Hartmut Fröschle Die Deutschbrasilianer einst und jetzt Rund 200 Jahre deutschsprachige Einwanderung und Siedlung in Brasilien. Ein Überblick Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass im deutschsprachigen Mitteleuropa – dem Teil Europas, der die längste und umfassendeste Auswanderungsgeschichte dieses Erdteils hat - in den Heimatländern von der Geschichte seiner Ausgewanderten, ihren Lebensumständen und Leistungen in den adoptierten Ländern sehr wenig bekannt ist. Dies ist besonders ausgeprägt in Deutschland, aber in Österreich und der Schweiz wahrscheinlich nicht viel besser. Deshalb bin ich dem Österreichischen Staatsarchiv verbunden, dass es mir die Gelegenheit bietet, vor einem geschichtlich interessierten Publikum über einen Aspekt dieses weithin unbeackerten Gebietes zu referieren. In den Ethnischen Studien Nordamerikas, zu denen ich mit dem von mir gegründeten und lange mitherausgegebenen Deutschkanadischen Jahrbuch/German-Canadian Yearbook einen Beitrag geleistet habe, bezeichnet man im allgemeinen als „Deutsche“ alle deutschsprachigen Einwanderer und ihre Nachfahren, gleichgültig aus welchem Herkunftsstaat sie kamen. Als entscheidend für die kulturelle Prägung einer ethnischen Gruppe wird also die Sprache, nicht die geographische und staatliche Herkunft angesehen. Deutschsprachige Einwanderung nach Brasilien z.B. erfolgte aus den heutigen Staaten Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien, Polen, der Tschechei und Slowakei, Rumänien, Ungarn, Kroatien und Serbien, aus Russland, den USA, Mexiko, Paraguay und anderen Ländern. Nur innerhalb der sprachlichen Gemeinsamkeit einer ethnischen Gruppe ist es sinnvoll, herkunftsmäßig regional differenzieren. Ähnlich wie in Nordamerika verhält es sich in Lateinamerika. Dieser historische Hintergrund muss immer im Auge behalten werden, wenn im Zusammenhang von Aus- und Einwanderung von Deutschen gesprochen wird. 1807 war der portugiesische Prinzregent Dom Joao VI. vor Napoleon nach Rio de Janeiro geflüchtet, welchen Ort er zum Regierungssitz machte. 1808 wurden die Häfen der portugiesischen Kolonien in Südamerika für Fremde geöffnet, es ist der Beginn der Zulassung ausländischer Einwanderung. Wenn auch die deutsche Gruppeneinwanderung erst 1819 bzw. 1824 begann, so ist festzuhalten, dass eine Reihe deutscher Wissenschaftler und Experten bereits ab 1810 im Lande wirkte, so dass man berechtigt ist, von ca. 200 Jahren deutschsprachiger Einwanderung nach Brasilien zu sprechen. Zwei Namen mögen stellvertretend für dieses frühe wissenschaftliche Engagement nach der Öffnung des Landes stehen: Ludwig Freiherr von Eschwege (1777-1855), der von 1811 bis 1821 die ersten Eisenhütten in Gang setzte und als Begründer der brasilianischen Geologie gilt, sowie Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied (1782-1867), der durch seine Forschungsreise von 1815 bis 1817 und durch seine nachfolgenden Publikationen die systematische geographische Erforschung Brasiliens einleitete. Die Präsenz einzelner Deutscher in Brasilien hat allerdings erheblich früher eingesetzt. Um eines Gesamtbildes willen und um die Länge der zeitlichen Beziehungen der Deutschen zu diesem Land der Neuen Welt zu verdeutlichen, kann auf ein paar Fakten vor der Masseneinwanderung im 19. Jahrhundert nicht verzichtet werden. Obwohl weder das Heilige Römische Reich deutscher Nation noch einzelne Länder dieses Reiches an der Kolonisation Lateinamerikas teilnahmen, waren Deutsche vom ersten Tag der portugiesischen Landnahme, vom 22. April 1500 an, mit dem Schicksal Brasiliens verbunden. An Bord der Karavellen von Pedro Alvarez Cabral befanden sich deutsche Kanoniere (bombarderos), und der wissenschaftliche Berater der Flotte, Meister Johann, der zum ersten Mal die geographische Lage des neu entdeckten Landes bestimmte, das damals Ilha da Vera Cruz genannt wurde, stammte aus Deutschland. Auch unter den ersten portugiesischen Siedlern, die ab 1532 mit Hilfe von Indianer- und später Negersklaven durch Anlegen von Zuckerrohrplantagen das Land erschlossen, befanden sich Deutsche. Am Aufbau der ersten Kolonie, Sao Vicente an der Küste von Sao Paulo, und bei der Gründung von Rio beteiligte sich Heliodor Eoban Hesse, der Sohn des bekannten Humanisten und Hutten-Freundes Helius Eobanus Hessus. Während der holländischen Herrschaft von 1630 bis 1654 in Nordost-Brasilien (Pernambuco) wurde der deutsche Offizier Christoph Lins zum Großgrundbesitzer, eroberte den heutigen brasilianischen Bundesstaat Alagoas, wo er mehrere Zuckermühlen errichtete, und beteiligte sich später an der Eroberung und Gründung des Staates Paraíba. Gouverneur dieses holländischen Kolonialreiches war von 1637 bis 1644 Johann Moritz von Nassau-Siegen. Er verwandelte, teilweise mit eigenen privaten Mitteln, das Dorf Recife in die damals größte Stadt Amerikas mit ca. 10 000 Einwohnern. Unter den Wissenschaftlern, die er ins Land zog, ragte Georg Markgraf hervor, der zusammen mit Wilhelm Pies verantwortlich ist für die Historia Naturalis Brasiliae von 1648, ein Werk, das den Anfang der naturwissenschaftlichen, ethnologischen und medizinischen Forschung in der Neuen Welt darstellt. Der erste Geschichtsschreiber Brasiliens war Hans Staden, der als spanischer Landsknecht durch Schiffbruch bei den Portugiesen landete und in deren Diensten als Kommandant eines Forts fungierte. Er geriet in die Gefangenschaft indianischer Kannibalen und wurde nach einjähriger Gefangenschaft von französischen Kaperern befreit. Zurückgekehrt nach Deutschland, veröffentliche er 1557 sein berühmt gewordenes Buch „Wahrhaftige Historia und Beschreibung einer Landschaft der wilden, nackten und grimmigen Menschenfresserleute“. Nicht vergessen werden darf das segensreiche Wirken der Jesuiten in Südamerika, die sich der geplagten Ureinwohner annahmen. Unter ihnen befanden sich nicht wenige Deutsche. Johann Philipp Bettendorff aus Luxemburg, der in Maranhao Lateinschulen gründete und die wirtschaftliche Basis des Ordens ausbaute, verfasste eine Chronik des Ordens im Staat Maranhao und einige indianische Sprachkompendien. Der die riesige Amazonas-Mission betreuende Pater Samuel Fritz (aus Trautenau im Sudetenland) verfasste zusammen mit seinem Ordensbruder Aloys Konrad Pfeil (aus Konstanz) die erste Karte des Amazonasstromes mit seinen Nebenflüssen. Der nur genial zu nennende Missionar Anton Sepp von und zu Rechegg (1655-1733), ein Tiroler Ritter aus Kaltern, baute in der von ihm gegründeten Reduktion Sao Joao Batista im heutigen Staat Rio Grande do Sul mit Hilfe der von ihm ausgebildeten Indianer eine denkmalartige Kirche, die er mit Skulpturen und einer selbstgebauten Orgel ausstattete. Pater Sepp gilt als der bedeutendste Musiklehrer des gesamten Jesuitenstaats, der mit seinen Indianern mehrstimmige Chöre und Orchester mit europäischen Instrumenten schuf, mit denen er kirchliche und weltliche Tonkunst pflegte. Von der Spannweite seines zivilisatorischen Wirkens zeugen die Gründung und Leitung des größten Kollegs der Sieben Missionen (in RS) sowie die Einrichtung von Schmelzöfen und Gießereien mit Werkstätten zur Verarbeitung der Produktion. Aus dem 18. Jahrhundert muss wenigstens eine herausragende Persönlichkeit erwähnt werden: Johann Heinrich Böhm (17081783) aus Bremen, der 1767 als Generalleutnant vom portugiesischen König nach Südbrasilien entsandt wurde. Ausgebildet in der gleichen preußischen Kriegsschule, in der auch Scharnhorst und Gneisenau ihre Erziehung erhielten, schuf er aus den diversen zerstreuen und verschiedenartigen Truppenteilen ein modernes, diszipliniertes Heer, mit dem er 1776 die Spanier aus Südbrasilien vertrieb und damit die Provinz Rio Grande do Sul für Brasilien sicherte. Die Beispiele national wichtigen und überzeitlichen Wirkens, die ich aufgezählt habe, stellen nur die Spitze eines Eisbergs dar. Der deutschbrasilianische Geschichtsforscher Karl H. Oberacker jr. hat die Tiefe und Breite dieses in seiner Dauer und Vielfalt respekteinflößenden Wirkens zusammengefasst in seinem 1978 in Sao Paulo erschienenen 580seitigen Standardwerk „Der deutsche Beitrag zum Aufbau der brasilianischen Nation“, ein Buch, das eine Neuauflage durch einen deutschen Verlag verdient hätte. Zurück zu den Anfängen der brasilianischen Staatlichkeit. Johann VI. fasste alle portugiesischen Besitzungen zu einem Staat zusammen und erklärte diesen 1815 zum Königreich Brasilien, das er zusammen mit Portugal in Personalunion regierte. 