Universität Regensburg Institut für Geschichte Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte Übung: Staatsexamensthemen aus der Bayerischen Geschichte (WiSe 2012/13) Dozent: Dr. Georg Köglmeier Referent: Johannes Kuber 22.1.2013 Die Revolution von 1918/19 in Bayern: Ursachen, Verlauf, Folgen A. Einleitung - - Begriffsdefinition „Revolution“: „der gewaltsame Umsturz einer bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung“ (Grau, Revolution) – wobei „gewaltsam“ hier nur eingeschränkt zutrifft Eingrenzung: Bayern, 7.11.1918 – 2.5.1919 (+ Vorgeschichte + Folgen) Ausgangslage: o Erster Weltkrieg (Oberbefehl über bayerische Truppen beim Kaiser) o politisches System in Bayern vor der Revolution: konstitutionelle Monarchie, d.h. König = Souverän, eingeschränkt durch Verfassung Landtag: Erste Kammer (Kammer der Reichsräte): fast ausschließlich Adelige Zweite Kammer (Kammer der Abgeordneten): gewählt Zensuswahlrecht für Männer ( nur 17% der Bevölkerung wahlberechtigt) privilegierter Adel vs. weite Bevölkerungsteile ohne jeglichen Einfluss auf die Politik o Verfassungsreformbestrebungen: Krieg verstärkt den Ruf nach einer Anpassung des politischen Systems an die gesellschaftliche Situation September 1917: Antrag Auer-Süßheim mit Maximalforderungen scheitert im bayerischen Landtag 28.10.1918: Verfassungsreform im Reich, Kabinettsumbildung, neuer Reichskanzler Prinz Max von Baden Bayern: „Abkommen zwischen Regierung & Landtagsparteien“ am 2.11.1918: Parlamentarisierung, d.h. Einführung der parlamentarischen Monarchie modernes Wahlrecht massive Umformung & Schwächung der Reichsräteskammer aber: 7.11.1918 Revolution Reformen nicht mehr durchgeführt o Signalcharakter: Oktoberrevolution 1917 in Russland o parallel: Revolution im restlichen Reich (Ausrufung der Republik in Berlin am 9.11.1918) Fragestellung: o Wie kam es zur Revolution, in welchen Schritten verlief sie, was waren ihre Folgen? o Wie waren die revolutionären Kräfte legitimiert? o Was unterschied die Revolution in Bayern von den Vorgängen im restlichen Reich? 1 B. Hauptteil 1. Ursachen der Revolution - - Kriegsmüdigkeit: o allein in Bayern ca. 180.000 Gefallene, 20.000 Vermisste & 435.000 Verwundete (bei insg. 910.000 Soldaten), hunderttausende Verwundete o große Ernährungsprobleme: englische Seeblockade, Missernten schon ab 1915 keine ausreichende Lebensmittelversorgung mehr (über 800.000 Hungertote in Deutschland!) o wachsende Spannung Stadt vs. Land (Arbeiterschaft vs. vom Krieg besonders betroffene Bauern) o zunehmender Preußenhass (für alles verantwortlich gemacht) o zunehmendes Bewusstsein, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist schon ab Januar 1918 vielerorts – auch in Bayern – Massenstreiks & Demonstrationen gegen die Weiterführung des Krieges („Januarstreik“) diese Kriegsmüdigkeit verbindet sich mit einer schweren Autoritätskrise: o Krise bahnt sich schon länger an: Wandel in der Gesellschaftsstruktur breite Volksmassen geraten in zunehmenden Gegensatz zu Adel & Staat o Autoritätsverlust des Königtums schon seit Rücktritt Ludwigs I. 1848, verstärkt durch Krankheit & Entmündigung Ludwigs II. 1886, die folgende Prinzregentschaft & deren Beendigung 1913 o ab Kriegsbeginn zunehmender Machtverlust Ludwigs III. zugunsten des Kaisers; dessen Autorität