Psychologie der Arbeitssicherheit in der Seminarausbildung von Lüder Benne und Bernd Pund In dieser Zeitschrift wurde über die Erschließung des Unterrichts-Themas „Arbeitssicherheit“ berichtet (BENNE und HENNIES 1998). Mit der hier folgenden Vertiefung psychologischer Überlegungen möchten wir auch die Diskussion zur Entwicklung weiterer verhaltenspsychologischer Konzepte für die Referendarausbildung anstoßen. 1. Situation Jugendlicher in der Ausbildung 1.1 Risiko-Erfahrungen und Verhaltensdisposition jugendlicher Auszubildender Die Situation vieler jugendlicher Auszubildender1 ist u.a. geprägt vom Drang nach praktischer Tätigkeit. Dazu kommt das Bestreben, seine Grenzen kennen zu lernen. Diese und andere Merkmale tragen zusammen mit mangelnder Erfahrung in der Situation am Arbeitsplatz dazu bei, Risiken nicht richtig einschätzen zu können oder zu wollen. Diese Verhaltensdisposition wird beeinflusst u.a. durch die Tagesform, Ermüdung, Stimmung sowie manchmal von Alkohol und anderen Drogen. In der Regel verfügen Azubi schon früh in der Ausbildung über eigene Erfahrungen in Risikosituationen, u.a. können das sein - selbst erlittene Arbeitsunfälle - Beinahe-Unfälle - beobachtete Arbeitsunfälle - Schilderungen Betroffener - selbst erlittene oder beobachtete andere Unfälle - gefährliche Situationen. Die Bildung eines Risikobewusstseins dürfte sehr unterschiedlich fortgeschritten sein. Es ist fraglich, wie weit daraus eine Verhaltensdisposition entwickelt hat, mit der Risikofaktoren ausgeschaltet oder zumindest verringert werden können. Entgegenwirkende Einflüsse wie Gruppendruck (Altersgruppe, Kollegium am Arbeitsplatz) dürften eine eher diffuse Verhaltensdisposition erzeugen. 1.2 Unternehmensführung, Unfallrisiken und Sicherheitsbewusstsein Arbeitnehmer haben keinen so unmittelbaren Bezug zur gesetzlichen Unfallversicherung wie zu anderen Sozialversicherungen, weil die Berufsgenossenschaften allein mit Unternehmerbeiträgen finanziert werden. Aber auch viele Arbeitgeber spüren weniger die Rolle der BG als Selbsthilfeorganisation als die einer Aufsichtsbehörde, die (manchmal nicht verstandene, weil Arbeitsabläufe behindernde) Vorschriften erlässt und bei Betriebsrevisionen Auflagen erteilt, gelegentlich auch Bußgelder erhebt und nach Arbeitsunfällen lästige Fragen stellt. Oft wird die Pflicht zur Beitragszahlung aus verschiedenen Gründen als belastend empfunden: - 1 Die in einem Betrieb auftretenden individuellen Risiken werden in einer anonymen Organisation umverteilt. Auf diese Organisation hat der Unternehmer wenig Einfluss, so dass die Einsicht erschwert wird, sich solidarisch verhalten zu Auszubildende hier abgekürzt „Azubi“ - - - müssen. Gefahrenzuschläge bei der Beitragserhebung können diese Einsicht fördern. Die aus Mängeln in der Betriebsorganisation herrührenden Risiken werden von Unternehmern und leitenden Mitarbeitern gewöhnlich nicht auf diese Ursachen zurückgeführt, so dass nach Unfällen ein solcher Zusammenhang gewöhnlich nicht gern eingesehen wird. Gleiches gilt für Berufskrankheiten, zumal hier der zeitliche Zusammenhang fehlt. Die Anonymisierung des individuellen Risikos und seiner Folgen durch die Umlegung der Kosten behindert die Einsicht in diesen Zusammenhang. Unternehmer, die die Notwendigkeit sicheren Verhaltens der Mitarbeiter erkannt haben, sehen nicht unbedingt ein, dass sie Solidarität mit „schwarzen Schafen“ in der Leitung anderer Betriebe üben sollen. Der Wirkungsgrad vorbeugender Arbeit der BG ist nur schwer einschätzbar. Unfälle und Berufskrankheiten gehen in die Statistik ein, verhinderte Schädigungen nicht. Wenn die Statistik abnehmende Unfallhäufigkeit und Unfallschwere aufweist, kann dies immer auf mehrere Einflussfaktoren zurückgeführt werden – der Einfluss und die Wirkung vorbeugender Arbeit der BG i.V. mit den Bemühungen von Betriebsleitung und Mitarbeitern wird individuell höchst unterschiedlich empfunden. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass bei der Vernachlässigung von Unfallverhütungsvorschriften und der mangelhaften Entwicklung eines Sicherheitsbewusstseins vordergründige „Interessen“ von AG und AN zusammentreffen. 2. Verhaltenspsychologische Problematik der Sicherheitserziehung Auszubildende müssen im dualen System der Berufsausbildung die an den Ausbildungsorten Betrieb und Berufsbildende Schule2 erlernten kognitiven und manuellen Fertigkeiten vernetzen, um ihre Aufgaben als verantwortungsbewusste Mitarbeiter3 im Arbeitsleben auszuführen. Hierzu gehört die Erhaltung der Arbeitskraft an einem sicheren Arbeitsplatz. Damit gemeint ist eine Situation, in der durch verschiedene Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit möglichst stark herabgesetzt wird, einen Unfall zu erleiden oder zu erkranken (Abb. 1). Wie in Abb. 1 dargestellt, müssen alle genannten Beteiligten – gemeinsam mit der BBS – zusammenwirken, um erfolgreiche Sicherheitserziehung zu leisten: (1) Maßnahmen zur Verbesserung passiver Sicherheit – Maschinenschutz – bildeten traditionell den Schwerpunkt der vorbeugenden Arbeit der gesetzlichen Unfallversicherungen. Die enge Ursachen–Maßnahmen–Wirkung–Beziehung spiegelt sich in sinkenden Unfallzahlen wider. (2) Alle Ausbildungspläne sehen für die Unterweisungen am Arbeitsplatz die Einweisung in Sicherheitsvorschriften und das Einüben sicheren Verhaltens vor. 2 3 im Folgenden „BBS“ zur besseren Lesbarkeit wird im Text nur ein Geschlecht genannt Abb. 1: Sicherheitssituation im Betrieb aktive Sicherheit Mängel passive Sicherheit Mitarbeiter Verhaltensdisposition organisatorische Sicherheit Mängel „Überlisten“ der Sicherheitsmaßnahmen Risiko Unfall Folgen Berufsgenossenschaft Gesellschaft Mitarbeiter Leitungspersonen Betrieb politische Entscheidungen Vorbeugung: - Maßnahmen der BG - Verhalten der Ausbilder - Rechtsvorschriften - persönliches Verhalten psychologische Maßnahmen (3) Aufgabe der Berufsschule ist die Ergänzung, Vertiefung und Strukturierung sicherheitsrelevanter Ausbildungsinhalte und deren Einordnung in Arbeitsabläufe sowie die fachtheoretische Begründung von Sicherheitsmaßnahmen und -verhalten. Fachübergreifende Gesichtspunkte – besonders historisch-politische, soziale und moralische – können außerhalb der BBS kaum vermittelt werden. 3. Maßnahmen 3.1 Beeinflussung der Sicherheitseinstellung Der entscheidende Ansatz zur Beeinflussung der Sicherheitseinstellung des Azubi ist die Erzeugung von Handlungsbereitschaft (Motivation). Dabei sind die entwicklungspsychologischen Besonderheiten der Zielgruppe der Jugendlichen zu berücksichtigen, die von grundsätzlichen Bedürfnissen (Motiven) dieser Altersgruppe ausgehen. Motive stimmen aber häufig nicht mit den expliziten Zielen sicherheitsorientierten Handelns überein. Ziele wie Gesundheit, langfristige Fitness, Unbeschadetheit etc. sind nur in Handlungsbereitschaft überführbar, wenn sie eine größtmögliche gemeinsame Schnittmenge mit den Grundbedürfnissen (Motiven) der Jugendlichen darstellen (Abb. 2). situative Merkmale Anregung Motive (unbewusst) ? Sicherheitsziele (bewusst) Handlungsbereitschaft (Motivation) Die Motive werden von den situativen Merkmalen wie Aufforderungscharakter, Erwartungen oder Günstigkeit der Gelegenheit angeregt. Das Fragezeichen drückt die Herausforderung an die Erzieher aus, die 3 Elemente bei den Jugendlichen möglichst umfassend zur Dung zu bringen. Abb. 2: Auseinanderklaffen von Motiven und Sicherheitszielen (nach KEHR, 2001) 3.2 Bewusstsein