Vorwort - Universität zu Köln

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Vorwort
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziff. 4 JAG muss man einen Leistungsnachweis in einer Lehrveranstaltung,
in der geschichtliche, philosophische oder gesellschaftswissenschaftliche Grundlagen des
Rechts behandelt werden nachweisen. Hierunter fällt auch ein Leistungsnachweis in
römischer Rechtsgeschichte. Laut empfohlenen Stundenplan der Universität wird die
Möglichkeit eines Leistungsnachweises in diesem Bereich zuerst in römischer
Rechtsgeschichte angeboten. Aua immer wiederkehrenden Fragen in der Fachschaft, ob es zu
diesem zu erbringenden Leistungsnachweis nicht eine Informationsbroschüre gebe, schlossen
wir also auf einen noch nicht gedeckten Bedarf im Serviceangebot.
Jeder der drei Bearbeiter hat seinen Leistungsnachweis in römischer Rechtsgeschichte bei
einem anderen Dozenten abgelegt. Deshalb ist es uns möglich, häufig immer wieder
auftauchende Schwerpunkte und verlangte Kenntnisse in dieser Geschichtsepoche
aufzuzeigen.
Die Erstellung des Infos erfolgte aufgrund der eigenen Aufzeichnungen aus der verfolgten
Vorlesung in römischer Rechtsgeschichte durch den jeweiligen Bearbeiter. Die
Durcharbeitung dieses Infos bedeutet aber keine Bestehensgarantie- der Klausuren.
Einen Überblick über fast 1000 Jahre auf 40 Seiten zu geben, kann natürlich nie Anspruch auf
Vollständigkeit beanspruchen. Selbst Historiker, die sich allein mit dieser Epoche befassen,
forschen ja immer weiter nach neuen Erkenntnissen. Wir empfehlen deshalb auf jeden Fall die
jeweilige Vorlesung in römischer Rechtesgeschichte zu verfolgen, um selbst festzustellen, wo
der Dozent seine Schwerpunkte setzt. Das Skript soll einen Überblick geben.
Wir wünschen allen Teilnehmern nicht nur Erfolg für die Klausuren sondern auch viel
Vergnügen bei der Befassung mit dieser interessanten rechtsgeschichtlichen Epoche.
Die Redaktion
Inhalt
Teil 1: VOR- UND FRÜHGESCHICHTE DES RÖMISCHEN RECHTS / DAS RECHT
DER REPUBLIKANISCHEN ZEIT ...................................................................................... 1
I. DIE GRÜNDUNG DER STADT ROM ............................................................................ 1
II. DIE STÄNDISCHE GLIEDERUNG ............................................................................... 1
III. DIE STAATSORGANISATION .................................................................................... 1
IV. DAS RÖMISCHE RECHT DER FRÜHZEIT ................................................................ 1
V. DAS RÖMISCHE RECHT ZUR ZEIT DER REPUBLIK .............................................. 2
2. DER STÄNDEKAMPF ................................................................................................ 3
3. DER SENAT................................................................................................................. 3
4. DAS ZWÖLFTAFELGESETZ .................................................................................... 3
5. DER ZIVILPROZESS UND DIE ACTIO ................................................................... 3
6. STRAFRECHT ............................................................................................................. 4
Teil 2: DER PRINZIPAT ........................................................................................................ 4
I. DIE RÖMISCHEN KAISER IM ÜBERBLICK................................................................ 4
II. DER PRINZIPAT IM EINZELNEN, VERFASSUNGSSCHEIN UND
VERFASSUNGSWIRKLICHKEIT ...................................................................................... 5
III. DIE JURISTEN ............................................................................................................... 6
IV. DIE PROVINZEN ........................................................................................................... 7
V. DIE PROVINZIALJURISTEN ........................................................................................ 7
VI. KAISERKONSTITUTIONEN ........................................................................................ 8
1. Edikte des Kaisers (Edicta principis) ............................................................................ 8
2. Entscheidungen (Decreta) ............................................................................................. 8
3. Antworten auf schriftliche Eingaben (Rescripta) ......................................................... 8
4. Briefe des Kaisers (Epistulae)....................................................................................... 8
5. Anweisungen der Kaiser (Mandata principum) ............................................................ 8
VII. AUßERORDENTLICHE GERICHTE .......................................................................... 8
Teil 3: SPÄTANTIKE / DIE SPATE KAISERZEIT / DOMINAT ..................................... 9
I. UMSTRITTENER BEGRIFF ~DOMINAT~ .................................................................... 9
II. HISTORISCHE GRUNDLAGEN: REVOLUTIONSEPOCHE ...................................... 9
III. DER SPÄTRÖMISCHE STAAT .................................................................................. 10
IV. DIE NACHKLASSISCHE RECHTSWISSENSCHAFT ............................................. 11
1. GRUNDLAGEN:........................................................................................................ 11
2. HERRSCHAFT DES VULGARRECHTS ................................................................. 11
V. SPÄTRÖMISCHE KAISERGESETZGEBUNG ........................................................... 12
1. GRUNDLAGEN ......................................................................................................... 12
2. CHARAKTERISIERUNG DES KAISERRECHTS .................................................. 12
VI. DIE VORJUSTINIANISCNEN KODIFIKATIONEN ................................................. 13
1. GRUNDLAGEN ......................................................................................................... 13
2. DAS ZITIERGESETZ VON 426 n. Chr. ................................................................... 13
3. CODEX THEODOSIANUS ....................................................................................... 13
4. KODIFIKATIONEN DES RÖMISCHEN RECHTS IN DEN
GERMANENREICHEN ................................................................................................ 14
VII. DIE KODIFIKATION DES JUSTINIAN ................................................................... 14
1. GESCHICHTLICHE UND RECHTSGESCHICHTLICHE GRUNDLAGEN ......... 14
2. DAS CORPUS IURIS CIVILIS ................................................................................. 14
3. INTERPOLATIONENFORSCHUNG ....................................................................... 17
VIII. DAS NACHLEBEN DES RÖMISCHEN RECHTS.................................................. 17
1. IM BYZANTINISCHEN REICH ............................................................................... 17
2. IN DER ABENDLÄNDISCHEN RECHTSENTWICKLUNG ................................. 17
3. DIE REZEPTION DES RÖMISCHEN RECHTS...................................................... 18
IX. ÜBERLIEFERUNG DES RÖMISCHEN RECHTES (TECHNIK) ............................. 18
Teil 4: ZEITTAFEL ............................................................................................................... 20
Teil 1: VOR- UND FRÜHGESCHICHTE DES RÖMISCHEN RECHTS /
DAS RECHT DER REPUBLIKANISCHEN ZEIT
I. DIE GRÜNDUNG DER STADT ROM
Die sagenhafte Gründung der Stadt Rom wird von der Geschichtsschreibung auf das Jahr 753
v. Chr. festgesetzt. Rom war ein für die Antike im Mittelmeerraum typischer Stadtstaat unter
der Herrschaft etruskischer Könige und ist mit Athen oder Sparta vergleichbar. Anders als in
diesen Städten ernährte sich die Bevölkerung Roms von der Landwirtschaft, so daß Rom in
seinen Anfängen als Bauernstaat zu bezeichnen ist. Der Marktplatz, forum genannt, war der
Mittelpunkt des staatlichen Lebens. Von einer städtischen Lebensart oder Kultur kann man
erst in republikanischer Zeit sprechen.
II. DIE STÄNDISCHE GLIEDERUNG
Schon in der Königszeit dürfte die Bevölkerung Roms in Patrizier und Plebejer gegliedert
gewesen sein. Patrizier waren die Angehörigen der adeligen Familien, die wiederum streng
patriachalisch gegeliedert gewesen waren. An ihrer Spitze stand der pater familias, der eine
umfassende Gewalt über die Familie und ihr Eigentum hatte. Die Personen, die von
demselben pater familias abstammten, gehörten zu einer gens. Als gemeinsame Namen
führten sie den Gentilnamen und waren als gentilen miteinander verwandt. Die Plebejer
waren der ungegliederte Teil der römischen Bevölkerung. Sie waren nicht so begütert wie die
Patrizier und stellten die Masse der Römer dar. Außer diesen beiden Teilen der Staatsbürger
gab es auch schon in der Königszeit Sklaven. Auch für freie römische Bürger bestand die
Gefahr in eine wirtschaftliche Abhängigkeit zu gelangen. Dies geschah durch die sogenannte
Klientel. Ein Patron überließ hierbei einem Klienten Land zur eigenen Bewirtschaftung.
Hierfür mussten die Klienten dem Patron Treue im Krieg und in der Politik sowie bestimmte
persönliche Dienstleistungen erbringen. Als Gegenleistung erbrachte der Patron seinen
Klienten Schutz und Hilfe auch in Rechtssachen.
III. DIE STAATSORGANISATION
Die staatliche Gewalt war wie in anderen Staaten auf drei Staatsorgane verteilt: Der König (=
rex) war Staatsoberhaupt. Als solches unterlag ihm die Heerführung und er war sowohl
oberster Priester als auch Gerichtsherr. Der erste König und zugleich der Begründer Roms
war Romulus. Ihm folgen Numa Pompilius und Servus Tullius. Der letzte König war
Tarquinius Superbus, der wegen Amtsmissbrauchs verstoßen wurde. Die geschah im Jahre
509 v. Chr. und stellte den Übergang zur Republik dar. Der Senat (Rat der Alten) war aus den
Oberhäuptern der patrizischen Geschlechter zusammengesetzt. Seine Funktion war im
wesentlichen eine beratende. Die Einrichtung des Senats überlebte die Königsherrschaft. Die
Volksversammlung war zunächst mit der Versammlung der bewaffneten Krieger identisch.
Die comitia curiata (Zusammenkunft der Männer) wurde gebildet von drei tribus zu je zehn
curiae. Bei den comitia centuria handelt es sich um das in Hundertschaften (Zenturien)
gegliederte Hoplitenheer. Sie entsprechen einer jüngeren Heeresverfassung, von der jedoch
angenommen wird, dass sie bis in die Königszeit hinaufreicht. Die Zenturien der comitia
centuriata bilden Stimmkörper. Ihr Votum wird durch einen Mehrheitsentscheid der ihnen
angehörigen Bürger gefällt.
IV. DAS RÖMISCHE RECHT DER FRÜHZEIT
Seit der römischen Frühzeit sind Unterschiede zwischen dem göttlichen Recht (fas) und dem
menschlichen Recht (ius) bekannt. Von dem Prieterkollegium der Pontifex wurden die sog.
leges regiae erlassen, die in der späteren Antike zunächst den Königen Roms zugeschoben
wurden. Papirius, ein Pontifes zur Zeit des letzten Königs, soll gegen Ende des 6.
