Buch 3 - ritter-fantasy drachen blaudrachenstein

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Weltenspringer
Buch 3
Licht und Dunkelheit
Auf Leben
und Tod
von
Blaudrachenstein
Copyright 2002 by Alexander Schlor, Würzburg
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Die Nacht ist hereingebrochen im Universum und
beginnt all seine Bewohner zu unterdrücken. Egal wo
sie leben, ob in den Weiten des uns bekannten Alls,
oder in den Weiten der bisweilen undurchdringlichen
Steppen und Wälder von Skataris, ob auf der
Oberfläche unserer Erde, oder auf den Oberflächen
fremder
Welten. Die
Menschheit und ihre
Verbündeten erheben sich und leisten Widerstand.
Widerstand gegenüber einem allzu mächtigen Feind.
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Die Personen in alphabetischer Reihenfolge:
Boral, Gan :
Clark, Jason F.:
Oberbefehlshaber der
drakonianischen Streitkräfte und Captain der Kurg
Commander der Jet-Ranger
Dal, Niora:
Junge Alamak, flieht mit Clark
von der Rasool Ardehn zu den
Menschen
Deveraux, Branda:
Lieutenant der Marines, immer
noch gute Freundin von Snow u.
Clark
Duggen, James
Ein Soldat
Elkah, Ellimak tim
Größer Zauberer und Erschaffer
von Skataris
Elkah, Muk-Tar tim
jüngster und bösartigster Spross
Ellimaks
Elkah, Mao-Tin tim
zweitgeborener Ellimaks
Elkah, Ellimak jun tim
drittgeborener Ellimaks und sein
Nachfolger
Gentis, Jeff:
Chief im Maschinenraum der
Perseús
K-thal, Reed:
Toter Alamak in der Kraftfeldzentrale
Meyer, Regina:
Elektrotechnikerin von der Ghost
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-4Jackson, Steve:
Ein Marine - Scharfschütze,
später Deveraux´s Freund und
letzte Liebe
Ko In:
Fischwesen von Xotha
Ko, Omna:
Alte Alamakfrau, Nubal ergeben
McFadden:
Kommandierender Offizier
Marshall, Don:
Erster Offizier auf der Perseús
Maywather:
Ein Soldat
Nubal, Shak:
Anführer der Alamak auf der
Rasool Ardehn
O´Reily, Shawn:
Commander der Eagles
Scott, Benjamin:
Kommunikationsoffizier auf der
Perseús
Seidenfeder, Miguel:
Bibliothekar in der Halle des
geschriebenen Wortes
Shigerah, Markus:
Captain der Perseús
St. George, Rupert:
Admiral der Flotte und
Kommandeur von Raumbasis 23
St. Tilly, James:
Ein Soldat
Taylor, Andrea:
Technikerin von der Ghost
Yashida, Tanaka:
Samurai u. ehem. Gefangener v.
Xotha
Fischwesen von Xotha
Zack:
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Kapitel 1: Vorbereitungen
„Gwyndragsil, mein alter Freund!“ begrüßte Snow den
blauen Drachen, als dieser in seiner verkleinerten Gestalt
wieder auf den Balkon hinaus trat.
„Ah, es tut gut, euch wieder hier zu wissen, Ritter. An
was könnt ihr euch erinnern?“ fragte er und ließ sich
neben dem Liegestuhl auf den Boden plumpsen.
„Nun, an alles, mein Freund. An jede Einzelheit. Doch
nun sagt mir, wie ist die Schlacht für uns gelaufen, und
wie lange bin ich schon hier?“
Der Drache setzte sich auf sein breites Hinterteil und
senkte das Haupt.
„Euer Geist kehrte vor fast einer Woche wieder hierher
zurück, doch der Zauber hat euren Körper viel Kraft
gekostet, wie ihr vielleicht bemerkt habt.“ Snow stimmte
ihm nickend zu. Er hatte sich tatsächlich sehr schwach
gefühlt, bevor der Drachen hier aufgetaucht war. Doch
nun schien es ihm schon wieder besser zu gehen.
Gwyn fuhr fort:
„Es war eine große Schlacht, aber sie forderte viele Opfer
von uns. Zu viele.“ er atmete schwer, und man konnte
sehen, dass es ihm nicht leicht viel darüber zu reden.
Alex legte ihm die Hand auf den blau geschuppten Arm
und drückte ihn leicht.
„Erzählt mir davon. Von Anfang an.“ bat er und zog seine
Hand wieder zurück. Gwyn fixierte ihn mit seinen gelben
Drachenaugen und nickte.
Gwyn berichtet ihm vom weiteren Verlauf der Schlacht,
ab dem Zeitpunkt, da Alex durch diesen harten Treffer
der Dämonenkönigin von sein seinem Rücken
geschleudert worden war.
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„Eurer Freund, der Zwerg Jimson Kool und sein Freund
Yomar, haben es nicht überlebt. Genau so wenig wie
Hauptmann Sagunil und der Chronist Bartholomäus. Drei
der Magier ließen ihr Leben im Feuer, sowie über 140
Soldaten. Sie alle haben tapfer gekämpft und ihr Bestes
gegeben. Ihr Verlust wird nicht wieder gut zu machen
sein.“ beendete der Drachen seinen Bericht.
Alex senkte das Haupt und sann über das Berichtete
nach. Dann hob er den Kopf, sah dem Drachen tief in
seine gelben Reptilienaugen und fragte:
„Und nun steht uns eine noch größere und noch stärkere
Armee gegenüber?“
Gwyndragsil nickte nur.
„Haben wir denn überhaupt eine Chance gegen einen so
übermächtigen Gegner?“
„Das weiß ich noch nicht, mein Freund. Aber wir haben
sehr viel Verstärkung bekommen. Die Katzenmenschen
haben uns eine Menge Leute geschickt, ebenso wie die
Trolle.“ er drehte sich zu Arathea herum, die eben noch
einige Früchte und einen Krug mit Wasser auf den
Balkon brachte. Sie hatte zwar nicht gehört, wovon der
Drachen gesprochen, aber dennoch lächelte sie ihn
freundlich an.
Alex versuchte aufzustehen, schwankte aber sofort
dabei. Arathea ließ beinahe ihr Tablett mit den Früchten
fallen, nur um ihm zu Hilfe zu eilen, doch Snow wehrte ihr
Engagement mit einer Handbewegung ab und fing sich
und sprach:
„Vielen Dank, aber ihr habt bereits genug für mich getan.
Wenn ich in der nächsten Zeit eine Schlacht schlagen
soll, dann muss ich langsam anfangen, meine eigene
Schlacht zu schlagen und wieder auf die Beine kommen.“
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Er betrachtete sich die aufgetragenen Speisen und
vermisste ein gutes Stück Fleisch. Sollten diese Trolle
etwa Vegetarier sein, ging es ihm durch den Kopf. Er
nahm sich einen großen Tonkrug und suchte sich einige
Früchte aus. Einige geschälte Orangen, Bananen und
bereits von den Stielen abgezupfte Trauben, stopfte er in
ein Gerät, das große Ähnlichkeit mit einer Nudelpresse
hatte, nur dass es viel größer war. Er stellte den Tonkrug
darunter und presste mit der ihm zur Verfügung
stehenden Kraft die beiden Enden der Maschine
zusammen, so dass eine dickflüssige Masse unten aus
dem Gerät in den Krug troff. Ein großer Schuss Wasser
verdünnte den Fruchtbrei zu einer trinkbaren Flüssigkeit,
dann setzte er den Krug an die Lippen und trank alles auf
ein Mal aus. Als er das Gefäß wieder absetzte, fühlte er
die Blicke der Anwesenden auf sich ruhen und sah sie
nacheinander fragend an. Arathea deutete mit ihrem
Finger an ihre Oberlippe. Alex zog die rechte
Augenbraue hoch und fasste sich mit der Hand an den
Mund. In den kurzen Bartstoppeln, Clark hätte ihn
wenigstens rasieren können, bevor er ihn verließ, und
stellte fest, dass sich dort ein dicker Bart aus
Fruchtfasern bebildet hatte. Langsam mit dem
Zeigefinger darüber wischend, zog er den Brei ab und
leckte ihn dann von den Fingern. Plötzlich fühlte er eine
Druck in sich aufsteigen, und noch ehe er es sich versah,
quoll ein mächtiger Rülpser über seine Kehle und erfüllte
die Bergwelt mit dem Laut eines mächtig röhrenden
Hirsches.
Gwyndragsil schien sich ein wenig zu ducken, obwohl es
nicht nötig war.
„´tschuldigung. Aber jetzt fühle ich mich besser.“ meinte
er und stellte den Krug wieder beiseite. Dann fing der
Drachen auf ein Mal an zu lachen und schien sich gar
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nicht mehr fangen zu können. Sein Lachen war richtig
ansteckend, und so fielen die anderen mit ein. Es
dauerte eine ganze Weile, bis man sich wieder
einigermaßen beruhigt hatte, aber auch nur, weil ihnen
schon langsam die Bäuche weh taten. Auf ein Mal schien
Gwyn ganz plötzlich ernst zu werden und meinte trocken:
„Wir müssen uns jetzt auf den Weg machen.“ und da er
nicht wieder mit dem Lachen begann, wusste Alex, dass
er es völlig ernst gemeint hatte. Er nickte, und suchte
seine Habseligkeiten zusammen. Clark war wohl in
seiner Rüstung mit Gwyn hier her gekommen, und da er
ja seinen, Snows Körper benutzt hatte, gab es ja keine
Schwierigkeiten ein passendes Kleidungsstück zu finden.
Vorsichtig schlüpfte er in das goldene Kettenhemd und
zog den weißblauen Waffenrock darüber. Arathea half
ihm mit dem Schwertgehänge, als hätte sie ihr Leben
lang nichts anderes getan. Den geflügelten Helm nahm
er in den linken Arm, dann wandte er sich zu der
Trollfrau, die ihn mehr als einen Kopf überragte und
meinte:
„Ich danke euch für alles, was ihr für getan habt von
ganzem Herzen, Arathea. Ich bin sehr froh darüber, dass
eure Leute sich entschlossen haben uns zu helfen, und
ich bin stolz, euch zu meinen Freunden zählen zu
dürfen.“ Die Frau hatte schamvoll die Augen geschlossen
und das Kinn fast bis auf die Brust gesenkt. Alex zog sich
einen Stuhl heran, stieg auf dessen Sitzfläche und küsste
sie auf die Wange. Erschrocken fuhr ihr Kopf hoch, und
sie schien unter ihrer graubraunen Haut doch etwas rot
zu werden.
„Das ist zu viel des Dankes, für nichts das ich für euch
tat, edler Drachenritter...“ begann sie, doch wie sie
fortfahren wollte, fasste Alex sie bei den Händen, in
denen seine gut zwei Mal hinein passen würden.
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„Es ist gut so, und ich wünsche keine weitere Diskussion.
Wir müssen nun aufbrechen. Lebt wohl Arathea.“
Er ließ sie los und wand sich mit Gwyn zum Gehen.
Nachdem sie schon einige Meilen geflogen waren, kam
ihm eine Erinnerung in den Sinn und er fragte den
Drachen:
„Sagt mal, Gwyn, irre ich mich, oder haben wir uns in
meiner Sprache mit Arathea unterhalten?“
„Nun, wenn ihr das meint, was ihr >deutsch< nennt, dann
irrt ihr wirklich. Aber ihr habt Recht, wenn ihr die Sprache
von Skataris meint.“ antwortete er.
„Ich dachte, die Trolle wären keiner normalen Sprache
fähig. Ilya unterhielt sich mit Norro doch immer nur in der
Zeichensprache.“
„Das ist richtig. Aber der Vet ist auch noch ein Troll der
ganz alten Generation. Er spricht aus Tradition nur die
Sprache der Alten. Die Jünglinge, wie Arathea, sprechen
meist mehrere Sprachen oder Dialekte, da sie hin und
wieder mit ihren Waren auf benachbarte Märkte ziehen
und dort die Sachen verkaufen. Außerdem meine ich
mich zu erinnern, dass Norro bei unserem Eintreffen
etwas davon erwähnte, dass Arathea vor einigen
Jahrzehenten schon einmal in den Diensten des Palastes
von Tolun stand. Deshalb spricht sie die Sprache so gut.“
Alex gab sich mit dieser Antwort mehr als zufrieden, und
genoss anschließend wieder den Flug auf dem
Drachenrücken, den er schon so lange vermisst hatte wie
er feststellen musste.
„Ilya wird sich sehr freuen, euch wieder zu sehen, Alex.“
begann Gwyndragsil auf ein Mal wieder die
Konversation, nachdem sie schon fast zwei Stunden
unterwegs gewesen waren.
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Ilya, ja. Alex hatte vorhin schon einmal an sie gedacht.
Doch auch Branda ging ihm nicht aus dem Kopf. Zu
lange war er mit der farbigen Soldatin zusammen, und zu
lange hatte es gedauert Ilya zu vergessen. Nein, nicht zu
vergessen, sondern zu verdrängen. Sie in den hintersten
Winkel seiner Gehirnwindungen zu verbannen, war
schwer genug. Sie zu vergessen? Unmöglich.
Und nun? Nun war er wieder hier und Ilya würde erneut
in sein Leben treten. Würde es wieder so lange dauern
bis er Branda in diesen Winkel seines Gehirn verbannen
konnte? Denn vergessen konnte er sie ebenso wenig wie
er Ilya vergessen konnte.
Wie sollte er sich nun der Frau die er einst so geliebt
hatte gegenüber verhalten? Würde sie wohl von ihm
erwarten dass er während seines Aufenthalts in diesem
anderen Raum und dieser anderen Zeit im Zölibat gelebt
hatte?
Doch dann stieg ihm ein Gedanke in den Kopf, dessen er
selbst nicht gedacht hatte. Hatte Ilya während seiner
Abwesendheit wohl mit Clark geschlafen? Er spürte den
Funken der Eifersucht in sich aufblühen, riss sich dann
aber wieder innerlich am Riemen und kam mit sich zu der
Übereinkunft, wahrscheinlich war es Ilya während der
ganzen Zeit nicht anders gegangen wie ihm, und so
beruhigte er sich langsam wieder. Es wird sich alles
klären, sagte er zu sich, und versucht sich wieder auf den
Flug zu konzentrieren.
„Hey, Drache an Reiter, Drache an Reiter. Seid ihr noch
da?“ rief Gwyndragsil von vorne.
„Wie? Ach ja. Ja ich bin noch da, Gwyn. Entschuldige
bitte, aber ich war eben in Gedanken.“
„Das habe ich bemerkt. Ich sprach von Ilya zu euch.
Erinnert ihr euch?“
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„Ilya, ja, ich erinnere mich nur all zu gut.“ Seine
Gedanken schienen wieder abzuschweifen.
„Sie war sehr besorgt um euch, und wachte lange Zeit an
der Röhre in die wir euch gesteckt hatten. Und ihr könnt
es mir glauben, sie war ganz schön verdutzt, als nicht ihr
aus der Röhre heraus kamt, sondern dieser Clark. Ich
meine natürlich euren Körper mit dem Geist von Clark.
Sie konnte ihn von Anfang an nicht richtig leiden. Nun,
nicht dass es direkt an ihm lag, und sie respektierte ihn.
unterstützte ihn, aber sie vertraute ihm nicht so wie sie
euch vertraut hatte. Er war einfach nicht ihr.
Und letztlich war sie auch der ausschlaggebende Grund,
weshalb wir vor knapp zwei Wochen hier her in die Berge
flogen, um an eurer Rückkehr zu arbeiten.“
Alex überlegte.
„Das ist alles erst zwei Wochen her?“
„Nun, nein nicht ganz. Dass wir hier her gekommen sind,
ja. Aber die Schlacht und das alles, liegt schon ein paar
Monate zurück.“ erklärte ihm Gwyn. „Wieso fragt ihr? Gibt
da Unterschiede zu der Zeit über die ihr euch in der
anderen Welt aufgehalten habt?“ hakte der Drachen
nach.
„Den gibt es, mein Freund. Und der ist nicht zu knapp.“
„Erzählt mir davon.“ bat sein geschuppter Freund.
„Noch nicht Gwyn. Ich denke, die anderen haben auch
ein Recht auf diesen Bericht. Meinst du nicht auch.“
„Nun, ich denke ihr habt recht.“
Und so zog sich der Flug durch dieses wunderbare aber
auch gefährliche Land Stunde um Stunde dahin. Sie
überflogen Berge und Täler, zogen an Flussläufen und
grünen Wäldern entlang, und wenn sie sich eine Rast
gönnten, dann landeten sie auf einem kleinen Flecken
Erde, der ihnen Schutz vor neugierigen Augen bot, der
aber auch genug Wasser und Nahrung versprach, so
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dass es ihnen an nichts mangelte. Wenn es Zeit war zu
Schlafen, rollte sich Gwyndragsil wie eine Schlange
zusammen und Alex suchte die kühle Düsternis unter
einem von Gwyns riesigen Flügel für die „Nacht“ in einem
Land auf, in dem nie die Sonne unter ging.
Zwischenzeitlich,
weit, weit entfernt in einer anderen Zeit und einer
anderen Galaxie...
„Nun, Mr. „Duck“, haben sie es sich überlegt, mir die
Wahrheit zu sagen?“ wollte Shak Nubal wissen.
Jason F. Clark lag zusammengekrümmt auf dem Boden
seiner kleinen Zelle und stöhnte unverständliche Worte.
Vor etwa einer halben Stunde war Nubal mit zwei
weiteren Wachen in den Zellentrakt gekommen, um zu
versuchen, Clarks Verstand endlich zu brechen. Man
hatte das Kraftfeld abgeschaltet, und die zwei Wächter
waren über ihn hergefallen wie räudige Straßenköter, die
sich mit einem Dritten um einen ergatterten
Futterbrocken balgten. Dummerweise hatte hier der
Dritte, nämlich Clark, nichts zu lachen, denn er war
derjenige, der die Hiebe zu spüren bekommen hatte.
Shak Nubal stand bei Jasons Füssen und wartete auf die
Antwort. Doch Clark stöhnte nur wieder und das machte
den Mann nur noch wütender. Jason versuchte sich ein
wenig aufzurichten, schien es aber nicht zu schaffen.
statt dessen bedeutete er Nubal mit der Hand, er möge
näher kommen. Zur Verdeutlichung seiner Unfähigkeit,
sich selbst zu erheben, spuckte Clark einen blutigen
Schleimbrocken auf den Boden neben seinem Kopf und
stöhnte erneut. Nubal sah sich gezwungen, sein Knie zu
beugen und sich zu dem Gefangenen hinab zu bücken,
um das Gestammel endlich verstehen zu können. Doch
als der Kommandeur der Rasool Ardehn sich nur noch
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wenige Zentimeter von Clarks Kopf weg befand, zuckte
auf ein Mal Jasons Hand unter seinem Körper hervor und
schlang sich um Nubals Hals. Der Druck seiner Finger
auf die Kehle des Mannes beraubte diesen jedweder
Möglichkeit, einen Laut von sich zu geben, oder
ausreichend nach Luft zu schnappen. Jason stemmte
sich und sein Opfer mit der freien Hand vom Boden hoch
und hielt es schützend vor sich. Die Wachen hatten
bereits bemerkt, dass etwas nicht stimmte, und wollten
ihrem Herrn natürlich helfen, doch Jason hielt sie auf
Abstand:
„Zurück mit euch, oder ich breche ihm das Genick!“
drohte er. Zur Verdeutlichung drückte er Nubals Kehle
noch ein wenig weiter zu, so dass dieser mit weit
aufgerissenem Mund nach Luft zu schnappen versuchte.
Die Wachen versuchte derweil eine geeignete
Schussposition gegenüber dem Gefangenen und seinem
Opfer einzunehmen, hatten aber keine Möglichkeit, da
die Zelle nur knapp zwei Meter breit war und sie ihren
Kommandeur ja nicht verletzen wollten.
„Sag ihnen sie sollen die Handschuhe ausziehen und
nach rechts an die Wand zurück gehen, oder du bist tot.“
raunte Jason in Nubals Ohr. Nubal krächzte einen
Befehl, doch die Wachen kamen ihm nur zögerlich nach.
Doch schließlich befolgten sie den Befehl ihres Herrn und
Meisters doch noch, und auf einen weiteren Befehl hin,
entledigten sich die Beiden auch noch ihrer silbernen
Overalls. Der metallene Geschmack von Blut auf den
Lippen, erinnerte Jason daran, wie die Zwei ihn vorhin
zugerichtet hatten, und er erwog kurz, es ihnen
heimzuzahlen. Doch er durfte den Bogen der Situation
nicht überspannen. Statt dessen beorderte er sie in die
Zelle, aus der er gerade entkommen war, stieß Shak
Nubal hinterher und drückte den Knopf für die
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Kraftfeldaktivierung.
Sofort
nachdem
er
Nubal
losgelassen hatte, sprangen ihm die Wachen entgegen,
doch ihr Versuch war vergebens. Das aktivierende
Kraftfeld warf die Beiden in die Zelle zurück und
schleuderte sie gegen ihren Herrn, der darauf in ziemlich
ungehaltener Weise mit Worten und mit seinen Fäusten
antwortete. Clark betrachtete sich die kleine Konsole am
Türrahmen, dort wo er das Kraftfeld eingeschaltet hatte.
Seinen Gefangenen sollte es ebenso gut gehen wie ihm,
und so schaltete er die Heizung an. Gut, die Temperatur
bei 54° Celsius einrasten zu lassen, war für einen Raum
mit nur zwei mal drei Metern ein wenig viel, aber dann
würden sie auch so richtig schön und lange im eigenen
Saft schmoren.
Ohne die Gefangenen eines weiteren Blickes zu
würdigen, schlüpfte er in einen der Overalls, dieser hatte
ein merkwürdiges Zeichen auf der Brust, setzte sich die
Maske auf und stellte den Kontakt zum Computer her.
Danach stülpte er sich die Handschuhe über und verließ
gemäßigten Schrittes den Gefängnistrakt. Eins zu Null für
ihn.
Auf dem Weg zu seiner eigentlichen Aufgabe, kam er
noch an einer Menge gut gefüllter Zellen vorüber, und er
überlegte kurz, die armen Leute daraus zu befreien, doch
dann verschob er dieses Vorhaben erst ein Mal in eine
Ecke seines Verstandes. Es wäre ja durchaus möglich,
dass die Gefangenen auf ihrer Flucht mehr
Aufmerksamkeit auf sich und ihn lenken könnten wie ihm
gerade jetzt lieb wäre.
Kurze Zeit später, hatte er wieder die Kreuzung erreicht,
wo er den Wachen in die Arme gelaufen war. Nun
erinnerte er sich auch langsam wieder an den Weg, den
er auf Snows Zettel beschrieben fand, und ging zügiger
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weiter. Die kleine Kommandozentrale die sein anderes
Ich ihm beschrieben hatte musste jetzt schon ganz in der
Nähe sein. Und tatsächlich, kam er soeben an eine
weitere Kreuzung, an der ein Schild in einer ihm
zunächst unbekannten Sprache hing, Doch die Maske
reagierte sofort und blendete ihm den Namen in einer
ihm verständlichen Sprache auf das Display. Jason war
wiedereinmal von der Technologie dieser Wesen
überrascht, und er dachte sich; was hatten diese
Außerirdischen wohl noch alles auf Lager.
Das
Display
zeigte
den
Namen:
Zentrale
Kraftfeldkontrolle. Dies war genau das war er suchte. Er
bog ab und stieß beinahe ein weiteres Mal mit ein paar
Wachen zusammen. Doch zu seiner Überraschung,
sprangen diese sofort beiseite und stellten sich in
Habtachtstellung an die Wand, um ihn passieren zu
lassen. Langsamer als zuvor setzte er seinen Weg an
ihnen vorüber fort, sah kurz hinüber zur Wand und nickte
anerkennend mit einer knappen Kopfbewegung, bevor er
durch eine rettende Tür am Ende des Ganges
verschwand. Die beiden Wachen lösten sich erleichtert
von der Wand und verschwanden im nächstgelegenen
Quergang.
Da Jason bislang noch keine andere Wache begegnet
war, hatte man Nubals Abwesendheit wohl noch nicht
bemerkt. Dann fiel ihm wieder das merkwürdige
Abzeichen auf seiner Brust auf. Er hielt kurz inne und
lenkte seinen Blick auf das Symbol. Da nicht gleich eine
Übersetzung angezeigt wurde, handelte es sich wohl
nicht um ein einfaches Wort, und so wies er den
Computer an, das Bild zu identifizieren. Die Erklärung
ließ nicht lange auf sich warten. Kirooh Shak Nubals, die
Leibwach, erschien auf dem kleinen Monitor in der
Maske, und ihm war klar, weshalb die beiden Männer da
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draußen so schnell aus dem Weg waren. Welcher
normale Wachmann wollte sich schon mit der Leibwache
des obersten Führers ihres Volkes anlegen. Jason
grinste, Zwei zu Null für ihn.
Dann erreichte er endlich die kleine Kontrollzentrale, von
der aus alle Kraftfelder auf der Rasool Ardehn gesteuert
werden konnten. Ein Wachposten mit einer Waffe im
Arm, stand vor dem Zugang und blockierte ihm den Weg.
Der Mann hatte auch ein Abzeichen auf der Brust, und
da wusste Jason, dass er es hier nicht mit einem
normalen Wachmann zu tun hatte. Auch die Tatsache,
dass dieser hier eine richtige Waffen im Arm hielt und
sich nicht auf die Kraft seiner Strahlenhandschuhe, die er
ebenfalls trug, verlies, ließen Clarks Alarmglocken im
Kopf aufläuten. Dann stellte der Mann auf ein Mal seine
wohl schon so oft gestellte Frage, nach dem Zweck von
Jasons Hier sein. Gerade in dem Moment, als er dem
Mann eine passende Antwort geben wollte, kam die
Übersetzung des Abzeichens, das der Wachmann auf
seiner Brust trug.
„Spezialwachschutz“ hieß es, und da folgte auch schon
die Erklärung: „Diese Wachmannschaft ist ähnlich wie die
Leibwache des Meisters, nur diesem untertan und hat
von niemandem sonst Weisungen zu empfangen, es sei
denn, sie kommen von Shak Nubal persönlich.“
Aha, dachte sich Clark und sprach:
„Unser Herr und Meister, Shak Nubal, schickt mich. Lasst
mich also durch.“ sein Tonfall hatte etwas energisches,
forderndes an sich, mit dem er hoffte, sein Gegenüber
etwas einschüchtern zu können.
„Er schickt seinen Leibgardisten persönlich? Was ist euer
Anliegen?“ wollte der andere aber wissen.
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„Eine Überprüfung hat ergeben, dass das Kraftfeld zu
seinem Privathangar fluktuiert. Meinem Herrn zieht es ins
Kreuz wenn er an seinem Schreibtisch sitzt.“
Jason konnte förmlich durch die Maske des anderen
sehen, wie seine Augen einen ungläubigen Ausdruck
annahmen. Seine Lüge half nichts. Der Mann wollte
soeben die Waffe in Anschlag bringen, da hatte Jason
auch schon reagiert. Er drehte sich um die eigene Achse
und schlug dem Mann mit der nachgezogenen Faust
derart hart gegen die Maske die sein Gesicht verdeckte,
dass diese in mehrere Teile zerbrach und von seinem
Kopf gegen die nächste Wand flog. Die beschädigte
Maske hatte dem Mann das Gesicht zerkratzt und nun
sickerte dunkelrotes Blut über seine Wangen. Die Nase
hatte einen unschönen Knick bekommen, und war wohl
gebrochen. Clark setzte nach und kickte ihm die Waffe
aus den Händen. Das war keine besonders gute Idee,
denn nun hatte der Wachmann die Hände frei, und schon
schoss ein gleißend heller Lichtstrahl an Jasons Kopf
vorbei. Dieser duckte sich, trat zwei Schritte nach vorn,
und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den
anderen. Ein lautes Zischen aus dessen Mund zeigte
ihm, dass sein Angriff Wirkung gezeigt, und dem Mann
die Luft aus den Lungen getrieben hatte. Doch auch die
Wache blieb nicht untätig, und schlug plötzlich wie wild
um sich. Scheinbar hatte Clarks Ramme doch nicht ganz
die gewünschte Wirkung erzielt die er sich erhofft hatte.
Jason wehrte die Schläge so gut es ging ab, aber hin und
wieder trafen sie ihn auch, und er musste feststellen,
dass ihn die Tortour in der Gefängniszelle doch mehr
mitgenommen hatte als er zunächst dachte. Wenn das
hier noch eine Weile so weiter ginge, dann würden mehr
und mehr Wachen auftauchen und er würde wieder dort
landen, wo er vor Kurzem hergekommen war. Er musste
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das hier beenden, und zwar schnell. Nur mit Mühe,
konnte er soeben einen Schlag gegen sein Gesicht
abwehren. Dadurch wurde eine Lücke frei, in welche er
blitzschnell seinen Ellbogen rammte. Er traf genau auf
die bereits gebrochene Nase. Tränen schossen dem
Wachmann in die Augen und er musste seine
Gegenwehr auf Grund der heftigen Schmerzen
aufgeben. Dadurch trafen ihn zwei weitere Haken und er
ging besinnungslos zu Boden. Jason rappelte sich hoch,
griff sich das Gewehr des Mannes und betätigte den
Öffnungsmechanismus neben der Tür. Die Waffe im
Anschlag, duckte er sich hinter den kleinen Vorsprung,
den der Türrahmen bot und erwartete den Angriff der
Besatzung der Kraftfeldzentrale. Doch statt dessen
erwartete ihn nur ein weiterer, schmaler Gang, der nach
wenigen Metern wieder vor einer Türe endete. Da sich
dort nichts weiter rührte, packte er den Wachmann und
zog ihn mit sich in den Gang. Er sammelte auch die
Reste der zerstörten Maske ein und warf sie dem
Bewusstlosen auf den Schoß. Eilenden Schrittes begab
er sich zu der noch geschlossenen Tür und betätigte
auch dort den Schalter. Mit einem Zischen zog sich die
dicke Tür in die Wand zurück und gab den Blick in einen
kleinen nach rechts abgewinkelten Raum frei, der sich
mit einer breiten Fensterfront hoch über einem der
Verladedocks der Rasool Ardehn befinden musste. Die
Waffe wieder im Anschlag, betrat er den Raum und da
kam ihm auch schon eine Person in einem silbernen
Overall entgegen. Es war eine Frau, und sie trug weder
die Handschuhe, noch eine dieser Computermasken. Sie
machte eine ausgezeichnete Figur in diesem silbernen
Outfit, und ihre Körperformen konnten einen Mann
durchaus schwach werden lassen, doch Jason ließ sich
nicht beirren und drängte sie mit vorgehaltener Waffe in
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den Raum zurück. Ihr Gesicht hatte weitestgehend
menschliche Züge, nur ihre Ohren und die Augen
deuteten auf außerirdische Herkunft hin. Ihre
Ohrmuscheln liefen diagonal in einer geraden Linie am
Kopf entlang und verschwand am Hinterkopf in einem
schmalen Bogen unter ihrem rötlich schimmernden Haar.
Nach vorne zum Kinn hin, flachten die direkt an der
Wange sitzenden Ohrläppchen wie ein Spoiler ab. Dies
verlieh ihrer schmalen Kopfstruktur eine elegante Breite.
Auch die Nase wirkte nicht wie sonst bei einem
Menschen, sondern sie erhob sich in ihrem Gesicht wie
ein sanft ansteigender Hügel, der zu den Lippen hin ein
klein wenig steiler wieder abfiel. Ihre Augen schienen nur
schmale Schlitze zu sein, die sich bei ihrer Begegnung
aber ein klein wenig geöffnet hatten.
Ihr Gesichtsausdruck spiegelte Angst und Verwirrung
wieder, aber dennoch tat sie wonach er verlangte.
Der Raum insgesamt, beschrieb ein halbes Achteck,
unter
dessen
Fensterfront
sich
jede
Menge
elektronischer Schnickschnack zur Überwachung der
einzelnen Kraftfelder auf dem Stadtschiff befand. Einige
Schritte weiter, traf Clark auf zwei weitere Personen. Ein
Mann von unscheinbarem Äußeren, klein und etwas
pummelig, und eine weitere Frau. Der Mann bewegte
sich ein wenig merkwürdig, und er schien große Angst zu
haben. Fast schon automatisch, wich er mit jedem
Schritt, den Clark näher kam, selbst einen zurück, bis er
schließlich an eine der Konsolen stieß und erschrocken
herum fuhr.
„Keine falsche Bewegung!“ befahl Jason und schob die
Leute weiter nach hinten in den Raum.
Die zweite Frau im Kontrollzentrum schien ihre besten
Jahre schon hinter sich zu haben, denn Jason schätzte
ihr Alter auf gut sechzig Jahre. Ihr Haar war bereits weiß
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verfärbt und ihre Haut faltig wie ein Stück
ausgetrocknetes Leder. Ihre immer noch schlanke Figur,
gab ihr dafür noch immer den Anschein von Jugend und
Agilität. Irgend wie hatte Clark bei ihr das Gefühl, sie
würde ihm noch Ärger bereiten. Ihre Augen schienen das
zu verraten, denn sie blickten immer wieder verstohlen in
der Gegend herum. Dann, als habe er es nicht schon
geahnt, blieb die alte Frau auf ein Mal stehen und wand
sich zu ihm um.
„Was will Nubals Leibgardist hier?“ fragte sie plötzlich
und mit einem recht barschen Ton.
Jason wunderte sich ein wenig über diese Frage. Gut, er
trug die Uniform von Nubals Männern, aber glaubte diese
Frau wirklich daran, dass das Oberhaupt der Rasool
Ardehn einen einzelnen Mann mit einer Strahlenkanone
bewaffnet, oder was auch immer das für eine Waffe war
die er da in seinen Händen hielt, in einen Kontrollraum
des Schiffes beorderte, um die Mitarbeiter dort gefangen
zu nehmen?
„Wir suchen einen Flüchtigen.“ log er. „Möglicherweise
hält er sich hier versteckt.“
„Außer uns dreien ist sonst niemand hier. Sie können
ganz beruhigt wieder gehen, Kirooh. Das ist doch ihr
Rang, nicht wahr?“ meinte die Weißhaarige, nun mit
milderer Stimme.
„Äh, ja. Ich würde mich trotzdem gerne selbst davon
überzeugen, wenn es ihnen recht ist. Treten sie bitte ein
wenig zur Seite.“
Der ängstliche Mann verkroch sich sofort unter der
Konsole, an die er zuvor gestoßen war, und die junge
Frau rückte knapp daneben ebenfalls zur Seite. Die Alte
jedoch wich nicht beiseite, nein, sie stellte sich Clark
direkt in den Weg und meinte:
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„Ihr seid kein Kirooh. Kirooh ist eine Sache und kein Amt.
Ihr seit nicht einmal ein Leibgardist. Hab ich recht?“
„Ihr habt recht, und wenn ihr überleben wollt, dann tut ihr
das was ich euch sage. Verstanden?“
„Ja, aber ich werde nicht kooperieren. Wenn ihr etwas
von mir wollt, dann müsst ihr es euch selbst holen.“ mit
diesen Worten endete ihre Konversation und die alte
Frau gesellte sich zu ihren Kollegen. Jason ging um die
Drei
herum
und
inspizierte
den
Rest
des
Kontrollzentrums. Nachdem er sicher war, dass es
keinen weiteren Zugang mehr gab, trat er wieder zu den
Gefangenen und richtet die Waffe direkt auf die alte Frau.
Sie sog zischend die Luft ein, doch Clark wollte gar
nichts von ihr, sondern beugte sich nach unten und zog
mit der freien Hand den Angsthasen unter der Konsole
hervor. Der Dicke zitterte wie ein ängstliches Karnickel,
das man zum ersten Mal aus dem Stall genommen hatte,
um es besser streicheln zu können. Jason packte ihn am
Genick und zog ihn ein Stück mit sich.
„Keine Angst, ich tue ihnen nichts.“ versuchte er ihn zu
beruhigen. Doch das half nicht viel. Plötzlich erregte eine
Bewegung zu seiner Rechten seine Aufmerksamkeit. Die
Alte hatte irgend welche Schalter betätigt. Jason trat
einige Schritte auf sie zu und drückte ihr den Lauf der
Waffe direkt unter die Nase.
„Was haben sie da gemacht?“ fragte er drohend.
„Ich? Gar nichts. Sie müssen sich geirrt haben.“ log sie.
„Haltet ihr mich für dumm?“ er zog den Mann am Kragen
herum, so dass nun alle drei direkt in einem kleinen
Halbkreis vor ihm standen. Er überlegte was er nun tun
sollte. Dann kam ihm eine Idee.
„Habt ihr hier Kabelreste für Reparaturen herumliegen?“
Die junge Frau zuckte mit den Schultern, aber der Mann
versuchte etwas zu sagen. Doch leider kam er nicht mehr
21
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dazu, denn in diesem Moment ragte der Griff eine
langen, dünnen Werkzeuges aus seiner Brust heraus.
Das war es also, was die Alte auf der Konsole
herumgefingert
hatte.
Jason
ließ
den
leblos
zusammengesackten Mann zu Boden gleiten und war
durchaus nicht abgeneigt, der betagten Frau eine
mächtige Ohrfeige zu verpassen. Doch er zog seine
bereits ausholende Hand wieder zurück und fragte statt
dessen:
„Wieso? Ihr hättet nicht zu befürchten gehabt, hättet ihr
nur kooperiert.“
Er sah zu der jungen Frau, die mit schreckgeweitetem
Gesicht auf den Toten zu ihren Füßen starrte, und stieß
sie mit der Waffe an. Sie sah zu ihm auf.
