Donnerstag, 24. Januar 2013 20 Uhr, Volkshaus 3. Philharmonisches Konzert Reihe B Blick vom Olymp Ludwig van Beethoven (1770-1827) Ouvertüre »Die Geschöpfe des Prometheus« op. 43 John Psathas (*1966) »View from Olympus« – Doppelkonzert für Schlagzeug, Klavier und Orchester Die Furien Für Yelasto Paithi Tanz der Mänaden Pause Benjamin Britten (1913-1976) »The Rescue of Penelope« – für Sprecher, vier Solo-Stimmen und Orchester Part I Part II Dirigent: Schlagzeug: Klavier: Sprecherin: Solisten: Marc Tardue Berkeley C. Williams Camelia Sima Natalie Huenig Jana Havranova (Athene, Sorpan) Katja Bildt (Artemis, Mezzosopran) Michael Siemon (Hermes, Tenor) Melih Tepretmez (Apollo, Bariton) 1 Der Dirigent Marc Tardue wurde als Sohn franko-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte das Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier und Dirigieren, darüber hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und Klavierbegleiter. Schon kurz nach Beendigung seiner Studien erhielt er von amerikanischen Choral-, Sinfonie- und Opernensembles Engagements als musikalischer Leiter und Chefdirigent. Von 1982 bis 1984 war Marc Tardue Chefdirigent der National Opera von Reykjavik, 1984 gewann er den internationalen Dirigentenwettbewerb »Concours International d’Execution Musicale Ernest Ansermet« (CIEM). 1985 übernahm er kurzfristig beim »Ensemble Instrumentale de Grenoble« Aufführungen der 9. Sinfonie von Beethoven und wurde sowohl vom Publikum wie auch den Musikern dermaßen umjubelt, dass das Orchester ihn umgehend zum Musikdirektor wählte. Unter seiner Leitung wurde das Repertoire des Klangkörpers um große Sinfonien sowie Chor- und Opernwerke erweitert. Zwischen 1991 bis 2002 war Marc Tardue Chefdirigent des Sinfonieorchesters des Theaters Biel (Schweiz), von 1999 bis 2009 des Orquestra Nacional do Porto (Portugal). Seit 2010 ist er Künstlerischer Leiter und Musikdirektor der „Oper Schenkenberg“ (Schweiz). Als gern gesehener Gastdirigent arbeitet er mit renommierten Orchestern im In- und Ausland zusammen. Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc Tardue mit vielen Preisen und Auszeichnungen geehrt, u.a. erhielt er 1989 den französischen Kulturorden „Chevalier des Arts et des Lettres“ und 2004 die »Medalha de Mérito Cultural«, eine der höchsten Ehrungen Portugals. Die Solisten Der in Amerika geborene Soloschlagzeuger der Jenaer Philharmonie Berkeley Williams erhielt seinen ersten musikalischen Unterricht im Alter von 7 Jahren. Nach dem Abitur begann er sein Studium bei dem Schlagzeug-Virtuosen Steven Schick, unterbrach dieses nach einem Jahr, um in einer Rockband zu spielen. Zwei Jahre später studierte er an der DePaul Universität in Chicago bei Al Payson (Schlagzeuger der Chicago Symphony), pflegte aber weiterhin das Jazz- und Rock-Spiel und bekam einen Platz im “Civic Orchestra of Chicago (Jugend Orchester der Chicago Symphony) als Pauker und Schlagzeuger. Eine weitere „Auszeit“ vom Studium führte ihn mit dem “American Wind Symphony Orchestra” durch Amerika, Jamaika und Peurto Rico. Nach seinem Abschluss in Chicago ging Williams nach Boston an das “New England Conservatory of Music”. Dort studierte er Pauke und Schlagzeug bei Vic Firth (Solo Pauker des Boston Symphony Orchestra). Von 1983 bis 1985 war er “Fellow” (Stipendiat) beim “Tangelwood” Summerfest und bekam die SoloSchlagzeugstelle am San Antonio Symphony Orchester. Im Jahre 1986 beendete er sein Studium in Boston und bekam ein Stipendium beim Solo Pauker des Cleveland Orchesters Paul Yancich an der “Cleveland Institute for Music. 