemerkenswert ist insbesondere die viel zu große Ost-WestErstreckung Eurasiens. Die Westküste Afrikas entspricht den 15. Jahrhunderts, die Darstellung der Ostküste hingegen basiert weitgehend auf Vermutungen. 1492 war der amerikanische Doppelkontinent in Europa noch nicht bekannt, daher befinden sich zwischen der Westküste Europas und der Ostküste Asiens nur Inseln, unter anderem das aus Marco Polos Reisebericht bekannte Zipangu (Japan). Zahlreiche bildliche Darstellungen und Textfelder erweitern die Aussage des Kartenbildes. Geschichte der Globen Erd- und Himmelsgloben sind seit der griechischen Antike bekannt. Da jedoch der Ausschnitt der bekannten Erdoberfläche im Verhältnis zur gesamten Erdkugel sehr gering war, wurden kaum Erdgloben angefertigt. Die Existenz antiker Himmelsgloben, ihre Herstellung aus Stein, Metall oder aus Holz sowie ihre Verwendung ist jedoch in zahlreichen schriftlichen und bildlichen Quellen belegt. Erhalten haben sich lediglich eine, der griechischen Antike zugeschriebene, fast zwei Meter hohe Marmorstatue mit einem Himmelsglobus und zwei kleine Metallgloben aus dem römischen Altertum. Der arabisch/islamische Kulturkreis (der zeitlich unterschiedlich von Spanien bis nach Indien reichte) übernahm die antike Tradition und entwickelte diese weiter. Die ersten arabischen, zumeist aus hohlen Metallkugeln hergestellten Himmelsgloben stammen aus dem 9. Jahrhundert. In Europa erlangte die Lehre von der Kugelgestalt der Erde erst am Vorabend der europäischen Expansion nach Übersee wieder Bedeutung. Sehr wenige Objekte aus dem 15. Jahrhundert sind überliefert. Das bedeutendste ist zweifellos der weltweit älteste erhaltene Erdglobus aus dem Jahr 1492, der in Nürnberg von Martin Behaim (1459 – 1507) als Einzelstück angefertigt wurde. Dieser Globus repräsentiert den Stand der europäischen geographischen Kenntnisse vor den Entdeckungsfahrten von Christoph Columbus, John Cabot und Amerigo Vespucci und zeigt den Ozean zwischen Afrika und Asien daher noch ohne den amerikanischen Doppelkontinent. Im 16. Jahrhundert erlebten Erd- und Himmelsgloben im Zuge der europäischen maritimen und kolonialen Unternehmungen als Modelle, als wissenschaftliche Instrumente, aber auch als Lehrmittel, eine deutliche Aufwertung. Die Serienproduktion von Globen auf der Grundlage von Holzschnitt- und (zumeist handkolorierten) Kupferstichdrucken der Globuskarten setzte ein. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Globen in der Regel paarweise hergestellt: ein Himmels- und ein Erdglobus vom gleichen Hersteller, im gleichen Stil, im gleichen Durchmesser und im gleichen Gestell. Globen entwickelten sich im 17. Jahrhundert einerseits zu kommerziellen Verlagsprodukten, andererseits dienten sie als symbolträchtige, barocke Prunkobjekte, die unter anderem in den Repräsentationsräumen geistlicher und weltlicher Autoritäten aufgestellt wurden. Im 18. Jahrhundert ließ die Qualität der, vor allem in den Niederlanden, in Frankreich, England, Deutschland und Italien hergestellten, kommerziell erfolgreichen Serienprodukte nach. Die in höheren Stückzahlen gefertigten Globen wurden jedoch erschwinglicher und fanden weitere Verbreitung. Bedeutsame Veränderungen auf dem Gebiet der Globen erfolgten im 19. Jahrhundert. Wurden bisher Erd- und Himmelsgloben in der Regel als Globenpaar angefertigt, verzichteten die Hersteller ab etwa 1850 immer öfter auf den Himmelsglobus. Bei der Reproduktion der Globuskarten ersetzte die Lithographie den wesentlich teureren Kupferstichdruck. Gleichzeitig wurde der Funktion der Globen als Instrumente weniger Bedeutung zugemessen; die Montage der Globuskugel erfolgte daher immer häufiger auf einfachen, nur mit einer Säule versehenen Sockeln statt in den teuren vierfüßigen Gestellen. All dies führte zu billigeren Produkten und förderte die Verbreitung der Globen, vor allem ihre Verwendung in Schulen. Große Serien unterschiedlicher Durchmesser wurden von nun an in vielen Ländern produziert. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich der Erdglobus zu einem industriellen Massenprodukt. Insbesondere Kunststoffgloben sind heute in vielen Haushalten der westlichen Welt zu finden. An der Wende zum 21. Jahrhundert wurden virtuelle, auf digitalen Technologien basierende Globen entwickelt. Mit zahlreichen interaktiven und multimedialen Nutzungsmöglichkeiten versehen, stellen diese eine qualitativ neue Entwicklungsstufe in der Geschichte der Globenherstellung dar. Raum 2.1. Vincenzo Coronelli (1650 – 1718) Vincenzo Coronelli gilt als bedeutendster Globenkonstrukteur und -hersteller und als würdiger Nachfolger der erfolgreichen niederländischen Globenproduzenten aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Er wurde am 15. August 1650 als Sohn eines Schneiders in Venedig geboren und trat mit 15 Jahren in ein Minoritenkloster ein. Danach studierte er Theologie und wurde 1674 zum Doktor promoviert. Coronelli entwickelte sich in der Folgezeit zu einem vielseitigen Gelehrten; er betätigte sich nicht nur als Theologe sondern auch als Kosmograph, Kartograph sowie Globenkonstrukteur und er wirkte als Autor und Herausgeber mehrbändiger Atlanten und Bücher – unter anderem eines umfangreichen enzyklopädischen Werkes. Er interessierte sich auch für technische Wissenschaften und ihre Anwendung. Vincenzo Coronelli kompilierte vor allem das Wissen seiner Zeit. Dabei nutzte er alle Möglichkeiten, die sich ihm als einem hochgestellten Mitglied eines katholischen Ordens mit hervorragenden überregionalen Beziehungen boten. Seine organisatorischen Fähigkeiten und die Begabung, sich Unterstützung zu verschaffen, ermöglichten ihm, sein Wissen in Form von Büchern, Karten und Globen zu verbreiten. 1684 gründete Coronelli mit der „Accademia degli Argonauti“ die erste geographische Gesellschaft der Welt, deren Mitglieder aus ganz Europa seine Tätigkeit finanziell unterstützten. Aus bescheidenen Verhältnissen stammend, ermöglichten ihm seine erfolgreichen, wissenschaftlichen Aktivitäten eine beeindruckende Karriere: 1685 wurde er zum Kosmographen der Republik Venedig ernannt und 1701 zum Generaloberen des Minoritenordens gewählt. Von seinen zahlreichen Büchern sind in Bezug auf die Globen zwei hervorzuheben: die 1693 publizierten „Epitome cosmografica“, eine Art Lehrbuch, das seine Vorlesungen in Kosmologie an der Universität Venedig zusammenfasst und unter anderem auch eine Abhandlung über Globen enthält, und das ab dem Jahr 1700 veröffentlichte, sehr seltene „Libro dei Globi“, das die Globussegmente aller seiner in Serie produzierten Globen beinhaltet. Coronelli starb am 9. Dezember 1718 in Venedig. Er wurde in der Kirche Santa Maria dei Frari beigesetzt, wo heute noch seine Grabplatte besichtigt werden kann. Die Globen des Vincenzo Coronelli Wann Coronelli begann, sich erstmals mit der Herstellung von Globen zu beschäftigen, ist nicht bekannt. Überliefert ist aus dem Jahr 1678 die Anfertigung eines (nicht erhaltenen) Manuskriptglobenpaares für Ranuccio Farnese, Herzog von Parma. Diese Globen, jeweils im Durchmesser von 1,75 Metern, erregten die Aufmerksamkeit des außerordentlichen Botschafters Frankreichs in Rom, Kardinal César d’Estrées, der ihn daraufhin 1680 mit der Anfertigung eines prunkvollen Globenpaares für den französischen König, Ludwig XIV., beauftragte. Zu diesem Zweck übersiedelte Coronelli nach Paris und verbrachte dort die Jahre 1681 bis 1683. Er erhielt vielfältige Unterstützung und Zugang zu den aktuellsten geographischen Daten. Die Globen, jeweils im Durchmesser von 3,85 Metern, waren wiederum Einzelstücke. In Bezug auf ihren Informationsgehalt, ihre Konstruktion und ihre Gestaltung stellten sie Spitzenleistungen dar. Ihre eigentliche Funktion lag jedoch im