Wie und warum pendeln Zugvögel? In dem Internetforum „www.gutefrage.net“ stellen auch SchülerInnen Fragen, für die sie Antworten suchen. Beispielsweise fragt „Siibel19972“: „Was sind Zugvögel?“. Die kürzeste Antwort kommt vom „Gigatuffi“: „Alle Vögel, die im Winter nach Süden ziehen“. Diese Antwort findet man auch in vielen Büchern. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die Weißstörche. Unbekannt sind aber weitgehend Arten, die ein anderes Zugverhalten herausgebildet haben. Um diese von SchülerInnen gestellte Frage: „Warum pendeln Zugvögel?“ zu beantworten, betrachten wir hier den Fall der Mönchsgrasmücke. Die Mönchsgrasmücke zählt in Europa zu den häufigsten Arten. Allein in Österreich gibt es etwa 1 Million Brutpaare der Mönchsgrasmücke. Auf 8 Österreicher kommt also ein Paar der Mönchsgrasmücke. Abbildungen von Männchen (rechts) und Weibchen (links) siehst du hier: In den 1960-er Jahren fiel eine Mönchsgrasmücke aus Oberösterreich auf. Sie flog nicht, wie der große Teil ihrer Artgenossen in südwestlicher Richtung nach Spanien und Afrika, sondern nach Nordwesten und überwinterte in Irland. Mittlerweile verbringen bereits mehrere Tausende der mitteleuropäischen Mönchsgrasmücken die kalte Jahreszeit auf den Britischen Inseln und kehren dann von dort zurück in die mitteleuropäischen Brutgebiete. Wissenschaftler haben den Trend zum Nordwestflug untersucht. Bei der Mönchsgrasmücke (wie auch bei einigen anderen Arten) hat man angenommen, dass die Richtung für den Vogelzug genetisch festgelegt ist, also vererbt wird. Dass die Zugrichtung vererbt wird, bewiesen die Wissenschaftler folgendermaßen: Sie haben einige Vögel, die im England überwintern, gefangen und nach Deutschland gebracht. Diese haben in Gefangenschaft, d.h. in Deutschland, ihre Jungen bekommen und aufgezogen. Die jungen Mönchsgrasmücken haben im Herbst – ohne je England gesehen zu haben – von alleine die Richtung für die Überwinterung nach England eingeschlagen. Wurden jedoch zu den Britischen Inseln fliegende Mönchsgrasmücken mit den Mönchsgrasmücken, die nach Süden fliegen gekreuzt, so flogen deren Nachkommen in die Richtung, die zwischen diesen beiden Vogelzugrichtungen lag. Die Abbildung unten zeigt dir ein Schema, das Wissenschaftler zu den Zugrichtungen der Mönchsgrasmücken erstellt haben. Du kannst sehen, dass zwei Zugrichtungen angegeben sind. Je nach genetischer Anlage zieht jede Mönchsgrasmücke aus Mitteleuropa in eine der Richtungen innerhalb von 140 Grad (hellgrauer Bereich) nach Süden. Nur einige der Mönchsgrasmücken, die aus Süddeutschland und Oberösterreich stammen, haben auch die Britischen Inseln erreicht (dunkelgrauer Bereich). Die Untersuchungen zeigen, dass eine zusätzliche genetische Vielfalt nur bei diesen Mönchsgrasmücken vorkommt. Diese Mönchsgrasmücken (Süddeutschland und Oberösterreich) ziehen in eine der Richtungen von 30 Grad westwärts (dunkelgrauer Bereich). Ob sie aber die Britischen Inseln erreichen, hängt auch davon ab, wie lange die Zugunruhe (Drang zum Weiterfliegen) anhält. Diese Zugunruhe ist ebenso genetisch bedingt. Dauert sie zu kurz oder zu lang, landen die Mönchsgrasmücken im Meer. Da mehrere Merkmale (Zugrichtung, Zugunruhe) das Verhalten der Vögel bestimmen, ist es eigentlich ein Zufall, dass die Mönchsgrasmücke auf den Britischen Inseln gelandet sind. Nicht nur die Zugrichtung und die Zugunruhe ist vererbt, sondern auch der Zeitpunkt des Vogelzugs (Drang zum Zug im Frühjahr und Herbst) sowie die Reifung der Geschlechtsorgane. In diesem Zusammenhang spielen die Länge des Tages und der Nächte eine Rolle. Unterschiedliche Tagesund Nachtlängen im Nordwest- und im Südwest-Winterquartier im Frühjahr führen zu