Jahrhunderts die Königsgesetze der Öffentlichkeit verbreitet haben.
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V. DAS RÖMISCHE RECHT ZUR ZEIT DER REPUBLIK
1. DAS STAATSRECHT
a) DIE ÄMTERVERFASSUNG
Nach der Vertreibung des letzten Königs lebte dieser dennoch als rex sacrorum weiter. Seine
Funktionen waren dementsprechend auf den sakralen Bereich beschränkt, während die
politischen Aufgaben von den Magistraten übernommen wurden. Zu Beginn der Republik gab
es nur einen Höchstmagistrat, der den Namen praetor (Anführer des Heeres) hatte. Später
wurde die höchste Gewalt auf zwei Personen verteilt und sie trugen den Namen Konsulen. Zu
ihren Aufgaben gehörte die politische Führung sowohl nach außen als auch nach innen.
Gleichzeitig waren sie Heerführer und somit mit einer entsprechenden Befehlsgewalt,
imperium genannt, ausgestattet. In wichtigen Fragen mussten sie den Senat befragen oder
durch die Volksversammlung beschließen lassen (Zum einen das ius gendi cum senatu und
zum anderen das ius agendi cum populo). Durch die leges Liciniae Sextiae wurde im Jahre
367 v. Chr. ein weiterer Magistrat (Praetor) als minderer Kollege der Konsulen eingesetzt.
Seine Aufgabe lag in der Rechtspflege. Die Tendenz in den folgenden Jahren ging dahin, dass
immer mehr Praetoren als Befehlshaber von einzelnen Befehlsgruppen eingesetzt wurden.
Auch der für die Rechtspflege zuständige Praetor erhält im Jahre 242 v. Chr. einen weiteren
Praetor als Kollegen.
Dem einen obliegt seitdem die Rechtspflege unter römischen
Bürgern, während der andere für die Streitgegenstände zuständig
war, an denen Ausländer beteiligt waren (praetor urbanus und praetor peregrinus).
Die Hoheitsgewalt, die sowohl den Konsulen, als auch den Praetoren zustand, wurde
imperium genannt und umfasste die militärische Befehlsgewalt. Ebenso in ihr enthalten waren
die Befugnis, gegen Verstöße Zuchtmaßnahmen zu ergreifen und die Rechtsprechungsgewalt.
Bei der Ausübung dieser beiden Befugnisse wurden sie von den Liktoren, den bewaffneten
Amtsträgern umgeben. In späterer Zeit gab es noch die Quästiren und die Ädilen, die zwar
auch Magistrate für bestimmte Verwaltungsaufgaben waren, denen aber das volle imperium
fehlte. Die kurulischen Ädilen waren für die Rechtspflege bedeutsam und übten die
polizeiliche Marktaufsicht und eine Art Marktgerichtsbarkeit aus. Ir. einem Turnus von 5
Jahren wurden für die Dauer von 18 Monaten die Zensoren gewählt. Sie stammten fasst
immer aus der Zahl der früheren Konsulen. Zu den Aufgaben der Zensoren gehörte die
Führung der Senatspflege ebenso wie die Einteilung der römischen Bürger in
Vermögensklassen und die Vergabe öffentlicher Arbeiten. Ebenso fungierten sie als
Sittenwächter, da sie das Recht hatten, den Personen, die sich nicht an die überkommene
römische Sitte und Moral hielten, die Aufnahme in den Senat zu verweigern oder sie aus
demselben auszustoßen sowie in einen niedrigere Klasse zu versetzen.
b) PRINZIPIEN DER RDMISCHEN VERFASSUNG
aa. Annuität: Wahl der Magistrate auf nur ein Jahr nach Vorschlag durch ihre Amtsvorgänger
bb. Kollegialität: Besetzung der wichtigen Ämter mit jeweils zwei Personen und Möglichkeit
der gegenseitigen Unterbindung von Maßnahmen (Interzessionsrecht)
cc. Ämterlaufbahn: Festlegung durch die lex Villia annalis im Jahre 180 v. Chr.; jeder
Bewerber für ein Staatsamt muss bereits zuvor die anderen niederen Ämter durchlaufen
haben.
dd. Die Pflicht zur Einholung von Ratschlägen: bei wichtigeren Entscheidungen haben die
Konsulen den Ratschlag des Senates einzuholen. In Rechtsfragen sind indes die Pontifeces als
Ratgeber zuständig. Auch im Privatleben war für wichtige Entscheidungen ein concilium zu
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bilden und zu befragen; so z.B. bei der Eheschließung. Verstieß ein Ehemann seine Frau ohne
Zustimmung eines concilium, so wurden die Zensoren aktiviert. In späterer Zeit wurde die
Pflicht der Konsulen, den Senat um Rat zu fragen, abgeschafft und dafür wurde die Diktatur
geschaffen. In Notzeiten wurde auf Grund eines Senatsbeschlusses ein Diktator für die Dauer
von 6 Monaten geschaffen, der unbeschränkte Vollmachten hatte. Zu einem noch späteren
Zeitpunkt wurden die Konsulen von ihrer Pflicht, bei wichtigen Einzelentscheidungen den
Senat um Rat zu fragen, befreit, wodurch ihnen eine diktatorische Vollmacht eingeräumt
wurde.
2. DER STÄNDEKAMPF
Zunächst wurden die Magistraturen nur von Angehörigen der Patrizier besetzt. Hiergegen
jedoch widersetzten sich die Plebs. So kam es zu dem Ständekampf , der mit dem Auszug der
Plebs auf den heiligen Berg (secessio plebis in monter sacrum) seinen ersten Höhepunkt
erreichte. Nach einigen Zugeständnissen der Patrizier kehrten sie jedoch nach Rom zurück,
Diese waren: a. Den Plebejern steht es zu, für die Dauer eines Jahres einen Vertreter ihrer
politischen Interessen zu wählen, den sog. Volkstribun (tribuni plebis). Seine
Unverletzlichkeit musste von den Patriziern anerkannt werden. Der Volkstribun konnte
Angehörige der Plebejer durch sein Dazwischentreten vor Maßnahmen des Magistrates
beschützen ( intercessio). b. Die Volkstribune hatten das Recht, Versammlungen der Plebejer
einzuberufen, deren Beschlüsse später für das gesamte Staatswesen verbindlich wurden. Die
Gesetzesgleichheit der Plebiszite wurde durch die lex Hortensia (287 v. Chr.) festgelegt. c. Im
Laufe der Zeit konnten die Plebejer immer mehr Magistraturen ausfüllen. Durch die leges
Licinae Sextiae sollte sogar einer der beiden Konsulen Plebejer sein. d. Entstehung des
Zwölftafelgesetzes (s.u.)
3. DER SENAT
Im Senat waren sowohl die Personen, die zuvor nach Absolvierung der Ämterlaufbahn das
Amt des Konsuls oder des Praetors innegehabt hatten, als auch die Häupter der patrizischen
Familien. Wie zuvor dargelegt, wurden in der mittleren Republik auch Plebejer zu den
Magistraturen zugelassen und somit konnten auch sie in den Senat gelangen. Es ist hier
folglich eine Entwicklung zum Amtsadel zu entdecken, der dem Geburtsadel an die Seite tritt.
Gesetzesvorlagen und Wahlvorschläge der Volksversammlung bedurften der vorherigen
Einwilligung des Senates.
4. DAS ZWÖLFTAFELGESETZ
951 v. Chr. wurden vom Senat 10 Männer mit der Aufgabe, Gesetze niederzuschreiben,
eingesetzt (decemviri legibus scribundis). Diese Männer erhielten die höchste magistratische
Gewalt. Binnen Jahresfrist legten sie bereits die ersten 10 Tafeln vor, die von den
Zentralkommitien beschlossen wurden. Ebenso schlugen sie vor, für das folgende Jahr 10
andere Männer zu bestimmen, um das Werk zu vollenden. Dies geschah auch, und diese
legten 2 andere Tafeln vor. Heute sind die Zwölftafeln nur noch in Fragmenten erhalten. Es
wird indes davon ausgegangen, dass diese Fragmente nicht den Urtext wiedergeben, sondern
bereits eine sprachliche Neufassung enthalten.
5. DER ZIVILPROZESS UND DIE ACTIO
Seit 367 v. Chr. wurden Zivilprozesse beim Praetor eingeleitet. Das römische Zivilverfahren
war streng geteilt und lief etwa folgendermaßen ab: Das Verfahren beim Praetor diente der
Feststellung, ob der Kläger den von ihm behaupteten Sachverhalt rechtlich durchsetzen
konnte. Dabei wurde sein Vortrag vom Praetor als wahr unterstellt und der Praetor prüfte, ob
für sein Klagebegehren eine Klage (actio) bestand. Wurde die actio erteilt, so erhielt sie neben
der materiell-rechtlichen Voraussetzung ebenso die prozessuale Durchsetzbarkeit. Für
Einreden und Einwendungen des Beklagten konnte der Praetor exceptio erteilen. Nun fand die
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Streitbefestigung (litis contestatio).statt und das Verfahren ging in seinem zweiten Stadium zu
einem Laienrichter über (aput iudicem). Dieser erhob die entsprechenden Beweise und
entschied in der Sache selbst. Dem Verfahren vor dem Praetor kam anfangs nur geringe
Bedeutung zu, was sich jedoch im Laufe der Zeit mit Zunahme von Handel und
Unternehmertum änderte. Neben das alte streng an Formen gebundene Recht trat nun das
durch den Praetor geschaffene Recht (ius honorarium). Die Rechtsfortbildung durch die
Praetoren fand ihre größte Bedeutung in dem Recht, Edikte zu erlassen. Dieses Recht stand
allen Magistraten zu (ius ediciendi). Prinzipiell wurden diese Edikte zu Beginn der
einjährigen Amtszeit erlassen und gaben die Grundsätze der zukünftigen Amtsführung
wieder. Der Praetor veröffentlichte darin Klageformeln, die er anerkennen wollte. In der
Regel indes übernahm der neue Praetor das Edikt seines Vorgängers, um so eine zu starke
Veränderung der Grundsätze der Rechtsprechung zu vermeiden. Eine endgültige
Festschreibung der praetorischen Edikte fand erst ca. 130 n. Chr. durch Julian statt. Im
Gegensatz zu dem ius honorarium stand das ius civile, das das alte in den 12 Tafeln
festgesetzte Recht verkörperte. Außer dem ius civile, nach dem die römischen Bürger lebten,
gab es noch das ius gentium. Dies wurde auf Fremde und teilweise auch auf Römer
angewendet und von einem Fremdenpraetor angewendet Dieser war in Rom für
Rechtsstreitigkeiten zwischen Römern und Fremden zuständig.