wiederum ab 1916 von der faktischen Militärdiktatur der Obersten Heeresleitung zurückgedrängt o Ernährungsprobleme + schlechte Versorgung mit Holz, Kohle etc. + Unfähigkeit der Regierung, Krieg zu gewinnen/beenden wachsende Unzufriedenheit mit Regierung König & bayerische Regierung zunehmend als machtlose Marionetten der Reichsregierung betrachtet niemand bereit, dieses Regime zu verteidigen 2. Die Revolution - Akteure: o kleine, aber tatkräftige radikale Gruppe unter Führung von Kurt Eisner (USPD) Kurt Eisner: - * 1867 Berlin - Journalist & Schriftsteller, Redakteur des SPD-Organs „Vorwärts“ - Pazifist mit starken antipreußischen Ressentiments - 1897: neun Monate Gefängnis wegen Majestätsbeleidigung - 1910 als Journalist nach München - anfänglich Kriegsbefürworter (gegen die angebl. Aggression des zaristischen Russland), bald aber überzeugt von Deutschlands Kriegsschuld Einsatz für Kriegsbeendigung - 1917 USPD Parteiführer in München - Hauptorganisator des „Januarstreiks“ 1918 in München wegen Landesverrats bis Oktober 1918 in Untersuchungshaft (entlassen wegen Kandidatur in Reichstagsnachwahl) sammelt Anhänger in München, bereitet Revolution vor 2 o MSPD: zunächst keine Beteiligung an der Revolution; nach erfolgtem Umsturz aber sofort Mitwirkung o größter Teil der Bevölkerung: passiv, weder Euphorie noch klare Ablehnung 2.1 Die Ereignisse am 7./8. November 1918 - Ende Oktober/Anfang November: Kieler Matrosenaufstand Ausweitung aufs ganze Reich, Bildung von Arbeiter- & Soldatenräten in vielen Städten - 7.11.1918: Friedensdemonstration von MSPD, USPD & Gewerkschaften in München (Theresienwiese) - Erhard Auer (MSPD) führt nach Ansprachen größten Teil der Besucher geordnet zurück in die Innenstadt - währenddessen: kleiner, entschlossener Demonstrationszug, angeführt von Eisner & Ludwig Gandorfer (Bayerischer Bauernbund) und verstärkt durch viele Soldaten, besetzt ohne nennenswerten Widerstand alle Kasernen (Soldaten schließen sich an) - Regierung hilflos wegen Soldatenmeuterei König Ludwig III. verlässt München - Bildung eines provisorischen Arbeiter- & Soldatenrates im Mathäserbräu - Besetzung öffentlicher Gebäude - nächtliche Sitzung im Landtag: o Eisner proklamiert Republik Bayern o Räte wählen Eisner zu ihrem Vorsitzenden o Eisner: Arbeiter- & Soldatenräte sollen bis zur Neuwahl einer Nationalversammlung ein Übergangsparlament bilden ( Ziel: nicht Räterepublik, sondern parlamentarisches System) Revolution „über Nacht“ ohne Blutvergießen - Ausweitung auf ganz Bayern: o schnelle & flächendeckende Schaffung von Arbeiter-, Soldaten- & Bauernräten auch in anderen bayerischen Städten (v.a. in Garnisonsstädten, getragen von Soldaten) o fast überall dominiert von MSPD, v.a. in kleineren Gemeinden auch Mitwirkung bürgerlicher Kräfte o in ganz Bayern bald 6.000-7.000 Räteorganisationen 2.2 Die Regierung Eisner (8.11.1918-21.2.1919) - widerwilliges Koalitionsangebot Auers an Eisner - 8.11.: „Provisorischer Nationalrat“ (eilig zusammengewürfeltes Gremium aus Räten & ausgewählten Landtagsabgeordneten von SPD, BB & Liberalen) wählt provisorische Revolutionsregierung beschränkte Legitimation („Provisorischer Nationalrat“ selbst nicht vom Volk legitimiert) frei von jeglicher institutionalisierten Kontrolle - Zusammensetzung: o Eisner Ministerpräsident o