Symbolischen: sie sollten vor allem der Verherrlichung des Sonnenkönigs dienen. In seine Heimatstadt Venedig zurückgekehrt, begann Coronelli, auf der Grundlage der für Ludwig XIV. entworfenen Globuskarten, ab 1686 mit der Serienproduktion eines repräsentativen Globen-paares im Durchmesser von jeweils 110 cm. Der Erdglobus wurde 1688 in Venedig fertig gestellt. Die erhaltenen Exemplare unterscheiden sich nur in der Kolorierung und in der Gestaltung der Gestelle. Von den Himmelsgloben, deren Segmente in Paris und in Venedig gestochen wurden, existieren demgegenüber drei Ausgaben: zwei Konvex-Versionen (Paris 1686 und Venedig 1699) und eine Konkavausgabe (Venedig 1692). Montierte Globen im Durchmesser von 110 cm wurden nur in Venedig und Umgebung verkauft. Für weiter entfernte Interessenten wurden die Kugeln und die Gestelle nach Konstruktionsplänen in der Umgebung des Käufers angefertigt. Dann wurden die aus Venedig gelieferten Globussegmente aufkaschiert und nach den Vorstellungen des Käufers von Hand koloriert. Coronellis repräsentative Prachtgloben im Durchmesser von 110 cm waren für den Adel und für kirchliche Würdenträger gedacht. Sie verkauften sich gut und erreichten eine bemerkenswerte Verbreitung in Europa. Die großen, attraktiven Globen wirkten nicht nur als wissenschaftliche Instrumente und als Sinnbilder für Bildung und Interesse an den Wissenschaften sondern auch als Zeichen für die Einheit irdischen und universellen Wissens und als Statussymbole. Coronelli entwarf auch Globenpaare in kleineren Durchmessern: 1693 Erd- und Himmelsgloben im Durchmesser von 5 und 15 cm, 1696 im Durchmesser von 48 cm und 1697 von 8,5 cm. Somit verfügte er Ende der 1690-er Jahre über die Möglichkeit, Globenpaare unterschiedlicher Durchmesser in Serie zu fertigen und zu verkaufen. Raum 2.2. Bildliche Darstellungen auf den Globen Vincenzo Coronellis Coronellis Prunkgloben im Durchmesser von 110 cm sind reichhaltig mit bildlichen Darstellungen versehen. Nicht nur ihr astronomischer und geographischer Inhalt sondern insbesondere die Gestaltung dieser Bildwelten waren ausschlaggebend für die Funktion der Globen als Repräsentationsgegenstände und Statussymbole „hochgestellter Persönlichkeiten“. Den Himmelsglobus zieren künstlerisch anspruchsvoll im Stil des Barock gezeichnete, außerordentlich detailreiche, figurale Sternbilder, die qualitativ hochwertig in Kupfer gestochen und auf Papier gedruckt wurden. Auf dem Erdglobus befinden sich in außereuropäischen Gebieten zahlreiche, von gängigen, zeitgenössischen Vorlagen übernommene, bildliche Darstellungen, die den abstrakten Karteninhalt deutlich erweitern. Sie erzeugen eine gezielte Inszenierung exotischer Themen – Szenen, die es ermöglichten, von Europa aus das Fremde „in den eigenen vier Wänden“ zu erleben. Seit der Umsegelung Afrikas, der Entdeckung und Eroberung Amerikas und der Expansion der Europäer nach Asien bestand ein Bedarf an Nachrichten aus diesen bislang unbekannten Regionen und über die dort lebenden Völker, der durch teilweise reich illustrierte Publikationen (Flugblätter, Kosmographien und Reisebeschreibungen) gedeckt wurde. Nicht alle dort wiedergegebenen Illustrationen waren der Realität verpflichtet; die Verfasser und Herausgeber nahmen durchaus Rücksicht auf den Erwartungshorizont ihrer Kunden. So wurden nicht nur Personen, technische Gerätschaften, menschliche Siedlungen, europäische und außereuropäische Schiffe, exotische Tiere und Pflanzen sowie Jagd-, Fischfangund Schlachtenszenen abgebildet sondern auch Phantasiegestalten, Fabelwesen und Meeresungeheuer. Die Darstellung von in Amerika beheimateten Völkern, denen die Zubereitung und der Verzehr von Menschenfleisch zugeschrieben wurde, markierte auch auf dem Erdglobus von Coronelli einen Höhepunkt der bildhaften Repräsentation des Fremden. Raum 3 Einleitung Das Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek präsentiert die weltweit umfangreichste öffentlich zugängliche Sammlung von Globen und globenverwandten Instrumenten. Es ist auch die einzige Institution, in der spezifisch Erd- und Himmelsgloben, Globen des Erdmondes und verschiedener Planeten sowie den Globen verwandte Instrumente erworben, erforscht und ausgestellt werden. In Österreich befinden sich weitere bedeutende Globensammlungen in öffentlichem und in kirchlichem Besitz sowie mehrere beeindruckende Privatkollektionen. Universitäre und außeruniversitäre Forschung an und über Globen lässt sich in Österreich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Heute bezieht die Wissenschaft auch die Entwicklung virtueller Globusmodelle auf der Basis digitaler Technologien mit ein. Wien ist Sitz der Internationalen Coronelli-Gesellschaft für Globenkunde, einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft mit Mitgliedern in allen Kontinenten, die sich die Aufgabe gestellt hat, die Beschäftigung mit dem Globus als spezifische kartographische Ausdrucksform, mit seiner Geschichte sowie seiner Stellung im soziokulturellen Kontext zu pflegen und zu befördern. Das enge Zusammenwirken des Globenmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek mit der Globenforschung, der Internationalen Coronelli-Gesellschaft und Privatsammlern macht die Stadt Wien zu einem international bedeutenden Zentrum der Globenkunde. Globen und Globenkunde in Österreich Von der Mitte des 18. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in Österreich Globen erzeugt und theoretische und praktische Entwicklungsarbeit auf dem Gebiet des Entwurfs und der Herstellungsmethoden geleistet. Berühmt sind die Globen des ersten österreichischen Globenherstellers, des Tiroler „Bauernkartographen“, Peter Anich (1723 – 1766). Im 19. Jahrhundert wurden in Österreich qualitativ hervorragende Erd- und Himmelsgloben entworfen und in Serie erzeugt. Spitzenprodukte stammen insbesondere von Joseph Jüttner (1775 – 1848). Ende des 19. Jahrhunderts produzierten die Firmen Schöninger in Wien und Felkl in Prag zehntausende Globen in mehreren Sprachversionen und deckten so vor allem den Lehrmittelbedarf von Schulen. Darüber hinaus erzeugten die kartographischen Verlage Freytag & Berndt und Eduard Hölzel bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Globen. In den 1930-er Jahren entwickelte Robert Haardt (1884 – 1962) in Wien den sogenannten „Rollglobus“, der jedoch nicht in Österreich sondern in Deutschland produziert wurde. Unter dem Begriff „Globenkunde“ wird die Beschäftigung mit den Globen als kartographische Ausdrucksformen, aber auch mit ihrer kultur- und wissenschaftshistorischen Rolle und Bedeutung zusammengefasst. Dabei werden vor allem die Geschichte, Erzeugung und Nutzung der Globen, aber auch die an ihrer Herstellung beteiligten Personen und Firmen untersucht. Studien zum Entwurf und zur Fertigung der Globuskarten, ihrer Grundlagen und ihres Informationsgehaltes sowie Vergleiche mit anderen kartographischen Produkten sind anspruchsvolle Teilgebiete der Globenkunde. Weitere wichtige Aspekte stellen die bibliographische Erfassung und exakte Beschreibung der alten Objekte und die Entwicklung und Verbreitung von Methoden ihrer Erhaltung und Restaurierung dar. Neu ist die Beschäftigung mit virtuellen Globen. In Österreich wurde und wird seit dem 19. Jahrhundert sowohl universitär als auch außer-universitär auf dem Gebiet der Globenkunde geforscht. 