6. STRAFRECHT
Das Strafrecht kam erst zu Ende der Republik auf und wurde im ersten Jahrhundert
vornehmlich von Geschworenengerichten ausgeübt. Die Aufgabe dieser Gerichte bestand
vornehmlich in der Urteilsfindung über die Vergehen der Stadthalter in den Provinzen.
Das Amt des Stadthalters wurde in der Regel ehrenamtlich ausgeübt, jedoch versuchten sich
die Stadthalter während ihrer Amtszeit an den Provinzen zu bereichern, um so u.a. ihre
Wahlkampagnen zu finanzieren. Es war jedoch üblich, die Geschworenengerichte, die über
die Erpressungen der Stadthalter urteilen sollten, mit Senatoren zu besetzen und mithin
blieben diese Prozesse in der Regel erfolglos. Ständige Straf-Schwurgerichte wurden 82 v.
Chr. durch die leges Corneliae eingerichtet. Hier traten auch für den Ankläger und den
Verteidiger Gerichtsredner auf, für die jedoch keine juristische Ausbildung erforderlich war.
Ein solcher Gerichtsredner war auch Cicero.
Teil 2: DER PRINZIPAT
I. DIE RÖMISCHEN KAISER IM ÜBERBLICK
Bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. war aus dem Stadtstaat Rom eine Weltmacht geworden.
Während der folgenden 200 Jahre wurde es von mächtigen Kaisern regiert, die dem Reich
ihren Stempel aufdrückten. Einer der größten römischen Staatsmänner war Cäsar.
Zeitgenossen beschreiben ihn als einen Bewunderer Alexanders. Wie dieser übernahm er die
Regierung über riesige Länder, und wie Alexander lebte er nicht lange genug, um den
übernommenen Aufgaben nachzukommen. Als Julius Cäsar an die Macht kam, plante er
durchgreifende Reformen in der Stadt- und Provinzverwaltung. Er führte Agrarreformen
durch, baute Karthago und Korinth wieder auf, und führte den Kalender wieder ein, den die
Ägypter benutzt hatten und der auf astronomische Berechnungen beruhte. Reformen waren
aus vielen Gründen dringend nötig, u. a. weil die Provinzstatthalter ihre Macht dazu
missbrauchten, sich an Steuergeldern zu bereichern. Cäsar konnte jedoch seine Reformpläne
nicht zu Ende führen; er wurde am 15.3.44 1•. Chr. ermordet. Im Kampf um die Nachfolge
traten drei Führer hervor: Oktavian (Cäsars Großneffe), Antonius und Lepidus (zwei
Heerführer Cäsars) bildeten das zweite Triumvirat, das aber bald an rivalisierenden
Ansprüchen seiner Mitglieder , scheiterte. Wieder herrschte Bürgerkrieg. Erst 27 v. Chr.
errang Oktavian die Alleinherrschaft über das Reich. Um diese Zeit erinnerten sich nur noch
wenige Römer an eine Epoche ohne Bürgerkrieg. Es war ihnen einerlei, wie sie regiert
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wurden; sie wollten nur Frieden und Sicherheit, und das brachte ihnen oktavian. Er wollte
weder Diktator noch König sein. Obgleich er als Oberbefehlshaber des Heeres den Titel
Imperator annahm, bezeichnete er sich selbst lediglich als Princeps, als "ersten Bürger im
Staat". Er verkündete, er werde sich mit dem Senat die Pegrc•ruriy teilen. Die Senatoren
legten ihm aus Dankbarkeit den Titel "Auq,i>tus" bei. Augustus stellte sofort ein
Reformprogramm auf. Er gestaltete das Heer um und entwarf Pläne für die Löhnung der
Soldaten und die Versorgung der Veteranen. Er ordnete auch die Provinzialverwaltung neu:
Für die friedlichen Provinzen ernannte der Senat die Statthalter, während Augustus selbst die
wichtigen Vorposten Gallien und Syrien als kaiserliche Provinzen in der Hand behielt. Das
Augusteische Reich war so fest gegründet, dass es lange Zeit ohne Verwaltungsreformen
weiterbestand. In dieser Zeit stießen die römischen Legionen im Osten auf dem Balkan bis
zur Donau und im Norden über den Rhein vor. Augustus bezeichnete die beiden Flüsse als die
natürlichen Grenzen Roms in Europa. Rom selbst machte er zum Mittelpunkt der zivilisierten
Welt. Er unterdrückte Aufstände im Keim und bereitete einer langen Friedensära den Weg.
Die Römer ehrten das Gesetz wieder; sie waren stolz auf ihre Stadt und ihre Götter und
fühlten sich als führendes Volk der bekannten (westlichen) Welt. 14 n. Chr. starb Augustus.
Nach seinem Tod bestand sein Verwaltungsapparat unter einer Reihe von Kaisern weiter.
Einige Kaiser, z. B. Tiberius (14 - 37 n. Chr.), verbesserten die Verwaltung. Andere trugen
mit Eroberungen zum Ruhm Roms bei. Claudius (41 54 n. Chr.) zerschlug den Aufstand der
Juden; der gebürtige Spanier Trajan (98 - 117 n. Chr.) schob Roms Grenzen bis jenseits der
Donau vor und überquerte den Euphrat. Viele Kaiser herrschten weniger erfolgreich. Caligula
(37 - 41 n. Chr.) war unzurechnungsfähig. Nero (54 - 68 n. Chr.) war verschwendungssüchtig,
grausam und vernachlässigte die Verwaltung. 180 n. Chr. starb Kaiser Mark-Aurel, der
Gelehrte und Philosoph, im Kampf mit Germanen an der Donau bei der Grenzstadt
Vindobona (Wien ist eine Reise wert!). Mit seinem Tod ging die Blütezeit des Römischen
Reiches zu Ende. Mark Aurels Sohn Commodus konnte sich gegen die zunehmende Macht
des römischen Heeres nicht durchsetzten. Was im letzten Jahrhundert der Republik geschehen
war, vollzog sich wieder: Militärs übernahmen allmählich die Führung des Staats, die
Weltmacht Rom wurde geschwächt. In den zwei Jahrhunderten von Augustus bis Mark Aurel
herrschte jedoch im weitverzweigten Römischen Reich Friee und Wohlstand, der in den
folgenden Jahrhunderten in Europa nicht wieder erreicht wurde.
II. DER PRINZIPAT IM EINZELNEN, VERFASSUNGSSCHEIN UND VERFASSUNGSWIRKLICHKEIT
Der Principat (von Princeps = Erster unter Gleichen) beruht auf den Consensus universorum
(= allg. Übereinstimmung) und stellt einen Ausgleich zwischen monarchischen und
republikanischen Elementen dar. Die Machtbefugnisse werden vom Senat und vom Volk
übertragen. Kennzeichen des Prinzipats sind Autoritäre Macht (Auctoritas) und Ehrfurcht vor
den überlieferten Formen (Mores maiorum) So hält zwar Augustus alle durch seinen
endgültigen militärischen Sieg errungene Macht im Staate weiterhin ungeschmälert in
Händen, hat dabei jedoch geschickt verstanden, den Anschein zu erwecken, als habe er sie
Senat und Volk zurückgegeben, die Republik wiederhergestellt. Deklarierte und praktizierte
Verfassung treten auseinander. Im Gemeindestaat Rom erhält Augustus das Konsulat (27 23),
im Reich ein namenloses Imperium (Herrschaft): Oberbefehl über das Heer, Führung der
Außenpolitik, Recht zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen; daneben ein Imperium
pro consuöare für die kaiserlichen Provinzen, die durch von ihm eingesetzte Legaten (Legati
Augusti pro praetore provinciae) verwaltet werden. 23 v. Chr. wird Augustus nach Verzicht
auf die Weiterführung des Konsulats die tribunizische Gewalt (Tribunica potestas) auf
Lebenszeit übertragen. Ohne Volkstribun zu sein erhält er dessen Amtsgewalt, deshalb ist
auch die Interzession eines Volkstribunen
gegen Gesetze des Augustus unmöglich. 22 v. Chr. lehnt Augustus lehnt Augustus
demonstrativ die Obernahme des Konsulats und der mit diesem Amt verbundenen Aufgaben
ab, dafür übernimmt er Befugnisse zur Fürsorge auf bestimmten Gebieten:
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Getreideversorgung (Cura annonae), Straßennetz (Cura viarum). 19 v. Chr. erhält Augustus
die konsularische Gewalt (Imperium consulare) auf Lebenszeit und die Sittenaufsicht (Cura
morum) auf 5 Jahre: Er erhält damit Amtsbefugnisse, ohne die Ämter zu besitzen. Ab 12 v.
Chr. ist Augustus Pontifex Maximus, im Jahre 2 wird ihm der Titel Pater patriae (Vater des
Vaterlandes) verliehen. Augustus hatte im wesentlichen nur mehr ordentliche republikanische
Befugnisse inne, allerdings mehrere zugleich und bei den wichtigsten Jahr für Jahr
wiederholt, was beides dem Geist der republikanischen Verfassung zuwiderlief, ihn gerade
nicht seinen mannigfachen und wechselnden Kollegen im Amt gleichstellte. Als Gleicher
unter Gleichen, als Erster unter Gleichen, als Princeps, grenzt Augustus seine Regierungsform
von Königtum und Diktatur sichtbar ab, wie er sich auch, jedenfalls in Rom, die Anrede
"Herr" (dominus) verbat. So gab der Kurztitel princeps der römischen Regierungsform der
ersten drei Jahrhunderte nach Cäsar den Namen: PRINZIPAT. Diese Regierungsform
juristisch aufzubereiten war nahezu unmöglich. Die alten republikanischen
Verfassungsorgane verkümmerten zwangsläufig. Die Volksversammlung wird nur noch
selten, nach Augustus nur mehr zur Legitimierung eines neuen Kaisers einberufen. Der Senat
verliert seine Bedeutung als Zentralplenum der Politik. Im Senat geht aber wenigstens der
äußere Betrieb weiter. Senatsbeschlüsse gibt es noch bis zum Ende des z. Jhs. n. Chr.; einen
selbstständigen politischen Willen der Senatoren drücken sie aber nicht mehr aus. Nur noch
Vorlagen des Kaisers oder seiner Mittelsmänner werden beschlossen. Schließlich spart man
sich auch die überflüssig gewordene Zeremonie der Beschlussfassung und lassen es die
Juristen genügen, wenn der Kaiser seinen Antrag im Senat verlesen hat; orationes Augusti
(Reden des Kaisers) heißen die Senatsbeschlüsse seit dem späten z. Jh.