MSPD: Erhard Auer (Inneres), Johannes Hoffmann (Unterricht & Kultus), Johann Timm (Justiz), Albert Roßhaupter (Militär) o USPD: Kurt Eisner (Äußeres), Hans Unterleitner (Soziale Fürsorge) 3 - o parteilos (aber Anhänger Eisners): Prof. Edgar Jaffé (Finanzen), Heinrich Ritter von Frauendorfer (Verkehr) von ehemaligen königlichen Ministern anstandslos in Ämter eingeführt auch Beamte arbeiten bereitwillig weiter (werden wegen Sachverstand auch nicht ausgestellt Kontinuität in der Verwaltung, kein grundlegender gesellschaftlicher Strukturwandel) Wirtschaftspolitik - wirtschaftliche Notsituation, Hungersnot (Wirtschaftsblockade bis zum Versailler Vertrag aufrechterhalten) - hohe Arbeitslosigkeit oberstes Ziel: Sicherung von Ernährung, Ruhe & Ordnung vorerst Verzicht auf Sozialisierung Innenpolitik - geringe Erfolge (einzige Reform von Dauer: Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht) - Gründe: o schwierige Position der Revolutionsregierung aufgrund mangelnder Legitimation o Unerfahrenheit der meisten Minister o Gegensätze MSPD – USPD o „anarchischer Regierungsstil“ Eisners Außenpolitik - Betonung der Eigenstaatlichkeit Bayerns, stark gegen Berlin gerichtet (trotzdem für deutschen Bundesstaat – inkl. Österreich!) - Eisner hofft durch Distanzierung von Berlin & Unterstützung der Kriegsschuldthese auf mildere Behandlung durch Alliierte erfolglos; verspielt sich damit nur Sympathien in Deutschland („Nestbeschmutzer“) Das Rätesystem - dominiert von MSPD - nicht demokratisch legitimiert: Wahlen lediglich per Akklamation in Volksversammlungen (außerdem: nur bestimmte Bevölkerungsschichten vertreten) - 9./10.12.: Delegiertenversammlung mit Arbeiterräten aus ganz Bayern wählt - „Landesarbeiterrat“ mit 50 Mitgliedern (≙ Parlament) & „Vollzugsrat der Arbeiterräte Bayerns“ mit 7 Mitgliedern (≙ Exekutivorgan) 30.11.-2.12.: Delegiertenversammlung mit Soldatenräten aus ganz Bayern wählt „Landessoldatenrat“ (50 Mitglieder) & „Landesvollzugs-ausschuss“ (11 Mitglieder) „Parlamentarischer Bauernrat“: geringe Rolle zentrale, übergeordnete Rätegremien: o „Aktionsausschuss“: je 7 Vertreter der Exekutivorgane der Arbeiter-, Soldaten- & Bauernräte (keine große Tätigkeit) o „Provisorischer Nationalrat“: erst am 13. Dezember zum zweiten Mal einberufen; tagt dann bis 4. Januar (politisch aber relativ unbedeutend: Regierung ist ihm nicht verantwortlich) 4 Verfassungsdiskussion: Räteherrschaft oder parlamentarische Demokratie? - Stellung der Räte in Regierung umstritten: o Eisner & USPD: Räte als Träger der Staatsgewalt mit Kontrollrecht gegenüber der Verwaltung, zumindest bis zur Wahl einer neuen Nationalversammlung; Räte sollen aber auch danach weiterexistieren Misstrauen Eigners gegenüber bürgerlichem Parlamentarismus: widerspricht seiner Vorstellung von einer „lebendig tätigen Demokratie“ (Ziel: allgemeine Demokratisierung, d.h. Zusammenschluss aller Verbände, Berufsgruppen etc. zu Räten) klares Konzept zur Verknüpfung von Parlament & Räten fehlt aber o Auer & MSPD: Räte sollen Verwaltung nur unterstützen, nicht kontrollieren; Angst vor revolutionärem Charakter der Räte Ende November 1918: Regierung beschließt „Richtlinien für die Räte“ Räte als Träger der Staatsgewalt, aber ohne Vollzugsgewalt, d.h. ohne Kompetenzen äußerlich Kompromiss, aber eigentlich