Erfahrungsbericht über ein PJ-Tertial in Rouen 2008 Bewerbung: Der einfachste Weg für einen Auslandsaufenthalt führt sicherlich über das akademische Auslandsamt zu Frau Bargsten. Zwar muss man sich auch im Erasmus-Programm durch einige Bewerbungsformularitäten kämpfen (französischer Lebenslauf, Sprachtest, ErasmusBewerbungsformulare etc.), im Großen und Ganzen ist es jedoch sicherlich einfacher und kostengünstiger als sich selber zu bewerben. Aber vorsicht: Franzosen sind geduldig, ganz besonders in der Verwaltung…. Also keine Panik bekommen und erst mal ruhig bleiben – selbst wenn man ein paar Tage vor Abfahrt noch nix gehört hat, es klärt sich immer alles irgendwie..;-) Sprache: Je nach Sprachkenntnissen empfiehlt es sich, vor der Abfahrt vorhandene oder nicht vorhandene Französischkenntnisse wenigstens kurz aufzufrischen. ENGLISCH IST KEINE ALTERNATIVE!!!! Klar schlägt man sich immer irgendwie durch, zur Not mit Händen und Füßen, aber besonders am Anfang ist es unglaublich hilfreich, wenigstens ein bisschen was im Kurzzeitgedächnis zu haben – und sei es nur durch einen kleinen billigen Sprachlern-CDKompaktkurs. Meiner Erfahrung nach sind Franzosen aber (vor allem im Krankenhaus!) sehr geduldig und wiederholen auch alles gerne dreimal. Für das medizinische Französisch hatte ich mir den kleinen grünen Doppelband von Urban und Fischer? besorgt, den ich wärmsten empfehlen kann. Ansonsten: Einfach den lateinischen Begriff nehmen und französisch aussprechen – meistens klappt’s…;-) Anreise: Der einfachste und bequemste Weg ist sicherlich per Flugzeug. Empfehlen kann ich die Verbindung von Hannover nach Paris mit Tuifly – einfach, direkt, günstig. Alternativ bietet sich noch Easyjet von Hamburg aus an – Ryaniar hat leider während meiner Zeit seine Linie eingestellt. Ein Blick zu Lufthansa bzw. Air France lohnt sich aber auch auf jeden Fall –teilweise gibt es auch da Verbindungen um die 70€. Der große Nachteil bei den Flügen liegt in der Gepäckbegrenzung – 20 Kg sind nicht wirklich viel und Zusatzgepäck ist verdammt teuer… Deswegen würde ich den Nachtzug von Hannover nach Paris empfehlen – je nachdem wie früh man bucht, gibt es denn auch schon ab 30€. Ist zwar ein bisschen länger und nerviger, aber im Schlafwagen geht es wirklich. Und von Paris aus ist es dann auch nur noch eine Zugstunde bis Rouen… Eine Busverbindung Hannover-Paris mit Eurolines gibt s übrigens auch – am besten einfach mal im Netz nach aktuellen Preisen gucken. Wohnen: Gewohnt habe ich wie eigentlich alle anderen Erasmusstudenten auch in einem Wohnheim in Mont St Aignan etwas außerhalb der Stadt. Die Zimmer sind zwar klein, aber völlig in Ordnung und man bekommt schnell Kontakt zu anderen Studenten. Die Lage selbst war auch kein Problem – es gibt gute Busverbindungen, mit denen es in die Stadt bzw. zum Krankenhaus etwa 20-25 Min sind. Man sollte sich nur vorher mal den Nachtbus- und Wochenendplan angucken…;-) Zur Not kann man sich mit mehreren aber auch gut mal ein Taxi teilen. ABER: Bei den Bewerbungsformularen kann man angeben, ob und wenn ja in welchem Wohnheim man einen Platz bekommen möchte – ich habe damals aus Angst sonst keinen Platz mehr zu bekommen, einfach alle angeben – schwerer Fehler! Empfehlen kann ich die Résidence Panorama, in der eigentlich alle meine Freunde untergekommen sind – zwar etwas teurer, aber dennoch deutlich angenehmer als die Résidence du Bois, in der ich die ich dann gesteckt wurde!!! An Formalien braucht man für den Wohnheimplatz unter anderem eine Hausratsversicherung (gibt’s bei SMENO in Mont St Aignan für ca. 24€, versucht gar nicht erst, das über eine deutsche Versicherung zu regeln, ist mega-kompliziert und klappt am Ende doch nicht…;-) sowie –ganz wichtig!