Dr. Lüder Benne (© für diesen Text auf der Grundlage der angegebenen Quelle) Werte in der politischen Bildung Gedanken zur Gestaltung in der BBS 1. Nachdenken über Werte! (Literatur: Breit, Schiele (Hrsg): „Werte in der politischen Bildung“, Wochenschau-Verlag 2000; dort zitierte weitere Lit.) Mit politischer Bildung soll nach HIMMELMANN „zur Demokratie erzogen“ werden. Wesentliche Grundlage verantwortlichen politischen Handelns ist das Bewusstsein für die Grundlagen der Demokratie. Allgemein anerkannte Werte sichern die dauerhafte Existenz der Gesellschaft – hierfür ist jeder Bürger mitverantwortlich. Die ausgewertete Literaturquelle bezieht sich vorzugsweise auf allgemeinbildende Schulen. Berufsschüler werden nur am Rande berührt (ein Phänomen, das in der pädagogischen Literatur weit verbreitet ist). Auch für den Politik-Unterricht in der BBS lohnt es sich, über die Orientierung an Werten nachzudenken. Gemeint ist nicht „Moralisieren“, sondern das Besinnen auf allgemein anerkannte Grundwerte, hier mit besonderem Bezug auf die Situation Auszubildender. Darum wird der Versuch unternommen, den Sammelband zur Werte-Erziehung in der politischen Bildung so aufzubereiten, dass die dort formulierten Ansätze in die Unterrichtsgestaltung in der BBS übertragen werden können. Ggf. werden sie ergänzt um eigene Interpretationen durch den Autor dieser Zusammenfassung. 2. Wertebegriff 2.1 Sachgrundlagen der Werte-Erziehung 2.1.1 Grundlegende Kategorien BREIT ( S. 218 ff.) baut eine Sachgrundlage auf den folgenden Kernbegriffen und -aussagen auf: (1) Über Grundwerte herrscht in der politischen Kultur einer demokratischen Gesellschaft Übereinstimmung trotz der Unterschiede in der Auslegung und Konkretion. (2) Lebensrecht wird gewährleistet durch inneren und äußeren Frieden. (3) Freiheit kann verstanden werden als „Freiheit von“ (besonders staatliche Willkür und Bedrückung durch Stärkere sowie unrechtmäßige Gewalt). Freiheit ist auch und besonders „Freiheit für“ (besonders persönliche Lebensgestaltung und auch Arbeitsbeziehungen). Zusammengefasst bedeutet Freiheit sowohl Recht der Mündigkeit als auch demokratische Ordnung. (4) Gleichheit ist gemeint als Chancengleichheit zur Beteiligung und zur Persönlichkeitsentfaltung. (5) Solidarität erfordert das Bemühen um den Ausgleich von Ungleichheit und deren Folgen. (6) Mündigkeit drückt die Wahrnehmung der eigenen Menschenwürde aus. Mündigkeit ist auch die Grundlage demokratischer Ordnung (Konfliktaustragung nach demokratischen Regeln frei von unrechtmäßiger Gewalt). S. REINHARDT (S. 290) schlägt die Aufschlüsselung des Begriffs „Solidarität“ nach folgendem Muster vor: Solidarität personale emotionale instrumentelle gemeinschaftliche sozio-moralische politische Für die emotionale Solidarität ist zu beachten, dass sie sowohl freiwillig als auch unter Druck zustande kommen kann. Hierin sieht die Autorin einen möglichen Widerspruch. Dieser Gedanke ist wichtig für die Gestaltung der persönlichen Beziehungen am Arbeitsplatz. 2.1.2 Grundwerte als Grundlage der Demokratie Die Überlegungen im vorigen Abschnitt (2.1.1) können ergänzt werden mit den Gedanken BREITs zu den Grundwerten als den allgemein anerkannten Grundlagen der Demokratie (S. 222): 1. Ein wesentlicher Grundwert ist die persönliche Freiheit. Beim Freiheitsbegriff (s.o. 2.1.1) ist zu unterscheiden zwischen der Freiheit „wovon“ und der Freiheit „wofür“ (S. 223). Hier bietet sich ein interessantes Feld zur Entwicklung dieses Grundwerts unter dem Blickwinkel der Einführung Jugendlicher in die Arbeitswelt. 2. Der Grundwert Gleichheit wird in der Politik sehr unterschiedlich interpretiert; auch im Lauf der Zeit wandelt sich die Betrachtungsweise. Zu empfehlen ist, den Autoren zu folgen bei der Definition, dass Gleichheit Chancengleichheit bedeutet (S. 224). Der Bezug zur Situation Auszubildender liegt damit besonders nahe: Fast alle Azubi haben i.d.R. eine realistische Chance, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen, wenn dem nicht außergewöhnliche Umstände entgegenstehen (z.B. Sprachprobleme, mangelnde Motivation, Mängel in den Ausbildungsbetrieben). 3. Solidarität ist die Voraussetzung für die Erhaltung der Menschenwürde Schwacher (S. 225). Das gilt insbesondere in der Ausbildung: Azubi sind gegenüber anderen Mitarbeitern schwächer und bedürfen der Solidarität Älterer; untereinander gilt das Gleiche. 4. Die Beteiligung am Funktionieren der demokratischen Institutionen und die Einhaltung der Regeln (S. 232) können in der Arbeitswelt konkretisiert werden in der Entwicklung der Beziehungen am Arbeitsplatz. Die Grundwerte müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen (Bsp.: Freiheit ohne Gleichheit führt zu mangelnder Sicherheit; absolute Gleichheit kann nur durch Unterdrückung der Freiheit herbeigeführt werden). Grundlegende Zusammenhänge zeigt das Schaubild aus S. 240 (=> in 6.2). 2.1.3 Gesellschaftlicher Rahmen der Sozialisation Die Familie prägt i.d.R. die Grundlagen der Sozialisation Jugendlicher. Die früher (gerade auch die Arbeitswelt in Handwerk und Industrie prägenden) Erziehungsziele „Gehorsam und Unterordnung“ sowie „Ordnungsliebe und Fleiß“ sind weitgehend ersetzt durch das Erziehungsziel „Selbständigkeit und freier Wille“ (S. 147 ff.). Gegen diese allgemeine Aussage ist einzuwenden, dass die Sozialisationsweisen in den Familien sehr heterogen waren und sind. Das ist für Auszubildende besonders wichtig: Vermutlich besteht ein großer Einfluss der sozialen Herkunft auf das Erziehungsmuster; besonders deutlich dürfte dies bei ausländischen1 Jugendlichen ausgeprägt sein. 1 Beachten: Gemeint ist die Umgebung während der frühen Sozialisation, also Aufwachsen im Ausland oder in nicht assimilierter ausländischer Familie. Von zunehmender Bedeutung sind die Auswirkungen der Beziehungen Gleichaltriger untereinander auf die Sozialisationsprozesse, i.d.R. um so größer, je geringer der Einfluss des Elternhauses ist. Der Einfluss der Schule dürfte individuell unterschiedlich sein. Je älter die Jugendlichen, desto weniger wird sich die Schule auf allgemeine Sozialisationsprozesse auswirken. Beim Eintritt ins Berufsleben ändert sicher allerdings die Situation gravierend. Die BBS hat damit eine Chance, auf der Basis der Vorprägung der Berufsanfänger die Werte-Erziehung neu aufzubauen. Sie muss dazu hinreichend Rücksicht auf die Ausgangslage und die Interessen der Schüler nehmen. 