1988 ging Berkeley Williams als SoloPauker im Orchester des NCOS nach England und beendete seine Diplomarbeit im “Orchestral Studies” am “Goldsmith’s College, University of London” mit Auszeichnung. Das Jahr 1989 führte den Schlagzeuger nach Berlin, wo er sein Studium in der Berliner Philharmonie fortsetzte, als freischaffender Musiker tätig und Mitglied bei Spectrum Concerts sowie des Boris-Blacher-Ensembles war und 1991 schließlich als stellv. Solopauker an die Jenaer Philharmonie. Berkeley Williams ist gern gesehener Gast bei anderen Orchestern Deutschlands u.a. beim NDR Hamburg, den Berliner Philharmonikern, dem Hessischen Rundfunk sowie der Dresdner Staatskapelle, wo er in mehreren Fernseh-, Funk- und CDAufnahmen mitwirkte, sowie Tourneen durch Europe und Japan unternahm. 2008 reiste er mit den Bochumer Symphonikern nach New York, um „Die Soldaten“ von Bernd Alois Zimmermann aufzuführen. Sehr aktiv ist Williams auf dem Gebiet der Musikvermittlung tätig; das zeigt sein Engagement beim Projekt „Musiker in der Schule“ sowie seine pädagogische Tätigkeit der Musik- und Kunstschule Jena. 2 Die Pianistin Camelia Sima wurde in Constanta (Rumänien) geboren und erhielt mit sechs Jahren ersten Unterricht in den Fächern Klavier und Musiktheorie. Im Alter von 13 Jahren wechselte sie nach Bukarest auf das Spezialmusikgymnasium »Dinu Lipatti« und später an die Musikakademie. Ihre Ausbildung setzte sie in Prag, Wien und London fort. Ein Jahr später debütierte sie als Solistin mit Johann Sebastian Bachs d-Moll-Konzert. Es folgten Auftritte mit einem breiten Repertoire von Mozart bis hin zur Moderne. Nach dem Studium wurde sie Pianistin der Philharmonie Brasov (Kronstadt) und lernte dort ihren Kammermusikpartner und späteren Ehemann Marius Sima kennen. Zusammen als Duo (Violine und Klavier) oder als Trio führen sie ein sehr aktives Konzertleben. Seit 1990 lebt Camelia Sima in Jena. Konzertreisen führen sie jedoch regelmäßig in die Musikmetropolen Europas, Asiens und den USA. Zahlreiche CD-Aufnahmen und Preise bei verschiedenen Wettbewerben dokumentieren ihr breit gefächertes Schaffen. Natalie Hünig wurde in Trier geboren. Ein erstes Engagement 1998 bei Armin Petras trat sie am Theater Nordhausen an und hatte die Co-Leitung des dortigen Theaterjugendclubs inne. Ab 2001 arbeitete sie ein Jahr freiberuflich mit Gastengagements am Theater Biel, Staatstheater Kassel sowie am LOOFT in Leipzig. Unter Claudia Bauer war sie bereits von 2002 bis 2003 fest am Theaterhaus Jena engagiert. Zwischen 2003 und 2011 arbeitete sie als freischaffende Schauspielerin, u. a. an den Theatern Aachen und Konstanz, am TheaterschaffT Leipzig/Berlin, Theaterhaus Jena und am Staatstheater Kassel sowie als Sprecherin für den MDR; außerdem ist sie Sängerin der »Maria-König-Kapelle«. Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie wieder Ensemblemitglied des Theaterhauses Jena. Jana Havranová wurde in der Slowakei geboren und erhielt ihre erste musikalische und stimmliche Ausbildung am Konservatorium in Bratislava. Mit 21 Jahren debütierte sie als Despina am Staatstheater Košice. Anschließend erwarb sie sich ein umfangreiches Repertoire in den verschiedensten Rollen. Von 1995 bis 1998 war sie Ensemblemitglied an der Staatsoper Prag, wo sie u.a. als Jenůfa in der gleichnamigen Oper von Leoš Janáček, als Margarete in Goethes »Faust« sowie als Pamina in Mozarts »Zauberfllöte« zu hören war. Gastspiele führten sie an die Theater in Ulm, Kiel, Münster und Bonn nach Magdeburg, Weimar und Salzburg sowie nach Aachen und Wiesbaden. Von 2006 bis 2010 war Jana Havranová Ensemblemitglied am Theater Freiburg im Breisgau, wo sie u. a. Ciocio-San in »Madame Butterfly« sang. Dafür bekam sie eine Nominierung als »Sängerin des Jahres 2008« in der Fachzeitschrift »Opernwelt«. Seit der Spielzeit 2010/11 ist sie freischaffend tätig; neben ihrer Bühnentätigkeit tritt Jana Havranová regelmäßig auch als Lied- und Oratorien Sängerin auf. Katja Bildt, in Nürnberg geboren, erhielt ersten Gesangsunterricht bei Gabriele Czerepan von Ullmann. 2004–2006 absolvierte sie die Berufsfachschule für Musik Kronach im Hauptfach Gesang bei Helga Kutter, ab 2006 studierte sie an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar Gesang bei Prof. Siegfried Gohritz. Bereits 2009 gastierte sie mit Beethovens 9. Sinfonie in Bangkok mit dem Thailand Philharmonic Orchestra. 2010 sang sie Bachs h-Moll-Messe unter Leitung von G. Ch. Biller sowie mit der Jenaer Philharmonie die Hexe in »Hänsel und Gretel« unter Leitung von Cornelius During und Dorabella in »Così fan tutte« unter der Leitung von GMD Nicholas Milton. Am Theater Nordhausen war sie 2011 in »Der Raub der Lukrezia« mit der Titelpartie zu erleben. In der Spielzeit 2012/2013 ist Katja Bildt Mitglied im Thüringer Opernstudio. Michael Siemon wurde in Hessisch Lichtenau geboren und erhielt schon als Kind grundlegenden Unterricht auf verschiedenen Instrumenten. Seinen Entschluss, den Gesang zu 3 seinem Beruf zu machen, setzte er zunächst mit einem Studium an der Musikhochschule Saarbrücken um, wo er als Schüler von Berthold Hirschfeld im Jahr 2006 sein Diplom erwarb. Es folgten Engagements an den Opernhäusern in Bielefeld, Braunschweig, GeraAltenburg, Essen und Nordhausen sowie bei den Opernfestspielen in Merzig und Heidenheim. Als Preisträger des Gesangswettbewerbs der Kammeroper Schloss Rheinsberg sang er dort in 2008 den Belmonte in »Die Entführung aus dem Serail«. Des Weiteren zählen Tamino in der »Die Zauberflöte«, Belfiore in »Die Gärtnerin aus Lieb«e, Don José in „»Carmen“«, Walther von der Vogelweide in »Tannhäuser«, Alfred in »Die Fledermaus« und Edwin in »Die Csárdásfürstin« zu seinen wichtigsten Fachpartien. Seit der Spielzeit 2011/12 ist Michael Siemon Mitglied des Ensembles der Theater Krefeld-Mönchengladbach. In der Spielzeit 12/13 debütiert er als Sou-Chong im »Land des Lächelns« und als Fenton in »Die lustigen Weiber von Windsor«. Neben der Oper widmet er sich mit großer Hingabe dem Lied und Oratorium. Er ist ein gern gesehener Gast bei zahlreichen Chören und Orchestern in ganz Deutschland. Der Bariton Melih Tepretmez studierte von 1994 bis 2001 Gesang an der Cukurova Universität, Adana. Ab 2001 setzte er sein Studium an der Universität der Künste Berlin fort. 2003/2004 war er am Opernstudio in Marseille engagiert und debütierte am dortigen Opernhaus. Im Februar 2002 wurde er beim Internationalen Gesangswettbewerb der Kammeroper Schloss Rheinsberg ausgezeichnet. Im gleichen Jahr trat er an der Zeitgenössischen Oper Berlin in »Le vin herbé« auf. Es folgte die Partie des Giovanni in »Der Glockenturm« von Ernst Krenek. 