III. DIE JURISTEN
Unter den Kaisern wurde der Beruf des Juristen zum Mittel sozialen Aufstiegs, seine
Repräsentanten hatten kein eigenes politisches Gewicht. Ein Beispiel für diesen Typ Juristen
war Labeo. Zur beginnenden Monarchie lehnte er die neue Staatsform offen ab. Er schrieb
einen großen Ediktkommentar und regte dadurch erst die Entwicklung dieser Literaturgattung
zum unentbehrlichen Nachschlagewerk an. Er bildet auch eine juristische Briefsammlung
(libri epistularum), die Gelegenheit bieten in besonders freier Weise über juristische Probleme
zu diskutieren. Mit seinen Pithana (Einsichten) knüpft er unmittelbar an griechische Tradition
an. Aber auch unter den Juristen gab es Parteigänger Cäsars, die ihre Loyalität später auf
Augustus übertrugen (Ofilius, Alfensus Varus, Trepaz, ...). Die Parteigänger der neuen
Ordnung und ihre Opponenten sind aber beides Übergangserscheinungen. Im 1. Jh. beginnt
sich ein neuer Juristentyp herauszubilden, Juristen, die in kaiserlichen Diensten Karriere
machen (Atejus Capito, Coccejus Nerva, Masurius Sabinus, Gajus Cassius Longinus). Die
Iuris civilis libri III, eine gedrängte Darstellung des Privatrechts, macht Masurius Sabinus
berühmt, G. C. L. war unter Caligula und Claudius Provinzstatthalter von Asien und dann von
Syrien und wirkte noch unter Vespasian. Aber noch auf eine andere Weise versuchte schon
Augustus, die Jurisprudenz an den Kaiser zu binden. Die freie öffentliche Gutachtertätigkeit
der Juristen (publice respondere) wurde dadurch entwertet, das einzelnen ausgewählten, dein
Kaiser besonders ergebenen Juristen das Recht gegeben wurde, im Namen des Kaisers
Rechtsbescheide zu geben(ius respondendi ex auctoritate principis). 130 n. Chr. bestimmt
Kaiser Hadrian, Gerichte hätten einem solchen Rechtsbescheid zu folgen, wenn kein
abweichender Rechtsbescheid
eines anderen Juristen mit derselben Auszeichnung vorliegt. Daraus ergibt sich für die
Juristen die Folge, dass sie die ius respondendi haben mussten, wenn sie sich durchsetzen
wollten. Der Kaiser organisierte auch die Juristenausbildung (1. Jh.) neu. Es wurden die
Schulen der Sabinianer bzw. Cassianer und die der Proculianer. Im z. Jh. n. Chr. war die
Verbindung von Rechtskunst und Reichsämtern in kaiserlichen Diensten selbstverständlich
geworden. Neben diesen Juristen gab es eine kleinere Gruppe mehr akademisch ausgerichteter
Vertreter ohne Anteilan der Reichsverwaltung, dafür aber schriftstellerisch produktiv (z. B.
Pomponius: u. a. enchiridium, ein Anfängerlehrbuch) Celsus, Schulhaupt bei den
6
Prokulianern, angesehener Reichsjurist 106 n. Chr. Prätor, 108 Konsul, 110 Statthalter von
Thrakien, 129 zum zweitenmal Konsul, 129/30 Prokonsul der Provinz Asien. Die
prokulianische Rechtsschule führte er mit Neraz. Das Hauptwerk des Celsus heißt Digesta
(Geordnetes). Julian (Salvius Julianus), zur Zeit des Celsus und des Pomponius Schulhaupt
bei den Sabinianern, angesehener Reichsjurist, um 100 n. Chr. an der Ostküste von Tunis
geboren, 125 Vorsitzender Richter am Hundertmännergericht, 130 Quästor Kaiser Hadrians,
danach Volkstribun und Prätor, kaiserlicher Konsiliar, 148 Konsulat, 150 152 Statthalter von
Niedergermanien (damit auch von Köln!), 161 164 Statthalter vom diesseitigen Spanien,
167/8 Prokonsul von Kleinafrika. Sein Hauptwerk, wiederum Digesta. Seine Juristerei
zeichnet Einfachheit und Klarheit aus. Julian war es auch, der vom Kaiser in relativ jungen
Jahren damit betraut wurde, die endgültige Redaktion des Prätorischen Edikts vorzubereiten.
Die Juristen des z. Jhs. bis Mark Aurel werden die Hochklassiker genannt; die des 1. Jhs.
Frühklassiker und die Juristen der severischen Zeit Spätklassiker. Ämilius Papiniar, 150 in
Syrien geboren, um 170 advocatus fisci (Rechtsvertreter der Staatskasse), nach 193 Chef der
Kanzelei a libellis (der Bittschriften), 205 - 211 Prätorianerpräfekt. Er schrieb Quaestiones
(Untersuchungen), Responsa (Rechtsbescheide). Julius Paulus, um 160 n. Chr. geboren,
Advokat, Assessor beim Prättorianerpräfekten Papinian, um 219 selbst Prätorianerpräfekt,
Paulus schrieb über 300 Buchrollen, Quaestiones, Responsa, Imperiales sententiae in
cognitionibus prolatae (aus der Rechtsprechung hervorgegangene kaiserliche Urteilssprüche),
ein Ediktkommentar. Domitius Ulpianus, 170 n. Chr. im Südlibanon geboren, Beisitzer des
Stadtprätors, Assessor Papinians, unter Caracalla Chef der Libellkanzlei, unter Alexander
Severus Präfekt der Getreideversorgung und Prätorianerpräfekt. Er schrieb einen
Ediktkommentar, ein Großkommentar zum Ad Sabinium, zum Ius Civile des Masurius
Sabianus. Kümmerte sich um die außerordentliche Gerichtsbarkeit, um die Rechtsprechung
des Provinzstatthalters. Erst Ulpians Handbücher für die Provinzmagistrate lösten die
römische Jurisprudenz von ihrer Zentrierung auf Rom.
IV. DIE PROVINZEN
Im Verlauf der Kaiserzeit waren immer größere Teile der Bevölkerung des römischen Reiches
in den Genuss des römischen Bürgerrechts gelangt. Im Jahre 212 n. Chr. verleihte Caracalla
zur Feier des Sieges über seinen Bruder der gesamten Bevölkerung des Reiches das
Bürgerrecht (constitutio Antoniniana). Die nichtrömische Rechtsordnung verschwand, hielt
sich allenfalls als Geschäftspraxis. Das führte trotzdem nicht zur Rechtsgleichheit der
Bevölkerung, die alte stadtrömische Standesunterschiede galten nun reichsweit. Vergröbernd
unterschied man im Recht deshalb zwischen honestiores (Angesehenere) und humiliores (die
Niedrigeren). Diese Unterscheidung machte sich vor allem im Kriminalstrafrecht bemerkbar,
das durchgehend zweispurige Strafen vorsieht. Humiliores dürfen im Ermittlungsverfahren
sogar gefoltert werden: Die römischen Provinzstatthalter hatten seit jeher nicht nur
militärische Aufgaben, sondern auch zivile (Rechtsprechung, Steuererhebung, ...) Auf dem
Gebiet der Rechtsprechung setzt sich das straffer organisierte Statthaltergericht auf Kosten der
lokalen, einheimischen Rechtspflegeorgane durch.
V. DIE PROVINZIALJURISTEN
Rom blieb bis ins 5. Jh. n. Chr. hinein das juristische Kulturzentrum, aber auch die Provinzen
brachten es zu einer bescheidenen Rechtsliteratur. Wer sich als Jurist besonders hervortun
wollte, ging in die Hauptstadt, machte dort Karriere. Gajus ist der bedeutendste und
fruchtbarste, zugleich der erste fassbare juristische Provinzialschriftsteller (etwa 120 - 180 n.
Chr.) Er schuf ein Anfängerlehrbuch (Institutionum libri IV). Die Gliederung des Stoffes, das
Gajus - System, hat noch das BGB geprägt. Gaius schrieb noch die Res cottidianae (Tägliche
Sachen), einen Kommentar zum Provinzialedikt (Ad edictum provinciale libri XXX) und
vieles andere. Callistrat war ein anderer in der Provinz wirkender Schriftsteller. Unter
Septimius Severus schrieb er einen Kommentar zum Provinzialedikt (Monitorium edicti), ein
Handbuch der außerordentlichen Rechtspflege (De cognitionibus) und ein Handbuch des
7
Fiskalrechts (De iure fisci et populi libri IV). Ämilius Macer wirkte unter Alexander Severus
(222 - 235) möglicherweise in Nordafrika. Er befasste sich mit dem Militärwesen (De re
militari), dieser Teil seiner Arbeit ist der bemerkenswerteste. Macer ist selbstständiger als
Gajus oder Callistrat und übte sogar an Kaiserkonstitutionen Kritik.
VI. KAISERKONSTITUTIONEN
Kaiserliche Verlautbarungen oder Anordnungen, in welcher Form sie auch immer geschehen,
werden schließlich als Recht angesehen. Das entspricht genau Augustus' Konzeption der
verhüllten Monarchie. Sie heißen constitutiones principum (kaiserliche Festsetzungen), doch
nennt man sie Kaiserkonstitutionen. Constiturio bezeichnete damals einen von der
Jurisprudenz entwickelten Rechtssatz, bedeutete also so viel wie "herrschende Meinung".
1. Edikte des Kaisers (Edicta principis)
Man sprach dem Kaiser wegen seiner Stellung ein besonderes ius edicendi zu, dazu kam, dass
man die Edikte der Kaiser bald als denen anderer Magistrate-überlegen betrachtete. So setzten
bald Edikte des Kaisers ihnen etwa entgegenstehende Edikte anderer Magistrate außer Kraft,
Edikte des Kaisers wurden automatisch geltendes Recht.
2. Entscheidungen (Decreta)
Der Kaiser konnte grundsätzlich erstinstanzliche Prozesse, vor allem in Strafsachen an sich
ziehen. Daneben bildete sich eine Appellationsgerichtsbarkeit des Kaisers, er wurde als letzte
Instanz angerufen. Seine Entscheidungen hatten Gesetzesrang.
3. Antworten auf schriftliche Eingaben (Rescripta)
Antworten des Kaisers auf schriftliche Eingaben wurden an dessen Aufenthaltsort öffentlich
ausgehängt. Später werden die Reskripte zusammen mit den anderen Kaiserkonstitutionen
gesondert gesammelt und veröffentlicht.
4. Briefe des Kaisers (Epistulae)
Gingen Anfragen von Beamten oder Institutionen aus, so antwortete der Kaiser mit einem
regelrechten Brief. Hierfür war die Kanzlei ab epistulis zuständig.
5. Anweisungen der Kaiser (Mandata principum)
Der Kaiser konnte Weisungen an seine Vertreter richten, deren es wegen seiner
Ämterhäufung viele gab. Solche Dienstanweisungen des Kaisers hießen Mandata principis.