2.1.4 Merkmale der Sozialisation Untersuchungen zur Situation der heutigen Jugend zeigen, dass die Sozialisationsprozesse zu Grundhaltungen führen, die mit folgenden Merkmalen umrissen werden können (S. 143): - Junge Menschen sind mehrheitlich bereit, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. - Die Beziehung zur Berufswelt ist weniger von einem Berufsethos geprägt als von dem Zwang, sich den Verhältnissen am Arbeitsmarkt anzupassen. - Junge Menschen haben ein distanziertes Verhältnis zur Politik, was sie aber heute nicht eindeutig von anderen Generationen unterscheidet. - In der Familie machen Kinder und Jugendliche die Erfahrungen von Gleichheit / Unterordnung, Mitmachen und Verständigung, die sie auch aus anderen Sozialbezügen kennen, also auch bei der Mitarbeit in einer Gruppe am Arbeitsplatz (Gruppengröße ist hier sehr unterschiedlich, zumindest Meister und Azubi). 2.2 Wertewandel Die Kommerzialisierung des heutigen Lebens führt sowohl zu Anpassungserscheinungen als auch zum Bestreben, in Cliquen und anderen Gruppierungen Unabhängigkeit und individuelle Lebensgefühle zu bewahren (S. 147). Auswirkungen der Kommerzialisierung sind auch am Arbeitsplatz zu beobachten. Höherer Leistungsdruck und Tendenzen, eher den arbeitenden Menschen an Maschinen und Arbeitsprozesse anzupassen als umgekehrt behindern eine individuelle Entwicklung während der Ausbildung. Der Grundwert Solidarität wird nicht mehr so stark adaptiert (beachte als ein – nicht das einzige! – Symptom den sinkenden Organisationsgrad der Arbeitnehmer in den Gewerkschaften, nicht nur in „modernen“ Berufen). Vereinzelung in der Arbeitswelt verschlechtert aber die Basis einer demokratischen Sozialisation. Der Mensch wünscht Selbstbestimmung! Dieses unverzichtbare Element der Demokratie ist Ausdruck der dem Bürger in der Demokratie zugesicherten Menschenwürde. Menschenwürde ist ein Gegengewicht zu Herrschaftsansprüchen, spätestens dann, wenn Herrschaft über das legitime Maß in Demokratisch verfassten Ordnungen hinaus ausgedehnt werden soll. Menschenwürde ist Voraussetzung für die gewaltfreie Austragung von Konflikten. Aufgrund der sozialen Herkunft und der Bedingungen am Ausbildungsplatz ist im Politik-Unterricht an BBS von dieser Situation auszugehen: Dem jungen Menschen ist kaum bewusst, dass er in der Demokratie ein hinreichendes Maß an Selbstbestimmung erreichen kann und soll. Fremdbestimmung ist ein unvermeidbares Element der Ausbildungssituation: Eltern, Ausbilder und Lehrer, Arbeitsvorschriften und darüber hinaus Gruppendruck beeinflussen das Handeln der Azubi. Oft nicht hinreichend entwickelte Initiative zum selbständigen Lernen und zum Mitgestalten der Arbeitsabläufe in der Ausbildung erschweren die Entwicklung zur Selbstbestimmung. 3. Bedingungen jugendlicher Auszubildender 3.1 Werte-Erziehung Heranwachsender Für den Politik-Unterricht an BBS ist es eine besondere Herausforderung, die in der Regel für allgemeinbildende Schulen konzipierten pädagogischen Ansätze für die Ansprüche der S in den Bildungsgängen des dualen Systems zu transformieren. Werte-Erziehung in der Demokratie muss selbstverständlich den Bürger in allen seinen sozialen Bezügen sehen. Der Blickwinkel „Bürger am Arbeitsplatz“ ist hervorzuheben und zu erschließen. Mit dieser Perspektive ist eine verstärkte Motivation möglich. Andererseits ist aber zu bedenken, dass in typischen Berufsschulklassen die Komplexität stärker zu reduzieren ist als in Klassen gymnasialer Bildungsgänge. Werte-Erziehung in der BBS muss altersbezogene Phänomene mit dem Bezug zum Beruf und zur Berufswelt verknüpfen. Soweit dieser Bezug nicht aus der Literaturquelle hervorgeht, wird hier ein Versuch der Ergänzung vorgelegt. Eine wesentliche Grundlage für Folgerungen bei der Gestaltung des Erziehungsprozesses ist die Beobachtung, dass die Zielgruppen in der Regel sehr heterogen sind, sowohl in ihrer sozialen Herkunft als auch in der persönlichen Zielperspektive – mit allen Auswirkungen auf die Entwicklung eines individuellen Wertegebäudes. 3.2 Vor der Berufsausbildung entwickelte Werte Fragen der primären Sozialisation können in diesem Rahmen nicht vertieft werden. Das Umfeld, aus dem die Schüler in die BBS kommen, ist i.d.R. sehr heterogen. Deshalb ist auch von einem breiten Spektrum in der Wertorientierung auszugehen: - traditionelles Wertesystem des Herkunfts-Milieus, dessen Zuordnung (z.B. Bürgertum, Arbeiterschaft etc.) aber zunehmend diffus ist - aus religiöser Erziehung entwickelte Werte (oft nach Ende dieser Erziehung aber von vielen Jugendlichen nicht mehr bewusst wahrgenommen) - in der Familie entwickelte Werte (Bedeutung abhängig u.a. von der Intensität der Zuwendung durch andere Familienmitglieder) - in jugendtypischen Milieus entwickelte Werte (z.B. Vereine, informelle Gruppen). Diese (unvollständige!) Liste der Wertgrundlagen deutet darauf hin, daß die Zielperspektive der Werteentwicklung ebenso heterogen