1821 kehrte er nach Lissabon zurück und ließ seinen Sohn Dom Pedro zurück. Dieser hatte im Mai 1817 in Wien die Erzherzogin Leopoldine Karoline Josephine von Habsburg geheiratet, die Tochter Franz des II., des letzten Kaisers des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ und des ersten Kaisers von Österreich. Diese 1797 geborene hochbegabte junge Frau, die Französisch und Italienisch sprach und sich auch das Portugiesische schnell erwarb, die Personen- und Landschaftsbilder malte, sehr gut Klavier spielte und naturwissenschaftlich interessiert war, ging mit Energie an ihre neue Aufgabe heran. Sie brachte ein wissenschaftliches Gefolge von Forschern, Gelehrten, Künstlern und Fachleuten mit, die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der brasilianischen Nation leisten sollten. Sie wurden später ergänzt durch Soldaten, Bauern, Kaufleute und Unternehmer aus ihrer alten Heimat. Im Abwehrkampf gegen die portugiesische Rekolonisierungspolitik stellte sie sich beherzt auf die Seite Brasiliens, stabilisierte ihren zögernden Gatten und ergriff in einem Augenblick der Krise die Initiative: Während einer Reise des Kronprinzen nach Sao Paulo beschloss der Staatsrat unter ihrem Vorsitz die Loslösung von Portugal, die dann von Dom Pedro am 7. September 1822 auf dem Ipiranga-Feld bestätigt wurde. Dies war der Beginn des unabhängigen Staates Brasilien. Einen wichtigen Beitrag zum Entschluss von Dom Pedro, die Unabhängigkeit auszurufen, trug auch die Regierung der wichtigen Provinz Sao Paulo unter der Leitung des Generalkapitäns Johann Karl August von Oeynhausen bei. Zur Stabilisierung des jungen Kaiserreichs trug auch das stehende Heer von ca. 2000 deutschen Soldaten von 1823 bis 1830 bei; ein Teil von ihnen nahm an den Kämpfen des brasilianischen Heeres um die Provinz Cisplatina (das heutige Uruguay) teil; der brasilianische Generalstabschef war der gebürtige Preuße Gustav Heinrich von Braun (1775-1859). Das Jahr 1824 markiert den Beginn deutscher Gruppeneinwanderung in Brasilien. Wie hat sich das aus der jahrzehntelangen Einwanderung entstandene Volkstum entwickelt? Was muss bei der Charakterisierung einer ethnischen Gruppe beachtet werden, um ein zutreffendes Gesamtbild zu entwerfen? Als ich in den 1970er Jahren in Zusammenarbeit mit 15 Sachkennern das Sammelwerk „Die Deutschen in Lateinamerika. Schicksal und Leistung“ zusammenstellte, ersuchte ich die Mitarbeiter, folgende übergeordnete Fragen zu beantworten: 1) deutsche Einwanderung; 2) das Problem der Integration bzw. Assimilation; 3) Bildungs- und Erziehungswesen, Bildungsstand der Volksgruppe; 4) Presse und Organisationswesen; 5) die Beiträge zum Aufbau des Landes; 6) Frage der Identität und des Selbstverständnisses; 7) Rolle der Religionszugehörigkeit; und 8) Wirkung der Kontakte zum Mutterland. Dies übergeordneten Fragen wurden dann aufgeschlüsselt, so lautete es z.B. in Frage 1 weiter: wann, in welchen Wellen, aus welchen Gründen; aus welchen Gegenden kamen die Einwanderer; wo ließen sie sich nieder, warum? Entwicklung der Bevölkerungszahl (wann wurden Bevölkerungsstatistiken zusammengestellt; wann gab es Volkszählungen, wie wurden die Volkszählungen durchgeführt; wurde nach der ethnischen Herkunft, der Muttersprache u.ä. gefragt? Welche sonstigen Mittel wurden angewandet, um das ethnische Mosaik der Bevölkerung zu erfassen? Die Differenzierung der Frage 2 lautete wie folgt: Wie siedelten die Einwanderer, geschlossen oder zerstreut, warum auf die eine oder die andere Weise? Hatte die Art der Siedlung auf ihr kulturelles Niveau, auf die Erhaltung oder Aufgabe ihres Volkstums einen Einfluss? Wurde die Muttersprache erhalten oder schnell aufgegeben, warum? Hatte die Erhaltung des angestammten Volkstums positive oder negative Auswirkungen hinsichtlich des sozialen Aufstiegs? Die Untergliederung der restlichen Fragen möchte ich Ihnen ersparen. Wichtig erschien mir bei meinen Forschungen immer auch die Leistungsgeschichte einer Gruppe, obwohl solche Bewertungen von Vertretern des assimilierenden „nation building“ abgelehnt werden; warum aber soll ein Forscher nicht herausarbeiten dürfen, dass Einwanderung nicht gleich Einwanderung ist, dass es mehr oder weniger nützliche Immigration gibt. Wollte ich obigen Fragenkatalog mit einiger Vollständigkeit beantworten, würde ich für das Thema „Die Deutschbrasilianer einst und jetzt“ wohl zwei dreimonatige Semester benötigen; ich muss also um Nachsicht dafür bitten, dass in einem 90-minütigen, überaus summarischen Überblick vieles nur angedeutet werden kann. Obwohl die ersten drei deutschen Kolonien 1818 bei Bahia gegründet wurden (die sich aber mangels Zuwanderung nicht entwickeln konnten) und obwohl das erste Schiff mit deutschen Einwanderern in Rio landete und die (bald durch Abwanderung geschwächte) Siedlung der deutschen Immigranten in Nova Friburgo schon etwas früher begann, wird seit langem im deutschbrasilianischen Schrifttum der Einwanderungsbeginn am 25. Juli, dem „Tag der Kolonisten“ gefeiert. Am 25. Juli 1824 war die erste Gruppe deutscher Einwanderer in die vormalige erfolglose königliche Fakturei in Sao Leopoldo eingezogen. Die Siedler waren von Major der deutschen Legion Georg Anton von Schäffer in Deutschland mit der Zusage großzügiger Anfangssubventionen angeworben worden; sie sollten die vorherigen Sklavenarbeiter ersetzen und zur Stabilisierung der südlichsten Provinz Rio Grande do Sul beitragen, wo es neben verstreuten Indianerstämmen nur eine dünne, von den Azoren gekommene Bevölkerungsschicht gab. Nach anfänglichen Schwierigkeiten – die Kolonielose wurden erst nach zwei Jahren vergeben – entwickelte sich die Kolonie durch weitern Zuzug aus den deutschen Ländern und ist heute eine blühende Stadt mit ca. 70 000 Einwohnern; sie ist eines der großen Zentren der Deutschbrasilianer mit einer von Jesuiten betriebenen Universität und dem Seminar für evangelische Theologie. Im „Historischen Museum“ ist die deutsche Einwanderung dokumentiert. Schon früh entwickelten sich Handwerk und Industrie in Sao Leopoldo (1829 gab es schon mehrere Gerbereien, eine Seifenfabrik und eine Getreidemühle), ebenso ein deutschbrasilianisches Verlags- und Druckereiwesen. Im benachbarten Novo Hamburgo entstanden große Gerbereien und Lederverarbeitungsindustrien. Die umgebenden Waldgebiete wurden zunehmend von deutschen Siedlern gerodet und erschlossen, ab 1826 durch Pommern vom Seehafen Torres aus ins Hügelland von Pelotas; als die Täler in allen Himmelsrichtungen kultiviert waren, zogen die Kolonisten aufs Bergland der Serra bis zum Planalto, der waldoffenen Hochebene. Nova Petropolis und Gramado, wo es ein Schulungsheim für deutschbrasilianische Musikund Tanzgruppen gibt, liegen auf den Höhen des Serra-Gebirges. So breitete sich im 19. Jahrhundert ein Kleinbauerntum mit gemischter Landwirtschaft aus; diese Landwirtschaftsform, die die notwendigen Nahrungsmittel für das Staatsvolk an Ort und Stelle zur Verfügung stellte, war ein Novum in Brasilien. 1849 entstand Santa Cruz als Tochterstadt von Sao Leopoldo, 1856 wurde Estrela gegründet, 1857 Santo Anchelo, 1858 Teutonia. Aus Estrela, wo durch österreichische Initiative 1958 eine landwirtschaftliche Mittelschule gegründet wurde, kam der brasilianische Staatspräsident Ernesto Geisel. 