„Hey! Ihnen wird nichts geschehen. Los, holen sie mir die
Kabel, oder was sie sonst so finden, womit man
jemanden fesseln kann.“
Sie schien ihn zu verstehen, denn sie nickte und setzte
sich langsam in Bewegung. Jason ließ sie nicht aus den
Augen. Genau wie die ältere der Beiden. Zwei Minuten
später kam sie mit einem Bündel von Kabeln, Schnüren
und Drähten in verschiedenen Längen und Stärken
zurück. Clark bedeutete ihr, dass sie die Ältere mit einem
Strick fesseln sollte, aber da sich die alte Frau permanent
beschwerte, drückte er ihr darauf hin ein blutiges Stück
silbernen Stoffes, den er vom Overall des Toten riss, in
den Mund. Dann legte er sie so neben den Mann, dass
sie ständig in seine von Ungläubigkeit geweiteten toten
Augen sehen musste.
Im Anschluss daran, musste die junge Frau auch noch
den Wachmann aus dem Gang vor dem Kontrollraum
herein bringen und ihn ebenfalls fesseln und knebeln. Er
kam bereits wieder zu sich, und Jason wollte nicht das
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- 23 -
Risiko eingehen, dass er aus dem Flur verschwand und
weitere Hilfe mitbrachte.
Dann ließ er sich von ihr die einzelnen Bereiche die man
mit den Konsolen kontrollieren konnte erklären.
„Wie kann ich herausfinden, wie weit dieses Schiff noch
von seinem Ziel entfernt ist.“ fragte er danach.
„Hm, normalerweise gar nicht. Wie ihr dort draußen,
hinter dem Kraftfeld vielleicht erkennen könnt, befinden
wir uns noch immer im Hyperraum. Solange die Rasool
Ardehn nicht wieder den normalen Raum erreicht hat,
können die Kraftfelder nicht deaktiviert werden. Oder sie
gehen in den Hauptkommandoraum im oberen Teil der
Kuppel. Aber dort sind sehr viele Männer beschäftigt.“
erklärte sie ihm.
„Und was ist mit Nubal? Er hat doch bestimmt seinen
ganz privaten Hangar, nicht wahr?“ er fragte dies, weil
ihm gerade seine Lüge von vorhin wieder eingefallen
war, und er es eigentlich für logisch hielt, dass ein Mann
wie Shak Nubal immer einen Fluchtweg für sich offen
hält.
Die Frau überlegte kurz, dann meinte sie auf ein Mal:
„Ja, ich glaube, bei ihm gibt es eine Ausnahme. Ich hörte
einmal, wie Omna-Ko davon sprach.“ Omna-Ko war die
alte Frau, die gefesselt zu ihren Füßen lag, und die junge
Frau deutet auf sie. „Sie war die einzige, die sich um
diesen Bereich des Schiffes kümmern durfte. Ihre
Konsole ist dort drüben.“ wies sie dann mit dem Finger
darauf. Die beiden gingen darauf zu, mussten aber Acht
geben, dass sie nicht über die Beine der Gefesselten und
des Toten stolperten.
Die Konsole wies zweierlei Kraftfelder aus. Eines das
zum Eingangsbereich der Gemächer von Shak Nubal
gehörte und eines, das an der Außenseite der Rasool
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Ardehn den kleinen Privathangar vor den Unbilden des
Alls schützte.
„Gibt es eine Möglichkeit, schnell und ungesehen von
hier aus zu seinem Hangar zu kommen?“ fragte er sie.
„Das... das darf ich euch nicht sagen. Ich riskiere hier
schon Kopf und Kragen damit, dass ich euch diese
Konsole gezeigt habe. Aber ich konnte nicht anders. Wie
konnte Omna-Ko Reed K-thal nur so kaltblütig
ermorden? Ihr hättet sie besser ebenfalls töten sollen.
Wenn ihr fort seid und ich sie losbinde, wird sie mir die
ganze Schuld zuweisen und dann kann ich für die
nächsten Jahre in einer der zahlreichen Mienen auf
einem Asteroiden nach brauchbarem Erz schürfen.
Früher war ich Pilotin, doch dann habe ich mich gegen
einen Befehl gewehrt und ihn nicht ausgeführt. Darauf
hin wurde mir die Flugerlaubnis entzogen und ich musste
2 Jahre lang in den Verladedocks hier unter uns arbeiten.
Diese Stelle habe ich erst vor kurzem erhalten.“ erzählte
die Frau.
„Wie ist euer Name?“ wollte Jason unberührt wissen.
„Man nennt mich Niora-Dal.“
„Na gut, Niora. Ich mache euch nun ein einmaliges
Angebot. Ihr könnt es ablehnen, hier bleiben und
abwarten was mit euch geschieht, oder ihr nehmt es an
und kommt mit mir.“
„Was habt ihr denn vor? Wollt ihr denn nicht nur von
diesem Schiff fliehen?“
„Ja und nein. Shak Nubal hat mit meinem Volk eine
ernsthafte Auseinandersetzung begonnen, die bereits
Hunderte von Menschen und anderen Lebewesen das
Leben gekostet hat. Wisst ihr, wohin er gerade mit uns
allen hier fliegt?“ Sie wusste es natürlich nicht, und
schüttelte den Kopf. „Er hat vor einigen Tagen eine
Karawane mit seinen eigenen Leute zerstört, die mit
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einem mit uns befreundeten Volk Handel betrieb. Dieses
Volk hatte uns Menschen um Schutz bei dieser
Transaktion gegeben, da wir in unserer Galaxie einem
Bündnis
verschiedener
Völker
angehören,
die
miteinander aber auch mit anderen, nicht angehörenden
Völkern Handel treiben. Versteht ihr das?“
„Ich denke schon. Aber weshalb habt ihr euch denn nicht
gewehrt?“
„Weil
unsere
Schiffe
diesem
hier
nichts
entgegenzusetzen haben. Und deshalb bin ich hier. Ich
muss versuchen dieses Schiff aufzuhalten, bevor es in
den erdnahen Sektor gelangt, und dort alles zerstört,
bloß weil Nubal irgendwelchen Wahnvorstellungen
hinterher hängt, die ihn glauben machen, er müsse dies
tun.“
„Und wie wollt ihr das machen? Wie viele von euch
befinden sich hier auf dem Schiff?“ wollte Niora wissen.
„Tut mir leid, aber dass kann ich euch nicht sagen. Aber
ihr könntet mir zeigen, wie ich zu Nubals Gemächern
kommen.“ er wand den Blick von ihr ab und betrachtete
sich das stete Kommen und Gehen in der großen
Verladestation unter sich. Bis jetzt schien man Nubals
Abwesendheit noch nicht bemerkt zu haben, oder es war
noch nicht bis hier her durchgedrungen. Das war gut so,
denn nun konnte er sich wieder voll und ganz auf seine
Aufgabe konzentrieren.
„Gut, ich werde euch begleiten, und ich werde euch den
Weg zu seinem Hangar zeigen, wenn ihr mich mit euch
nehmt.“
Er schaute auf die Konsole vor sich, Nubals Konsole. Mit
einem Tastendruck deaktivierte er das Kraftfeld, das den
Eingangsbereich zu Nubals Gemächern blockieren
konnte. Er wusste, dass alle Kraftfelder ebenso gut von
den jeweiligen Startrampen aus bedient werden konnten,
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- 26 -
aber nur von hier aus, konnte man diese Bedienung, zum
Beispiel durch Unbefugte wie ihn, blockieren.
„Ich denke, das geht in Ordnung. Kommt, gehen wir.“
forderte Jason Niora auf. Sie sah sich darauf hin noch ein
Mal in dem Raum um, und wurde sich eines bitterbösen
Blickes von Omna-Ko bewusst. Sie würdigte dies jedoch
nicht weiter, sondern verließ mit Clark den Kontrollraum.
Nachdem sie die zweite Türe des kurzen Durchganges
passiert hatten, blieb Jason stehen und meinte:
„Warte hier, ich muss noch einmal zurück. Bin sofort
wieder da.“ und schon schloss sich das Schott hinter ihm.
Niora wunderte sich ein wenig, dachte sich aber nichts
weiter dabei. Das Tröten eines Alarmsignals das plötzlich
durch die Gänge jaulte, riss sie aus ihren Gedanken, und
noch bevor sie sich überlegen konnte, was sie nun tun
sollte, kam Jason bereits wieder aus dem Kontrollraum
zurück.
„Was ist passiert?“ fragte sie ihn.
„Keine Ahnung. Vielleicht haben sie entdeckt, dass ich
aus meiner Zelle entflohen und dafür Shak Nubal und
seine zwei Leibwächter darin eingesperrt habe.“ log er.
„Wir sollten schnellstmöglich von hier verschwinden!“ rief
er ihr zu, denn eine gewaltige Explosion erschütterte das
riesige Schiff.
„Ja gut. Es ist nicht sehr weit.“
Clarks Weg zurück in den Kontrollraum, hatte ihn
natürlich nicht wegen eines vergessenen Gegenstandes
dort hin geführt. Nachdem er das zweite Schott ein
weiteres Mal durchschritten hatte, begab er sich zu den
beiden am Boden liegenden Personen und zog diese bis
an die Wand zurück. Dann eröffnete er mit der
erbeuteten Waffe das Feuer auf sämtliche Konsolen vor
ihm und zerstörte somit die Kraftfeldkontrollen. Kleinere
Explosionen
und
ein
sprühender
Funkenregen
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- 27 -
begleiteten das Alarmsignal das soeben ertönte. Er warf
einen kurzen Blick hinaus in den unter dem Kontrollraum
liegenden Verladehangar und sah wie sich soeben das
riesige Kraftfeld abschaltete. Das Vakuum des
Hyperraumes sog die Luft aus dem Hangar so schnell
ab, dass die Leute die dort gearbeitet hatten, keine
Möglichkeit mehr bekamen, sich ihren Schrecken von der
Seele zu schreien. Ihre Körper wurden wie auch die
Schiffe und die Waren die sich in diesem Hangar
befunden hatten, wild durcheinandergewirbelt in den
luftleeren Raum hinaus gezogen und verschwanden in
der Unendlichkeit des Alls. Dann kehrte er zu Niora
zurück.
Sie rannten durch die Gänge, immer bemüht, nicht in
einen der Hangare zu gelangen. Sie mussten sich
beeilen, denn es würde bestimmt nicht mehr lange
dauern, bis die Rasool Ardehn durch den Unterdruck
völlig zerstört werden würde.
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Kapitel 2: Heimkehr
„... Commander Clark stieg in das Shuttle der Alamak
und flog auf einem Zick-Zack-Kurs durch das
Asteroidenfeld zu dem riesigen Schiff hinüber. Er war der
Meinung, dass der Plan dieses Schiff ebenso zerstören
zu können wie das, dass uns nach unserem unliebsamen
Austritt aus dem Hyperraum gefangen nahm, gut sei.
Naja, den Rest kennen sie ja selbst, Sirs.“ beendete
Sergeant Deveraux ihren Bericht. Man hatte ihr nach
ihrer Rückkehr auf die Perseús einen Tag Zeit gegeben
sich zu erholen, doch dann war sie von ihrem
diensthabenden Offizier zur Berichterstattung zitiert
worden.
Markus Shigerah kaute wie immer auf seinem kalten
Zigarrenstummel herum. Er hatte sich in den letzten 24
Stunden einiges mehr als nur Deverauxs Bericht anhören
müssen, und war nicht eben gerade bester Laune. Sein
Blick hatte die Untergebene während ihrer letzten Worte
stark fixiert, was darauf schließen lies, dass er durchaus
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- 29 -
zugehört hatte. Aber hatte er es auch verstanden? Dieser
Gedanke ging soeben auch Branda durch den Kopf.
Doch andererseits, dachte sie sich dann, kann es mir ja
egal sein. Er war schließlich der Captain hier. Doch dann
sprach er:
„Wissen sie, Sergeant, hätten sie mir diese Story vor
einigen Wochen erzählt, hätte ich ihnen wahrscheinlich
kein einziges Wort geglaubt. Aber nachdem, was wir
vorgestern dort draußen erlebt haben, bin ich jedem
Bericht über fremde Welten und fremde Wesen
gegenüber aufgeschlossener denn je. Wie geht es ihnen
heute?“
Diese Frage überraschte Branda nun doch ein wenig.
„Es... es geht mir soweit ganz gut, Captain, danke. Darf
ich fragen, was nun weiter geschieht?“
Die Antwort kam von Lt. Commander Don Marshall:
„Nun, das ist noch nicht ganz klar, Sergeant. Sie sollten
sich jedenfalls erst mal noch ein paar Tage ausruhen, Ab
Montag gehen sie dann wieder ihrem normalen Dienst
nach. Sie können wegtreten.“
Branda nickte und wollte schon gehen, doch da wand sie
sich noch ein Mal um:
„Und was wird aus Clark?“
Marshall und Shigerah wechselten einen nichtssagenden
Blick.
„Der Commander handelte auf eigene Veranlassung hin.
Wenn er es tatsächlich geschafft haben sollte, ganz
alleine dieses Schiff zu zerstören, dann wird er als
gefeierter Held in die Geschichte eingehen. Wenn nicht,
... dann werden wir das wohl bald bemerken. Wir
benötigen fast viereinhalb Monate für die Heimreise, und
ich will hoffen, das wir noch genügend Zeit haben,
unsere Truppen zu mobilisieren, bevor dieses Ungetüm
in unseren Sektor einfliegt. In der Zwischenzeit
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analysieren die Wissenschaftler an Bord die von Ihnen
gesammelten Daten und untersuchen sowohl sie als
auch die von ihnen eingesammelten Gegenstände und
Früchte.
Ich werde ihren kommandierenden Offizier anweisen,
dass er sie ohne Umstände gehen lässt, wenn man
Fragen an sie hat. Ach ja, und noch eins. Marshall hier
hat sie für eine Beförderung vorgeschlagen. Ich habe
dem zugestimmt. Herzlichen Glückwunsch, Lieutenant!“
Shigerah reichte ihr die Hand und gratulierte ihr, und
damit war das Gespräch beendet und Branda verließ den
Raum. Draußen warteten Regina Meyer, Andrea Taylor
und Yashida Tanaka auf sie. Sie hatten schon gestern
ihren Bericht abgeben müssen und wollten nun wissen
was bei ihrer Unterredung weiter entschieden worden
war. Doch Branda musste sie da ebenso vertrösten wie
man es mit ihr gemacht hatte. Man erwartete nun von
ihnen, wieder an die Arbeit zu gehen und zu tun als ob
nichts gewesen wäre. Aber konnten sie das so ohne
Weiteres? Wollten sie es überhaupt? Branda dachte an
Alex und wie es ihm nun wohl ginge. Hatte ihn sein
Drachen schon in die Welt zurück geholt, aus der er
gekommen war? Hatte man den Verstand von
Commander Clark wieder in dessen Körper transferieren
können, oder war das Shuttle nur besetzt mit einer
leeren, menschlichen Hülle in einen der Hangare des
Stadtschiffes gezogen worden, ohne einen Versuch zur
Zerstörung dieser Bedrohung wahrgenommen haben zu
können? Viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Zu
viele. Sie verabschiedete sich für diesen Tag von ihren
Gefährten und begab sich zurück in ihr Quartier. Sie
wollte jetzt einfach ein wenig allein sein.
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Deveraux lag schon einige Zeit auf ihrer Koje und hatte
über all das was geschehen war noch einmal
nachgedacht. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie
Snow hatte alleine mit dem Alamakshuttle losfliegen
lassen. Doch dann dachte sie daran, was Alex ihr über
die Sache mit dem Zauber des Drachen erzählt hatte.
zuerst war ihr damals in den Sinn gekommen, er wolle
sie nur auf den Arm nehmen. Aber sie kannte ihn besser.
Es war sein voller Ernst. Was wäre nun geschehen, wenn
sie selbst zu dem Zeitpunkt da dieser Zauber auf Alex
wirken sollte, in seiner Nähe, sprich im selben Shuttle
gewesen wäre? Und vor allen Dingen, wie hätte
Commander Clark auf ihre Anwesendheit reagiert? Nun
ja, für ihn wäre es womöglich gar nicht so schlecht
gewesen, hätte sie ihm doch ausführlich schildern
können, was bis Dato geschehen war. Doch ihr hätte es
nicht geholfen. Clark, auch wenn er wieder in seinem
Körper war, wäre nie so gewesen wie Alex.
Müdigkeit überkam sie bei all den verwirrenden
Gedanken und so schloss sie die Augen und schlief
schon bald fest ein.
Am nächsten Morgen stand sie mit einer ungewöhnlich
fröhlichen Stimmung schon sehr früh auf. Eilig packte sie
ihre Trainingskleidung in einen Beutel und machte sich
auf den Weg ins Trainingsstudio des Schiffes. Als sie
dort ankam, wunderte sie sich, dass noch kein Licht
brannte. Sonst, so glaubte sie sich zu erinnern, war hier
um diese Zeit schon reges Treiben im Gange. Besonders
einige Piloten und Techniker, die besonders merkwürdige
Arbeits- und Dienstzeiten hatten, tummelten sich um
diese Zeit schon an den Geräten. Doch das war ihr heute
egal. Vielleicht hatte es ja eine Planänderung für diese
31
- 32 -
Leute gegeben. Bei den Marines wusste man das ja nie
so genau.
Fröhlich vor sich hinsummend zog sie ihre
Trainingssachen an, verstaute den Beutel und ihre
Kleidung in einem Spind und ging in die große Halle
hinaus. Sie betätigte den Lichtschalter neben der Türe
und schrak zurück.
„Herzlich willkommen zurück, Branda!“ riefen da
mindestens dreißig Leute, die sich im Dunkeln versteckt
gehalten hatten. Ein Großteil davon waren Schüler und
Schülerinnen
ihres
und
Snows
Selbstverteidigungskurses, Der Rest waren eben jene,
über deren Abwesendheit sie sich gerade noch
gewundert hatte. Branda lachte.
„Ihr Verrückten. Wie könnt ihr mich am frühen Morgen
nur so erschrecken. Aber das ist sehr nett von euch.
Vielen Dank.“
Sie trat zu ihnen und plauderte ein wenig mit diesem
oder jenem, doch dann klatschte sie in die Hände, und
trieb die Leute an, endlich ihr Training aufzunehmen. Sie
selbst bestieg ein Laufband und joggte erst einmal einige
Kilometer. Später würde sie dann den ersten Kurs in
Sachen Selbstverteidigung wieder aufnehmen, und wie
sie gerade dabei war sich Gedanken darüber zu machen,
was sie mit all den Leuten die Alex unterrichtet hatte,
machen sollte, betrat Tanaka den Trainingsraum.
Er sah sich um und entdeckte Deveraux auf einem Gerät,
das es ihr ermöglichte, schnell zu laufen, ohne sich aber
von der Stelle zu bewegen. Sie winkte ihm zu. Höchst
fasziniert trat er zu ihr.
„Ohio gosai mas, Branda san.“ begrüßte er sie.
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- 33 -
„Guten Morgen... Tanaka san. Was... was führt euch hier
her?“ begrüßte auch sie ihn, ohne jedoch in ihrem Lauf
inne zu halten.
„Oh, ich entdecke gerade die Geheimnisse dieses
Schiffes.“ erklärte er ihr. Branda gab nur ein erstauntes
Geräusch von sich und lief weiter.
„Und, habt ihr schon welche gefunden?“ fragte sie kurz
darauf.
„Oh ja. Diese ganze Schiff ist ein großes Geheimnis für
mich. Alex san hat euch bestimmt von mir erzählt, nicht
wahr?“ Branda nickte bestätigend. „In meiner Welt gab
es solche Maschinen nicht. Nur einfache Leute, Bauern
und Soldaten. Die Feudalfürsten mit ihrem Shogun und
ihren Samurai beherrschten alles in unserem Land. Ich
war ein ehrenwerter Samurai. Angesehen und loyal zu
meinem Shogun. Er vertraute mir einst eine ganze Armee
an um gegen seinen Widersacher Tori in den Krieg zu
ziehen. Ich habe ihn nicht enttäuscht.“ er senkte das
Haupt und Branda bemerkte, dass den alten Mann etwas
bedrückte. Sie beendete ihr Laufen, wischte sich mit
einem Handtuch den Schweiß vom Gesicht und trat zu
ihm.
„Ich bin zwar alt, aber ich bin immer noch ein guter
Krieger. Die Spiele von Xotha haben mich fit gehalten,
aber hier, hier vertraut man mir nicht. Eure Herrscher
sagen ich sei zu alt um als Soldat zu dienen. Doch was
soll ich den ganzen Tag lang tun? Eure Bücher kann ich
nicht lesen, und in diesem merkwürdigen Gerät in
meinem Quartier, das mit den laufenden Bildern, ihr
nennt es Fernsehen, kommt nur Unsinn.
Und ich habe kein Schwert, um mein Leben ehrenvoll zu
beenden.“
Branda erkannte, dass dieser Mann sein Leben lang
gekämpft und gedient hatte und ihm hier auf der Perseús
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- 34 -
nun jeglicher Verantwortung entzogen war, da kam ihr
eine Idee.
„Wisst ihr was das hier ist, Tanaka san?“ sie machte eine
ausholende Bewegung mit den Armen, so dass diese
den ganzen Trainingsraum mit einbezog.
„Eurer Atmung und eurem Herzschlag zu folge, wird
dieser Raum dafür benutzt um sich und seinen Körper
gesund und stark zu machen oder die Stärke aufrecht zu
erhalten.“ meinte er und wandte seinen Blick von dem
muskelbepackten Mann rechts von sich, der mit einer
schweren Hantel seinen gewaltigen Bizeps trainierte,
wieder zu Branda.
„Ja, das ist richtig. Aber nicht nur das. Wir haben auch
noch eine große Halle, gleich hier nebenan, wo Alex und
ich in den vielen Wochen vor unserer Ankunft auf Xotha,
jedem der daran Interesse hatte, die Kunst der
Selbstverteidigung, sowohl mit wie auch ohne Waffen
beigebracht haben. Dieser Unterricht war sehr beliebt.
Kommt.“ Sie ging in Richtung einer Tür und Yashida
folgte ihr. Die breite Eisentür schob sich mit einem
Zischen und ohne zutun von Deveraux in die rechte
Wand und gab den Blick in einen ebenso breiten Gang
mit langen Glasfenstern frei. Rechts vom Gang befand
sich eine Art Büro. Ein Schreibtisch, ziemlich
unaufgeräumt und einige Schränke mit Ordnern standen
dort herum. Gegenüber konnte man durch die Fenster
aufeinandergestapelte Matten, einen großen Korb voller
Bälle der verschiedensten Art und einzelne an der Wand
aufgehängte Sportgeräte erkennen.
„In etwas mehr als einer Stunde, habe ich einen Kurs für
Selbstverteidigung. Zeitgleich würde Alex eine andere
Gruppe trainieren, doch Alex ist nicht da.“ Sie betraten
die große Halle und auf eine Wink mir der Hand,
erwachte die Deckenbeleuchtung zum Leben.
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„Ich kann nicht alle gleichzeitig unterrichten, Tanaka san.
Ihr wart euer Leben lang ein Krieger. Würde es euch
etwas ausmachen Snows Unterricht zu übernehmen bis
er wieder da ist?“
Tanaka blieb stehen und sah sie an. Innerlich freute er
sich sehr über das Angebot. Branda Deveraux hatte ihm
nichts befohlen oder einfach untergeschoben. Nein, sie
bat ihn höflich um Hilfe, und das wahrte sein Gesicht.
„Es ist mir eine Ehre...“ sagte er und verbeugte sich tief.
„... aber nur so lange bis Alex san wieder bei uns ist.“
ergänzte er, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte.
Branda schenkte ihm eines dieser seltenen Lächeln, die
sie sonst nur Alex geschenkt hatte. Und der alte Mann
hatte wieder eine Aufgabe. Und wer wusste schon, ob
Alex jemals wieder zurückkommen würde.
Dann trat sie zu einem schmalen Schrank, der in die
Hallenwand eingelassen war und öffnete ihn. Sie griff
zielsicher hinein und förderte ein Schwert nach der Art zu
Tage, wie es wohl von den Samurai des japanischen
Mittelalters benutzt worden war.
„Hier Meister Tanaka. Ich glaube danach habt ihr
gesucht.“ sie wollte es ihm gerade übergeben, zog es
dann jedoch wieder an sich. „Aber nicht, dass ihr das tut,
wovon ihr vorhin gesprochen habt.“ dann drückte sie es
ihm in die Hand.
Yashidas Augen glänzten beim Anblick der Waffe.
Vorsichtig zog er die Klinge heraus und ließ das Licht der
Deckenbeleuchtung über den wellenförmigen Schliff der
Klinge gleiten. Seine Freude trübte sich jedoch ein wenig,
als er sah, dass diese Waffe ganz sicher nicht von einem
Meister seines Fachs gefertigt worden war, denn statt
das Zeichen des Meisterschmiedes auf der Klinge zu
finden, stand dort nur „440 Stainless Steel“. Der Griff des
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Schwertes war zu kurz und die Klinge nur mäßig
ausgewogen. Doch es würde seinen Zweck erfüllen.
Ehrfurchtsvoll wie es ihn seine Vorfahren gelehrt hatten,
verbeugte er sich erneut und berührte das Schwert, das
nun wieder in seiner Scheide steckte, mit der Stirn.
„Ihr ehrt mich auf ungeahnte Weise, Branda san. Wie
kann ich euch dienen, Herrin?“
Deveraux berührte ihn an beiden Schultern und richtete
ihn auf. Tanaka hatte nach wie vor das Haupt gesenkt.
„Dieser Ehrenbezeugung bin ich nicht würdig, Yashida
san. Ich bin froh, dass ihr Alex´ Kurs übernehmt, und
vielleicht kann sogar ich noch das Eine oder Andere von
euch lernen.“
Tanaka nickte und bat Branda dann um entsprechende
Trainingskleidung. Sie gingen in das Büro an dem sie
zuvor schon vorübergegangen waren und dort holte
Deveraux das Gewünschte aus einem Wandschrank.
Danach zog sich Tanaka in der Umkleidekabine um und
begann mit seinen Vorbereitungen für den Unterricht.
Branda dagegen, ging wieder hinaus in das Fitnessstudio
und absolvierte noch den Rest ihres Trainings. Ihre eh
schon gute Laune hatte sich noch verbessert, nachdem
sie bemerkte wie sehr der alte Mann diese Tätigkeit für
sein Seelenheil benötigt hatte.
Zwischenzeitlich....
„Tolun.“ rief Alex und wies mit dem Finger zum immer
näher kommenden Horizont. Die ersten Türme und
Dächer wurden dort gerade sichtbar.
„Ja, die Stadt des Lichts ist um diese Zeit besonders
schön. Nicht wahr?“ meinte Gwyn.
„Wieso sagst du das so? Das Licht ist doch hier in
Skataris immer das selbe. Immer allgegenwärtig.“
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„Ja, aber lange Zeit war die Stadt nicht mehr so lebendig
wie zu dieser Zeit. Zur Zeit eines Krieges, einer
bevorstehenden Schlacht.“
„Hey, du hörst dich ja an, als wärst du auf diesen Krieg
völlig versessen.“ tadelte Snow.
„Nein, keines Wegs, mein Freund. Aber es wird endlich
Zeit, dass diese verdammte Dämonenbrut endlich mal
eins auf hässlichen Fratzen bekommt. Durch diesen
Konflikt herrscht ein Treiben und Trubel in der Stadt, wie
ich ihn seit Jahrhunderten nicht mehr erlebt habe. Das ist
doch was ganz anderes wie das langweile Tageseinerlei
das sonst so in Tolun herrscht.“
Alex beugte sich über das Sattelhorn nach vorne und
tätschelte Gwyns blau geschuppte Schulter.
„Ist ja gut, alter Freund. Wir werden diesen Monstern
schon das Fürchten lehren. Ich habe mir dazu schon den
einen oder anderen Gedanken gemacht.“
„Yahoo, das ist doch mal ein Wort.“ rief Gwyndragsil
begeistert und legte noch einen Zahn zu.
„Lass uns dort, vor der Mauer landen, dann können uns
die Späher der Dämonen nicht gleich sehen.“ wies Alex
den Drachen an, doch der meinte nur:
„Keine Sorge, die sehen uns nicht. Wir können ganz
beruhigt bis zum Palast fliegen.“
Es dauerte dann aber doch noch eine ganze Weile, bis
sie die erste Mauer überflogen und sich zur Stadtmitte
hin wandten. Snow kam die Stadt auf ein Mal merkwürdig
groß vor. So als sei sie in den letzten Monaten um ein
vielfaches erweitert worden. Aber die Mauer, welche die
Stadt zu ihrem Schutz umgab, schien unangetastet zu
sein. Dann, als sie plötzlich sehr nahe an der
Nasenspitze eines der Wachsoldaten vorüber flogen, und
dessen Augen riesig groß und missmutig wie auf ein
lästiges Insekt auf sie herab sahen, wusste Alex was der
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Drachen gemacht hatte. Gwyn war nur noch so groß wie
eine Libelle, und er saß auf deren Rücken. Die
schwarzen Pupillen des Soldaten verfolgten ihren Flug
wie Kanonenrohre, die automatisch ihrem Ziel folgen.
Doch wie er schließlich erkannte, was er da vor seiner
Nase hatte, blinzelte er einmal und lächelte den beiden
freundlich hinterher.
Gwyndragsil schwirrte tief zwischen den Häusern der
Stadt einher, jedoch nicht so tief, als dass die Menschen
in den Straßen und Gassen direkt Notiz von ihnen
nehmen konnten. Der Drachen hatte recht gehabt, ging
es Snow durch den Kopf. Die Stadt barst fast aus allen
Nähten, so viele Menschen waren hier versammelt. Doch
dann hatten sie die engen Gassen hinter sich gelassen
und waren auf die breite, mit Bäumen gesäumte Allee
eingebogen, die sie direkt bis hin zum Palast führen
würde. Snows Aufregung wuchs, und sein Herz begann
zu rasen. Gleich würde er Ilya wieder sehen. Und schon
war es wieder da. Das Abbild von Branda vor seinem
inneren Auge. Seine Gedanken wollten rasen, doch er
zwang sich ruhig zu bleiben. So viel zur Verbannung in
den hintersten Winkel seines Bewusstseins, dachte sich
Snow.
Der Palast wurde immer größer und größer, und Alex
schien der Flug über den großen Vorplatz zur breiten
Freitreppe hinüber eine Ewigkeit zu dauern. Doch
schließlich bog Gwyndragsil ab und flog in einem weit
gezogenen Spiralbogen hinauf in schwindelerregende
Höhen, nur um sodann pfeilgerade auf ein offen
stehendes Fenster herab zu stoßen, wie ein Bussard auf
seine Beute.
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Beinahe wären sie gegen
geprallt, hätte Gwyn nicht
gezogen und mit aufrecht
Vorwärtsschub abgebremst.
Besprechungszimmer.
Travis Morgans Wange
rechtzeitig die Bremse
gestellten Flügeln den
Sie befanden sich im
Der Warlord schien einen Luftzug gespürt zu haben,
denn er wand augenblicklich sein Gesicht mit grimmigem
Blick in ihre Richtung. Als er jedoch des vermeintlichen
Störenfrieds gewahr wurde, wechselte sein Ausdruck in
Erstaunen, und sein Mund stand sprachlos offen.
„Würdet ihr wohl freundlicherweise für ein wenig Platz
sorgen, Warlord?“ hörte er eine leise, piepsende Stimme
sagen. Und noch ehe er eine Antwort darauf
ausgesprochen hatte, breitet er schon die Arme aus und
schob die neben ihm stehenden Personen vorsichtig
nach hinten, in Richtung Wand.
Königin Tara und Mungo el Sarif waren diese Personen
und sie sahen ihren besten Freund und Krieger doch
etwas verwundert an, wollten sogar protestieren. Doch
ein kurzes Aufblitzen von Licht und die Verbreitung von
weißem Qualm an der Stelle, die Travis frei gemacht
hatte, schien ihren Protest zu ersticken. Gwyndragsil und
Alex T. Snow erschienen aus dem Rauch. Irgendwie
hätte man diesen Auftritt dem eines billigen
Westentaschenmagiers zuschreiben können, wären es
nicht Alex und der Drachen gewesen welche die
Szenerie betraten.
Snow wedelte ein wenig mit der Hand vor seinem
Gesicht und meinte:
„Hättest du nicht eine weniger aufsehenerregende Art
des Erscheinens wählen können, Gwyn?“ und hustete
gekünstelt.
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„Ja schon, aber diese bereitet mir doch immer wieder
große Freude.“
Sie unterhielten sich als wären sie ganz alleine in dem
großen Raum, doch sie wussten natürlich, dass die
anderen ihnen genau zugesehen hatten. Dennoch
unterbrachen sie ihre belanglose Unterhaltung erst, als
sich Travis Morgen vernehmlich räusperte.
Der Rauch verzog sich so plötzlich, wie er gekommen
war, und Königin Tara trat an Morgan vorbei.
„Es ist schön, dass ihr wieder hier seid, Gwyndragsil.“
begrüßte sie den Drachen. Alex schien sie zunächst
völlig zu übersehen.
„War euer Unternehmen von Erfolg gekrönt?“ fragte sie
dann, und wechselte mit dem Blick zu Alex.
„Nun,...“ begann der Drachen und rieb sich wie ein
altersgrauer Schulmeister der vor seiner Klasse stand
und etwas zu erklären versuchte, von dem er wusste,
dass es seine Schüler niemals begreifen konnten, die
krallenbewehrten Hände „ ...wie ihr ja wisst, war es mein
Ansinnen die unbeabsichtigte Verschmelzung eines
fremden Geistes mit dem Körper unseres so lieb
gewonnenen Alex T. Snow wieder rückgängig zu
machen....“ die Anwesenden gruppierten sich langsam
um die Neuankömmlinge. Unter ihnen war auch Ilya. Sie
hatte am hinteren Ende des großen Kartentisches
gestanden, und war nun zusammen mit den beiden
Magiern, Alex wusste zu seinem Bedauern ihre Namen
nicht mehr, um den Tisch herum nach vorne getreten.
Ihre blauen Augen hafteten wie gebannt auf Snow.
Alex hatte ihren Blick natürlich sofort bemerkt, spielte
aber noch immer das Spiel des Drachen mit und
beobachtete sie zunächst nur aus dem Augenwinkel
heraus. Gwyndragsil plapperte unentwegt weiter, und
niemand schien den Mut zu haben ihn zu unterbrechen.
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Snows Blick wechselte plötzlich ganz von selbst von der
Position des unbeteiligten Zuhörers in Richtung Ilya und
wurde aktiver Sehender. Die Augen der Wassernixe
glänzten feucht, und Alex konnte die beherrschende
Anspannung in ihrem Gesicht förmlich selbst spüren.
Ohne hin zu sehen, griff er mit der linken Hand nach der
keilförmigen Schnauze Gwyndragsils, die immer noch
belangloses Gewäsch von sich gab, und drückte sie ihm
zu. Das soeben ausgesprochene Wort verstummte mit
einem merkwürdig würgenden Laut.
„Genug Gwyn.“ meint Alex, ohne seinen geschuppten
Freund zu beachten. „Ich bin wieder hier, Leute.“
ergänzte er und grinste breit.
„Das dachten wir uns schon.“ begann die Königin, doch
noch bevor sie ihm die Hand zum Gruße reichen konnte,
war Ilya an ihr vorbei gestürmt und hatte sich Snow
schluchzend um den Hals geworfen.
Alex, der von dieser doch sehr unerwarteten Reaktion
völlig überrumpelt worden war, konnte gerade noch einen
kleinen Schritt rückwärts tun und ruderte ein wenig mit
den Armen in der Luft, damit ihn der Schwung Ilyas nicht
umwarf. Doch dann hatte er sich wieder gefangen und
hielt die Geliebte fest in seinen Armen. Er fühlte, wie sich
ein kleines Rinnsal ihrer Tränen an seinem Hals hinab
bewegte und langsam unter das Kettenhemd kroch. Ilya
zitterte leicht und weinte leise, und Alex strich ihr liebevoll
über das goldgelbe Haar.
„Sccchhht, es ist alles gut. Ich bin ja wieder da.“
versuchte er sie zu beruhigen.
Travis und Tara warfen sich einen verwunderten Blick zu.
Nie hätten sie gedacht, dass Ilya, die Frau die bei all
ihren Taten immer einen kühlen Kopf zu bewahren
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schien, zu solch einer Reaktion fähig war. Ihre Liebe zu
Alex musste sehr, sehr tief sein.
„Ich... ich bitte vielmals um Verzeihung, Königin Tara, für
meinen unbeherrschten Ausbruch.“ sagte die Nixe dann
auf ein Mal. Sie hatte sich wieder im Griff und ihren
Körper von Snows gelöst, stand sie nun neben dem
Drachenritter, aber ihre Linke hielt noch immer die
Rechte des Geliebten fest umklammert, so als ob sie
damit signalisieren wollte, dass sie ihn niemals wieder
fort gehen lassen wolle. Dann kamen Tara, Travis und
Mungo näher, und schüttelten Alex nacheinander die
Hand, so als ob er Jahre nicht mehr zu Besuch gewesen
war.
„Willkommen zurück!“ sagte die Königin und drückte den
Ritter völlig unköniglich an sich.
„Es ist mir eine außerordentliche Ehre, euch erneut
dienen zu können, Majestät.“ meinte er etwas verlegen
darauf hin.