ist: - auf der einen Seite des Spektrums Bereitschaft, sich solidarisch für eine gesellschaftliche Gruppe einzusetzen – weitere Werte zu ergänzen - auf der anderen Seite Gruppenegoismus, in dem Solidarität nur in Kleingruppen auf Gegenseitigkeit gilt. 3.3 Heterogenität in den Lerngruppen der BBS Die Berufsschulklassen im dualen System sind von der Heterogenität in der Vorbildung und in der sozialen Herkunft geprägt. Dies fordert im Politik-Unterricht eine Unterrichtsgestaltung, die bei der Werte-Erziehung die unterschiedlichen Entwicklungsstände berücksichtigt (S. 114). Die abstrakte Begründung eines Wertegebäudes als Grundlage des demokratischen Staates ist zwar ein erstrebenswertes Bildungsziel. Jedoch kann bei dem geringen Stundenumfang des Faches Politik (ebenso Religion) eine Erziehung zu den Grundwerten einer Gesellschaft i.d.R. nur ein übergeordnetes Qualifikationsziel sein. SUTOR empfiehlt die Zuordnung der Werte-Erziehung zu den politischen Institutionen, die nur im demokratischen Sinne funktionieren können, wenn sie ethischen Grundsätzen folgen. Diese eher abstrakten Ansätze sind bei der Gestaltung des politischen Unterrichts in der BBS zu konkretisieren (s. 6.). 4. Erziehungsziele Auf oberer Ebene werden verschiedene Ziel-Modelle angeboten. Aus der Sammlung sollen zunächst die Zielsetzungen demokratischen Verhaltens für den Arbeitsplatz konkretisiert (4.1), um dann 2 Modelle für die Qualifikation zu erörtern. 4.1 Ziele der Werte-Erziehung in der Demokratie 1. Freiheit am Arbeitsplatz kann nur in einer engen Beziehung zum korrespondierenden Recht des Arbeitgebers gesehen werden. Der Azubi hat sich zunächst den einschränkenden Bedingungen im Ausbildungsverhältnis zu fügen. Die Konkretisierung des Begriffs Freiheit im Sinne der Sachanalyse (s.o. 2.1) kann dann lauten: Freiheit wovon ist das Recht auf Freiheit von unzumutbaren Arbeitsbedingungen und unangemessener Unterordnung (z.B. Beschäftigung überwiegend mit Hilfsarbeiten statt geregelter Ausbildung; Mobbing gegen den Azubi als Schwächsten). Freiheit wofür ist zu verstehen als das Bestreben des Azubi, in die Beziehungen am Arbeitsplatz seine eigene Persönlichkeit einzubringen (Kreativität in der Ausführung der Aufgaben; vgl. hierzu die Ansätze in modernen Ausbildungsmethoden); dies setzt voraus, dass auch die Vorgesetzten und Mitarbeiter zu diesen demokratischen Gestaltungsmethoden bereit sind. 2. Mündigkeit ist die Grundlage der Gestaltung der Beziehungen zu den Mitarbeitern bis hin zur Austragung von Konflikten nach demokratischen Regeln – im Idealfall also unter Gleichberechtigten. 3. Gleichheit ist begrenzt durch die Regeln der Ausbildung. Trotzdem anzustreben ist die 4. Chancengleichheit aller Azubi zur Beteiligung, zur Persönlichkeitsentfaltung und zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung. 5. Wesentlicher Grundwert am Arbeitsplatz ist Solidarität. Dies zu vermitteln ist unverzichtbares Bildungsziel im Politik-Unterricht. Daraus folgt sich ein kaum zu lösendes Dilemma in kritischen Situationen: Soll der Arbeitnehmer seine Rechte wahrnehmen oder soll er Verstöße gegen geltendes Recht akzeptieren, wenn es um seinen Arbeitsplatz geht (unabhängig von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen, die dem AN zwar i.R. in solchen Fällen Recht gibt, ihm aber den Arbeitsplatz meist nicht erhalten kann). 6. Lebensrecht kann umfassend gesehen werden als Verpflichtung der Verantwortlichen zur Erhaltung von Gesundheit und Arbeitskraft, also zur Vorsorge gegen berufsbedingte Erkrankungen und gegen Arbeitsunfälle; dies schließt Solidarität mit den Mitarbeitern ein. Die Forderung nach einem ausgewogenen Verhältnis der Grundwerte zueinander ist in der Arbeitswelt nach wie vor schwierig zu verwirklichen: Prinzipiell geht die Arbeitsorganisation auch heute noch von hierarchischen Verhältnissen in der überwiegenden Zahl der Betriebe aus; dies gilt verstärkt für die Ausbildung. Mitbestimmung hat sich weniger zum Recht des einzelnen Arbeitnehmers entwickelt als zu einem Recht der Arbeitnehmer-Organisationen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ausbildungsbetrieben sind weit gespannt. Politik-Unterricht muss dies thematisieren: Dem möglichen Vorwurf, hier werde spioniert oder üble Nachrede betrieben, ist durch Offenheit der Diskussion zu begegnen. 4.2 Werteerziehung nach den Rahmenrichtlinien LOHMANN wendet sich „gegen eine direkte Werteerziehung als Ziel ... des Politik-Unterrichts“ (S. 220). Absolute (objektive) Werte sind aus philosophischen Gründen nicht erreichbar. Deshalb soll der Politikunterricht „zu Problemen (führen), die das demokratische Selbstverständnis der praktischen bzw. politischen Urteilsbildung betreffen“ (S. 211), orientiert an den Grundwerten der Verfassung. Diese sind zu interpretieren, um sich „praktische Werthaltungen“ (S. 213) anzueignen. Hiervon soll der L überzeugt sein und dies auch den S übermitteln. Die Rahmenrichtlinien für die BBS in Niedersachsen gehen nicht ausdrücklich auf die WerteErziehung ein. die dort aufgelisteten Qualifikationen sind allerdings durchweg werteorientiert. Die nachfolgend zitierten Qualifikationen werden auf ihren Werte-Gehalt untersucht: Q1 (Perspektive: Fähigkeit zur Interessenvertretung) zielt auf die Wahrnehmung der Rechte und Interessen im Rahmen demokratischer Verhaltensweisen. Dies gibt die von den Autoren formulierten Kernaussagen zu den Werten wieder, hier bezogen auf den Arbeitsplatz. Q2: (Perspektive: Kommunikationsfähigkeit) bezieht sich auf die Gefahren, die durch fehlgeleitete Kommunikation entstehen. Dem zu begegnen beruht auf einer wertorientierten Grundhaltung. Q3: (Perspektive: Konfliktfähigkeit) soll