1855 erhielt das riograndensische Deutschtum Nachschub durch die Einwanderung vieler abgemusterter „Brummer“, wie die 1851 ins Leben gerufene deutsche Fremdenlegion im Volksmund hieß. Karl Ilg, der Innsbrucker Volkskundler, der in mehreren Expeditionen in den 1960er und 1970er Jahren als erster nach den zweiten Weltkrieg die deutschbrasilianischen Siedlungen auch im Hinterland systematisch erforschte, schrieb über die deutsche Pionierkolonisation in Rio Grande do Sul (1978): „Auf diese Weise wurde die Urwaldrodung und die damit verbundene Erschließung neuen Kulturlandes die erste Großtat unserer Landsleute! Sie pflanzte sich nachfolgend auch in den anderen südamerikanischen Ländern fort und wurde damit für ganz Südamerika zu einer Kulturtat ersten Ranges. Sie bedeutete eine großartige Entwicklungshilfe im 19. Jahrhundert! Weder Indianer noch Portugiesen und Spanier haben sich als rodende Bauern in den Urwald hineingewagt.“ Karl Oberacker würdigte die deutsche Siedlung in Südbrasilien folgendermaßen: „Die ersten ausgesprochen kleinbäuerlichen Siedlungen, die etwas vollkommen Neues in der brasilianischen Kolonisationsgeschichte darstellen und sich von der portugiesischen Kolonisation wesentlich unterschieden, sind fast ausschließlich mit deutschen Kolonisten angelegt worden. Staats-, sozial-, bevölkerungs- und militärpolitische Erwägungen und Gründe haben bei de Entstehung dieser neuen Siedlungsform zusammengewirkt. Die sklavenhälterischen Großbetriebe waren ein Ergebnis des portugiesisch-merkantilistischen Kolonialgeistes; die kleinbäuerliche Kolonisation hingegen entsprang dem neuen Staatsgeiste, der das Wohl des Landes zum obersten Gesetz erhoben hatte. Darum griff dieser Staat auch zu einem Siedlerelement, das eine andere Gesinnung als die Einwanderer der Kolonialepoche beseelte. Die deutschen Kolonisten trieb, ganz allgemein gesprochen, nicht die Sucht nach Gold und leichtem Reichtum über das Meer. Sie wanderten aus, weil das übervölkerte Deutschland ihnen nicht die Möglichkeit zu einem wirtschaftlichen Aufstieg bot. Ihr Ziel war das Neuland selbst, in dem sie sich mit ihrer eigenen Hände Arbeit eine selbständige und unabhängige Existenz gründen wollten Von vornherein war deshalb bei diesen Einwanderern die seelische Bindung zum Neuland eine recht enge; sie betraten es nicht als abenteuerliche Goldsucher und Einzelpersonen, sondern als Familienväter, als Land- und Heimatsucher. Sie waren auch gerade darum auch das gewünschte Element zur Gründung des fehlenden sozialen, vor allem ländlichen Mittelstandes, der auf der persönlichen freien Arbeitsleistung beruht [...] Im Gegensatz zu den Azorianern waren die deutschen Einwanderer ganz anders gegen den herrschenden Kolonialgeist, der bisher das Aufkommen eines ländlichen Mittelstandes verhindert hatte, gefeit; denn sie schützte vor allem ihre sprachliche und volkliche Andersartigkeit, insoweit man sie in ausgedehnteren und geschlossenen Siedlungen ansetzte.“ Der französische Gelehrte Jean Roche, der 1959 in Paris eine umfassende Studie über „La colonisation allemande et le Rio Grande do Sul“ vorlegte, bewertet die deutsche Kolonieleistung wie folgt: „In der Entwicklung von Rio Grande so Sul vertreten die deutschbrasilianischen Kolonisten nicht so sehr eine Quantität als vielmehr eine Qualität von Menschen, die sich von den früheren Besitzern des Landes wesentlich unerschieden. Sie stellten ein Ferment dar, auf Grund dessen sich eine neue typische Form der Kultur entwickelte [...] Diese Kolonisten sind keine Deutschen mehr: sie sind, wie sie selbst von sich sagen, Brasilianer deutscher Herkunft. Nach einer Zeit der Koexistenz in einem gewissen gegenseitigen Desinteresse ist die Integration des deutschen Elements heute eine Tatsache. Treu der Kultur und Überlieferung ihrer Vorfahren, sind sie treue Bürger ihres Landes.“ Viele Einwanderer in RS kamen aus der Pfalz, den Rheinlanden, dem Moselgebiet, auch aus dem Taunus und dem Odenwald. Ihr Mischdialekt, der auch heute noch von vielen Riograndensern verstanden und gesprochen wird, heißt im Volksmund „hunsrückisch“. Die deutsche Einwanderung nach Brasilien kam 1859 für Jahrzehnte zu einem starken Rückgang durch das sog. Heydte Reskript. Veranlasst durch Berichte über sklavenähnliche Zustände von Deutschen, die auf Fazendas von Großgrundbesitzern im Staat Sao Paulo arbeiteten, suchte der preußische Minister von der Heydt die Auswanderung nach Brasilien zu verhindern, indem die preußische Regierung, ab 1871 die deutsche Regierung den Auswanderern den staatlichen Schutz entzog und die Anwerbung verbot. Erst 1896 wurde diese Verordnung wieder aufgehoben. Deshalb sind. Deshalb ist im 19. Jahrhundert nur noch eine größere Kolonisationsleistung in RS zu vermelden: die Gründung von Neu-Württemberg (heute Panambi) durch Dr. Hermann Meyer im Jahre 1899. In Santa Catarina, dem an RS angrenzenden Bundesstaat, entstand Mitte des 19. Jahrhunderts im Städtedreieck von Blumenau, Brusque und Joinville ein deutsches Siedlungszentrum. Die Gründung von Brusque geht 1850 auf dem Grafen Schneeburg aus dem Innsbrucker Bezirk Hötting zurück; seine Siedler kamen aus Vorderösterreich, sie waren Badener, Elsässer und Schwaben, später kamen Oldenburger und Pommern hinzu. Dr. Hermann Blumenau hatte im Einzugsgebiet des Itajai Land erworben, dessen Parzellen er ab 1852 an deutsche Einwanderer vergab. Seine in einem unwirtlichen, sumpfigen, regenreichen, malariaverseuchten Gebiet angelegte Kolonie gedieh dank Blumenaus kolonisatorischer Begabung und stellt heute das reichste Munizip, das größte Industriezentrum und den landwirtschaftlichen Mittelpunkt von SC dar. Zur Anziehung von Touristen versucht die Stadt seit einigen Jahrzehnten, durch alte und neue Fachwerkbauten ihren deutschen Charakter zu betonen, und veranstaltet das drittgrößte Oktoberfest der Welt. Heute gilt die Stadt als zweitgrößter Fremdenverkehrsort Brasiliens. Nördlich von Blumenau gründete der Hamburger Kolonisationsverein 1851 unter Senator Christian Matthias Schröder auf dem sumpfigen Gelände des Prinzen von Joinville, des Schwagers von Pedro II., die Kolonie Donna Franciska, das heutige Joinville. Zu den Siedlungspionieren gehörten nicht nur Landarbeiter, sondern auch Angehörige gebildeten Standes, Akademiker und ehemalige Offiziere, sog. 1848er, die die Heimat aus politischen Gründen verlassen hatten. Von diesen drei Siedlungszentren in SC aus schlug die wachsende Bevölkerung Schneisen in die schmalen Täler hinein und von dort die Hänge der Serra hinauf, so dass viele Waldhufendörfer entstanden, die ihren Unterhalt durch Mais- und Reisanbau sowie durch Schweinezucht verdienen. Durch die Erbteilung in den kinderreichen Familien gab es einen ständigen Abzug von Nachfahren in unerschlossene Gebiete; deutschstämmige Siedler aus RS und SC gehören zu den Pionieren in anderen Bundesstaaten, sie drangen über Paraná bis in den Mato Grosso und neuerdings auch das Amazonasgebiet vor, auch über die Grenzen nach Argentinien und Paraguay. Das Städtedreieck Blumenau – Brusque – Joinville entwickelte sich in einigen Bereichen zu einem Mittelpunkt der brasilianischen Industrie, z.B. im Textilbereich. Karl Renaux aus Lörrach gründete 1862 in Brusque eine äußerst erfolgreiche Textilfabrik; die Gebrüder Hering aus Chemnitz riefen 1879 in Blumenau eine Trikotagenfabrik ins Leben, die sich zur größten in Lateinamerika entwickelte. Joinville wurde zu einem Schwerpunkt der brasilianischen Metallindustrie und der Kunststoffherstellung. Statistiken von 1940 belegen, dass Joinville 419 industrielle Betriebe hatte, das verkleinerte Munizip Blumenau 518, und Brusque 402. Das Deutschtum in Santa Catarina erhielt zweimal durch die Einwanderung von Österreichern Verstärkung: 1873 gründeten Böhmerwäldler die Kolonie Sao Bento in der nördlichen Serra, welche erfolgreich Holzindustrie betrieben und weitere Ortsgründungen in der Nähe auslöste. Tiroler Einwanderer riefen im Westen der Provinz 1933 die Kolonie Dreizehnlinden ins Leben; vor einigen Jahren wurde diese Siedlung, die das Tiroler Erbe bewusst pflegt, zum führenden Touristenort Brasiliens gekürt. Auch im Bundesstaat Sao Paulo setzte die deutsche Einwanderung früh ein, fast so früh wie in RS. Am 4. Juli 1827 erging ein Bescheid aus Rio an die Regierung von Sao Paulo, auf Regierungsland in Straßennähe und an der Küste Einwanderer anzusiedeln. Als Ende Dezember 1827 die ersten 226 Einwanderer aus dem deutschen Sprachraum eintrafen, war die Administration unvorbereitet, Erst nach einem