- ein französisches Konto. Auf das gibt es dann nämlich – wenn man sich durch zahlreiche Formalitäten gekämpft hat!!!!- das so genannte CAF, ein kleines aber feines Geschenk des französischen Staates. Diese Unterstützung bekommt eigentlich jeder und anders als das deutsche Bafög muss man auch nix zurückbezahlen –also nicht verzweifeln, wenn mal ein Brief zurückkommt, der Kampf lohnt sich! Ankunft und erste Organisation: Nach der Ankunft führt der erste Weg sicherlich zu Mme Delestre, der Erasmusbeauftragten der Université de Rouen. Diese freundliche Dame sitzt praktischerweise auf dem Campusgelände in Mont St Aignan und kümmert sich um Dinge wie den letter of confirmation oder die Immatrikulationsbescheinigung. Mit dieser kann man sich auf den Weg zur Faculté de Medicin machen und bekommt dort mit etwas Glück von viel Geduld (wie gesagt, französische Verwaltung….;-) ) einen französischen Studentenausweis. Ist man schon einmal auf dem Krankenhausgelände, sollte man sich am besten auch gleich bei Prof. Dechalotte vorstellen. Als Erasmuskoordinator des Krankenhauses kümmert er sich direkt um die Plätze in den verschiedenen Abteilungen. Per Mail hatte ich schon vor meiner Ankunft ein kurzes Bewerbungssschreiben sowie meine Abteilungswünsche an ihn geschickt, die dann auch allesamt berücksichtigt wurden. Aber auch hier gilt – keine Panik, selbst wenn man am Tag der Ankunft noch keine Zusagen hat, es klärt sich dann doch alles meist relativ schnell mit ein paar Telefonaten vor Ort! Last but not least sollte man noch einmal kurz bei Mme Delamare vorbeischauen. Sie ist die Auslandsbeauftragte des Krankenhauses und stattet einen neben wertvollen Tipps auch mit ein paar Broschüren über Stadt, Krankenhaus sowie Bus- und Bahnverbindungen aus. Das Krankenhaus: Das CHU Charles Nicolle ist das Universitätskrankenhaus von Rouen und liegt direkt neben der Innenstadt. Vor seinem ersten Arbeitstag sollte man sich ein bisschen mit dem französischen Studiensystem auseinandersetzen, da es sich vom deutschen doch in einigen wesentlichen Punkten unterscheidet: Französische Studenten sind ab dem 2. Studienjahr komplett in den Krankenhausalltag integriert. Sie arbeiten täglich etwa 5 Stunden (meist vormittags) sowie 1-2 „gardes“ (Nachtdienste) pro Monat als so genannte „externes“ auf den Stationen, im OP und in der Aufnahme. Hier übernehmen sie je nach Wissensstand ungefähr die Rolle eines deutschen PJ-lers, mit Ausnahme der Blutentnahmen und Verbände (Schwesternaufgabe). Dafür bekommen sie ein kleines monatliches Gehalt (je nach Jahrgang 100-400€) und etwa 5 Wochen Urlaub pro Jahr. Dementsprechend sind sie deutschen Studenten was die praktische Ausbildung angeht, oft überlegen. Nachmittags sind dann Vorlesungen (meist so um die 4 Stunden), bevor dann abends gelernt wird. Unter anderem dadurch, dass am Ende des Studiums anhand der Noten in der Abschlussprüfung die Assistenzarztstellen verteilt werden, ist der Lerndruck der französischen Studenten etwas höher und sie sind oft schwer beschäftigt. Die Assistenzärzte haben ebenfalls noch Studentenstatus und arbeiten als so genannte „internes“ im Krankenhaus. Fachärzte bzw. Oberärzte werden als „seniors“ oder einfach „médicins“ bezeichnet. Da sowohl externes als auch internes während ihrer Ausbildung regelmäßig rotieren und das Personal der unterschiedlichen Abteilungen dementsprechend häufig wechselt, ist das Klima insgesamt sehr offen und aufgeschlossen. Während ich in Deutschland manchmal das Gefühl hatte, als Student eher „lästig“ zu sein und den Arbeitsalltag aufzuhalten, war hier die Lehre allgegenwärtig und im Alltag integriert - selbst der Chefarzt hatte eigentlich