1952 gründete sich in Wien der „Coronelli-Weltbund der Globusfreunde“ (heute: Internationale Gesellschaft für Globenkunde). Diese Gesellschaft vereinigt WissenschaftlerInnen, SammlerInnen, MuseumskuratorInnen, RestauratorInnen und HändlerInnen aber auch viele Institutionen und Bibliotheken, die Globen besitzen. Sie veröffentlicht unter dem Titel „Der Globusfreund“, bzw. in der englischsprachigen Version „Globe Studies“, die einzige globenspezifische Fachzeitschrift. Ende der 1940-er Jahre wurde in Wien das weltweit erste (private) Globusmuseum gegründet und wenige Jahre später das Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek eingerichtet. Von diesen Museen gingen wichtige Impulse auf dem Gebiet der Sammlung und Dokumentation der Globusobjekte aus. Robert Haardt und sein privates Globusmuseum Der Wiener Privatgelehrte Ing. Robert Haardt (1884 – 1962) machte es sich zur Lebensaufgabe, die Öffentlichkeit für die wissenschaftlich, technisch und kulturgeschichtlich interessanten sowie kunsthandwerklich oft anspruchsvoll gestalteten Globusobjekte zu sensibilisieren. Eines seiner Hauptziele ab den 1930-er Jahren lag in der Errichtung eines staatlichen Museums, in dem alte Globen zentralisiert und einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden würden. Obwohl Haardt auf namhafte Unterstützung zählen konnte, wurde sein Vorhaben bis zum Ende der 1940-er Jahre nicht realisiert. Daraufhin richtete er in seiner Wohnung im vierten Wiener Gemeindebezirk ein privates „Globusmuseum“ ein, in dem neben seiner eigenen Sammlung auch Leihgaben aus öffentlichem Besitz präsentiert sowie Sonderausstellungen veranstaltet wurden. Robert Haardt gab nicht nur der Forschung über alte Globen wichtige Impulse – er wirkte auch unermüdlich für die Verbreitung von Globen in der Bevölkerung und insbesondere für die Verwendung dieser anschaulichen Modelle im Schulunterricht. Robert Haardt erlangte darüber hinaus Bedeutung als Erfinder des achslosen, mit Einrichtungen zum direkten Ablesen von Entfernungen und Winkeldifferenzen versehenen, sogenannten „Rollglobus“. 1952 initiierte er in Wien die Gründung des „Coronelli-Weltbundes der Globusfreunde“ und wirkte bis zu seinem Ableben als dessen Präsident. Das Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek 1953 verfügte das Unterrichtsministerium die Einrichtung einer staatlichen Globensammlung, organisatorisch und räumlich angeschlossen an die Kartensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek am Josefsplatz. Die in öffentlichem Besitz befindlichen Globen aus Robert Haardts Globusmuseum wurden in die Kartensammlung transferiert und gemeinsam mit dem Globenbestand der Bibliothek ab April 1956 öffentlich zugänglich gemacht. Kontinuierlich und systematisch wurde der Bestand der Globensammlung erweitert, nach und nach errang die Sammlung den Charakter eines Museums – unterstützt von privaten Sammlern, die mehrere seltene Globen als Leihgaben zur Verfügung stellten. 1986 wurden für das Globenmuseum im Gebäude der Österreichischen Nationalbibliothek am Josefsplatz neue Räumlichkeiten adaptiert, die erstmals zeitgemäße konservatorische Ansprüche erfüllten und die Präsentation der Globen – einem didaktischen Konzept folgend – erlaubten. In dem 2005 im Palais Mollard neu eröffneten Globenmuseum werden den Besucherinnen und Besuchern Globen als spezifische kartographische Ausdrucksformen aber auch als Objekte von hoher künstlerischer und handwerklicher Qualität vorgestellt. Neben den alten, wertvollen und unantastbaren Objekten wird zum ersten Mal auch ein virtueller Globus präsentiert. Der Bestand des Museums umfasst mehr als 420 Objekte (2005). Er wird durch Ankäufe kontinuierlich erweitert. Das Hauptgewicht der Sammlung liegt bei den vor 1850 angefertigten Objekten – in dieser Hinsicht handelt es sich um die weltweit zweitgrößte Kollektion nach der des National Maritime Museum in Greenwich (UK). Interessierten, die an und über Globen aus dem Museumsbestand forschen möchten, steht in der Studiensammlung des Globenmuseums ein Benutzerraum zur Verfügung. (Terminvereinbarung am Infodesk) Globenspezifische Fachliteratur wird von der Kartensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek gesammelt und kann dort von den Bibliotheksbenützerinnen und benützern konsultiert werden. Teil des Globenmuseums im Palais Mollard ist das „Kabinett der Sammlerinnen und Sammler“, in dem Dauerleihgaben aus vier bedeutenden Wiener Privatsammlungen individuelle Formen der Beschäftigung mit Globen in heutiger Zeit nach-vollziehbar machen. Raum 4 Armillarsphären Armillarsphären sind seit der Antike bekannte astronomische Instrumente zur Bestimmung der Positionen von Himmelskörpern. Sie können aber auch als Modelle zur Darstellung der astronomischen Koordinatensysteme verwendet werden. Seit dem 16. Jahrhundert werden Ringkugeln im Inneren manchmal mit geozentrischen oder heliozentrischen Modellen des Sonnensystems versehen. Planetarium Planetarien sind nicht maßstabsgetreue Modelle des Planetensystems. Bei diesem Instrument wird durch Drehen der Kurbel eine kreisförmige Bewegung der Planeten Merkur, Venus, Erde (mit Erdmond), Mars, Jupiter (mit vier Monden), Saturn (mit sieben Monden und Uranus (mit sechs Monden) um die Sonne bewirkt. Das Modell kann mit den beiliegenden Zusatzgeräten auch als Tellurium oder Lunarium verwendet werden. Tellurium - Lunarium Tellurien sind nicht maßstabsgetreue Modelle zur Demonstration der Bewegung der Erde um die Sonne (Kerze). Mit einem Lunarium kombiniert, können auch der Lauf des Mondes um die Erde und so die mit diesen beiden astronomischen Bewegungen in Zusammenhang stehenden Phänomene (zum Beispiel Jahreszeiten, Tag und Nacht, aber auch Sonnen- und Mondfinsternisse) veranschaulicht werden. Raum 5 Gerard Mercator Erd- und Himmelsglobus Gerard Mercator (1512 – 1594) gilt als der bedeutendste Kartograph des 16. Jahrhunderts. Er schuf zahlreiche Landkarten und Stadtpläne und entwickelte eine Kartenprojektion, die später nach ihm benannt wurde und heute noch verwendet wird. Mercator half bereits seinem Lehrer an der Universität Löwen (Leuven/Louvain), Gemma Frisius (1508 – 1555), bei der Fertigung von Globuskugeln und Gestellen.* Seine eigenen Globen repräsentieren den Stand der geographischen und astronomischen Kenntnisse in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie weisen darüber hinaus einige Neuerungen auf. So zeichnete er auf seinem Erdglobus erstmals so genannte Loxodromen ein – das sind spiralförmige Linien, die sich asymptotisch einem Pol nähern und dabei alle Meridiane im gleichen Winkel schneiden, und sein Himmelsglobus zeigt zusätzlich zu den klassischen 48 Sternbildern die Konstellationen „Antinous“ und „Cincinnus“ (Haar der Berenike). Mercators Globen sind sehr selten und außerordentlich wertvoll. * Gemma Frisius’ Erdglobus aus dem Jahr 1536 ist – als Dauerleihgabe der Sammlung Rudolf Schmidt – im Kabinett der Sammlerinnen und Sammler zu besichtigen. Virtueller Globus Dieses digitale Faksimile des Erdglobus von Gerard Mercator wurde unter der Leitung von Andreas Riedl im Jahr 2005 von einer Projektgruppe am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien, im Auftrag der Österreichischen Nationalbibliothek, realisiert. Dem wertvollen, unantastbaren Original als interaktives Objekt gegenübergestellt, kann das digitale Modell am Monitor in alle Richtungen bewegt werden. Das digitale Faksimile ermöglicht einerseits eine genaue Betrachtung des Globuskartenbilds in allen Einzelheiten und in stufenloser Vergrößerung, andererseits kann es auf einer zweiten Ebene mit einem Gradnetz und zeitgenössischen Raumdaten, so zum Beispiel den Küstenlinien, dem Gewässernetz oder der Position wichtiger Städte, überlagert werden. Die Realisierung des Virtuellen Globus wurde von der Gesellschaft der Freunde der Österreichischen Nationalbibliothek gefördert. Kartographische Aspekte des Erdglobus Die Erdgloben zeigen nicht nur die Verteilung von Wasser und Land, ihr Kartenbild enthält darüber hinaus zahlreiche kartographische Elemente, wie zum Beispiel das Gradnetz, das durch