„Wir haben uns schon einmal bei den Vornamen
genannt, Alex. Majestät ist so... so formell. Und ihr wisst
doch, dass ich nichts mehr hasse wie Formalitäten.“
entgegnete sie mit einem liebevollen Lächeln.
„Dieses Angebot nehme ich liebend gern wieder in
Anspruch, Tara. Danke.“
Nacheinander begrüßten ihn auch die anderen
Anwesenden, doch nachdem die Zeremonie beendet
war, wollte Alex wissen, wie es um ihr Los stand. Tara
bat die Mitglieder des Kriegsrates wieder an den großen
Kartentisch und begann ihre Ausführungen, in die Alex
und Gwyn geplatzt waren, von neuem.
Etwa zwei Stunden später hatte die meisten Fronten
geklärt, und die Mannschaft begab sich in das
Speisezimmer. Ein Bote wurde ausgesandt und
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überbrachte Norro Vet und dem Wirt von Nabeeh eine
Einladung zu einem gemeinsamen „Abendessen“. Beide
Wesen bedankten sich beim Überbringer, lehnten aber
dankend ab. Sie wollten bei ihren Leuten bleiben und mit
ihnen die Zeit bis zur Schlacht verbringen.
Das Essen viel nicht so üppig aus wie Alex dies aus
früherer Zeit hier im Palast kannte. Jeder wollte wegen
des bevorstehenden Konfliktes nicht so vollgestopft sein.
Man wusste ja nie, wann es los ging, und so hatte Snow
die ganze Aufmerksamkeit für sich als er mit seinem
Bericht begann.
„... und es hat dir überhaupt nichts ausgemacht, dass du
plötzlich in einem anderen Körper stecktest?“ wollte
Mungo wissen.
„Nun, es war natürlich ein Schock. Aber ich hatte keine
Schmerzen oder sonstige körperliche Gebrechen. Ehrlich
gesagt, es war mir in diesem Augenblick völlig Wurst, in
welchem Körper ich steckte. Dass ich am Leben war, war
das einzig Wichtige für mich.“ beschied er.
Gebannt folgten die Freunde den Ausführungen des
Drachenritters, und so zog Stunde um Stunde dahin,
ohne dass es jemandem langweilig geworden wäre.
Irgendwann verabschiedeten er und Ilya sich von der
Gesellschaft und die Nixe brachte den Krieger ihres
Herzens in sein schon bekanntes Gemach. Alex schälte
sich aus dem noch immer getragenen Kettenhemd. Er
ließ es rasselnd zu Boden gleiten, und entledigte sich
auch noch des leinenen Untergewandes. Das lange
Trage der Kette hatte selbst durch den Stoff seinen
Abdruck auf seiner Haut hinterlassen. Erleichtert streckte
er die Glieder von sich und betrachtete im mannshohen
Spiegel seinen muskulösen Oberkörper. Er schien noch
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einigermaßen in Schuss zu sein. Die Arme und die Brust
zeigten weniger Definition wie er es in Erinnerung hatte,
aber wenigstens waren keine neuen Narben dazu
gekommen. Clark hätte sich schon ein wenig besser um
meine Fitness kümmern können, ging es ihm durch den
Kopf. Schließlich hatte er sich auch um seinen Körper
gekümmert. Wenn auch nicht immer ganz freiwillig.
Er entledigte sich gerade seiner Beinkleider, da sah er
den Schatten einer Bewegung aus dem Augenwinkel
heraus. Schnell zog er die Unterhose wieder nach oben,
und wand sich um. Ilya stand nur knapp eine Armeslänge
hinter ihm, bekleidet mit einem Hauch von Nichts. Ihre
blaue Haut schimmerte feucht auf ihren Armen und ihre
schlanke,
durchtrainierte
Figur
zeichnete
sich
schemenhaft vor dem Licht der Sonne durch den dünnen
Stoff ab.
„Früher warst du nicht so genant wenn ich in deinen
Raum kam.“ meinte sie spöttisch und trat näher. Ihre
Hand fuhr sanft über seine Schulter und glitt hinab zu der
mit feinen Härchen eingerahmten Brustwarze. Die
Berührung verfehlte nicht ihre Wirkung. Doch Alex nahm
ihre Hand in die seine, drehte die Handfläche nach oben
und küsste sie direkt am Handgelenkansatz. Ein wohliger
Schauer
durchfuhr
Ilyas
Körper,
und
ihre
feuchtglänzenden Lippen sogen seufzend die Luft ein.
„Das scheinst du jedenfalls noch zu können.“ hauchte sie
stichelnd, doch dann schob ihr Zeigefinger den dünnen
Träger ihres leichten Nachtgewandes über die Schulter
und ließ diesen aufregenden Hauch von Nichts zu Boden
gleiten. Ihre Hand fasste nach dem Knoten der Kordel,
die seine Unterhose oben hielt, und mit einem sanften
Ruck hatte sie ihn gelöst und die Hose glitt zu Boden.
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„Ich wollte eben ein entspannendes Bad nehmen.“
entgegnete er. „Möchtest du mir Gesellschaft leisten?“
Snow wusste genau, dass sie dazu nicht Nein sagen
würde, und so gingen sie gemeinsam in den Nebenraum,
wo bereits zwei Dienstmägde heißes Wasser in einem
großen, hölzernen Zuber bereitgestellt hatten. Als sie nun
die Beiden den Baderaum betreten sahen, verbeugten
sie sich ehrfürchtig und zogen sich hinter einen massiven
Raumteiler zurück, wo sie zwar alles hören, jedoch
nichts sehen konnten. Wo sie aber auch zu Diensten
standen, wenn die Herrschaft etwas benötigte.
Sie bestiegen den ovalen, dampfenden Bottich, der gut
und gerne für drei bis vier Personen Platz bot und setzen
sich so hin, dass sie sich in die Augen sehen konnten.
Snow konnte sehen, wie sich Ilyas Bein sofort wieder zu
einer mächtigen Schwanzflosse verwandeln wollten,
doch sie hielt sie mit einer einfachen Handbewegung
davon ab, und so verwandelten sie sich wieder in ihre
menschliche Form zurück. Ihre Zehen berührte die
seinen und so rieb sie ihren Fuß eine Weile auf seinem
auf und ab.
„Wie war das mit dir und dieser Branda? Du hast sie
vorhin zwar immer wieder erwähnt, aber ich kann mir gut
vorstellen, dass du, alleine mit drei Frauen auf einem,
wie nanntest du es, ein Raumschiff? Dass du da nicht
wiederstehen konntest. Hast du mit ihr geschlafen?“
Alex wusste, dass diese Frage früher oder später
kommen würde, und er hatte sich schon lange zuvor
dazu entschlossen, Ilya die Wahrheit zu sagen.
Ihr Fuß kam näher.
„Es war eine sehr lange Zeit, ohne dich Ilya.“ begann er,
doch da kam sie auf einmal näher und ihr Fuß schoss
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aus dem Wasser. Alex wollte erschrocken zurückzucken,
doch wohin.
Ihre Zehen kamen kurz vor seinem Mund zum Halten,
und statt des erwarteten Trittes, legte sie ihren Fuß sanft
auf seine Lippen.
„Sccchhht. Sag nichts mehr. Ich will es eigentlich gar
nicht wissen. Wichtig ist nur, dass du wieder da bist.
Sonst nichts.“ sie zog ihr Bein wieder zurück, und kam
nun selbst zu ihm hinüber.
„So leicht?“ dachte sich Snow in diesem Augenblick.
„Sollte es ihr tatsächlich nichts ausmachen? Er konnte
das eigentlich nicht glauben, aber fragen wollte er sie
jetzt auch nicht, denn in diesem Moment berührte ihre
Hand tief unter Wasser seinen Körper.
Langsam nahm er die Arme, die locker auf dem
Zuberrand gelegen hatten herunter und zog Ilya zu sich
her. Sie drehte sich, so dass sie mit dem Rücken zu ihm
saß. Fest hielt er ihren straffen Bauch mit seinen Armen
umfangen, und langsam suchten sich seine Lippen ihren
Weg vom Nacken zum Hals unterhalb ihres kleinen, nach
oben hin spitz zulaufenden Ohres. Ilya hatte keine
Ohrläppchen wie ein Mensch, aber Alex wusste, wenn er
mit der Zunge sanft vom Ansatz bis hinauf zur Spitze
fuhr, ihr das sehr gefallen würde. Und so tat er es. Sie
begann trotz des heißen Wassers zu zittern, und als sich
ihr goldenes Haar in den für Wassermenschen
obligatorischen, weichen Rückenkamm verwandelte,
wusste er, dass nun ihre Selbstbeherrschung schwand
und sie sich zur Nixe verwandelte.
Ihre Hände griffen nach hinten. Mit der Linken strich sie
über sein Gesicht und seine feuchten Haare. Alex löste
die Umarmung seines linken Armes und fasste sie wie
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schon zuvor beim Handgelenk, welches er nun
abwechselnd wie ihren Hals mit seinen Lippen liebkoste.
Die Finger ihrer rechten Hand berührten seinen
Unterleib, und Snow zuckte unwillkürlich zusammen.
Seine Rechte dagegen strich sanft über ihren Bauch und
wanderte immer wieder nach oben, wo sich seinen
Fingerspitzen die harten Warzen ihrer kleinen, festen
Brüste entgegen reckten. Dann hob sie auf ein Mal ihr
Becken an und drückte ihre Kehrseite gegen Snows
Bauch. Langsam senkte sie sich auf ihn herab, und als
sie wieder auf seinem Schoß Platz genommen hatte,
legte sie den Kopf mit einem gehauchten Stöhnen in den
Nacken. Die sanften Bewegungen ihres Beckens und die
Unterstützung von Snows Händen, führte schon bald zu
dem gewünschten Ergebnis.
Irgendwann später, Alex Haut war schon ganz
schrumpelig, hatten sie den Zuber verlassen und waren
zu seinem Bett hinüber gegangen, wo sie sich noch ein
weiteres Mal heftig liebten, aber dann erschöpft
einschliefen.
Die beiden jungen Mägde, die hinter der Trennwand
jedes Geräusch hatten hören können, schraken aus ihrer
lustvollen Umarmung auf, als Alex und Ilya mit einem
lauten Platschen die Wanne verlassen hatten, und
mussten sehr an sich halten, um nicht über ihre eigene,
soeben erlebte Sexualität vor lauter Lachen zusammen
zu brechen. Peinlich war es ihnen nicht. Schnell zupften
sie ihre leichten Arbeitsgewänder wieder zurecht und
betraten den Waschraum. Sie glaubten ihren Ohren nicht
zu trauen, als sie erneut heftiges Stöhnen aus dem
Nebenraum wahrnehmen mussten.
„Die sind wohl unersättlich?“ flüsterte die jüngere, ein
blondes, dralles Ding mit allen Rundungen dort, wo man
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sie brauchte, ihrer Kollegin zu. Diese, eine etwas ältere,
sehr schlanke Brünette hatte eben die Hand ins Wasser
gestreckt und meinte:
„Du, das Wasser ist noch schön war.“ und schon glitt ihr
Gewand zu Boden und enthüllte was von den Göttern so
wunderbar erschaffen wurde. Ihre blonde Freundin
erschrak erneut.
„Du kannst doch nicht einfach...“ wollte sie protestieren,
doch da zog die Hand der anderen bereits an ihrem
Kragen und drückte ihr die Lippen auf den Mund.
„Komm.“ hauchte sie ihr entgegen.
Das blonde Mädchen wand sich nach der Herrschaft um,
löste sich kurz aus den Fängen ihrer Freundin und ging
zu dem Durchgang in das Schlafgemach. Leise zog sie
den schweren Brokatvorhang vor die Öffnung, so dass
man kaum noch etwas von den beiden Liebenden
nebenan hören konnte. Danach kehrte sie zu ihrer
Kollegin zurück und schlüpfte aus ihrem Gewand.
Kapitel 3: Die erste Welle
Ein heftiger Ruck erschütterte den Rumpf der Perseús
und schreckte viele Besatzungsmitglieder aus dem
Schlaf. Keine zwei Sekunden später ertönte eine
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ohrenbetäubende Alarmsirene, was zur Folge hatte, dass
nun garantiert alle Menschen auf dem Schiff wach waren.
„Das ist Alarmstufe 1.“ ging es Branda durch den Kopf,
während sie sich mit ziemlich geschundenen Knochen
aus ihrem Bett wälzte. Ihr tat jeder Knochen im Leib weh.
Gestern hatte sie mit Tanaka eine Trainingsstunde
absolviert, und der alte Mann hatte es ihr mächtig
gezeigt. Sie ging ins Bad und betrachtete ihren nackten
Körper.
„Scheiße, so viele blaue Flecken hatte ich noch nie!“
fluchte sie und stieg dann in die Dusche.
Sie konnte sich diesen Luxus leisten, denn sie war nicht
bei der sofortigen Kampfbereitschaft. Aber sie musste
sich dennoch beeilen, denn bei dieser Alarmstufe muss
sie sich binnen zwanzig Minuten bei ihrem
kommandierenden Offizier melden. Dort wurde dann
bestimmt, was weiter zu tun war.
Ein weiterer Ruck erschütterte die Perseús.
Deveraux entschied, dass sie heute die Dusche
abkürzen würde, stellte das Wasser ab, nahm sich das
Handtuch und verließ das Bad. 7,23 Minuten später
befand sie sich bereits in Reih und Glied mit ihren
Kameraden auf dem Mannschaftsdeck um den
Erläuterungen zu folgen und ihre Befehle zu empfangen.
Zur selben Zeit einen halben Kilometer weiter vorne:
„Wo zum Henker sind denn die auf ein Mal her
gekommen?“ fluchte Shigerah und beugte sich über die
von ihnen angefertigte Karte des Hyperraumes. Nun ja,
eigentlich war es nicht direkt eine Karte des
Hyperraumes, denn diesen konnte man eigentlich nicht
wirklich kartographieren. Statt dessen hatte Shigerah auf
der Kopie einer bereits sehr alten Sternenkarte eine
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- 50 -
dicke Linie einzeichnen lassen die sie während ihres
Fluges entlang fliegen würden.
„Hatte diese Marine nicht erzählt, dass die Alamak einen
ganz anderen Hyperraum benutzen würden? Einen viel
engeren und einen in dem man wesentlich schneller
voran kommen konnte wie mit unserem?“
„Das hat sie, Sir.“ antworte Don Marshall. „Aber ich
glaube nicht, dass den Alamak beim Stand der ihnen zur
Verfügung stehenden Technik, unser Hyperraumgefüge
unbekannt ist. Ich befürchte eher, sie sind uns ein Stück
in ihrem eigen Hyperraumfeld gefolgt, haben dann einige
Sonden ausgesetzt die uns und unseren Leitstrahl orten
sollten, und haben sich dann ganz gemütlich an uns dran
gehängt.“ ergänzte er.
Shigerahs Kopf kam hoch und seine Augen fixierten
seinen ersten Offizier mit bösem Blick.
„Verdammt Don, so genau wollte ich es nun auch wieder
nicht wissen.“ maulte er und schob dann den
obligatorischen, dicken Zigarrenstummel von einem
Mundwinkel in den anderen. Marshall sah ihn verdutzt
an. Er kannte Shigerah jetzt schon seit über drei Jahren,
aber so eine Reaktion hatte er noch nicht bei seinem
Captain erlebt. Doch dann:
„Sir, wir machen drei weitere Objekte hinter uns aus.“
meldete der Mann am Radar. „Es sind ebenfalls
Stadtschiffe, Sir!“
Shigerahs Zigarrenstummel kippte
aus seinem
Mundwinkel und fiel zu Boden, wo er in einer kleinen,
kreisförmigen Bewegung zum liegen kam.
„Wo um alles in der Welt sind denn die hergekommen?“
fragte der Captain der Perseús laut, ohne jedoch
jemanden speziell zu meinen.
„Es hat eine kleine Veränderung im energetischen
Wellenmuster des Hyperraumgefüges gegeben, Sir. Und
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- 51 -
gleich darauf waren sie da.“ rief einer der
Brückenoffiziere durch den Raum. Der Mann saß vor
einem Bildschirm, nicht unähnlich einem Radargerät.
Merkwürdige Wellenmuster zogen sich über seinen
Bildschirm hinweg und ließen in seiner Mitte immer
wieder drei große Objekte aufleuchten.
Der Rumpf der Perseús wurde ein weiteres Mal
durchgeschüttelt. Dann noch ein zweites und gleich
darauf ein drittes Mal.
Ein Feueralarm wurde ausgelöst, während die
Mannschaft des Schiffes mit allem zurückfeuerte was zur
Verfügung stand. Doch es war aussichtslos.
„Verdammt Don, wir werden hier drauf gehen.“ meinte
Shigerah leise zu seinem ersten Offizier. Marshall sah ihn
ausdruckslos an.
„Befehlen
sie
der
Mannschaft,
sich
in
die
Rettungsshuttles zu begeben?“ fragte er nach einigen
Sekunden des Schweigens.
Shigerahs Gesichtsausdruck schien unentschlossen. Er
wusste, dass er seine Mannschaft retten musste, wenn er
konnte. Er befand sich in einer Zwickmühle. Würde er sie
an Bord lassen, würden sie alle bei einem der nächsten
Beschüsse sterben. Befahl er den Ausstieg, konnte sich
die Mannschaft zwar selbst weiter vorwärts bewegen,
hätten aber keine Möglichkeit aus dem Hyperraum
heraus zu gelangen, da den Rettungsshuttles diese
Technik nicht zur Verfügung stand. Andererseits würde
die Mannschaft ebenfalls sterben, befänden sich die
Rettungsshuttles und sonstigen an Bord befindlichen
Schiffe noch in der Nähe, wenn die Stadtschiffe die
Perseús zerstörten. Es war zum Mäuse melken, und er
hätte sich die Haare gerauft, wenn er welche gehabt
hätte.
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- 52 -
Doch
in
diesem
Moment
erschütterte
ein
ohrenbetäubendes Dröhnen das Innere der Perseús.
„Schockwelle auf direktem Kurs von Achtern, Captain!“
rief jemand durch den Raum. Es war der gleiche Offizier,
der noch kurz zuvor die Ankunft der anderen beiden
Stadtschiffe angekündigt hatte.
Die Perseús erzitterte. Zunächst nur leicht, doch dann
immer stärker.
„Alle Mann in die Rettungsshuttles oder in alles andere
was fliegt!“ brüllte Shigerah auf ein Mal.
Hatte er zu lange gewartet?
Er sah seine ersten Offizier an, der schon die Hand auf
der Taste hatte, die den Befehl des Captains durch das
gesamte Schiff weiterleiten würde.
„Es ist weg!“ rief der Mann, der noch vor Kurzem das
Eintreffen der beiden anderen Schiffe angesagt hatte.
„Kamera Achtern!“ befahl Don Marshall, und schon
flackerte ein von grün-gelben Flammen umringter,
gigantischer Trümmerhaufen auf dem Bildschirm.
Einzelne Trümmerteile waren durch die Explosion so
stark beschleunig worden, dass sie nun wie Geschosse
auf die Perseús zu rasten. Erste Einschläge waren
bereits zu vernehmen, da erklang wieder die Stimme des
Mannes am Radar:
„Sir, die beiden anderen Schiffe fallen zurück, aber es
nähert sich ein Shuttle der Alamak.“
„Sensorenkontrolle?“ fragte Shigerah.
Ein anderer Mann sah von seinen Instrumenten auf und
antwortete:
„Eines der zurückfallenden Schiffe ist ebenfalls stark
beschädigt, Sir. Das dritte Schiff beginnt damit,
Überlebende von beiden Schiffen aufzunehmen.“
„Was ist mit dem Shuttle?“ wollte Marshall wissen.
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„Es kommt weiter auf uns zu. Zwei Lebensformen an
Bord, Sir. Eine davon ist ein Mensch.“
„Clark!“ riefen Shigerah und Marshall fast gleichzeitig
aus. Shigerah grinste breit.
„Dieser Hurensohn hat es doch tatsächlich geschafft, das
Schiff zu zerstören.“ meinte er leise zu seinem ersten
Offizier, und dann laut: “Öffnen sie den Hangar achtern
und lassen sie ihn landen. Man soll sie sofort in meinen
Bereitschaftsraum bringen. Alle beide.“
„Sir...“ kam es auf ein mal von der Sensorenkontrolle,
doch der Mann konnte nicht weiter reden, denn in diesem
Augenblick wurde das Schiff auf das heftigste
durchgeschüttelt. Alle mussten sich einen sicheren Halt
suchen, um nicht umzufallen.
„Was zum Teufel ist jetzt wieder los?“ rief der Captain.
„Die Hyperraumintegrität bricht vor uns zusammen, Sir.
Wir werden in den Normalraum geschleudert!“
„Auf den Schirm!“ befahl Marshall.
Die immer kleiner werdenden Stadtschiffe der Alamak
verschwanden vom Bildschirm und machten Platz für ein
Bild das man nur so beschreiben konnte; Die blau-grüne
breit gefächerte Struktur des Hyperraumes vor ihnen
zerfaserte langsam in einzelne dicke und dünne Fäden,
zwischen denen man vereinzelt das Licht der Sterne des
Normalraumes ausmachen konnte. Diese Fäden
peitschten um eine Öffnung zum Weltall hinaus herum
und wurden an ihren Enden immer dünner. Würde die
Perseús zu nahe an eines oder mehrere dieser Enden
heran kommen, wären sie verloren. Die Struktur des
Raum-Zeit Gefüges würde sie in Stücke reißen. Shigerah
erkannte die Situation sofort und befahl:
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- 54 -
„Steuermann, halten sie das Schiff so gut es geht in der
Mitte, dort dürften wir am sichersten durch die Anomalie
kommen.“
„Aye, Sir!“ bestätigte der Angesprochene und kümmerte
sich weiter um seine Instrumente.
Shigerah hatte es mittlerweile wieder bis zu seinem Stuhl
geschafft und ließ sich in die Polster plumpsen. Er schob
sich die schwarze Baseballmütze mit den goldenen
Kapitänslitzen etwas aus der Stirn und kramte in seiner
Hemdtasche nach einem neuen Zigarrenstummel. Als er
fündig wurde, schob er ihn sich in den Mund und wurde
sogleich etwas ruhiger.
Das Schiff begann erheblich zu zittern.
„Eine Minute bis Austritt aus dem Hyperraum!“ meldete
einer seiner Leute.
Die Perseús vibrierte noch stärker. Shigerah betätigte
einen Schalter auf seiner Stuhlkonsole.
„Maschinenraum?“ fragte er.
„Hier Maschinenraum.“ kam die Bestätigung.
„Trägheitsdämpfer und Stabilisatoren auf Maximum, Mr.
Gentis.!“ befahl er.
„Aye Sir, sind auf Maximum. Wenn ich sie noch weiter
hoch fahre brennen mir die AGPI-Transistoren durch.“
„Dann brennen sie halt durch!“ schnauzte Shigerah ins
Mikrofon.
„Dann wird das aber eine sehr holperige Heimreise
werden, Sir. Wir haben nämlich keinen Ersatz an Bord.“
Der Captain schnaubte wie ein altersschwacher Gaul den
man vor einen genauso alten Pflug gespannt hatte.
„Tun sie ihr Bestes Mr. Gentis.“ meinte er mit
bekümmerter
Stimme
und
schloss
den
Kommunikationskanal wieder.
„Was macht das Shuttle, Don?“ fragte der Captain
resignierend.
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„Es kommt gerade rein, Sir.“ kam die Antwort, aber nicht
vom ersten Offizier, sondern vom Radar.
„Sehr gut.“
Die Perseús wurde jetzt noch stärker durchgeschüttelt.
Man hatte den Ereignishorizont der Anomalie erreicht.
Alles was nicht niet- und nagelfest war, begann sich in
Bewegung zu setzen und langsam aber sicher von
Tischen, Regalen und sonstigen Vorrichtungen herunter
zu rutschen. Die letzten Ausläufer des nur noch
fadenscheinigen
Hyperraumes
bewegten
sich
peitschenartig über die Ränder des großen Monitors.
Die Trägheitsdämpfer versagten, und so wurde die
Perseús aus den Überresten des Hyperraumes
hinausgeschleudert wie ein Stinkkäfer, der aus Versehen
von einem Ochsenfrosch verschluckt, und von dieser nun
wieder ausgespuckt wurde und über den Boden kullerte.
Dann war es auf ein Mal wieder ruhig.
Die Beleuchtung versagte und irgendwo im Bauch des
Schiffes sprang ein Notstromaggregat an und tauchte
das Innere der Perseús in eine orange-rote Düsternis.
Und langsam bewegten sich die Menschen und Dinge
auf der Brücke schwerelos durch den Raum. Das
Gravitationsgitter hatte seinen Geist aufgegeben.
Shigerah krallte sich an der Lehne seines Sessels fest
und betätigte den Knopf des Mikrofons.
„Mr. Gentis! Bericht!“ forderte er.
Es dauerte einige Sekunden, bis der Mann endlich
antwortete:
„Hier
Gentis,
Sir.
Die
Trägheitsdämpfer
und
Stabilisatoren haben sich kurz vor dem Durchbrennen
der AGPI-Transistoren von selbst abgeschaltet. Das
hatte leider auch zur Folge, dass der Generator des
Gravitationsgitters mit abgeschaltet wurde...“
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„Wie lange bis Normalzustand, Mr. Gentis?“ unterbrach
ihn Shigerah.
„Für den Generator nur ein paar Minuten, Sir. Aber für
den Rest... keine Ahnung. Wir müssen zuerst die
Schäden lokalisieren.“
„Okay, sehen sie zu, dass die Gravitation so schnell wie
möglich wieder hergestellt wird, dann sehen wir weiter.“
„Aye Captain.“
Damit war das Gespräch beendet. Shigerah befehligte
derweil die einzelnen Organisationseinheiten des
Schiffes mit der Suche nach Schäden zu beginnen. Er
hatte gerade ausgesprochen, da sprang das
Gravitationsgitter wieder an, und alles und jeder an Bord
wurde mehr oder weniger unsanft zu Boden befördert.
Nachdem sich die Brückenoffiziere wieder an ihre Plätze
begeben hatten, erstatteten sie nacheinander dem
Captain Bericht.
„Was ist mit den Alamakschiffen?“ wollte er dann auf ein
Mal wissen, weil ihm diese Bedrohung plötzlich wieder in
den Kopf schoss.
Der Mann am Radar betrachtete seine Geräte und prüfte
sie auf Funktionsfähigkeit. Dann meldete er zur Freude
aller:
„Kein weiteres Schiff in Sicht, Sir!“
„Sind sie zerstört worden?“ hakte er nach.
„Kann ich nicht sagen, Sir, denn unsere Geräte zeigen
keinerlei Trümmerteile an.“
„Gut. Beobachten sie weiterhin die ganze Gegend und
melden sie mir jede Veränderung. Und sei sie noch so
unwichtig, ich will sie wissen.“
„Aye Captain.“
„Achtung, hier spricht der Captain!“ trötete Shigerah in
das
Mikrofon
an
seiner
Konsole.
„An
alle
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Besatzungsmitglieder. Wir machen hier und jetzt erst mal
eine Pause, um notwendige Reparaturen durchzuführen
und sonstige Dinge wieder in Ordnung bringen zu
können. Alle Personen die keinen Dienst haben, werden
sich in ihrem Organisationsbereich einfinden und den
anderen Besatzungsmitgliedern helfen bis alles wieder
so weit in Ordnung ist. Dieser Befehl gilt bis auf weiteres.
Shigerah Ende.“
Jason F. Clark und seine Begleiterin betraten den
Bereitschaftsraum des Captains.
„Sie wollten uns sprechen, Captain?“ begann er.
Shigerah sah von seinem Schreibtisch auf und
betrachtete den Fremden. Doch dann ging ihm plötzlich
ein Licht auf.
„Ah, Commander Clark! Ja, kommen sie herein.“ forderte
der Captain die beiden auf und schob den
Zigarrenstummel von einem Mundwinkel in den anderen.
Neugierig betrachtete er die silbernen Overalls, die die
Beiden trugen. Sie glänzten wie eine weiche, leicht
verknitterte Alufolie. Shigerah hatte schon von diesen
Anzügen aus Deverauxs Bericht gewusst, aber sie live zu
sehen, war doch etwas ganz anderes. Die Masken und
Handschuhe, von denen die Marine ebenso berichtet
hatte, trugen die beiden unter einem Arm an der Seite.
Doch dann besann er sich wieder und erhob sich. Er
führte die Beiden an einen Besprechungstisch mit vielen
Stühlen drum herum und bot ihnen Platz an. „Darf ich so
frei sein und fragen, mit wem ich es denn nun zu tun
habe? Mit Commander Clark oder mit Alexander T.
Snow?“
begann er die Unterhaltung.
Jason sah ihn kurz etwas verwundert an, dann begriff er
und antwortete:
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„Ich bin Commander Jason F. Clark, Sir, Pilot der US
Marines und Kommandierender Offizier der Jet-Ranger
Staffel von Raumstation 23. Meine Dienstnummer lautet
J-383F-4823-C. Der Mann namens Snow ist nicht mehr
hier, Sir. Er hat diesen Körper vor mehr als einer Woche,
während des Angriffs der Rasool Ardehn verlassen.“ er
machte eine kleine Pause, in die sich Shigerah sofort
einklinkte:
„Und ihre Begleiterin ist?“
„Oh, Entschuldigung. Das ist Niora-Dal. Sie ist eine
Alamakpilotin. Ich griff sie in der Kraftfeldkontrollzentrale
auf und stellte sie vor die Wahl, mit mir zu kommen und
zu überleben, oder an Bord der Rasool Ardehn zu
bleiben und zu sterben. Wie sie sehen, wählte sie das
Richtige.“
Shigerah sah kurz zu der Frau hinüber und zog eine
Augenbraue nach oben. Er war sich keineswegs sicher,
ob dies die richtige Entscheidung für die Frau war oder
nicht. Jemand konnte durchaus auf die Idee kommen und
sie der Spionage verdächtigen oder sie als Saboteurin zu
denunzieren. Das hätte dann zur Folge, dass sie
ebenfalls sterben musste. Markus ließ den Gedanken
davon schweifen, jedoch nicht ohne ihn an einer sehr
langen Leine in seinem Gedächtnis festzuhalten.
Commander Clark begann nun mit seinem Bericht von
den Geschehnissen die er in den letzten Wochen und
Monaten sowohl in Skataris wie auch an Bord der Rasool
Ardehn erlebt hatte. Shigerah hatte inzwischen seinen
ersten Offizier, Don Marshall herein gebeten und beide
hörten nun sehr aufmerksam zu.
Clarks Bericht war außerordentlich genau abgefasst.
Jedes Detail das ihm wichtig genug erschien, wurde
gebührend erwähnt. Nur bei den Demütigungen die man
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ihm an Bord des Stadtschiffes zugefügt hatte, ließ er das
Eine oder Andere beiseite. Und nun kam er langsam zum
Ende:
„... wir verließen also die Kontrollzentrale und machten
uns auf den Weg zu Nubals Quartier. die Gänge sahen
immer wieder gleich aus und ich hatte schon befürchtet,
mich zu verlaufen, aber Niora hielt Wort und führte mich
zielsicher zu seinen Räumen. Sie hätte mich genauso gut
in eine Falle tappen lassen können.
Als wir den Raum betraten, fürchtete ich schon, Nubal
wäre bereits aus dem Gefängnis befreit worden und
wartete nun schon auf uns, denn kurz hinter der Tür war
eine kleine Kammer mit einer weiteren Tür, die von zwei
Wachposten geschützt wurde. Da wir jedoch beide
unseren Overall trugen und ich mit diesem
Strahlengewehr bewaffnet war, schöpften sie nicht gleich
Verdacht. Dennoch fragten sie nach dem Grund unseres
Erscheinens. Ich trat den Schritt der uns trennte auf sie
zu, die Waffe hatte ich in die linke Armbeuge gelegt und
die Rechte am Griff. Ohne Vorwarnung trieb ich dem
linken mein Knie in den Magen, und mit der Rechten
schlug ich die Waffe in einem Bogen der anderen Wache
über den Schädel. Dabei zerbrach sie wie ein billiges
Spielzeug. Ich ließ sie fallen und kümmerte mich um den
zweiten Wachposten, der von Schmerzen gepeinigt auf
ein Knie gesunken war. Ein Faustschlag genügte, um ihn
ins Reich der Träume zu befördern. Dann griff ich mir die
beiden Waffen und trat durch die ehemals bewachte Tür.
Der Raum hatte etwas kathedralenartiges an sich. Er war
langgezogen und wurde zu beiden Seiten von mehreren
Säulen flankiert. Weiter vorne in der Mitte erhob sich
jedoch ein Podest, auf dem ein einzelner Stuhl stand.
Nein, ich hatte mehr den Eindruck, dass es ein Thron
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war, auch wenn dieser sehr spartanisch wirkte. An der
Wand dahinter hing eine Art Gobelin mit dem Szenario
einer Weltraumschlacht darauf. Das Stadtschiff war
eindeutig die Rasool Ardehn, aber die anderen Schiffe
habe ich noch nie gesehen. Es waren kleinere,
merkwürdig eckige Schiffe. Sie hatten etwas kristallenes
an sich.“ er machte eine Pause, in die sich Niora
einklinkte:
„Das waren xothaische Schlachtkreuzer.“ bemerkte sie
auf Alamak und zog damit alle Blicke auf sich. Es schien
ihr schon fast peinlich, dass sie die Antwort gewusst
hatte, und so legte sich ein zartes Rot auf ihre Wangen.
Shigerah und Don Marshall sahen Clark fragend an,
denn sie verstanden die Sprache der Alamak ja nicht,
ebenso wenig wie Clark, wenn er seine Maske nicht auf
hatte. Er schob sich das Teil über den Kopf und forderte
Niora auf, das Gesagte zu wiederholen. Er schob die
Maske nach hinten, so dass die Kontakte mit dem
Computer im Anzug und der Maske verbunden blieben,
und meinte:
„Sie sagte, die Schiffe auf dem Wandteppich seien
xothaische Schiffe.“
„Xothaisch?“ fragte Shigerah nochmals, sich selbst
versichernd was er da gehört hatte. Und Niora nickte
dazu, obwohl sie ihn nicht verstanden hatte..
Der Captain betätigte eine Taste in einem kleinen
Konsolenfeld, das man in der Tischplatte versenkt hatte
und sprach:
„Commander? Schicken sie mir umgehend Lieutenant
Deveraux in meinen Besprechungsraum.“
Die Anweisung wurde umgehend bestätigt, und es
dauerte nicht lange, da betrat Branda den Raum. Sie
salutierte ordnungsgemäß und nahm dann den Helm ab
und schob ihn unter den Arm.
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„Ah, Lieutenant. Kommen sie, setzen sie sich. Wir haben
da noch ein paar Fragen zu ihrem Aufenthalt auf Xotha,
die soeben aufgetaucht sind.“
Branda hatte Clark noch nicht erkannt, da dieser mit dem
Rücken zu ihr saß und sich bei ihrem Eintreten nicht
umgewand hatte. Als sie nun aber um den Tisch herum
kam und „Alex“ da sitzen sah, blieb sie auf ein Mal wie
angewurzelt stehen und starrte ihn an.
„Sie beide kennen sich ja schon...“ begann Shigerah
„Ja.“ kam es von Branda.
„Nein.“ von Clark, und zwar gleichzeitig.
„Ja was denn nun? Ja oder nein?“ wollte Marshall
wissen.
„Tut mir leid, Sir, aber ich kenne diesen Marine nicht.“
fügte Clark seiner Aussage hinzu.
Shigerah sah Deveraux erwartungsvoll an.
Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen und riss ihre
Augen von „Snow“ los.
„Entschuldigung, Sir. Ich muss mich korrigieren. Ich
kenne zwar den Mann beziehungsweise den Körper hier,
aber nicht den Geist der nun wieder in ihm steckt.“ sie
wand sich wieder an Clark. „Tut mir leid, Sir, aber...“ die
Worte blieben ihr im Hals stecken. Shigerah rettete die
Situation, indem der Deveraux nach ihrem Wissen über
die Xotha befragte.
„Haben sie jemals irgend welche Raumfahrzeuge bei den
Xotha gesehen, Lieutenant?“ wollte er wissen.
Branda schüttelte den Kopf und verneinte die Frage.
„Wir waren, denke ich zumindest, lange genug auf dem
Planeten, um sicher sein zu können, dass diese Kultur
über keinerlei Fluggerät verfügt, Sir. Sie haben ja nicht
einmal Bodenfahrzeuge. Zumindest keine, die sich ohne
ein davor eingespanntes Tier fortbewegen könnten.“
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„Hm, seltsam.“ sinnierte der Captain laut. „Sind sie
sicher, Niora, dass diese Schiffe von den Xotha
stammten?“ wollte Shigerah noch mal von der
Alamakfrau wissen und sah sie an. Dann wurde ihm
wieder gewahr, dass sie seine Sprache ja nicht verstand,
und so bat er Clark um eine Übersetzung.
„Ja Herr. Es ist zwar schon sehr, sehr lange her, dass
diese Schlacht stattfand, aber ich bin mir sicher.“
übersetzte Jason.
„Wie lange?“ mischte sich Marshall ein.
„Ich weiß nicht, wie man bei ihnen die Zeit misst, aber es
war viele hundert Generationen zurück.“
„Viele hundert Generationen? Das können durchaus dreibis vierhundert Jahre sein.“ meinte Shigerah.