unterschiedlichen Drang zum Zug und zur Entwicklung der Geschlechtsorgane. Die Mönchsgrasmücken von den Britischen Inseln kommen früher zu den Brutrevieren (nach Süddeutschland, Oberösterreich). Sie sind ebenso früher bereit zur Fortpflanzung als die Mönchsgrasmücken aus dem Süden. Diese Unterschiede zeigen, dass durch die Umweltbedingungen das Verhalten auch fein abgestimmt wird. Seit den 1960er-Jahren hat sich die Situation auf den Britischen Inseln verändert. Einerseits wurde das Klima im Winter milder, andererseits gibt es ein größeres Nahrungsangebot: Die Briten füttern die Vögel im Winter mit Körnern und Fett. Außerdem wurden vermehrt Pflanzen angepflanzt, die auch während des Winters Früchte für Mönchsgrasmücken bieten. Fragen: 1. Wie würdest du die Frage „Wie kommt es zum jährlichen Vogelzug?“, wie sie in dem Internetforum formuliert war, beantworten? Erkläre den Vogelzug am Beispiel der Mönchsgrasmücke. LEHRERINFO: Bei der Mönchsgrasmücke handelt sich um genetisch bedingtes Verhalten. In dem Text wird die Zugrichtung, Zugunruhe und der Migrationsdrang angegeben. Die Wissenschaftler haben die in England ausgeschlüpften Vögel in Deutschland aufgezogen. Die jungen Vögel sind nach England geflogen, ohne England je gesehen zu haben. Auch die Kreuzungen zeigen, dass die Zugrichtung genetisch bedingt ist. Der Migrationsdrang löst eigentlich den Vogelzug im Frühjahr und im Herbst aus. Aus dem Text ist zu entnehmen, dass im Frühjahr die Umweltbedingungen die Abflugzeit beeinflussen können. Dies zeigt sich aufgrund der unterschiedlichen Abflugzeiten zwischen den Mönchsgrasmücken, die auf den Britischen Inseln und im Süden überwintern. 2. Einige der Mönchsgrasmücken überwintern seit etwa 1960 auf den Britischen Inseln. Erläutere, wie es dazu gekommen ist, dass Mönchsgrasmücken hier überwintern, statt in den Süden zu fliegen? LEHRERINFO: Es gibt auch bei den Zugrichtungen eine starke Vielfalt (Variation), hier ist die Vielfalt der Zugrichtung von Bedeutung, d.h. unterschiedliche Richtungen sind möglich. Nachdem seit den 60-iger Jahren die Winter in Südengland milder wurden und durch das Füttern sowie durch das Anlegen von Gärten das Nahrungsangebot größer wurde, hatten die Mönchsgrasmücken, die eine Flugrichtung einschlugen, die sie nach Südengland führte, eine größere Überlebenschance als früher. (Früher sind sie auch aufgrund der Variation der Flugrichtung dorthin geflogen, aber in kalten Wintern gab es große Ausfälle). Durch die größere Überlebenschance hat sich diese Gruppe/Population in der Folge stärker vermehrt. Da die Zugrichtung bei der Mönchsgrasmücke genetisch bedingt ist, flogen im darauf folgenden Jahr mehr Mönchsgrasmücken auf die Britischen Inseln. 3. Aus dem Text der Aufgabe kannst du entnehmen, dass sich die Gruppe der Mönchsgrasmücken, die auf den Britischen Inseln überwintert, seit den 60-er Jahren gewaltig vergrößert hat. Nenne alle Gründe, die dir für die Vergrößerung der Gruppe der Mönchsgrasmücken wichtig erscheinen und begründe deine Meinung. LEHRERINFO: Die milden Winter erhöhten die Überlebenschance der dort überwinternden Mönchsgrasmücken, dadurch gab es mehr Brutpaare und damit auch mehr Nachwuchs, die wiederum im nächsten Jahr nach Südengland flogen, weil die Zugrichtung genetisch festgelegt ist. Durch die Fütterung überlebten noch mehr, was wiederum zu mehr Brutpaaren und damit zu mehr Nachwuchs führte. Die nördlichen Mönchsgrasmücken konnten sich eher untereinander paaren, da sie früher aus den Überwinterungsgebieten zurückgekommen sind und ihre Gonaden auch früher gereift sind. 4. Welche Fragen sind für dich offen geblieben, nachdem du den Text gelesen hast? Was verstehst du bei dem Thema oder dem Text nicht?