VII. AUßERORDENTLICHE GERICHTE
Die ordentliche Rechtspflege (ordo iudiciorum) war aufgeteilt in die Privat- und die
Kriminalrechtspflege. Die ordo iudiciorum privatorum (Privatrechtspflege) wurde in der
augusteischen Lex Iulia iudicorum privatorum neu geordnet. Je nach schwere des Falles
entschied ein Einzelgeschworener (iudex privatus),bzw. ein Kollegium von drei
Geschworenen (recuperatores). Der jeweils zuständige Geschworenenrichter wurde einer
Geschworenenliste entnommen, die alljährlich nach festen Regeln aufgestellt wurde. Den
ordo iudiciorum publicorum, die Schwurgerichte unter sechs bis acht weiteren Prätoren,
erneuerte Augustus in der Lex Iulia iudiciorum publicorum. In der Kaiserzeit treten neben die
ordentliche Rechtspflege, an deren Geschworenendienst das gehobene Bürgertum des ganzen
Reiches beteiligt war, immer mehr außerordentliche Gerichte der verschiedenen Machtträger
(z. B. Appellationsgerichtsbarkeit der Kaiser). Aber nicht nur über der ordentlichen
Rechtspflege, sondern auch neben ihr entstehen neue Gerichtsbarkeiten. Bereiche, deren
Regulierung bisher den Konventionen und der Sitte überlassen worden waren, wurde einem
Beamten zur besonderen Obsorge anvertraut. Anders als üblicherweise bei der ordentlichen
Gerichtsbarkeit wurde der abschließende Spruch von der Autorität des Beamten selbst
8
getragen (cognito extra ordinem). Augustus hat schon anlässlich eines Falles aus dem Jahre 9
n. Chr. die Konsuln beauftragt, auctoritatem suam interponere (ihre Autorität einzusetzen),
den Streit nach eigenem Ermessen zu schlichten. Bald wird daraus eine ständige
Amtstätigkeit, die solchen Umfang einnimmt, dass ein halbes Jahrhundert später eine weitere
Sonderorätur eingerichtet wird: der prätor fideicommissarius. Die Kriminalgerichtsbarkeit der
beiden Präfekten konkurrierte auch mit den Geschworenengerichtshöfen, griffen in deren
Zuständigkeit ein und verdrängten sie schließlich sogar auf breiter Linie.
Teil 3: SPÄTANTIKE / DIE SPATE KAISERZEIT / DOMINAT
CA. 250 - 500 N.CHR.
I. UMSTRITTENER BEGRIFF ~DOMINAT~
Der Begriff "Dominat" stammt von Mommsen. Mommsen war davon ausgegangen, daß
zwischen dem Prinzinat und der als Dominat bezeichneten Herrschaftsform ein grundlegender
Unterschied bestanden habe, ja sogar ein scharfer Gegensatz. Diesen Gegensatz drücke auch
der terminologische Wandel in der Bezeichnung des Herrschers aus. An dem
terminologischen Übergang des princeps in den dominus lasse sich die innere Entwicklung
der Monarchie vom Oberamt zum Herrenthum mit größter Genauigkeit messen und verfolgen
(vgl. Mommsen StR II 761). Der Deutung, dass aus dem früheren princeps civium der
dominus, der "absolute Herrscher", der "Aristokrat", geworden sei, tritt Bleicken entgegen.
Beispiel: Hinsichtlich der göttlichen Verehrung des Kaisers, des Hofzeremoniells, des
kaiserlichen Ornats und der Svmbole der Herrschaft (Insignien) kann Bleicken dartun, dass
alle diese Elemente in Ansätzen bereits am Beginn der Kaiserzeit vorhanden sind (Verehrung
des Augustus; 27 v.Chr.-14 n.Chr.; in den Provinzen).
II. HISTORISCHE GRUNDLAGEN: REVOLUTIONSEPOCHE
In den Jahren nach dem Tode des Alexander Severus(222-235 n.Chr.) wurden verschiedene
Kaiser vom Heer auf den Schild gehoben (Soldatenkaiser), die wieder die Bestätigung des
Senats suchten oder gar aus ihm hervorgingen. Sie blieben ohne Ausstrahlungskraft und
Glück. Fast alle wurden ermordet oder kamen im Krieg um.
In dieser Zeit', nach einem starken Aufschwung und inneren Frieden während der Zeit des
Prinzipats, war ein Erlahmen der Vitalität auf allen Lebensgebieten eingetreten. Den
Lebensstil kennzeichnete ein bequemes Rentnerdasein, ein Zehren von der Arbeit der Sklaven
und der bäuerlichen Kleinpächter. Die Steuerkraft des Reiches konnte schon gegen Ende des
zweiten Jahrhunderts nur noch mit Mühe die Kosten der Verwaltung und des teueren
Söldnerheeres tragen. Außerordentliche Belastungen, vor allem durch die Kriege und
Naturkatastrophen unter der Regierung Mark Aurels, sägten am Wohlstand des Reiches. Der
Höhepunkt der Krise liegt in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts, einem von schweren
Katastrophen erfüllten Zeitalter politischer und wirtschaftlicher Anarchie. Das nunmehr aus
den mindestkultivierten Bevölkerungselementen des Reiches zusammengesetzte Heer, warf
sich zum alleinigen Herren des Staates auf und kürte aus seiner Mitte den Kaiser.
Unaufhörliche Militärrevolten ließen kein geordnetes Regiment aufkommen. Von allen Seiten
her in das Reich einfallende Nachbarvölker verwüsteten weite Landstrecken. Die bäuerliche
Bevölkerung litt schwer unter den außerordentlichen Naturalabgaben für die Verpflegung der
Heere. Produktion und Handel gingen zurück. Geldnot und Mangel an Edelmetall veranlaßten
die Kaiser zu immer neuen Münzverschlechterungen, welches eine völlige Verwirrung des
Geldwesens und im weitem Umfange die Rückkehr zu primitiver Naturalwirtschaft zur Folge
hatten. Es kam zu Aufständen der bedrückten Volksmassen und zu separatistischen
Bewegungen.
Erst Gallienus (253-260) gelang es wieder, sich zu behaupten und auch auf Änderung der
Verhältnisse von Grund auf zu sinnen. Zunächst traf er auf dem Gebiet der Verwaltung eine
9
längst fällige Maßnahme. Militär- und Zivilqewalt, früher stets vereinigt im Imperium des
Statthalters, wurden jetzt getrennt. Außerdem gestaltete er das Heer neu, z.B die Reiterei.
Gallienus folgte Aurelian (270-275). Er bemühte sich um die Wiederherstellung des Reiches.
Er sorgte für Disziplin. Plünderungen der Städte verschwanden fast ganz.
Die Konsolidierung der Reichsgewalt gelang erst Diokletian (284305). Er war Illyrer und
wurde von Offizieren des Heeres im Osten zum Kaiser ausgerufen. Die Erneuerung des
Reiches kann als Monarchie orientalisch-hellenistischer Prägung charakterisiert werden.
III. DER SPÄTRÖMISCHE STAAT
Die neue Staatsordnung, von Diokletian durchgeführt und von Konstantin dem Großen
(306-307 n.Chr.) in neuem Geiste ausgebaut, war ein unverhüllte und unbeschränkte
Monarchie mit bürokratischer Verwaltung und rücksichtsloser Beschränkung der persönlichen
Freiheit zugunsten der Staatsinteressen. Die republikanische Fassade des Prinzipats war
verschwunden, der Vorrang Roms und Italiens beseitigt. Das Reich war jetzt ein
kosmopolitisches Gebilde mit griechisch-römischer Doppelstruktur. Das Übergewicht
verlagerte sich alsbald auf die Seite des griechischen Ostens. Die Organe der stadtrömischen
Verfassung hatten keinerlei politische Bedeutung mehr. Der Senat besaß nicht mehr den
geringsten Einfluss. Seine Mitglieder bildeten eine höchste Ranaklasse innerhalb der
Reichsuntertanen. Die Reichsbevölkerung teilte sich nicht mehr, wie unter dem Prinzipat, in
römische Bürger und Nichtbürger auf, sondern gliederte sich nach den jeweiligen
Berufsständen. Jedem dieser Stände waren besondere, meist sehr drückende Lasten auferlegt.
Bevorzugte Stände waren das Heer (immer mehr zusammengesetzt aus reichsfremden
Söldnern germanischer Herkunft), die Beamtenschaft und in christlicher Zeit der Klerus.
Das prunkvolle Auftreten des Kaisers zeigte, dass er nunmehr nicht länger die Stellung des
ersten Bürgers der römischen Gemeinde einnahm, sondern der unumschränkte Herrscher war.
Vor ihm hatten sich alle Bewohner des Reiches ohne Unterschied zu beugen. Unter
Diokletian gehörte die religiöse Verehrung des lebenden Kaisers zum offiziellen Wesen des
Kaisertums. Im Christentum wurde dieses dann durch das Gottesgnadentum des Herrschers
abgelöst.
Die Verwaltung des Reiches wurde nicht mehr durch ein Militärkommando geregelt sondern
durch eine umfangreiche Bürokratie mit zahlreichen Rangklassen ersetzt. Die spätrömische
Zivilbeamtenschaft nahm alle Privilegien des Soldatenstandes in Anspruch. Die offiziell
anerkannte Käuflichkeit der meisten Ämter führte zu einem moralischen Verderb der
Beamtenschaft, z.B. Bestechlichkeit, Korruption etc..
Die höchsten Zivilbeamten waren die praefecti praetorio. Es gab vier praefecti praetorio, je
zwei in der westlichen und in der östlichen Reichshälfte. Sie können als Stellvertreter des
Kaisers bezeichnet werden.
Es gab einen Staatsrat, dem vier Ressortchefs angehörten:
Vorsteher der kaiserlichen Kanzeleien (maqister officiorum)
Aufgabe: Erledigung des kaiserlichen Schriftverkehrs
Kaiserliche Schatzmeister (comes sacrarum laraitionum)
Aufgabe: Auszahlung von Geldgeschenken des Kaisers an Soldaten und Beamte bei
bestimmten Anlässen.
Chef der Domänenverwaltung (comes rerum orivatarum)
Justizminister (quaestor sacri palatii)
Eine Besonderheit des spätrömischen Staatsrecht war die Teilung der Reichsgewalt unter
mehrere Kaiser durch Diokletian. In der Ost- und Westhälfte des Reiches regierte jeweils ein
Oberkaiser (Auqustus) und ein Unterkaiser (Caesar). Der zweite sollte jeweils Nachfolger des
ersten werden. Diese Teilung der Reichsgewalt bewirkte die Spaltung des Reiches in eine
lateinische West- und eine griechische Osthälfte. Die westliche Hälfte wurde bald durch die in
10
Scharen eindringenden Germanen erobert. Die östliche Hälfte hat in der Gestalt des
bvzantinischen Staates noch ein Volles Jahrtausend, bis an die Grenze der Neuzeit,
fortbestanden.
wird noch zur Überschrift: RECHTSPFLEGE
Die republikanisch-auqusteischen Schwurgerichtshöfe als auch die Ziviljurisdiktion des
Prätors gingen im Laufe des 3. Jahrhunderts unter.