„Möglicherweise wurde nach dem Sieg der Alamak über
die Xotha ein Verbot ausgesprochen, das ihnen das
Fliegen im Weltall absprach. Das hatten andere Völker
auch schon getan. Möglicherweise waren aber auch gar
nicht mehr genügend Xothaner nach der Schlacht am
Leben, um ihr Wissen die Fliegerei betreffend an die
Nachkommen weitergeben zu können. Es könnte einfach
in Vergessenheit geraten sein.“ Shigerahs Gedanken
kreisten wild umher.
Als die Besprechung zu Ende war, folgte Deveraux dem
Commander und der Alamak hinaus auf den Flur. Niora
hatte man ein Quartier neben Clark zugewiesen, und sie
mit einer Wache vor der Tür unter „Hausarrest“ gestellt,
solange bis die Sache mit den Alamak geklärt, und auf
jeden Fall so lange, bis sie ausführlich befragt worden
war.
„Commander, kann ich sie einen Augenblick sprechen?“
fragte
Branda
wie
sie
kurz
vor
den
Mannschaftsquartieren angekommen waren.
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Jason drehte sich zu ihr um und wollte etwas sagen,
doch da tauchte ein Marine in braun-schwarzer Uniform
und mit dem typischen breiten, flachen weißem Hut auf.
Am Gürtel trug er eine Pistole, einen Schlagstock und ein
Funkgerät, von dem aus ein dünnes Kabel über seine
Brust zum Ohr hinauf lief. Es war der Wachposten. Er
salutierte.
„Augenblick bitte.“ meinte er zu Branda und wies dann
den Mann an, Niora Dal in die ihr zugewiesenen Räume
zu bringen und entsprechend der Anweisung davor
Posten zu beziehen. Der Soldat salutierte erneut.
Zu Niora meinte er nur, dass er später noch nach ihr
sehen würde. Die Alamak nickte und ging mit dem
Marine davon.
Als sie fort waren, drehte er sich wieder zu Deveraux
herum und sah ihr in die Augen. Sie hatte ihn die ganze
Zeit
über
genau
beobachtet
und
versucht
herauszufinden, ob noch ein Funke von Alex in ihm war.
Doch als sie nun seinen Blick sah, wusste sie dass er für
immer für sie verloren war.
„Es tut mir leid, Lieutenant, dass ich nicht der bin, den sie
scheinbar erwartet hatten. Ich hätte diesen Snow gerne
kennen gelernt. Muss ein feiner Kerl gewesen sein.“
Branda nickte wortlos und wollte sich zum Gehen
wenden. Clark fasste nach ihrem Arm und hielt sie
zurück. Er hatte gehofft, dass seine Worte sie trösten
würden, doch nun wusste er, dass dem nicht so war.
„Wenn ich je etwas für sie tun kann, Deveraux, lassen sie
es mich wissen.“
Branda
sah
ihn
erneut
an.
Eine
typische
Schutzbehauptung, dachte sie bei sich, für einen Mann
der nicht wusste wie er reagieren sollte. Aber dennoch
schienen seine Worte aufrichtig gemeint zu sein, denn
sie sah keinen Fehl in seinen Augen.
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„Danke, aber ich komme zurecht.“ antwortete sie, dann
ging sie.
Clark sah ihr noch einen Augenblick hinterher, dann ging
auch er.
Zwischenzeitlich in Skataris...
Gwyndragsil hob das blaugeschuppte Haupt von den
unter seinem Kinn verschränkten Klauen und sah hinüber
zu dem Bett, wo Ilya und Alex schliefen. Es war nur eine
Ahnung, die ihn aus seinem Schlaf geholt hatte.
Fast lautlos erhob er sich auf seine Pfoten und tapste
näher heran. Vorsichtig beugte er das Haupt zu Snow
hinab und meinte leise:
„Es ist Zeit, Alex. Die Dämonen sind zum Angriff bereit.“
Alex war sofort wach und starrte in das Antlitz des
Drachen:
„Gwyn, seit wann bist du denn schon hier?“
„Seit dem ihr beiden eingeschlafen seid, und die beiden
Mädchen sich da draußen in der Badewanne miteinander
vergnügt haben.“ Er verzog die Lefzen und hätte es
Snow nicht besser gewusst, würde er sagen, Gwyn hatte
ein Grinsen auf den Lippen.
„Aber das ist jetzt nicht wichtig. Ihr müsst euch fertig
machen. Die Dämonen werden bald hier sein.“ Mit diesen
Worten wand er sich ab und ging langsam auf die Tür
des Gemaches zu. Seine Gestalt wurde zusehends
kleiner, so dass er bequem durch die Türe hinaus gehen
konnte.
Alex sah zu Ilya hinüber, die sich bereits regte und mit
einem geöffneten Auge in seine Richtung blickte. Sie
streckte sich ausgiebig, was zur Folge hatte, dass sie
sich die leichte Decke vom Leib zog. Ihre himmelblaue
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Nacktheit bot einen fantastischen Kontrast zur
eierschalenfarbigen Bettwäsche.
„Hallo Liebster,... „ begrüßte sie ihn. „... hast du gut
geschlafen?“
„So gut wie nie zuvor in meinem Leben.“ antwortete er
und beugte sich über sie, um ihr einen Kuss zu geben.
Ilya schlang sofort ihre Arme um seinen Hals um mehr zu
fordern, doch Alex hielt sie zurück.
„Wir müssen uns fertig machen, die Dämonen sind im
Anmarsch.“ meinte er und entzog sich ihrer Umarmung.
Ilya fuhr aus dem Bett.
„Was? Ich habe überhaupt keinen Alarm gehört.“ rief sie
und suchte nach ihrer Kleidung.
„Ich auch nicht, aber Gwyn hat mich geweckt, und das
würde er nie tun, wenn es nicht ernst wäre.“
In diesem Moment hörten sie die Hörner der Stadtwache
auf den Mauern von Tolun erklingen.
„Verdammt, jetzt wird es ernst.“ fluchte Snow und warf
die Bettdecke beiseite.
Ein Diener und eine der kleinen Mägde von vor einigen
Stunden, kamen hereingelaufen und halfen den beiden
beim ankleiden.
Zehn Minuten später saßen alle schon auf dem Rücken
ihrer Pferde, und Alex bestieg den Drachen.
Königin Tara sah die beiden an und dachte plötzlich an
die Schlacht von damals zurück. Ihr Blick wanderte zu
Ilya hinüber, die noch einige Korrekturen an ihrem
Zaumzeug machte. Dann meinte sie:
„Ihr beiden haltet euch bitte zunächst im Hintergrund. Ich
schicke euch Luana, wenn es soweit ist. Danach könnt
ihr euren Einsatz frei wählen.“ sie atmete tief durch und
sagte dann:
„Viel Glück. Euch allen. Ich hoffe euch später an der
Tafel zu finden.“ Dann gab sie ihrem Pferd die Sporen
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und ritt über den großen Platz davon und zum Tor
hinaus.
„Unsere Leute haben in den letzten Wochen etwa
zwanzig unterirdische Gänge gegraben, die sich von hier
aus fächerförmig in die Ebene hinaus ziehen.“ brummte
ein alter Zwerg, der sich im Kommandozelt über eine
Karte der sie umgebenden Landschaft beugte. Die
Kommandeure aller Truppenteile standen um diesen
Tisch herum.
„Am Ende der Gänge befinden sich Fallgruben mit
angespitzten Pfählen. Sie sind so breit und lang, dass
man sich nicht mit einem einzigen Sprung darüber
hinweg bewegen kann. Der Mönch hat die Karte kopiert
und wird sie gleich an euch austeilen. Sagt euren
Männern, sie sollen darauf achten, wo sie hinlaufen.“
„Wie weit von hier aus sind diese Gruben entfernt?“
fragte die Nixe. Sie hatte die Frage von Norro Vet, dem
König und Kommandant der Trolle übersetzt, der sich ja
nur mittels Fingerzeichen mit den Menschen
verständigen konnte.
„Etwas mehr als eine Meile, also gut 1600 Meter.“
antwortete der Zwerg.
Morgan zog lautstark die Luft durch die Zähne. Der
Zwerg sah ihn an und fragte:
„Missfällt dem Warlord, was wir getan haben?“ wollte
Garion, so hieß der Zwerg, wissen.
„Nein, nicht direkt. Ich bewundere eure Leistung sehr.
Keine Frage. Aber 1600 Meter sind sehr nah an der
Stadt. Wir können nicht warten, bis die Dämonen so nah
heran sind.“
„Der letzte Angriff fand keine anderthalb Meilen von hier
statt. Glaubt ihr wirklich, dass es auf die paar Meter noch
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ankommt?“ mischte sich einer der Hauptleute von Graf
Ruperts Armee ein.
„Jeder Meter Boden den wir die Dämonenbrut weiter von
der Stadt weg halten können, ist wichtig. Wir wissen noch
immer nicht, welche Auswirkungen ihre Magie auf die
Bewohner haben wird, wenn sie erst einmal dicht genug
heran sind.“ meinte Mungo el Sarif dazu.
Norro begann mit seinen Lippen einen leisen Flötenton
zu formulieren und zog damit die Aufmerksamkeit der
anderen auf sich. Ilya, die nach wie vor als Übersetzerin
für den Troll diente, fragte sofort mit Handzeichen nach,
was er wollte.
Der Vet bewegte die unterarmdicken Finger in einer
Geschwindigkeit, die man seinem klobigen Körper
überhaupt nicht zutrauen mochte. Ilya hatte mühe,
seinen Ausführungen zu folgen.
„Norro ist der Meinung, dass wir es riskieren sollten. Um
jedoch nicht selbst in die Gruben zu stürzen, sollten wir
uns von den Zwergen bis kurz davor führen lassen, und
dann entsprechend der gewählten Formation dort
Aufstellung nehmen und auf den Angriff der Dämonen
warten.
Zweifellos
werden
sie
zunächst
zwangsrekrutierte
und
teilweise
umgewandelte
Menschen und andere Bewohner von Skataris wieder
voraus schicken. Die Katzen sind leicht und schnell. Sie
sollten über die Gruben hinwegsetzen und diese erste
Welle so als möglich dezimieren. Danach kehren sie
wieder in die Reihe der Verteidiger zurück. Folgt dann
der Angriff der Dämonen, sollten wir standhaft bleiben,
bis sie die Gruben erreicht und diese durch ihr Gewicht
zum Einsturz gebracht haben. Sie werden sich nicht mit
der Bergung der Verletzten aufhalten, sondern immer
mehr ihrer Leute voran treiben, bis schließlich die Gruben
voll von Leichen sind, so dass sie ohne Probleme
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darüber hinweg ziehen können. Die Bogenschützen auf
den Elefanten könnten sie davon noch eine Weile
abhalten, aber dann sollte unsere Streitmacht vorrücken.“
Die Männer im Zelt sahen den Troll mit leicht
verwunderten Blicken an. Niemand hatte auch nur im
entferntesten daran gedacht, dass der Bergbewohner
etwas vom Kampf in Gruppenschlachten verstand. Seit
Jahrhunderten hatte man keine Trolle mehr in diversen
Truppenverbänden in eine Schlacht ziehen sehen. Aber
sein Vorschlag war der Beste, der an diesem Morgen ins
Gespräch eingeflossen war.
Man diskutierte noch einige andere Möglichkeiten, aber
keine war annähernd so gut wie die von Norro Vet.
Der Wachposten meldete die Annäherung der feindlichen
Armee fast zeitgleich mit der Beendigung der
Besprechung. Die Hauptmänner eilten zu ihren
Truppenteilen und brachten sie für das langsame
Vorgehen in Position. Kurz darauf erklang das Horn,
dass das Vorrücken befahl.
Wie zuvor besprochen, hatte man die Truppen in
folgender Weise aufgestellt. Die vorderste Reihe bildeten
die Kampfelefanten des Grafen Rupert vom Thal aus der
südlichen Garnison. Auf jedem Elefanten hatten vier
Bogenschützen Platz, welche die Truppe zu jeder Seite
hin absichern konnten, sowie der Mahut, der das Tier
lenkte. Unten herum befanden sich pro Elefant vier
weitere Männer, die mit langen Stangen, an denen sich
sichelförmige Klingen befanden, bewaffnet waren. Sie
waren dafür zuständig, die Elefanten vor Übergriffen des
Feindes auf dessen Beine abzuwehren.
Kurze Zeit später hatten die einzelnen Truppenverbände
ihre ihnen zugewiesenen Positionen und Formationen
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eingenommen und marschierten unter der Führung der
Zwerge langsam auf die Frontlinie zu.
Man hatte etwas mehr als die Hälfte des Weges hinter
sich gebracht, da hörte man schon von fern das Brüllen,
Schreien und krakeelen des sich nähernden Feindes,
und eine dichte Staubwolke erhob sich am Horizont. Sie
kam schnell näher. Morgan, der mit seinem Schimmel an
der rechten Flanke der Armee ritt sah dies mit
Unbehagen. Er winkte einen seiner Meldereiter zu sich
und trug ihm auf, zum Kommandanten der Zwerge zu
reiten und ihn das Tempo verdoppeln zu lassen. Sie
mussten unbedingt vor den Dämonen an der Frontlinie
sein. Der Befehl wurde sogleich ausgeführt.
Durch das Anziehen des Tempos, geriet die
Schlachtordnung für einen Augenblick ein wenig
durcheinander. Die Zwerge liefen auf ein Mal zwischen
den Elefanten und Katzenmenschen herum, da sie von
ihren kurzen Beinen zuweilen nicht so schnell
vorangetragen wurden wie die anderen Mitstreiter. Doch
schließlich kamen sie alle an der Frontlinie an und die
Ordnung wurde wieder hergestellt.
Der Warlord hatte sich mit den anderen Hauptleuten
darauf geeinigt, dass es das Beste sei, die Elefanten so
zu postieren, dass sie bei einem möglichen Vorstoßen
mit den ihre Beine bewachenden Soldaten, vier an der
Zahl je Elefant, genau zwischen den jeweiligen Gruben
hindurch nach vorne rücken konnten. Ebenfalls je zu
viert, wurden Katzenmenschen zwischen den Elefanten
und ihren „Fußtruppen“ aufgestellt. Sie waren schneller
als alle anderen und hatten genügend Sprungkraft, um
mit einem Satz über die Gruben hinwegsetzen zu
können. Ihnen nach, folgte je ein Bergtroll, bewaffnet mit
einer gewaltigen, mit spitzen Knochen besetzten Keule.
Zwischen den Trollen, sollten je drei Zwerge Aufstellung
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nehmen. Sie waren am wenigsten von allen gefährdet,
von den weit ausholenden Schlägen der Trolle getroffen
zu werden. Ja sie brauchten sich nicht einmal darunter
hinweg zu ducken. Ihre Bewaffnung beschränkte sich auf
gewaltige Hämmer und riesige Doppelkopfäxte. Und so
klein sie auch waren - ihre Stärke durfte man nicht
unterschätzen – sie wussten hervorragend damit
umzugehen. Den Schluss bildeten die menschlichen
Soldaten. Sie setzten sich zusammen aus den
Garnisonen des Grafen Rupert vom Thal, der die
Grenzen im Süden von Skataris bewachte, den verstreut
liegenden Außenposten im Westen und Osten, soweit sie
nicht schon von den Spürtrupps der Dämonen
aufgerieben und zerstört worden waren, und der
eigentlichen Armee von Skataris, die hier in Tolun
stationiert war. Die Stadtwache hatte man komplett
innerhalb der Mauern Toluns belassen. Sie waren die
letzte Hoffnung der Stadt und der Menschen die in ihr
lebten.
Nun standen sie hier, die Verteidiger, und der von ihnen
aufgewirbelte Staub legte sich langsam auf allem nieder,
das sich nicht mehr groß bewegte. Wie alte, verstaubte
Statuen standen die Soldaten in Reih und Glied und
warteten auf den Angriff. Die Hitze der Sonne würde
ihnen bald zu schaffen machen, wenn sie sich nicht
bewegen konnten. Doch als hätte ein göttliches Ohr ihr
Ersehnen wahrgenommen, blies auf ein Mal ein
kühlender Wind von der Stadt herüber und legte sich
über sie wie eine gut gekühlte Glasglocke, die man über
einen Teller mit verderblichen Lebensmitteln legte, um
diese frisch zu halten. Gut, dieser Vergleich hinkte ein
wenig angesichts der Torturen, die den Männern
bevorstanden, sollten die Dämonen sie lebend in die
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Finger bekommen. Denn nichts anderes würden sie für
sie sein. Nur ein Lebensmittel. Man würde ihnen die
Seele aus dem Leib reißen und das leblose Fleisch in
kleine Stücke fetzen und sie anschließend genüsslich
verspeisen.
Aber noch war es nicht so weit, und ein jeder war froh
über diese Abkühlung. Geschaffen worden war sie von
den Magiern, die die letzte Schlacht vor einigen Wochen
überlebt hatten. Auch sie hatte man auf den Mauern
Toluns zurückgelassen. Ihre magische Unterstützung
und das überraschende Auftauchen des Drachen und
seines Reiters, würden entscheidende Schlüssel sein,
die zum Gelingen dieser Schlacht beitragen mussten.
Ohne eine magische Unterstützung wären die Menschen
verloren.
Rote und gelbe Manakugeln zerrissen auf ein Mal die
Staubwolke die den Dämonen vorangeschoben wurde
und rasten auf die Verteidiger zu. Die kühlende Luft
verschwand aus den Nacken der skatarischen Armee
und ein bläulich schimmernder Schildwall erhob sich vor
ihnen. Mit einem ohrenbetäubenden Donnern schlugen
die Kugeln auf den Schild und zerplatzten darauf. Ihre
Energie waberte über den Schild hinweg, mischte sich
mit denen der anderen Kugeln, leckte mit langen, spitzen
Feuerzungen über die Oberfläche und verpufften
schließlich ohne Schaden angerichtet zu haben.
„Den Göttern sei Dank für die Macht unserer Magier.“
flüsterte
einer
der
Männer,
der
mit
seiner
sichelbewehrten Lanze neben dem Bein eines Elefanten
stand. Einer der Katzenmenschen neben ihm, ein
schwarzes Panthermännchen, hatte die Dankesworte
gehört und richtete seine gelben Augen auf den Mensch
neben sich. Als dieser den Blick auf sich spürte, wand
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auch er den Blick zu seinem Mitstreiter. Verlegen zuckte
er mit den Schulter. Doch der Kater hatte keinen Hohn
auf den Lippen, sondern nickte lediglich zustimmend, und
richtete dann seinen Blick wieder nach vorn.
Dem persönlichen, körperlichen Angriff der Dämonenbrut
konnte der Schild freilich nicht standhalten. Die Masse
ihrer unförmigen Körper rollte auf die Verteidiger zu wie
ein überdimensionaler Wagen der sonst so kleinen
Tunnelschlitten mit denen die Zwerge den Untergrund
von ‚Skataris durchpflügten, und dessen Bremsen gerade
versagten. Sie prallten auf den Schild und stießen fast
ungebremst hindurch. Ihres Übermutes all zu sehr
beflügelt, registrierten sie zunächst überhaupt nicht, dass
sich schon wenige Zentimeter hinter dem Schild der
Boden unter ihren Füßen, Krallen, Klauen oder auf was
immer sonst sie sich vorwärts bewegten, geöffnet hatte.
Zu Dutzenden stürzten sie zusammen mit der Abdeckung
in die Tiefe, wo auf dem Grund angespitzte Pfähle auf
ihre Leiber warteten.
Fast zehn Meter tief waren diese Gruben, und sechs
Meter hoch die eisernen Spitzen. Die hineinfallenden
Körper, übrigens weit weniger menschlich als zunächst
befürchtet, schlugen mit dumpfem Schmatzen auf die
Pfähle und wurden von den ihnen nachfolgenden ohne
Unterlass tiefer und tiefer die Stäbe hinab geschoben, bis
sich schließlich die Gruben auf einer Länge der Front von
fast einhundert Metern mit Leibern angefüllt hatten.
Diejenigen, welche dem tödlichen Schub der hinter ihnen
heranstürmenden Mitstreiter durch die schmalen
Korridore zwischen den Gruben entgehen konnten,
wurden augenblicklich von den rasiermesserscharfen
Krallen der Katzenmenschen in Stücke gerissen. Diese
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schienen in einen regelrechten Blutrausch zu verfallen.
Sie wüteten unter den Dämonen als seien sie selbst von
einem Dämon besessen. Sie setzten über die Gruben
hinweg, der Schildwall war längst vergangen, schlugen
ihre Krallen tief in das stinkende Fleisch der
Dämonenbrut und rissen sie mit sich zurück, wieder
hinweg über die Fallgruben. Dort zogen sie ihre Krallen
ein und ihre Beute stürzte in einen Schlund aus
schwarzem Blut und Stahl.
Bald schon, waren die Gruben so sehr angefüllt, dass der
Gegner mühelos über das tote Fleisch hinwegsetzen
konnte. Die Bogenschützen auf den Elefanten hatten
keine Mühe ein Ziel zu finden, so dicht war der Ansturm.
Doch ihre Kameraden tief unter ihnen hatten alle Mühe,
die Angreifer von den Beinen der Elefanten fern zu
halten. Zwar hielten viele der Katzenmenschen den
Gegner immer noch gut in Schach, aber dennoch
brachen einige durch die Reihen und wagten ohne zu
zögern den Angriff auf die grauen Riesen und deren
Besatzung.
Ein dünner, fast schlangenartiger Dämon wickelte sich
soeben um den Menschen, der noch kurz zuvor den
Mächten der Magier für den Schutzschild gedankt hatte.
Immer enger zog sich der Körper um den Mann und
raubte ihm zusehends die Luft. Der Ellbogen seines
linken Armes, der sich ebenfalls unter dem Schlangenleib
befand, drückte ihm schmerzhaft in die Rippen. Mit der
Rechten umklammerte er den beindicken Leib des
Schlangenmonsters, doch der Medusenkopf des Untiers
zeigte keinerlei Reaktion auf den eisenharten Griff des
Soldaten. Er machte sich bereit, seine langen, schwarzen
Reißzähne in den Körper seines Opfers zu schlag.
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Doch plötzlich hielt es inne und riss die Augen weit auf.
Dunkles, pechfarbenes Blut quoll aus vier gewaltigen
Risswunden an seinem nicht vorhandenen Nacken. Der
Kopf kippte nach vorne auf den Menschen. Dieser schrie,
schon bedacht, seinen letzten Atemzug zu tun, Doch der
Kopf des Monsters blieb nur kurz auf seiner Schulter
liegen, dann fiel er auf den Boden und kullerte ein klein
wenig zur Seite. Hinter dem Schlangenleib wurde die
grimmige Maske eines Katzenmenschen sichtbar. Es war
das schwarze Panthermännchen, das vorhin neben dem
Mann gestanden hatte. Schwarze, zähe Flüssigkeit troff
von den ausgefahren Klauen seiner rechten Pranke.
Ungläubig zunächst, starrte der Mann auf die Katze,
doch dann gewann er wieder Stärke über sich selbst und
schälte sich aus der nur langsam leichter werdenden
Umarmung der toten Dämonenschlange.
Ein kurzes „Danke“ war alles wozu er Zeit hatte, dann
waren schon wieder neue Gegner herangekommen, und
beide fochten erneut um ihr Leben.
Die Mahuts trieben ihre Tiere nur sehr langsam nach
vorne. So lange die Bogenschützen noch Pfeile besaßen,
und derer hatten sie reichlich, konnte der Kampf auf
Distanz gehalten werden.
Die Schar der Dämonen stapfte über die Leiber der
Getöteten hinweg als hätten sie diese nicht gekannt. Ihr
Gewicht drückte die Toten noch ein ganzes Stück tiefer
in die Gruben, doch neue Gefallene füllten diese Lücke
sofort wieder auf. Dann war es so weit. Travis Morgan
gab den Befehl zum geschlossenen Vorrücken. Er trieb
den Hengst an auf dem er saß und schoss mit der
gepanzerten Reiterei an der rechten Flanke entlang
vorbei, um in einem weiten Bogen auf den Angreifer
zuzustürmen. Desgleichen tat der ehemalige Prinz von
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Marokko, Mungo el Sarif, auf der linken Seite. So zog
sich ein bereites Band schwer bewaffneter Krieger immer
enger um den Feind, und schloss diesen langsam aber
sicher ein.
Mit großen Schritten führte Norro Vet seine Trolle in die
Schlacht. Sie benötigten nur wenige Meter, bis sie die
vorderste Frontlinie erreicht und die Elefanten und
Katzenmenschen überholt hatten. Dann standen sie auch
schon inmitten des Getümmels. Ihre knochenbewehrten
Keulen hieben wahre Schneisen in die Reihen der
Dämonen. Abgetrennte Körperteile und Blut spritzten
über ihre Kameraden hinweg als werfe man ein Netz mit
Köderfischen über der wogenden See aus, nur um einen
noch größeren Fang in den Maschen wieder an Land
ziehen zu können.
Plötzlich hörte man ein ohrenbetäubendes Brüllen, und
wie der Knopf einer Fernbedienung einen laufenden Film
zu einem Standbild gefrieren lassen konnte, so erstarb
mit einem Mal jegliche Kampfhandlung in der
Wüstenzone. Ein zweites Brüllen erschütterte die
Kämpfenden, ja ließ sogar den Boden erzittern. Die
gewaltige Staubwolke die sich über dem Kampfplatz
erhoben hatte, sank langsam hernieder und gab den
Blick auf etwas frei, das weder Mensch noch Troll noch
Dämon... nein, nicht Dämon... je gesehen hatten.
Auf einer leichten Erhebung, etwa zwei Meilen entfernt,
hatte sich hinter dem Feind ein neues, dämonisches
Wesen erhoben. Es sah aus wie ein Stier mit flammend
rotem Fell und langen, schwarzen Hörnern auf dem Kopf.
Sein Vorderhuf kratzte im sandigen Boden und ließ
diesen erzittern. Sein feurig heißer Atem verbrannte den
Sand unter seinen Nüstern zu spiegelndem Glas, das
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beim nächsten Aufstampfen sofort wieder zerbrach. Es
warf den Kopf in den Nacken und schrie ein weiteres Mal
sein markerschütterndes Brüllen über das Land. Dann
setzte es sich in Bewegung. Zunächst nur langsam so
schien es, doch mit einem Mal wurde er schneller und
schneller und die zwei Meilen schienen nur zwanzig
Meter gewesen zu sein. Der Boden erbebte gewaltig.
Risse taten sich an manchen Stellen auf, und je näher
der Stier kam, desto größer wurde er. Schließlich war er
da. So groß wie sechs Elefanten auf- und
nebeneinander, rammte er seine Masse durch die Linien
der Dämonen und pflügte diejenigen unter, die nicht
schnell genug weg kamen. Seine Hörner spießten auf,
schleuderten weg und spießten erneut auf. Egal ob
Freund oder Feind. Und schnell hatte er die Reihen der
Verteidiger erreicht.
Dies war die Zeit, zu der Gwyndragsil und Alex in den
Kampf eingreifen mussten. Angriffssignal hin oder her,
war in diesem Falle egal. Schon seit geraumer Zeit
hatten sie sich über dem Schlachtfeld befunden, doch
Gwyn hatte ihre Körper auf Libellengröße geschrumpft
gehalten. Mit einem einzigen Laut von seinen Lippen
erreichten sie wieder ihre normale Größe und stießen
aus den heißen Höhen herab wie ein Falke der seine
entgültige Beutewahl getroffen hatte.
Der Drache prustete einen Feuerball nach dem anderen
auf den roten Stier herab, doch verpufften diese ohne
Schaden anzurichten an seiner Oberfläche. Dennoch,
seine Aufmerksamkeit hatten sie damit auf sich gelenkt,
und verschafften so den Soldaten ihrer Armee eine kurze
Verschnaufpause. Zwei rot gezackte Energieblitze
schossen dem Stier aus seinen schwarzen Hörnern, dem
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fliegenden Gegner entgegen. Nur knapp verfehlten sie ihr
Ziel, und Alex konnte die Hitze auf seiner Wange spüren.
„Dein Feuer hat keine Wirkung auf den Dämon!“ rief
Snow nach vorne.
„Ach ja?“ antwortete Gwyn mit eine sarkastischen
Unterton. „Dann wollen wir es doch mal damit probieren!“
Der Drachen holte tief Luft, räusperte sich wie ein alter
Mann, der nach dem Aufstehen total verschleimt war,
und spuckte eine silbrig-graue Masse auf den Stier
hinab.
„Hey, was war denn das?“ wollte Alex wissen, während
er mit einem kurzen Reiterbogen einen der zwei
geflügelten Dämonen auf´s Korn nahm, die sich ihnen
gerade von Westen her näherten. Sein Pfeil verließ die
Sehne und Alex konnte sich getrost nach Gwyns
Geschoss umsehen. Er wusste ganz genau, dass sein
Pfeil den Dämon treffen würde, denn sie hatten die
Helligkeit des großen Himmelskristalls hinter sich. Der
silbergraue Brocken schien sich noch ein ganzes Stück
zu vergrößern, obwohl er sich von den beiden ständig
weiter weg bewegte.
„Wo Feuer nichts nutzt, nimmt man doch auch schon mal
ein wenig Eis zu Hilfe. Obwohl ich sonst nicht so dafür
bin, denn das kostet mich sehr viel magische Energie.“
erklärte Gwyndragsil.
Kurz bevor er auf den Stier traf, hatte er die Größe eines
Elefanten angenommen. Der feuerrote Dämon wollte ihm
ausweichen, konnte dies aber nicht, da der Eisbrocken
ebenfalls den Kurs wechselte. Er prallte dem Stier direkt
gegen die Schulter, warf diesen in den Staub und
rammte ihn fast bis zur Hälfte in den Wüstenboden. Ein
ohrenbetäubendes Grollen entsprang der Kehle des
Dämons, dann sank sein gewaltiger Schädel mit einem
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mächtigen Rums auf den Boden und er rührte sich nicht
mehr.
„Ist er tot?“ wollte Alex wissen.
„Nein, glaube nicht. Aber er ist erst mal außer Gefecht
gesetzt.
Der Eisbrocken hatte den Aufprall nicht in einem Stück
überstanden. Sein Körper platzte auseinander und die
kleineren Stücke krachten wie die Querschläger einer
Granate in die dem Stier folgende Masse der Dämonen.
Es war ein gewaltiges Blutbad, und Hunderte von
Monstern wurden schwer verletzt oder getötet. In den
Reihen der Verteidiger brandeten Jubelrufe auf, und sie
rückten mit neuem Mut gegen die Dämonenschar vor.
„Hey Gwyn, das war klasse! Kannst Du das noch Mal
machen, Vielleicht so, dass der Brocken direkt in die
Menge schlägt?“ fragte Snow, während er dem zweiten,
heran fliegenden Dämon bereits seinen dritten Pfeil
verpasste. Dann endlich stürzte dieser tot zu Boden.
„Tut mir leid Alex, aber momentan ist das nicht drin.
Meine Energie muss sich erst mal wieder aufladen. Es ist
eine Sache, einen Eisbrocken zu feuern, aber einen von
dieser Größe, das zehrt ganz schön an meiner
magischen Substanz.“
In diesem Moment erreichte die Reiterei unter der
Führung von Travis Morgan und Mungo el Sarif von
beiden Flanken aus die Armee der Dämonen. Die
Lanzen der ersten Reihe fuhren unter die Untoten wie die
Zinken einer Gabel, und hoben die Gegner von ihren
Füßen. Manch ein Reiter musste seine Lanze fallen
lassen, weil er das Gewicht von zwei oder mehr
aufgespießten Feinden nicht tragen konnte. Doch dass
war kein Problem, denn nun krachten die Panzerreiter in
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die ungeordnet durcheinander laufende Masse der
Dämonen und ihre Waffen hielten blutige Ernte.
Sie trieben die Monster zusammen und drängten sie
immer dichter zusammen. Der feuerrote Stier war dabei
ihr Endziel. Dieser hatte sich langsam von dem schweren
Schlag des Eisbrockens erholt und stand schon fast
wieder kampfbereit auf den noch leicht wackeligen
Beinen, als er bemerkte, dass seine Mitstreiter ihn immer
enger umringten. Wutschnaubend über diese ungewollte
Einengung brüllte er seinen Unmut darüber heraus. Doch
anstatt sich damit Luft und dadurch Bewegungsfreiraum
zu verschaffen, verunsicherte er seine dämonischen
Kollegen nur noch mehr. Seine Wut steigerte sich ins
Unermessliche, und als er es nicht mehr aushielt,
verschaffte er sich mit seinen schwarzen Hörner die Luft
die er brauchte.
„Unser roter Freund ist wieder fit!“ rief Alex seinem
geschuppten Kameraden zu. „Wie weit bist Du?“
„Kann gleich los gehen. Ich suche nur noch eine
günstigere Luftströmung für den Anflug.“ erwiderte der
Drache.
Kaum hatte er geendet, da flogen den beiden auch schon
die ersten roten Lichtblitze des Stiers um die Ohren.
Gwyn musste die Schwingen einziehen und mit einigen
gewagten
Manövern
ausweichen,
um
nicht
abgeschossen zu werden, doch dann hatte er die
ersehnte Thermik erreicht, und konnte sich in
kreisförmigen Bahnen nach oben schrauben.
Travis Morgan hatte sich mit seinem Pferd an die Seite
seines Freundes Mungo el Sarif gesellt und beobachte
den Aufstieg seines Freundes und dessen Drachen.
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„Gwyndragsil wird gleich einen weiteren Angriff auf den
roten Stier fliegen. Wir sollten unsere Männer ein wenig
zurück ziehen, wenn wir nicht wollen, dass einige dabei
drauf gehen.“
Mungo wand den Blick von der Schlacht ab und ließ ihn
nach oben schweifen.
„Du könntest Recht haben. Ziehen wir uns ein wenig
zurück.“ meinte er zustimmend. „Aber nicht so weit, dass
diese Teufel der Meinung sind, wir würden uns richtig
zurück ziehen. Ich will ihnen möglichst wenig Luft
lassen.“ füge er noch an. Dann zog er an den Zügeln und
bewegte sein Reittier, das zur Hälfte aus einem weißen
Einhorn und zur anderen aus einem schwarzen Panther
bestand zur Seite und gab seinem Hauptmann die
entsprechenden Befehle. Morgan tat es ihm gleich, und
schon bald bildete ein kleiner, freier Kreis zwischen den
Dämonen und der Reiterei des Königreiches.
Gwyndragsil sah dies und lobte insgeheim die Intuition
der Krieger weit unter ihm. Er rief Alex zu, dass er sich
gut festhalten solle, was dieser auch sofort tat, und ging
in den Sturzflug über.
Die Schwingen angezogen wie ein Falke, der sich auf
seine Beute stürzt, flatterten die dünnen Lederhäute
zwischen den verlängerten Knochenstreben seiner Flügel
wie ein vom Wind gepeitschter Umhang. Und je schneller
sie wurden, desto höher wurde der Ton den sie
verursachten.
Alex wollte ihm zurufen, dass man sie zu früh entdecken
und Gegenmaßnahmen einleiten würde, wenn sie mit
solch einem Getöse auf den Feind trafen, doch die Worte
wurden ihm von der Macht der Geschwindigkeit einfach
fortgerissen, noch bevor sie die Schwelle seiner Lippen
überwunden hatten.
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Doch irgendwie hatte des Drachen Verstand geahnt, was
sein Reiter von ihm wollte und so breitete er seine
Schwingen ein wenig weiter aus, wodurch sich die Häute
besser spannten und der Flug nicht mehr ganz so schnell
verlief wie zuvor. Gwyndragsil sagte nichts dazu, sondern
begann sich fürchterlich zu räuspern. Snow spürte das
Beben seiner Flanken unter seinen Schenkeln und er
sah, wie der Hals des Drachen langsam anschwoll.
Sie waren ihrem Ziel fast schon zu nahe, als der Drachen
sein Geschoss aus sich herausprustete wie ein Gewehr
eine Kugel. Der Eisbrocken drehte sich in der Luft um die
eigene Achse und wurde größer und größer. Gleich
würde er abermals auf den roten Stier treffen, und mit ein
wenig Glück, würde er diesen vernichten. Und wiederum
hatten Gwyn und Snow keine rechte Zeit, um den Flug
des magischen Geschosses länger zu verfolgen, denn
wie schon zuvor, näherten sich geflügelte Feinde von
allen Seiten.
Gwyn tat ein paar Schläge mit seinen gewaltigen Flügeln,
und erreichte erneut die auftriebstarke Thermik, auf der
er schon zuvor in die Lüfte geschwebt war. Ihre Verfolger
scheuten diesmal die Höhe anscheinend nicht, denn sie
blieben ihnen auf den Fersen.
Alex nahm den Reiterbogen aus der Halterung und legte
drei Pfeile gleichzeitig auf. Er wusste, dass so die
Treffsicherheit erheblich eingeschränkt war, Aber wenn
er traf, dann nicht nur ein Mal. Anders als sonst, musste
er die starke Sehne nun mit vier Fingern anstatt mit
zweien nach hinten ziehen, das war zwar leichter,
erschwerte aber das genaue zielen. Aber er machte sich
keine Sorgen. Die fast 34“ Zoll langen, extra für ihn
angefertigten Pfeile, waren das Beste, was Toluns
Waffenschmiede zu bieten hatten. Mit einem Grinsen auf
den Lippen dachte er daran, dass er sie sich hatte
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machen lassen, kurz bevor er seine unerwartete Reise in
die Zukunft antrat. Nun, als er wieder zurück war, hatten
sie fertig in der Ecke seines Zimmers gestanden, wo sich
auch seine anderen Waffen befanden. Dann ließ er die
Sehne los.