2003/2004 spielte er an der Opéra de Marseille den Hauptmann in »Eugen Onegin« und gastierte mit dem Orchestre d’Auvergne (Colas in «Bastien und Bastienne«) und mit dem Orchestre National Bordeaux Aquitaine (»Pulcinella«). In der Spielzeit 2006/2007 wechselte Melih Tepretmez an das Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen, und war dort u. a. als Don Giovanni, Frank (»Die Fledermaus«), Escamillo (»Carmen«) und Marcello (»La Bohème«) zu erleben. Seit der Spielzeit 2008/2009 ist Melih Tepretmez am Staatstheater Nürnberg engagiert und sang hier Fieramosca in Berlioz’ »Benvenuto Cellini«, Le Camoens in »Don Sebastian«, Sir Riccardo Forth in »Die Puritaner« und den Pharao in »Moses und Pharao«. Die Komponisten und ihre Werke Es erwartet sie heute ein Abend, der ganz der griechischen Mythologie gewidmet ist. Eine Sagenwelt, die phantastische Geschichten von Abenteuern, Liebe und Familienintrigen in sich birgt. Die Schicksale auch noch so verschiedener Akteure wie Götter, Ungeheuer und liebliche Geschöpfe sind miteinander verknüpft. Die Werke des heutigen Konzerts thematisieren die Unabhängigkeit der Menschen von den Göttern durch das prometheussche Geschenk des Feuers (Beethoven), die Energie der Welt – symbolisiert durch die Rachegöttinnen und Naturgeister (Psathas) und den Sieg des moralisch Guten über das lauernde Böse durch Penelope und Odysseus mit Hilfe der Götter (Britten). Versinken sie in eine lang vergessene Zeit. Getreu ihrer Funktion eröffnet die Ouvertüre aus der Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus op. 43 von Ludwig van Beethoven das heutige Konzert. Ganz im Sinne der Aufklärung benutzt Beethoven um 1800 das Sujet des aufsässigen, sich von der Bevormundung durch die Götter emanzipieren wollenden Prometheus für eine Ballettmusik, deren Ziel es sein sollte, den Menschen des 19. Jahrhunderts durch ein gutes Beispiel, nicht durch Zwang, Kultur und Selbstbestimmung zu vermitteln. Prometheus ist für Beethoven das Ideal eines Weltverbesserers, welches er zu diesem Zeitpunkt in Napoleon erkannte. 4 Die Komposition beginnt mit mehreren wuchtigen Akkordstößen – ein echter Beethoven. Gegen diesen Kraftausbruch wird nun eine ruhigere Überzeugungsrede gestellt. Die Streicher treiben in der Folge das Geschehen voran, das Orchester stimmt heftig mit ein. Man hört förmlich den Triumph des Titanensohns über die Götterwelt heraus. Die Ouvertüre endet wie sie begonnen hat; mit mächtigen Akkordschlägen, die keinen Widerspruch dulden. Die Szenerie ist eröffnet. Nun treten die Akteure auf: John Psathas ist das Kind griechischer Einwanderer. Ähnlich wie heute, war die Wirtschaft Griechenlands in den 1960er Jahren am Boden. Die Menschen führte die Not ins Ausland. Psathas Eltern entschieden sich, ans andere Ende der Welt – nach Neuseeland zu ziehen. Dort wurden er und seine Schwester Tania geboren. Die Familie besaß ein griechisches Restaurant, in dem die Kinder bis in die Abendstunden mithalfen. Während seiner Kindheit war Psathas aufgrund seiner griechischen Abstammung ein Fremder in seinem Geburtsland, ohne Freunde. Am Abend zog er sich deshalb allein zurück, hörte sich