Nunmehr herrschte folgende Gerichtsbarkeit vor:
- hier muss Abbildung noch rein IV. DIE NACHKLASSISCHE RECHTSWISSENSCHAFT
1. GRUNDLAGEN:
Mit dem allgemeinen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenbruch, der die
Militärrevolten und Katastrophen der Zeit nach dem Tode von Alexander Severus (235)
begleitete, ist auch die klassische Rechtswissenschaft um die Mitte des 3. Jahrhunderts
untergegangen. Der Jurist war nicht mehr der mit dem Herrscher fast auf gleichem Fuße
verkehrende Ratgeber, sondern nur noch ein unfreies Werkzeug des kaiserlichen Willens.
Die literarische Arbeit des weströmischen frühnachklassischen Juristen (vom Ende des dritten
bis etwa zur Mitte des vierten Jahrh.) beschränkte sich zunächst auf die Neuherausgabe der
spätklassischen Schriften. Statt Interpretation herrschte nun Rhetorik und dogmatisierendes,
moralisierendes Verständnis der klassischen Schriften vor.
Die frühnachklassische Schulwissenschaft produzierte ferner knappe
Elementarwerke, z.T. Bearbeitungen klassischer Lehrbücher, z.T. Zusammenstellungen aus
klassischen Lesefrüchten. Diese Elementarwerke wurden meistens unter dem Namen eines
klassischen Juristen herausgegeben, z.B. : - regulae Ulpiani (auch
tituli ex corpore Ulpiani)
- Gaius Augustodunensis
Eine dritte Form der literarischen Arbeit der weströmischen Nachklassiker bestand in der
Zusammenstellung von Exzerpten aus den Werken der Spätklassiker und der Gesetzgebung
der Kaiser. Sie waren für den gehobenen Rechtsunterricht und für die Bedürfnisse der Praxis
ausgelegt.
Zu Beginn des Dominats begann man, Auszüge aus den spätklassischen Juristenschriften mit
den wichtigsten Kaiserkonstitutionen in Sammelwerken zu vereinigen. Sie sollten dem
Richter als Handbücher dienen. Beispiel für eine dieser Sammlungen ist die fragmenta
Vaticana, die als einzige in einem größeren Bruchstück überliefert ist.
2. HERRSCHAFT DES VULGARRECHTS
Im weiteren Verlauf des 4. Jahrhunderts scheint dann das Niveau der Rechtswissenschaft
schnell abgesunken zu sein.
a) Wesen des Vulgarrechts
primitiver Denk- und Ausdrucksstil veränderte Rechtsgesinnung: Kein Gefühl mehr für die
klassische Größe, Gleichgültigkeit gegenüber dem älteren Recht Übertragung von eigenen,
neuen Gedanken in die "RUasiklassischen Quellen
b) Herkunft des Vulgarrechts
11
Recht, welches auf Volks,,emnunRei beruht, Laienrecht, r.ß.: keine Unterscheidung zwischen
I:inentum und Besitz
Preisnabe wohldurchdachter Begriffe und entwickelter Institute, Rückkehr zur
vorwissenschaftlichen Stufe des Rechts
c) Vulgarrecht als Gewohnheitsrecht
Entwicklung des Vulgarrechts beruht weitgehend auf Gewohnheitsrecht (lonaa consuetudo)
Ausformung der vulgarrechtlichen Einrichtungen und Regeln durch Berufsjuristen, die
Sachkunde und hauptsächlich Praxis hatten Höhepunkt der Vulgarisierung im Westen in der
Mitte des 5. Jahrh. und trat dann in enge Beziehungen zu germanischen Rechten
d) Quellen des Vulgarrechts
Vulgarrechtliche Gedanken auch in den Kaisergesetzen ab Konstantin Literatur:
Paulussentenzen Interpretatio zu den codices Epitome Gai (auch interpretatio ohne Grundtext
genannt) Aus qermanischen Gesetzbüchern
Erforschungen des Vulgarrechts durch ERNST LEVYS
In der Schulwissenschaft der östlichen Reichshälfte vollzog sich eine Rückwendung zum
klassischen Recht. Träger dieser Entwicklung war hauptsächlich die Rechtsschule in Bervtos
(Beirut). Die Rechtsschule zu Berytos war eine förmliche Juristenfakultät, mit fester, nach
Jahreskursen gegliederter Studienordnung, deren Gegenstand das Studium der
Kaiserkonstitutionen und der klassischen Rechtsliteratur war. Eine zweite Rechtsschule
gleichen Stils wurde 425 n.Chr. von Staatswegen in der östlichen Reichshauptstadt
Konstantinopel gegründet.
V. SPÄTRÖMISCHE KAISERGESETZGEBUNG
1. GRUNDLAGEN
Im Bereich der Gesetzgebung hat das nachklassische Kaisertum die für die Periode des
Prinzipats charakteristische republikanische Tarnung abgeworfen. Die Kaiser erlassen jetzt
auch im formellen Sinne Gesetze, und ihre Gesetzgebung ist die einzige, die das Recht der
Spätzeit kennt. Die Kaiserkonstitutionen, deren verschiedene Erscheinungsformen als Edikte,
Mandate, Dekrete und Reskrinte die einzelnen ursprünglich republikanische, Amtsgewalten
des PrinzeDS noch deutlich Wiederspiegeln, wurden bereits gegen Ausgang der klassischen
Zeit nicht nur wie Gesetze behandelt, sondern auch ausdrücklich als leges bezeichnet. In der
Folgezeit diente diese Ausdrucksweise geradezu der Abgrenzung des neuen Kaiserrecht (ius
novum) von den überkommenen Rechtssätzen des Zivil- und Honorarrechts (ius vetus), wie
es in den Juristenschriften seinen Niederschlag gefunden hatte. So treten diesem alten
Juristenrecht, das auch einfach als ius bezeichnet wird, die leqes des kaiserlichen
Gesetzgebers aeaenüber.
2. CHARAKTERISIERUNG DES KAISERRECHTS
a) Bezeichnung als leges edictales
b) Inhaltliche Unterscheidung:
- Allgemeine Bestimmungen des Kaisers = leges generales
- Entscheidungen konkreter rechtlicher Einzelfälle= Reskripte
- Einzelentscheidungen mit allgemeiner Bedeutung = sanctio pragmatica
12
c) Praxis der Kaisergesetzgebung:
- Tendenz, das Recht nicht mehr kasuistisch aus dem konkreten Einzelfall, sondern durch
Subsumtion des Tatbestandes unter allgemeine Rechtsregeln zu finden
- Unter Diokletian überwog Reskriptenpraxis
- Unter Konstantin traten an die Stelle der Reskripte in zu
nehmenden Maße allgemeine Ediktalgesetze
VI. DIE VORJUSTINIANISCNEN KODIFIKATIONEN
1. GRUNDLAGEN
Die Vielzahl der Kaisergesetze und die Fülle von Auszügen aus den Juristenschriften führte
zu Unübersichtlichkeit und Rechtsunsicherheit.
Hieraus erklärt sich das Entstehen von Gesetzen im 4. und 5. Jh., die man als "Zitiergesetze"
bezeichnet. Die Zitiergesetze bestimmen, welche Juristenschriften vor Gericht angeführt
werden durften und wie deren Zeugnis im Verhältnis zueinander zu bewerten sei. Im Jahre
321 bestimmte Konstantin zunächst, dass allein die Schriften Papinians für die Gerichte
maßgebend sein sollten. Im nächsten Jahr erklärte Konstantin sämtliche Schriften des Paulus,
insbesondere auch die unechten Sentenzen, für gerichtsverbindlich. Durch diese Erlasse
wollte Konstantin die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung sichern.
100 Jahre später entstanden als umfangreichere neuere Zitiergesetze die Konstitutionen von
Theodosius II und Valentinians III (426). Autoritative und gesetzesgleiche Geltung hatten
nunmehr: Schriften der Spätklassiker Papinian, Paulus, Ulnian, Modestin und die
Institutionen des Gaius. Bei Meinungsverschiedenheiten unter den Zitierjuristen sollte die
Mehrheit, bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden.
2. DAS ZITIERGESETZ VON 426 n. Chr.
Die Kaiser Theodosius und Valentinian an den Senat der Stadt Rom Wir bestätigen die
Geltung aller Schriften von Papinian, Paulus, Gaius, Ulpian und Modestin, so daß Gaius die
Geltung zukommt wie Paulus, Ulpian und den übrigen, und aus seinem ganzen Werk
Belegstellen vor Gericht angeführt werden können. Auch die Wissenschaft derjenigen, deren
Abhandlungen und Ansichten alle die Vorgenannten in ihre Werke aufgenommen haben,
erachten wir als gültig, z.B. von Skävola, Sabinus, Julian, Marcellus und allen, die von jenen
beständig beigezogen werden, sofern der Text ihrer Schriften nur in Anbetracht der durch ihr
hohes Alter unsicher gewordenen Überlieferung durch Vergleich mehrer Ausgaben gesichert
ist. Wo sich aber unterschiedliche Ansichten ereelen, dort soll die größere Zahl der
Schriftsteller den Ausschlag geben und wenn die Zahl auf beider, Seiten gleich ist, dann soll
die Ansieht vorgehen, die dadurch herausragt, dass auch der ausgezeichnete Jurist Papinian
sie vertritt, der zwar zwei anderen unterliegt, gegenüber einem aber obsiegt . ... Wo aber die
gleiche Zahl von Ansichten mit gleicher Geltung „orliegen, liegt es im Ermessen des Richters,
welcher Ansicht er folgen soll. (Cod.Theo. 1,4,2) Gegeb.. am 7.Nov. 426 zu Ravenna
3. CODEX THEODOSIANUS
Im Jahre 429 setzte Theodosius eine Kommission ein, die die Codices Gregorianus und
Hermoqenianus (unter-Diokletian entstandene zwei private Konstitutionensammlunaen) durch
eine Sammlung der Kaiserkonstitutionen seit Konstantin ergänzen sollten. Insgesamt sollte
ein neues einheitliches Gesetzbuch geschaffen werden. Jedoch erst eine zweite Kommission
vollendete nach zwei Jahren ein Werk, welches ursprünglich nur die erste Vorarbeit zu jenem
Gesetzbuch sein sollte: Die Sammlung der Kaiserkonstitutionen seit Konstantin
Merkmale des Werkes:
- 16 Bücher
- Gliederung der Bücher in Titel
- Konstitutionen (über 3000) in chronologischer Reihenfolge innerhalb der Titel
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In Zitaten des Codex Theodosianus bedeuten die Ziffern (z.B. CTh. 1, 4, 2) Buch, Titel und
Konstitution; umfangreichere Konstitutionen sind in den modernen Ausgaben noch in
Paragraphen (4. Ziffer) unterteilt.