für die Motive Während die Sicherheitsziele den Azubi durchaus bewusst sind (sie wissen häufig ganz genau, was sie falsch gemacht haben), sind ihnen ihre Handlungsmotive meist weniger bewusst (sie wissen nicht, warum sie es falsch gemacht haben). Diese Motive lassen sich in vier Klassen zusammenfassen (vgl. GRAWE 1998): (1) Soziale Nähe oder „Anschluss-Motiv“: Bei Jugendlichen besteht die starke Tendenz, zu einer Gruppe Gleichaltriger gehören zu wollen, Nähe zu anderen zu haben und sich über die Anerkennung in der Gruppe zu definieren. Pädagogisches Problem: Gruppendruck kann negativ wirken, wenn das Tragen der PSA „unüblich“ ist und positiv, wenn sich alle sicherheitsgerecht verhalten. (2) Kontrolle, Orientierung oder „Unabhängigkeitsmotiv“: Diese Motivklasse bezeichnet das Bedürfnis, sich selbständig und unabhängig in der Welt orientieren zu können. Dies geht einher mit dem Wunsch, nicht eingeengt zu werden und selbstbestimmt zu sein. Jugendliche glauben oft, alles „im Griff“ zu haben und leisten es sich, Gefahrsituationen zu erproben. Pädagogisches Problem: Für Ausbilder besteht die Herausforderung darin, ein gewisses Risiko verantworten zu müssen. In der BBS kann auf Erfahrungen der Jugendlichen aufbauend nach Hintergründen geforscht werden. (3) Identitätsbildung: Die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen ist geprägt von einer permanenten Suche nach Indikatoren für die Bildung einer IchIdentität. Sich durchzusetzen, zur Wirkung zu bringen, kompetent zu bewältigen etc. bedeutet, solche Indikatoren zu erwerben. Der pädagogische Ansatz kann von der Tendenz auffallen zu wollen ausgehen. Diese ist symptomatisch und relevant für sicherheitszu- und abträgliches Verhalten. (4) Erhöhung von Lustempfindungen: Jugendliche leben im „Hier und Jetzt“, wollen unmittelbare lustbetonte Erfahrungen machen („no risk – no fun“). Der pädagogische Ansatz muss die Diskrepanz zwischen dem Bestreben auffallen zu wollen und dem angestrebten sicheren Verhalten thematisieren, denn langfristiges Denken wird immer zuerst als überflüssig und unangenehm erlebt. 3.3 Handlungsorientierung in der Ausbildung In einer Situation des starken Wandels in der Struktur der Volkswirtschaft und im Arbeitsleben muss der künftige Mitarbeiter zum sicheren Arbeiten auf einer breiten und in vielen Betrieben verwendbaren Basis qualifiziert werden. Ursprünglich wurde Sicherheitserziehung aus konkreten Maschinenschutzmaßnahmen (passive Sicherheit) entwickelt. Mit dem Wandel der Berufsbilder nimmt die Bedeutung der aktiven Sicherheit zu und erhält den Charakter einer Schlüsselqualifikation für ein breites Sprektrum von beruflichen Tätigkeiten. In der heute angestrebten handlungsorientierten Ausbildung ist das Wechselspiel zwischen Maßnahmen des Ausbilders und dem Handeln des Azubi von wesentlicher Bedeutung. Das folgende Beispiel zeigt, dass das angestrebte Lernergebnis unbeabsichtigt verfehlt wird, wenn das Handeln und seine Folgen mit den Nebenfolgen nicht vollständig durchdacht worden ist: Ein Auszubildender erhält den Auftrag, aus dem Lager ein Reinigungsmittel zu holen (Gefahrsymbole: „Ätzend, „Gesundheitsschädlich“). Am Lagerplatz ist das Gefäß nicht ohne Hilfsmittel erreichbar. Eine Leiter fehlt; sie zu holen, würde die Ausführung des Auftrags um 5 Minuten verlängern. Wenn sich der Auszubildende entschließt, mit einer risikoreichen Methode den Auftrag auszuführen (Hochklettern am Regal oder Benutzung eines Stuhls auf einem Tisch), tritt die folgende Situation ein: Ausbilder „Du hast meinen Auftrag richtig ausgeführt!“ Auszubildender => „Ich habe schnell und vollständig gehandelt!“ => „Ich habe das richtige Mittel geholt!