Ein gewaltiger Donnerschlag erfüllte die Luft, und eine
eisige Druckwelle breitete sich über dem Schlachtfeld
aus. Staub wirbelte in einer unglaublich dichten und
großen Wolke vom Boden auf und hüllte alles in eine
zähe Dunstglocke. Zwei der drei Pfeile trafen eine der
fliegenden Kreaturen mitten in die Brust, weil das Untier
seine Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment der
Explosion widmete, anstatt sich auf seinen Angriff zu
konzentrieren. Seine Flügel versagten ihm den Dienst,
und so stürzte es wie ein Stein zu Boden. Der dritte Pfeil
wich ein wenig von der ihm zugedachten Flugbahn ab
und schrammte über die ledrig aussehende Haut eines
weiteren Flugdämonen. Doch leider hinterließ er dort nur
einen harmlosen Kratzer.
Snow hatte sich dieses Mal jedoch nicht ablenken
lassen, sondern feuerte bereits die nächste Salve auf
seine Gegner ab. Diesmal trafen alle Drei. Zwei in Hals
und Gesicht, soweit man die Visage des einen so nennen
konnte, und der Dritte ragte seinem Nachfolger aus der
Kehle, weil dieser zu dicht bei seinem Vordermann
herangeflogen war.
Alex hatte irgendwie den Eindruck, dass ihre ganze
Aufmerksamkeit nicht so bei der Sache war als er auf sie
schoss. Plötzlich lösten sie sich mit einem lauten „Plop!“
auf und waren verschwunden.
„Was war denn das?“ wollte Gwyn von Alex wissen.
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„K... keine Ahnung.“ jetzt war es an Snow, verwirrt zu
sein. „Sie haben sich plötzlich in Luft aufgelöst.“ ergänzte
er.
„Da, schau!“ rief der Drache und lenkte Snows
Aufmerksamkeit auf das Schlachtfeld unter ihnen. „Sie
sind alle verschwunden!“
Und tatsächlich, von der Dämonenbrut waren nur noch
die übrig geblieben, die man lange zuvor schon getötet
hatte.
Gwyndragsil setzte zur Landung an.
„Nun, meine Herren,...“ begann Königin Tara, „... das
verschafft uns eine gute Verschnaufpause, wenngleich
wir noch nicht wissen, was genau passiert ist.“ und leitete
damit die erste Sitzung des Kriegsrates von Skataris ein,
der nach der Schlacht tagte.
Man hatte den Hauptleuten und Heerführern der
einzelnen Völker Gelegenheit zum Verschnaufen
gegeben, nachdem die Armee der Dämonen vor zwei
Tagen so plötzlich verschwunden war. Während dieser
zwei Tage waren die einzelnen Truppenführer in der
Lage, das Ausmaß des Schadens und die Verluste zu
beurteilen, und nun standen sie hier im kleinen
Besprechungsraum im Palast von Tolun und hielten
erneut Rat.
„Nun, meine Herrn, wie ist die Lage?“ wollte die Königin
unverblümt wissen.
Alex wollte schon ganz salopp sagen, dass sie
bescheiden jedoch nicht hoffnungslos war, doch konnte
er sich kurz zuvor noch bremsen. Die Situation war doch
zu ernst.
„Alles in allem, haben wir rund dreißig Soldaten des
Königreiches verloren. Acht Zwerge, zwei Trolle, zwei
Elefanten und elf Katzen.“
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„Und der Gegner?“ fragte Königin Tara.
„Einige Hundert. Dank des Drachen, Majestät. Allerdings
konnten wir genaue Zählungen nicht durchführen, denn
kurze Zeit nach dem Verschwinden ihrer Armee,
verschwanden auch die Toten.“
Kapitel 4: Auf Leben und Tod
Branda beendete ihren Dienst nach Vorschrift und zog
sich anschließend in ihr Quartier zurück. Das
Zusammentreffen mit Commander Clark hatte ihr jegliche
Hoffnung genommen, Alex je wiederzusehen. Irgend wie
war ihr kalt, und sie fühlte sich unsagbar müde. Sie
drehte die Raumtemperatur um 3,5 Grad Celsius nach
oben, entledigte sich ihrer Uniform bis auf die
Unterwäsche, und warf sich auf ihr Bett. Ihre Gedanken
kreisten wild umher, und immer wieder sah sie das Abbild
ihres Geliebten vor ihrem inneren Auge. Am Ende ihres
Traumes grinste ihr das Abbild höhnisch entgegen, so als
wolle es sagen, Du wirst ihn nie wieder sehen... vergiss
ihn...
Ihre Augen wurden feucht, und sie fühlte sich unendlich
verloren. Langsam drehte sie sich zur Seite und viel in
einen unruhigen Schlaf.
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Einige Tage später, waren die Schäden an der Perseús
behoben, und Captain Shigerah sah zufrieden über das
dicke Ende seines Zigarrenstummels hinweg und
betrachtete die Sterne, die sich vor ihm auf dem großen
Monitor der Brücke zeigten. Fast einen ganzen Tag hatte
es gedauert, bis sein Navigator ihre relative Position zum
terranischen Sonnensystem herausgefunden und einen
genauen Kurs errechnet hatte. Shigerah gab den
sofortigen Befehl zum Weiterflug. Er wollte so schnell wie
möglich fort von hier.
Bisher hatten sie Glück gehabt, denn die Alamak waren
hier noch nicht aufgetaucht. Doch das konnte nur eine
Frage der Zeit sein.
Markus Shigerah ergötzte sich noch an der stillen
Schönheit dieses sternenreichen Sektors, da kam
plötzlich die Stimme des Maschinisten über den
Lautsprecher herein und riss den Captain aus seinen
Gedanken.
„Was gibt es Mr. Gentis?“
„Sie können den Hyperraumantrieb wieder in Betrieb
nehmen, Sir. Alle Reparaturen sind erfolgreich beendet.“
Diese Nachricht zauberte ein zufriedenes Grinsen auf
Shigerahs Gesicht. Er schob den Zigarrenstummel von
rechts nach links, löste den neuen Feststellriegel seines
Sessels und drehte sich nach rechts.
„Steuermann?“ sagte er und wartete auf den Blick des
Angesprochenen.
„Sir?“
„Geben Sie Gas! Die Heimat wartet.“ befahl er.
„Aye, aye Sir!“ bestätigte der Mann und betätigte sofort
einige Schaltflächen auf seiner Konsole.
Shigerah drehte seinen Sessel wieder nach vorn und ließ
ihn einrasten. Der große Kontrollmonitor zeigte plötzlich
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ein kleines, blaugrünes Loch im Weltraum vor ihnen, das
sich immer weiter ausdehnte, und die Perseús nahm
direkten Kurs darauf. Das blaugrüne Loch verschluckte
das riesige Schiff wie ein ausgehungertes Tier seine
Beute. Dann schloss sich das Loch im Raumzeitgefüge
und verschwand.
Nicht einmal zwei Minuten danach, öffneten sich in
entgegengesetzter Richtung drei rot schimmernde
Hyperraumröhren und spuckten zwei Stadtschiffe der
Alamak und ein kleineres Versorgungsraumschiff aus
ihrem engen Schlund in den Normalraum hinaus. Man
scannte den gesamten Sektor und fand die sich gerade
in ihrer Auflösung befindlichen Partikel der Reststrahlung
des Hyperraumloches in dem die Perseús verschwunden
war. Nur einen Augenblick später, öffneten sich direkt an
der gleichen Stelle drei rötliche Hyperraumlöcher, in
denen die Alamakschiffe wieder verschwanden und die
Verfolgung aufnahmen.
Kaum waren sie verschwunden, im Sektor dieses
Weltalls funkelten nur noch die Sterne in unendlich weiter
Entfernung, da schoss auf ein Mal ein goldfarben
glänzender Lichtschweif mit gleißender Helligkeit durch
den Himmel und raste den soeben verschwundenen
Schiffen hinterher.
Für einen kurzen Moment erhellte sein Licht den Himmel
einer sich im Dunkeln der tiefen Nacht weilenden Seite
eines kleinen Mondes in der Nähe, und erschreckte eine
dort jagende pinselohräffchenähnliche Lebensform. Die
untertassengroßen, nachtaktiven Augen zogen sich
ruckartig zusammen und folgten dem Lichtschweif über
den Nachthimmel. Ein rattengroßes Insekt mit
milchigweißem Schuppenpanzer und kleine runden
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Knopfaugen, die sich auf zwei dünnen Stängeln am Kopf
des Tieres befanden, nutzte die Gelegenheit und
entschlüpfte geschwind dem zuvor erfolgten Zugriff des
Jägers und verschwand in einem nahegelegenen
Erdloch.
Als der Schweif wieder verschwunden war und das
Äffchen sich wieder seiner Beute widmen wollte, musste
es feststellen, dass es geflohen war. Zwei dünne
Nickhäute blinzelten über die großen Augen des Jägers,
und er stieß einen verärgerten Laut aus. Ob er sich nur
über die Flucht seiner Beute, oder auch über sich selbst
ärgerte wird man wohl nie in Erfahrung bringen, denn in
dem Moment wurde er selbst zur Beute eines noch
größeren Jägers. Eine klebrige Zunge umschloss ihn fast
vollständig und zog ihn in den Schlund der wohl
hässlichsten Fratze die es im Tierreich des Universums
gab.
Etwas weiter entfernt im All, öffnete sich einige
hunderttausend Kilometer hinter dem leuchtend grünen
Planeten namens Drakon der blaugrüne Schlund eines
Hyperraumüberganges und spuckte die Perseús aus.
Captain Shigerah ruckte von seinem Sessel hoch und
schob den obligatorischen Zigarrenstummel abermals
von einem Mundwinkel in den anderen.
„Na endlich!“ rief er. „Wir sind wieder zuhause. Gut
gemacht Mr. Sands!“ ergänzte er und lobte den
Steuermann. Sie umkreisten den Planeten und langsam
kam die Raumbasis 23 in Sicht. Doch was sie dann
sahen, ließ sie den Glauben an Gott und an sich selbst
verlieren. Shigerahs Stummel fiel mit einem leisen Plop
zu Boden und blieb direkt vor seinen Füßen liegen.
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Die Raumbasis glich einen einzigen Trümmerhaufen.
Das Octagon glich einem Donatkringel der an mehreren
Seiten von einem Riesen angebissen worden war.
Trümmerteile schwebten durch den Raum. Shigerah
machte eine kurze Handbewegung, auf die auch sofort
reagiert wurde.
„Alle Mann auf Gefechtsstation!“ brüllte der erste Offizier
Don Marshall in sein Kommunikationsgerät. Ein Alarm
ertönte und das normale Licht, wurde durch ein
dunkleres, rötliches ersetzt. Hektisches Treiben
verbreitete sich auf dem Schiff. Menschen liefen
durcheinander, um schnellstmöglich zu dem Ort zu
gelangen an dem sie ihre Arbeit zu verrichten hatten.
Branda Deveraux war nur ein Soldat. Sie musste sich
lediglich im Bereitschaftsraum der Marines melden, und
darauf warten, dass man ihr entsprechende Befehle
erteilte. In voller Kampfausrüstung stapfte sie mit ihren
schweren Stiefeln den breiten Flur der sie von den
Mannschaftsquartieren weg führte entlang. Einige Meter
weiter traf sie auf Tanaka, der durch den ganzen Lärm
und die Hektik einen völlig verunsicherten Eindruck auf
sie machte.
„Yashida, san, was tun sie denn hier in dem Gewimmel?“
fragte ihn Branda mit lauter Stimme, denn sie fürchtete,
er könne sie bei dem Lärm des Alarms nicht richtig
verstehen. Der alte Japaner wollte soeben zu einer
Antwort ansetzen, da verstummte der Alarm wieder.
„Oh, gut. Viel besser so.“ begann er. „Was ist denn
geschehen Lieutenant?“
„Kann ich noch nicht genau sagen. Ich weiß nur, dass wir
wieder bei unserer Raumstation angelangt sind, von der
wir vor mehr als einem halben Jahr abgeflogen waren.
Keine Ahnung. Vielleicht waren die Alamak doch schon
vor uns hier.“ antwortete sie.
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Tanaka sah sich kurz um und richtet seinen Blick dann
wieder auf Branda.
„Das wäre ausgesprochen schlecht. Nicht wahr?“
„Ja, das wäre es. Hören sie, ich muss mich bei meinem
Kommandeur melden. Wir reden später weiter.“
Mit diesen Worten war die Unterhaltung erst mal beendet
und Branda ging wieder ihres Weges. Yashida sah ihr
noch einen Moment hinterher und dachte so bei sich:
„Wenn es noch ein Nachher gibt.“
Noch sollte man nicht glauben, wie recht er mit seiner
Vermutung liegen könnte.
„Voller Stop!“ befahl Shigerah und winkte Don Marshall
zu sich.
„Sir?“
„Holen Sie mir umgehend den Chief of Flights und
McFadden in den Bereitschaftsraum.“
„Aye Sir.“
Der Captain wand sich ab und verließ die Brücke. Don
Marshall ging wieder hinüber zu seiner Konsole und gab
die entsprechenden Befehle weiter.
Es dauerte nur knapp 5 Minuten, da kam der Erste
Offizier mit den beiden Männern in den Raum des
Captains.
„Setzen sie sich, meine Herren.“ begrüßte er sie und wies
mit der Rechten auf die Stühle, die sich um einen
mittelgroßen, runden Tisch reihten.
„Wie sie sicherlich bereits mitbekommen haben, haben
wir Alarmstufe 1 ausgerufen, weil Raumbasis 23
zumindest teilweise, wenn nicht sogar völlig zerstört ist.“
begann der Captain.
„Die Scannerauswertung zeigt noch einige, wenige
Lebenszeichen auf der Station.“ ergänzte Marshall.
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„Denen gilt unsere ganze Aufmerksamkeit. Ich möchte
daher folgendes:
Chief, sie schicken zwei Geschwader Kampfflieger, die
Eagles und die Mustangs da raus. Drei von jeder Truppe
sollen einen Patrouillenflug um die Station und zurück
machen. Fällt ihnen nichts besonderes auf, werden die
anderen ihnen folgen und so eine ununterbrochene Kette
zwischen der Station und uns bilden. Sollte dann etwas
unvorhergesehenes passieren, sind die meisten schnell
wieder zur Stelle.“
Frazer Murdoc hatte aufmerksam zugehört und
bestätigte die Befehle des Captains mit einem Nicken.
„Mr. McFadden, ich will dass sie ein Platoon Marines in
Frachter stopfen und zur Raumbasis hinüber schicken.
Nehmen sie auch ein medizinisches Notfallteam mit.
Durchsuchen sie die Station von oben bis unten und
sammeln sie alles ein was noch lebt. Sollten sie auf
wiederstand stoßen, möchte ich, dass sich ihre Leute
möglichst zurückhalten. Unsere Priorität gilt den
Verwundeten.“ damit war die Besprechung beendet, und
alle verließen den Raum.
Es
dauerte
nicht
lange,
bis
die
beiden
Kampfjägergeschwader den Bauch der Perseús
verließen und entsprechend den Anweisungen sechs
Maschinen in Formation zur Station hinüberflogen. Fast
auf
dem
Fuße,
folgten
ihnen
drei
große
Mannschaftstransporter, welche die Marines auf der
Station absetzen sollten.
Die Suchtruppe wurde während der Überführung in
kleinere Kommandoeinheiten zu je zehn Mann aufgeteilt,
die dann die einzelnen Sektoren der Station
durchkämmen mussten.
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Branda Deveraux leitete Einheit Drei. Sie hatten die
medizinische Ebene zu durchsuchen, Überlebende zu
bergen und medizinisches Equipment zu sichern.
Da die regulären Landehangars weitestgehend zerstört
waren,
mussten
die
Transporter
an
den
Notandockrampen an der Unterseite der Raumbasis
festmachen. Wie Ameisen, die in ein wildes Bienennest
eindrangen um sich den süßen Honig zu holen, drangen
die Soldaten in die Station vor. Die Teams verteilten sich
professionell in ihre Aufgabengebiete und meldeten alle
ungewöhnlichen Vorkommnisse sofort über ihr Headset
an die Einsatzkoordination weiter.
Was man in der Station vorfand, zeigte ein schreckliches
Bild der Vorkommnisse auf. Überall lagen Trümmer in
den Gängen. Wandverkleidungen waren abgerissen,
zerbrochen oder halb geschmolzen. Computerkonsolen
waren scheinbar durch gezielte Schüsse zerstört worden.
Notfallkraftfelder hielten die Station dort zusammen, wo
die Außenhülle abgerissen worden war. Doch einige
Sektoren waren dennoch nicht zugänglich, da das
Lebenserhaltungssystem hier nicht mehr funktionierte.
Und überall lagen Tote.
Eine Explosion ließ den Boden unter Deverauxs Füßen
erzittern. Sofort gab sie ihren Männern ein Handzeichen,
dass sie veranlasste, in Deckung zu gehen.
„Carter, St. Tilly, ihr macht den Spähtrupp.“ befahl sie
zischend über die Schulter hinweg. Die beiden Männer,
erfahrene Marines, nickten wortlos und gingen gebückt
an ihr vorbei. Mit den entsicherten Waffen im Anschlag
folgten die restlichen Acht mit einem kurzen Abstand.
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St. Tilly, ein Mann irischer Abstammung, ging voraus. Er
war fast 190 cm groß, mit rötlichem Haar, schlank und
sehr drahtig. Seine Kameraden bezeichneten ihn als
besonders zähen Hund. Carter dagegen, war ein wenig
kleiner, und muskulöser wie St. Tilly. Er rasierte sich
regelmäßig den Schädel, so dass man sein
dreidimensionales Spinnentattoo jederzeit sehen konnte.
Es war so realistisch gemacht, dass man glaubte ihm
säße tatsächlich eine riesige Vogelspinne auf dem Kopf.
Er und Tilly hatten sich bereits bei der Grundausbildung
kennengelernt. St. Tilly trug ein ganzflächiges
Drachentattoo auf dem Rücken, das aussah, als würde
sich das Tier soeben einen Weg aus seinem Körper
herausfressen.
Seither waren sie ganz dicke Freunde.
Sie befanden sich jetzt im unteren Teil der medizinischen
Einrichtung von Raumbasis 23. Sektor Rot 3 Alienmedizin. Da Außerirdische nicht immer aussahen
wie Humanoide, musste dieser Trakt so gestaltet werden,
dass auch andersartige Lebewesen hier transportiert und
versorgt werden konnten. Entsprechend hoch und breit
waren hier die Gänge und Türen. Und es gab verdammt
wenig Deckung.
Branda sah ihren Scouts hinterher. Die beiden Männer
hatten den nächsten Knick des Ganges erreicht und
spähten um die Ecke. Ein Knacken in Deverauxs
Ohrstöpsel kündete einen Funkübertragung an.
„Alles sauber, Lieutenant.“ drang es dann an ihr Ohr.
Branda führte ihre Männer zu der Stelle wo Carter und
St. Tilly auf sie warteten. Direkt bei dem Knick war eine
Abzweigung, welche den Passanten bis zur anderen
Seite, quasi dem Innenhof, der Station führen konnte.
Freilich gab es da draußen keinen Innenhof, aber von
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dort konnte man ebenfalls überall hin gelangen. Das
klinische Weiß der Wände und die vielen Glasscheiben,
welche diesen Trakt bisher sehr hell gestaltet hatten,
wechselte hier mit sprunghafter Härte die gezielt
einfarbige Atmosphäre. Von den Zerstörungen auf ihrem
Herweg einmal abgesehen, dort waren wenigsten nicht
so viele Tote, mussten sie hier schon fast über Berge von
Leiche, sowohl menschlicher als auch außerirdischer,
steigen. Überall tropfte oder rann Blut der
unterschiedlichsten Farbschattierungen von den Wänden
und der Decke. Direkt an der nächsten Querkreuzung lag
ein toter Riesenolmoloch, ein affenähnliches Wesen vom
Planeten Nebular Nexus der sich auf viertel Weg von
Hier zum Oriongürtel befand. Eine ziemlich unwirtliche,
eisige Welt. Dieses Wesen hier war mit ein Grund dafür,
dass die Station in solchem Umfang gebaut worden war.
Kein Wunder, dass es starke Ähnlichkeit mit den
Gestalten hatte, die man auf der Erde Yeti nannte. Deren
Geheimnis wurde übrigens im Jahre 2038 endlich
gelüftet. Forscher fanden in einer Höhle des Himalaja
damals eine ganze Gruppe von „Yetis“, alle tot. Zudem
fanden sie eine Art Raumschiff, auf dem alles an die
Größe dieser affenähnlichen Wesen angepasst war.
„Los, schafft dieses Ungetüm aus dem Weg. Wir müssen
weiter.“ befahl Deveraux.
Der Olmoloch wog gut und gerne seine 500 Kg schwer.
Die Soldaten zerrten an Armen und Beinen und hatten
ihre liebe Mühe, den Außerirdischen zu bewegen. Doch
schließlich gelang es ihnen und sie konnten ungehindert
passieren.
Sie bewegten sich entlang den OPs und den
Laboratorien immer tiefer in die Station hinein. Längst
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hatten sie aufgehört die Leichen zu zählen. Sie mussten
die Überlebenden finden, und zwar schnell.
Zwei gleißend helle Lichtblitze zerschnitten auf ein Mal
die Wandverkleidung zu Brandas Linken. Sie schmolz
und tropfte von ihren metallenen Haltebolzen in der
Wand, auf den Boden herab. Deveraux und ihre
Mannschaft brachten sich sofort in Deckung.
„Was zur Hölle war denn das?“ wollte einer der Männer
wissen.
Branda sah über die Schulter zu dem Mann zurück und
grinste.
„Das, mein Lieber, war die Energieentladung eines
Strahlenhandschuhs der Alamak. Reines Licht, das um
einiges stärker ist wie die uns bekannten Laserstrahlen.“
erklärte sie ihm, dann richtete sie ihren Blick wieder nach
vorne.
„Carter, St. Tilly, seid ihr noch da?“ fragte sie dann in ihr
Mikrofon. Dann wurde plötzlich geschossen. Das
Feuergeräusch kam von weiter vorne im Gang, und
Branda konnte die aufblitzenden Feuerstöße sehen, als
sie um die Ecke spähte.
„Verdammt, Jungs! Was ist da vorne los?“ brüllte sie in
ihr Mikro. Darauf hin kam eine krächzende Stimme die
auf ein Mal in ihr Ohr brüllte. Branda zuckte mit
schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck zurück.
„Hier St. Tilly, Ma´am, Carter ist tot! Zwei Typen in
silbernen Overalls versperrten uns den Weg in den
nächsten Sektor. Ihre Strahlen haben Carter einfach in
der Mitte durchgeschnitten. Ich...“ endete es plötzlich.
Dann begann wieder das Feuern. Ein weiterer Lichtstrahl
bohrte sich nahe bei den anderen Einschlägen in die
gleiche Wand. Scheinbar hatten die Angreifer keine
Möglichkeit ihre Position zu wechseln.
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„Okay Männer, wir greifen an!“ gab sie an alle weiter, Die
Truppe verließ ihre Stellung und bewegte sich von
Deckung zu Deckung weiter nach vorne. Zwanzig Meter
weiter, trafen sie auf St. Tilly, der blutverschmiert hinter
einem metallenen Container hockte und gerade seine
Waffe nachlud.
„Ah, Lieutenant. Schön dass sie da sind. Kann ich jetzt
´ne Pause machen?“
Branda legte ihm die Hand auf die Schulter und fragte:
„Ja Soldat. Sind sie in Ordnung?“
„Sind nur unbedeutende Kratzer, Ma´am.“ meinte er
darauf hin und grinste feist aus seinem mit Staub und
Blut verschmierten Gesicht. Branda klopfte ihm nochmals
auf die Schulter und schickte ihn dann nach hinten. Dann
sah sie sich um, und als ihr Blick auf die Leiche von
Carter fiel, wurde ihr etwas übel. Sie drehte sich zu ihren
Männern um und schien etwas zu suchen. Sie fand es
sogleich.
„Jackson, bauen Sie ihr SSG zusammen. Sie müssen die
Sache erledigen. Ich möchte unnötige Feuergefechte
nach Möglichkeit vermeiden. Ihr anderen haltet euch also
ein bisschen zurück.“ befahl sie.
Der Angesprochene nahm einen länglichen Tornister
vom Rücken und öffnete ihn. Mit präzisen, schnellen
Handgriffen, baute er ein langläufiges Gewehr mit einem
Zweibein unter dem vorderen Drittel zusammen. Den
Abschluss bildete das Aufsetzen eines kleinen,
rechteckigen Kastens, der ein digitales Zielfernrohr
enthielt. Die CCD-Miniaturoptik lieferte ein gestochen
scharfes Bild auf ein transparentes LCD-Display, das
Jackson vom Rand seines Helmes herunter klappte. Das
Multidigitalzoom konnte ihm auf mehr als fünf Kilometer
Entfernung noch eine Ameise auf sein Display
projizieren, wenn er wusste wo er nachzusehen hatte.
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- 96 -
Ein kleineres Problem gab es dabei allerdings noch
immer, denn kaum ein Gewehr trug seine Geschosse so
weit. In der Schwerelosigkeit war das kein Problem. Hier
brauchte er weder eine spezielle Munition, noch musste
er die Ballistik entsprechend berechnen, da konnte er
einfach schießen. Die Kugel würde immer gerade aus
fliegen, ohne ihr Ziel zu verfehlen, über Tausende von
Kilometer hinweg.
Doch hier, auf der Raumbasis, war Vorsicht angesagt.
Die Kugel musste stark genug sein, den Gegner außer
Gefecht zu setzen, durfte aber auch nicht so stark sein,
dass sie die Außenhülle der Station beschädigen konnte.
Er
lud
also
die
hülsenlosen
Karbonfaserteilmantelgeschosse in das Magazin. Legte
an, sofort wurde das Display lebendig, zielte kurz und
schoss.
Der Mann im silbernen Overall, der gerade zu einem
weiteren Schuss ansetzen wollte, wurde von der Wucht
des Geschosses an der rechten Schulter getroffen und
nach hinten geschleudert. Eine zweite Kugel zerfetzte
ihm die gesichtslose Maske. Er war auf der Stelle tot.
Sein Begleiter, der auf der anderen Seite des
Durchganges Deckung gesucht hatte, sah sich nach
seinem Kameraden um, was fatale Folgen für ihn hatte.
Kurz hintereinander schlugen zwei Kugeln in seinen
Schläfenbereich ein und beförderten ihn ohne dass er es
noch mit bekam direkt neben seinen Freund auf den
Boden.
„Erledigt, Ma´am.“ bestätigte der Marine und nahm die
Waffe wieder von der ihm als Stütze dienenden Kiste.
Ohne eine Reaktion des Bedauerns, klappte er das
Zweibein an den Lauf und hievte sich das schwere Gerät
über die Schulter.
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Branda hatte ihn dabei beobachtet, und es waren kurz
Zweifel in ihr aufgekommen, ob es richtig von ihr
gewesen war dem Mann diese Aufgabe zu übertragen.
Oh, nicht dass sie daran zweifelte, dass es getan werden
musste. Schließlich konnten sie sich nicht von den
beiden Alamak aufhalten lassen, aber ein offener Kampf
wäre ihr möglicherweise lieber gewesen. Sie sah ihr
Gewissen damit belastet, und das fand sie überhaupt
nicht gut. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Sie mussten
weiter, und so gab sie den entsprechenden Befehl.
In der Zwischenzeit hörte man über Funk aus allen
Bereichen der Raumbasis von Feuergefechten. Captain
Shigerah und sein erster Offizier, standen beim Funker
und lauschten dem Äther.
„Verdammt, Don, diese Mistkerle haben und doch
überholt.“ meinte Shigerah.
„Ja, Sir. Doch wo sind ihre Schiffe?“
„Dort!“ kam es auf einmal vom Eingang der Brücke her.
Die Männer drehten sich um und sahen den Redner
verwundert an. Es war Jason.
„Commander Clark? Was tun sie denn hier?“ wollte
Shigerah wissen.
„Sir, ich habe kein Kommando. Und dort kommt ein
Stadtschiff auf uns zu.“ ließ er sie wissen und deutete mit
dem Finger auf ein kleines Seitenfenster.
Die Blicke wechselten zwischen Fenster und Clark hin
und her.
„Auf den Bildschirm!“ befahl der Captain, und sofort
erwachte dieser zum Leben.
„Warum wurden wir nicht gewarnt?“
„Sir, die Sensoren erfassen nichts. Das Schiff dürfte
eigentlich überhaupt nicht da sein.“ meldete einer der
Männer. Fast im gleichen Augenblick, schien der
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Bildschirm zu flimmern wie die Luft über glühend heißem
Wüstensand, und das Stadtschiff verschwand von ihrem
Bildschirm.
„Verdammt, was war denn das? Sind die Schilde oben?“
„Aye, Sir.“
„Gut. Wann wären sie in Waffenreichweite gewesen?“
„In sieben Minuten, Sir.“
Shigerah wand sich wieder an Clark.
„Haben sie eine Erklärung dafür, Commander?“ wollte
Shigerah wissen.
„Nein Sir, nicht direkt.“
„Was soll das heißen?“
„Nun ja, während meiner Zeit in Skataris, habe ich
mitbekommen, dass die Bewohner während ihres
Kampfes gegen die Dämonenbrut von Zeit zu Zeit von
diesen mit angeblichen Angriffen getäuscht wurden.
Ritten die Soldaten aus, um den Kampf aufzunehmen,
war auf ein Mal niemand mehr da, gegen den sie hätten
kämpfen
können.
Der
Gegner
war
einfach
verschwunden. Hatte sich in Luft aufgelöst.“
„Und sie glauben, das hier könnte auch so eine
Täuschung sein?“
Clark sah hinüber zum Bildschirm, da er aus dem
Augenwinkel heraus etwas hatte aufblitzen sehen.
„Nein, Captain, das glaube ich nicht...“
Die Rasool Ardehn hatte für nur einen Augenblick den
Schutzschild geöffnet und einen Energiestoß abgefeuert.
Danach war sie wieder verschwunden.
„Achtung,
ankommendes
Geschoss!“
rief
der
Sensoroffizier. Und kaum hatte er es ausgesprochen, da
schlug das Geschoss bereits auf dem Schutzschild auf.
Die Perseús wurde ziemlich kräftig durchgeschüttelt,
einige Besatzungsmitglieder wurden von den Füßen
gerissen und zu Boden geworfen.
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„Sie... sie sollten jetzt schnellstens gehen, Commander.“
meinte der Captain danach und rappelte sich wieder vom
Boden auf.
„Ihre ehemalige Truppe war auf der Basis stationiert. Wir
haben bisher keine Überlebenden bergen können. Weder
vom Stationspersonal noch von irgend welchen
Besuchern. Fühlen sie sich in der Lage ein Kommando
zu übernehmen?“
„Absolut Sir.“
„Okay. Gehen sie zu Murdoc in den Hangar. Er gibt ihnen
einen Jäger. Sie übernehmen das Kommando über die
Wölfe. Fliegen um Drakon herum und halten sie uns
möglichst den Rücken von feindlichen Jägern frei. Die
Mustangs und die Eagles werden sie dabei unterstützen.“
„Wie sieht es mit Verstärkung aus, Sir?“ wollte Clark
wissen.
„Wir haben einen Breitbandhilferuf um Unterstützung
ausgesandt. Die Agamemnon, unser Schwesterschiff, hat
geantwortet. Sie müsste eigentlich in den nächsten
Stunden hier eintreffen. Aber auch die Fregatte, San
Francisco und ein Schlachtkreuzer der Japaner, die
Shogun von Osaka, sind auf dem Weg hier her.
Halten sie uns also so lange wie möglich den Rücken
frei. Viel Glück.“
Clark nickte, und war damit entlassen. Ein zweites
Geschoss traf den Schild und reduzierte die Energie auf
60%. Clark machte sich so schnell auf den Weg wie er
konnte. Da der Hangar am Ende des Schiffes lag,
musste er eine kurze Fahrt mit dem Interslide, einer Art
magnetfeldgelagerte Transportbahn, machen. Innerhalb
von Sekunden konnten damit Truppen und Material quer
durch das ganze Schiff transportiert werden. Sie
funktionierte wie eine Rohrpost, nur schneller und
sanfter.
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Murdoc erwartet ihn schon an der Tür zum Hangar und
begrüßte ihn freundlich.
„Hallo Commander. Wie geht es Ihnen?“ es war nur eine
höfliche Floskel, aber Clark beantwortet sie trotzdem mit
einem „Danke, gut.“.
„Folgen sie mir, Sir. Wir müssen noch eine Fliegerkombi
und die Zusatzausrüstung für Piloten für sie
heraussuchen.“
„Das wird nicht nötig sein. Ich nehme das Alamakshuttle.“
„Was? Aber, aber das geht nicht!“ Murdoc schien
empört.“ Clark packte ihm am Kragen und zog ihn zu sich
her.
„Ich habe keine Zeit, mit ihnen zu streiten, Murdoc. Wir
stehen unter Beschuss und ich bin der einzige der das
Ding einigermaßen fliegen kann. Außerdem haben wir
dadurch möglicherweise einen Vorteil.
Also, wo habt ihr das Shuttle geparkt?“
„Schon gut, schon gut. Es steht in Hangar 2.“ Murdoc war
ein wenig zurückgezuckt vor der energischen Art die der
Commander an den Tag gelegt hatte, und außerdem war
er einen ganzen Kopf kleiner wie der Offizier. Clark ließ
ihn wieder los und sah sich nach dem Hangar um. Er sah
eine große 2 auf einem Metalltor und machte sich
unverzüglich auf den Weg dorthin.
Keine zwei Minuten später verließ er das Schiff durch ein
Außentor.
„Clark an Perseús!“
„Wir hören sie laut und deutlich, Commander.“ kam die
Antwort.
„Sagen sie der Truppe hier draußen, dass sie nicht auf
mich schießen soll, es sei denn ich befehle es ihnen!“
maulte Clark ins Mikrofon.
„Wird gemacht, Sir!“
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Gleich darauf wurde ein entsprechender Befehl von
Shigerah an die Truppe übertragen, und Clark konnte
aufhören in schwindelerregenden Bahnen zwischen den
Jägern der Perseús hindurch zu schlüpfen. Einige der
Schützen entschuldigten sich bei ihm. Sie konnten ja
nicht wissen, dass er in einem atypischen Fluggerät
auftauchen würde.
„An alle! Achtung! Ein zweites Stadtschiff hat soeben den
Hyperraum verlassen. Achtung! An alle...“ kam es auf ein
Mal aus dem Lautsprecher eines jeden Jägers heraus
und wurde zwei Mal wiederholt. Die Piloten richteten ihre
Sensoren neu aus und erwarteten nun den nächsten
Angriff.
Der ließ auch nicht lange auf sich warten, denn kaum war
das zweite Stadtschiff im normalen Raum angelangt,
entließ es einen ganzen Schwarm von Jagdshuttles, gar
nicht unähnlich dem, das Jason flog. Fast im selben
Moment öffnete sich einige Tausend Meilen hinter der
Raumstation ein weiteres Hyperraumfenster. Es hatte
eine blaugrüne Färbung, und sofort wussten die
Menschen, dass nun die Verstärkung eintraf.
Die Agamemnon benötigte nicht einmal eine ganze
Minute für die Zielerfassung, da beide Schiffe gerade auf
die Perseús feuerten, und so konnte sie, noch bevor sie
überhaupt nahe genug für einen direkten Angriff war, 18
Torpedos aus ihren Frontgeschützen abschießen.
Jeweils neun davon flogen auf je ein Stadtschiff zu. Doch
die Torpedos flogen nicht einfach gerade aus, sondern
steuerten einen Zick-Zack-Kurs. Somit waren sie für die
feindliche Abwehr erheblich schwerer zu treffen. Doch
die feindlichen Jäger waren flexibler wie die
schwerfälligen
Stadtschiffe.
Sie
erhielten
eine
Anweisung, und machten sofort Jagd auf die
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heranstürmenden Flugkörper. Dass sie dabei von den
Jagdgeschwadern der Perseús attackiert wurden, schien
sie nicht sonderlich zu stören.
Clark sprach sich mit dem Commander der Eagles,
einem gewissen Shawn O´Reily, ein irisch stämmiger
Quadratschädel, rechthaberisch und ein Arschloch
sonders gleichen. Aber, er war ein hervorragender Pilot,
und wenn er sich auch mit jedem anlegte der ihm quer
kam, vertrauten ihm seine Männer blind und würden mit
ihm durch die Hölle fliegen.
„Hier Eagle 1! Würden sie das noch Mal wiederholen,
Commander?“
„Was haben sie daran nicht verstanden, O´Reily? Ich
fliege jetzt einen Scheinangriff, und ihr sollt auf mich
schießen. Aber möglichst so, dass ich noch weiterfliegen
kann. Ich reihe mich dann in die feind....“
„Ja, ja, ist ja gut. Ich hab ´s ja kapiert. Na dann machen
sie sich mal auf einen netten Höllenritt gefasst. Wir
werden sie durchs All scheuchen, dass ihnen hören und
sehen vergeht. Also los, wir warten.“
In diesem Moment blitzte O´Reilys Schutzschild
verdächtig oft auf und seine Maschine wurde heftig
durchgeschüttelt. Im gleichen Augenblick raste ein
Alamakshuttle über ihn hinweg, und als es sich einige
Meter vor ihn gesetzt hatte, wackelte es mittels einer
kippenden Bewegung mit den kurzen Stummelflügel.
O´Reily wusste sofort, dass konnte nur Clark sein, denn
von außerirdischen Piloten kannte man diese uralte
Freundfeinderkennungsmethode (das Wackeln mit den
Flügeln) nicht.
