Politik 5. , Linder, Wolf, Schweizerische Demokratie, Kap. 10 A Entwicklung, Grundzüge direkter Demokratie 1. Zur Geschichte der Volksrechte Direkte Demokratie: Errungenschaft 19 Jhd (-> politischen Ideen frz Theoretiker aus Revolutionszeit) Heutige Form: Entwicklung auf Ebene der Kantone (Bundesebene später): 1831 „Vokssouveränität“ Gewaltenteilung Ca. 1860: Volksinitiative, fakultatives Referendum in heutiger 2stufiger Form Referendum: Mögl. Nachkontrolle von Parlamentsentscheidungen Volksinitiative: eigene Vorschläge in Gesetzgebung einzubringen Verfassung 1848 enthält nur obligat. Verfassungsreferendum 1874 Totalrevision Glaube gesunden Menschenverstand des Volkes Nur begrenzte Mitwirkung 2. Grundkonzept halbdirekter Demokratie Def.: Direkte Demokratie: Volksrechte, ihr Gebrauch, Volkentscheide Halbdirekte Demokratie: Regierung, Parlament, Volk: Zusammenwirken Mitwirkungsrechte auch z.B. in Kalifornien JEDOCH CH: nationale Ebene verwirklicht, kein Gegenstand von Mitsprache ausgeschlossen (einzigartig!) Siehe Tab 10.1 S. 237 1. Halbdirekte Demo als Selektionssystem: Frage: Welche Entscheidungen vors Volk? Einteilungen in unterschiedliche Rechtsstufen: Verfassung, Gesetz, Verordnung Verfassung strukturiert vor, welche Fragen vor Volk. -> Selektionsleistung =>plebiszitärer Nachentscheid: politisch wichtigsten der Verfassung u umstrittenste Gesetze 2. Volk = Kontrollinstanz „Grundformel: wichtigsten Entscheide: Volk, wichtige: Parlament, übrige: Regierung“ Legitimitätsglaube direkter Demokratie: zentrales Element CH politischer Kultur 3. Schutz Volksrechte Volksinitiative, Referendum: v.a. Ausdruck Opposition Regierung/Parlament: Volk nicht übergehen, alle Entscheide als unwichtig erklären? Vorentscheid: Reg./Parl. Bei Umstrittenheit: Verfassungsgrundsätze, feste Rechtspraxis Immer mehr Erlasse mit Referendum: Widerlegung Technokratie-These (Übergewicht Regierung/Verwaltung) Referendum: Oppositionsinstrument Hohe Erfolgsrate (-> starke Waffe) Bremse / status quo Volksinitiative: häufiger als Ref.: jedoch Verwurf in 9 von 10 Fällen Mobilisierung neuer Tendenzen Instrument der konservativen u progressiven Opposition Gaspedal 4. Direkte Demo als Konkordanzzwang Referendum/Initiative: Verhandlungspfand Referendum: zur Integration aller politischen Kräfte, zur Allparteienregierung geführt Um zu Verhindern, dass Entscheid des Parlaments durch Referendum zu Fall gebracht wird; alle Gruppen an vorparlamentarischen Verfahren beteiligt (Kompromisslösung) 5. Modifikation u Erweiterung Grundkonzept halbdirekter Demokratie: von Bund bis Gemeinden verwirklicht Auf Ebene der Kanton: am weitesten entwickelt Direktdemokratie Kompetenzen ermöglichen selektive Nachkontrolle des Volkes der Entscheidungen, die als am wichtigsten empfunden werden 6. Ausgestaltung, Begrenzung halbdirekter Demokratie bei Bund Kantone: schrittweise Erweiterung direkter Demokratie Jedoch bei Bund: Volksrechte (ausser Staatsvertragsreferendum) auf Stand 1891 Verfassungs-/Gesetzesänderungen: von Wählern als unwichtig empfunden Einzelentscheide: bedeutsam (z.B. Verlauf Nationalstrasse) =>Grenzen: Konzept: auf Vorstellungen des Verfassungsstaat des 19 Jdh. verblieben Autor: Volksrechte erfassen nicht mehr alles Grundlegende, teilweise Nebensächliches B Spielregeln direkter Demo beim Bund 1. Übersicht Referendum: Doppeltes Mehr: Verfassungsebene Einfaches Mehr: Gesetzebene Inititative: Total-/Partialrevision Konkreter Vorschlag (Vorzug)/allg. Anregungen(„Vewässerung“) Siehe Tab. 10.3 S. 243 Belohnung nicht systematischen Opposition sondern „fallweise Opposition“ (S.246) 4. resolutive (aufhebende) Referendum Referendum braucht Zeit, verzögert Entscheid über Gesetz v.a. in Krisenzeiten kritisch -> Artikel 89 erlaubt BV dringliche Bundesbeschlüsse ohne Referendumsklausel zu verabschieden -> z.B. 1930 Weltwirtschaftskrise wurde Referendumsdemokratie praktisch ausser Kraft gesetzt, deswegen heute: Bundesbeschluss falls dringlich, zu befristen länger gültig als 1 Jahr -> untersteht er aufhebenden Referendum (dies bedeutet, dass Beschluss unmittelbar in Kraft tritt, verfällt aber nach 1 Jahr, falls Referendum ergriffen u erfolgreich) dringliche Bundesbeschlüsse ohne Verfassungsgrundlage, die länger gültig als 1 Jahr: aufhebendes Referendum obligatorisch => BV kann nur noch für 1 Jahr machen was sie will letzte Periode wo Dringlichkeitsrechte angewand wurde: 70iger Jahre als wirtschafts/umweltpolit. Probleme aufkamen Dringlichkeitsrecht ----- Unterschied ------- ausserordentliche Vollmachten (S.247 unten) 5. Volksinitiative Volksinitiative auf Totalrevision bisher einziges Mal ergriffen -> erfolglos Bundesrat/Parlament: hofften, dass ihr mässiger Gegenvorschlag radikale Forderungen der Volksinitiative verwirft, da Verbot: gleichzeitiges Ja Gegenvorschlag u Initiative Kalkül Heute: Verbot Doppeltes Ja heute abgeschafft (S.248) Wartefristen: Verschleppungstaktik 97: Ende: parlamentarische Behandlung muss nach 30 Monate abgeschlossen sein, nach 9 Monaten Volksinitiative Gesetze einmal angenommen heute nur durch Parlament revidierbar Volksinitiative: Instrument der konservativen sowie progressiven Opposition häufiger als von grossen Verbänden/Parteien wird sie von kleineren Aussenseitergruppen/sozialen Bewegungen genutzt. C Fkt u Entscheidwirkungen des Referendums 1. Wahrscheinlichkeit des fakultativen Ref. Pareto-Optimum: nicht erreicht weil Konkordanz (viele Gruppen am Verhandlungstisch) Entscheid nach Mehrheits- u nicht Einstimmigkeit Rationale Akteure unter Mehrheitsregel: möglichst wenige Akteure, Nutzen zu steigern => Verletzen der Interessen einer Gruppe Entscheidungsrisiko Konkordanz: Risikoabwägung: Mehrheistkoalition ------------- minderheitlichen potentiellen Opposition Kooperations <--------------- Zusatznutzen Graphik 10.1 S. 252 2. Innovationshemmende Entscheidungswirkungen des Referendum Wer profitiert? Begünstigt Verteidiger des Status quo Sichere Mehrheitslösung umso schwieriger, je unabhängiger Konflikte voneinander (S.257) 3. Integrationswirkung Referendum sorgt dafür, dass keine grosse Gruppe dauernd ohne Entscheidungseinfluss steht => Kompromiss => Referendum: senkt Innovationsleistung, steigert jedoch Integrationsleistung 4. Verfassungsreferendum Staatsentwicklung: Verfassungspolitik unter Mitwirken des Volkes Zurückweisung ¼ aller Vorschläge durch Volk, geringe Innovationsgehalt: wichtige Gründe für Merkmale der CH- Staatsentwicklungs: Späte Entw. Bundesaufgaben in Bereich Wirtschafts-/Sozialpolitik Tiefe Staatsquote, kleiner Zentralstaat (alle Steuern (Bund,Kanton,Gemeinde):referendumspflichtig) Mehrwert- u Bundessteuer: befristet Bescheidene Bundesverwaltung: Nicht-Engagement Aussenpolitik: Neutralitätspolitik