Geschichte Klasse 9 Gruppe 1 Rund zwanzig Jahre zuvor pries ein Abgesandter der französischen Regierung im folgenden Schreiben die Vorteile, welche die Bewohner der von Frankreich eroberten Länder von der Eingliederung ins französische Reich zu erwarten hätten. An die Bewohner der eroberten Länder. Ihr Bewohner der schönen Gefilde, die der Rhein, die Maas und die Mosel umgibt und welche der Lauf ihrer Gewässer bereichert! Dies sind Frankreichs wohltätige Gesinnungen in Rücksicht auf euch, dies ist der Wille seiner Regierung. Die Einstellung der Feindseligkeiten stellt die Gelegenheit dar, euer Schicksal zu verbessern und voll zärtlicher Sorgfalt für euer Wohl, gibt sie mir den Auftrag, mich zu euch zu verfügen , um euch der Wohltaten jener Gesetze teilhaftig zu machen, nach welchen Frankreich regiert wird, und die auch euer Glück sichern sollen ... So könnt ihr nun unter dieser neuen Regierungsform euch der ganzen Würde eures Wesens freuen. Nur Gott allein werdet ihr von euren Glaubens-Meinungen Rechenschaft zu geben haben, und eure bürgerlichen Rechte werden von diesen nicht abhangen, jene Meinungen mögen sein wie sie wollen, so werden sie ohne Unterschied geduldet werden und gleichen Schutz genießen. Nur der allein würde sich schuldig machen, der durch ihren Missbrauch die Eintracht stören, und Zwietracht unter die Gesellschaft ausstreuen wollte. Merkwürdig wird das fünfte Jahr für diese Länder sein. Los von der drückenden Last all der Privilegien, die der Stolz derjenigen gebar, welche sich eure Herren und Gebieter nannten, werdet Ihr zugleich , vom ersten Tage dieses Jahres an zu rechnen, frei sein vom Zehnten, die großen Teils den Ertrag eurer Arbeit verschlangen. So wie von jenen Rechten die der Lehngeist erfand, um auf tausenderlei Wegen den Grund und die Früchte eures Schweißes euch zu rauben. Sie sind verdammt, alle die Leid und Belehnungen, welche die Eitelkeit schuf und die durch alberne Verträge dem Zufalle der Geburt anklebten. ... Aus dieser flüchtigen Darstellung könnt ihr die Vorteile beurteilen Bürger, die Euch die neue Einrichtung darstellt; ich werde sie mit all dem Eifer bearbeiten, den meine Pflicht, eure Bedürfnisse, und eure glücklichen Anlagen mir einflößen. Bonn, am 21. Frimär des sechsten republikanischen Jahrs [11. Dezember 1792] Arbeitsaufträge: 1. Unterstreiche in dem Schreiben die Vorteile, die nach Ansicht des Abgesandten der französischen Regierung für die Andernacher aus einer Angliederung des Rheinlandes an Frankreich entstehen. 2. Versetze dich in die Lage eines Andernacher Bürgers im Jahre 1814. General Blücher verlangt, dass alle Verbindungen mit dem französischen Reich aufhören sollen. Du denkst jedoch daran, dass die Zugehörigkeit Andernachs zu Frankreich auch viel Gutes hatte, und überlegst, dich auf die Seite der Franzosen zu schlagen. Schreibe die Argumente, die deine Ansicht untermauern, jeweils in eine der Sprechblasen. 3. Sucht einen aus eurer Gruppe aus, der diese Position in einem Rollenspiel (Diskussion Andernacher Bürger in einem Wirtshaus) verteidigt. Geschichte Klasse 9 Gruppe 2 Ein ähnlicher Aufruf wie an die Bewohner des linken Rheinufers erging auch an die Einwohner diverser norddeutscher Städte. Marschall Kutusow war Oberbefehlshaber der preußisch-russischen Truppen im Kampf gegen Napoleon. Aufruf Marschall Kutusows vom 16.03.1813 Deutsche Freunde! Ihr wisst, was Ihr waret, und was aus Euch geworden ist. Ihr waret Deutsche; man hat Euch gezwungen, Franzosen zu werden. Oder, Ihr waret glückliche freie Bürger, und Ihr tragt jetzt die Fesseln, unter welchen das Mitgefühl der ganzen Welt eines der gebildetesten Völker Europas herabgewürdigt sieht. Aber - fasset Muth! schwer ist an den Ufern des Dnjeprs, der Düna und der Berezina, das Rachschwert der göttlichen Gerechtigkeit auf das Haupt Eures Feindes, des allgemeinen Feindes der Freiheit, der Rechte der Nationen, der Unabhängigkeit Ihrer Fürsten ... gefallen. Schwer gekränkte deutsche Freunde! Die Stunde Eurer Erlösung ist nahe. ... Im engsten Bündnisse mit Preußen, England und seiner übrigen mächtigen Alliierten sendet mich Alexander der Befreier, mein siegreicher Kaiser und Herr, zu Euch, um Eure Ketten zu brechen, Euch Eure Sprache, Euch Eure teuren vorigen Verfassungen ... wiederzugeben. Unwillig, sich rächend, hat das von Eurem Unterdrücker [Napoleon] gemissbrauchte Glück, ihm plötzlich den Rücken zugewendet. Er hat eine Armee von einer halben Million geübter Krieger verloren. Er kann noch einige Haufen unglücklicher Schlachtopfer seines Ehrgeizes zusammentreiben; aber er wird keine furchtbare Armee mehr bilden. Brave deutsche Männer! Nehmt die tapfern Russen als Eure Freunde, als Eure Bundesgenossen auf. Vereinigt Euch mit ihnen und den mit ihnen zu Euch kommenden Preußen, Euren Brüdern. ... Ihr aber, ihr wenigen undeutschen verächtlichen Handlanger der ihren Geist ausatmenden Tyrannei, zittert vor der Euch erwartenden göttlichen und menschlichen Rache. Wenn ich jeden in meine Hände fallenden französischen Krieger nach den liberalen Gesetzen der Kriegsgefangenschaft behandeln werde; so soll doch jeder mit den Waffen gegen sein deutsches Vaterland ergriffener Deutscher es in den entferntesten Provinzen Russlands beweinen, gegen die Freiheit seiner Mitbürger das Schwert gezogen zu haben. Arbeitsaufträge 1. Unterstreiche im Text die Argumente, die für eine Parteinahme für die russischpreußischen Truppen und gegen die Franzosen sprechen. 