Breiten- und Längenkreise gebildet wird. Durch die Angabe der geographischen Breite und Länge in Graden und deren Unterteilungen in Minuten und Sekunden kann die Lage eines jeden Ortes exakt bestimmt werden. Der Äquator teilt die Erde in eine nördliche und in eine südliche Halbkugel. Seine Lage ist eindeutig. Der Nullmeridian markiert den Beginn der Zählung der Längenkreise. Dieser kann beliebig definiert werden. So finden sich auf alten Globen unterschiedliche Varianten der Festlegung des Nullmeridians – erst 1913 erfolgte die internationale Übereinkunft, die Greenwich als verbindlich bestimmte. (Abb. 2 bis 5) Oft ist auf alten Globen die Ekliptik dargestellt. Dieser Großkreis markiert die Neigung der Erdachse gegenüber der Ebene des Umlaufs der Erde um die Sonne, von der Erde aus gesehen, die scheinbare Sonnenbahn. Die so genannte Schiefe der Ekliptik (23° 27’) bedingt unter anderem die unterschiedlichen Tageslängen und die klimatischen Unterschiede der Jahreszeiten. (Abb. 1) Die meisten Erdgloben geben auch das Gewässernetz und die Oberflächenformen der Festländer wieder. Im Laufe der Jahrhunderte wurden verschiedene Methoden der Geländedarstellung entwickelt, zum Beispiel die so genannte Maulwurfshügelmanier, die Darstellung mittels Schraffen und Schummerung sowie die Differenzierung der Höhen und Tiefen auf der Grundlage einer Farbenskala. (Abb. 6, 7 und 8) Manchmal sind die Höhen und Meerestiefen auch durch Zahlenangaben bestimmt. Der Vergleich alter Globen macht die Geschichte der Entwicklung der Kenntnisse von der Erdoberfläche nachvollziehbar, da die kartographischen Darstellungen jeweils das topographische Abbild der Erde enthalten, das zum Zeitpunkt ihrer Anfertigung als gültig angesehen wurde – mit allen zeitbedingten Beschränkungen und Fehlern. Manchmal finden sich sogar imaginäre Landmassen. So sind zum Beispiel auf Globen des 16. Jahrhunderts ein, von den Geographen hypothetisch angenommener, riesiger Südkontinent und auf Objekten aus dem 17. Jahrhundert das zwischen Asien und Nordamerika als existent vermutete Land Yeso eingezeichnet. Aber auch von bekannten Ländern sind Informationen kartographisch wiedergegeben worden, die nicht der Realität entsprechen. In Europa war bis ins 19. Jahrhundert vom Inneren Afrikas nur sehr wenig bekannt. Dennoch zeigen die Globen des 17. Jahrhunderts dort eine Vielzahl von Bergen, Tälern, Flüssen sowie Abbildungen von Menschen, Pflanzen und Tieren. Im 18. Jahrhundert konnten sich die Kartographen dann dazu durchringen, Bereiche auf der Karte zuzulassen, die keine Informationen enthielten. Im Zuge der Erforschung des afrikanischen Kontinents im 19. Jahrhundert füllten sich die „weißen Flecken“ wieder – diesmal jedoch mit realistischen Daten. (Abb. 9, 10 und 11) Ein weiteres Phänomen der kartographischen Darstellung geographischer Informationen bietet die Betrachtung Kaliforniens: die zunächst der Wirklichkeit entsprechende Halbinselgestalt wurde im 17. Jahrhundert durch eine falsche, aber aufgrund eines jüngeren Reiseberichtes als richtig angenommene Inseldarstellung abgelöst. Bis zur endgültigen Korrektur dieses Irrtums vergingen Jahrzehnte. (Abb. 12, 13 und 14) Das Kartenbild enthält oft zahlreiche, über die Topographie hinausgehende, raumbezogene Themen bzw. Phänomene. Politische und administrative Grenzen finden sich auf fast allen Erdgloben; alte Objekte zeigen darüber hinaus oft auch bildliche Darstellungen, wie zum Beispiel Schiffe, Tiere und Pflanzen sowie Reiserouten von Entdeckungsfahrten und Expeditionen. (Abb. 15 und 16) Ein wesentlicher Aspekt der Gestaltung der Globuskarten liegt in der Farbgebung. Diese wurde und wird von den Globenherstellern sehr unterschiedlich gewählt – nicht einmal die Weltmeere sind immer blau wiedergegeben. Kartographische Aspekte der Himmelsgloben Himmelsgloben zeigen neben Sternbildern und Sternpositionen oft auch die Milchstraße, veränderliche Sterne, Sternhaufen und Nebel sowie weitere astronomische Phänomene, wie zum Beispiel Kometen. Zur Positionsbestimmung von Himmelskörpern werden in der Astronomie unterschiedliche Koordinatensysteme verwendet. Auf Himmelsgloben sind zwei dieser Systeme, die jeweils ein Gradnetz bilden, von Bedeutung: 1. Das Ekliptikalsystem | Die Grundebene dieses Systems bildet die Ekliptik, die Ebene der Bahn der Erde um die Sonne. Die Pole werden als ekliptikaler Nord- bzw. Südpol bezeichnet. In diesem System werden die Positionen der Himmelskörper in ekliptikaler Länge und ekliptikaler Breite bestimmt. 2. Das Äquatorialsystem | Die Grundebene dieses Systems bildet die Ebene des Erdäquators, die das Himmelsgewölbe im Himmelsäquator schneidet. Himmelsnord- und Himmelssüdpol ergeben sich aus der gedachten Verlängerung der Erdpole in die scheinbare Himmelskugel. In diesem System werden die Positionen der Himmelskörper in Rektaszension und Deklination bestimmt. Manche Himmelsgloben zeigen beide Koordinatensysteme; die Achse der Globen geht jedoch in der Regel durch Himmelsnordund Himmelssüdpol. Schon im Altertum wurden am Himmelsgewölbe nahe beieinander liegende Sterne zu Sternbildern zusammengefasst, benannt und bildlich wiedergegeben. Diese Konstellationen sind auf alten Globen oft sehr dekorativ gestaltet worden, besonders im Barockzeitalter. Die Darstellung der Sternbilder unterlag einem stilistischen Wandel. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts an trat die dekorative, bildhafte Gestaltung in den Hintergrund. Sie wurde zunächst durch unauffällige Konturendarstellungen abgelöst, bis sie vollkommen aufgegeben wurde. Später erfolgte die Darstellung der Sternbilder durch Wiedergabe der Sternbildgrenzen und/oder durch, die Hauptsterne verbindende, gerade Linien. (Abb. 3 bis 10) Es gibt auch Himmelsgloben, die keine Konstellationen sondern nur die Sternpositionen zeigen. Die Anzahl und Benennung der Sternbilder änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. 48 bereits in der Antike festgelegte und der klassischen Mythologie zugeordnete Konstellationen bildeten die Grundlage der europäischen Himmelskartographie. Im Zuge der von Europa aus unternommenen Entdeckungsreisen in südpolare Meere wurden bis dahin nicht bekannte Sterne entdeckt und zu Sternbildern zusammengefasst. Diese waren jedoch nicht verbindlich; die Astronomen nahmen immer wieder neue Zusammenstellungen und Benennungen vor, die den kulturellen Mustern der jeweiligen Epoche entsprachen. Religiöse Hintergründe spielten dabei eine wichtige Rolle, aber auch die Zeit der Aufklärung findet sich am Himmel repräsentiert. So setzte der französische Astronom NicolasLouis Lacaille (1713 – 1762) technische Geräte an den Himmel, zum Beispiel die Sternbilder „Elektrisiermaschine“ und „Luftballon“. Oder es wurde weltlichen Herrschern ein Sternbild gewidmet – der deutsche Astronom Johann Elert Bode (1747 – 1826) führte zum Beispiel zur Verherrlichung des preußischen Königs, Friedrich II., das Sternbild „Friedrichs Ehre“ ein. (Abb. 11 bis 15) Erst 1928 vereinbarte die Internationale Astronomische Union eine verbindliche Einteilung der Sterne in 88 Sternbilder und legte deren Grenzen am Himmel fest. Nicht alle Himmelskörper können auf Globen wiedergegeben werden. Die Auswahl erfolgt in der Regel nach der scheinbaren Helligkeit. Die am Nachthimmel sichtbare, ungleiche Helligkeit der Sterne wird auf der Globuskarte durch unterschiedliche Zeichen dargestellt und in Legenden erläutert. (Abb. 1 und 2) Die wichtigsten Sterne und die Sternbilder sind auf Himmelsgloben mit ihren Namen versehen, manchmal sogar in mehreren, für die Geschichte der Astronomie wichtigen Sprachen. Ein wesentlicher Aspekt der kartographischen Gestaltung von Himmelsgloben liegt in der Wahl der Grundfarbe. Bis zum Einsatz von Farbdrucktechniken war diese in den meisten Fällen die Farbe des Papiers, auf dem gedruckt wurde. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich der typisch blaue Hintergrund durch. Relief- und Themagloben Reliefgloben stellen das Oberflächenprofil der Erdkugel plastisch dar. Um 1810 als Lehrmittel für den Blindenunterricht entwickelt, setzten sie sich bald – als Einzelstücke und Seriengloben gefertigt – als eigener Globustyp durch. Ihre Herstellung war vor der Einführung moderner Kunststoffverarbeitungstechnologien sehr aufwändig. Das Geländeprofil musste mit einer gipsähnlichen Masse in Handarbeit modelliert werden; die Beschriftung erfolgte oft durch Aufkleben gedruckter Schriftstreifen. Erst im 20. Jahrhundert wurden maschinell geformte Teile des Reliefs auf die Kugel geklebt. Auf Reliefgloben können die Geländeformationen nicht maßstabsgetreu wiedergeben werden. Bei einer, den Verhältnissen in der Realität entsprechenden Darstellung des Himalaya-Gebirges auf einem Globus im Durchmesser von 32 cm (das entspricht einem Maßstab von 1:40 Millionen), würde die Höhe des Mount Everest nur 0,22 mm betragen – der höchste Berg der Erde somit nicht erkennbar sein. Daher werden zur Darstellung auf Reliefgloben die Erhebungen der Erdoberfläche mit einem Faktor, meist zwischen 20 und 40, überhöht. Seit 1990 wird ein Reliefglobus hergestellt, der auch das Relief des Meeresbodens wiedergibt. Bei den Themagloben stehen ausgewählte, über die Darstellung der Festländer und Inseln, der großen Stromsysteme und Seen sowie der großen Gebirgszüge hinausgehende erdraumbezogene Sachverhalte im Vordergrund der kartographischen Aussage. Schon seit Martin Behaims „Erdapfel“ bilden Erdgloben nicht nur topographische Gegebenheiten sondern auch zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel Besitz- und Machtverhältnisse, Informationen über Bodenschätze, Produktionsmethoden und Transportbedingungen aber auch Tiere und Pflanzen in fernen Weltgegenden und manchmal sogar Fabelwesen und Meeresungeheuer ab. Die Anzahl dieser so genannten thematischen Darstellungen auf Erdgloben kann außerordentlich umfangreich sein. So enthält zum Beispiel Mang’s Neuer Erdglobus (1936/37) 91 derartige Themen, von kalten und warmen Meeresströmungen über die Routen der Zeppelin-Luftschiffe bis hin zu Opiumanbaugebieten. Als Themagloben werden Globen bezeichnet, deren Karteninhalt von erdraumbezogenen Sachverhalten im weitesten Sinn bestimmt ist – zum Beispiel geologische und geotektonische sowie meteorologische Globen, Klimagloben, wirtschaftspolitische Globen, Weltverkehrs- und Welthandelsgloben. Obwohl allgemein als die übliche Form der Erdgloben angesehen, zählen – streng genommen – auch politischgeographische Globen, also Erdgloben, die Staatsgebiete bzw. administrative Grenzen zeigen, zur Kategorie der Themagloben. Besondere Globustypen Globen weisen eine erhebliche Bandbreite in Bezug auf Größe und Gestaltung sowie auf ihren Verwendungszweck auf. Riesengloben mit Durchmessern von mehr als 10 Metern dienten zum Beispiel als Wahrzeichen für Weltausstellungen; Miniaturgloben wurden als Sammlerstücke hergestellt. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen mechanische Weltmodelle mit beweglichen Erd- und Himmelsgloben. Ein Uhrwerk treibt die Zeiger an und dreht gleichzeitig die Globuskugel. Bewegliche, Sonne und Mond darstellende Metallscheiben geben die jeweiligen Standorte dieser Himmelskörper auf dem Firmament an. Einfache mechanische Uhren mit sich drehenden Globen wurden um 1900 hergestellt. Im 18. Jahrhundert waren so genannte Taschen- oder Sackgloben beliebt. Himmel und Erde symbolisierend, wird die Erdkugel von einem Futteral umschlossen, auf dessen Innenseite die Segmente eines Himmelsglobus eingeklebt sind. In Größe, Robustheit und Gestaltung auf das Zielpublikum abgestimmt, zeigt das Kartenbild eines im 19. Jahrhundert gefertigten Kinderglobus Menschen, Tiere, Pflanzen, Schiffe, Reiserouten und Meeresungeheuer. Aufgrund hoher Herstellungskosten war die Verwendung von Globen in allgemeinen Schulen vor dem Zeitalter der industriellen Massenproduktion nicht möglich. Aus diesem Grund wurden im 19. Jahrhundert billigere Globustypen entwickelt: Faltglobus | Sechs auf biegsamen Karton aufkaschierte Globussegmente werden mittels dünner Fäden so gespannt, dass ein kugelähnlicher Körper entsteht. Aufblasbarer Globus | Dieser wurde auf Basis dünnen und mit dem Kartenbild bedruckten Papiers bzw. luftdichter Seide gefertigt und gemeinsam mit einem Blasebalg und einer Anleitung zum Gebrauch verkauft. Aufspannbarer Globus | Ein regenschirmähnlicher Mechanismus ermöglicht die Entfaltung der, aus einem mit der Globuskarte bedruckten textilen Material bestehenden Oberfläche zu einem kugelähnlichen Körper. Als Lehrmittel für den Geographieunterricht dienten folgende Globustypen: Induktionsglobus | Zur Vermittlung von Grundbegriffen der Geographie oder Astronomie konnten beispielsweise das Gradnetz oder Lagebeziehungen von Kontinenten bzw. Sternbildern zueinander mit Griffel oder Kreide direkt auf die Oberfläche der Globuskugel aufgezeichnet und später wieder abgewaschen werden. Aufklappbarer Globus | Neben seiner Verwendung als „gewöhnlicher Globus“ erleichterte dieser – in Halbkugeln zerlegt und mittels zweier, im Inneren angebrachter Haken an die Wandtafel gehängt – das Verständnis für die Kartenprojektion. Erdglobus mit Kugelhaube | Dieser veranschaulicht geographische Phänomene, die mit dem Lauf der Erde um die Sonne zusammenhängen. In den 1930-er Jahren entwickelte Robert Haardt (1884•–•1962) den so genannten „Rollglobus mit Haardt-Erdmesser“. Rollgloben lassen sich, entweder auf Kugeln oder in einem Gestell auf Filzstreifen gelagert, in alle Richtungen drehen und bieten so einen ungehinderten Blick auf alle Erd- und Himmelsgegenden. Mit einer Messskala können Entfernungen und Winkeldifferenzen direkt abgelesen werden. Eine vollkommen neuartige Entwicklung wurde erstmals gegen Ende des 20. Jahrhunderts realisiert. Immaterielle, virtuelle Globen auf der Grundlage digitaler Programme und Daten ermöglichen nicht nur die Darstellung und Bearbeitung aktueller raumbezogener Sachverhalte, sie können auch mit interaktiven Funktionen ausgestattet werden. (Vitrine 1 in diesem Raum) Globen als Instrumente Erd- und Himmelsgloben wurden in der Vergangenheit auch als wissenschaftliche Instrumente verwendet. Qualitativ hochwertig und präzise gearbeitet sowie mit zusätzlichen Messeinrichtungen (Horizontring, Meridianring, Höhenquadrant, Stundenring und Stundenzeiger sowie Kompass) ausgerüstet, dienten sie als Analogrechner, mit denen zahlreiche geografische und astronomische Fragestellungen mit ausreichender Genauigkeit durch Direktablesen ohne langwierige Rechnungen gelöst werden konnten. Alte Anleitungen zum Gebrauch der Globen enthalten oft Listen derartiger Aufgaben und Lösungsmöglichkeiten, zum Beispiel: – Ermittlung der Position der Sonne innerhalb der Ekliptik für einen bestimmten Tag und einen bestimmten Ort – Bestimmung von Sonnenauf- und Sonnenuntergang und somit auch der Tageslänge sowie der Zeit der Dämmerung für einen bestimmten Ort – Bestimmung der Entfernung zweier Orte der Erdoberfläche mittels Zirkel oder Messskala – Ermittlung der Himmelsrichtung von einem Ort zu einem anderen – Bestimmung der Positionen von Himmelskörpern – Bestimmung des Zeitpunktes von Auf- und Untergang bestimmter Sterne für einen bestimmten Ort – Bestimmung der Zirkumpolarsterne für einen bestimmten Ort – Bestimmung von Sternen, die an einem bestimmten Ort nie sichtbar werden. Diese wissenschaftliche Funktion ging im 19. Jahrhundert verloren. Seitdem werden Globen zumeist ohne die dafür notwendigen Messeinrichtungen hergestellt. Raum 6 Mondgloben Seit Beginn des 17. Jahrhunderts ermöglichte die Erfindung des Fernrohres den Sternenhimmel, aber auch die Oberfläche des Erdmondes genauer zu betrachten. Die Beobachtungsergebnisse der Astronomen wurden auf Karten dokumentiert. 