Jahr erhielt ein Teil von ihnen Land in der Nähe von Santo Amaro zugewiesen. Da diese Colonia Alema weder einen Priester noch eine Schule bekam, außerdem von der Stadt zu weit entfernt war, um dort die landwirtschaftlichen Produkte verkaufen zu können, wanderte der größte Teil der Siedler in die Städte Santo Amaro und Sao Paulo ab; Santo Amaro ist heute ein Teil der Riesenstadt Sao Paulo, die damals ca. 30000 Einwohner hatte. Die in der Kolonie Verbliebenen sanken sozial ab; ihr vergessener deutscher Friedhof ist erst vor ca. 30 Jahren wieder entdeckt und inzwischen von einem Friedhofsverein renoviert worden; neben ihm erinnert ein Gedenkstein an deutsche Einwanderung von 1827. Bis 1830 waren es 926 Personen, die der Koloniedirektor unterzubringen hatte. Viele von ihnen fanden ihr Unterkommen in der Stadt, als Handwerker, Maurer, Zimmerleute, Gewerbetreibende, Kaufleute und Metallarbeiter, aber auch als Ärzte und Apotheker. Obwohl zahlenmäßig gering, trugen die Deutschen im 19. Jahrhundert erheblich zum Aufbau der gesellschaftlichen Infrastruktur bei. Louis Bücher gründete 1856 die Brauerei Antarctica, heute eine der bekanntesten Biermarken Brasiliens; im gleichen Jahr eröffnete ein Glockengießer den ersten Tanzsaal. Der Dr. Theodo Reicher schuf 1851 die erste Privatklinik, Gustav Schaumann zusammen mit Gustav Gravenhorst 1858 die erste Apotheke. Daniel und Kornelius Knösel errichteten die erste Buchbinderei. Francisco Adolfo Varnhagen gilt als einer der bedeutendsten Historiker Brasiliens und erhielt den Adelstitel Visconte de Porto Seguro; die „Deutsche Schule“ in Sao Paulo trägt heute seinen Namen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Deutschen führend in Handel, Handwerk und Industrie. Die deutschen Warenhäuser, vor allem die „Casa Alema“ der Familie Heydenreich, waren berühmt für ihre Importwaren. Aus dem Jahre 1905 sind ca. 300 eingeschriebene Gewerbebetriebe mit deutschem Namen bezeugt. Als Antwort auf die von den USA zusammengestellten schwarzen Listen schlossen sich einige deutsche Firmen im November 1916 zu einem Verband zusammen und bildeten damit den Anfang der DeutschBrasilianischen Industrie- und Handelskammer. Wie in anderen Städten war auch den Deutschen Sao Paulos pädagogisches und soziales Engagement ein Anliegen. Die Angaben über Sao Paulo mögen also stellvertretend stehen für ähnlichen Initiativen in Rio, Porto Alegre, Curitiba und anderswo. 1863 wurde der für das Kulturleben der Stadt wichtige „Deutsche Hilfsverein“ gegründet, der auch ein Altersheim betreut, in den 1860er Jahren entstanden einige Privatschulen, der Schulverein von 1878 bündelte die Anstrengungen; seine Gründung markiert den Beginn des heutigen Colegio Visconte de Porto Seguro mit einigen tausend Schülern, von denen ein Teil Deutschunterricht bis zum Abitur nimmt. 1878 nahm auch die noch heute existierende „Deutsche Zeitung“ ihre Arbeit auf. Die deutsche evangelische Gemeinde wurde schon 1858 aus der Taufe gehoben. Durch deutsche Initiative entstand auch ein großes Krankenhaus. 1938 wurde das HansStaden-Institut für Wissenschaft, Schrifttum und Kunst gegründet, das ab 1951 von der Martius-Stiftung für Wissenschaft, Schrifttum und Kunst unterstützt wird und seit 1952 ein deutschsprachiges Jahrbuch herausgibt mit Beiträgen zur Brasilkunde, darunter viele Artikel über das deutschbrasilianische Erbe. Obwohl die Zahl der Deutschstämmigen und Deutschsprachigen in Sao Paulo im Vergleich zur Gesamtbevölkerung von 20 Millionen sehr gering ist (man schätzt sie auf 400 000 ), haben diejenigen, die an ihrem Spracherbe festhalten wollen, in den letzten Jahrzehnten dadurch eine Stabilisierung erhalten, dass sehr viele deutsche Firmen dort Zweigstellen unterhalten; man spricht davon, dass Sao Paul in Hinsicht auf die Zahl der deutschen Firmen die größte deutsche Wirtschaftsmetropole in der Welt ist. Die bäuerlichen Siedlungen im Interior des Staates konnten sich aufgrund des Heydtschen Reskripts nicht so kontinuierlich entwickeln wie das Stadtdeutschtum in Sao Paulo. Das von dem Großgrundbesitzer Vergueiro 1842 eingeführte „Halbpartsystem“ führte teilweise dazu, dass die durch Verträge gebundenen Landwirte in sklavenähnliche Abhängigkeit gerieten, was den preußischen Minister 1859 zu seinem gegen Auswanderung nach Brasilien gerichteten Erlass bewegte. Zu dem nördlich von Santa Catarina gelegenen, geographisch durch Hochflächen charakterisierten Bundesstaat Paraná kamen zwar die ersten 51 deutschen Familien auch schon sehr früh, im Februar 1829, aber die bedeutenden deutschen Koloniegründungen erfolgten erst im 20. Jahrhundert. Ab 1857 wurden schon Tochtersiedlungen von Santa Catarina aus ins Leben gerufen, Die Anwerbung von Wolgadeutschen zwischen 1877 und 1889 führte auf der wenig fruchtbaren Steppe des Kamps leider nicht zu der von Kaiser Pedro II. erwünschten Schaffung einer Kornkammer in Panara, was aber anderen wolgadeutschen Einwanderergruppen dieser Jahre in der argentinischen Pampa gelang. Immerhin wurde die Ostgrenze Brasiliens gegenüber Paraguay auch durch die Wolgadeutschen stabilisiert. Vier große Kolonisationsleistungen in Paraná sind im 20. Jahrhundert zu vermelden, drei durch deutsche Einwanderung und eine durch deutschbraslianische Binnenwanderung. Rolandia im Norden des Landes entstand 1932 durch die Initiative einer Siedlungsgesellschaft, der 1926 von der Reichsregierung unter Kanzler Luther gebildeten „Gesellschaft für wirtschaftliche Studien in Übersee“. Ihr gelang der Ankauf größerer Ländereien von der englischen Siedlungsgesellschaft „Companhia de Terras Norte do Paraná“, die den staatlichen Auftrag der Erschließung Nordparanás hatte. Die Auswanderungsorganisation stand unter der Führung ihres Präsidenten Minister a.D. Erich Koch-Weser, der den Tropenlandwirt Oswald Nixdorf zum Kolonieleiter berief. Aufgrund des politischen Umbruchs im Januar 1933 blieb der erwartete große Kolonistenstrom zunächst aus; etwa 400 Familien, darunter 80 Emigrantenfamilien – unter den letzteren auch Techniker, Akademiker und Geschäftsleute mit Vermögen – wanderten in Rolandia ein. Durch den Kaffee-Boom nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kaffeefazenderos von Rolandia reich; sie waren in entscheidender Weise daran beteiligt, dass durch umfangreiche Rodung und Kultivierung Paraná in wenigen Jahren zum führenden Kaffee-Erzeuger Brasiliens wurde und Sao Paulo überflügelte. Traten die deutschen Siedler bislang als Erschließer des Urwalds in Erscheinung, so erwiesen sie sich in zwei Nachkriegsgründungen auch als Pioniere im Kamp auf dem waldoffenen Steppenboden Paranás: in den 1951 entstandenen Kolonien Witmarsum und Entre Rios. Als Gründungstag der donauschwäbischen Kolonie Entre Rios bei Guarapuava gilt der 5. Mai 1951; die Einwanderer, ca. 500 Familien bzw. 2500 Personen, waren Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Banat und der Batschka, ihrer jahrhundertealten Heimat in Rumänien, Ungarn und Jugoslawien; die Unterstützung der „Schweizer Europahilfe“ ermöglichte ihnen den Sprung in die neue Welt. Was den Wolgadeutschen im 19. Jahrhundert nicht gelungen war, schafften die Donauschwaben dank begabten Führungskräften und moderner Bodenbearbeitung mit Kunstdünger im 20. Jahrhundert: sie schufen die größte Kornkammer des Landes; bereits nach fünf Jahren lieferte Entre Rios 37% des Getreideaufkommens von Paraná. Durch laufenden Zukauf wurde die Anbaufläche der Kolonie gewaltig vergrößert, so dass die in der „Cooperativa Agraria“ zusammengefassten donauschwäbischen Landwirte 1971 schon zehn Prozent der gesamten brasilianischen Weizenernte erzeugten. Entre Rios beherbergt auch die größte Mälzerei des Landes, eine Getreidemühle und seit 2004 auch eine Fabrik der Firma Ireks, die Backmittel und Backmischungen für Bäckereien herstellt. Durch ihre Erfolge sind die Donauschwaben Arbeitgeber für viele Einheimische. Die zweite Erfolgsgeschichte auf dem Kamp Paranás wurde von Russlanddeutschen Mennoniten geschrieben, großenteils Flüchtlingen aus der Sowjetunion, aber auch Zuwanderern aus Kanada, wohin die ersten