“ Die versteckte Botschaft lautet: => Lob! => Sicherheit ist unwichtig! Der Ausbilder verstärkt unbeabsichtigt fehlerhaftes Verhalten. 3.4 Risikowahrnehmung und -analyse Den Menschen fällt es schwer, zwischen tatsächlichen – d.h. statistisch ermittelten – und individuell empfundenen Risiken zu unterscheiden. Routinierte und erfahrene Mitarbeiter unterschätzen vielfach das objektive Unfallrisiko an genau den Arbeitsbereichen und Arbeitsorten, an denen sie sich üblicherweise aufhalten (vgl. ZIMOLONG 1984). Berufsanfänger müssen mit folgenden Zusammenhängen vertraut gemacht werden: - Unfälle sind auch in den Bereichen sehr selten, die von den BG als besonders gefährlich eingestuft werden (Beispiel: Gerüstbau). - Die Wahrscheinlichkeit, selbst einen Unfall bei der Arbeit zu erleiden, ist gering. - Die Wahrscheinlichkeit, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ist nicht nur gering, sondern der Zeitpunkt des Eintritts ist für Jugendliche „unendlich“ weit entfernt. - Die Wahrscheinlichkeit, Zeuge eines Arbeitsunfalls zu werden, ist nicht wesentlich höher. - Nach subjektivem Empfinden sind Bagatellunfälle keine Ereignisse, die das Bewusstsein für das Risiko zu schärfen vermögen. - Wegeunfälle werden eher den Risiken des Straßenverkehrs zugeordnet als den Risiken am Arbeitsplatz. - Ohne Erfahrung am Arbeitsplatz werden viele Risiken nicht erkannt; ohne das Empfinden einer Gefahrsituation werden das Aufmerksammachen und vorbeugende Maßnahmen als praxisferneTheorie aufgefasst. - Unfälle werden in der Statistik nur berücksichtigt, wenn sie gemeldet wurden. Eine eindeutige Grenze für Bagatellunfälle gibt es aber nicht. - Altersgemäß ist die Bereitschaft erhöht, Risiken einzugehen. Das behindert die Entwicklung eines Bewusstseins für unbekannte bzw. nicht einschätzbare Risiken. - Schwer einzuschätzen ist die Bedeutung von Beinaheunfällen. Es gibt hierüber keine Statistiken; Informationen beruhen auf freiwilligen Äußerungen Betroffener oder von Zeugen. Das subjektive Empfinden verhindert bei dem Beinahe-Opfer aber eine rationale Auseinandersetzung mit den Fehlern im eigenen Verhalten, so dass die Folgerungen lauten können, als positive und negative Extreme ausgedrückt: „Noch mal Glück gehabt – nächstes Mal bin ich vorsichtiger.“ ... bis: „Die Situation habe ich erfolgreich gemeistert – das übt.“ 3.5 Folgerungen aus der Situation im Betrieb für die Unterrichtsplanung Aus motivationspsychologischer Sicht ist festzuhalten, dass Sicherheit (im Sinne von subjektiver Unbeschadetheit) als „Normalzustand“ erlebt wird und immer verfügbar ist, selbst bei sicherheitswidrigem Verhalten. Es bedarf also offenbar keiner besonderen Anstrengungen, Sicherheit zu erhalten; somit entfällt die Motivation, sich aktiv darum zu bemühen. Aus dieser Zustandsbestimmung im Ausbildungsbetrieb muss in der Entwicklung von Unterrichtskonzepten Rücksicht genommen werden (Abb. 3). Motivationale Ansätze in der betrieblichen Ausbildung liegen auf drei Ebenen, die das Führungsverhalten betreffen: (1) Sicheres Handeln muss als unternehmerischer Wert transparent gemacht werden. Der Zugang ist schwierig, weil ein vermiedener Unfall nicht bewertet werden kann. Psychologische Zusammenhänge, z.B.: a) riskantes Verhalten ohne Folgen b) riskantes Verhalten mit Folgen - für den Azubi selbst - für die Gemeinschaft. Azubi Bereitschaft zum Risiko Bewusstsein für das Risiko Meister Risiko des Azubi Herausforderung für alle in der Ausbildung Verantwortlichen Abb. 3: Risiko und Verantwortung (2) Der Azubi muss erwarten, dass sich sicherheitsgerechtes Verhalten in seinem Betrieb lohnt; dies setzt seitens der Ausbilder und Vorgesetzten konsequentes Handeln voraus (Vorbildfunktion, Anerkennung positiven Verhaltens, Kritik an negativem Verhalten, keine „Dunkelziffern“ zulassen). Wenn diese Transparenz nicht erreicht wird, soll die BBS die Problematik in ihre Arbeit (Fachtheorie, Politik) einbeziehen. (3) Das sicherheitsgerechte Verhalten des Azubi muss schließlich seinen positiven Zweck erfüllen, indem „Sicherheitserfolge“ hervorgehoben werden, vermeintliche „Helden“ mit sicherheitsabträglichem Verhalten entthront werden und Sicherheitsverhalten in die Leistungsbewertung eingeht. Diese Forderung betrifft sowohl die Ausbildung als auch die Abschlussprüfung. Sie konsequent umzusetzen durch Aufsicht über die Ausbildung und bei der Organisation der Prüfung sind die nach Berufsbildungsgesetz (1994) zuständigen Kammern gefordert. Auch hier ist die BBS gefordert, Defizite zu erkennen und zu formulieren, auch den genannten für die Ausbildung zuständigen Stellen gegenüber. 3.6 Arbeitspsychologische Ansätze für die Unterrichtsplanung Aus arbeitspsychologischer Sicht liegen folgende Ansätze für den Unterricht in der BBS nahe: (1) Der Azubi soll analysieren, dass er die Verantwortung für seine Arbeitsergebnisse einschließlich der Sicherheitsaspekte selbst trägt, dies setzt die Vollständigkeit der Arbeitsabläufe voraus (vgl. Beispiel oben). (2) Bei Sicherheitsmaßnahmen erhöht die aktive Beteiligung des Azubi die Akzeptanz der Berücksichtigung von Sicherheitserfordernissen (Beteiligung bei Planung, Organisation, Ausführung und Kontrolle von Sicherheitsmaßnahmen). Dies ist im Unterricht anzustoßen und zu analysieren. (3) Der Azubi soll im sicherheitsbetonten Verhalten einen Sinn erkennen; ähnlich wie bei Verkehrsregeln sinkt die Bereitschaft zur Regelbefolgung, wenn ihr Sinn nicht erkannt wird. Die Sinnvermittlung in der Schule setzt die o.g. (Abschn. 3.3) motivationalen Bedingungen voraus (Werte; Erwartungen und Zweckerfüllung). Sollten im Ausbildungsbetrieb Sicherheitsgrundsätze vernachlässigt werden, entsteht auf Seiten des Azubi bei konsequenter Berücksichtigung von Sicherheitsinhalten in der Ausbildungsschule eine sog. kognitive Dissonanz, die zu Spannungszuständen führt und den Azubi nach Erklärungen suchen lässt. Dieser „Erklärungsnotstand“ kann für pädagogische Maßnahmen genutzt werden (z.B. Projektarbeit, Thema: “Wie kann ich dazu beitragen, die Sicherheitssituation in meinem Ausbildungsbetrieb zu verbessern?“). Ein politikdidaktischer Ansatz kann sein: „Solidarität mit den Kolleginnen drückt sich auch in gegenseitigem Schutz vor Schaden am Arbeitsplatz aus.“ Das Dissonanzproblem muss aber auch in die Überprüfung von Verhaltensweisen von Ausbildern und Lehrern einbezogen werden: Azubi registrieren genau, wenn zwischen (theoretisch) von ihnen gefordertes Verhalten in der Praxis von den „Vorbildern“ nicht vorgelebt wird. Aus diesen diffusen Einschätzungen folgt eine besondere Herausforderung an die BBS. Nur hier können während der Berufsausbildung solche Fragen vertieft werden, denn am Arbeitsplatz ist es nur ausnahmseise zu erwarten. Der Austausch von Erfahrungen aus verschiedenen Betrieben ist ein weiteresr wichtiger Ansatz zur Bearbeitung des Problems. Angehenden Lehrkräfte ist zu empfehlen, dies frühzeitig in ihre pädagogischen Konzepte aufnehmen. 5. Literatur BENNE , L. und HENNIES, P. (1998): Sicherheitserziehung in der Referendarausbildung. In: Seminar 2/1998, S. 149 – 156 BERUFSBILDUNGSGESETZ vom 14. 8. 1969 (BGBl. I S. 1112), zul. geä. am 26.5. 1994 (BGBl. I S.1014) GRAWE, K. (1998): Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe KEHR, H.M. (2001): Volition und Motivation: Zwischen impliziten Motiven und expliziten Zielen. In: Personalführung 4, S.20 – 28 ZIMOLONG (1984): psychologische Untersuchung der Arbeitssicherheit in absturzgefährdeten Situationen. In: Psychologie und Praxis 28, S. 50 -56