den Auszubildenden befähigen, Konflikte mit demokratischen Mitteln auszutragen. Die Autoren stimmen darin überein, dass die Anwendung demokratischer Mittel einen wesentlichen Kern des angestrebten Wertegebäudes darstellt. Q4: (Perspektive: Fähigkeit zur Entwicklung eines Lebenskonzepts) zielt auf die Bereitschaft zur Toleranz. Q5: (Perspektive: Solidaritätsfähigkeit) – hier spricht der Begriff schon hinreichend für sich! Q6: (Perspektive: Friedensfähigkeit) erweitert den Horizont über die eigene Gesellschaft hinaus. Damit werden erhöhte Anforderungen an die Entwicklung von Werten formuliert, denn die Grundwerte im engeren Bereich der Entwicklung einer Persönlichkeit sollen nun auf weitere kreise ausgedehnt werden. Q7: (Perspektive: Zukunftsfähigkeit) stellt eine andere Horizonterweiterung dar als in Q6, aber auf der gleichen Denkweise beruhend: Nicht die unmittelbare Wirkung steht im Vordergrund, sondern hier die künftige. 4.3 Sozialisation als Qualifikationsziel HENKENBORG (S. 274) formuliert 7 Qualifikationen als übergeordnete Lernziele. Zur Anwendung dieser Qualifikationen wird für die BBS vorgeschlagen: a) Vergleich mit den RRL (s.a. 4.2) b) Anpassung an die Unterrichtssituation in der BBS. Aus diesem Schritt entwickelt sich die Interpretation der Qualifikationen(Q) in den RRL: Q1: „Kompetenz der Selbst- und Fremdwahrnehmung“: Der Anfänger am Arbeitsplatz entwickelt die eigene Identität weiter. Dazu soll der Arbeitnehmer die eigene Situation im Rahmen der Beziehungen zu anderen Menschen am Arbeitsplatz wahrnehmen, reflektieren und eigene Werte entwickeln. Q2: „Technologie-Kompetenz“ (HENKENBORGs Formulierung bezieht sich auf die Technologie gesellschaftspolitischer Prozesse). Der junge Arbeitnehmer soll wahrnehmen, wie sich die Beziehungen zwischen der Wirtschaft und der Politik entwickeln. Auf der Grundlage der Q1 soll er verantwortlich an diesen Prozessen auf einer angemessenen Ebene wertorientiert teilnehmen (d.h. zunächst sicher auf der betrieblichen Ebene). Q3: „Kommunikative Kompetenz“: Am Arbeitsplatz ist die Fähigkeit zum offenen Umgang mit Konflikten zu entwickeln, also sowohl die eigene Position zu vertreten als auch die anderer zur Kenntnis zu nehmen. Q4: „Ökologische Kompetenz“: Wo es im Arbeitsumfeld Umweltgefahren gibt, ist dies nicht einfach hinzunehmen. Der Azubi soll in der Lage sein, - mit Vorgesetzten und Mitarbeitern über diese Probleme zu reden und - sie durch eigenes Verhalten zu bekämpfen. Q5: „Historische Kompetenz“: Hier geht der Autor von einem umfassenden Ansatz aus. Auf der Ebene des Azubi soll die Situation des Betriebes und der Branche in den historischen Hintergrund eingeordnet werden. Damit wird die eigene Wertentwicklung in einen historisch gewachsenen Zusammenhang gestellt. Q6: „Gerechtigkeitskompetenz“: Maßstab für die eigenen Werte ist das Ziel einen individuellen Maßstab für gerechte Konfliktlösungen zu finden – am Arbeitsplatz also alltägliche Probleme mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Kollegen (vgl. Q3) zu lösen. Gerechtigkeit in diesem Sinne kann bei der Verteilung schwerer Arbeiten bedeuten, die Kräfte einzelner Mitarbeiter zu berücksichtigen und bereit zu sein, begrenzt Zusatzleistungen zu übernehmen. Q7: „Politik-Kompetenz“: Der Azubi (und spätere Mitarbeiter) kann in der Arbeitswelt heute im Wesentlichen durch Beteiligung in Betriebsrat, Jugendvertretung und Gewerkschaft politisch mitwirken. 4.4 Zieldimensionen HENKENBORG schlägt in einer umfangreichen Tabelle (S. 274) ein Lernzielraster vor, auf der Prozess der Urteilsbildung bezogen werden kann. Ausgehend von Schlüssel-Qualifikationen (Begriff wie in den Nds. RRL: 4.3) entfaltet er 3 Lernzieldimensionen. Im Folgenden wird versucht, sowohl einen Bezug zu den Nds. RRL (auch dort Schlüssel-Qualifikationen; 4.2) herzustellen als auch eine Konkretisierung für die BBS zu erreichen. „... herausragende(s) Ziel politischer Bildung (ist) die Entwicklung politischer Rationalität und politischer Urteilsfähigkeit ... Politische Urteile von Schülerinnen und Schülern sollen sich durch politische Rationalität auszeichnen.“ (S. 273 f.). Hierzu ein Beispiel: Ob das JugArbSchG sinnvoll gestaltet ist, soll an einfachen Bestimmungen untersucht werden: Wenn es Ausnahmen von allgemeinen Vorschriften gibt (Arbeitszeit ist früh morgens in einzelnen Berufen erlaubt), muss rational abgewogen werden, ob und wann die sonst verbotene Belastung des Azubi in den im Gesetz aufgelisteten Fällen vertretbar ist (und in den anderen nicht!). Damit ist die kognitive Dimension (S. 277) angesprochen: Moralische Urteile basieren auf Wissen und Erkenntnissen. Auf dem Urteil beruhendes Handeln soll zweckrational sein: Wenn gegen solche Regeln wie die zitierte interveniert wird, muss das Ergebnis der Intervention wirksam i.S. der Absicht sein. Das ist es aber nicht, wenn ein verfrühter Arbeitsbeginn verboten ist und deshalb keine Ausbildungsplätze mehr angeboten werden. Dieser Dimensionsbereich ist die moralische Rationalität, verknüpft mit der Kategorie „Legitimität“. Der individuell zu entwickelnde Maßstab führt zur Kategorie „Wohlergehen“ („präferenzielle Rationalität“). Die Lernziel-Ebene „Methodenkompetenz“ soll durch Interaktionsfähigkeit „ein Miteinander trotz und im Dissens“ ermöglichen (S. 277 / nach SUTOR). Die moralische Ebene zeigt sich in der Verbindung des eigenen Standpunkts mit der Kenntnisnahme und Achtung anderer Standpunkte, die damit den affektiven Bereich integriert. Eine grundsätzliche Kritik von DETJEN findet sich auf S. 325 f. Er stellt fest, dass ethische Grundfragen nicht der Lebenswirklichkeit von Schülern entsprechen. Problematisieren und Hinterfragen moralischer Rechtfertigungen kann schon vorhandene Orientierungssicherheit stören, so dass moralischer Relativismus das unerwünschte Ergebnis der Methode sein kann. Im Alltag stoßen nur selten zwei gleichwertige Werte aufeinander. Oft ist es eher „so, dass eine Norm und ein außer- oder sogar unmoralisches Handlungsmotiv wie Eigennutz ... aufeinander treffen.