Durchsetzung Auers - Konflikt um die Neuwahlen: o Eisner will Wahlen möglichst verzögern, um Konsolidierung der Räte zu ermöglichen o aber: „Schrei nach Nationalversammlung“ in ganz Bayern: MSPD, bürgerliche Parteien & sogar Räte drängen auf rasche Wahlen MSPD setzt sich durch Landtagswahlen am 12.1.1919 (Pfalz: 2.2.); wie schon im Abkommen vom 2.11.1918 vorgesehen: allgemeines, gleiches, geheimes Verhältniswahlrecht Parteienlandschaft - MSPD - USPD - Dezember 1918: Gründung des Spartakusbundes 30.12.1918 KPD - Bayerischer Bauernbund (BB): verhältnismäßig links, gegen Klerus, Adel & Bürokratie - BVP: o Nachfolgerin des bayerischen Zentrums o soll konfessionsübergreifend sein, bleibt aber fast ausschließlich katholisch o konservativ, betont föderalistisch, „Bayern den Bayern“ o fügt sich in Gegebenheiten, will aber Volksabstimmung zur Frage „Monarchie oder Republik?“ - Bayerische Mittelpartei (BMP): o repräsentiert v.a. konservative protestantische Gruppierungen o 1920 Anschluss an Deutschnationale Volkspartei (DNVP) - DVP („Deutsche Volkspartei in Bayern“) = Nationalliberale (in Bayern nie erfolgreich: meiste Nationalliberale schließen sich BVP/BMP an) - DDP („Deutsche Demokratische Partei in Bayern“) = Linksliberale - DAP (1920 NSDAP) 5 Die Wahlen zur bayerischen Nationalversammlung am 12. Januar 1919 - Ergebnis: o USPD 2,5% o MSPD 33% o BVP 35% (Mehrheit, aber im Vergleich zum bayerischen Zentrum der Monarchiezeit stark geschwächt auf Koalitionspartner angewiesen) o DDP 14% o BB 9% o BMP + pfälzische DVNP 6% - 180 Abgeordnete, davon 8 Frauen - neugewählter Landtag = erstes demokratisch legitimiertes politisches Gremium auf Landesebene seit Umsturz - weder BB noch Liberale wollen mit BVP koalieren Aufgabe der Regierungsbildung fällt der MSPD zu - aber: Eisner zögert Einberufung des Landtags auf 21.2.1919 hinaus 2.3 Die Ermordung Eisners und die „Zweite Revolution“ (21.2.-7.4.1919) - 21.2.1919: Eisner auf dem Weg zur ersten Landtagssitzung vom rechtsradikalen Graf von Arco auf Valley erschossen - Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats stürmt Landtag & schießt auf Auer; zwei Menschen sterben im Schusswechsel - Ministerpräsident tot, Innenminister schwer verletzt, Landtag gesprengt - in der wieder aufkommenden revolutionären Stimmung füllen die Räte das entstandene Machtvakuum: bilden noch am selben Tag einen „Zentralrat der Bayerischen Republik“ unter dem Vorsitz Ernst Niekischs sowie einen „Aktionsausschuss“ Übergang der höchsten Gewalt auf die Räte (aber: noch keine Räterepublik!) - Kongress der bayerischen Räte (25.2.-8.3.): o Antrag Erich Mühsams auf Ausrufung der Räterepublik mit überwältigender Mehrheit abgelehnt auch Großteil der Räte will parlamentarische Demokratie o Bildung einer neuen Regierung unter Martin Segitz (MSPD); von Landtagsabgeordneten nicht anerkannt o Genehmigung einer Landtagssitzung zur Wahl einer neuen Regierung - 17./18.3. Landtagssitzung: o einstimmige Wahl des bisherigen Kultusministers & stellvertretenden Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (MSPD) zum neuen Ministerpräsidenten Koalition MSPD + USPD + BB ( Hoffmann = erster frei gewählter Ministerpräsident Bayerns!) o Ermächtigungsgesetz: Landtag überträgt der Regierung besondere GesetzgebungsVollmachten o Eisners „vorläufiges Staatsgrundgesetz des Freistaates Bayern“ angenommen - Landtag vertagt sich auf unbestimmte Zeit zunehmende Schwierigkeiten der Regierung, sich gegen den weiterhin bestehenden Machtanspruch der Räte zu behaupten, die sich nicht ausreichend repräsentiert fühlen 6 2.4 Die „Dritte Revolution“: Die erste bayerische Räterepublik (7.