Russlanddeutschen Mennoniten bereits 1874 gekommen waren. Die Russlandflüchtlinge waren 1930 ins Bergland nach Santa Catarina gekommen, wo sie aber nicht Fuß fassen konnten, weshalb 150 Familien im Jahr 1951 nach Paraná westlich von Curitiba zogen, wo sie von dem österreichichstämmigen Fazendeiro Roberto Glaser 7864 Hektar abkauften und den Ort Witmarsum gründeten; der Namen erinnert an den Geburtsort ihres Religionsgründers Menno Simon. Durch Düngung und unermüdliche Bodenbestellung verwandelten sie das Kampland in fruchtbaren Weideboden und betreiben eine sehr erfolgreiche Milchwirtschaft. Die fleißigen Mennoniten schufen nicht nur ein effizientes Schulwesen, sondern auch eine weit ausstrahlende Wohltätigkeitsorganisation; überhaupt ist feststellbar, dass viele deutschbrasilianische Organisationen sich sozialen Aufgaben widmen, die der Gesamtbevölkerung nutzen. Die dritte bedeutende Kolonisationsleistung in Paraná nach dem 2. Weltkrieg erfolgte im Westen des Landes durch größtenteils deutschbrasilianische Binnenwanderung; ihr ist die Gründung der Städte Rondon und Toledo zu verdanken. Laut Karl Ilg, der die Familiennamen der Kolonisten in Rondon aufgezeichnet hat, stammten 1978 90% der Bewohner Rondons von deutschen Kolonisten aus Rio Grande und Santa Catarina ab. Wer diese saubere, lebendige, anheimelnde Stadt besucht, kann sich nicht vorstellen, dass hier vor 50 Jahren noch der Urwald herrschte. Auch Rio de Janeiro und der ihn umgebende Stadtstaat Guanabara zogen natürlich deutsche Einwanderer an. Die Stadt war seit 1763 Sitz der Vizekönige, von 1822 bis 1889 Kaiserstadt und anschließend bis 1960 Hauptstadt Brasiliens. Rio war auch der Haupthafen für die Einwanderung und ein Handelszentrum Hamburg eröffnete hier bereits 1818 ein Generalkonsulat, und hier entstand 1821 die erste gesellschaftlich-kulturelle Vereinigung der Deutschen namens „Germania“, 1844 gefolgt von einem „deutschen Hilfsverein“. 1845 ließ Kaiser Pedro II. von dem deutschen Pioniermajor Julius Friedrich Koeler die Sommerresidenzstadt Petropolis anlegen. Diese Stadt in den Bergen zog nicht nur Beamte und Diplomaten an, sondern auch viele deutsche Kolonisten, die dort als Bauern; Handwerker und Kaufleute wirkten. Der nördlichste Bundesstaat, in dem deutsche Einwanderung in größerem Ausmaß stattfand, ist Espirito Santo. 1847 wurden vom Kaiser Pedro II. in Santa Isabel am Rio Jucu 38 Familien aus dem Rheinland und dem Hunsrück angesiedelt. Zehn Jahre später erfolgte eine Ansiedlung am Rio Santa Maria mit Holländern, Sachsen, Hessen, Badenern, Schweizern und Tirolern; das Siedlungszentrum erhielt den Namen Santa Leopoldina. Die Einwanderer benannten ihre Siedlungen mit heimischen Namen; so gibt es ein Holandia, ein Luxenbourg, ein Suiza und ein Tirol; zum Teil waren die Neusiedler abgemusterte Legionäre. Mit dieser gezielten Besiedlung des Berglandes sollte auch eine verkehrsmäßige Erschließung herbeigeführt werden; denn bislang war durch die Unwegsamkeit des Berglandes Brasilien in einen Nord- und einen Südteil zerrissen, der nur über das Meer verbunden werden konnte. Nach anfänglichen Misserfolgen mit Ackerbau gingen die zumeist in Einzelhöfen lebenden Siedler zum wirtschaftlich ertragreichen Anbau von Bergkaffee über, bis sie durch die Bodenerosion und die übermächtige Konkurrenz durch den Kaffeeanbau auf den Fazendas wieder zum Maniokanbau zurückkehren mussten. Einen zweiten Grundstock von deutschen Siedlern in Espirito Santo bilden die Pommern, die Pomeranos. Auch ihre Einwanderung begann schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und die Pomeranos finden sich vor allem in den nördlichen Orten Santa Maria und Sao Bento, aber auch in Domingos Martins, dessen Beliebtheit zunimmt als Ausflugsort von der Hauptstadt Vitoria aus. Die Pommern von Espirito Santo, lange Zeit vergessen, erleben in letzter Zeit eine Wiedergeburt, die sich in bewußter Traditionspflege äußert. Die Zahl der deutschen Einwanderer wurde bis 1940 auf ca. 300 000 Menschen geschätzt; durch die starke Vermehrung der ländlichen Siedler nimmt man an, dass die heutige Zahl der Deutschbrasilianer auf drei bis vier Millionen angewachsen ist. Da die Ankömmlinge größtenteils in abgelegenen Gegenden, an den Grenzen der damaligen Zivilisation angesiedelt wurden, mussten sie ihren Siedlungsgebieten die gesellschaftliche Infrastruktur selbst schaffen, was sie mit großem Erfolg taten. Die Wirkung der deutschen Kolonisation bewertete der Amerikaner J. F. Normano 1939 wie folgt: „Der deutsche Einfluss wirkte qualitativ stark, denn die Deutschen lebten in Massen zusammen, übertrugen die Sitten und Gebräuche ihres Landes, wandten ihre europäische Erfahrung an und stellten so Leitbilder auf, die als Vorbild für erfolgreichere Produktionsmöglichkeiten dienten. Die deutschen Gemeinschaften europäisierten, vor allem im Süden, in Rio Grande do Sul und in Santa Catarina, die koloniale Atmosphäre.“ Diese neue Infrastruktur wurde geschaffen durch landwirtschaftliche Genossenschaften, kirchliche, schulische, berufliche, kulturelle, soziale und gesellschaftliche Vereinigungen aller Art. Es entstanden auch regionale Dachverbände, so der Verband der deutschen Vereine in Rio Grande do Sul, den riograndenser Schützenbund, die Deutsche Turnerschaft von Rio Grande do Sul, der Sängerbund des Itajaí-Tales und der Deutsche Sängerbund von Brasilien. Da es außerhalb der großen Städte bei der Ankunft der Siedler keine staatlichen Schulen gab, mussten die Einwanderer, denen die Erziehung ihrer Kinder sehr wichtig war, ihre eigenen Schulen gründen. Zu Beginn der deutschen Einwanderung gab es in Rio Grande do Sul nur 8 staatliche Schulen. 1846 existierten in der „Deutschen Kolonie von Sao Leopoldo“ nur zwei staatliche, hingegen 13 private Schulen; 1858 standen 27 Privatschulen nur drei staatliche Schulen gegenüber. Ähnliche Verhältnisse existierten in den Pioniergebieten der anderen Provinzen. Im Lauf der Zeit wurden aus den einfachen deutschen Kolonistenschulen bilinguale Schulen, die nach den staatlichen Richtlinien unterrichteten und finanzielle Unterstützung vom Munizip oder dem Staat erhielten. So waren die ursprünglich rein deutschen Notschulen im Lauf der Zeit zu einem integralen Teil des brasilianischen Schulwesens geworden. Dass diese Siedlerschulen noch lange notwendig waren, belegen Zahlen von 1917: im Kreis Joinville gab es in diesem Jahr 5 staatliche und 64 private Schulen mit 303 bzw. 3238 Schülern, und im Kreis Blumenau standen 10 staatlichen Schulen mit 520 Schülern 113 Privatschulen mit 5011 Schülern gegenüber. Ende der 1930er Jahre erstreckte sich das deutschbrasilianische Schulwesen von der schlichten ein- bis zweiklassigen Kolonieschule über Fachschulen bis zu Gymnasien, deren Abschlusszeugnis zum Universitätsstudium berechtigte. Dass dieses Schulwesen ein Gewinn für Brasilien darstellte, geht z.B. daraus hervor, dass der Anteil der Analphabeten in den Staaten mit deutschen Privatschulen erheblich niedriger war als in den anderen Staaten; 1936 waren nach Regierungsangaben noch fast 73% der brasilianischen Bevölkerung Analphabeten. Zum Erhalt der Muttersprache bis zum Zweiten Weltkrieg trug auch die evangelische Kirche bei, der die Mehrheit der brasilianischen Deutschen und Deutschstämmigen angehörte. Die Pfarrer kamen in der Regel aus dem deutschsprachigen Mitteleuropa oder entstammten deutschbrasilianischen Familien und erhielten ihre theologische Ausbildung an deutschen Universitäten. Schon die ersten Einwanderer hatten Pastoren mitgebracht und schlossen sich zu Kirchengemeinden zusammen, die im 20. Jahrhundert Synoden bildeten, welche sich am 26. Oktober 1949 zur „Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien“ zusammenschlossen. Die treibende Kraft bei diesem Zusammenschluss war ihr erster Bischof, der langjährige Pfarrer Hermann Dohms, der sich auch als Gründer eines Synodalgymnasiums, des Proseminars (1922) und der Theologischen Hochschule (1946) auf dem Spiegelberg bei Sao Leopoldo einen Namen machte. Zwischen den beiden Weltkriegen hatte Dohms in seinen „Deutschen Evangelischen