“ Nicht moralisches Handeln wird also weniger durch Unwissen als durch fehlende Willensstärke erzeugt. 5. Didaktische Überlegungen 5.1 Fremd- und Selbstbestimmung in der Arbeitswelt Wenn von Tugenden die Rede ist, so werden die meisten heutigen Jugendlichen mit dem Begriff wenig anfangen können (S. 228 ff): 1. Der Umgang mit Autorität am Arbeitsplatz ist besonders in Deutschland ambivalent (S. 24): In Deutschland ist der Begriff und damit sein Inhalt historisch durch das Dritte Reich belastet. Für die Ausbildung besteht das Kernproblem in der Frage, ob ein kritisch eingestellter Jugendlicher sich mit einer Anordnung zufrieden gibt, die zu befolgen ist, oder ob er die Anordnung durch Begründung einsieht und damit durch Mitdenken erfolgreich umgesetzt wird. Mit neuen Ausbildungsmethoden (Handlungskreis, Leittexte) wird Autorität durch Einsicht in die Zusammenhänge eines Arbeitsablaufs entwickelt. 2. Konkretisiert mit Begriffen aus der Arbeitswelt wird aber deutlich, dass sowohl Primär- als auch Sekundärtugenden unverzichtbare Grundlagen für das Funktionieren der Zusammenarbeit im Betrieb bilden. Markante Beispiele: Wer nicht pünktlich im Betrieb ist, verzögert die Abfahrt zur Baustelle (o.ä. in anderen Berufen) – sowohl der Betriebsablauf als auch die Arbeitszeit der Kollegen wird belastet. Wer sich nicht solidarisch verhält – etwa versäumt, Kollegen auf Gefahren hinzuweisen – gefährdet nicht nur das Betriebsklima, sondern auch die Gesundheit Anderer. Damit ist die Kategorie Gemeinwohl (S. 244) angesprochen. Dieser Begriff kann in der Arbeitswelt mit der Perspektive „Ausbildungsbetrieb“ konkretisiert werden. Trotz unterschiedlicher Interessen (Konflikte u.a. zwischen Chef und Mitarbeitern, zwischen Männern und Frauen, zwischen Stammbelegschaft und Azubi) bleiben gemeinsame Mindestziele, z.B. Erhaltung der Arbeitsplätze im Betrieb. Seine Grenze findet diese Betrachtung, wenn Einzelne den Betrieb verlassen müssen, um damit die restlichen Arbeitsplätze zu sichern. Für den Entlassenen kann es kein Trost sein, damit dem Gemeinwohl gedient zu haben. Dieser Gedanke und die Erfahrung, dass Entlassung nicht immer die einzige Möglichkeit zur Erhaltung der restlichen Arbeitsplätze ist, müsste im Einzelfall näher untersucht werden (vgl. „Überwältigungsverbot“ im Beutelsbacher Konsens; Kap. 7). 5.2 Ansätze zur Themenfindung Zur Konkretisierung der Thematik schlägt SANDER (S. 198) folgendes Themenraster vor (ergänzt um BBS-spezifische Beispiele): Werterklärung Fachunterricht Politik Vorschlag BBS Andere Fachbezüge und Ansätze fächerübergreifenden Unterrichts Vorschlag BBS Förderung moralischkognitiver Entwicklung Politisch-moralische Dilemmata, z.B. „Krieg für Menschenrechte?“ EmpathieEntwicklung Wie kann ich mich für bessere Beziehungen am Arbeitsplatz einsetzen? Wenn Arbeitsplätze wegrationalisiert werden: Muss ich oder ein soz. schwacher Koll. gehen? Schneiden mit einer Schere in der „falschen“ Hand, weil an der „richtigen“ der Daumen fehlt. Bsp.: - Ethische Diskussion der Gentechnik in verschiedenen Religionen. Moralische Dilemmata, z.B.: - “Mein Freund stiehlt.” - „Sterbehilfe“. Bsp.: - Perspektivenwechsel durch Literatur; - Alltagsleben in früheren Gesellschaften. - Ethische Diskussion der Gentechnik unter dem Blickwinkel der Mitarbeiter solcher Betriebe - Grundwerte und Menschenbild der Regenwaldbewohner. - „Umdeklarierung“ von Produkten am eigenen Arbeitsplatz, damit die Firma nicht Pleite geht. - Perspektivenwechsel durch Rollenspiel; - Berufsleben in früheren Gesellschaften. Bsp.: „Wofür ich eine Demonstration organisieren würde.“ Bsp.: Stadterkundung mit anderen Augen: im Rollstuhl; als Ausländerin verkleidet. 5.3 Sozialisation in der Erziehung HIMMELMANN (S. 250 ff.) schlägt einen grundlegenden Dreischritt vor, für den Vorschläge für die BBS ergänzt werden. (Tab. auf Folgeseite) 5.4 Werte-Entwicklung am Arbeitsplatz und in der BBS Auf der Grundlage vorher ausgeprägter Werthaltungen hat die Sozialisation in der Berufsausbildung einen Einfluss, der viel vorher Ausgeprägtes in Frage stellt und damit in einem neuen Bezugssystem weiter entwickelt. Positive Entwicklungen sind zu erwarten bei - Solidarität mit Kollegen - Entwicklung eines persönlichen Arbeitsethos - Arbeit als Grundlage der Existenz. Denkbare negative Aspekte können sein: - Blinder Gehorsam Solidarität auch in Situationen, in denen Kollegen (und Vorgesetzte) das nicht verdient haben. Hieraus können Gedanken entwickelt werden, um im Politik-Unterricht in der BBS den Tendenzen zur Politik(er)-Verdrossenheit entgegenzuwirken (S. 24). Dabei hat der L die Chance, auf Erfahrungen am Arbeitsplatz zurückzugreifen. - (Tab. zu 5.3) Vorschlag HIMMELMANN: Konkretisierung in der BBS: (1) Das Individuum soll veranlasst werden, eine eigene Identität zu entwickeln; Grundlage ist ein Wertegebäude, das mit der Demokratie harmoniert. (1) Entwicklung einer individuellen beruflichen Identität, ergänzt um Solidarität. (2) Der Einzelne nimmt Kontakt mit seinem Umfeld auf und übernimmt Werte von anderen (Menschen, Gruppen), die er in sein eigenes Wertegebäude integriert. (2) Kontakt mit erfahrenen Kollegen und MitAzubi anderer Betriebe; damit Übernahme von Werten Anderer, die in das eigene Wertegebäude integriert werden. (3) Das damit erzeugte Wertekonstrukt soll (3) Damit wird ein Wertekonstrukt erzeugt, zum Bewahren und Weiterentwickeln der das zum Bewahren und Weiterentwickeln der Demokratie am Arbeitsplatz beitragen – auch Demokratie beiträgt. wenn dieser Prozess umstritten ist und das Ziel „Demokratie“ hier nicht wie im politischen Bereich erreichbar erscheint. 