„Was ist los O´Reily, warten sie auf eine Einladung?“
„Keineswegs!“ erwiderte der Ire und schoss seinerseits
auf das Shuttle. Der Schuss ging fehl, und Clark wollte
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schon höhnisch über den Iren herziehen, da trafen
seinen Schutzschild zur Rechten zwei Geschosse aus
den Bordkanonen eines weiteren Eagle. Clark nutzte
geistesgegenwärtig die Energie des Aufpralls und ließ die
Maschine in einer Rolle davon trudeln. Dann gab er Gas
und zog die Nase in einer steilen Kurve wieder nach
oben, während seine Verfolger weiter auf ihn feuerten,
ohne ihn zu treffen. Sein Manöver brachte ihn durch die
Reihen der Mustangs und schließlich in die bereits
angelaufene Angriffswelle der Alamak.
„O´Reily, ich brauche noch zwei Treffer am Heck. Eine
leichte Beschädigung wäre nicht schlecht. ich leite die
Schutzschildenergie etwas ab, damit ihr durch kommt.“
„Das ist leider nicht so einfach, mein Freund.“ kam es mit
gequälter Stimme aus dem Lautsprecher. „Wir stehen
unter Beschuss. Vielleicht können sie denen mal sagen,
sie sollen das lassen, bis wir mit ihnen fertig sind?“
maulte Shawn. Clark konnte sich ein Grinsen nicht
verkneifen und meinte:
„Im Prinzip gerne, aber das war meine eigentliche
Absicht, O´Reily. Sie müssen mich für einen der ihren
halten."
„Na, das wird ihnen nicht schwer fallen. oder?“
Clark antwortete nicht, sondern wendete sein Shuttle und
rammte es durch die Linien der Alamak und schoss auf
den Jäger des ihn verfolgenden Menschen zu. Ihre
Formation brach auseinander und sie mussten fluchend
die Verfolgung aufgeben. In den Lautsprechern der
Alamakshuttles war Jasons Stimme in deren Sprache zu
hören.
„Der gehört mir, Freunde!“ und schon schoss er zwei
Salven Plasmafeuer auf den Jäger ab, verfehlte ihn nur
um Haaresbreite und drehte dann in einer engen Schleife
über ihm ab. Ein weiteres Flügelwackeln signalisierte
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O´Reily, dass er es mit Clark zu tun hatte, und so schoss
er seinerseits auf das Alamakschiff und traf es wie
gewünscht am Heck.
Jasons Shuttle ruckte ein Stück nach vorne und der linke
Antrieb begann zu stottern. Qualm wurde ausgespuckt,
und setzte sich wie ein breiter undurchsichtiger Schleier
hinter
dem
Schiff
fort.
Mit
krächzenden
Antriebsaggregaten versuchte sich Clark in Richtung
eines der Stadtschiffe davonzuschleichen, doch O´Reilys
Leute ließen sich nicht so einfach abschütteln. Sie jagten
Jason noch einige Salven hinterher, dann wurden sie von
den Alamak zu stark bedrängt, um die Verfolgung
pflichtgemäß weiter zu führen und drehten schließlich ab.
„Das war knapp, nicht wahr?“ kam es auf ein Mal aus
dem Heck von Clarks Maschine. Jason hatte sich derart
erschrocken, dass er aus Versehen ruckartig an der
Steuerung gezogen hatte und die Maschine dadurch
noch stärker ins Trudeln brachte. Er drehte sich um sah
nach hinten.
„Niora! Was machen sie denn hier?“ rief er voller
Verwunderung, als er sah, wer da aus dem winzigen
Laderaum gekrochen kam.
„Verzeihung, aber ich wollte nicht alleine auf dem
fremden Schiff bleiben. Dort kenne ich doch niemanden.“
erklärte sie sich mit trauriger Stimme.
„Nun, das kann ich zwar verstehen, Niora, aber wir
befinden uns hier mitten im Krieg, und ich habe vor auf
eines der Stadtschiffe zu gehen und dieses zu
zerstören.“
„Das weiß ich, Jason, und ich will ihnen helfen.“
„Helfen?“ er sah sie fragend über die Schulter hinweg an.
„Hm, wir werden sehen. Setzen sie sich erst mal hier
hin.“
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Als sie an ihm vorbei schlüpfte, um auf dem Copilotensitz
Platz zu nehmen, bekam Clark einen unwiderstehlichen
Duft von seiner Mitstreiterin in die Nase, der ihm für kurze
Zeit die Sinne durcheinanderwirbelte.
„Was... was war das?“ fragte er.
Niora Dal sah nun ihn fragend an.
„Was war was?“
Und zum ersten Mal, seit er sie kannte, sah er ihr richtig
in die Augen. Nie zuvor war ihm aufgefallen, dass sie
leuchtend grüne Augen hatte. Ihr ihn fixierender Blick,
brachte diesen Moment zustande, in dem sie aus den
sonst so schmalen Sehschlitzen, die ihre alamakische
Natur waren, sich zu weiten Halbmonden geöffnet hatten.
Sie unterstrichen fast perfekt die leichte Rotfärbung ihrer
langen Haare. Clark musste sich zusammenreisen.
„Dieser,... dieser Geruch, den sie verströmen?“
Sie zog eine Augenbraue nach oben, ohne ihren Blick
von ihm zu nehmen und setzte sich hin.
„Das..., das ist eine Mischung aus verschiedenen
Duftprodukten, die ich in einem kleinen Laden auf dem
Schiff gefunden hatte.“ erklärte sie ihm. „Gefällt es
euch?“
„Gefallen? Es ist...“ setzte er an, dann musste er einer
Rakete ausweichen, die man auf ihn abgeschossen
hatte. „...nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht!“
Die ruckartige Bewegung des Shuttles hatte Niora in den
Copilotensitz gedrückt, und sie wirkte für einen
Augenblick, aber auch nur für einen winzigen Augenblick
leicht deplaziert hinter der Steuerkonsole, und sie war
sich auf ein Mal überhaupt nicht mehr sicher, ob es eine
gute Idee von ihr war, sich an Bord des Shuttles zu
schleichen. Aber auch, ob Clark nun seine Antwort auf
ihren Duft bezogen hatte, oder ob er „nur“ voller Respekt
für den überraschenden Angriff der Rakete war.
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Letzten Endes war es allerdings egal, denn in diesem
Moment wurden sie von einem Leitstrahl erfasst und von
ihm in Richtung des ihnen am nächsten gelegenen
Stadtschiffes gezogen.
„Wir sollten nun unsere Masken aufsetzen.“ meinte sie
dann auf ein Mal, und schob sich die silberglänzende
Halbschale über das Gesicht. Ihr langes, rötliches Haar
verschwand wie von Zauberhand unter dem schwarzen
Faltenstoff, der von weitem wie ein gleichmäßig
geschnittener Haarschopf aussah. Jason schob seine
Maske ebenfalls übers Gesicht, und nun hockten sie
beide in dieser kleinen und immer kleiner werdenden
Blechbüchse und warteten darauf, was wohl passieren
würde, wenn sie an Bord dieses gigantischen
Stadtschiffes sein würden.
„Da, links hinter dem Stapel mit den Kunststofftonnen.“
flüsterte ihr der Marine zu. Branda, die ihre Kampftruppe
über Rot 3 und 2 in die Erste Ebene der medizinischen
Abteilung, die Lagerräume und OPs geführt hatte, waren
hier nicht so sehr auf Widerstand gestoßen wie sie es
anfangs erwartet hatte.
„Ich habe ihn schon gesehen, Tilly.“ antwortete sie. Sie
wollte schon den entsprechenden Befehl an Jackson
weitergeben, doch ihr Gefühl von vorhin hielt sie
kurzzeitig davon ab. Dann flackerte plötzlich die
Erinnerung eines Gesprächs in ihrem Gedächtnis auf,
das sie vor einigen Tagen mit Yashida Tanaka beim
Training in der großen Sporthalle geführt hatte.
Der alte Japaner erschien ihr immer mehr ein Quell der
Weißheit zu sein. Seine Erfahrung im Kampf, seine
Einstellung zu den Dingen die ihn umgaben und die Art
und Weise wie er mit Worten eine beruhigende Wirkung
auf Brandas Gefühlswelt ausübte, verblüffte sie
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zusehends. Dass er als Samurai, als kaiserlicher Krieger,
mit dem Schwert Menschen getötet hatte, schien sein
Wissen um die Dinge nicht zu beeinträchtigen. Oder er
ließ es nicht zu.
Er hatte ihr erklärt, dass sie, und nur sie allein jetzt und
hier zu zählen hatte. Snow war ihr ein Fels, überwuchert
mit Bäumen und Ranken, die ihr Schutz boten, doch Alex
war nicht mehr da, und sie musste sich nun wieder voll
und ganz auf sich selbst verlassen können. Sie war
diejenige, die nun ein Kommando unter sich hatte und sie
musste den Männern und Frauen in ihrer Einheit zeigen,
dass sie es drauf hatte. Wenn es ihr auch nicht gefiel.
Ihre Hand berührte Jacksons Schulter. Der Marine sah
sie kurz an und nahm ihr knappes Nicken wahr, und
einige Sekunden später war der Weg erneut frei. Von
nun an ging es schneller voran, da die Truppe kaum
noch auf Widerstand stieß. In einem abgelegenen Winkel
der Station, fand man die Leiche von Admiral St. George
und
seiner
Adjutanten,
sowie
die
des
Stationskommandeurs und einiger anderer hoher
Offiziere.
Die Kommandos meldeten sich nach und nach zurück
und sammelten sich in den unteren Ebenen, da wurde
die ehedem schon stark malträtierte Station von einem
Geschoss getroffen und begann bedenklich zu wackeln.
Als das Feindfeuer jedoch zunahm, fürchtete man um die
weitere Sicherheit und beorderte die Truppentransporter
für den Abmarsch herbei.
Man sah den Männern der einzelnen Kommandos an,
dass ihnen die Bilder der vergangenen Stunden, die sie
auf der Station gesehen hatten, zum Teil schwer zu
schaffen machten. Niemand hatte den Angriff der Alamak
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überlebt. Und gerade als man dachte, es könne nicht
schlimmer kommen, verdichtete sich der Angriff der
Alamak auf die terrestrischen Truppen.
Vor einigen Minuten hörten die Leute, dass ein weiteres
Stadtschiff aufgetaucht sei. Nun hatten sie es also schon
mit drei dieser gigantischen Weltraumstädte zu tun, und
ihr Mut schien weiter zu sinken. Wäre dies das Ende der
ihnen bekannten Menschheit?
Die Agamemnon hatte bereits alle Luken geöffnet. Jäger
und Gleiter und Transporter verließen oder landeten auf
dem Schiff, und gut platzierte Schüsse unterstützten
diese Unternehmen. Die Jäger hatten mit den Alamak
alle Hände voll zu tun und waren zu keiner weiteren
Unterstützung abkömmlich. Das kleine Alamakshuttle in
dem Clark und Niora saßen, hatte kurz vor Ende seiner
Reise die Position gewechselt und schwebte nun
rückwärts in einen kleinen Hangar unterhalb des großen
Flugdecks, auf dem jede Menge Verkehr stattfand.
Einerseits war es Jason recht, dass sie nicht auf dem
oberen Landefeld abgestellt wurden und gleich von
mehreren hundert Wachen umringt werden konnten,
andererseits hatte er mit der Chance >in der Menge
unterzutauchen< gespielt und so einer sofortigen
Gefangennahme zu entgehen. Doch auf diesem kleinen
Hangar war die Gefahr ebenso hoch, zu früh entdeckt zu
werden. Nun konnten sie nichts mehr daran ändern.
Aussteigen und davonlaufen konnten sie ja schlecht.
Also mussten sie zunächst einmal abwarten was
passierte. Jason erhob sich von seinem Sitz, nahm sich
das kurze Sturmgewehr das die Marines bei ihren
Einsätzen zu benutzen pflegten und postierte sich neben
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der Einstiegsluke. Gleich würden sie landen und die Türe
würde geöffnet werden. Niora hatte sein Vorgehen mit
Besorgnis beobachtet, war aber ruhig auf ihrem Platz
sitzen geblieben. Sie wusste, dass sie über kurz oder
lang von einer Kommandozentrale dazu aufgefordert
werden würde, die Maschinen des Schiffes abzustellen.
Kaum hatte sie diesen Gedanken beendet, wurde das
Shuttle auch schon gelandet und die Aufforderung kam
durch ihren Knopf im Ohr.
Pflichtgemäß sagte sie dem Computer, dass er die
Maschinen abstellen sollte und schloss mittels eines
Tastendruckes die Treibstoffzufuhr. Das hohe Summen
des Antriebes wurde langsam zu einem dumpfen
Brummen und schließlich verebbte das Geräusch ganz.
Ein kurzes Zischen im hinteren Teil des Shuttles sagte
ihr, dass nun die Türe geöffnet wurde; und Jason stand
bereit. Zischend verschwand sie in der Seitenwand des
kleinen Schiffes und gab die Sicht auf den Hangar frei.
Genau wie bei der Rasool Ardehn, standen nur zwei
Techniker vor dem Eingang und gafften unter ihren auf
die Stirn geschobenen Silbermasken hervor. Clark
brauchte nicht einmal etwas zu sagen, sondern stieg
einfach mit vorgehaltener Waffe aus und schob sie
zurück an die nahegelegene Wand.
„Du kannst raus kommen, Niora.“ sprach er leise in sein
Mikrofon. Er sah, dass die beiden Männer ihren Blick
zum Shuttle gewandt hatten, und da wusste er, dass er
bereits wieder am Kommunikationsnetz des Stadtschiffes
angekoppelt war. Niora gab er den Befehl, den beiden
Gefangenen die Masken und die Handschuhe
abzunehmen, wodurch sie zunächst ungefährlicher
wurden. Anschließend wurden sie gefesselt.
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- 110 -
„Diese Leute haben nichts dazugelernt.“ meinte er dann
beiläufig, als sie das Hangardeck verließen. Niora Dal
sah ihn mit einem komischen Blick an und Clark hakte
nach.
„Was ist?“
„Natürlich können die nicht wissen, was auf meinem
Schiff geschah. Zwischen den einzelnen Städten herrscht
normalerweise kein Kontakt. Jeder Herrscher, König
wenn du so willst, regiert für sich und die ihm
unterstellten Alamak eigenständig. Nur in besonderen
Ausnahmefällen, wenn es gilt einen stärkeren Feind zu
besiegen, viel Beute zu machen oder eben wie hier, dann
können sie sich zusammen tun und gemeinsam
kämpfen. Ist die Beute dann verteilt, geht in der Regel
jeder wieder seines Weges und hält nach weiterer Beute
Ausschau.“
„Aha, und was hat sie dann hierher geführt?“
„Ich.“ antwortete Niora lässig, dann schoben sich links
und rechts einige Wände beiseite, und ein Trupp schwer
bewaffneter Alamak stürmten in den Gang.
Sie trat vor Jason hin und zog ihm die Handschuhe von
den Händen und die Maske vom Kopf. Beides reichte sie
einem der Soldaten neben ihr. Die Waffe hatte sich
schon ein anderer geschnappt.
„Ich hätte es wissen müssen.“ meinte er tonlos und sah
ihr in die Augen.
„Ja, das hättest du.“ sagte sie knapp und wand sich dann
von ihm ab. Die Menge der Soldaten vor ihr teilte sich
und machte ihnen Platz. Ein Mann in einem goldenen
Overall erschien am Ende des Ganges und klatschte
langsam aber deutlich in die Hände. Dann schob er sein
Visier beiseite und sprach voller Anerkennung:
„Niora Dal, die Schlange von Napali. Wiedereinmal habt
ihr eurem Ruf alle Ehre gemacht. Um so erfreulicher,
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- 111 -
dass ich es in diesem Falle mit eigenen Augen sehen
durfte, und mir nicht wieder die mündlichen
Lobeshymnen von Shak Nubal anhören muss. Die Götter
seien seiner verruchten Seele gnädig.“ tirilierte er mit
affigem Gehabe.
Er war herangetreten und hielt Nioras Hand ganz
gentlemanlike zum Kuss vor seinen Mund, den er mit
einer eleganten Verbeugung heran gebracht hatte. Nur
ein Hauch von kühlem Atem streichelte sanft über ihren
Handrücken ohne dass seine Lippen ihre Haut berührt
hatten, dann erhob sich der Goldene wieder.
„Ihr beschämt mich, Kek´n´tal, das ist zuviel des Lobes.“
Kek´n´tal nickte leicht, und wenn Clark ihn nicht schon
von Anfang an als schmieriges Arschloch eingestuft
hätte, so würde er dies, angesichts des diebischen
Grinsens das der Goldene soeben aufgelegt hatte, nun
nachholen müssen.
„So bescheiden... Das gefällt mir. Darf ich euch zu euren
Gemächern führen? Meine Männer kümmern sich um
diesen...“ er sah Jason mit herablassendem Blick an,
„...diesen Menschen.“
„Gerne. Aber sperrt mir den Gefangenen nicht so weit
von meiner Unterkunft entfernt ein. Ich möchte mich
gerne selbst um ihn kümmern.“ bei diesen Worten hatte
sie sich noch ein Mal zu Jason umgedreht und strich ihm
nun mit dem Finger sanft aber sehr deutlich über die
Kehle. Wäre der Commander dazu in der Lage gewesen,
hätte sein Blick das Wasser in ihrem Körper zu Eis
gefroren. Doch Niora schien darüber nur erheitert zu sein
und ging mit Kek´n´tal lachend ihres Weges. Ihn jedoch,
führte man in eine andere Richtung davon.
Am nächsten
vergangenen
Morgen,
Abend
Clark hatte den ganzen
die
ausgesprochen
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- 112 -
zuwendungsreiche Gastfreundschaft der Alamak am
ganzen Körper zu spüren bekommen, war er gerade
dabei, aus Langeweile seine blauen Flecken zu zählen,
als jemand den Gefängnistrakt betrat. Er tat natürlich nur
so als zähle er die Flecken, denn er wollte seinen
Peinigern nicht die Zufriedenheit eines Triumphes
gönnen. Er hatte furchtbare Schmerzen ertragen müssen
und die Nachwehen waren nicht gerade weniger
geworden.
Unter
blutverkrusteten
Augenbrauen
hervorlugend, den metallenen Geschmack seines
Lebenssaftes ignorierend, begrüßte er seine Besucher
mit rot gebleckten Zähnen.
„Ah, geht es endlich weiter?“ fragte er sarkastisch.
„Euch wird der Spott schon noch vergehen, Mensch.“
sprach einer der Männer in an. Doch er wurde sofort
beiseite geschoben. Niora Dal hatte den Raum betreten
und als sie Jason so vor sich sah, nackt, blutverschmiert
und grün und blau geschlagen, erwachte eine kleine
Flamme des Zornes in ihr.
„Wer ist für diese Schweinerei verantwortlich?“ wollte sie
wissen. Kek´n´tal hat mir zugesagt, den Gefangenen mir
zu überlassen!“ Sie sah die Männer böse an. Ein
Gesichtsausdruck, den Clark so überhaupt nicht von ihr
kannte. Die Alamak wichen sichtlich verängstigt zurück.
Auch das war eine Reaktion, die Clark nicht von den ihm
erst vor Kurzem bekannt gewordenen Alamak kannte.
Ein paar Augen richteten sich ganz kurz auf den Mann zu
ihrer Linken, und schon zuckte ein sichelförmige Klinge
aus ihrem Ärmel und schlitzte dem Mann die Kehle auf.
Einer der anderen schluckte schwer, befürchtete wohl
schon, der nächste auf ihrer Liste zu sein, doch Niora
befahl nur:
„Raus hier! Und nehmt den Abfall mit.“ Sie hatte auf die
Leiche
gedeutet.
Die
Männer
verließen
den
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Gefängnistrakt eilenden Schrittes, doch das Blut ihres
Kameraden folgte ihnen in einer grotesk anmutenden,
roten Spur.
Ihre Augen hefteten sich auf Clarks Körper, und er wurde
sich zum ersten Mal seiner Nacktheit richtig bewusst.
„Nun, gefällt dir was du siehst?“ fragte er, wiederum in
einem sarkastischen Tonfall.
„Nein. Denn das war so nicht geplant. Ich hätte das viel
lieber selbst mit dir getan, doch diese Idioten mussten
mich ja unbedingt um meinen Spaß bringen.“
„Spaß? Ha!“ intonierte Jason.
„Na ja, ich bin recht geschickt im Verhören von
Gefangenen.“ meinte sie ungerührt und begab sich näher
an den Schutzschild der sie von Clark trennte. An der
Seite befand sich eine kleine Konsole. Sie war einen
kurzen Blick darauf und betätigte dann einige Tasten.
Warmes Wasser ergoss sich plötzlich von der
Zellendecke über Clark, der bei den ersten Spritzern
zunächst auf die Seite gegangen war. Niora
beschwichtigte ihn jedoch:
„Keine Angst, das ist nur Wasser. Du kannst dich erst
einmal sauber machen.“
Jason nahm das Angebot dankend entgegen und stellte
sich direkt unter den Wasserstrahl. Genussvoll rieb er
sich Staub und angetrocknetes Blut von Armen und
Schultern, sich aber immer bewusst, dass Niora vor dem
Schutzschild stand und ihn ausgiebig dabei beobachtete.
„Erzählst du mir, wie du auf die Idee gekommen bist,
mich zu verraten?“ begann er auf ein Mal.
Niora schwieg noch eine Weile und beobachtete ihn
weiter. Doch dann schien sie es sich überlegt zu haben
und begann zu erzählen:
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- 114 -
„Nun, das war eigentlich reiner Zufall. Ich war in der
Schutzschildzentrale, weil ich für den nächsten Tag
meine Abreise klarmachen wollte, und mich erkundigt
hatte, wo man mein Shuttle abgestellt hatte.
Wir hörten von einem Shuttle, das beschädigt sei und mit
einem Leitstrahl herein gebracht wurde. Omna Ko, die
alte Frau, die ich fesseln durfte, war der Meinung, dass
dies eigentlich nicht möglich war, denn von unseren
Jägern waren ja noch so gut wie alle an Bord der Rasool
Ardehn. Und als du dann plötzlich auftauchtest, wusste
ich bereits welche Rolle ich zu spielen hatte.“
Jason hörte auf sich abzuwaschen und sah sie durch den
leicht flimmernden Schutzschild an.
„Du hast das von Anfang an nur gespielt? Ich war
während meiner Schönheitsbehandlung von heute Nacht
schon der Meinung, du hättest an Bord der Perseús kalte
Füße bekommen und hättest mich verrate, weil nun doch
nicht bei den Menschen leben wolltest.“
„Wie du siehst, war dem nicht so. Wenngleich ich die
Gelegenheit eure Rasse kennen zu lernen, sehr
genossen habe, hatte ich doch schon so einiges über
euch gehört. Auf eurem Schiff erfuhr ich mehr über dich.
Auch dass du bei einem ziemlich dummen Angriff auf
eines unserer kleineren Stadtschiffe schwer verletzt
worden bist, und dir zeitweilig die Identität verloren
gegangen war. Es war die Tonlat a Kelt die dir in den
Weg gekommen war. Ich war früher oft auf dem Schiff zu
Gast gewesen. Zu schade, dass es bei eurem Unfall
zerstört wurde.“
„Unfall? Das war kein Unfall. Dieses Schiff ist in unseren
Sektor eingetreten und hat sich nicht identifiziert. Statt
dessen hat das Schiff das Feuer auf uns eröffnet. Selbst
nach mehrmaligem anfunken hat sich niemand gemeldet,
also hat der Stationsleiter unserer Raumbasis
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- 115 -
Gegenmaßnahmen befohlen. Ich war führender
Kommandeur in diesem Gefecht und hatte mich ein
wenig zu nah an das Schiff heran gewagt. Als mein Jäger
getroffen und ein Sieg aussichtslos schien, hatte ich
keine andere Wahl mehr. Ich lenkte mein Schiff direkt in
die Antriebseinheit und betätigte die Ausstiegsvorrichtung
erst ganz kurz vor dem Einschlag. So konnte ich sicher
sein, dass man das Schiff nicht doch noch abschoss. So
viel dazu, dass das ein Unfall war.“
Niora hatte aufmerksam zugehört und ihn genau
beobachtet. Sie zog einen der silbernen Handschuhe
über und öffnete den Schutzschild.
„Na los. Raus mit dir!“ befahl sie.
„Kann ich bitte etwas zum Anziehen haben?“ fragte
Clark, als er die Zelle langsam verließ und seine Blöße
mit den Händen zu bedecken versuchte.
„Nein. Vorwärts.“
„Nun, dann ist unsere fröhliche Plauderstunde wohl
vorüber.“ bemerkte er im Laufen und reckte seinen
schmerzenden Rücken gerade, nahm die Hände an die
Seiten und ging voraus. Sollten sie doch gucken. Drauf
gepfiffen, dachte er sich.
Nachdem sie den Zellentrakt verlassen hatten, bogen sie
links ab und betraten einige Schritte weiter einen Raum,
den Clark schon ganz gut kannte. Der OP mäßig
eingerichtete und geflieste Raum machte eigentlich einen
recht nüchternen Eindruck auf ihn, wären da nicht die
Dinge, die sie gestern schon mit ihm dort getrieben
hatten.
Die beiden Überlebenden von vorhin standen schon
bereit und warteten frech grinsend, auf dass Clark erneut
seinen Schmerz herausbrüllen würde. Doch dieses Mal
würde er sie enttäuschen müssen. Er hatte nicht vor, sich
ein weiteres Mal sinnlos quälen zu lassen. Ganz langsam
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- 116 -
und fast unbemerkt, wand er den Kopf nach Niora Dal
um, nur um zu sehen, wann sie endlich ihren Handschuh
abstreifen würde. Und er hatte Glück. Die Frau zog
soeben die Hand aus der textilen Waffe. Sie sah nicht
einmal zu Jason hin, denn sie wusste, nein, sie
vermutete, dass ihre beiden Lakaien sich bereits Clarks
bemächtigt hatten, da traf sie plötzlich ein harter Tritt in
den Magen. Jason hörte genau, dass ihr die Luft damit
schlagartig entzogen worden war, also genau das was er
beabsichtigt hatte. Schwer nach Luft ringend brach sie
auf dem gefliesten Boden zusammen. Ihre beiden
Handlanger hatten die Szene mit verblüfften Gesichtern
beobachtet, und wollten sich soeben in Bewegung
setzen, da warf sich Clark ihnen bereits entgegen. Er
packte den ihm zunächst Stehenden mit dem Arm um
den Hals und trat dem hinter ihm Stehenden mit der
Ferse ins Gesicht. Da Clark noch nass von der kurzen
Dusche war, war er für seinen Gegner nicht gut greifbar.
Immer wieder rutschten dessen Hände von ihrem Griff
ab. Ein kurzer Blick nach hinten zeigte Jason, dass der
andere Angreifer mit gebrochener Nase am Boden kniete
und winselte wie ein Hund.
„Es ist Zeit, den Dingen ein Ende zu setzen.“ flüsterte er
dem Mann in seinem Würgegriff zu. Der von Snow gut
trainierte Körper reagierte wie eine Maschine. Die Linke,
die den Hals des Mannes umklammerte, drückte noch
ein wenig fester zu, während die Rechte sich im
Haarschopf des Mannes festkrallte. Ein kurzer, heftiger
Ruck und man hörte ein lautes Knacken. Sofort fiel
sämtliche Kraft, jeglicher Ehrgeiz und jede andere
Anstrengung dem Griff des Piloten zu entgehen von dem
Mann ab und er sank tot zu Boden.
Clark drehte sich um und sah gerade noch rechtzeitig,
wie Niora ihren silbernen Handschuh überstreifte und ihn
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- 117 -
auf ihn abfeuerte. Ein Hechtsprung hinter einen der
beiden OP-Tische rettete ihm das Leben. Der Schuss traf
die Leitung der Wasserversorgung, mit der die
Gefangenen immer wieder nassgespritzt wurden, bevor
man ihnen mit der entsprechenden Stromstärke zu Leibe
rückte. Das Wasser schoss in hohem Bogen in den
Raum und sofort bildete sich eine immer größer
werdende Pfütze. Jason sah sich um und fand was er
suchte. Den Stromanschluss für die Tische. Er
vergewisserte sich noch ein Mal, dass Niora Dal noch
nicht auf den Beinen war und entging erneut einem
brennend heißen Energiestoß aus ihrem Handschuh.
Das Wasser breitete sich immer schneller aus. Clark
bückte sich zu dem Anschluss hinab und drehte die
Verschlusskappe für die Stromleitung ab, riss das
daumendicke Kabel heraus das dabei einige Funken
sprühte. Dann war er das lose im Raum liegende Kabel
einfach hinter dem Tisch hervor. Das Kabelende landete
im Wasser direkt vor Niora Dal. und ein unheimlicher
Funkenregen ergoss sich über die Frau und über den ein
paar Meter weiter noch immer am Boden sitzenden
Mann. Ohne den Regulator, aus dem Clark das Kabel
herausgerissen hatte, entfaltete sich die Energie in vollen
Zügen. Die beiden Alamak hatten keine Zeit mehr, sich
auf einen der Tische zu retten. Bläuliche Flammen
züngelten um ihre Körper herum und fraßen sich immer
tiefer in ihr Fleisch. Der Gestank war fürchterlich. Wildes,
unkontrolliertes Zucken durchfuhr die Beiden und war
ihre Arme mit wedelnden Bewegungen immer wieder in
die Höhe.
Irgend wann, einige Minuten später, schaltete sich der
Strom von ganz alleine wieder ab. Vermutlich hatte
endlich eine Sicherung gegriffen. Das Züngeln verebbte
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nur langsam, und als es vorüber war, standen in diesem
Raum mit seinen metallisch silbernen Tischen zwei
grotesk aussehende, schwarze Statuen mit merkwürdig
verrenkten Gliedmaßen.
Clark näherte sich vorsichtig der Wasserlache, die sich
bis hinüber zum Eingang erstreckte. War der Strom
tatsächlich abgestellt? Er beugte sich hinab und berührte
ganz zaghaft mit dem Zeigefinger die vor ihm liegende
Pfütze. Da er nichts bemerkte, fasste er direkt und mit
der ganzen Hand hinein. Tatsächlich, keine Spannung
mehr. Langsam bewegte er sich auf die Türe zu. Er
musste sich vorsichtig bewegen, denn die heißen
Flammen hatten das Körperfett der Toten zu Öl
geschmolzen, und das schwamm nun als milchig gelbe
Lachen auf dem Wasser herum und machte die Fliesen
unter seinen Füßen glitschig.
An der Tür angekommen, warf er noch ein Mal einen
Blick in den Raum zurück. Er bemerkte ein Gefühl in sich
aufsteigen, doch dann betätigte er den Schalter für das
Tor und ging hinaus. Fast hätte er den Tot Nioras
bedauert. Nein, eigentlich bedauerte er ihn wirklich, denn
sie war doch bisher ein sehr nettes Mädchen gewesen.
Das Zischen einer Tür und sich nähernde Schritte den
Gang hinauf, lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf
sich selbst. Er musste sich schnell irgendwo verstecken.
Mit patschenden Schritten eilte er den Korridor entlang
und wollte schon durch die nächste Tür, die sich nach
einer leichten Biegung vor ihm auftat, da entdeckte er
eine Klappe am unteren Rand des Ganges zu seiner
Linken. Er kniete sich in, drehte den Verschluss und hob
den Deckel an. Ein schmaler Schacht, nicht breiter als
fünfzig mal fünfzig Zentimeter führte quer von diesem
Gang ab. mit den Füßen voraus, schob er sich hinein und
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zog die Klappe wieder zu. Keine Sekunde zu spät, denn
in diesem Augenblick hatten die Ankommenden bereits
die Toten gefunden und einen Alarm ausgelöst.
Clark wollte sich weiter in den Schacht hinein zwängen,
hatte aber keine Möglichkeit dazu, denn seine nackte
Haut wollte auf dem kalten Blech einfach nicht vorwärts
rutschen. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als sich
hier versteckt zu halten und die Ruhe zu bewahren.
Hin und wieder hörte er jemandem an der Klappe
vorüber gehen. Manchmal unterhielten sich zwei oder
mehr Personen dabei, doch ohne den silbernen Overall
konnte er sie leider nicht verstehen. Nach einer Weile,
hörte er plötzlich ein ganz anderes Geräusch. Es hörte
sich an wie ein leises Piepsen. Nicht wie das eines
Vogels, aber auch nicht wie das fiepende Piepsen
mancher Hunde. Es wurde zunehmend lauter, und dann
hörte er auch noch leise tapsende Schritte dazu. Die
Geräusche kamen von seinen Füßen.
Vorsichtig hob er den Kopf an und versuchte die
Düsternis mit seinen Augen zu durchdringen. Dann sah
er es. Es war ein Tier, und sah aus wie eine nackte Ratte
mit sechs Beinen und einer frech grinsenden Schnauze,
aus der messerscharfe Zähne schauten. Und es war
ungefähr drei mal so groß wie eine gewöhnliche Ratte.
Ihre kleinen Knopfaugen leuchteten rötlich in der
Dunkelheit. Entweder reflektierte eine spezielle Netzhaut
das wenige Licht, das hier drinnen herrschte, oder das
Tier verfügte über ein angeborenes Infrarotsehen.
Langsam kam es näher. Es hatte seine Beute wohl
gewittert, denn Jason blutete noch immer aus diversen
kleinen Wunden. Und Raubtiere konnten Blut zum Teil
auf große Entfernung riechen. Haie zum Beispiel,
konnten Blut auf eine Entfernung von fast einhundert
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Meilen riechen. Nun, es ist zwar vermessen, solch eine
Annahme für solch ein „kleines“ Tier zu verwenden, Aber
Jason steckte hier in dieser Röhre fest und diese Ratte
näherte sich ohne unterlass seinem besten Stück. Clark
zog die Beine an so weit es ging, legte die Hände über
seine Blöße und hoffte, dass es ihn nicht all zu heftig in
den Hintern biss.
Die langen Barthaare kitzelten Clarks Füße als sich das
Tier nahe genug an ihn heran gewagt hatte um daran zu
schnuppern. Dabei kam Jason eine Idee. Er neckte das
Tier mit dem großen Zeh. Stumpte es an die Nase und
kraulte ihm sogar den Bauch, als es sich auf die
Hinterbeine aufrichtet. Die Ratte schien das gern zu
haben, meinte Clark, bis sie auf ein mal mit ihren vier
händeähnlichen Vorderpfoten den Fuß packte und
herzhaft hinein biss. Clark wollte aufschreien, konnte sich
aber gerade noch so im Zaum halten. Mit
schmerzverzerrtem Gesicht zischte sein Atem zwischen
seinen Zähnen hindurch, und er konnte sich auch ein
leises Stöhnen nicht verkneifen. Er hatte diesen Angriff ja
beabsichtigt, aber dass es so schmerzhaft sein würde,
dachte er nicht.
Das Tier war nicht so schwer wie es aussah als er es
anhob, und die Ratte lies nicht davon ab ihn zu beißen.
Vorsichtig und den Schmerz weiterhin ertragend, holte
Jason mit dem Fuß aus. So gut er konnte, trat er den Fuß
mit der Ratte gegen die gegenüberliegende Wand und
konnte spüren, wie mehrer Knochen in dem Tier
brachen. Als er den Fuß wieder zurück zog, um zu einem
zweiten Tritt auszuholen, fiel die Ratte von ihm ab und
lag gekrümmt zwischen seinen Beinen. Ein leichter Tritt
mit dem anderen Bein, beförderte das leise wimmernde
Tier von Clark fort. Doch kaum war es außer Reichweite,
rappelte es sich auf und piepte einige ziemlich laute Töne
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durch den Schacht. Es dauerte nur wenige Sekunden, da
kam auch schon die Antwort. Jason hörte mehrer
Stimmen gleichzeitig und fand auf ein Mal, dass es
besser wäre hier heraus zu kommen, bevor die Ratte mit
der Verstärkung da war. Ohne dem Tier weiter an
Beachtung zu schenken, öffnete er die Luke und zog sich
aus dem Schacht zurück. Die schwer verletzte
Alamakratte setzte nach, doch Clark konnte ihr noch die
Klappe vor der Nase zuschlagen und sie wieder
verriegeln. Er erhob sich und sah sich um. Keine
Menschenseele war zu sehen. Was für ein Glück, dachte
er sich und machte sich wieder auf den Weg. Er musste
unbedingt einen dieser Overalls finden.
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Kapitel 5: Das Licht am Ende des Dunkel
Zwischenzeitlich vor den Toren Toluns...
...Die Armee der Verteidiger hatte bereits vor Stunden
erneut Stellung beziehen müssen. Die Zeit von fünf
ganze Tage war ohne jeden Zwischenfall verstrichen, da
meldeten die Späher der Königin das plötzliche
Herannahen der Dämonenbrut. Die Kommandeure
wurden zu ihren Armeen zurückbeordert und stellten
diese wieder zum Kampfe auf.
„Wie kommen die in dieser kurzen Zeit zu solch einer
Verstärkung?“ hörte Travis Morgan einen der Soldaten
des Königreiches seinen Nachbarn fragen, und wenn er
ehrlich zu sich selbst war, fragte er sich das auch schon
die ganze Zeit. Er hatte es nur nicht laut auszusprechen
gewagt, da er mit seiner Frage den Leuten keine Blöße
zeigen und sie damit demotivieren wollte. Plötzlich fühlte
er einige Blicke auf sich ruhen und drehte sich um. Einige
der Männer sahen ihn erwartungsvoll an.