1750 verfasste und veröffentlichte der in Nürnberg und Göttingen wirkende Astronom und Kartograph Johann Tobias Mayer (1723 – 1762) eine Publikation über die Serienfertigung von „Mondkugeln“. Von Mayer sind einige Segmente für einen Mondglobus, nicht jedoch ein montierter Globus überliefert. Der früheste erhaltene Mondglobus stammt von John Russel (1745 – 1806), einem englischen Maler, der 1797 in London eine geringe Anzahl von Exemplaren unter Verwendung gestochener Segmente herstellte. Die Serienfertigung von Mondgloben wurde in Wien eingeleitet. Auf der Grundlage der Karten von Johann Heinrich von Mädler und Wilhelm Beer entwarf Josef Riedl, Edler von Leuenstern (1786 – 1856), die Segmente für einen Mondglobus, der ab 1849 vom Wiener Globenfabrikanten Franz Schöninger produziert wurde. Riedls Mondgloben sind heute außerordentlich selten. Aufgrund der gebundenen Rotation des Mondes um die Erde kann von dieser aus immer nur eine Seite seiner Oberfläche gesehen werden; die andere Hälfte blieb bis zur Umrundung durch Weltraumfahrzeuge unbekannt. Das Kartenbild des in den 1880-er Jahren von dem Pariser Astronomen Camille Flammarion (1842 – 1925) in Zusammenarbeit mit Casimir Marie Gaudibert (1823 – 1901) entworfenen Serienglobus weist auf der Vorderseite 343 nummerierte Formationen auf, die auf der Rückseite alphabetisch geordnet aufgelistet sind. Im Zuge der sowjetischen und der US-amerikanischen Raumfahrtunternehmungen zur Erforschung des Mondes ab den späten 1950-er Jahren nahm die Mondkartographie, aber auch die industrielle Herstellung von Mondgloben einen markanten Aufschwung. Die Umrundung des Erdtrabanten durch die sowjetische Weltraumsonde „Luna 3“ im Oktober 1959 ermöglichte erstmals die Übermittlung von, allerdings noch unvollständigen, photographischen Aufnahmen der Rückseite. Diese Bilder waren die Grundlage für den ersten, vom staatlichen Sternberg-Institut in Moskau produzierten und veröffentlichten Mondglobus, der zumindest einen Teil der bis dahin unbekannten Seite des Mondes wiedergeben konnte. Wenige Jahre später waren durch weitere Weltraumunternehmungen die Lücken geschlossen. Insbesondere nach der Landung der ersten Menschen auf dem Mond wurden in den späten 1960-er und frühen 1970-er Jahren zahlreiche Mondgloben in unterschiedlicher Qualität produziert. Mit dem vorläufigen Ende der auf die Erforschung des Mondes ausgerichteten Raumfahrtprogramme erlahmte jedoch rasch das Interesse der Öffentlichkeit an Mondgloben. Heute sind nur noch wenige Exemplare käuflich zu erwerben. Planetengloben Ab der Mitte des 17.Jahrhunderts begannen Astronomen auch die Oberfläche von Planeten mit Fernrohren zu beobachten und ihre Ergebnisse in Form von Karten und Globen zu verarbeiten. Mars | Vom Mars, dessen Oberfläche 1841 vollständig kartiert vorlag, wurden ab 1863 die ersten Manuskriptgloben in England angefertigt. Der früheste, auf der Basis von gedruckten Globussegmenten produzierte Marsglobus wurde von dem – auch durch die Herstellung von Mondgloben bekannten – Pariser Astronomen Camille Flammarion (1842 – 1925) und dem Direktor der Sternwarte Mendon bei Paris, Eugène Michael Antoniadi (1870 – 1944) entworfen. Das Kartenbild zeigt unter anderem die fiktiven Marskanäle, die Ende des 19. Jahrhunderts Anlass gaben, über die Existenz intelligenten Lebens auf dem Planeten nachzudenken, bis sie als optische Täuschungen erkannt wurden. Aus der gleichen Periode stammt ein, von der bekannten Berliner Globenfirma Ernst Schotte & Co. gefertigtes Objekt. Ein Manuskriptglobus des Planeten Mars stammt von dem Geologen Fritz Kerner-Marilaun (1866 – 1944). Er malte um 1910 eine Darstellung der Oberfläche über die Segmente des handelsüblichen Erdglobus der Firma Felkl, aus Rostok bei Prag. Die Raumfahrtunternehmungen des späten 20. Jahrhunderts lieferten realitätsnähere, auf unterschiedlichen Nah- und Fernerkundungsverfahren basierende digitale Funkbilder von der Marsoberfläche. Auf ihrer Grundlage wurden und werden von USamerikanischen und sowjetischen (jetzt russischen) wissenschaftlichen Institutionen und auch von kommerziellen Herstellern Karten und Globen veröffentlicht. Venus | 1728 zeichnete und veröffentlichte der italienische Universalgelehrte Francesco Bianchini (1662 – 1729?) nach Fernrohrbeobachtungen eine fiktive Karte der, von einer dichten Atmosphäre verdeckten, Oberfläche des Planeten Venus und veröffentlichte seine Darstellung in Form von Globusstreifen, die zumindest auf einem, in Bologna erhaltenen Exemplar montiert wurden. Ein der Realität mehr entsprechender Globus ist erst Ende des 20. Jahrhunderts auf der Basis von elektronischen Messverfahren gewonnener Bilddaten von der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde National Aeronautics and Space Administration (NASA) erstellt und veröffentlicht worden. Raum 7 Das Kabinett der Sammlerinnen und Sammler Alte Globen sind sowohl Zeugnisse historischer geographischer und astronomischer Vorstellungen als auch aufwändiger künstlerischer Gestaltung und kunsthandwerklicher Fertigung. Ihre Herstellung diente der Dokumentation und Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse aber auch repräsentativen und dekorativen Zwecken. Heute sind sie vor allem als wertvolle und dekorative Sammlerstücke, als Ausstellungsobjekte und als Quellen für historische Forschung von Bedeutung. Das Kabinett der Sammlerinnen und Sammler präsentiert Globen aus vier bedeutenden Wiener Privatsammlungen, die dem Globenmuseum als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt wurden. Auf diese Weise werden vier individuelle Annäherungen an das Objekt Globus dokumentiert. Sammlung Peter E. Allmayer-Beck Die Sammlung Allmayer-Beck ist eine der ältesten Privatsammlungen in Österreich. Begründer war der seinerzeitige k.u.k. Ministerpräsident und nachmalige jahrzehntelange Präsident des obersten österreichischen Rechnungshofes, Max Vladimir Freiherr von Beck. Etwa um 1880 bestellte Beck durch Vermittlung der Wiener Nuntiatur verschiedene alte Globen in Rom. Nach längerer Zeit erhielt er die Verständigung, dass für ihn eine größere Kiste aus Rom eingelangt sei, die – laut Zolldeklaration – „Maccaroni“ enthalte. Die Kiste war in der Tat sehr umfangreich und Beck war über die Aussicht, in den Besitz einer derartigen Quantität von Teigwaren zu gelangen, nicht gerade erbaut. Die Eröffnung ergab aber, dass es sich in Wirklichkeit um mehrere Globen handelte, und dass die Zollbehörde das für sie unleserliche Wort „Mappamondi“ als „Maccaroni“ gedeutet hatte. In dieser Sendung waren vermutlich, unter anderen, die hier gezeigten Globen Giovanni Maria Cassinis (1745 – 1824?) (Erdglobus von 1790 und Himmelsglobus von 1792) [AB 2 und AB 3] sowie der Himmelsglobus (1713) von Amanzio Moroncelli [AB 1] enthalten. Amanzio Moroncelli (1652 – 1719), Angehöriger des Silvestrinerordens und Zeitgenosse Coronellis, stellte Globen verschiedener Größe (bis zu 2 Metern Durchmesser) her. Sein Ruhm beruht vor allem auf seinen Manuskriptgloben, von denen nur mehr wenige erhalten sind. Auch der hier gezeigte Himmelsglobus ist ein derartiges Einzelstück (Durchmesser 48 cm). Das Besondere an ihm ist, dass die üblichen, der antikheidnischen Vorstellungswelt entstammenden Sternbilder im Sinne der Religiosität der Barockepoche durch biblische Gestalten ersetzt worden sind. Beck erwarb auch das hier ausgestellte Globenpaar von John Newton (Durchmesser je 31 cm) [AB 4 und AB 5], das aus der ersten Serie