von Tim Neshitov (vom 18 - SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina

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Leserbrief zum Artikel „Und Blut überflutete die Straßen von
Kerbela“ von Tim Neshitov (vom 18. 6. S. 11), erschienen in
der Wochenendausgabe der SZ vom 28./29. 6. 2014, S. 23):
(Die gelb markierten Stellen hat die SZ rausgekürzt und leider ist ein Zitat nicht mehr als
solches zu erkennen, aber immerhin!)
Zwar konzediert Tim Neshitov, dass „westliche Strategen mit primärem Interesse an Sachen
wie Öl, Häfen und Bahnlinien gewiss ihre Verantwortung für die irakische Tragödie
[tragen]“, diese Erkenntnis bleibt aber leider folgenlos für seinen Artikel. Abgesehen davon,
dass die SZ selbst beispielsweise am 21. 6. („Thema des Tages“) aufmerksam macht auf die
verhängnisvolle Rolle der USA bei der jüngeren Entwicklung im Irak - die nur zu verstehen
ist vor dem Hintergrund des in den 1990er Jahren entwickelten Projekts „Amerikas neues
Jahrhundert“ und dessen Herzstück, die Schaffung des „Greater Middle East“ -, bleibt in dem
Artikel auch unberücksichtigt, was schon zumindest seit Beginn des letzten Jahrhunderts (im
Grunde aber, seit es den europäischen Kolonialismus gibt) Richtschnur europäisch-westlicher
Politik gegenüber dem Rest der Welt ist. Herrn Neshitov wäre zu empfehlen, sich einmal die
„Studie zur Situation in der Levante“ - also im Nahen Osten - näher anzuschauen, die der
britische Premierminister Campbell-Bannerman bereits im Jahre 1907 in Auftrag gab. Dieser
von einer hochkarätig besetzten Kommission verfasste sog. „Campbell-Bannerman-Report”
wies – „in Sorge um die Aufrechterhaltung des britischen Imperiums“- auf die angeblich
große Gefahr hin, die von der - damals noch unter osmanischer Herrschaft stehenden arabisch-muslimischen Region ausging. Es war seinerzeit ja schon bekannt, dass sich dort –
wo sich die internationalen Handelsrouten kreuzen – auch noch gewaltige Öl- und GasRessourcen befinden. So warnt die Studie: „Keine natürlichen Grenzen trennen die Araber
voneinander. Falls sie sich jemals vereinigen sollten, dann würde das Schicksal der Welt in
ihren Händen liegen und Europa würde vom Rest der Welt abgekoppelt.“ Um dieser Gefahr
zu begegnen empfahl die Studie – nach dem absehbaren Ende des osmanischen Reiches gemäß der Devise „teile und herrsche“ die Aufspaltung der arabischen Nation in viele kleine
Einheiten, und zwar „unter der Autorität der westlichen Staaten“. Um die strategischen
Interessen der europäischen Mächte durchzusetzen, müsse „ein Fremdkörper - an anderer
Stelle heißt es deutlicher „ein Pufferstaat“ - in das Herz dieser Nation gepflanzt werden, um
ihre Vereinigung zu verhindern und zwar auf eine solche Weise, dass ihre Kräfte sich in
niemals endenden Kriegen erschöpfen [!]. Dieser seinen Nachbarn feindlich
gegenüberstehende Fremdkörper könnte dem Westen als Sprungbrett für die Erlangung
seiner Ziele dienen.“ Hier wird unmissverständlich die Motivation der britischen
Kolonialmacht, des damaligen Imperiums, ausgesprochen, die nicht nur die willkürlichen
Grenzziehungen, die Zerstückelung der arabischen Nation sondern auch die Unterstützung der
zionistischen Bestrebungen nach einem jüdischen Staat in einem durch und durch arabischen
Umfeld zur Folge hatte. Also schon 10 Jahre bevor die britische „Balfour-Erklärung“ den
Juden feierlich eine Heimstatt in Palästina in Aussicht stellte, sind hier – praktisch unbemerkt
von der Öffentlichkeit - ideologisch bereits die Wurzeln gelegt für das „Tollhaus“ (Erich
Fromm) Naher Osten, das die Welt bis heute in Atem hält. Die Empfehlungen dieser Studie
der britischen Regierung aus dem Jahre 1907 wurden offensichtlich skrupellos in die Praxis
umgesetzt, insbesondere wurde für die „niemals endenden Kriege“ gesorgt, wobei man um
einen Vorwand für Interventionen („Demokratie“, „Menschenrechte“.....) nie verlegen ist.
Jürgen Jung, Pfaffenhofen
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