-13.4.1919) - Regierung Hoffmann verhandelt mit Räten, lehnt Ausrufung der Räterepublik aber letztendlich ab - 6./7.4.1919: linke Kräfte rufen „Räterepublik Baiern“ aus: o Landtag für aufgelöst, Minister für zurückgetreten erklärt o Übernahme aller öffentlichen Gewalt & Kontrolle der Verwaltung durch Räte verkündet o wichtigstes Gremium: Revolutionärer Zentralrat (Vorsitzender & damit faktisch Staatsoberhaupt: Ernst Toller) - Regierung Hoffmann weicht nach Bamberg aus, sperrt Lebensmittelzufuhr nach München & sammelt („weiße“) Truppen für die Niederschlagung der Räterepublik (bayerische & württembergische Freikorps + Reichstruppen) - KPD verweigert Beteiligung an der „Schein-Räterepublik“ - allgemeines Chaos; viele Maßnahmen beschlossen, aber wenige umgesetzt - v.a. im südbayerischen Raum anfangs Unterstützung, aber bald Distanzierung (auch Arbeiter& Soldatenräte empfinden Räteregierung als zu radikal) Herrschaftsbereich faktisch auf München beschränkt - 13.4.: regierungstreue Truppen versuchen, Räteregierung abzusetzen Rote Armee schlägt „Palmsonntagsputsch“ nieder (heftige Kämpfe, 21 Tote) Kommunisten nutzen Situation zur Machtergreifung 2.5 Die „Vierte Revolution“: Die kommunistische Räterepublik (13.-27.4.1919) - noch während der Kämpfe Ausrufung der „kommunistischen Räterepublik“ durch die revolutionären Betriebs- & Soldatenräte: o Wahl eines 15köpfigen Aktionsausschusses (Vorsitzender: Eugen Leviné) o Aktionsausschuss wählt fünfköpfigen Vollzugsrat (= höchstes Gremium); auch hier Leviné Vorsitzender o Räteregierung verantwortlich gegenüber dem „Hofbräuhausparlament“ - radikalere & konsequentere Maßnahmen als in der ersten Räterepublik: o Entwaffnung des Bürgertums, Bewaffnung des Proletariats Aufbau der Roten Armee o Hausdurchsuchungen & Beschlagnahmung gehamsterter Lebensmitteln o Enteignungen, Verstaatlichungen o Verbot der bürgerlichen Presse 2.6 Das Ende der Räteherrschaft - Einkesselung Münchens durch Regierungstruppen Spannungen unter den Revolutionären: USPD will verhandeln, um sinnlose Opfer zu vermeiden; Kommunisten wollen den Kampf als revolutionäres Signal - 27.4.: Leviné stellt Vertrauensfrage Räte entscheiden sich gegen kommunistische Führer diese treten zurück - 28.4.: Wahl der letzten Räteregierung (ohne Parteivertreter) - 1./2. Mai: Weiße Truppen marschieren in München ein & schlagen Widerstand extrem brutal nieder (Bürgerkrieg!) 7 - „Weißer Terror“: o „Geiselmord“ der Roten Armee an 10 Gefangenen liefert den Siegern die Rechtfertigung für ihr hartes Vorgehen o viele Erschießungen, teils ohne Gerichtsurteil, oft auch Zivilisten als vermeintliche Revolutionäre o insg. (je nach Schätzung) 500-1.200 Opfer (davon 82 Angehörige der Weißen Truppen) 3. Folgen der Revolution - - unmittelbare Folgen: o Abschaffung der Monarchie parlamentarische Demokratie o Adel verliert seine Führungsrolle o Ende der staatlichen Kirchenhoheit o Einführung des Achtstundentages o weitgehende Beseitigung der staatlichen