„Sie kommen vermutlich aus dem Dimensionstor in der
Mitte des Nebelwaldes. Es ist uns bisher leider noch
nicht gelungen dieses Loch zwischen den Welten zu
schließen.“ versuchte er sie zu beruhigen, aber es hatte
keine große Wirkung.
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- 123 -
Ein kleiner Lichtblitz huschte auf ein Mal durch sein
Gesichtsfeld und ließ ihn erschrocken zurückweichen.
„Oh, tut mir leid, Warlord. Ich wollte euch nicht
erschrecken.“ ließ sich auf ein Mal die glockenhelle
Stimme von Luana, dem guten Geist der Erde
vernehmen.
„Luana, meine Liebe, das macht doch nichts. Was kann
ich für dich tun.“ reagierte Morgan. Das kleine, flackernde
Sternchen vor Morgans Nase kicherte ein wenig, dann
meinte es:
„Ich habe euch einen Vorschlag von unserem Freund
dem Drachenritter mitzuteilen.“
„Von Alex? Was gibt es denn?“
„Gwyndragsil und er sind der Meinung, dass wir uns
dieses Mal nicht so sehr zurückhalten sollten. Er meinte,
dass die Dämonen einen Angriff unsererseits, bevor sie
nahe genug heran sind, sehr überraschend finden
würden und dadurch möglicherweise leichter zu
überwältigen seien als beim letzten Mal.“
Morgen überlegte kurz. Sein Gefühl sagte ihm, dass es
ihm auch lieber wäre drauf los zu stürmen. Aber er
konnte sich und Alex nicht mit den anderen Männern,
den einfachen Soldaten vergleichen. Gut, die hatten auch
schon das eine oder andere Scharmützel überstanden,
aber doch eher unfreiwillig. Er und Snow dienten der
Königin freiwillig, weil sie für den Kampf geboren waren.
Und Mungo scheute auch keine Auseinandersetzung.
„Was soll ich ihm denn nun sagen?“ wollte die kleine
Lichtkugel auf ein Mal wissen und riss Morgan damit aus
seinen Gedanken.
„Er hat nicht ganz unrecht. Aber das Risiko, die Stadt
untergehen zu sehen, wenn wir bei einem Frontalangriff
getötet werden würden, kann ich so nicht eingehen. Es
sind einfach zu wenige gute Kämpfer da, die einen
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- 124 -
Angriffstrupp bilden und gleichzeitig auch noch dafür
können, dass beim Scheitern der Angreifer die Stadt
noch ausreichend geschützt ist. Und für die Soldaten der
Stadtwache wäre das glatter Selbstmord, trotz täglichem
Training.“ erklärte er ihr.
„Ist das eure ganze Meinung, Warlord?“ Die Frage hatte
einen enttäuscht wirkenden Unterton, war aber
gleichzeitig auch etwas fordernd. Morgan gefiel das nicht.
Er hatte Luana noch nie zuvor so erlebt.
„Zunächst ja, aber sei bitte so gut, und sag dem
Drachenritter, dass er sich mit mir und Mungo el Sarif am
Kommandozelt
treffe
möge.
Wir
sollten
die
Angelegenheit wenigstens besprechen.“
„So gefallt ihr mir. Bin schon weg.“ piepste sie und wollte
schon davon schwirren, da drehte sie nochmals um und
hauchte dem weißhaarigen Krieger einen zarten Kuss
auf die Wange.
Auf seinem Weg zum Kommandozelt, den er nicht direkt
eingeschlagen hatte, suchten seine Augen die Reihen
der Soldaten prüfend ab. Fiel sein Blick auf einen Streiter
der besonders stark und auch noch kampfeslustig wirkte,
hielt er auf ihn zu und gab ihm Befehl ihm zu folgen. Bald
schon hatte er eine stattliche Zahl „Freiwilliger“
beisammen. Nicht nur Menschen, auch Zwerge, Löwen
und Trolle folgten ihm. Als er beim Zelt eintraf, befanden
sich rund sechzig Mann in seinem Schlepptau.
Alex und Mungo sahen sich verwundert an und fragten
ihn, was das solle, denn sie waren der Meinung diese
Unterredung würde unter sechs Augen stattfinden.
„Unter Zehn, wenn es beliebt!“ ließ sich Königin Taras
Stimme vernehmen. Sie hatte unerwartet zusammen mit
Ilya das Zelt betreten.
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- 125 -
„Nun, ich habe es mir anders überlegt. Alex, hat dir
Luana ausgerichtet, was ich ihr über die Sicherheit der
Stadt sagte?“
„Äh, nein. Sie sagte nur, dass du uns hier sprechen
wolltest.“ antwortete Snow wahrheitsgemäß.
Travis wunderte sich nicht darüber. Im Gegenteil, er hatte
das schon vermutet.
Er wand sich an die Männer hinter sich:
„Männer, wir stehen kurz vor dem nächsten Angriff der
Dämonenarmee. Sie ist bereits im Anrücken. Ich habe
euch mit hier her genommen, weil mir von unserem
Freund dem Drachenritter ein Vorschlag unterbreitet
wurde, dem ich zunächst skeptisch entgegen sah. Doch
ich habe mir überlegt, dass wir nicht nur die Profis unter
uns für diese Unternehmung heranziehen sollten,
sondern auch Leute wie euch. Männer denen der Krieg
nichts ausmacht. Oder weniger eben weniger als den
anderen. Mein Plan sieht wie folgt aus:
Zwanzig von euch werden in den Stand eines
Unteroffiziers erhoben, sofern sie das nicht schon sind.
Zwei weitere in den Stand eines Feldwebels, einer in den
Rang eines Leutnants.
Die Personen, die einen dieser Ränge schon inne haben
treten jetzt bitte vor.“
Nur zwei kamen nach vorne. Einer hatte den Rang eines
Feldwebels und der andere war bereits Unteroffizier. Alle
anderen, waren normale Soldaten.
Travis Morgan machte den Feldwebel zum Leutnant und
den Unteroffizier zum Feldwebel. Dann griff er sich aus
jeder Rasse die noch benötigten Männer heraus und
beförderte diese in ihre Ränge.
„Ihr alle, werdet, wenn es zur Schlacht kommt, hinter der
gesamten Truppe bleiben. Ihr werdet die letzte Instanz
sein, zwischen den Dämonen und der Königin. Sollte es
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dem Gegner gelingen zu obsiegen, möchte ich Tara und
ihre Begleitung in Sicherheit wissen.“ erklärte er ihnen.
„Ist dafür nicht die Palastwache zuständig?“ fragte einer
der neuen Unteroffiziere.
„Das ist sie. Und ihr werdet die Verstärkung sein.“
Dann wand er sich an den Rest der Männer.
„Ihr werdet mit uns zusammen einen Angrifftrupp bilden.
Wir werden die erste Frontlinie sein, noch bevor die
Feinde nahe genug heran sind. Auf unserem Weg
dorthin, schnappt ihr euch jeden, von dem ihr wisst, er
hat keine Angst und wird mutig kämpfen.“
Er wand sich abermals um, und sah zu den Freunden,
die hinter ihm am Tisch standen.
„Kannst du uns aus der Luft unterstützen?“ Seine Worte
waren an Alex gerichtet.
„Nun, da dies eigentlich meine Idee war; Nein. Aber
Gwyn wird dies gerne für uns tun, denn ich werde da
vorne mit dabei sein.“ Kaum hatte er dies gesagt, fühlte
er Ilyas Blicke auf sich. Er drehte sich zu ihr um und
nahm ihre Hände in die seinen.
„Es widerstrebt mir, dort oben auf Gwyndragsil meine
Runden zu drehen und abzuwarten bis sich endlich mal
einer der Feinde dazu entschließt einen Angriff auf uns
zu starten, während unter unseren Blicken diese tapferen
Männer in der Schlacht ihr Leben lassen müssen. Ich
fühle mich dort oben einfach nicht ausgelastet.“
Ilyas Blick war alles andere als erfreulich.
„Es ist deine Entscheidung, Alex. Ich sehe es genauso
ungern, dass du dort vorne kämpfen willst wie Tara
Travis. Aber Tara und ich akzeptieren das und werden
euch begleiten.“
„Was?!“ rief der Warlord und drehte sich erschrocken um,
doch die Königin war bereits vorgetreten und gebot ihm
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- 127 -
mit erhobener Hand zu schweigen. Morgan grollte vor
Wut, fügte sich aber. Schließlich war sie die Königin.
„Es ist an der Zeit, dass diese Wesen erkennen, dass
sich die Königin von Skataris nicht alles gefallen lässt.“
Sie trat zu Morgan und legte ihm die Hand kurz auf die
Wange und dann auf die Schulter.
„Es war sehr nett von euch, mir diese Männer als
zusätzlichen Schutz zur Seite zu stellen und ich nehme
das Angebot immer noch gerne an. Aber ich werde mit
ihnen nicht in der Stadt sitzen und auf das Ende warten.“
Travis brummte ein wenig vor sich hin, doch schließlich
folgte er seiner Königin an die Frontlinie.
Der aufgestiegene Staub wurde langsam lichter. Mit
patschenden, squatschenden und kratzenden Schritten,
bahnte sich die Armee der Dämonen ihren Weg durch
den heißen Wüstensand nach Tolun. An ihrer Spitze
rannten ein breitköpfiger, plump wirkender Dämon mit
böse gebleckten Reißzähnen, dessen kurzbeinige
Gestalt die Geschwindigkeit mit der er rannte, Lügen
strafte, und ein zylinderkopfförmiger Dämon, dessen
Schädel so gespalten war, dass er auf jeder Seite ein
Auge, aber auch eine Nase hatte. Sein eckig wirkendes
Maul war mit mehreren Reihen scharfer, kleiner
Reißzähne bestückt. Der Körper war schlank und drahtig
gebaut, mit vier Armen und sechs Beinen. Er hätte
seinen Kameraden leicht überholen können, aber die
beiden kannten sich schon eine ganze Zeit lang und so
tapste er gemütlichen Schrittes neben ihm her. Seine
orangerote Haut spiegelte das Licht des großen
Himmelskristalls von Millionen winziger Schuppen
wieder, während die fast schwarze Haut seines Kumpels
wie eine wabernde Öllache in der Sonne glänzte.
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„Wasch meinscht du, kriegen wir schie dischesch Mal?“
wollte der kleine Dicke gerade wissen und richtete den
Blick auf den anderen. Da blieb sein schlanker Freund
auf einmal stehen und hielt den Blick seiner
blutunterlaufenen Augen starr gerade aus. Der Dicke
stoppte ebenfalls und mit ihm die ganze Armee hinter
ihnen. Er sah seinen Freund an und fragte sich was wohl
mit ihm los sei, da er sich nicht mehr rührte.
Ohne sich umzusehen hob der Spaltschädel seine Klaue
und deutete in die Richtung wo die Stadt der Menschen
lag. Der andere richtete seinen Blick auch nach Tolun.
„Wasch zschum...?“
Eine gewaltige Staubwolke bewegte sich auf die Armee
der Angreifer zu. Aus ihr heraus, lösten sich Dutzende
von Reitern die mit gezückten Waffen auf die Armee der
Dämonen zu galoppierten. Plötzlich verdunkelte sich der
Himmel und man konnte das laute Flappen von ledernen
Flügeln vernehmen. Die beiden Dämonen warfen einen
Blick nach oben und sahen die riesige Gestalt eines
blauen Drachen über sich schweben. Sein Maul öffnete
sich und entließ ein Feuer so heiß wie das glühende
Gestein aus einem Vulkan. Ein letzter Atemzug, den die
beiden Dämonen noch tun konnten, verbrannte ihre
Lungen zu Asche und fraß sich von innen nach außen
durch ihre Körper hindurch, bis nichts mehr von ihnen
vorhanden war außer ein paar kleinen, feinen, grauen
Rußflocken.
Das Feuer des Drachen verlosch und gab den Dämonen
wieder den Blick auf die herannahenden Verteidiger frei.
Doch es war bereits zu spät. Die Reiterei krachte mit
einer derartigen Wucht in die Reihen der Angreifer, dass
diese schlagartig nach hinten geschleudert wurden.
Dabei rumpelten sie gegen ihre Mitstreiter und diese
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gegen die Nächsten und so weiter, und so weiter. Die
Welle setzte sich fast bis zum hinteren Ende der Armee
fort und bot den Verteidigern eine nie da gewesene
Chance. Wer von seinem Pferd gefallen war kämpfte zu
Fuß weiter, während die Reiterei immer tiefer in die
Linien der Dämonen vordrang. Es dauerte nicht lange, da
hatten es auch die restlichen Verteidiger des
Königreiches heran geschafft. Sofort warfen sie sich auf
den Feind und machten nieder was sich ihnen in den
Weg stellte.
Die stachelbewehrte Kugel Mungo el Sarifs zog sich
surrend durch die Luft und die eisernen Spitzen ließen
eine blutige Spur in dem Gesicht des Dämonen zurück,
durch das sie soeben gefahren waren. Der Teil eines
grünen Ohrs und einer etwas wabbelig wirkenden Nase
hingen noch daran, als der Marokkaner zu seinem
zweiten Schlag ausholte. Doch der war angetäuscht, und
statt der Stahlkugel auf seinem Armstumpf, bohrte sich
die Klinge seines Schwertes in den Hals des Dämonen
und schickte ihn zu seinen Ahnen; sofern er so etwas
hatte. Mit einem irren Lachen sprang er über die Leiche
hinweg und drosch sofort auf den ihm am nächsten
stehenden Dämon ein.
Travis Morgan hatte seinen Freund nur kurz beobachten
können aber er wusste, dass Mungos Energie in diesem
Kampf nicht von Ungefähr kam. Eine Erinnerung an
frühre Zeiten, einer Zeit, da Morgan erst selbst sehr kurz
in Skataris war. Mungo und Königin Tara waren sich zu
der Zeit bereits begegnet und auch Travis war dem
Schwarzen schon ein Mal über den Weg gelaufen, er
hatte damals noch beide Hände, da erreichte den Palast
von Tolun die Nachricht, dass der Freund arge
Schwierigkeiten hätte und das ihm anvertraute Lehen
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nicht mehr richtig verwalten könne. Tara und Morgan
machten sich natürlich Sorgen und brachen sofort auf,
ihrem Freund beizustehen.
Als sie in seinem kleinen Schloss an kamen, fanden sie
schon auf den ersten Stufen einige übel zugerichtete
Leichen vor, und ihre Sorge wuchs noch mehr. Ein
Diener der sich versteckt gehalten hatte, führte sie
schließlich zu seinem Herrn. Mungo saß auf einem
goldenen Thron und hatte die Hände locker auf den
Armlehnen abgelegt. In seiner Rechten hielt er eine
kleine, goldene Streitaxt mit einem spitz auslaufenden,
sichelförmigen Blatt. Der Kopf schien ihm schwer auf die
Brust gesunken. Er schien zu schlafen. Auf Morgans
Anrufen, hob sich der Kopf und zeigte Travis und Tara
ein irres Grinsen und weit aufgerissene Augen. Der
Marokkaner begrüßte die Freunde, erhob sich, trat näher
und ging sofort auf Morgan und Tara los. Der Warlord
konnte Tara gerade noch rechtzeitig beiseite stoßen, ehe
die Axt ihr den Schädel spaltete. Morgan warf sich mit
aller Wucht gegen den ehemaligen Freund und musste
feststellen, dass der Andere über weit mehr Kraft
verfügte wie es für einen Menschen normal war.
Dennoch schaffte er es sein Schwert zu ziehen und den
Hieben des Negers auszuweichen. Mungos Schläge
kamen wild und unkontrolliert. Das war Morgans Chance.
Er täuschte einen Angriff vor und duckte sich dann unter
dem Schlag seines Gegners hinweg. Die Axt blieb mit
dumpfem Schlag in einem dicken Eichenbalken stecken.
Dann fing Mungo el Sarif auf ein Mal an zu schreien. Man
solle ihn doch von der dämonischen Axt befreien. Er
könne sie nicht von selbst los lassen. Es dauerte
mehrere Stunden, bis Travis alle Möglichkeiten seinen
Freund aus dieser Lage zu befreien versucht hatte, und
gescheitert war. Erst als der Marokkaner ihn flehentlich
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darum bat, ihm die Hand abzuschlagen und Morgan
diesem Wunsch nur sehr, sehr widerwillig nach kam,
kehrte wieder Ruhe in den Körper und den Geist des
Mannes ein. Tok, der Schmied der auch Alex bei seiner
Arbeit geholfen hatte, fertigte später die Waffe an, mit der
Mungo heute hier kämpfte. Und manch Mal, wenn die
„Sterne“ günstig oder auch ungünstig standen, kam die
hässliche Fratze wieder zum Vorschein, mit der der
Neger nun wieder kämpfte.
Tara und Ilya hatten sich wiedereinmal zusammen getan
und
kämpften
Seite
an
Seite
gegen
ein
octopussähnliches Wesen, das sie mit seinen acht
Fangarmen traktierte. Es war zwar kein sonderlich
großes Monster, nur etwa so groß wie eine Kuh, aber es
bewegte sich sehr schnell, und so hatten die beiden
Mühe ihres Gegners Herr zu werden.
Immer wieder stießen die beweglichen Arme nach vorne
und versuchten die Frauen zu verletzen. Ein Mal hätte
einer der Arme Ilya beinahe ins Gesicht getroffen, doch
sie war rechtzeitig zurück gesprungen und so hatte der
Dämon sein Ziel verfehlt. Der Arm gab einen Laut von
sich, der sehr viel Ähnlichkeit mit dem Knallen einer
Peitsche hatte. Doch damit würde er bei Ilya kein zweites
Mal landen können, denn ihre Klinge war in einer
kreisförmigen Bewegung nach oben gefahren und hatte
dem Dämon den Arm abgetrennt. Das dunkelblaue Blut
roch fürchterlich nach Verwesung. Der Verlust seines
Armes hatte dem Monster einen ungeahnten Schrecken
versetzt, so dass sich Ilya und Tara nun richtig auf ihn
stürzen konnten. Ihre Schwerter hackten auf das Wesen
ein und schnitten tiefe Wunden in sein stinkendes
Fleisch. Bald schon sahen die beiden Frauen nicht
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weniger blutverschmiert aus wie ihr Gegner, doch sie
hatten ihn das Fürchten gelehrt und ihn getötet.
Zeit sich das übel riechende Blut vom Leib zu waschen,
hatten sie keine, denn die nächsten Gegner waren
bereits heran gekommen und schrieen ihre in
unverständlichen Worte gehüllte Wut aus ihren Kehlen.
Die Königin warf einen Blick zurück über ihre Schulter wo
sie die von Morgan ausgesuchten Männer erwartete. Nur
Acht waren noch übrig geblieben. Zumindest sah sie
nicht mehr von ihnen, denn der dichte Staub in der Luft
nahm ihr die weitere Sicht. Mit einem Nicken befahl sie
die Männer zu sich und gemeinsam stürzte man sich auf
den nahenden Feind.
Einige Schritte von den Frauen entfernt, hatte sich der
Drachenritter einem Monster zwei Mal so groß wie er
selbst
gestellt.
Das
glänzende
Gold
seines
Kettenhemdes und die fließenden Bewegungen mit
denen er seine Streitaxt führte, verwirrte den Blick des
Betrachters, denn das reflektierende Licht zauberte ein
eindrucksvolles Bild von Licht und Schatten auf seine
Person. Und das Orange des Himmelskristalls zauberte
einen wundervollen Schimmer auf ihn, fast so, als
bestünde er aus aufrecht gehendem, flüssigem Gold.
Sein Gegner indes, versank in Dunkelheit seiner
schwarzen Haut fast. Sie schien trotz der Hitze matt und
trocken zu sein, denn kein Staubkorn konnte sich auf
ihrer Oberfläche halten. Alex und sein Gegner boten
daher schon allein durch den krassen Gegensatz ihres
Auftretens ein Schauspiel, dessen sich die anderen
Kämpfer, die Kämpfer beider Seiten, nicht immer
entziehen konnten. Und oftmals bedeutete das
Hingucken den Tod für den einen oder anderen von
ihnen.
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- 133 -
Es dauerte nicht einmal eine halbe Stunde, da hatte die
Armee der Dämonen schon zwei Drittel ihrer Streitkräfte
verloren.
„Los Männer, treiben wir sie zurück in den Wald!“ rief
Morgan über die Wogen der Schlacht hinweg, während
er einem kleinen, hundeähnlichen Wesen, dass ihm mit
gefletschten Reißzähnen gegenüber stand, den Schädel
spaltete. Er hatte keine Zeit auf Bestätigungen seines
Befehls zu warten. Diejenigen, die ihn gehört hatten,
würden sich mit ihm in Bewegung setzen, und die
anderen würden automatisch folgen. Und so dauerte es
nicht mehr lange, und eine massive Welle von Kämpfern
bewegte sich immer weiter von der Stadt weg, und immer
näher an den Nebelwald heran. Zwei Stunden später
hatten sie die ersten Ausläufer des Waldes erreicht, und
die letzten Überlebende der Dämonenarmee, es waren
nicht einmal mehr zwanzig, gaben freiwillig auf und
verzogen sich blitzartig in den Nebelwald. Die Soldaten
und ihre Helfer jubelten ob dieses großen Sieges.
Erschöpft sanken viele von Ihnen zu Boden und mussten
erst einmal wieder zu Atem kommen. Gwyndragsil
landete in der Nähe und trat zu seinen Freunden.
„Ein großartiger Sieg für das Königreich.“ meinte er
erfreut.
„Ja, das ist es. Dafür haben wir auch hart gekämpft.“
meinte die Königin, die nun ebenfalls hinzu getreten war.
„Ja, aber wir dürfen uns auf unseren Lorbeeren noch
nicht ausruhen, Majestät.“ fügte Gwyn dann noch hinzu.
„Weshalb nicht?“ wollte Tara wissen, und war doch etwas
verdutzt darüber, dass der Drachen ihnen den Sieg nun
plötzlich doch nicht so zu gönnen schien wie er dies eben
noch getan hatte.
„Wir müssen sie weiterverfolgen. Sie zurück ins Zentrum
des Waldes treiben und das Dimensionstor wieder
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- 134 -
schließen, sonst werden sie immer wieder nach Skataris
zurückkommen.“ erklärte er ihr. Und Tara sah ein, dass
er Recht hatte.
Ein furchtbar unmenschliches Brüllen drang plötzlich aus
den Tiefen des Waldes hervor.
„Was zum Henker war das?“ fragte Morgan.
Gwyndragsil war einen Blick in den Wald, bewegte sich
nicht und meintet dann:
„Ein Anführer. Er scheint über den Ausgang der Schlacht
nicht sonderlich erbaut zu sein.“
Dann ertönte das Brüllen ein weiteres Mal und wussten,
dass Ihre Aufgabe noch nicht beendet war.
Der Schlag traf den Wachposten völlig unerwartet. Clark
hatte in einem der Räume einen Annäherungsdetektor
gefunden und konnte sich so gezielt dem Zugriff der
Soldaten entziehen. Schon zwei Mal war er nun auf
einen Posten gestoßen, doch jedes Mal waren die
Männer viel zu klein gewesen und er musste ihnen ihre
Overalls selbst überlassen. Doch nun hatte er einen
gefunden. Vorsichtig zog er den Posten in einen
nahegelegenen Raum und begann damit, ihn zu
entkleiden. Als er ihm jedoch die Maske vom Gesicht
streifte, musste er feststellen, dass er es nicht mit einem
Mann, sondern mit einer Frau zu tun hatte. Erstaunt
darüber, auf diesem Schiff ein weibliches Wesen von
solcher Größe vorzufinden, und dazu noch eines mit
einem solch hübschen Gesicht, überkam ihm fast ein
Gefühl der Reue wegen seines Schlages. Sanft legte er
ihr zwei Finger auf den Hals und tastete nach ihrem Puls.
Ihr Kopf kippte dabei haltlos zur Seite, und da wusste
Jason, dass sie tot war. Sein Schlag hatte ihr das Genick
gebrochen.
Mit einem Bedauern auf seiner Seele zog er ihr dennoch
den Overall aus und schlüpfte dann selbst hinein. Er zog
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- 135 -
den Verschluss zu und schob sich die Maske auf den
Kopf. Dann warf er nochmals einen Blick auf die Tote, die
nun nackt zu seinen Füßen lag. Sie hatte eine
ausgesprochen gute und durchtrainierte Figur. Eine
Alamak mit der er im offenen Kampf bestimmt Probleme
bekommen hätte.
„Zu schade.“ dachte er laut und sah sich in dem Raum
um. In einem Schrank fand er eine Art Decke, nahm sie
heraus, kniete sich zu der Frau und breitete sie über ihr
aus.
„Tut mir leid. Wirklich.“ Er gab seinem rechten Zeige- und
Mittelfinger einen Kuss und berührte damit ihre Wange,
bevor er mit der Decke auch ihr Gesicht verhüllte.
Nun musste er aber wieder an seine Aufgabe denken,
denn seine Kameraden da draußen im All hatten nicht
mehr lange zu leben, wenn er sich nicht ein wenig
beeilte. Die Stadtschiffe der Alamak waren im Großen
und Ganzen ziemlich gleich in ihrer Bauart. Nur die
Aufbauten schienen zuweilen ein wenig voneinander
abzuweichen. Zwanzig Minuten später, stand Clark in
einem Raum, der eigentlich die Steuerzentrale für die
Kraftfelder dieser fliegenden Stadt sein müsste, doch
entweder hatte er sich verlaufen, oder sie befand sich
hier eben nicht dort wo sie sein sollte. Ein mächtiger
Donnerschlag erfüllte die Luft und plötzlich wurde Jason
auf die Seite geschleudert. Weitere Detonationen
erfolgten und die Stadt der Alamak wurde heftig
erschüttert.
„Das muss das Artilleriefeuer unserer Schiffe sein.“
dachte er und rappelte sich wieder auf. Doch dann fiel
ihm ein, dass selbst die größten Raketen welche die
Perseús an Bord gehabt hatte, nur minimale Schäden an
der Stadt hinterlassen hatten. Das beunruhigte ihn etwas,
und er machte sich schnell wieder auf den Weg.
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Kurze Zeit später hatte einen kleinen Hangar erreicht, in
dem er vier Shuttles in der Größe vorfand wie das mit
dem er her gekommen war. Die sieben anwesenden
Alamak sah allerdings erst, als er um das erste Shuttle
herum gegangen war.
Ohne dass es die anderen bemerkten, aktivierte er seine
Handschuhe und schoss ohne jede Vorwarnung in die
Menge. Doch nicht alle schienen mit belanglosen
Gesprächen beschäftig gewesen zu sein, denn sofort
eröffnete einer der Alamak, vermutlich ein Wachposten,
das Feuer und schoss zurück. Jason ging hinter einem
der Shuttles in Deckung und feuerte erneut. Dabei
bemerkte er, wie sich zwei Männer von der Gruppe
entfernten um ihn einzukreisen oder von hinten zu
erledigen. Clark ließ sich zu Boden fallen und feuerte
unter dem schmalen Spalt zwischen Boden und
Fluggerät hindurch auf die Füße der sich nähernden. Ein
schmerzhaftes Jaulen sagte ihm, dass er getroffen hatte.
Leise erhob er sich und zog sich vorsichtig auf den
kleinen Stummelflügel des Shuttles hinauf. Er bot leider
nur sehr ungenügenden Platz zum Stehen, doch
verhinderte er somit, dass ihm genau das passierte, was
er soeben mit dem anderen angestellt hatte. Und
tatsächlich, denn kaum hatte er seine erhöhte Position
erreicht, züngelten die bläulich weißen Energieblitze aus
den Handschuhen der Alamak über den Boden zu seinen
Füßen.
Plötzlich kam der erste um die Ecke und feuerte auf
Jason, der nur knapp einem Treffer entgehen konnte,
weil er sich gerade über den Rumpf gebückt hatte um zu
schauen, wo die anderen geblieben waren. Er lies sich
von dem Flügel herab fallen und feuerte mit beiden
Handschuhen. Der Strahl seiner rechten Hand traf den
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Mann der auf ihn geschossen hatte in die Brust und warf
ihn etliche Meter zurück, doch der Strahl seiner Linken
verfehlte den Angreifer und fuhr mit einem dumpfen
Zischen durch die Kunststoffverkleidung an der Wand
hinter ihm. Aus dem Handschuh des verfehlten löste sich
ein Energiebündel und flog auf Clark zu. Jason war zu
diesem Zeitpunkt bereits bis zur Wand des Hangars
gekrochen und konnte nicht mehr entkommen. Er sah
den Strahl sich schon durch seinen Anzug bohren und
die blauen Energiezungen gierig an seinem brennenden
Fleisch lecken, da wurde die Station abermals heftig
erschüttert und Jason wurde zur Seite gestoßen. Dort wo
sich eben noch seine Brust befunden hatte, bohrte sich
der Energieblitz mit lautem Krachen tief in die Wand.
Jason, bereits an diese Erschütterungen gewöhnt,
konnte sich weit schneller aufrappeln wie die anderen.
Flinken Fußes umrundete er das Shuttle hinter dem er
Deckung gesucht hatte und feuerte auf die verbliebenen
Männer. Dabei bemerkte er, wie zwei von ihnen durch
eine andere Türe fliehen konnte. Sperrfeuer verhinderte
allerdings eine Verfolgung, und so warf er sich erneut auf
den Boden, um den tödlichen Strahlen nicht in die Quere
zu kommen. Blitzschnell drehte er sich auf den Rücken
und schoss erneut. Er traf einen der Schützen am Kopf.
Der andere jedoch hatte mehr Glück. er konnte dem
Strahl nicht nur ausweichen, sondern schoss seinerseits
zurück, und traf. Clarks linke Schulter brannte auf ein Mal
wie Feuer, und irgend wie schien ihn die Kraft des
Energiestrahls auf den Boden zu zwingen. Er musste all
seine Selbstbeherrschung zusammennehmen, um nicht
das Bewusstsein zu verlieren. Dann hörte er auf ein Mal
die Schritte seines Gegners auf sich zu kommen. Der
Schmerz in seiner Schulter hämmerte wie verrückt, und
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Clark konnte sich zudem kaum bewegen. Dann stand der
Mann über ihm. Den ausgestreckten Zeigefinger auf sein
am Boden liegendes Opfer gerichtet, schob er langsam
die Maske auf den Schädel hinauf und entblößte ein
feistes Grinsen. Er sagte etwas auf Alamak, und Jason
wusste auch ohne Übersetzung, dass diese Worte sein
Ende besiegeln würden.
Erneut wurde die Station erschüttert, doch war dieses
Ruckeln lange nicht so stark wie die anderen zuvor. Ein
bläuliches Züngeln, das sich um den Handschuh seines
Gegners entwickelt hatte, entlud sich mit einem
wimmernden Seufzer und verebbte nach etwa zehn
Zentimeter nachdem es den Finger des Mannes
verlassen hatte. Dieser betrachtete den Handschuh mit
einem merkwürdigen Blick und versuchte es erneut. Das
Ergebnis war ähnlich bedauernswert. Doch Jason nutzte
die Situation aus und trieb dem Mann seine Faust in den
Unterleib. Die Luft entwich zischend seinem Mund und er
brach leise heulend zusammen. Clark erhob sich auf ein
Knie und legte nun seinerseits zum Schusse an, musste
aber entsetzt feststellen, dass sein Handschuh ebenfalls
nicht feuern konnte.
Da niemand sonst mehr zu kommen schien, um ihn von
seinem weiteren Tun abzuhalten. Seinen ursprünglichen
Plan, das Schiff mittels Sabotage der Kraftfelder in die
Luft zu jagen, schien ohnehin überflüssig geworden zu
sein, denn der Beschuss von außen war in den letzten
Minuten um einiges stärker geworden. Er erhob sich
vollständig und begab sich zu dem Shuttle, das dem
Hangartor am nächsten stand. Er öffnete es und stieg
ein. Mit einem Knopfdruck verschloss er den Eingang
und öffnete gleichzeitig das Kraftfeld am Tor. Das
Vakuum des Alls sog alles was nicht niet- und nagelfest
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war hinaus in die leere des Raums. Und Clark wünschte,
er hätte es nicht getan.
„Gehen sie ein Terminal suchen!“ schrie Branda den
Soldaten an, der nach dem letzten Wackeln der
Raumstation wie erstarrt stehen geblieben war. Er hieß
Josh Duggen und war sonst eigentlich ein guter Soldat,
aber irgend wie schien er hier den Überblick verloren zu
haben und das machte ihm Angst
„Ich brauche eine Sichtverbindung nach draußen!“ fuhr
sie fort.
„Aye, Ma´am!“ antwortete der Mann plötzlich. Er hatte
sich wieder gefangen.
„Perseús? Hier Deveraux, können sie mich hören?“
versuchte es Branda noch ein Mal. Doch es kam wieder
keine Antwort. Schon vor einigen Minuten, Branda hatte
gerade an das Schiff durchgegeben, dass die Station
gesichert sei, war die Verbindung abgebrochen. Hin und
wieder drang ein abgehacktes Krächzen durch Brandas
Ohrstöpsel und zerrte empfindlich an ihren Nerven. Das
dauerte ihr alles zu lange. Sie drehte sich um und sah
sich den Rest ihrer Männer an. Jackson, der Soldat mit
dem Scharfschützengewehr, musste bei ihr bleiben.
Seine Fähigkeiten waren zu wertvoll. St. Tilly sah immer
noch aus als sei er eben durch einen Sumpf aus Dreck
und Blut gerobbt, aber ansonsten schien er guter Dinge.
Maywather und Holden hatten sich beim letzten Gefecht
verabschiedet und Duggen kriegte vor Angst die Füße
nicht in die Höhe. Plötzlich zuckte seine Stimme in
Brandas Ohr:
„Hab ein funktionsfähiges Terminal gefunden, Ma´am.“
„Sehr gut, Duggen. Wo stecken Sie?“
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„Gehen Sie den Gang bis zur nächsten Kreuzung, dann
links bis zur nächsten, dann rechts und dort die dritte
Tür.“ erklärte er ihr.
„Wir sind unterwegs. Los Männer, Abmarsch.“ befahl sie,
und so setzte sich der kleine Trupp in Bewegung. Es
dauerte nicht lange bis sie die erwähnte Türe gefunden
hatten. Sie waren noch nicht ganz dort, da hörten sie
Schüsse aus dem Raum. Sofort gingen sie in Deckung.
Deveraux befahl ihren Begleitern auf die andere Seite
der Türe zu gehen, damit sie eine größtmögliche
Flächendeckung hatten. Dann rief sie Duggen über Funk,
doch der meldete sich nicht.
„Duggen! Was ist los?“ rief sie dann laut in Richtung Tür.
Doch es kam wieder keine Antwort.
„Wir gehen rein. Auf mein Kommando. Zwo, drei, los!“
Jackson trat die Tür ein und ging sofort wieder in
Deckung. Ein Feuerstrahl schoss über seinem Kopf
hinweg und da wussten die anderen, was passiert war.
Tilly und Deveraux kamen ins Sichtfeld und feuerten auf
Bodenhöhe in den Raum. Sie wollten schließlich nicht
riskieren, das die Konsole unnötig beschädigt wurde.
Irgend etwas schien da drin umzufallen, und so wagte
Jackson einen schnellen Blick.
„Ein Silberfisch auf sieben Uhr, Ma´am.“ flüsterte er
seinem Führungsoffizier zu.
„Und Duggen?“
Jackson zog sich den Zeigefinger über die Kehle, das
übliche Zeichen für einen Getöteten.
Branda erhob sich und trat leise näher an den
Türrahmen, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, ließ
sie sich einfach der Länge nach in die offene Tür fallen,
drehte sich in die von Jackson angegebene Richtung und
feuerte was ihre Waffe her gab. Drei von fünf Schüssen
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trafen den Alamak noch bevor Branda am Boden lag.
Zwei in der Brust, und einer direkt in der leicht
angedeuteten
Augenwulst
seiner
ansonsten
gesichtslosen Maske. Der Mann hatte zwar noch die Zeit
gehabt, einen Feuerstoß aus seinem Handschuh
abzugeben, doch dieser verfehlte sein Ziel um einige
Meter.
Deverauxs rechte Schulter schmerzte ganz schön, als sie
sich wieder auf die Beine hoch rappelte. Aber sie
versuchte es nicht weiter zu beachten und rieb statt
dessen ein wenig mit der Linken darüber.
Tilly und Jackson waren ihr sofort gefolgt, gingen aber
leer aus. St. Tilly ging zu Duggen hinüber und überprüfte
seinen Puls. Er blickte zu Deveraux und schüttelte
langsam den Kopf. Sie hatte nichts anderes mehr
erwartet, und so machte sie sich endlich an der Konsole
zu schaffen die sie gefunden hatten.
„Wir können sie im Moment nicht rüber holen, Deveraux,
die Alamak erschweren uns derzeit den Zugang, da sie
schwer unter Beschuss stehen.“ erklärte ihr Don
Marshall.
„Ist unsere Verstärkung also endlich eingetroffen?“
„Bedauerlicherweise noch nicht. Sie werden derzeit von
einem fremden Schiff beschossen.“
„Von einem fremden Schiff?“
„Ja. Wir vermuten, dass es ein xothaischer
Schlachtkreuzer ist, denn es ähnelt sehr den von
Commander Clark beschriebenen Schiffen auf diesem
Wandteppich den er bei der Besprechung mit dem
Captain erwähnt hatte.“
Branda, St. Tilly und Jackson machten sich langsam
wieder auf den Weg zu ihrem Rendezvouspunkt. Sie
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waren nun auf sich allein gestellt, aber das machte ihnen
nichts aus, denn das waren sie ja eigentlich immer.