Blättern für ganz Brasilien“ die – von den Pfarrern allgemein akzeptierte - Idee vertreten, dass die evangelische Kirche Brasiliens eine Volkskirche sei, die Kirche der deutschen Einwanderer und ihrer Nachfahren, ohne Missionsanspruch. So war bis Ende der 1930er Jahre eine lebendige, auf vielen Gebieten fruchtbare und fortschrittliche Volksgruppe herangewachsen, die trotz Festhalten an der ererbten Sprache und Kultur in zunehmenden Maße im brasilianischen Staatsvolk integriert war. Das Ausmaß der Integration zeigte sich vor allem durch Erfolge deutschstämmiger Brasilianer von regionaler und teilweise nationaler Bedeutung im wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Leben des Landes, was hier nicht im einzelnen ausgeführt werden kann, wurde aber auch im administrativen und politischen Bereich war Bewegung erkennbar. Durch die Publizistik von Karl von Koseritz, einem Emigranten der 1848er Revolution und Begründer der deutschbrasilianischen Idee, war unter den deutschen Siedlern die Einsicht gewachsen, dass man auch in der Landespolitik tätig werden müsse. Obwohl parteipolitischer Ehrgeiz bei den Deutschbrasilianern genau so wenig entwickelt war wie bei anderen deutschen Auswanderergruppen, tauchten doch, vor allem seit Beginn der Republik Ende 1889, zunehmend deutsche Namen in der Munizipal- und Landespolitik auf. Der bedeutendste brasilianische Politiker deutscher Abstammung vor dem 2. Weltkrieg war Lauro Müller (1863-1923); nachdem er dreimal Präsident des Staates Santa Catarina gewesen war, wurde er 1902 Verkehrsminister und 1912 sogar Außenminister. Das blühende deutschbrasilianische Schul- und Vereinswesen kam 1938 zu einem abrupten Ende. Die autoritäre Regierung von Getulio Vargas, der sich 1937 durch einen Staatsstreich mit Hilfe des Militärs zum Alleinherrscher aufgeschwungen hatte und bis 1945 in seinem „Estado Novo“ diktatorisch regierte, suchte durch erzwungenen Monolingualismus und Zentralisierung des Erziehungswesens den Staat zu „nationalisieren“, wie das Programm lautete. Der Schulunterricht durfte nur auf Portugiesisch durchgeführt werden, alle anderen Sprachen waren im Schulunterricht verboten. Der Nationalisierung fielen ca. 1300 deutsche Privatschulen, ca. 2000 Vereine, ungefähr 70 deutschsprachige Zeitungen und 10 Kalender zum Opfer; die Schulen und Vereinshäuser wurden geschlossen oder beschlagnahmt. Als Brasilien 1942 in den Krieg gegen Deutschland eintrat, wurde der öffentliche Gebrauch der deutschen Sprache insgesamt bei Strafe verboten, die deutschen Passinhaber wurden großenteils eingesperrt, aber auch einige Deutschbrasilianer wanderten in die Arbeitslager oder die Gefängnisse. Das Verbot der deutschen Sprache galt für alle, also auch für die in den 30er Jahren eingewanderten Emigranten aus politischen oder rassischen Gründen. Wie konnte es zu einer solch einschneidenden Maßnahme kommen? Wie Käte Harms-Baltzer in ihrem 1970 erschienenen Buch „Die Nationalisierung der deutschen Einwanderer und ihrer Nachkommen in Brasilien als Problem de deutsch-brasilianischen Beziehungen 1930-1938“ detailliert nachweist, drängte eine nationalistische Bewegung bereits seit 1930 auf eine „Nationalisierung“ der Minderheiten; Vargas führte nach der Oktoberrevolution des Jahres 1930 bis 1934 eine provisorische Regierung und wurde im Juli 1934 in einer verfassungsmäßigen Wahl zum Bundespräsidenten gewählt. Im Dezember 1930 erließ die Regierung ein Dekret, in dem die Arbeitseinwanderung beschränkt und verfügt wurde, dass die Arbeitnehmer von Betrieben zu zwei Driteln aus Einheimischen bestehen müssen. Im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung des Landes wurde auch die Schulfrage aufgeworfen. Die Verfassung von 1934 dekretierte die Einführung eines Quotensystems der Einwanderung nach amerikanischem Vorbild, gemischte Population bei Siedlungsgründungen, Nationalisierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes und Nationalisierung des Privatschulwesens in Hinsicht auf die Unterrichtssprache. Gefordert wurde landessprachlicher Unterricht in allen Fächern außer im Fremdsprachenunterricht; diese spezifische Forderung war aber eingebettet in eine Vielzahl grundsätzlicher Art zum brasilianischen Erziehungswesen. Nachfolgende Gesetzesentwürfe verschärften die Restriktionen gegen die Privatschulen. Unter demokratischen Gegebenheiten war aber die Zwangsassimilation der Privatschulen nicht noch nicht durchführbar, erst im Estado Novo; als Vorwand für das Fremdsprachenverbot diente auch das agitatorische Wirken der Auslandsorganisation der NSDAP, welches zu Turbulenzen nicht nur zwischen dem brasilianischen und dem deutschen Staat führte, sondern auch innerhalb der deutschbrasilianischen Vereine. Das undiplomatische, provozierende Verhalten einzelner Reichsdeutscher konnte Vargas als willkommenen Anlass für seinen entscheidenden Schlag nutzen, es war aber nicht seine Ursache. Das Verbot der Muttersprache und die damit verbundene Zerstörung der gesamten muttersprachlichen Infrastruktur löste bei den Deutschbrasilianern ein jahrzehntelanges Trauma aus. Zwar wurde 1961 Deutsch als Fremdsprache wieder zugelassen und in einigen Schulen auch einige Stunden in der Woche gelehrt, aber an einen Wiederaufbau der Privatschulen vor allem im ländlichen Bereich war aus finanziellen, gesetzlichen und verwaltungstechnischen Gründen nicht mehr zu denken. Da die Generation der ab 1932 Geborenen ohne muttersprachlichen Unterricht aufwuchs und die zumeist dialektgefärbte Muttersprache nur in der Familie weitergeben konnte, schwand die Zahl der Deutschsprechenden zunehmend. Von mitentscheidender Bedeutung für den Sprachschwund ist auch die Tatsache, dass die seit den 1970er Jahren von der EKD unabhängige EvangelischLutherische Kirche Brasiliens in der Predigt bewusst auf die portugiesische Sprache umgestellt hat; deutschsprachige Gottesdienste sind Auslaufmodelle, obwohl es noch viele Ältere gibt, die Predigten gerne in der Muttersprache hören würden. Deutsch ist heute also auch in den deutschen Siedlungsgebieten nur noch eine Sprache, die mit anderen Fremdsprachen, vor allem Englisch, Spanisch und Französisch, konkurrieren muss. Dass es qualifizierte Deutschlehrer in befriedigender Zahl gibt, ist in erster Linie dem evangelischen Institut zur Lehrerausbildung in Ivoti zu verdanken, das eng mit der Jesuitenuniversität Unisinos in Sao Leopoldo zusammenarbeitet. Deutschunterricht spielt heute eine herausragende Rolle nur noch in den deutschen Zweigen der großen ehemaligen deutschen Schulen der Großstädte, etwa dem Colegio Cruzeiro und der Escola Alema Corcovado in Rio sowie dem Colegio Visconte de Porto Seguro, dem Colegio Imperatriz Leopoldina und der Humboldt-Schule in Sao Paulo. Deutschunterricht wird auch in den Goethe-Instituten in Porto Alegre, Curitiba, Sao Paulo und Rio angeboten. Wenn in der Generation der heute 20-jährigen Deutsch als Muttersprache praktisch ausgestorben ist, kann man sagen, dass die schon vor 70 Jahren angestrebte Nationalisierung, sprich Assimilation, endlich gelungen ist. Das deutschbrasilianische Vereinswesen ist zwar ab den 1950er Jahren in viel bescheidenerem Ausmaß wieder erstanden, und der Dachverband umfasste 2004 laut Aussage seines Präsidenten Jorge Globig 172 Mitgliedsvereine. Aber nicht wenige dieser traditionellen Vereinigungen sind überaltert und müssen um des Überlebens willen zunehmend Mitglieder aufnehmen, die das Deutsche nicht beherrschen; d.h. sie verwandeln sich zunehmend von landsmannschaftlichen zu rein geselligen Vereinen. Ob dem brasilianischen Staat aus der Assimilation des deutschen Elements ein Nutzen erwächst, wird die Zukunft erweisen. Ist der Schwund der immerhin 150 Jahre in Südbrasilien lebendigen deutschen Sprache zu bedauern, da er die fruchtbare Interaktion zwischen Binnen- und Auslandsdeutschen erschwert oder verhindert, so sind doch seit der Feier zur 150jährigen Einwanderung im Jahr 1974 auf diversen Feldern beachtliche Aktivitäten der Deutschbrasilianer festzustellen. Der Erforschung verschiedener Aspekte der Geschichte der eigenen Volksgruppe