Lern- und Leistungsdokumentation Leistungsziel 1.5.3.1 Wichtige Grundlagen des Rechts und des Staates Öffentliches Recht Das öffentliche Recht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger/innen und dem Staat. Es wird im öffentlichen Interesse erlassen und dient der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Beispielsweise Strafrecht, Steuerrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht Grundrechte Die Grundrechte der Schweiz sind in der Bundesverfassung in den Artikeln 7 bis 41 unter dem Titel „Grundrechte, Bürgerrechte und Sozialziele“ festgelegt. Beispiele: Meinungs- und Informationsfreiheit BV Art. 16 Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist grundlegend für die freie Meinungsbildung und für eine funktionierende Demokratie (Volksherrschaft, welche von der Mitwirkung der Bürger d. h. von der Zustimmung der Mehrheit der Bürger abhängt.) Eigentumsgarantie BV Art. 26 Die Eigentumsgarantie motiviert produktiv zu werden. Über Gewinn und Einkommen sowie Geschäfts- und Privatvermögen aus der geschäftlichen Tätigkeit kann nach eigenem Willen verfügt werden. Prinzip der Gewaltentrennung Die Gewaltentrennung teilt die Macht des Staates in die drei Gewalten (=Behörden) Legislative, Exekutive und Judikative. Zweck der Gewaltenteilung ist die Beschränkung und Kontrolle der staatlichen Macht, um so staatliche Willkür, den Missbrauch und übermässige Ausdehnung der Macht auf Kosten der Freiheit des Einzelnen und der Gesellschaft zu verhindern. Die Gewaltenteilung ist für moderne Demokratien eine unverzichtbare Voraussetzung. Legislative Die gesetzgebende Gewalt Bundesebene Parlament (Nationalrat & Ständerat) Exekutive Die ausführende Gewalt Bundesebene Bundesrat Judikative Die richterliche Gewalt Bundesebene Bundesgericht Kantonsebene Kantonsrat oder auch grosser Rat Kantonsebene Regierungsrat Kantonsebene Obergericht Gemeindeebene Gemeindeversammlung Gemeindeebene Gemeinderat Gemeindeebene Es gibt kein Gericht auf Gemeindeebene, daher muss man sich an die nächst höhere Ebene wenden. 15. Mai 2016 -1- Daniela Riesen Lern- und Leistungsdokumentation Direkte / indirekte Demokratie Die Demokratie ist diejenige Staatsform, in der das Volk der alleinige Träger von Macht und Recht ist und also Volksherrschaft gilt: Das Volk ist souverän. Elementare Wesensmerkmale eines demokratischen Staates sind die Rechtsstaatlichkeit (alles staatliche Handeln muss auf einer Rechtsgrundlage beruhen), die Gewaltentrennung, freie Wahlen und Abstimmungen sowie das Bestehen eines Mehrparteiensystems. In indirekten (auch genannt parlamentarischen oder repräsentativen) Demokratien, wie sie die umliegenden Staaten der Schweiz kennen, kommen die demokratischen Mitwirkungsrechte des Volkes in erster Linie bei der Wahl der Parlamente zum Tragen. Danach obliegt es diesen, die Regierung zu bestimmen und Gesetze zu erlassen. In der direkten Demokratie der Schweiz besitzt das Volk mit der Volksinitiative und dem Referendum auch Instrumente direkter Einwirkung auf Sachentscheide; dies auf allen drei Ebenen Gemeinde, Kanton und Bund. Rechte und Pflichten der Bürgerinnen/ Bürger Politische Rechte (Volksrechte) Gelten für alle mündigen Staatsbürger (Schweizer Bürger) mit Sitz im In- oder Ausland. Stimm- und Wahlrecht (BV 34,39,136) Referendumsrecht (BV 141) Initiativrecht (BV 138-139) Staatsbürgerliche Rechte Gelten für alle Staatsbürger sowie Ausländer mit Niederlassungsbewilligung Niederlassungsfreiheit (BV 24) Bürgerrechte (BV 37-38) Schutz vor Ausweisung ins Ausland (BV 25) Menschenrechte (Freiheitsrechte, Grundrechte) Gelten für alle Einwohner, sind darum universell Rechtsgleichheit (BV 8) Glaubens-, Gewissens-, und Religionsfreiheit (BV 15) Recht auf Bildung (BV 19) Eigentumsgarantie (BV 26) Privatrecht Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen gleichgeordneten, gleichwertigen Personen (Rechtssubjekten). Es wird hauptsächlich zur Wahrung privater Interessen erlassen. Beispielsweise Mietrecht, Arbeitsrecht, Kaufrecht 15. Mai 2016 -2- Daniela Riesen Lern- und Leistungsdokumentation Rechtsgrundsätze (guter Glaube, Handeln nach Treu und Glauben, Beweislast) Rechtsgrundsatz: „Handeln nach Treu und Glauben“ verlangt, dass jedermann ehrlich handelt und niemand ungerechtfertigte Vorteile erhalten soll. Rechtsgrundsatz: „Der gute Glaube wird vermutet“ bedeutet, man geht davon aus, dass die Beteiligten in guten Absichten und rechtlich korrekt handeln wollen (-> gutgläubig) Rechtsgrundsatz Beweislast: „ Wer Tatsachen behauptet und daraus Rechte ableitet, muss diese (behaupteten Tatsachen) beweisen. Weitere Ausführungen zu den Rechtsgrundsätzen sind Kapitel „Interne & externe Kunden / Anspruchsgruppen angemessen bedienen“ gemacht. Rechtssubjekt und Rechtsobjekt Personen sind Rechtssubjekte, die Rechte und Pflichten haben oder begründen können. Unterschieden werden natürliche Personen (Menschen) und juristische Personen (künstlich geschaffene Rechtsgebilde). Sachen sind Rechtsobjekte und damit Gegenstände, auf die sich die Rechtsordnung bezieht. Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit „Rechtsfähig ist jedermann“ bedeutet, dass jede natürliche Person fähig ist, Rechte und Pflichten zu haben (ZGB 11). Natürliche Personen sind handlungsfähig und damit vertragsfähig, wenn sie mündig und urteilsfähig sind (ZGB 13). Das Sachenrecht (Eigentum, Eigentumsvorbehalt und Besitz) Das Sachenrecht regelt die Rechtsverhältnisse an den Sachen -> dingliche Rechte (absolute Rechte) Das Sachenrecht unterscheidet die beweglichen Sachen (Fahrnis) von den unbeweglichen Sachen (Grundstücken). Besitzer einer Sache ist, wer die tatsächliche Gewalt über diese hat (ZGB 919). Der Eigentümer einer Sache kann in den Schranken der Rechtsordnung beliebig über diese Verfügen (ZGB 641). Durch den Eigentumsvorbehalt bleibt das Eigentum an einer Sache als Sicherheit solange beim Verkäufer, bis die Schuld vollständig beglichen ist (ZGB 715ff). 15. Mai 2016 -3- Daniela Riesen Lern- und Leistungsdokumentation Zivilprozess (Bürger gegen Bürger) In einem Zivilprozess werden privatrechtliche Streitigkeiten entschieden. Ein Rechtsanspruch wird geltend gemacht. Prozessparteien: Kläger/Klägerin gegen Beklagter/Beklagte Instanzenweg: 1. 2. 3. 4. Friedensrichter / Vermittler Bezirks-/Amtsgericht Ober-/Kantonsgericht Bundesgericht in Lausanne Strafprozess (Staat gegen Bürger) In einem Strafprozess findet eine Auseinandersetzung zwischen Staat und Bürger statt. Es wird gegen das Strafgesetz (StGB) verstossen. Prozessparteien: Ankläger (Staatsanwalt) gegen Angeklagte / Angeklagter Instanzenweg: 1. Bezirks-/Amtsgericht 2. Ober-/Kantonsgericht 3. Bundesgericht in Lausanne Verwaltungsprozess (Bürger gegen staatliche Behörde) In einem Verwaltungsverfahren können die Bürger Entscheide von Behörden des Staates anfechten. Prozessparteien: Beschwerdeführer/in gegen verfügende Behörde Instanzenweg: 1. Nächst höhere Behörde bzw. Behörde gemäss Angaben in der Rechtsmittelbelehrung 2. Verwaltungsgericht 3. Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen oder Bundesgericht in Lausanne . 15. Mai 2016 -4- Daniela Riesen Lern- und Leistungsdokumentation Leistungsziel 1.5.3.2 Rechtsquellen und Gesetzgebung Rechtsquellen sind 1. 2. 3. 4. Das geschriebene Recht (Verfassung, Gesetze, Verordnungen) Das Gewohnheitsrecht (Gebräuche, Bräuche) Die Gerichtspraxis (Gerichtsentscheide) Die gerichtliche Rechtsfindung (richterliches Ermessen) Die Verfassung ist die oberste Rechtsgrundlage im Staat und regelt die wichtigsten Bereiche in den Grundzügen. Die Gesetze führen die einzelnen Verfassungsartikel genauer aus und fassen die Regeln zu geschlossenen Rechtsgebieten systematisch zusammen. Verordnungen enthalten detaillierte Ausführungsbestimmungen zu den Gesetzen. Referendum Unter einem Referendum versteht man die Volksabstimmung über einen bereits gefassten Beschluss des Parlaments. Jene Bürger und Bürgerinnen, welche mit einer vom Parlament beschlossenen Gesetzesänderung nicht einverstanden sind und deren Inkrafttreten verhindern möchten, können das Referendum ergreifen. Je nach Art des Referendums müssen Voraussetzungen (z .B. Anzahl Unterschriften) erfüllt werden, damit es überhaupt zu einer Volksabstimmung kommt, diese kann aber auch automatisch erfolgen. Wird das Referendum angenommen, dann wird der zuvor vom Parlament gefasste Beschluss aufgehoben. In der Schweiz unterscheidet man auf Bundesebene zwischen dem obligatorischen Referendum und dem fakultativen Referendum. Initiative Die Volksinitiative ist ein politisches Recht in der direkten Demokratie, durch welches eine Abstimmung über eine Verfassungsänderung erzwungen werden kann. Neben dem Referendum ist sie das wichtigste Mittel der Einflussnahme durch das Volk auf die schweizerische Rechtsordnung. Das Initiativrecht besteht auf Bundes-, Kantons- und Kommunalebene. Auf Bundesebene müssen 100‘000 Stimmberechtigte innert 18 Monaten die Initiative unterschreiben, um sie zur Abstimmung zu bringen. Zur Annahme einer Initiative wird das sogenannte doppelte Mehr benötigt, also sowohl eine Mehrheit der Stimmen als auch eine Mehrheit der Kantone (Volks- und Ständemehr). 15. Mai 2016 -5- Daniela Riesen