von Newton-Globen größeren Durchmessers stammt. Es ist erstaunlich, dass der Forschung kein weiteres Paar dieses Herstellers aus dem Jahr 1801 bekannt ist. Rund ein Jahrhundert nach der Sammeltätigkeit von Beck begann nun ich mit dem Sammeln von Globen und konnte, aufbauend auf dem alten Bestand, die Kollektion sukzessive erweitern – auf den heutigen Stand von ca. 100 Objekten. Obwohl ich wunderbare Sammlungen von Modellen aller Art kenne – fasziniert es mich ungleich mehr, die „Modelle der Welt“ zu sammeln. Wenn auch der Erdglobus schon bald nach Mercator von der geographischen Karte als Orientierungsmittel abgelöst wurde und immer mehr zu einem bloßen Schau- und Museumsstück wurde – in Bezug auf die flächentreue Darstellung der Erdoberfläche kann die Karte dem Globus niemals ebenbürtig sein. Betrachte ich die künstlerisch gestalteten, mythologischen Sternbilder auf alten Himmelsgloben, dann erfüllt mich immer auch ein wenig Wehmut – vermitteln doch die nach 1850 angefertigten Himmelsdarstellungen auf Globen nur noch einen technisch-abstrakten Eindruck vom Universum. Gerne zeige ich hier auch einen der kleinsten Globen meiner Sammlung. Er hat einen Durchmesser von 4,3 cm und ist um 1825 entstanden. [AB 11] Autor oder Hersteller sind nicht bekannt. Vermutlich wurde der Globus in Nürnberg von der Familie Bauer für den englischen Markt hergestellt. Zum Globus gehört eine kleine Schachtel mit der Aufschrift „The earth and it’s inhabitants“ und ein Leporello, das 32 „Volkstypen“ darstellt. Kurioserweise findet man dort neben dem „Sandwich Insulaner“ dem „Irokesen“ dem „Österreicher“ auch den „Tiroler“! Text: Peter E. Allmayer-Beck, Wien, 2005 Sammlung Rudolf Schmidt Seltene oder bisher unbekannte ältere Globen bieten zusätzliche Möglichkeiten zur Forschung: Wer hat Globen wann, wo und wie gemacht; in welchem geistigen und sozialen Umfeld und in welcher Weise wurden sie benutzt; welche Vorbilder hatten sie und welche nachfolgenden Objekte haben sie beeinflusst? Daher ist die Seltenheit auch ein Kriterium für den Aufbau meiner Sammlung. Gemma Frisius (1508 – 1555) steht noch in der Tradition der aristotelisch-ptolemäischen und der frühen christlichen Weltansicht: Die Erde ist das alleinige, schwere Zentrum der Welt, Wasser ist leichter, Luft ist noch leichter, am leichtesten ist das Feuer, nämlich die Planeten, die Sonne, die Sterne. Dem Menschen zu Diensten ist die Natur. Nun sollen Nicolas d’Oresme, Nicolaus Cusanus und schließlich Nicolaus Kopernikus diese Weltsicht umstoßen: Die Erde ist nicht mehr das Gewichtszentrum, sie dreht sich um ihre eigene Achse, wandert um die zentrale Sonne. Sie ist nur ein Planet unter mehreren – die Sterne sind jeweils Sonnen, die wiederum Planeten haben können. Der Mensch ist nicht mehr Beherrscher des Mittelpunktes – all das war damals selbst für Gelehrte schwer zu begreifen. Der junge Gemma Frisius zeichnet Teile eines imaginären Südkontinentes, der die Erde im Gleichgewicht halten sollte, wäre sie nicht feststehendes Zentrum der Welt. [RS 13] Bronze-, auch Silbergloben sind Einzelstücke – dieser Bronzeglobus [RS 7] steht für die Lehrtätigkeit jesuitischer Missionare in China, von denen manche hohen Beamtenrang erreichten. Sie lehrten von der Kugelgestalt der Erde. Im Gegensatz zur traditionellen chinesischen Kartographie, die China im Mittelpunkt einer flachen Erde als „das Reich der Mitte“ zeigt, ist auf diesem kartographisch sauber ausgeführten Globus China überhaupt nicht in seinen Grenzen eingezeichnet. Ist der Globus unfertig, sollten Schüler nach ihrer Kenntnis Flussläufe und Städte einzeichnen („Stummer Globus“) oder lag die Absicht dahinter, die Chinesen nicht damit zu konfrontieren, dass das „Reich der Mitte“ nur ein Teil der überall gleichwertigen Landmassen sei? Das Buch zeigt den Vorgänger Ferdinand Verbiests (1623 – 1688), Pater Adam Schall (1591 – 1666) als Mandarin gekleidet. [RS 6] Mit Willem Janszoon Blaeu (1571 – 1638) und seinen Konkurrenten ist die niederländische Globusproduktion auf ihrem Höhepunkt im 17. Jahrhundert angelangt. Durch Blaeu, der den Zeichner Jan Pieterszoon Saenredam (1565 – 1607) mit der Darstellung schöner Sternbilder beauftragt, werden aus Pappe gefertigte Globen zu Kunstwerken, vergleichbar den für hochgestellte Persönlichkeiten geschaffenen Silbergloben. Blaeu und seine Konkurrenten haben – nach dem Stand des Wissens der Zeit – auch auf Genauigkeit Wert gelegt. [RS 8 und RS 9] Der Elsässer Matthäus Greuter (1557 – 1638) arbeitet in Rom und bringt die Kenntnisse der Niederländer in seine neue Heimat. Sein Erdglobus trägt die Widmung an Jacobo Buoncompagni, Enkel des im 70. Lebensjahr zum Papst gewählten Gregor, Erneuerer des Kalenders. [RS 14, RS 1 und RS 2] Nathaniel Hill (tätig 1746 – 1768), über den wenig bekannt ist, zeichnet auf seinem Erdglobus Loxodromen ein, das sind Linien, welche die Meridiane immer im gleichen Winkel schneiden und spiralig zum Pol laufen. Loxodrome – auf der ebenen Karte in Mercator-Projektion gerade Linien – bedeuten für die Navigation eine wichtige Vereinfachung. Außer diesem Paar ist von Hills Globen gleicher Größe nur ein Paar in Greenwich bekannt. [RS 10 und RS 11] Der Tiroler Peter Anich (1723 – 1766) und der Nordamerikaner James Wilson (1763 – 1855) haben – wiewohl mehr als eine Generation voneinander getrennt – viel gemeinsam: Beide waren Autodidakten, die sogar ihre Werkzeuge zur Globusherstellung selbst fertigten. Anich wurde ein anerkannter Landvermesser und Kartenzeichner, Wilsons Familie setzte nach seinem Tod die Globuserzeugung fort. Sowohl Anichs als auch Wilsons Globen gelten als selten. [RS 17, RS 5 und RS 4]Franz Lettany (1793 – 1863), als Helfer Joseph Jüttners bekannt, hat diesen Globus als wohl einziges eigenes Werk hinterlassen – und das ist auch das einzige bisher bekannte Exemplar. Lettanys Lebensweg ist für die k.k. Monarchie bezeichnend: geboren als Sohn eines Militärschneiders brachte er es zum Feuerwerker und beendete seine Karriere als Oberst – seine Reitkünste wären mäßig, aber er sei ein guter Lehrer… [RS 16] Daniel Friedrich Sotzmann (1754 – 1840) und Johann Ehlert Bode (1747 – 1826) – beide anerkannte Wissenschafter – brachten gemeinsam ein Globuspaar von 31 cm Durchmesser heraus. Bode, dessen Titius/Bodesches Gesetz das astronomische Wissen bereicherte, ist aber auch Autor eines Büchleins über den Gebrauch von Erdgloben. Sotzmann, führend in der Kartographie der Erde, zeichnet, als Leiter des Geographischen Institutes in Weimar, auch als Autor einen 20 cm Himmelsglobus. [RS 15] In Leipzig gründete Johann Georg Schreiber (1676 – 1750) einen Verlag, der unter anderem für den Gebrauch in Schulen Karten, Atlanten und Veduten herausgab. Dieser „Schul“- Globus ist bisher das einzige bekannt gewordene Exemplar. [RS 12] Auch Eduard Selss’ (tätig Mitte 19. Jahrhundert) Globen sind selten. Eine Besonderheit, neben seinen mit einer besonders dicken Gipsschicht überzogenen Kugeln, ist auf dem Horizontring zu sehen: Nur Selss und James Wilson zeichneten beim Sternbild Waage die Waagschalen nach innen gerichtet. [RS 3] Text: Rudolf Schmidt, Wien, 2005 Sammlung Walter Wiesinger Der Globus war und ist das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung, handwerklicher Fertigkeit und technischen Könnens, seine Bestimmung ist der alltägliche Gebrauch. Alte Modelle verlieren den Zweck des „alltäglichen Gebrauchs“; sie werden wieder zu Objekten wissenschaftlicher Forschung. Als Privatperson und individueller Globensammler war für mich ursprünglich jedoch weniger die detaillierte, wissenschaftliche Arbeit das Wesentliche sondern die Ästhetik und die Vielfalt des Modells. Durch andere Sammler wurde ich auf diese Vielfalt der Globen aufmerksam