2. Versetze dich in die Lage eines Andernacher Bürgers im Jahre 1814. Du bist entschlossen, dich unter den Schutz der herannahenden preußisch-russischen Truppen zu stellen. Schreibe die Überlegungen, die dich zu diesem Entschluss gebracht haben, jeweils in eine der Sprechblasen. 3. Sucht einen aus eurer Gruppe aus, der diese Position in einem Rollenspiel (Diskussion Andernacher Bürger in einem Wirtshaus) verteidigt. Geschichte Klasse 9 Gruppe 3 Andernacher Chronik 24. Oktober 1794 Besetzung der Stadt Andernach durch französische Truppen. 4. November 1797 Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich. 30. März 1798 Französisch wird als Amtssprache eingeführt. 1797 – 1814 Die linken Rheinlande sind ein Teil Frankreichs. Es werden Reformen durchgeführt: 1812/13 Einteilung in hierarchisch gegliederte Verwaltungsbezirke. Abschaffung der Adelsprivilegien. Abschaffung des Zehnten und der Frondienste. Gleichstellung aller vor Gesetz und Gericht. Klöster gehen in staatlichen Besitz über. Das Andernacher Franziskanerkloster an der Hochstraße wird als Unterkunft für französische Soldaten und als Lagerraum genutzt. Die Unzufriedenheit wächst. Viele Andernacher werden gezwungen mit Napoleons Armeen nach Russland zu ziehen. Die Bürger müssen durch die Zahlung von Kontributionsgeldern Napoleons Kriege mitfinanzieren. Die anfängliche Begeisterung für die von den Franzosen geschaffenen politischen Änderungen war gegen Ende der napoleonischen Herrschaft verflogen. Der damalige Ortsvorsteher von Kruft (einer zum Verwaltungsbereich Andernach gehörenden Gemeinde) berichtet: „Die Franzosen beherrschten uns nun 19 Jahre, 2 Monate und 6 Tage, veränderten uns Gesetz und Verordnungen; sogar die Sprache! Das Beste, was sie stifteten, war die Abschaffung des lästigen Zehnten, welcher [was] uns jedoch auf verschiedene Arten [durch] allerlei Forderungen, Abgaben und sonstige Lieferungen [an Frankreich] ... und sogar unzählige Einquartierungen [von Soldaten der französischen Armee in Privathäusern] ... teuer zu stehen kam.“ Arbeitsaufträge 1. Unterstreiche in rot alle positiven Auswirkungen, welche die rund 20-jährige Zugehörigkeit des Rheinlandes zu Frankreich mit sich brachte. Markiere in blau die negativen Auswirkungen der napoleonischen Herrschaft über Andernach. 2. Versetze dich in die Lage eines Andernacher Bürgers im Jahre 1814. Vieles, was die Franzosen in Andernach eingeführt haben, hat dir gefallen. Du warst jedoch vor allem in den letzten beiden Jahren recht unzufrieden mit der französischen Politik und kennst auch die Schattenseiten der napoleonischen Herrschaft. Schreibe einige Argumente für und einige gegen Napoleon jeweils in eine der Sprechblasen. 3. Sucht einen aus eurer Gruppe aus, der in einem Rollenspiel (Diskussion Andernacher Bürger in einem Wirtshaus) die Position eines noch unentschlossenen Andernachers vertritt, der noch nicht weiß, ob er sich auf die Seite der Franzosen oder der Preußen schlagen soll. Lösungsvorschläge Das Tafelbild wird durch Anheften der von den Schülern ausgefüllten Sprechblasen erstellt. Andernach 1814 – Die Bürger vor einer wichtigen Entscheidung Für Frankreich? Die Franzosen haben die Errungenschaften der Französischen Revolution zu uns gebracht. Gegen Frankreich? Man hat uns Deutsche gezwungen, Franzosen zu werden. Wir wollen, dass Deutsch wieder unsere Amtssprache wird. Dank der Franzosen müssen wir keine Frondienste mehr leisten und keinen Zehnten mehr zahlen. Die Franzosen haben die Adelsprivilegien abgeschafft. Bei den Franzosen sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich. Für die Preußen? Die Verbündeten befreien uns von der französischen Fremdherrschaft Als Deutsche müssen wir zu den Preußen halten. Napoleon kam nicht als Befreier, sondern als Eroberer. Napoleons Armee hat sowieso keine Chance mehr. Die Preußen sind ohnehin die Stärkeren. Wenn wir uns nicht unterwerfen, droht uns der Tod. Meine Söhne wurden gezwungen, mit Napoleons Armee nach Russland zu ziehen. Werden uns die Preußen unsere Freiheiten lassen ? Wir durften relativ frei unsere Meinung äußern. Wir mussten hohe Abgaben leisten, um Napoleons Kriege mitzufinanzieren. Die französischen Truppen haben unser Kloster entweiht und als Kaserne benutzt. Kommen sie wirklich als Befreier oder als Eroberer ?