Schallplatten seiner Eltern und Musik im Radio an. Am meisten aber faszinierte ihn das Klavier, mit dem er selbst Musik erzeugen und mit ihr Gefühle in anderen Menschen hervorrufen konnte – genauso, wie er es bei Beethoven oder Bach empfand. Er entschied sich deshalb frühzeitig für ein Musikstudium, welches er u.a. mit Auftritten in einer Jazz-Gruppe finanzierte. Seine Studien setzte er in Belgien fort, wo er – ebenso wie später bei Aufenthalten in den USA – auf andere Künstler und Komponisten traf und mit diesen Erfahrungen, Stile und Können austauschte. Freundschaften entstanden. So auch die zwischen John Psathas und der Schlagzeugerin und Komponistin Evelyn Glennie. Sie erkannte schon frühzeitig, welche Energie in seinen Werken steckt. Deshalb nahm sie seine Kompositionen in ihr Repertoire auf und spielte sie in ihren Konzerten auf der ganzen Welt, wodurch er eine große internationale Popularität erlangte. Aus Dankbarkeit schrieb er ihr einige Stücke für Schlagzeug, u.a. View from Olympus. John Psathas’ Musik ist geprägt von den unterschiedlichsten Einflüssen. Er sagt, dass er alles aufnimmt, was ihm im Alltag begegnet. So macht er keine Unterschiede zwischen den Stilen: Klassik, Rock, Jazz oder Folklore und vermischt die musikalischen Merkmale der Kulturen miteinander. Er sucht dabei jedoch nach Gemeinsamkeiten, nicht nach Unterschieden! Dies können wir heute an seinem Stück »View from Olympus« verfolgen. Der Berg Olymp ist der Treffpunkt der Götter für Versammlungen und Feiern. Diese Gesellschaft wird im ersten Satz von den Furien versinnbildlicht. Dieser Satz stellt die göttliche Energie und Kraft sowie die Rechtsprechung über den Menschen dar. Um uns den Inhalt besser verständlich zu machen, benutzt er das Bild der drei Furien, die Göttinnen der Rache oder Gerechtigkeit: Alecto (die Unablässige) könnte mit der Anfangs-Hektik dargestellt sein - Megeara (die Neidische) wäre dann mit dem Violin-Solo und mit der Jazz-Sequenz Tisiphone (die Mord-Rächende) vertont. Der gesamte Satz ist schnell und hektisch, man kann förmlich die Furien erkennen, wie sie durch die Welt hetzen und für Gerechtigkeit sorgen. Im zweiten Satz wird die Energie des Menschen (Individuums) ganz ursprünglich im Kind beobachtet: das Lachen eines Kindes. Inhaltlich benutzt er für diese Atmosphäre die Darstellung eines Hauses am Meer in Griechenland, das Haus seiner Eltern. Mit einem Windspiel (Röhrenglocken) leitet er uns musikalisch in diese Szene über. John Psathas schreibt über diesen Satz: »Hier drücke ich die Gefühle für meine Kinder Emanuel und Zoe aus. In diesem Satz ist ebenfalls der Sommer verewigt, den ich im Haus meiner Eltern verbracht und an diesem Konzert gearbeitet habe. Das Haus befindet sich außerhalb des Dorfes von Nea Michaniona auf einem Felsen mit dem Blick auf das Ägäische Meer und den Olymp.