Wichtig zu merken, da in Tests häufig nach diesen Schema Textquellen herausgesucht und
angestrichen werden sollen.
4. KODIFIKATIONEN DES RÖMISCHEN RECHTS IN DEN GERMANENREICHEN
Germanenkönige ließen Kodifikationen des weströmischen Vulgarrechts im Westen des
Reiches erstellen.
Beispiele: Edictum Theoderici (älteste Aufzeichnung, 453-466
- Codex Euricianus
- Lex Romana Visiqothorum
- Lex Romana Burqundionum
näheres in der Vorlesung Deutsche Rechtsgeschichte
VII. DIE KODIFIKATION DES JUSTINIAN
1. GESCHICHTLICHE UND RECHTSGESCHICHTLICHE GRUNDLAGEN
Im Osten des Reiches wurde die klassische Literatur wieder gelesen und verstanden. Anteil
am Aufblühen der Rechtswissenschaft hatten die Rechtsschule von Bervtos und
Konstantinopel. Auch die Praxis im Osten benutzte nunmehr nicht nur die Elementarschriften,
mit ihrer unendlichen Fülle von Kasuistik und Problematik, sondern griff auch auf Werke der
Spätklassiker zurück. Trotzdem wurde eine Zusammenfassung und Sichtunq der gesamten
Rechtsüberlieferunq immer dringlicher. Justinian (geb. 482), dem es gelang die besetzten
Gebiete Nordafrika, Italien und kleine Teile Spaniens zurückzuerobern, setzte sich eine
umfassende Kodifikation zum Ziel.
2. DAS CORPUS IURIS CIVILIS
a) Begriff
Das Gesetzbuch Justinians wurde erstmals 1583 in der Gesamtausgabe der justinianischen
Gesetzgebung von Dionysius Gothofredus in Gegenüberstellung zum kirchenrechtlichen
Corpus iuris canonici als Corpus Iuris Civilis bezeichnet. Das Gesetzeswerk besteht aus vier
Teilen:
(1) Institutionen = ein in vier Bücher eingeteiltes amtliches Anfängerlehrbuch für den
Rechtsunterricht vernehmlich an den Rechtsschulen von KaistantinoPel und Beirut. Älteste
handschritliche Überlieferung : Turiner Institutionenglosse.
Digesten (=Sammlung) oder Pandekten (_ "alles enthaltend") = Sammlung von Auszügen aus
Juristenschriften aus den ersten drei Jahrhunderten n.Chr., durchweg nicht in Form abstrakter
Rechtssätze sondern in Form von Fällen mit Lösungen. Älteste und beste Handschrift der
(2) Digesten ist die sog. "Florentina", geschrieben im 6. oder 7. Jh.. Sie soll 1135 von den
Pisanern der Stadt Amalfi abqenamien sein, war jedenfalls seit der Mitte des 12 Jh. in Pisa
und kam 1406 nach der Eroberung von Pisa durch die Florentiner nach Florenz, wo sie noch
heute aufbewahrt wird.
(3) Kodex = Sammlung von Kaisergesetzen in 12 Bücher unterteilt
(3) Novellen = Sammlung von nachträglich erlassenen Gesetzen Justinians
b) Entstehung und Hergang der Gesetzgebung durch Justinian
14
Nach erfolgreichem Abschluß einer Sammlung von Kaiserkonstitutionen entschloß sich
Justinian, wie von Theodosius schon versucht, das gesamte Juristenrecht in Auszügen zu
einem Gesetzbuch zusammenzufassen. Die Leitung dieser Aufgabe übertrug Justinian seinem
Justizminister Tribonian. Tribonian hatte umfassende Vollmachten und konnte seine
Mitarbeiter frei auswählen. Die Mitarbeiter werden als Kompilatoren (von compilare =
ausbeuten) bezeichnet, da sie die klassischen Werke und Kaisergesetze gleichsam wie einen
Steinbruch zum Bau des Gesetzbuches ausgebeutet haben.
aa) Als erstes sollte 528 eine einberufene Kommission alle noch geltenden Kaisererlasse
zusammenfassen. Die 10-köpfige Kommission, bestehend aus Beamten der
Zentralverwaltung, zwei Anwälten und dem Rechtslehrer Theoohilus, sollte aus den Codices
Gregorianus, Hermogenianus und Theodosianus das noch Brauchbare unter Beseitigung von
Widersprüchen zusammenstellen. Dieser erste Codex wurde schon ein Jahr später (529)
publiziert. Eine Überarbeitung des ersten Codex nimmt der 539 veröffentlichte z. Codex vor.
Die erste Fassung des Codex wurde dabei auCer Kraft gesetzt.
bb) Gegen Ende des Jahres 530 wurde Tribonian beauftragt, eine neue Kommission
zusammenzustellen. Sie sollte (vgl. oben Überblick Digesten) Auszüge aus klassischen
Juristenschriften sammeln (Exzerptensammlung). Veraltete Rechtsinstitute sollten eliminiert,
Widersprüche beseitigt werden und gegebenenfalls Textveränderungen an den ausgewählten
Auszügen durchgeführt werden. Die Kommission setzte sich zusammen aus:
1. Tribonian (Vorsitzender)
2. Vier Professoren (Dorotheus und Anatclius aus Berytos und Theophilus und Cratinus aus
Konstantinopel)
3. Dem magister officiorum
4. Elf Anwälten
Diese Kommission erfüllte die ihr gesetzte Aufgabe nach drei Jahren, am Ende von 533.
Unter dem Namen Diqesta oder Pandectae wurde das Werk verkündet und in Kraft gesetzt.
Als Folge verlor das gesamte Juristenrecht klassischer oder nachklassischer Herkunft in
Praxis und Unterricht seine bisherige Geltung.
Knapp 40 Juristen sind in den Digesten mit Bruchstücken aus insgesamt über 200 Schriften
aufgeführt. Drei Juristen, von denen nur wenige kurze Fraqmente aufgenommen worden sind,
gehören sogar noch der republikanischen Zeit an (1. 0. Mucius Scaevola; z. Alfenus Varus; 3.
Aelius Gallus). Zwei Juristen sind Nachklassiker (Hermogenianus; Arcadius Charisius). Die
Hälfte aller Fragmente entfällt auf die Spätklassiker Paulus und Ulpian. Ein Eindruck von den
fehlenden Vorklassikern entsteht trotzdem, da sie von den späteren Juristen häufiq zitiert
wurden.
Die Kompilatoren verarbeiteten fast 2000 Bücher (libri) mit zusammen 3 Millionen. Zeilen
(versus). Ein Zwanziqstel des bearbeiteten Materials wurde in die Diqesten aufgenommen
(ersichtlich aus const. Tanta 1 = C. 1,17,2,1).
INHALT:
Die klassischen Juristen haben sich vorwiegend mit Privatrecht (und Zivilprozeßrecht)
beschäftigt. Deshalb behandeln die meisten Bücher aus den Diaesten dieses Rechtsgebiet
(Buch 2-46). Buch 47 und Buch 48 behandeln das Strafrecht (duo terribiles libri).
Gliederung insgesamt: 7 Teile - 50 Bücher
15
1. Teil: Bücher 1-4 (4)
Inhalt: Einleitung, Eingang
2. Teil: Bücher 5-11 (7)
Inhalt: de Judiciis (von den Klagen)
3. Teil: Bücher 12-19 (p)
Inhalt: Sachenrecht
4. Teil: Bücher20-27 (8)
Inhalt: Hvoothek, Pfandklage, Sachmängelgewährleistung, Kauf und Verkauf, Gesetze über
Verlöbnis, Eheschließung, Mitgift etc.
5. Teil: Bücher 28-36 (9)
Inhalt: Erbrecht (Testamente, Vermächtnisse etc . ...)
6. Teil: Bücher 37-44 (8)
Inhalt: Erbschaftsverhältnisse sowohl in Bezug auf Freigeborene und als Freigelassene
Pachtungen der öffentlichen Aufgaben, Schenkungen, Persönliche Rechtsverhältnisse
(obligationibus und den daraus entstehenden Klagen)
7. Teil: Bücher 45-50 (6)
Inhalt: Rechte über Stimulationen oder Verbal Contracte; Umgestaltung abgeschlossener
Geschäfte; Strafrecht; Appellationsrecht; Fiskalrecht; Verwaltungsrechtliche Bestimmungen
cc) Nach Fertigstellung, aber vor Publikation der Digesten wurde von Tribonian, Dorotheus
und Theophilus auf Befehl des Kaisers ein Anfängerlehrbuch für den Rechtskundeunterricht
ausgearbeitet. Es wurde durch die Constitutio "Imneratoriam maiestatem (= Vorrede zu den
Institutionen) vom 21.11..533 Dubliziert und durch die Constitutio "Tanta" mit Gesetzeskraft
vom 30.12.533 an vorsehen.
Das Anfängerlehrbuch lehnt sich stark an die Institutionen des Gaius an. Verwertet wurden
außerdem die Institutionen Florentins, Ulpians, Marcians und den angeblich uloianischen
Ructulae. Die Zitierweise dieser Institutionen, entspricht jener der ~ic~e•stc n mit dem
Unterschied, daß die Titel nicht in Fragm(nte untüctc•ilt sind. Die Institutionen untergliedern
sich in 4 hucher.
Zitierweise der Digesten: D. (im Mittelalter ff, daher „man kennt etwas aus dem ff.") 19, 1, 45
pr. = Buch 19, Titel 1, Fragment 45, Einleitungssatz ("principium") vor § 1.
dd) 534 wurde dann der fertiggestellte z. praelectionis, nubliziert.
Codex, Codex repetitae
Diese Aufgabe wurde von Tribonian, Dorotheus und drei Anwälten in einem Jahr bewältigt.
Der Codex ist in Bücher und diese wiederum in Titel gegliedert. per Codex beinhaltet über
4600 Konstitutionen. Die älteste ist die des Hadrian (117 - 138). über 400 Konstitutionen
stammen aus der Regierungszeit von Justinian.
c) Beispiele aus Institutionen Digesten:
Auszug aus den Institutionen:
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aa) Inst. 2,7 r.-2: De donationibus
(pr.) Es gibt auch eine andere Erwerbsart, die Schenkungen. Von diesen gibt es zwei Arten,
auf den Todesfall und nicht auf den Todesfall.