widmen sich Gelehrte an den Universitäten Unisinos, Porto Alegre, Santa Cruz do Sul und anderen. Darüber hinaus wird viel lokale und regionale Forschung von Laien durchgeführt; es existiert ein von dem Bürgermeister von Forquetinha, Waldemar Richter, gegründeter Verband deutschbrasilianischer Geschichtsforscher, der schon einige Konferenzen organisiert hat. In Lajeado gibt es ein deutschbrasilianisches Freilichtmuseum mit Kolonistenhäusern, in Sao Leopoldo besteht seit ca. 20 Jahren ein Historisches Museum, das sich dem Pioniererbe widmet. In Rio Pardinho ist es Pastor Werner gelungen, die alten Grabmäler des Friedhofs zu retten, indem er ihn zum historischen Erbe erklären ließ. Auch andere Pastoren kümmern sich um das historische Erbe, etwa Armindo Müller in Nova Friburgo, der die frühe Einwanderung dorthin dokumentiert. In Colonia Velha bei Sao Paulo wurde der lange vergessene Friedhof durch deutschbrasilianische Initiative restauriert. In Espirito Santo gibt es in letzter Zeit eine lebhafte Forschung über die dort im 19. Jahrhundert eingewanderten Pommern, z.B. seitens Prof. Ismaier Tessmann, der ein pommerisch-portugiesisches Wörterbuch erstellt hat. Nicht zu vergessen ist natürlich das 1938 gegründete Instituto Martius Staden in Sao Paulo, der archivarische Mittelpunkt der deutschbrasilianischen Forschung, dessen Forschungsergebnisse im „Staden-Jahrbuch“ veröffentlicht werden. Leider sind mit Ausnahme dieses Jahrbuchs fast alle anderen deutschbrasilianischen Publikationen auf Portugiesisch verfasst. Dies trägt zwar zum besseren Wissen der allgemeinen brasilianischen Bevölkerung über die deutsche Volksgruppe des Landes bei, birgt aber die Gefahr in sich, dass das Wissen im deutschsprachigen Mitteleuropa um die neuesten einschlägigen Entwicklungen in Brasilien schwindet und die transatlantische wissenschaftliche Kommunikation zum Rinnsal wird. Versucht man ein Fazit zu ziehen, was neben der historischen Erinnerung (soweit sie gepflegt wird) bleibt, kommt einem die von den deutschen Einwanderern und ihren Nachfahren geprägte Landschaft vor das innere Auge, die um die neugotische Kirche gruppierten anheimelnden Dörfer und Kleinstädte, die mit ihren alten und neuen Fachwerkhäusern eine spezifische Atmosphäre haben. Von Blumenau (dem Veranstaltungsort eines großen Oktoberfestes) aus verbreitet sich seit den 1980er Jahren in den deutschstämmigen Siedlungen Südbrasiliens die Sitte, den deutschen Charakter durch Fachwerk zu symbolisieren. Diese Betonung des spezifischen kulturellen Erbes erweist sich zunehmend als Attraktion für brasilianische Touristen aus dem Norden. 1981 publizierte ich ein Buch über die Deutschen in Kanada mit dem Untertitel „Eine Volksgruppe im Wandel“. Einen Wandel in mehrfacher Hinsicht konnte ich auch bei meiner siebenwöchigen Forschungsreise im Herbst 2004 bei den Deutschbrasilianern feststellen. Es wird unerlässlich sein, in meiner für 2006 geplanten Eckart-Schrift über „Die Deutschbrasilianer einst und jetzt“ neben den grundlegenden Fakten über Einwanderung und Siedlungsentwicklung auch die tiefgreifenden Veränderungen zu würdigen. Zeittafel Die deutsche Volksgruppe in Brasilien Nachfolgende Zeittafel informiert über wichtige Ereignisse in der Sozial- und Kulturgeschichte der Deutschen in Brasilien, der Deutschbrasilianer. Wichtige Stationen der politischen Geschichte Brasiliens sind in Kursiv gesetzt. 1494 Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal; Portugal bekommt von dem als Schiedsrichter fungierenden Papst die Gebiete östlich des Meridians von Belem do Para und Laguna zugesprochen 1500 Pedro Alvares Cabral nimmt Brasilien für Portugal in Besitz; unter seiner Schiffsbesatzung befinden sich deutsche Kanoniere und der seewissenschaftliche Berater der Flotte, Meister Johann (João) 1549 Bahia wird Hauptstadt der Regierung 1557 Der Erlebnisbericht des Landsknechts Hans Staden über seine Abenteuer in Brasilien erscheint und begründet das wissenschaftliche Schrifttum über dieses Land 1630-54 Holländisches Kolonialreich in Nordost-Brasilien (Pernambuco) 1637-44 Johann Moritz von Nassau-Siegen ist Gouverneur der holländischen Kolonie in Nordostbrasilien 1648 Georg Markgraf und Wilhelm Pies publizieren die erste Naturgeschichte Brasiliens (Historia Naturalis Brasiliae). Zacharias Wagner stellt sein »Thier-Buch« her 1685 Manuel Beckmann (Bequimao) Unabhängigkeitsbestrebungen stirbt als erster Märtyrer brasilianischer 1748-52 Die Firma Oldenberg in Lissabon siedelt 3000 Familien von den Azoren in Santa Catarina und Rio Grande do Sul an 1759 Die Jesuiten werden aus Brasilien vertrieben, darunter viele Deutsche, die wertvolle Kulturarbeit im 17.und 18. Jahrhundert geleistet hatten 1763 Rio wird Hauptstadt (Sitz der Vizekönige) 1767-82 Johann Heinrich Böhm wird Generalinspekteur aller portugiesischen Truppen in Amerika und gründet das brasilianische Heer 1807 Der portugiesische Prinzregent Dom João VI. flüchtet vor Napoleons Invasion und verlegt den Regierungssitz nach Rio 1808 Öffnung der Häfen für Fremde; Beginn der Zulassung ausländischer Einwanderung 1810-1914 Viele deutsche Wissenschaftler leisten Pionierarbeit in Brasilien 1811-21 W. L. von Eschwege setzt die erste Eisenhütte Brasiliens in Gang 1815-22 Brasilien und Portugal bilden ein Königreich in Personalunion 1817 Dom Pedro heiratet die Erzherzogin Leopoldine von Österreich; in ihrem Gefolge befinden sich deutsche Wissenschaftler, Fachleute und Künstler 1817-20 Der Zoologe Spix und der Botaniker von Martius unternehmen große Forschungsreisen durch Brasilien und publizieren umfangreiche Werke darüber 1819 Schweizer gründen die erste kleinbäuerliche Kolonie Brasiliens, Nova Friburgo, die1824 durch deutsche Zuwanderer stabilisiert wird 1820 Brasilien erlässt ein Kolonisationsgesetz; Beginn der planmäßigen Einwanderungsforderung 1821 Gründung des ersten deutschbrasilianischen Vereins, der Gesellschaft »Germania« in Rio de Janeiro 1822 Dom Pedro I. ruft Brasilien als unabhängiges Kaiserreich aus; Leopoldina wird Kaiserin 1824 Erste brasilianische Verfassung; Zulassung nichtkatholischer Einwanderer 3. Mai: Die ersten deutschen Einwanderer erreichen Nova Friburgo 25. Juli: Eine Gruppe deutscher Einwanderer gründet die Siedlung São Leopoldo, RS; dieses Datum wird Entstehung der ersten deutsch-evangelischen Gemeinden Südamerikas in Nova Friburgo und São Leopoldo 1826f. Entstehung der deutschen evangelischen Gemeinde in Rio 1829 Gründung deutscher Kolonien in Santa Catarina, Paraná und São Paulo 1831-89 Regierungszeit Dom Pedros II. 1833 Eschweges Buch »Pluto Brasiliensis« legt das Fundament für die geologische Erforschung Brasiliens 1842ff. Deutsche Jesuiten wirken im Süden Brasiliens als Seelsorger und Lehrer 1842-1902 Der Verlag der Gebrüder Laemmert in Rio ist einflußreich im brasilianischen Verlagswesen 1844 Entstehung des Deutschen Hilfsvereins in Rio 1845 Der Major Julius Friedrich Koeler gründet die Siedlung Petrópolis bei Rio, den Sommersitz des Kaisers 1847 Gründung von Santa Isabel, der ersten deutschen Siedlung in Espirito Santo 1847-55 Gründung zahlreicher Halbpart-Kolonien in der Provinz São Paulo; die dortige schlechte Behandlung der Vertragsarbeiter hat negative Auswirkungen auf die deutsche Auswanderung 1848-74 Die Provinzen übernehmen die Kolonisationspolitik 1849 Gründung der Kolonie Santa Cruz, RS 1850 Verbot der Einführung von Sklaven Dr. Hermann Blumenau gründet die gleichnamige Kolonie in Santa Catarina 1850 f. Der Hamburger Kolonisationsverein von 1849 gründet die Kolonie Dona Francisca (Joinville), SC 1851 Bildung einer deutschen Fremdenlegion (»Die Brumrner«) 1852f. Die ersten deutschsprachigen Zeitungen entstehen in Porto A]egre, Dona Francisca und Rio 1854 Eröffnung der ersten Eisenbahn Gründung des ersten deutschbrasilianischen Gesangvereins, der »Helvetia« in Joinville (heute »Sociedade Harmonia-Lyra«) 1855 Nach Auflösung der deutschen Legion werden viele »Brummer« in RS ansässig Gründung des Klubs »Germania« in Porto Alegre 1858 Jakob Rheingantz gründet mit Pommern die Kolonie São Lourenço bei Pelotas, RS