« Diese fast ätherische Stimmung wird mit dem letzten Satz, dem Finale, aufgebrochen. In ihm lässt Psathas der Naturgewalt freien Lauf. Ihre Kraft wird mittels des Tanzes der Mänaden, der Naturgeister, versinnbildlicht. Dieser ist Dionysos, dem Gott der Natur und der 5 Fruchtbarkeit gewidmet. Sein weibliches Gefolge ehrt ihn mit Gedichten, Gesängen und Tänzen, wobei sie ihren Thyrsus, einen mit Efeu und Weinranken umwundenen, oben mit einem Fichtenzapfen versehenen Stab, in die Luft heben. Sie streifen durch die Wälder, wobei ihr Haar frei im Wind flattert und sie mit Reh- oder Pantherhaut bekleidet sind. Oft überkam sie aber auch eine wilde und grausame Lust, in welcher sie junges Wild mit den Händen zerrissen und das Blut der Tiere tranken. Die Folge des Energiestaus - wenn man etwas unterdrückt oder sich einschränkt und es nicht in einer extatischen Kulthandlung herauslassen kann – führt zum Ausbruch der Mänaden (z.B. in Form eines Krieges, entfesselte Naturgewalt etc.). Hier findet die Verwandlung von positiver in negative Energie statt. Um diese Kraft und Energie musikalisch darzustellen, benutzt der Komponist ein stechendes Melodie-Motiv zu Beginn dieses letzten Satzes. Der Tanz der Mänaden findet in der Heimat seiner Eltern Nordost-Griechenland statt, das an die Türkei angrenzt. Mit Hilfe des Hackbretts, welches zur Instrumentenfamilie der Zithern gehört, gestaltet er eine griechischorientalische Musikszene. Hinzu kommt die musikalische Nachahmung eines Tanzes: der Klang eines Tamburins. Zum Schluss bäumt sich alles zu einem großen Wutausbruch auf, die Vorstellung der aneinanderschlagenden Thyrsusstäbe wird vermittelt. Die Entladung aller Energie - Die Naturgewalt. Das alles verbindende Moment dieses Stückes ist die Energie und die Kraft, welche in allem steckt. Energie hier als Äther, das die Welt im Innersten zusammen hält. Der Grundgedanke befasst sich mit der Lebensenergie: lebe dein Leben im Jetzt und Hier und lasse dich nicht von Erwartungen oder Vorurteilen einschränken. Behandle andere, wie du selbst behandelt werden möchtest. Dies ist nicht nur Musik, dies ist eine von John Psathas vertonte Lebenseinstellung. Im zweiten Teil des Konzerts feiern wir einen Jubilar. Benjamin Britten wurde 1913 in Lowestoft (Suffolk, England) geboren. In diesem Jahr finden weltweit Aufführungen seiner bekanntesten Werke statt. Die Jenaer Philharmonie hat sich einen längst vergessen Edelstein erwählt. Der schlechten Darbietung im Radio 1943 geschuldet, geriet das Stück in die Kritik und wurde ad acta gelegt. Auch Britten selbst hatte nach den Querelen während der Entstehungsphase keinen Anreiz mehr, sich je wieder der Rettung der Penelope zuzuwenden. Das Stück geriet in Vergessenheit. Basierend auf diesem Radio-Drama, welches über zwei Abende von der BBC ausgestrahlt wurde, erarbeitete Chris de Souza, ein Komponist und Produzent, Anfang der 1990er Jahre eine Konzertversion. Er blieb dabei sehr nah an der musikalischen Vorlage und am Text von Edward Sackville-West sowie Homer. Er erfasst den Geist Brittens, nimmt die feinsinnige Orchestrierung auf und bringt ein Juwel hervor. Bereits in seiner »Penelope« lässt sich Brittens musik-dramatisches Potential, welches er später in seinen berühmten Opern ausprägt, erkennen. »Die Rettung der Penelope« ist reich an einprägsamen Themen, die Figuren besitzen eigene Motive. So spielt während Athene spricht die Trompete im Hintergrund. Die nicht artikulierte Penelope wird mittels einer Solo-Saxophon-Melodie dargestellt. Die Musik zeichnet genaue Abbilder der jeweiligen Situation: wie Odysseus bei seiner Heimkehr in einen alten Mann verwandelt wird, um nicht erkannt zu werden oder wie er die schmarotzenden Freier tötet und somit Penelope aus deren Händen befreit, die 20 Jahre treu und standfest auf seine Rückkehr gewartet hatte. Es