Lukas Bunse Dr. med. Spontane Immunantworten gegen mutierte Isozitratdehydrogenase 1 in Gliompatienten Fach: Neurologie Doktorvater: Prof. Dr. Michael Platten Maligne Hirntumoren gehören mit einer weltweiten Prävalenz von 3-4 pro 100.000 Menschen zu den seltenen Erkrankungen. 80 % der malignen Hirntumoren sind Tumoren glialen Ursprungs (Gliome), die in jedem Lebensalter, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht auftreten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterteilt Gliome in WHO Grad I – IV. Bei Patienten, die an einem diffusen (WHO°II) oder anaplastischen (WHO°III) Gliom erkranken, kann trotz Maximaltherapie mit Operation und konsekutiver Radiochemotherapie der Krankheitsverlauf nur günstig beeinflusst werden. Ein Rezidiv, häufig in einer noch bösartigeren Form (sekundäres Glioblastom WHO°IV), lässt sich bis heute nicht sicher verhindern. Dem Wissen der Patienten um die hohe Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs mit Symptomen wie Wesensveränderungen, Krampfanfällen, Lähmungserscheinungen und frühzeitigem Tod, sind lediglich belastende Nachsorgeuntersuchungen und frustrane Folgetherapien entgegenzusetzen. Einen überzeugenden therapeutischen Ansatz für diese Krankheitsphase gibt es nicht. Das Hauptanliegen sollte sein, dem Immunsystem dieser immunkompetenten, häufig jungen Patienten mit einer gezielten Immuntherapie die Möglichkeit zu geben, die nach der Standardtherapie zurückgebliebenen Tumorzellen zu bekämpfen. 80 % diffuser und anaplastischer Gliome sowie sekundärer Glioblastome tragen eine Punktmutation (R132H) im Gen der Isozitratdehydrogenase 1 (IDH1). Diese Dissertationsschrift hat gezeigt, dass die IDH1(R132H)-Mutation spontan und spezifisch vom menschlichen Immunsystem erkannt wird und sich damit als immuntherapeutische Zielstruktur eignet. Im Blut von 16 % (4 von 25) der Patienten mit IDH1(R132H)-mutiertem Gliom konnten IDH1(R132H)-spezifische Th1-Zellen detektiert werden. Die IFN-γ-Produktion dieser T-Zellen war abhängig von der IDH1(R132H)-Peptidpräsentation auf MHC-Klasse II HLA-DR. Des Weiteren konnten IDH1(R132H)-spezifische IgG1 im Serum von 9,5 % (4 von 42) der Patienten mit IDH1(R132H)-mutiertem Gliom identifiziert werden. Eine Restriktion der spontanen Immunantwort auf einen oder mehrere HLA-Typen konnte nicht festgestellt werden. Im Blut eines Patienten wurden sowohl IDH1(R132H)-spezifische Th1-Zellen als auch IgG1 detektiert. Das mutierte IDH1(R132H)-Antigen ist besonders attraktiv, da die Punktmutation im IDH1-Gen das früheste Ereignis der malignen Transformation gesunder Gliazellen zu diffusen und anaplastischen Gliomen sowie sekundären Glioblastomen darstellt; folglich ist jede Tumorzelle betroffen. In Vorarbeiten wurde bereits die therapeutische Effektivität einer IDH1(R132H)-spezifischen Immuntherapie in MHChumanisierten A2.DR1-Mäusen gezeigt. MHC-humanisierte A2.DR1-Mäuse tragen die humanen MHCKlasse I- und II-Moleküle HLA-A2 und HLA-DR1 und ermöglichen somit eine schnelle Translation präklinischer Ergebnisse für die Anwendung am Patienten. Da für eine effektive Antitumoraktivität die Präsentation des Antigens IDH1(R132H) im Tumorgewebe von entscheidender Bedeutung ist, wurde eine Methode zur Visualisierung von Antigenpräsentation auf MHC-Klasse II-Molekülen im Tumorgewebe etabliert. Diese Methode beruht auf dem für die Visualisierung von Protein-Protein-Interaktion etablierten proximity ligation assay. Sowohl in der etablierten Gliomzelllinie LN229 und drei primären Gliomzelllinien als auch in IDH1(R132H)-mutiertem Gliomgewebe konnte die Antigenpräsentation von IDH1(R132H) visualisiert werden. Dies gilt auch für die Antigenpräsentation des etablierten tumorassoziierten Antigens NY-ESO-1 in der Melanomzelllinie SK-Mel-37. Basierend auf diesen Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass eine IDH1(R132H)-gerichtete Immuntherapie ein vielversprechender, neuartiger Therapieansatz für die Behandlung von Gliomen ist. Die Ergebnisse meiner Arbeit haben zu einer klinischen Studie geführt, die seit Juni 2015 Patienten rekrutiert (NCT-2013-0216). In dieser multizentrischen Phase-I-Studie zur Analyse der Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität sollen 39 Gliompatienten mit der IDH1(R132H)-Impfung behandelt werden.