gemacht und so begann ich, mich auf Flohmärkten und in Antiquitätengeschäften umzusehen und auch zu kaufen. Ich habe mich dabei auf Globen aus dem späten 19. Jahrhundert und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spezialisiert. Es ist erstaunlich, wie sehr sich das Kartenbild der Erdgloben auch noch in diesen, eher späten Perioden der Globenherstellung verändert hat. Die Globuskarten zeigen nicht nur politische und geografische Einzelheiten sondern auch wirtschaftliche Details und Verkehrswege zu Land und zur See. Im deutschsprachigen Raum bestand eine relativ große Nachfrage nach Globen, daher überwiegt auf meinen Globen die deutsche Sprache. In vielen Ländern war aber auch schon vor Jahrzehnten ein Bedarf an anderssprachigen Globen gegeben. Ich versuche, mit meinen relativ jungen Globen, die hier ausgestellt sind, die Vielfalt der Sprachen, die Verschiedenheit der Grafik auf Erdgloben sowie die Bandbreite der Globusmodelle zu zeigen. Einige Objekte möchte ich hervorheben: Das Globenpaar für die Buchstützen [WW 5 und WW 6] ist sprachlich unterschiedlich, eine französische Beschriftung wurde für den Erdglobus und eine deutsche Beschriftung für den Himmelsglobus verwendet. Von besonderem Interesse ist der Globus der Firma Freytag & Berndt [WW 12], der eine verstellbare, halbkugelförmige Haube aus schwarzem Blech besitzt. Diese Haube stellt die Nachthalbkugel dar und dient der Demonstration von Tages- und Jahresablauf. Ein in Wien hergestellter Globus [WW 9] zeigt als Besonderheit die von Professor Hugl im Detail erforschte Tages- und Datumsgrenze („Die Curve“), welche von der Beringstraße über die Philippinen und weiter in Richtung Neuseeland verläuft. Sie markiert hier die Grenze zwischen dem 31.12.1875 und dem 1.1.1876. Der kleine Globus mit dem Holzgriff [WW 7] ist mit einer englischen Beschriftung versehen. Der Holzgriff sollte das Halten des Globus erleichtern. Angeblich wurde er in Volksschulen verwendet. Ein Globus meiner Sammlung stammt aus Indianapolis in den USA. [WW 4] Er ist hervorzuheben, weil er ein so genanntes Analemma aufweist, eine Grafik, die die Höhe des Sonnenstands während des Jahres für jeden Tag sowie das Verhältnis Sonnenstand zur Uhrzeit angibt (auf dem Globus westlich von Amerika abgebildet). Die Verwendung von Globen im Unterricht ist eine allgemein anerkannte Methode, um einerseits echte Entfernungen zu zeigen und um andererseits die Relation von Orten zueinander auf der Erde verständlich zu machen. Die heute erzeugten Globen sind meist beleuchtet und oft schon computerunterstützt. Sie sind in Bezug auf Anschaulichkeit und besseres Vorstellungsvermögen ein ideales Hilfsmittel. Text: Walter Wiesinger, Wien, 2005 Die Sammlung Heide Wohlschläger Der Globus ist ein sich stets veränderndes Spiegelbild der Weltgeschichte – Die drei, auf Martin Behaims Erdglobus aus dem Jahr 1492 folgenden Jahrhunderten blieben den großen Entdeckungen vorbehalten: Nord- und Südamerika, damit verbunden die Rückführung der West-Ost-Erstreckung Europas und Asiens auf ihre richtige Größe, Australien, Neuseeland und viele Inseln. Im 19. Jahrhundert wurden in zahlreichen Expeditionen die Nord- und Südpolregionen erforscht, das Innere der Kontinente erschlossen und vervollständigt, kartographische Irrtümer korrigiert. Die Kartographen waren dadurch gezwungen, das Kartenbild der Globen immer wieder zu verbessern. Seit Einführung der Lithographie war dies auch kostengünstig möglich. Das Entstehen von Nationalstaaten und die Kolonialisierung durch die europäischen Großmächte zeigen die Entwicklung der Machtverteilung auf der Erde. Claude Buy de Mornas (gestorben 1783) war einer von vielen französischen Globenherstellern des 18. Jahrhunderts, deren Kupferplatten für die Herstellung von Globusstreifen, entweder aus ihrer Verlassenschaft, oder weil sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren, um 1785 von Charles François Delamarche (1740-1817) aufgekauft wurden. Der Globus zeigt Australien nach den Forschungsreisen Abel Tasmans, 1642-44, einige Inseln, entdeckt in den Jahren 1756, 1767 und 1768, nicht aber Cooks Reiserouten und seine zahlreichen Entdeckungen. Eine spätere Ergänzung unterhalb der Insel Owhyhee berichtet vom Tode Cooks am 14. 2. 1779. [HW 4] Armillarsphäre und Horizontring mit Kalender und Gradteilung geben die Möglichkeit, zum Beispiel die Tageslänge betreffende Aufgaben einfach zu lösen, was vor Erfindung des elektrischen Lichts von entscheidender Bedeutung war. Denn nächtliche Finsternis war der absolute Schrecken aller Wanderer (auch Heerführer). Stellt man die Achse der Armillarsphäre auf die Polhöhe des Beobachters, markiert den Sonnenstand auf der Ekliptik, und dreht dann die Armillarsphäre (auch mit einem Globus möglich) um ihre Achse, kann man für jeden Tag sowohl die geographische Himmelsrichtung als auch die Zeit des Sonnenauf- und unterganges und damit die Tageslänge bestimmen. Der Stand der Sonne in der Ekliptik macht dies mit dem Horizontring ablesbar. Der auf dem Horizontring angebrachte Dämmerungsstreifen (entspricht 18°), zeigt an, wie lange noch Spuren von Tageslicht an einen bestimmten Tag erkennbar sind. [HW 5] Der Globus von Friedrich Piller wurde wohl kurz nach dem sich Johann Baptist Carl Förtsch (1805-1870), 1829 in Würzburg als Lithograph niedergelassen hatte. In Afrika ist der 1830 in seinem Verlauf bereits recht gut bekannte Niger noch ungenau dargestellt, im Norden Nordamerikas ist die von John Richardson (1787-1865) 1825-27 befahrene Küste zwischen Mackenzie und Coppermine River nur strichliert eingezeichnet. Die jüngst eingetragenen Daten sind der Tod Napoleons am „6. Mai 1820“ (richtig: 5. Mai 1821) auf St. Helena und die 1821 entdeckte Süd Orkney Insel. Bisher ist kein weiteres Exemplar dieses Globus bekannt. [HW 2] Der Kartograph Philippe Vandermaelen (1795-1869) begründete 1830 in Brüssel das „Etablissement Géographique de Bruxelles“ und stellte Globen im Durchmesser von 32 und 80 cm sowie ein sechsbändiges Kartenwerk, bestehend aus Globusstreifenteilen, her, welche zu einem Globus von 7,75 m Durchmesser zusammengefügt werden konnten. Von Vandermaelens 32-cm-Globen ist bis jetzt nur noch ein Exemplar aus dem Jahr 1837 bekannt. [HW 1] Die schottische Globusherstellung begann erst um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Der Globus von Alexander Donaldson (tätig 1799 - 1828) zeigt in Zentralafrika eine leere Fläche, noch war weder der Kilimandjaro (1848) und der Mt. Kenia (1849) entdeckt, noch das große Seengebiet und das Kongo-Flusssystem erforscht. Einige politische Änderungen, die schon stattgefunden hatten, haben dennoch keinen Niederschlag gefunden, zum Beispiel der Zerfall Großkolumbiens 1830 oder die aus der Zentralamerikanischen Förderation 1838-1844 entstandenen mittelamerikanischen Staaten. Doch eine wichtige Änderung wurde kurz vor Herausgabe des Globus vermerkt: 1846 wurde auch die westliche Grenze zwischen den USA und Kanada auf den 49. Breitegrad festgelegt. [HW 3] Globen verschiedener Größe geben einen Überblick über die Produktion der Firma Ernst Schotte. Der 1855 gegründete Verlag gehörte zu den bedeutenden Berliner Globusherstellern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bot Globen in zehn verschiedenen Durchmessern und 15 Sprachen an. [HW 6 bis 13] Von den beiden Tellurien Schottes zeigt das russische Exemplar von ca. 1870 [HW 14] nur Tag und Nacht auf der Erde während des Umlaufs um die Sonne, daher steht die Erdache vereinfachend senkrecht zur Bahnebene. Das andere Tellurium [HW 15] macht durch die schiefe Erdachse, die im Umlauf um die Sonne stets zum Himmelsnordpol zeigt, die Sonnenstände und damit die Jahreszeiten deutlich Text: Heide Wohlschläger, Wien 2005