fällt auf, dass Britten ohne die beiden Hauptakteure Penelope und Odysseus selbst zu Wort kommen zu lassen, ihre Geschichte mit musikalischer Kunstfertigkeit in Bilder fassen kann. Vier Götter, Athene (die Schutzgöttin des Odysseus), Artemis (die Verteidigerin der Schwachen, Frauen und Kinder), Hermes (der Götterbote, Gott der Reisenden) und Apollo (der für das Licht und den Frühling steht), geleiten uns durch die Handlung, welche in zwei Teile (Part I und II) untergliedert ist; Zuerst die Ankunft und das Erwachen des Odysseus, der 6 seine alte Heimat wiedererkennt und das Wiedersehen mit Penelope ersehnt. Es folgt der zweite Teil, der vom Kampf für die Freiheit und der Rettung seiner Frau handelt. Jessica Brömel, M.A. Die Rettung der Penelope – Benjamin Britten (Textauszug Singstimmen): PART I Athene: Hermes! Hermes! Rühr’ die Luft! Feg’ den Regen fort! Weit über das Meer! Hör’ Athenes Ruf! Hermes: Ich hör’s, ich komm’! Ich hör’s, ich komm’! Westwind, sei mein Wort! Heb’ mein Haupt! Bleib’ mir treu! Hermes: Er lebt! Er ist hier! Er lebt! Er ist hier! Odysseus, Odysseus Kommt an Land im Schlaf! Athene: Hermes! Hermes! Erzplünd’rer! Verrat’ mich nicht! Rasch! Sei still! Ithaka fordert Recht. Hermes: Ich geh‘, Ich geh‘, Ich geh‘. Athene: Lebt wohl! Ihr habt’s vollbracht. Lebt wohl! Nun beginnt der letzte Wettkampf. Wach’ auf aus dem tiefsten und längsten Schlaf! Odysseus, heb’ die Lider! Lerne neu: dies ist dein Heim. Odysseus, Odysseus, Odysseus. Apollo, Hermes, Artemis: Geh hin! Zu dem leuchtenden Berg Darunter Reben Weins Geh hin, geh hin! Kein Leid gescheh‘ Dem, der setzt auf blühend Grund Auf Lotus und auf Marschringelblumen Bedächtig seinen Fuß. Hab Geduld! Odysseus, Odysseus, Odysseus! PART II Hermes: Befrei’ dein Gemüt Und leg’ ab deine Lieb‘! Streu’ aus den Flügelschwarm Sternheller Worte! Wehr’ dich rechts von dir! Wehr’ dich links von dir! Feind streckt ein Bein aus, Dass du stolperst, Streckt die Hand, dich zu fangen, Greift dich beim Arm. Geh’ und sei kühn! 7 Athene: Vortreffliche Stunde Fügt sich dem Pulsschlag des Gotts. Hermes: Folg’ meiner Stirn in der Spalte im Fels, im reißenden Strom, der Biegung des Baums, der Wolken Jagd. Geh’ und sei kühn! Athene: Vortreffliche Stunde Fügt sich dem Pulsschlag des Gotts. Hermes: Sei so wie ich! Herzlos, pfeilschnelles Haupt, geschwung’ner Mund der Verachtung, Antlitz falschen Würfels. Lass nicht Raum dem Denken and’rer, Sei der selbe, der immer du warst. Geh’ und sei kühn! Athene: Vortreffliche Stunde Fügt sich dem Pulsschlag des Gotts. Hermes: Kühn! 15. Athene: Telemachos! Telemachos! Sei schnell und heimlich. Find’ der Verräter Waffen. Fass und versteck sie gut. Einhalt gebiet ich der Dämm’rung, und du gleit durch den Vorhang des Tags. Allein: sei schnell! Allein: sei schnell! Hermes: Oh Blume der Sonn‘, Bring’ Zweifeln Tod. Lass’ Leben fließen neu. Artemis: Oh, der Parzen Dieb, Stiehl’ Herzen du. Tröstung und Glauben schenk’. Apollo: Oh Rose des Winds, entfalt’ Herzenssaat in welker Seelen Hüll‘. Hermes, Artemis, Apollo: Oh Krone des Lichts, Bau Mauern auf. Sich’re und rüst‘ die Flut. Athene: Ich schenke Trost. Ich bring’ Zweifeln Tod. Ich brech’ dem Frieden Bahn. Ich klied‘ den Geist in Gold. Athene, Artemis, Hermes, Apollo: Krone des Lichts! Rose des Winds! Der Parzen Dieb! Blume der Sonn‘! Wir bau’n die Mauern auf! 8