immer Zeit und Geduld, Dinge zu besprechen, erklären und zu zeigen. In Bezug auf die Arbeitskleidung sind die Franzosen übrigens auch eher entspannt – meist wurde einfach ein weißer Kittel über die normale Kleidung gezogen. Den bekommt man übrigens praktischerweise gestellt und kann ihn auch so oft wie man möchte wechseln – ALSO BLOß KEINE WEIßEN SACHEN MITNEHMEN!!! Nimmt nur Platz im Koffer weg…;-) Stethoskop, Lampe und Hammer sowie ein medizinisches Wörterbuch für die Kitteltasche sind dagegen unentbehrlich. Meine ersten Wochen verbrachte ich in der Kinderchirurgie unter Leitung von Prof. Bachy. Ein typischer Tag begann morgens zwischen 8 und 9 meist mit einem Seminar oder einer kleinen Vorlesung. Danach begleitete jeder Student seinen zugeteilten Arzt entweder auf Station, in den OP, in die Sprechstunde oder in die Aufnahme. Ich hatte das Pech, dass die Zuteilung der Studenten auf die einzelnen Ärzte eine Woche vorher erfolgt war und dementsprechend alle Tutoren bereist vergeben waren. Daher bin ich dann je nach Interesse und OP-Plan einfach bei den anderen Studenten mitgelaufen, was meistens kein Problem war. In Frankreich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Studenten in den OPs assistieren (ja, assistieren und nicht nur Haken halten!). Da jedoch alle Ärzte schon einen externe an der Seite hatten, bin ich hierbei jedoch relativ selten dazu gekommen, selbst mal „Hand anzulegen“. Eine gute und vor allem lehrreiche Alternative zum OP sind die Sprechstunden, die so genannten consults. Im ihnen stellen sich nicht nur ehemalige Patienten zur Nachsorge vor, sondern auch viele neue Patienten. Obwohl die Patienten meist im 10 Minuten-Takt behandelt wurden, blieb fast immer Zeit, die Patienten mit zu untersuchen sowie Symptome und OP-Indikationen zu besprechen. Neben vielen alltäglichen Krankheitsbildern wie Leistenbrüchen sah ich hier auch exotischere Fälle wie Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten oder Neuroblastome. Interessant und lehrreich waren auch die wöchentlichen Chefvisiten, in denen jeder Student einen Patienten vorstellen und besprechen musste. Auf Französisch teilweise eine echte Herausforderung, aber auch hier waren alle immer sehr geduldig und verständnisvoll, wenn es mal holperig wurde. Nach 3 Wochen habe ich dann in die kinderchirurgische Aufnahme gewechselt, die ich jedem nur wärmstens empfehlen kann. Jeder Patient wird hier zunächst selbstständig von einem Studenten aufgenommen, voruntersucht und evtl. zum Röntgen geschickt. Anschließend stellt man Krankheitsbild und Röntgenbild einem Assistenz- oder Oberarzt vor, mit dem man dann gemeinsam noch mal zum Patienten geht, um Symptome und Therapie zusammen zu untersuchen bzw. zu besprechen. Neben vielen Frakturen und Verstauchungen (die man natürlich selbstständig gipst bzw. verbindet), sieht man auch viele Platzwunden, Verbrennungen sowie das ein oder andere akute Abdomen. Das Arbeitsklima ist - auch wenn es mal stressig wird - sehr entspannt und herzlich, sowohl Ärzte als auch Krankenschwestern waren immer offen, geduldig und verständnisvoll. Die letzten Wochen verbrachte ich in der Erwachsenen-Notaufnahme. Auch wenn hier das Grundprinzip ähnlich war (Patienten aufnehmen, untersuchen, Anamnesebögen schreiben etc.), handelte es sich doch um zwei verschiedene Welten. Neben vielen Verkehrsunfällen, Oberschenkel- und Schulterfrakturen gab es vor allem auch viele Patienten, die sich bei Schlägereien verletzt hatten oder einfach irgendeine Krankheit vortäuschten, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Kleine ambulante OPs wie Abszessspaltungen oder Lipomentfernungen wurden ebenfalls durchgeführt, bei denen man als Student