Gründung des deutschen Tumvereins in Joinville 1859 Der Erlaß des preußischen Ministers von der Heydt zum Schutz der Auswanderer verbietet die Anwerbung von Auswanderern nach Brasilien; das Dekret ist gültig bis 1896 1860 Gründung von Brusque, SC durch deutschbrasilianische Initiative 1863 Gründung des Deutschen Hilfsvereins in Säo Paulo 1867 Gründung eines Deutschen Hilfsvereins in Recife (Pemambuco) und eines deutschen Schulvereins in Rio 1868 Gründung des Vereins »Germania« in Säo Paulo und des Deutschen Krankenvereins in Porto Alegre 1870 Beginn der italienischen Einwanderung 1874-1938 »Koseritz’ Deutscher Volkskalender«, Porto Alegre 1877-79 Einwanderung von Wolgadeutschen in Brasilien; Siedlungsgründungen vor allem in der Provinz Paraná 1877 Dr. Wilhelm Rotermund gründet die Evangelische Buchhandlung in São Leopoldo (heute Rotermund & Co.) 1878 Gründung der Deutschen Schule in São Paulo und der dortigen »Deutschen Zeitung« 1879 Die Brüder Hering aus Chemnitz gründen in Blumenau eine Trikotagenfabrik, die sich zur größten in in Lateinamerika entwickelt 1881 Neues Wahlgesetz; Eingebürgerte und Nichtkatholiken erhalten das passive Wahlrecht Rotermund gründet den evangelischen »Deutschen Volkskalender für Brasilien« in São Leopoldo (letzterer erscheint bis 1941) 1882 Gründung des Clubs Beethoven, des Schubert-Chors, des »Gesangvereins Frohsinn« und der »Deutschen Musikgesellschaft« in Rio 1883 f. Gründung des »Vereins deutscher Sängerbünde“ in Curitiba 1886 Gründung des Verbandes deutscher Vereine in Porto Alegre 1888 Aufhebung der Sklaverei Villiger errichtet die »Companhia Cervejería Brahma« in Rio, heute eine der größten Bierbrauereien Brasiliens 1889 15.11.Brasilien wird Republik Deutsche Orden werden in Brasilien zugelassen: Franziskaner, Steyler Missionare, Benediktiner, Pallottiner, Salesianer u. a. nehmen sich auch der deutschen Katholiken seelsorgerisch an 1891 Republikanische Verfassung. Dezentralisation. »Große Naturalisation«: Gleichstellung der Protestanten und Eingebürgerten mit den alteingesessenen Katholiken Lauro Müller wird erstmals Präsident des Staates Santa Catarina (erneut 1902 und 1918) 1894 Gründung des »Deutschen Männer-Gesangvereins Lyra« in Säo Paulo (heute „Sociedade Filarmonica Lyra“) 1898-1938 Bestehen von deutschbrasilianischen Lehrervereinen, Lehrerseminaren und Ruhegehaltskassen (beginnend mit dem Katholischen - 1898 - und dem Evangelischen Lehrerverein - 1901 in RS) 1899 Gründung von Neu-Württemberg (Panambí), RS, durch Dr. Hermann Meyer 1900 In Brasilien erscheinen 15 deutsche Zeitungen (mit 58 Ausgaben pro Woche) 1912 Lauro Müller wird brasilianischer Außenminister Der Schweizer Leonard Kessler gründet in Curitiba das Konservatorium von Paraná Beuroner Benediktiner schaffen die Grundlage der Landwirtschaftlichen Universität von Pernambuco 1912ff. »Sankt Paulusblatt« (das heute noch besteht) 1916ff. Entstehen deutsch-brasilianischer Handelskammern als Antwort auf den amerikanischen Handelskrieg 1917 Brasilien erklärt Deutschland den Krieg Verbot deutschsprachiger Veröffentlichungen und Vereinigungen während des Krieges 1919 Gründung des »Deutschen Vereins für Wissenschaft und Kunst« in São Paulo 1922 Deutsche Benediktiner schaffen das Jahrhundertkrankenhaus in Recife 1923 Carlos Frederico Hoehne ist der Begründer und erste Direktor des Botanischen Instituts in São Paulo 1924 Eine Statistik ergibt die Existenz von 335 deutschen Vereinen in Rio Grande do Sul. Der 25. Juli wird ab jetzt als »Tag der deutschen Einwanderung« gefeiert 1925 Entstehung des »Deutschen Sängerbundes in Brasilien «Gründung des Landesverbandes deutschbrasilianischer Lehrer mit Sitz in São Paulo; umfasst ca. 1400 Schulvereine 1926 Viktor Konder wird brasilianischer Verkehrsminister 1927 Deutschbrasilianer begründen auf Initiative Otto Ernst Meyers die erste (und heute größte) Fluggesellschaft Brasiliens, VARIG (Viação Aerea Rio-Grandense) 1930 Mennoniten gründen die Kolonie Witmarsum, Bezirk Hansa-Hammonia, SC (später nach Paraná verlegt). Gründung der Gesellschaft »Pro Arte Brasil« (zur Pflege von Kunst, Literatur und Wissenschaft) in São Paulo. 1930-45 Bundespräsident Getúlio Vargas; Zeit eines übersteigerten lusobrasilianischen Nationalismus ( Nativismus, „Nationalisierung“ der Minderheiten) 1932 Unter der Leitung von Oswald Nixdorf entsteht bei Londrina, PR, die Kolonie Rolandia Eröffnung des Deutschen Krankenhauses in Porto Alegre 1933 Andreas Thaler gründet die tirolische Kolonie Dreizehnlinden (Treze Tilias) in SC 1934 Neue Verfassung; Einführung des Schulzwanges und zentrale Regelung des Schulwesens; Einführung eines Quotensystems für die Einwanderung nach Brasilien. 1938 Gründung des „Hans-Staden-Instituts für Wissenschaft, Schrifttum und brasilianischdeutschen Kulturaustausch“ in São Paulo. In Rio Grande do Sul gibt es 570 000 Deutschstämmige; die Rio Grandenser Synode der evangelischen Kirche umfasst 460 Gemeinden. Die nativistische (fremdenfeindliche) Richtung in Brasilien setzt durch, dass in Kirche und Schule nur noch die portugiesische Sprache benutzt werden darf; »Nationalisierung«, d. h. Vernichtung des deutschsprachigen Schul- und Vereinswesens: Ca. 1300 deutsche Privatschulen und ca. 2000 Vereine werden vom Staat geschlossen oder beschlagnahmt; ca. 70 deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften sowie 10 Kalender werden verboten. Alles »Deutsche« wird verfolgt und unterdrückt. Auch das gut organisierte bäuerliche Genossenschaftswesen geht zugrunde 1942 Brasilien tritt in den Krieg gegen Deutschland ein; Beschlagnahmung deutschen Eigentums und Vermögens 1946 Der spätere evangelische Bischof Hermann Dohms gründet eine Theologische Hochschule in São Leopoldo 1948 Wiederaufnahme der Deutsch-brasilianischen Handelskammern 1949 Bildung der »Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien« 1950 Gründung der Wochenzeitung »Brasil-Post« in São Paulo durch Karl Oberacker Gründung der „Martius-Stiftung für Wissenschaft, Schrifttum und Kunst“ in São Paulo Altsiedler aus RS und SC gründen die Orte Toledo und (Marechal Candido) Rondón in Paraná 1951 Mennoniten aus Witmarsurn I gründen den Ort Witmarsum II in Paraná Gründung des »Verbandes der Kulturvereine 25. Juli« in Porto Alegre (umfasste Mitte der 1970er Jahre ca. 30 Vereinigungen; heute gehören ihm 50 Vereine und eine Anzahl Einzelmitglieder an) 1951f. Die Schweizer Auslandshilfe siedelt 500 donauschwäbische Familien (etwa 2500 Menschen) im Munizip Guarapuava, PR, an. Entstehen der Kolonie Entre Rios 1953 ff. »Staden-Jahrbuch« (heute „Martius-Staden-Jahrbuch) in São Paulo 1954 Gründung des deutschen »Club Transatlantico São Paulo« (vor dem Krieg Klub »Germania« genannt) 1955 Gründung der »Corcovado-Schule« (mit einem deutschen Zweig) in Rio 1956 Abkommen zwischen Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland über die partielle Rückgabe beschlagnahmten deutschen Vermögens 1960 Brasilia wird Hauptstadt Brasiliens. Die Stadt ist geprägt von Gebäuden Oskar Niemeyers und Gartenanlagen von Roberto Burle Marx 1961 Neues Schulgesetz; Deutsch wird als Fremdsprache in brasilianischen Schulen wieder zugelassen 1965 Gründung des Kulturvereins Gramado, RS; der Verein errichtet 1966 ein »Haus der Jugend« in Gramado als Zentrum für Fortbildungskurse von Chören und Tanzgruppen, Tagungen und Freizeiten 1967 Staatsbesuch von Bundespräsident Lübke in Brasilien 1973ff. Im tropischen Buschland des Mato Grosso (Bezirk von Barra do Garça) entstehen deutsche Siedlungen durch Abwanderer aus den Altkolonien 1974 Als erster Protestant und Deutschstämmiger wird General Ernesto Geisel Präsident Brasiliens; er regiert bis 1979 Erfolgreiche 150-Jahr-Feiern der Deutschbrasilianer unter Beteiligung des Staatspräsidenten 1990-2000 In dieser Zeit sind 21 brasilianische Minister und Vizeminister deutscher Abstammung 2007 Die Zahl der deutschstämmigen Brasilianer wird von der Brasilianischen Botschaft auf 5 Millionen geschätzt; nur ein Bruchteil davon beherrscht noch die deutsche Sprache. In Rio Grande do Sul ist der hunsrückische Dialekt noch lebendig