Zensur mentalitätsgeschichtliche Folgen: o Rätegedanke diskreditiert o Erfahrungen mit der Räterepublik (Chaos, gewalttätige Eskalation, Schauermärchen über die „Diktatur der Russen und Juden“) antikommunistisches Trauma in weiten Kreisen der Bevölkerung, v.a. im bayerischen (Klein-)Bürgertum; konservative Reaktion auf die Revolution in Bayern so drastisch wie nirgendwo sonst Entwicklung zur „Ordnungszelle“ o Wahrnehmung der monarchisch geprägten Reichswehr & der Freikorps als Retter & Stützen des Staates o mehrere Revolutionäre jüdisch genutzt zum Schüren antisemitischer Vorurteile zunehmende Spaltung der Gesellschaft: o Bürgerliche wenden sich antidemokratischen, reaktionären Bewegungen zu, Arbeiterschaft sozialistischen/kommunistischen Strömungen (aber auch Spaltung innerhalb der linken Kräfte!) o konservativere Landbevölkerung distanziert sich noch stärker von der Stadt mit ihren revolutionären Umtrieben C. Schluss: - - allgemeines Fazit: o vier Revolutionen o gewaltloses Ende der Monarchie in Bayern o Niederschlagung der deutschlandweit einzigen Räterepublik in einem blutigen Bürgerkrieg Legitimation der revolutionären Kräfte: nur durch Räteversammlungen; aber: Passivität der Bevölkerung & Weiterarbeit der Verwaltung ermöglicht Umsturz Sonderfall Bayern? o Ludwig III. = erster gestürzter Monarch Signalwirkung für ganz Deutschland o USPD schafft nur in Bayern, in der Revolution die führende Rolle zu übernehmen spezifische Entwicklung, einzige Räterepublik in ganz Deutschland 8 - Ausblick: o 30.5.1919: Regierungskoalition SPD + BVP + DDP o Gründung von Einwohnerwehren zur Wiederherstellung von Ruhe & Ordnung (wachsen bis 1920 auf 300.000 Mann starken, konservativ-nationalen paramilitärischen Kampfverband an) o August 1919: Landtag beschließt „Bamberger Verfassung“ parlamentarische Demokratie; v.a. Verwirklichung bürgerlich-liberaler Ideen o juristische Aufarbeitung: äußerst harte Strafen gegen Revolutionäre, kaum Ahndung der „weißen“ Verbrechen Einseitigkeit der Weimarer Justiz! Literatur: Grau, Bernhard: Revolution, 1918/1919, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historischeslexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44332> (17.10.2012). Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute, Regensburg 2012. Hürten, Heinz: V. Revolution und Zeit der Weimarer Republik, in: Alois Schmid (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte (begründet von Max Spindler). Bd. IV. Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. 1. Teilband: Staat und Politik, München 2003, S. 440-499. Köglmeier, Georg: Das Ende der Monarchie und die Revolution von 1918/19, in: Sigmund Bonk/Peter Schmid (Hg.), Königreich Bayern. Facetten bayerischer Geschichte 1806-1919, Regensburg 2005, S. 175-198. Menges, Franz: II. Vom Freistaat zur Reichsprovinz (1918-1933), in: Manfred Treml (Hg.), Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat, 3. neu bearb. Aufl., München 2006, S. 161-286. Revolution! Bayern 1918/19 (= Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 37), hrsg. v. Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg 2008. Treml, Manfred: I. Königreich Bayern (1806-1918), in: Manfred Treml (Hg.), Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat, 3. neu bearb. Aufl., München 2006, S. 13-159. 9