selbstverständlich assistieren durfte. Aber auch wenn es mal hektisch wurde, blieb das Klima eigentlich fast immer entspannt, es wurde viel erklärt, gezeigt und dann auch selber gemacht. Empfehlen kann ich vor allem die Nachtdienste, in denen man sehr viele praktische Erfahrungen im Nähen, Gipsen etc. sammeln kann. Freizeit: Rouen ist eine Stadt, die man einfach sehr schnell ins Herz schließt. Als Hauptstadt der Normandie liegt sie an der Seine relativ genau zwischen Paris und Le Havre. Der Fluss teilt die Stadt in zwei Hälften – interessant und einfach sehenswert ist vor allem die rechte Flussseite mit ihrer historischen Altstadt, den Fachwerkhäusern, Straßencafés und natürlich den Kathedralen. Im Zentrum selbst ist eigentlich alles zu Fuß erreichbar. Für alles weitere bekommt man ein Monatsticket für Bus- und Metro bei Vorlage des Studentenausweises für knapp 25€ im tcarBüro an der Haltestelle „Theatre des Arts“. Empfehlen kann ich auch die französische Bahncard „12-25“, die man direkt am Bahnhof erhält. Sie kostet zwar 50€, aber bei einer Ermäßigung von 50% hat man das auch schnell wieder herausgefahren. Und wann hat man sonst noch mal die Gelegenheit für 10€ nach Paris zu fahren??? Als Ausflugsziele bieten sich neben Paris natürlich vor allem die Küstenorte wie Le Havre, Deauville, Honfleur, Fécamp und Etretat! an. Ein bisschen weiter weg aber unbedingt sehenswert sind dann natürlich der Mont St Michel oder die Alliiertenlandungsstätten bei Cherbourg. Lohneswert sind ebenfalls die Gärten von Monet in Giverny sowie einige kleine Schlösser in der Umgebung. Als kleiner Tipp: man sollte vor allem für Ausflüge nie auf gutes Wetter warten. In Rouen herrscht „le vrai temps normand“ – sprich es regnet relativ oft. Das ändert sich aber teilsweise innerhalb weniger Minuten und vor allem an der Küste ist es oft freundlich, deswegen einfach losfahren, meist wird es dann noch ein schöner Tag! Fazit: Besonders die ersten Tage und vielleicht auch Wochen waren nicht immer einfach. Nicht nur wegen der Sprache, sondern auch, weil Frankreich bzw. die Franzosen in vielen Dingen einfach anders gestrickt sind als wir Deutschen. Ein paar Beispiele: Französische Männer – eine Spezies für sich. Nicht nur, dass sie fast alle Handtaschen tragen - es wird auch alles angegraben, was weiblich ist und sich nicht bei 3 auf den Bäumen befindet. Ein Nein ist wird nicht akzeptiert, sondern einfach als Ja interpretiert. Kann teils lustig sein, teils aber auch sehr unangenehm werden. Rendez-vous, sprich die französischen Termine. Braucht man für fast alles, was irgendwie mit Papier und Verwaltung/Organisation zu tun hat. Ob sie eingehalten werden oder nicht, bleibt dabei völlig offen….;-) Diese unglaubliche Ruhe und Gelassenheit in vielen Alltagsdingen, sowohl positiv als auch negativ. Wer einmal in einen französischen Supermarkt war oder sich einfach in ein Café setzt, wird wissen, was ich meine. Der Streik. Einfach ein nationaler Volkssport. Das Essen…. Einfach nur lecker!!!! Die Preise…Frankreich ist im Vergleich zu Deutschland wirklich teuer (geworden?). Nicht nur abends, wenn man mal etwas Trinken gehen möchte, sondern leider auch die alltäglichen Einkäufe im Supermarkt wie Lebensmittel oder Drogerieartikel. Bei einer Kugel Eis für 2,60€ musste ich zumindest erstmal schlucken. ABER: ich möchte keinen Tag missen. Es war eine wunderschöne Zeit, in der ich unglaubliche Erinnerungen gesammelt habe, und die vor allem viel zu schnell vorbei war. 4 Monate waren definitiv zu kurz - ich wäre gerne noch länger geblieben und kann es jedem nur empfehlen!!! Wer Interesse und/oder Fragen hat, kann sich natürlich jederzeit gerne bei mir melden ([email protected]).