(1) Eine Schenkung auf den Todesfall ist eine solche, die in der Erwartung des Tbdes
geschieht, wenn jemand so schenkt, daß wem ihm etwas Menschliches widerfährt, der
Empfänger es behalten soll, wenn aber der Schenker überleben sollte, er es widernehmen will,
oder wenn ihn die Schenkung gereut oder der zuerst stirbt, der beschenkt worden ist. Diese
Schenkungen auf den Todesfall sind ganz nach den Beispiel der Vermächtnisse eingerichtet .
(2) Andere Schenkungen sind aber diejenigen, welche ohne an den Tod zu denken geschehen,
die wir unter Lebenden nennen und die mit den Vermächtnissen keine Ähnlichkeit haben;
sind diese vollzogen, so können sie nicht einseitig widerrufen werden. Vollzogen sind sie,
sobald der Schenker seinen Willen schriftlich oder ohne Schrift kundqetan hat.
bb) Beispiel aus den Digesten
Ulp. D. 9,2, 11 Pr. (18 ed.)
Ulpian (schreibt) im 18. Buch seines Ediktskommentars: Ferner schreibt Mela: Wenn mehrere
Leute Ball spielten und einer von ihnen den Hall zu heftig warf, der Hall einem Barbier, der
gerade einen Sklaven rasierte, auf die Hand fiel, so daß dem Sklaven durch das angesetzte
Messer die Kehle durchgeschnitten wurde, so hafte derjenige aus der lex Aquilia, den
Verschulden treffe. Proculus sagte, das Verschulden treffe den Barbier. Und in der Tat, wenn
der dort rasierte, wo gewöhnlich gespielt wurde oder wo viel Verkehr war, wird ihm das als
Verschulden anzurechnen sein. Obwohl man auch nicht zu Unrecht sagen könnte, wer sich
einem Barbier anvertraut, der seinen Sessel an einem gefährlichen Ort hat, muß sich über sich
selbst beklagen.
3. INTERPOLATIONENFORSCHUNG
Bei Erarbeitung der Digesten wurden auf Befehl Justinians die klassischen Gesetzesquellen
gekürzt, bei Unwesentlichkeit weggelassen oder auch verändert. Diese nachklassischen oder
justinianischen Einschübe oder Veränderungen werden als Interpolationen bezeichnet. Die
moderne Forschung versucht nun, diese Einschübe oder Veränderungen herauszufinden und
das klassische Recht in seiner Reinheit wieder zu entdecken. Forscher: Kaser, Wieacker
Interpolationen finden sich auch im Codex.
VIII. DAS NACHLEBEN DES RÖMISCHEN RECHTS
1. IM BYZANTINISCHEN REICH
Mit dem Einfall der Germanen im Westen des Reiches und dem Sturz des letzten
weströmischen Kaisers 476 n.Chr. bahnten sich neue Entwicklungen im Westen wie im Osten
an.
Im Osten erstand das byzantinische Reich. Das Corpus iuris verlor im Laufe der Zeit seine
Verwendbarkeit in der byzantinischen Gerichtspraxis. Von Kaiser Leo III. über Basilius I. hin
zu Leo VI. (886 - 911) wurde das justinianische Gesetzgebungswerk bearbeitet und verändert.
Es entstand so ein neues Kaiserrecht, die Basiliken. Jedoch wurden auch hier laufend
Anmerkungen und Veränderungen vorgenommen.
2. IN DER ABENDLÄNDISCHEN RECHTSENTWICKLUNG
Mit Ende des fünften Jahrhunderts aalt im Westen das römische Vulgarrecht in der
vereinfachten Form, die es in den leqes Romanae der Germanenköniqe, vor allem in der Lex
Romana Visiqothorum, erhalten hatte. Justinian konnte nur in dem von ihm wiedereroberten
Teil Italiens die Teile seines Gesetzbuches einführen. Die Diqesten gingen jedoch verloren.
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1050, als die Diqesten wiederentdeckt wurden, nahm die Rechtswissenschaft wieder den weg
zu neuer Qualität auf. Mittelpunkt der neuerstandenen Rechtswissenschaft war die 1119
qearündete älteste Universität des Abendlandes Bologna. In Boloqna wurde von Irnerius die
Glossätorenschule gegründet. Der Name Glossatoren beruht auf der angewandten
wissenschaftlichen Arbeitsmethode. Bei der Auslegung des Corpus iuris wurden
Randbemerkunqen (Marqinalglossen) oder zwischen die Zeilen eingefügte Notizen
(Interlinearqlossen) vorgenommen.
Accursius, ein Bologneser Rechtsgelehrter, faßte die Kommentarwerke der älteren
Glossatoren zu den sog. Glossa ordinaria (großes vereinigtes Sammelwerk) zusammen. Diese
Glosse bildet ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Interpretation des Corpus iuris.
Mit Ende des dreizehnten Jahrhunderts mußte das Recht der veränderten Zeit angepaßt
werden. Dieses versuchten die sogen. Postglossatoren oder Kommentatoren dadurch, indem
sie die sich neu entwickelten Rechtsgedanken durch Analogien aus dem Corpus iuris oder der
Glosse zu begründen beabsichtigten.
Diese Postglossatoren schrieben nun ausführliche Kommentare zum Corpus iuris. Außerdem
wirkten sie mit Rechtsgutachten (consilia) auf die Gerichtspraxis ein.
Bedeutende Vertreter:
Cinus (1270 - 1336)
Bartolus (1314 - 1357)
Baldus (1327 - 1400)
3. DIE REZEPTION DES RÖMISCHEN RECHTS
Durch die Arbeit der Kommentatoren mit ihrer wissenschaftlich rationalen Methode,
angewandt insbesondere auf das Recht des Corpus iuris, beeinflußte die italienische
Rechtswissenschaft die europäische Rechtsentwicklung. Zahlreiche Studenten aus den westund mitteleuropäischen Ländern suchten an den Universitäten in Italien die neue
Wissenschaft vom römischen Recht zu studieren. Das römische Recht wurde in der Gestalt
den Kommentatorenwissenschaft gelehrt. Hieraus entsteht eine allgemeine
kontinental-europäische Bewegung, die die Grundlage der europäischen Rechtskultur bildet.
Der Verlauf der Rezeption traf das Heilige Römische Reich deutscher Nation in einem
Zeitpunkt, als es noch keinen Einheitsstaat, keine
Hauptstadt, keine zentrale Reichsgewalt, kein Reichsprivatrecht und auch keinen
organisierten Reichsjuristenstand gab. Das römisch-gemeine Recht, dem aeqenüber dem
partikulären Recht nur subsidiäre Bedeutung zukam, setzte sich infolge seiner
wissenschaftlichen Qualität durch.
Das römische Recht wurde u.a. wesentlicher Bestandteil des ABGB, des BGB und des ZGB.
Die Epoche nach der Postglossatorenzeit gehört nicht mehr in den Rahmen einer Geschichte
des antiken römischen Rechts.
IX. ÜBERLIEFERUNG DES RÖMISCHEN RECHTES (TECHNIK)
Überlieferte Quellen finden sich auf Holz oder Metall eingemeißelt. Der Rechenschaftsbericht
des Kaiser Aucrustus ist beispielsweise in Steinschrift überliefert. Später wurde auf
gegerbten Tierfellen, die nach der Bibliothek in Perganon Pergamente genannt werden,
geschrieben. Schreibmaterial gewann man dann auch aus der Papierstaude Papyrus. Das
Schreibmaterial Papier wurde erst 900 n.Chr. aus China kommend in Europa bekannt.
Bis auf das Corpus iuris civilis des Kaisers Justinian schienen alle anderen
römisch-rechtlichen Quellen verloren. 1816 fand Niebuhr, ein preußischer Gesandter, auf
seiner Reise nach Rom in Verona die Briefe des Hieronymus (800,900 n.Chr.). Die Briefe
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waren auf abgeschabtem Pergament geschrieben (sog. Palimosest). Unter dem Text des
Hieronymus war wiederum die Schrift des Gaius die Institutionen, verfaßt.
Der Forscher Waldstein versuchte die Blätter zu entziffern.
90 % der Schriften konnten entziffert werden.
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Teil 4: ZEITTAFEL
I. Vorgeschichte ca 1000 bis 750 V.Chr.
um 1000 vChr.
Älteste Siedlung auf dem Palatin (einem
der sieben Hügel Roms)
753 v.Chr.
Sagenhafte Gründung Roms
II. Zeit der Königsherrschaft ca. 750 bis 500 v.Chr.
um 600 v.Chr. Etruskische Stadtgründung Roms
510/509
Beseitigung der Etruskerherrschaft über Rom,
Errichtung der Republik
III. Zeit der älteren Republik ca. 500 bis 250 v.Chr.
451-449 v.Chr.
Dezemvirat, Erlag des Zwölftafelgesetzes
387 v.Chr.
Kelteneinfall, gallischer Brand
367 v.Chr.
Neuordnung der Staatsführung und der
Magistrate durch die Leges Liciniae Sextiae
IV.
Zeit der ,jüngeren Republik ca. 250 v.Chr. bis zur Zeitwende
264-241 v.Chr.
Erster punischer Krieg: Beginn der Expan
sionspolitik; Expansion Roms zur Weltmacht
237-133 v.Chr.
Gründung der Provinzen von Sardinien (237),
Spanien (206), Afrika und Griechenland (146),
Asien (133)
133-121 v.Chr.
Tiberius und Gaius Gracchus
1C7- 79 v.Chr.
Marius und Sulla
48- 44 v.Chr. Diktatur Caesars
V.
Zeit des Prinzipats ca. 0 bis 250 n.Chr.
Augustus (Octavian)(27 v.Chr. - 1,in.Chr.), Tiberius (14-37), Caligala (37-41),
Claudius (41-54), Nero (54-58), Vespasian (69-79), Titus (79-81), Domitian
(81-96), Nerva (96-98), Trajan (98-117), Hadrian (117- 138), Antonius Pius
(138-161), Mark Aurel (161-180), Commodus (180-192), Septimius Severus
(193-211), Cracalla (211-217), Macrinus (217-218), Elagabal (218-222),
Alexander Severus (222.235)
VI. Spätantike
ca. 250-500 n.Chr.
235-284 n.Chr.
Revolutionsepoche
284/5-305
Diokletian und Maximian
307-337 n.Chr.
Konstantin der Große
476 n.Chr.
Absetzung des weströmischen Kaisers Romulus
Augustulus drrch Odovakar
527-565 n.Chr.
Justinian (für kurze Zeit gelang ihm die Vereini
gung des West- und Ostreiches)
553/4 n.Chr.
Vernichtung des Ostgotenreiches durch Justinian
568 n.Chr.
Eroberung Italiens durch die Langobarden.
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