New York Times, 9. August 2010 Slumdog-Tourismus KENNEDY ODEDE 1) Elends-Tourismus hat eine lange Tradition. Im späten 19. Jahrhundert haben sich Kolonnen wohlhabender New Yorker entlang der Bowery und durch die Strassen der New Yorker Lower East Side geschlängelt, um zu sehen, wie die „andere Hälfte“ lebt. Parallel zum Phänomen, dass sich in der entwickelnden Welt die Bevölkerung zunehmend in Städten ansiedelte, wuchs auch die Gelegenheit und das Bedürfnis, die Armut direkt zu beobachten. Die attraktivsten Krisenherde sind heute wahrscheinlich Rio de Janeiro, Mumbai (dank dem Film „Slumdog Millionär“, der Tausende von Slum-Touren ausgelöst hat) und meine Heimat. Ich wohne in Nairobis Stadtteil Kibera, dem wahrscheinlich grössten Elendsviertel Afrikas. Der Elendsvierteltourismus hat seine Fürsprecher, die sagen, dass er das soziale Bewusstsein fördere. Ausserdem bringe er gutes Geld, das der örtlichen Wirtschaft helfe. Aber das stimmt nicht. Elendsvierteltourismus verwandelt Armut in ein Unterhaltungsangebot für Touristen – man kann Armut kurzzeitig erleben und ihr dann wieder entkommen. Leute denken, dass sie wirklich etwas „gesehen“ hätten. Anschliessend gehen Sie in ihr Leben zurück und verlassen mich, meine Familie und meine Gemeinschaft. Alles ist wieder wie vorher. Meine erste Elendsviertel-Touristengruppe sah ich, als ich 16 Jahr alt war. Ich befand mich gerade ausserhalb meines 30-Quadratmeter-Häuschens um den Abwasch zu machen. Ich schaute sehnsüchtig auf mein Essgeschirr, weil ich seit zwei Tagen nicht gegessen hatte. Plötzlich knipste eine weisse Frau ein Foto von mir. Ich fühlte mich wie ein Tier in einem Käfig. Bevor ich irgend etwas sagen konnte, war die Frau weg. Als ich 18 war, gründete ich eine Organisation, mit dem Ziel, den Einwohnern von Kibera Bildung, medizinische Versorgung und die nötigste Infrastruktur zu vermitteln. Eine Dokumentarfilmerin aus Griechenland besuchte mich und interviewte mich zu meiner Arbeit. Auf unserem Weg durch die Gassen von Kibera, kamen wir an einem alten Mann vorbei, der in aller Öffentlichkeit sein Geschäft auf der Strasse verrichtete. Die Frau nahm ihre Videokamera heraus und sagte zu ihrem Assistenten: „Oh, schau dir das an!“. Für einen Moment habe ich meine Heimat durch ihre Augen gesehen: Kot, Ratten, Hunger und Häuser, die so eng zusammenstehen, dass niemand atmen kann. Ich habe realisiert, dass ich nicht wollte, dass die Frau all dies sah. Ich wollte ihr nicht die Gelegenheit geben, meine Leute allein aufgrund ihrer Armut zu beurteilen. Diese meine Reaktion können nur wenige Touristen, egal wie gut ihre Absichten sind, verstehen. Andere Einwohner von Kibera sehen das allerdings nicht so eng und haben einen anderen Weg eingeschlagen. Einer meiner ehemaligen Mitschüler hat ein Tourismusgeschäft eröffnet. Ich habe einmal gesehen, dass er eine Gruppe in die Hütte einer jungen Frau, die gerade ihr Kind auf die Welt brachte, nahm. Die Touristen sind um sie herumgestanden und haben zugeschaut, wie sie in ihren Wehen schrie. Schliesslich hat die Gruppe ihre Tour fortgesetzt – in ihren Kameras trugen die Tourmitglieder die Bilder einer Frau, die sich in ihren Schmerzen gewunden hatte, mit sich. Was haben sie gelernt? Hat die Frau eine neue Erfahrung gewonnen? Um gerecht zu sein, muss auch gesagt werden, dass viele Ausländer in die Elendsviertel kommen, weil sie die Armut wirklich verstehen wollen. Wenn sie gehen, glauben sie, sie hätten tatsächlich ein besseres Verständnis von unserer verzweifelten Lage. Die Erwartung der Besucher und der Reiseorganisatoren ist, dass die gemachten Erfahrungen auch zu entsprechenden Handlungen führen, sobald die Touristen wieder zu Hause sind. Allerdings ist es viel wahrscheinlicher, dass die Touren zu nichts führen. Wenn man die Umstände bedenkt, die in Kibera herrschen und von denen es beherrscht wird, kann ich mir nichts anderes vorstellen. Viele Besucher denken wohl auch, dass es genug sei, zuhause über die gesehene Armut zu sprechen. Einen wirklichen Kontakt zu uns gibt es jedenfalls nicht. Ausser gelegentlichen Bemerkungen gibt es keinen Dialog, keine Konversation. Elendsvierteltourismus ist eine Einbahnstrasse: Die Touristen erhalten Fotos und wir verlieren ein Stück unserer Würde. Elendsviertel werden nicht deshalb verschwinden, weil sich ein paar Dutzend Amerikaner und Europäer einen Morgen in ihnen aufgehalten haben. Es gibt Lösungen für unsere Probleme, aber sie bestehen nicht darin, dass man sich an Touren durch die Slums beteiligt. 1 Kennedy Odede, Geschäftsführer der Organisation „Shining Hope for Communities“ Erste Allgemeine Verunsicherung - Afrika Lyrics Letztes Jahr war ich in Afrika. Im Dschungel war es dunkel, doch was sah ich da? Den Strohhut am Kopf und am Bauch die Kamera Currywurst-Zombies, jessasna. Ist der Massa gut bei Kassa, fliegt First Class er nach Mombasa. Es nahte Otto, der Safari-Gringo Sein Gesicht war rosa wie ein Flamingo. Es fragt seine Frau ihren Freizeittarzan: "Sag mal, wer malt denn die Neger so schwarz an?" Ist der Massa gut bei Kassa, fliegt First Class er nach Mombasa. Afrika, Afrika Afrika, Afrika Afrika, Afrika Heute fahr'ma Neger schauen, des wird a Trara. Das Hotel ist sehr feudal Mit Swimmingpool, ein 3-Sterne-Gral. Den ganzen Morgen sauft der flotte Ottl An der Bar im Hotel wie ein Trottel an der Bottle. Ist der Massa gut bei Kassa, fliegt First Class er nach Mombasa. Am Nachmittag wird er zum Grosswildjäger Und ein Pavian zum Bettvorleger. In der Nacht träumt er von einer Voodoo-Mutti Mit Riesentitti aus Djibouti. Ist der Massa gut bei Kassa, fliegt First Class er nach Mombasa. Afrika, Afrika Afrika, Afrika Afrika, Afrika Heute fahr'ma Neger schauen, des wird a Trara. 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