5.5 Kategorien Die Bildung von Kategorien wird hier als Teil des Lernweges aufgefasst, der mit der Problemanalyse beginnt. Zweckmäßig ist die Bildung von Kategoriengruppen mit den Dimensionen (S. 266 ff.): a) Bezogenheit von Politik auf die eigene Situation („Wie geht es mir?“) b) Situationsanalyse („Was ist?“) c) Möglichkeitserörterung („Was ist möglich?“) d) Konsequenzen der Lösung („Was wird sein?“) e) Entscheidung („Was soll sein?“) Die als Beispiel angegebenen Schlüsselfragen sind zunächst allgemein formuliert. In dieser Interpretation werden die im Original tabellarisch gefassten Erklärungen in Schaubilder umgearbeitet. Damit soll HENKENBORGs Ansatz für die Situation in der Berufsbildung konkretisiert werden. (Abbildungen auf den folgenden Seiten) 5.6 Moralentwicklung nach Kohlberg KOHLBERGs Theorie im Bereich moralischer Entwicklung und Erziehung gehört zu den am meisten diskutierten Grundlagen dieses Gebiets. Auch in diesem Sammelband finden sich mehrere Beiträge, die sich mit K.s Thesen auseinandersetzen. Markant sind die Überlegungen SUTORs (S. 118 ff.) und DETJENs (S. 303 ff.), die sich auch mit der befürwortenden Position REINHARDTs auseinander setzen. Hier kann nur auf einige Kernproblem bei der Anwendung des Modells von K. eingegangen werden: Wenn höhere Stufen nach K. entwickelt werden, müssen die niederen eingeschlossen sein – sie werden durch die höheren Stufen nicht obsolet. Die höchste Stufe internalisiert allgemeine Prinzipien im subjektiven Gewissen. Wird dieses zu stark hervorgehoben, besteht die Gefahr des „Moralisierens“. Zu 5.5: a) Bezogenheit von Politik auf die eigene Situation Eigene Situation des Azubi Gefühle der S bei der Identifikation mit der neuen Arbeitssituation Verstehen = soziale Perspektivenübernahme - durch die S (Warum ist die Belastung unvermeidbar – und damit keine Schikane?) - durch den Ausbilder (Wie kann ich junge Menschen entlasten ohne das Ausbildungsziel zu gefährden? – oder: ... um das Ziel zu erreichen?) subjektive Betroffenheit (z.B. ungewohnte körperliche und geistige Belastung) (Wie fühle ich mich nach den ersten Ausbildungswochen am Berufsschultag?) objektive Bedeutsamkeit (z.B. kurzund langfristige Folgen einer kurzfristigen bzw. dauerhaften Überlastung) (Wie kann es mir nach Jahren an diesem Arbeitsplatz gehen? – Fällt mir an meinem Ausbilder etwas auf?) Das Politische darf im Unterricht nach dem K.-Modell kein Anhängsel sein, sondern ist zentraler Gesichtspunkt. Von K.s Vorgehensweisen für die Moralerziehung ist nur die Diskussion von Problemgeschichten in Form von Dilemmata für die BBS relevant. Seine Idee der „gerechten Schulgemeinschaft“ dürfte an den Realitäten in der BBS scheitern – wiewohl die Grundidee von Schule als Institution zur Mitwirkung ein Gestaltungsmittel des Schullebens auch in dieser Schulform sein kann. Wesentliche Probleme der Arbeit mit einem Dilemma sind nach Ansicht der Kritiker: Gibt es „etwa gleichgewichtige moralische Güter, die sich gegenseitig ausschließen“ (S. 312)? Ist der L fähig zur Konstruktion von Dilemmata, die von den S verstanden werden? Gelingt es, Moralerziehung als Prozess zu gestalten, in dem nicht einfach nur vorgegebene Grundwerte von den Lernenden adaptiert werden? Sind die für den Unterricht geeigneten Dilemmata so scharf gezeichnet, dass nicht durch die Entwicklung von Variationen das Dilemma aufgelöst wird i.S. einer pragmatischen Lösung? In der Politik hängen Entscheidungen oft mit der Reaktion des pol. Gegners zusammen, so dass das Dilemma weniger dichotom erscheint als es dem Modell entsprechen müsste. Je mehr Akteure auftreten, desto komplexer wird der Problemzusammenhang – also weniger dichotom. 5.7 Beutelsbach (Forts. hinter „Zu 5.5 e)“) Wenn der allgemein anerkannte Beutelsbacher Konsens in der Wertediskussion angewendet wird, können wir verschiedene Zugänge nutzen: Grundlage jeder Wertorientierung ist die Menschenwürde, z.B. wie im GG formuliert. An ihr orientiert sich eine Analyse, die eine Unterrichtskonstruktion anhand der Kriterien aus Beutelsbach prüft. - Werden Dilemmata (KOHLBERG; s. oben unter 5.6) eingesetzt, kann bei fehlender Symmetrie (S. 323) die im Beutelsbacher Konsens aufgeworfene Problematik nicht positiv beantwortet werden: Die Gefahr der Überwältigung ist sehr groß. Zu 5.5 b) Situationsanalyse - Betroffene / Beteiligte: Azubi, Ausbilder, Unternehmer, Mitarbeiter, MitAzubi, Kammer, Innung, Eltern... Bedürfnisse / Interessen: (Azubi:) Lernen, keine Überlastung, ... Gefühle / Lebensstile: Rechtzeitiger Feierabend, weil der Freund wartet... Problem- / Leidensdruck: Überstunden, Beinahe-Unfall, Wirkung von Staub, Lärm, starre Körperhaltung, ... Deutungsmuster, z.B.: - Das will ich mir nicht gefallen lassen! - Wie wird das Problem woanders geregelt? Gewordenheit: Geschichte des Betriebes / des Berufes; Sozialisation der Beteiligten, Vorschriften und deren Einhaltung im Betrieb ... Zu 5.5 c) Möglichkeitserörterung ( Ρ = Wichtige Ansätze für Politikunterricht ) Situation Möglichkeitssinn: Wie wäre die Arbeit ohne alle diese vermeidbaren (?) Belastungen? Wirklichkeitssinn: Wie weit lassen sich die Belastungen abbauen bzw. ihnen vorbeugen? Prinzipienkonflikte und Dilemmata (wertorientierte Erschließung) Epochale Schlüsselprobleme (Wie lange ist die Ausbildung in meinem künftigen Arbeitsleben nutzbar?) Akute / exemplarische Fälle (Belastungsfolgen / Überlastung vermeiden / sich gegen Überlastung wehren) Ρ Institutionen (Werte als Maßstab für Existenz und Funktion) Normen (Werte als Maßstab für ihre Konstruktion) Macht / Herrschaft (durch Ausbilder, Unternehmer, Kammern, Schule, Politik, ...) = Normen setzen und die Einhaltung kontrollieren (durch Kammern, ...) Ρ Recht (JugArbSchG, BerufsBildG, HwO, ...) Ρ Veränderbarkeit und deren Grenzen Ρ Kommunikation Partizipation Lösungsmöglichkeiten Zu 5.5 d) Konsequenzen der Lösung Lösungsvorschlag Beabsichtigte Folgen Nebenfolgen (beabsichtigt / nicht) (Bsp.: Protest des Azubi gegen unzumutbare Arbeit hat nicht die Kündigung zur Folge (gesetzlich nicht zulässig), sondern Mobbingmaßnahmen bis zur Kündigung durch den Azubi) Zu bedenken (► did. Analyse:) Chancen Gefahren Ungewissheit gesellschaftliche Folgen Zu 5.5 e) Entscheidung Didaktischer Schwerpunkt: Autonomiebildung (Wie werde ich fähig, eine eigene Entscheidung i.S. langfristiger Ziele zu treffen, die nicht von den Nebenfolgen meines Handelns konterkariert wird?) persönlicher Lebensstil (wertorientiert!) Gerechtigkeitsbegriff (wertorientiert!) (Institutionen, Rechtssystem, Gesellschaft) Eigene Konzeption für ein „Gutes Leben“ (Wie kann ich in meinem Beruf glücklich werden?) Kategorien Effizienz Legitimität Konflikte Konsens (Forts. 5.7) BREIT(S. 241 f.) erläutert die Problematik der Überwindung am Beispiel des Unterrichts: Es darf nicht zugelassen werden, dass Meinungsfreiheit im Unterricht missbraucht wird, um ungehindert anderen die eigene Meinung aufzudrängen. Hier ist zur Werte-Erziehung nötig, Meinungsäußerungen zu begrenzen (Ethos der Gegenseitigkeit). Eine Auf eine berufliche Situation kann dies nur übertragen werden ist begrenzt durch die Behandlung von Erfahrungen aus der Ausbildung im Unterricht: Die Bedeutung des Überwältigungsverbotes ist einleuchtend, wenn Einzelerlebnisse in den Betrieben nur begrenzt verallgemeinert werden können. Mängel im Umwelt- und Arbeitsschutz sind markante Beispiele. 6. Methodische Ansätze 6.1 „Dreischritt“ Über Methoden, die zur Wertevermittlung geeignet sind, ist besonders bei KOHLBERG diskutiert worden (5.6). Es sollte aber stets geprüft werden, ob nicht eine ohnehin gewählte Methode aus dem allgemein gebräuchlichen Fundus geeignet ist, Wertevermittlung als Bestandteil des Lernprozesses zu betreiben. SUTOR (S. 117) schlägt vor: „... Phasenstrukturen des Unterrichts (sind) variabel und unterschiedlich vorstellbar. Idealtypisch habe ich dafür immer den ‚Dreischritt’ politischen Entscheidungsdenkens als hilfreich empfunden, nämlich die Unterscheidung von Situationsanalyse, Möglichkeitserörterung und Urteilsbildung bzw. Entscheidung. Ethische Kategorien haben bei dieser Anordnung besonderes Gewicht in der dritten Phase, müssen hier deshalb in hinreichender Differenzierung und dann auch begründet ins Spiel kommen. Aber Begründungs- und Handlungsfragen sind zu unterscheiden. Methodisch können sie wohl kaum in einem Schritt bearbeitet werden. Dabei gewinnt das seine Bedeutung, was man in öffentlicher Diskussion abgekürzt ‚Grundwerte’ einer freiheitlich verfassten pluralistischen Gesellschaft nennt, also: Menschenwürde und Menschenrechte, die politischen Gemeinwohlziele Fried, Freiheit und Gerechtigkeit; ferner die Frage nach der Legitimität von Entscheidungen, aber auch nach ihrer Zumutbarkeit im Verfassungskonsenses; schließlich die Fragen nach Wirksamkeit und Folgen und nach Verantwortbarkeit von Handlungen. Freilich kommen diese Wert- und Moralfragen nicht erst in diesem dritten Schritt ins Spiel. Sie sind bereits virulent etwa in einem problemorientierten Einstieg, in der dabei stattfindenden Artikulation von Meinungen und subjektiver Betroffenheit, und müssen hier als Wertungen schon bewusst gemacht werden...“ Aus der Sicht der Berufsschulpädagogik ist diesem Vorschlag nichts Spezifisches hinzu zu fügen, da diese Überlegungen hier problemlos anzuwenden sind. 6.2 Handlungsorientierung Unter dem Titel „Soziales Lernen“ (S. 236) setzt sich BREIT in einem ausführlichen Kapitel zu den „Grundwerten im Politik-Unterricht“ mit den Gestaltungsmöglichkeiten des Lernens auseinander. Die Fallanalyse ist danach besonders geeignet, Grundwerte zu erschließen: die Perspektiven-Übernahme ermöglicht eine Identifikation mit den Problemen anderer Personen, zu deren Lösung demokratische Grundwerte aktiviert werden müssen: Identifiziert sich der S mit den Problemen Anderer, sucht er nach Lösungen für vergleichbare eigene Probleme, die i.S. von Solidarität auch anderen helfen können. Problemlösung orientiert sich am Menschen und am Grundwert Menschenwürde. In der Berufsschule kann neben altersgemäßen Fragen und historischen Zusammenhängen der Berufsbezug sowohl für sich als auch in dem genannten Zusammenhang gesucht werden. Das Problem des bei der noch ungewohnten Arbeit überlasteten Jugendlichen kann zur Identifikation durch die Berufsschüler führen, wenn herausgearbeitet wird: Er leistet auch solche Arbeit, die er als übermäßig belastend empfindet (oder auch nicht – keine Klischees bilden!). Ausbilder vertreten auch heute noch den Standpunkt, das (also die starke Belastung bei der Arbeit) sei schon immer so gewesen (oft aber in einem anderen gesellschaftlichen Umfeld). Überlastung wirkt sich im privaten Umfeld aus, beginnend bei der Beziehung zu Partnern. Für die Fallbearbeitung bedeutet das, eine für alle Beteiligten zumutbare Lösung zu finden. Verallgemeinert kann das heißen, dass eine politische Entscheidung gefordert werden kann, in der die von den S entwickelten individuellen Werte als Maßstab dienen sollen: Diese sind dann nicht formal / abstrakt, sondern konkret. BREIT stellt diesen Zusammenhang auf S. 240 mit der Abbildung „Demokratie als Lebensform (= soziales Handeln)“ dar: Demokratie als Lebensform macht soziales Lernen notwendig Grundwissen (u.a. Grundwerte, Verhaltensnormen bzw. Tugenden) Soziale Informations- und Analysefähigkeit (Wahrnehmen des anderen, soziale Perspektivenübernahme, Außen- und Innenperspektive) Soziale Urteilsbildung (Unterschiedliche Sichtweisen, materiale und formale Wertethik) Soziales Handeln Politisches Handeln (= Intervention) Das so erreichbare „soziale Lernen“ folgt dann wertorientierten Regeln. 6.3 Situationslernen HENKENBORG (S. 266) schlägt als Lernweg die Problemanalyse i.S. kategorialer Bildung vor: Bezogenheit von Politik auf eigene Situation Betroffenheit / Bedeutsamkeit Verstehen Identifikation Situation Was ist? Optionen Welche Lösungen sind möglich und durchsetzbar? Betroffene / Beteiligte Bedürfnisse / Interessen Problemdruck / Leidensdruck Gewordenheit Deutungsmuster Ziele / Prinzipienkonflikte Veränderbarkeit Grenzen Macht / Herrschaft Recht Institutionen / Konsequenzen Welche Konsequenzen sind mit den Lösungen jeweils verbunden? Ungewissheit Chancen / Gefahren Geschlecht Entscheidungen / Ergebnisse Entscheidung Was soll sein? Effizienz Legitimität Wohlergehen Konflikt Konsens Differenz Kompromiss Gefühle Lebensstile Organisationen Globalität Partizipation Auch hier ist es nicht schwierig, die vorgeschlagenen Grundbegriffe für die BBS zu konkretisieren, wie schon weiter oben gezeigt. Wie bei BREIT soll auch hier der Schlüssel zum Problem in seiner allgemeinen form in der Perspektivenübernahme liegen. 6.4 Argumentieren Als Weg der Argumentation sollen diese Dimensionen erschlossen werden: Argumentative Begründung politische Rationalität Argumentation / Auseinandersetzung kognitiv pragmatisch affektiv rationale Urteilsbildung Für die methodische Umsetzung kann man sich gut vorstellen, eines der o.a. Probleme so zu erschließen, dass die Wertedimension in der Argumentation der Rollenspieler und als Beobachtungsmerkmal für die Nichtspieler erschlossen wird. Abschließend schlägt HENKENBORG den Begriff „Deutungslernen“ vor: „reflexive und kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Deutungen und Bedeutungen, denen S ... in einer auf Schlüsselqualifikationen bezogenen, kategorial orientierten und in Lernwegen angeordneten schüleraktiven Arbeit an den Themen des Politikunterrichts begegnen oder sie selbst hervorbringen“ (S. 280). Das empfohlene Formulieren von „Fragen an den Gegenstand“ kann als Aufforderung durch den L initiiert werden, aus einem Fall (einer Problembeschreibung etc.) Fragen nach den Zielen der Beteiligten, deren individuellen Werten, nach Verhaltensweisen zu entwickeln. (Vgl. hierzu das Konzept zur Erschließung von Rechtsfällen / BENNE2). In einem ausführlichen Anhang listet der Autor kategoriale Schlüsselfragen auf (S. 281 ff.). 6.5 Lernwege Die Umsetzung dieser Konzepte (6.1 – 6.3) in der BBS ist schwierig, besonders bei einer Verknüpfung mit dem Ansatz REINHARDTs (S. 294) zur Gestaltung eines passenden Lernwegs: Das referierte Beispiel ist auf einer sehr komplexen Ebene ausgestaltet (KosovoKonflikt 1998 und internationales Recht). Vielleicht ist es aber leichter, Ansätze für berufsbezogene Themen zu finden, so wie es im Folgenden vorgeschlagen wird: (1) Konfrontation: Geplante Entlassung von Mitarbeitern aufgrund mangelnder Auftragslage oder zur allgemeinen Kostensenkung. (2) Erschließung des Falls: Hier wird von R. der Konflikt zwischen einem rechtlichen Hintergrund und politischem Handeln erschlossen. Das hier vorgeschlagene Beispiel geht von einer ähnlichen Dichotomie aus: Wirtschaftliches Handeln eines Betriebes (mit deutlicher politischer Komponente) wird begrenzt durch eine rechtliche Bindung (hier z.B. BetrVerfG). Die an anderer Stelle vorgeschlagene Technik der Sammlung von Schlüsselfragen für die Bearbeitung der weiteren Stufen (B...) eignet sich auch für diesen Lernweg, zumal sich wertorientierte Fragestellungen leicht entwickeln lassen. 2 in der Netzseite „Politik“ des Seminars unter „Handlungsfelder“ aufzurufen (3) Argumentation: Die Argumente der Betriebsleitung und des Betriebsrates werden einander gegenübergestellt (Zitat „Handlungsorientierung“). Das von REINHARDT vorgeschlagene Rollenspiel passt auch zu diesem Bsp. aus dem Arbeitsrecht. Die vorgebrachten Argumente sind zu strukturieren, um in Stufe 4 vertieft zu werden. (4) Reflexion der Gründe: Diese Phase dient der Bildung von Maßstäben für die Weiterentwicklung eines individuellen Wertesystems. (5) Die politische Phase kann auf verschiedenen Ebenen organisiert werden: a) Betrieb: Fragen zum Verhalten der Akteure und zu den Hintergründen führen zur Problematik der Beteiligung der AN an betrieblichen Entscheidungsprozessen: Individuelles Handeln (oder Verweigern), Handeln der Gremien (oder Untätigkeit) leiten über zur Ebene der ... b) ... Interessenverbände: Diese handeln auf einer Ebene, die oft von der betrieblichen Situation weit entfernt ist. Die Frage nach den Wertmaßstäben für die Gestaltung dieses Einflusses darf getrost gestellt werden! c) Politik und Recht: Rechtsprechung und zugrunde liegendes Recht sind wie oben zu prüfen. (6) Der Rückblick (auf das Vorgehen im Unterricht) ist, wenn die Erziehung zu einer Werthaltung zentrales oder zumindest wesentliches Thema ist, auf die persönliche Weiterentwicklung zu beziehen. Ein Vergleich mit den in (5) angesprochenen Ebenen ist nötig, um Politik wertorientiert zu beurteilen. Der von SUTOR (S. 117) erwähnte Dreischritt: Situationsanalyse Möglichkeitserörterung Entscheidung / Urteilsbildung enthält die gleiche Grundstruktur.