Und tatsächlich, hatte sich doch vor gut einer halben
Stunde ein weiteres Hyperraumfenster geöffnet und hatte
dieses fremd anmutende Schiff aus seinem goldfarbenen
Schlund entlassen. Die kristalline Form dieses Schiffes
übertraf alles, was das menschliche Auge wohl je zuvor
gesehen hatte. Wie ein gigantischer Edelstein schwebte
es scheinbar antriebslos durch das All. Seine Fassetten
spiegelten jeden einzelnen Stern, jeden Planeten wieder,
und die grüne Farbe Drakons verlieh ihm den sanften
Schimmer eines Smaragdes. Doch ein Smaragd konnte
nicht auf denjenigen feuern, der ihn aus den Tiefen des
Erdreiches buddelte. Dieser Smaragd jedoch schon.
Seine Waffen schienen tiefe Löcher in den Schilden und
Aufbauten der Alamakschiffe zu hinterlassen, so dass
sich diese schon bald zurückziehen mussten um nicht
völlig zerstört zu werden.
Da sie sich bis jetzt nur mit den Alamak zu beschäftigen
schienen, beorderte Captain Shigerah zunächst einmal
alle Jäger auf ihre Schiffe zurück. Sie sollten erst Mal
auftanken und neue Munition an Bord nehmen. Die
Menschheit fühlte sich beschützt in diesen Momenten.
Doch würde dies anhalten? Würden die Xotha sich nur
um die Alamak kümmern, oder würden sie sich danach
auch noch um die Schiffe der Menschen kümmern? Die
Antwort auf diese Frage sollten sie schon bald
bekommen, denn in diesem Augenblick öffnete sich ein
weiteres Hyperraumtor und entließ ein weiteres Schiff der
Xotha.
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- 143 -
Jason sah den Neuankömmling nur einen kurzen
Bruchteil lang, dann hatte sich sein immer noch steuerlos
durch den Weltraum driftendes Shuttle so weit gedreht,
dass das Schiff aus seinem Blickfeld verschwunden war.
Er musste nun dringend etwas unternehmen. Aber was?
Er hatte keine Ahnung von der Technik der
Alamakschiffe. Nur gerade mal so viel, dass er das kleine
Schiff steuern konnte.
Plötzlich leuchtete auf der Konsole vor ihm ein kleines,
gelbes Lämpchen auf und begann heftig zu blinken.
Clark schob sich die gesichtslose Maske über und sah
sich an, was das zu bedeuten hatte.
„Kollisionsalarm!“
stand
da
mit
großen
Alamakschriftzeichen geschrieben.
„Kollisionsalarm? Wieso?“ dachte er laut.
Doch da hörte er es auch schon. Eine heftige Explosion
dröhnte durch die Leere des Alls und eine gewaltige
Schockwelle brandete über die Raumschiffe hinweg, die
wie ein Spielball von den Wellen durchgeschleudert
wurden. Das Stadtschiff auf dem Clark noch vor Kurzem
gewesen war, war zerstört worden.
Die Schockwelle trug Clarks Shuttle auf ihrem Kamm
hinfort wie die Meereswellen ein Surfboard gegen den
Strand trugen. Nur dass es hier keinen Strand gab. Die
Welle würde sich noch Lichtjahre weit ausdehnen und
den Commander mit sich forttragen.
„Scheiße!“ fluchte er.
Nun konnte es ihm egal sein. Das Schiff der Alamak war
zerstört, die Anderen würden sich nun bestimmt mit dem
zweiten Schiff befassen. Er betätigte den Schalter des
Funkgerätes und brach die zuvor vereinbarte Funkstille.
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„Tut uns leid, Commander, aber wir können im Moment
niemanden entbehren.“ meldete sich der Erste Offizier.
Seine Stimme klang hektisch.
„Ist die Fairfax im Einsatz, Sir?“ fragte Clark, dem da
gerade eine Idee gekommen war.
„Nein, Commander, sie liegt im Hangar. An was denken
sie?“
„Ich weiß, dass Sergeant Deveraux im Einsatz ist, aber
haben sie Andrea Taylor auch in Beschlag genommen?“
„Taylor?“ Marshall überlegte kurz, da er sich zunächst
nicht genau an die Person zu erinnern schien. Doch dann
dämmerte es ihm:
„Taylor, nein, nicht dass ich wüsste.“
„Geben sie ihr die Fairfax. Sie kann sie fliegen. Die
Fairfax ist schnell genug um mich einholen zu können.
Ich habe keine Lust bis an das Ende meiner Tage durchs
All zu driften.“ meinte Jason.
Don Marshall überlegte kurz und sagte dann.
„Okay, Commander. Ich leite alles in die Wege.“
„Besten Dank dafür. Ich melde mich dann wieder wenn
wir auf dem Rückweg sind.“ bestätigte Clark.
„Ja, wenn es dann für sie noch einen Rückweg gibt.“
meinte Marshall darauf hin zynisch, denn er sah soeben,
dass das zweite Schiff der Xotha auf ihre Position zu
steuerte.
„Wie optimistisch von ihnen. Was ist denn los?“
„Die Xotha sind hier und...“ konnte Jason gerade noch
verstehen, dann brach die Funkverbindung ab. Die
Xotha? Überlegte er kurz, dann fiel ihm der Wandteppich
in Shak Nubals Räumen wieder ein. Das war es also,
was er vorhin aus dem Augenwinkel heraus gesehen
hatte. Die Xotha also! Was sollte er nun tun? Abwarten
und stillhalten, das wäre wohl hier die beste Devise. Er
kannte die Xotha nur aus den Berichten der Leute, die
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mit Snow auf ihrer Welt gelandet waren. Es sollen an
Land lebende Fischwesen sein. Mit lidlosen, übergroßen
Augen wie sie Fische haben, aber sie sollen auch ganz
normale Luft atmen wie die Menschen.
Clark war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er
den Annäherungsalarm des Shuttles erst wahr nahm, als
dieses bereits durch einen leichten Stoß erschüttert
wurde, der ihn aus seinen Gedanken riss. Sein
Ohrstöpsel krächzte kurz, dann war eine Stimme zu
hören.
„Sie haben ein Taxi bestellt, Commander?“ Es war
Andrea Taylor.
„Ja, das ist richtig. Schön sie zu hören, Miss Taylor.“
„Gleichfalls. Aber ich muss sie vorwarnen, Commander.
Die Fahrt zurück wird ganz schön teuer werden. Die
Taxikosten sind in den letzten Jahrhunderten
explosionsartig
angestiegen.
Und
dann
diese
Entfernung....“ flachste sie.
„Nun, Miss Taylor, möglicherweise können wir uns über
die Transportkosten anderweitig einigen, wenn sie ihren
Zähler ausgeschaltet ließen?“ meinte Clark ganz kühl
darauf.
„Wir werden sehen, wir werden sehen. Andockvorgang
beendet. Es geht los.“
Und schon zog die Fairfax an und schleppte das defekte
Alamakshuttle zurück zur Perseús.
Das kleine Reparatur und Transportshuttle hatte die noch
kleinere Fähre der Alamak mit zwei Greifarmen gepackt
und sich unter den Bauch gezogen, wodurch sie nun
aussah wie ein Vogel, der eines seiner Eier durch die
Luft trug um es in Sicherheit zu bringen.
„Ich habe vorhin einen Funkspruch mit an gehört, in dem
es darum ging, Branda und ihre Leute von der
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Raumstation abzuholen.“ kam Andreas Stimme aus dem
kleinen Stöpsel in Clarks Ohr.
„McFadden sagt, man habe derzeit kein größeres Schiff
zur Verfügung um sie dort rauszuholen. Deshalb werden
wir diesen Job übernehmen. Ist das okay für sie?“
ergänzte sie.
„Ich habe keine Einwände, Taylor.“ bestätigte Clark.
So flogen sie nun mit der Fairfax einen großen Bogen um
die anderen Schiffe und versuchten, dem gelegentlichen
Feuer auszuweichen, welches das eigentliche Ziel, die
Alamak Stadtschiffe, verfehlt hatte. Nach einigen wild
geschlagenen Haken, kam Jason schon fast das
Frühstück wieder hoch, dass man ihm ... wann war das
noch mal, gestern?... in seiner Zelle serviert hatte.
Schließlich erreichten sie die Station und dockte an
einem der unteren Pylonen an. Dieser setzte sich
selbstständig in Bewegung und beförderte das Schiff mit
samt seiner Last in einen kleinen Hangar. Deveraux und
der Rest ihres Kommandos warteten dort bereits.
Taylor öffnete die Umklammerung des Alamakshuttles
und ließ es von knapp einem halben Meter Höhe auf den
Boden der Station plumpsen. Als sich die Türe des
Shuttles
öffnete,
kam
ein
leicht
zerknittert
dreinschauender und sich den Kopf reibender
Commander Clark heraus, dem mindestens eine, wenn
nicht sogar mehrere unangenehme Verwünschungen für
Taylor auf der Zunge lagen. Der Greifer setzte die Fairfax
neben dem Shuttle ab, und Taylor stieg mit einen breiten
Grinsen aus.
„Sorry, ging nicht anders.“ meinte sie und ging dann zu
Branda hinüber. Hinter ihr verließen Regina Meyer und
Yashida Tanaka das Shuttle. Clark staunte nicht schlecht
und meinte:
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„Da haben wir sie also wieder...“ Tanaka und die anderen
sahen ihn fragend an. „..die gute, alte Crew der Fairfax.“
Clark grinste.
„Hallo Commander. Ich hoffe, es macht ihnen nichts aus,
dass wir mit an Bord sind?“
„Nein, durchaus nicht. Im Gegenteil, ich bin sogar froh
darüber, jemanden zu sehen, dem ich vertrauen kann.“
Dann trat Branda näher, sah sich kurz um und fragte:
„Was haben sie denn mit ihrer Alamakfreundin
angestellt? Wie hieß sie noch gleich?“
„Niora, Niora Dal. Nun, wenn ich ehrlich bin, dann ist sie
mir ein wenig zu heiß geworden.“ erklärte er
wahrheitsgemäß.
„Ach, wollte sie ihnen etwa an die Wäsche gehen,
Jason? “ witzelte Regina.
„Nun, das auch. Aber nicht auf die Art und Weise, wie sie
sich das vielleicht vorstellen, Miss Meyer.“
„Das klingt jetzt aber interessant. Erzählen sie weiter.“
forderte ihn Meyer heraus, doch Branda ging
dazwischen.
„Wir haben jetzt keine Zeit für solche Geschichten, Leute.
Wir müssen sehen, dass wir hier weg kommen. “
Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis die Soldaten
das was von ihrem Kommando noch übrig war in dem
Fluggerät verstaut hatten, und die Fairfax konnte wieder
starten. Es herrschte eine dumpfe Schweigsamkeit
zwischen den Soldaten im hinteren Teil des Shuttles und
Jason würde sich hüten, dort jetzt mit einer komischen
Bemerkung hinein zu platzen. Statt dessen setzte er sich
neben Taylor auf den Copilotensitz und kontrollierte die
Instrumente. Meyer und Tanaka nahmen hinter den
beiden Platz.
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„Wollen sie fliegen Commander?“ fragte ihn Andrea auf
ein Mal. Er sah von den Instrumenten auf und schüttelte
leicht den Kopf.
„Sie sind heute der Captain, Taylor.“
Sie bedankte sich mit einem Nicken dafür und betätigte
den Aussetzungsmechanismus des Greifarms, der sie
wieder in die luftleere Weite des Weltraumes entlassen
würde.
Doch als sie den Greifer verlassen hatten und wieder
Kurs auf die Perseús nehmen wollten, war sie nicht mehr
dort wo sie noch Stunden zuvor Posten bezogen hatte.
Jason und Andrea sahen aus den schmalen
Fensterschlitzen des Cockpits und versuchten sie
auszumachen, doch sie konnten sie nicht entdecken.
„Schalten sie den Funk auf die Lautsprecher. Ich möchte
hören was vor sich geht.“ befahl Clark. Taylor betätigte
einige Tasten und schon knackte es leise in den kleinen
Boxen am Rande der Konsole.
Sie hörten einzelne Funksprüche zwischen der
Agamemnon und ihren Jägern, aber die Perseús wurde
nicht erwähnt.
„Funken sie sie an.“ sagte er auf ein Mal.
„Wir haben Befehl Funkstille zu wahren, Commander.“
„Mir scheint, die wurde wieder aufgehoben. Hören sie
nicht?“ Weitere Funksprüche wurden aus dem Äther
übertragen.
Es
waren
Wortwechsel
zwischen
Befehlshabern und ihren Untergebenen, aber auch die
typischen Machosprüche welche die Piloten oft bei
Einsätzen untereinander führten. Jubel und Lachen
konnte man hören, sobald ein Feind wieder dran glauben
musste, doch auch wütende Verwünschungen und
trauriges Abschied nehmen, wenn es einen der ihren traf.
„Nun?“ hakte Clark nach.
„Okay“
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„Agamemnon? Hier ist die Fairfax, ein Shuttle der
Perseús, zurück von einer Rettungsmission. Können sie
mich hören?“
„Hier ist die Agamemnon. Wir hören sie.“
„Agamemnon, wo ist unser Basisschiff die Perseús?“
„Fairfax, hier ist die Agamemnon. Die Perseús wurde vor
wenigen Minuten zerstört. Suchen sie sich einen
sicheren Hafen bis die Angelegenheit hier bereinigt ist.
Wir können sie derzeit nicht an Bord nehmen, da beide
Landebahnen defekt sind. Fliegen sie nach Drakon oder
verstecken sie sich hinter einem der Monde und erwarten
sie weitere Befehle. Agamemnon Ende.“
„Ja aber....“ Taylor wollte noch etwas fragen, aber die
Verbindung war unterbrochen. Fragend sah sie nun zu
Clark hinüber und wollte wissen, was sie nun tun sollte.
Die anderen an Bord hatten sich erhoben und waren
nach vorne in das enge Cockpit gedrängt als sie vom
Schicksal ihres Mutterschiffes und ihrer Kameraden an
Bord gehört hatten. Getuschelte Worte wisperten durch
den kleinen Raum. Bestürzung und Wut waren emotional
eingebettet, doch niemand sagte etwas richtig laut.
Erneut stellte Andrea ihre Frage und wartete auf eine
Reaktion von Clark.
„Wir leisten dem Befehl Folge. Fliegen sie nach Drakon.“
Doch in dem Moment wo sie den neuen Kurs
einschlagen wollten, streifte sie von Hinten ein Geschoss
und ließ das kleine Schiff leicht erzittern. Hastig eilten
Jasons Finger über die Tastatur der Konsole vor ihm.
Nach dem längeren Gebrauch der Alamaktechnologie,
fiel es ihm fast schon schwer, diese primitiven Tasten
wieder von Hand bedienen zu müssen.
„Das war kein Feindfeuer.“
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Die anderen sahen ihn abermals fragend an, doch kaum
hatte er geendet, fegte ein terranischer Jäger an ihrer
linken Seite vorbei und wackelte mit den Flügeln.
„Er signalisiert uns, dass wir ihm folgen sollen.“ meinte
Jason und griff automatisch nach dem Steuer. Mit der
Rechten drückte er ein paar Knöpfe auf der Konsole und
schon schob sich die Fairfax schneller durch den Raum.
Der Jäger vor ihnen gab Vollgas, und Jason ließ sich
nicht lange bitten. Zwei, drei Mal mussten sie feindlichem
Feuer ausweichen, doch es war nicht für sie direkt
bestimmt, und so hatten sie keine große Mühe damit. Der
Jäger führte sie hinter einen der kleinen Monde von
Drakon. Jason und Andrea schaute nicht schlecht, als sie
dort einen ziemlich großen Sternenkreuzer der
Drakonianer liegen sahen, um den herum sich viele
kleinere Schiffe zu tummeln schienen.
„Was zum Henker geht hier eigentlich vor sich?“
murmelte Clark leise. Taylor warf einen Blick auf ihn,
konnte aber keine erkennbare Reaktion feststellen und
sah wieder nach vorn aus dem kleinen Fenster. Plötzlich
erfasste sie ein Leitstrahl und zog sie unwillkürlich näher
an das große Schiff heran.
„Ich hasse es, wenn das jemand mit mir macht, ohne
mich zuvor zu fragen, ob ich überhaupt an Bord kommen
will.“ maulte Jason jetzt laut.
„Ich bin jetzt seit vier Jahren hier auf der Station im
Einsatz, aber so ein Schlachtschiff habe ich in meiner
ganzen Dienstzeit noch nicht gesehen.“ hörte Clark einen
der Soldaten hinter sich sagen.
„Da gebe ich euch recht, Soldat, mir geht es genauso.“
bestätigte er dem Mann.
Dann meldete sich Taylor wieder zu Wort:
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„Ich kann mich noch daran erinnern, als wir von hier zu
unserer Mission, die Alamak zu treffen, gestartet sind, da
sagte Alex, die Schiffe der Drakonianer würden
aussehen aus als hätte man sie eben erst aus einem
Sumpfloch gezogen, so verdreckt waren sie.“
„Das hier sieht aber ziemlich sauber aus.“ warf Regina
von hinten ein.
„Ja, und das wundert mich auch so. Seit ich hier bin,
kenne ich die Schiffe der Drakonianer als alte vor Dreck
starrende Klapperkisten. Aber das hier...? Das ist
blitzblank und nagelneu.“
Der Leitstrahl hatte das kleine Bergungsshuttle nun fast
vollständig an den Schlachtkreuzer heran gezogen. Nun
solle sich eigentlich irgendwo eine Hangartüre oder eine
andere Öffnung zeigen, wo der Strahl das Shuttle dann
absetzen würde. Doch nichts geschah. Statt dessen
schob sich die Fairfax immer weiter auf eine der äußeren,
unter einem kleinen Vorsprung befindliche Wand der
Außenhülle zu.
„Verdammt, der Traktorstrahl wird und an der Wand
zerschmettern! Pennen die denn alle da drin!“ rief Taylor
gerade heraus.
Clark dagegen schien die Situation weit ruhiger
anzugehen. Er betätigte einige Köpfe auf der Konsole
und sah immer wieder zu dem kleinen Fensterspalt
hinaus. Als Andrea Taylor schon ihren Sitz verlassen und
die Flucht nach hinten ergreifen wollte, hielt er sie am
Arm fest und meinte:
„Es wird nichts passieren. Sehen sie.“
Die Wand auf die sie zu steuerten schien wie in einer
Hitzewelle zu wabern, und wie die Spitze der Fairfax die
Wand schon zu berühren schien und alle einen heftigen
Ruck erwarteten, bohrte sich die Schnauze des Shuttles
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ganz langsam und ohne auch nur das geringste
Geräusch zu verursachen immer weiter in die Wand
hinein. Das Hitzeflimmern waberte über die Schnauze zu
den schmalen Fenstern hinauf und darüber hinweg, und
der Blick in das Innere des Schiffes wurde freigegeben.
„Wow!“ staunte Deveraux, die die ganze Angelegenheit
von hinten mit beobachtet hatte. „So etwas habe ich ja
noch nie gesehen!“
„Willkommen im Club, Lieutenant.“ meinte ein anderer
Soldat, der ebenfalls seine Nase nach vorne gereckt
hatte.
Dann wurden sie im Innern abgesetzt.
Es dauerte einige Minuten, bis sie sich soweit fertig
gemacht hatten, um das Shuttle zu verlassen, doch
schließlich öffnete sich die Türe und Jason stieg als
Erster die Stufen hinab. Vor der Maschine hatte sich ein
Spalier bewaffneter Drakonianer aufgestellt und
präsentierte die Waffen. Clark wusste nicht recht, was er
davon halten sollte. Normalerweise wurden nur
Staatsoberhäupter oder andere, hochrangige Besucher
auf diese Art begrüßt.
Vom hinteren Ende der Reihe her, kamen zwei Personen
auf sie zu. Der Eine war, und da staunte Clark nicht
schlecht, Admiral St. George. Der Oberbefehlshaber der
Flotte und derzeitiger Kommandeur der Raumbasis da
draußen. Das andere war ein Drakonianer, das konnte
Branda sofort erkennen. Aber es war kein
Schlangenmann wie die, denen sie mit Alex auf Drakon
begegnet war. Dieser hier hatte das Äußere eines
Drachen. Der wuchtige, keilförmige Kopf mit den an den
Seiten herausragenden Horn- und Knochenplatten und
der länglichen Schnauze, deren Lefzen die beiden
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Reihen scharfer Reißzähne nicht ganz verdecken
konnten. Und schließlich die beiden leicht gebogenen
Hörner auf dem leicht spitz zulaufenden Schädel. Der
Drache stand auf den Hinterbeinen und schien beim
Laufen keinerlei Mühe damit zu haben, seinen mächtigen
Schwanz, der gut und gerne drei Meter lang war, hinter
sich her zu bewegen. Die Pikförmige Spitze bewegte sich
unablässig hin und her. Admiral St. George, der schon
fast zwei Meter groß war, wirkte neben ihm wie ein
minderjähriges Kind. Fast drei ganze Kopflänge
überragte ihn der Drachenmann. Seine Schultern und
Arme waren so von Muskeln aufgebläht, dass selbst
„Good old Arnie“ blass daneben aussehen würde, wäre
er noch am Leben. Drakonianer dieser Größe hatte er
bisher nie zuvor gesehen. Ihre Größe war ihm schon
aufgefallen, als sie die Türe der Fairfax geöffnet hatten.
Zunächst dachte er sich, dass es sich hierbei um eine
spezielle Art Soldaten handele, ebenso wie dieses Schiff.
Aber sicher war er sich dessen natürlich nicht.
Als Uniform trug dieses Monster nur einen ledernen
Lendenschurz, aus dem sich eine gut gebaute Frau wie
Branda locker einen Mantel hätte schneidern lassen
können, und zwei über der mächtigen Brust gekreuzte
Gurte mit diversen Abzeichen daran. An der Hüfte befand
sich eine Waffe unbekannter Art.
„Ladies, Gentlemen, darf ich vorstellen? Dies ist Boral
Gan, der Oberbefehlshaber der drakonianischen Truppen
und Captain dieses Kreuzers.“ begann St. George.
„Es ist mir eine Ehre, die Mannschaft kennen zu lernen,
die es geschafft hat, in kürzester Zeit zwei Stadtschiffe
der Alamak zu zerstören. Unsere Toten Brüder, die mit
euch auf der Reise waren, werden dadurch mehr als
geehrt.“ begann der Drache mit tiefer, bollernder Stimme
seine Begrüßung.
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Jason trat noch einen Schritt nach vorne und reichte dem
Drachen die Hand zum Gruße. Boral Gan nahm sie in die
seine und Clark hatte schon fast die Befürchtung, seine
Hand würde in der Riesenpranke verschwinden, doch der
Drakonianer ging ausgesprochen feinfühlig mit dem
menschlichen Wesen um. Er berührte die Hand nur leicht
mit der seinen und gab sie dann wieder frei.
„Es ist zuviel der Ehre, Captain Boral. Es war unsere
Pflicht, dem Treiben der Alamak ein Ende zu bereiten.“
meinte Jason darauf hin.
„Eure Bescheidenheit ehrt euch, Commander, doch um
eure Worte gleich beim Schopfe zu packen, sollten wir
uns nun aufmachen dem Feind eine weitere Kerbe ins
Fleisch zu treiben.“ erwiderte der Drache. „Ach ja, eines
noch...“ begann er erneut. Clark sah ihn fragen an „...
nennt mich Gan.“
Dann wandte er den Blick den anwesenden Frauen zu
und neigte grüßend vor ihnen das Haupt. Nur bei Branda
zögerte er merkbar, und man sah ihr an, dass es ihr
irgendwie unangenehm war. Stille trat für einen
Augenblick auf den Plan.
„Wir sollten uns nun um die Alamak kümmern.“ sagte der
Admiral auf ein Mal und rettete somit die Situation.
„Ja, das sollten wir.“ merkte Gan an und wandte sich
schon zum Gehen.
„Ach, äh, Admiral, möglicherweise haben wir ein etwas
größeres Problem wie die Alamak.“ setzte Jason an um
die Aufmerksamkeit nochmals auf seine Person zu
lenken. St. George sah ihn fragend an.
„Es ist möglicherweise ein neuer Feind aufgetaucht, Sir.“
fuhr er dann fort. Es sind zwei Schiffe der Xotha in
unseren Sektor eingedrungen. Gut, sie haben zwar sofort
die Schiffe der Alamak angegriffen, aber im Zuge dessen
wurde auch die Perseús vernichtet.“
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Jetzt hatte er die volle Aufmerksamkeit beider
Führungsoffiziere.
„Die Perseús ist zerstört? Verdammt noch mal!“ fluchte
Rupert. Doch er besann sich sogleich und fragte nach
diesen Xotha, von denen er bislang noch nie etwas
gehört hatte.
„Die Xotha sind ein Volk von Zweibeinern, mit dem
Aussehen von Fischen. Sie gehen aufrecht und atmen
Luft wie wir auch. Vor vielen hundert Jahren waren sie so
etwas wie die Sklaven der Alamak, konnten sich dann
wohl irgend wie von ihnen loslösen und lebten von da an
mehr oder weniger friedlich auf ihrer eigenen Welt. Ich
bin mir aber nicht ganz sicher, ob dies tatsächlich so war,
denn zu der Zeit da sich mein Körper auf Xotha befand,
war der Geist von diesem Snow in seinem Besitz.
Genauere Informationen können euch vielleicht diese
Damen geben.“ er wies mit der Hand auf Andrea, Branda
und Regina.
St. George sah die Frauen an und fragte schließlich nach
den versprochenen Informationen. Während die
Mädchen dem Admiral berichteten was sie wussten, ging
man langsam den Weg in das Innere des gewaltigen
Schiffes.
Tanaka und Tilly wurden am Shuttle zurück gelassen. Sie
sollten dafür Sorge tragen, dass niemand unbefugt das
Raumschiff betrat.
„Sagen sie, Gan, ...“ Clark hatte sich an die Seite des
Drachen
gesellt
und
fragte
mit
spitzbübisch
verschmitztem Grinsen, „... wo haben sie denn dieses
feine Schiffchen her? Ich bin jetzt schon seit einigen
Jahren auf der Basis da draußen stationiert, aber so ein
Schiff wie das ihre ist mir noch nicht begegnet.“
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„Da könnten sie durchaus recht haben, Commander.“
begann der Captain eine Erläuterung, doch Jason
unterbrach ihn geschwind.
„Bitte, nennen sie mich Jason.“ bot er ihm an.
„Nun gut, Jason also. Dieses Schiff ist das Erste seiner
Art. Es wurde auf der Werft der Minori gebaut. Es hat fast
ein Leben lang gedauert, bis es fertig gestellt war.
Deshalb habt ihr noch kein solches Schiff hier gesehen.“
„Bei den Minori? Der Name sagt mir nichts. Sind sie
Mitglied im Handelsverband?“
„Nein. Die Minori sind ein sehr kleines Volk ohne weitere
wirtschaftlich wertvolle Ressourcen, vom Schiffbau
einmal abgesehen. Und ihre Heimatwelt liegt viele, viele
Mondzyklen östlich von hier. Der Weg ist fast noch ein
Mal so weit wie der zu den Alamak.“ berichtet Gan.
Jason wunderte sich ein wenig über die erhaltene
Auskunft und bohrte noch ein wenig nach:
„Die Kurg entbietet nicht ein gewissen Eleganz, Gan. Ich
könnte mir vorstellen dass einige, andere Völker
ebenfalls daran interessiert wären, sich von den Minori
ein paar Schiffe bauen zu lassen.“
„Das glaube ich gerne. Doch nicht jedes Volk ist dazu
bereit, eine ganze Generation von Nachkommen auf eine
Reise dort hin zu schicken und genau zu wissen, dass
sie diese niemals wieder sehen würde. Und natürlich
spielt der kommerzielle Preis ebenfalls eine Rolle. Für ein
Schiff wie die Kurg, müsstet ihr Menschen ein ganzes
Staatsvermögen aufbringen, und meines Wissens nach,
ist die Erde dazu momentan nicht in der Lage. Oder
sollte ich mich da irren?"
Clark sah zu dem Drachen auf und wunderte sich über
seine guten Kenntnisse der terranischen Wirtschaftslage.
Oder gab der Drachen nur vor diese zu kennen?
Schließlich sollte es ihm bekannt sein, dass Clark in den
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letzten Monaten überhaupt nicht in der Nähe der Erde
und somit auf dem Laufenden war.
„Nein, oder besser gesagt, ich weiß es nicht. Wie ihr
wisst, war ich die letzten Monate auf der Reise von und
zu den Alamak...“ Jason beendete seine Rede, da sie
nun angekommen schienen. Er wusste zwar noch nicht,
wo das war, doch Boral Gan gebot allen Einhalt in dem
er die klauenbewehrte Pranke anhob und stehen blieb.
Eine breite Türe versperre den Weg. Gan betätigte einige
Tasten an der Wand, auf die er mit der Spitze seiner
Zeigefingerkralle tippte. Die Türe öffnete sich mit einem
leisen Zischen und der Drache ließ die Besucher an sich
vorbei eintreten.
Der Raum wirkte wie ein großes Speisezimmer in
nüchterner Eleganz. Eine ovale Tafel aus dunklem Holz,
an der zwölf bequeme Stühle standen, zierte die eine
Hälfte des Raumes, die andere war durch eine
großzügige Sitzgelegenheit und einigen flankierenden
Blumentöpfen mit exotisch anmutenden Pflanzen gut
ausgelastet.
Hinter dem Tisch mit den Stühlen gaben vier überaus
große Fenster die Sicht auf ein Meer von Sterne frei. Ein
schmaler, bläulicher Lichtschimmer zog sich an ihrem
Rahmen entlang, und Jason vermutete, dass sich dort
eine Art Kraftfeld als Unterstützung der Glasscheiben
befand, für den Fall dass aus unerklärlichen Gründen
eine davon ein Mal kaputt gehen würde.
„Liebe Gäste, unser Besprechungsraum. Bitte nehmen
sie Platz.“ bot ihnen der Drache an und schloss die Türe
hinter sich. Admiral St. George nahm am Kopfende
neben dem großen Stuhl Platz der eindeutig der des
Drachen war. Die andere Seite wurde Jason angeboten..
Alle anderen suchten sich selbst eine Sitzgelegenheit.
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Branda setzte sich neben Clark, während Andrea,
Regina und Jackson es sich auf einem breiten, bequem
aussehenden Sofa, das zwischen zwei Blumenkübeln in
einer Ecke stand, gemütlich machten.
Es dauerte nur einen winzigen Augenblick, dann
brachten einige Bedienstete Erfrischungen und etwas zu
Essen an den Tisch und zu den Soldaten auf der
Sitzgruppe. Man trank und As ein wenig und tausche
noch ein paar Freundlichkeiten aus. Doch Jason war dies
alles zu ungezwungen. Es passte ihm nicht, hier herum
zu sitzen, während ihre Kameraden da draußen den Tod
in einer Schlacht mit unbekannt starken Gegnern fanden.
Also nippte er nur an seinem Fruchtsaft und ergriff dann
das Wort:
„Erlaubt mir, euch für eure Gastfreundschaft zu danken
Boral Gan, aber wäre es nicht längst an der Zeit, etwas
gegen die Alamak und die Xotha zu unternehmen?“
Clarks Stimme hob sich am Ende und klang dadurch
leicht gereizt. Die blieb auch nicht unbemerkt.
„Nur ruhig, junger Freund, unser Freund Gan wird
bestimmt schon alles in die Wege geleitet haben.“
versuchte der Admiral zu beschwichtigen.
In diesem Moment ging die Türe auf und mehrere
Drachensoldaten betraten in voller Bewaffnung den
Raum. Der Admiral drehte sich zuerst zu ihnen und dann
wieder zu Boral Gan um.
„Darf ich fragen, was das bedeuten soll?“ wollte er
wissen, doch die Antwort die er nun bekam, hätte er
besser nicht angenommen.
„Tja, nun...“ begann Gan und kratzte sich mit der Klaue
am Kinn. Doch plötzlich sauste die Hand des Drachen
durch die Luft und traf den Admiral mit dem
schuppenverstärkten Rücken voll im Gesicht. Ruperts
Kopf flog nach hinten und schlug hart auf die Lehne des
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Stuhles auf. Ein deutliches Knacken verriet den entsetzt
drein schauenden Menschen, dass St. George nie wieder
einen Befehl geben würde. Der Schlag hatte ihm das
Genick gebrochen. Noch während der Admiral auf
seinem Stuhl nach unten rutschte, war Jason
aufgesprungen und hatte sich auf den Drachen
geworfen. Ein brennender Schmerz zuckte über seine
Schulter und er wusste sofort, dass ihn ein Schuss aus
einer Energiewaffe der eingetretenen Soldaten erwischt
hatte. Er unterdrückte den Schmerz und schob seinen
Arm unter dem Kinn des Drachen hindurch und begann
damit, ihm langsam aber stetig die Luft abzudrücken.
Taylor machte eine Rolle rückwärts und brachte sich
hinter der Lehne des Sofas in Sicherheit. Meyer jedoch,
blieb vor Schreck wie erstarrt sitzen.
Gans Klauen bohrten sich tief in Jasons Arm, doch er
ließ nicht locker. Immer enger zog sich sein Griff.
In diesem Moment öffnete sich erneut die Tür und Clark
traute seinen Augen nicht was sie sahen.
Zwei humanoide Lebewesen betraten den Raum und
schauten sich mit großen, glotzenden Augen um. Ihre
silbern geschuppte Haut reflektierte das Licht der
Deckenbeleuchtung in schillernden Regenbogenfarben.
Der eine, größere, hatte einen Kopf wie ein
Zackenbarsch, mit einem breiten, wulstigen Maul das von
einer Seite seines Gesichtes bis zur anderen reichte, und
bei zwei kleinen Vertiefungen, vermutlich den Ohren
endete. Seine großen Fischaugen schienen lidlos zu
sein.
Der andere, stand ihm mit seinem hässlichen
Karpfengesicht in punkto Exklusivität in nichts nach.
Beide trugen braune Mönchskutten, die sie nur mit einem
Seil um die Hüften fest hielten. Doch quer über die
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Schulter trugen sie einen breiten Ledergurt, an dem auf
Hüfthöhe eine schwere Schusswaffe in einem Holster
steckte.
„Keinen Schritt näher, oder ich breche ihm das Genick!“
stieß Jason hervor, und drückte Gan gleich noch ein
wenig mehr die Kehle zu.
Die beiden Neuankömmlinge hoben beschwichtigend die
leeren Hände, und baten den Commander, doch von
seinem Tun abzusehen.
„Wir sind hier um zu helfen, mein Freund.“ meinte der
eine.
„Ja, wir wollen den Kampf nicht.“ ergänzte der andere.
„Ach ja, wieso habt ihr dann unser Schiff zerstört?“
mischte sich Branda auf ein Mal ein.
„Wir haben uns nur verteidigt.“ antwortete
„Ich würde ihnen nicht trauen, Commander. Das sind die
beiden Wesen die uns auf Xotha versklavt haben.“ rief
Deveraux von hinten.
„Ach, nun, versklavt ist eigentlich nicht richtig.“ versuchte
sich der Karpfenköpfige zu heraus zu reden.
„Schließlich... schließlich haben wir euch nicht
gezwungen, für uns zu arbeiten. Im Gegenteil. Wir haben
euch stets gut behandelt. Gaben euch ein Dach über
dem Kopf, guten Essen und haben eure körperliche
Verfassung um ein vielfaches verbessert.“
„Ja genau. Und dafür sollten wir euch wohl auch noch
dankbar sein, wie?“ maulte Branda.
„Nun ja, ein wenig Dankbarkeit wäre durchaus nicht
unangebracht.“ meinte der andere.
„Ach ja?“ Wut machte sich in Branda breit. „Und die
Peitschenhiebe die wir bekamen, wenn wir die
Trainingsdisziplinen nicht ganz schafften, und dass wir
mit anderen Mitgefangenen ums nackte Überleben
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- 161 -
kämpfen mussten, dafür sollen wir wohl auch noch
Dankbar sein?“ schrie sie und erhob sich von dem Sofa,
auf das man sie kurz zuvor gedrängt hatte.
Erschrocken wichen die beiden Fischköpfe einen Schritt
zurück und sahen sich, verwundert über die Reaktion des
Menschen, blöde glotzend an.
„Pfeif deine Männer zurück, oder ich breche dir das
Genick.“ zischte Jason dem drakonianischen Captain mit
rauer Stimme ins Ohr. Dessen Augen hatten durch den
anhaltenden Luftmangel bereits eine merkwürdig
rotblaue Färbung bekommen.
Ko-in, der Typ mit dem Gesicht eines Zackenbarsches
trat einen Schritt nach vorne. Er hatte scheinbar seine
Selbstsicherheit wiedergewonnen. und meinte:
„Tötet ihn ruhig. Er ist für uns nicht von Wert.“
„Wa...“ keuchte Boral Gan.
„Hört ihr das, Gan? Sie verheizen euch. Und wenn sie
euer habhaft werden können, landet ihr genau wie wir in
ihrer Maschinerie des Todes.“ meldete sich Deveraux
erneut von hinten.
Sie legte ihren Waffengurt und die Jacke ab und ging
ohne zu zögern an der Wache vorüber, die sie ständig
mit erhobener Waffe in Schach zu halten versuchte.
„Ihr habt keine Ahnung, was euch auf deren Planet
erwartet. Ich aber bin da gewesen und könnte euch
einiges darüber erzählen. Vertraut ihnen, und ihr seid
verloren.“ Sie hatte sich bis zu Gans Stuhl vorgewagt und
sah ihm nun in seine langsam immer trüber werdenden
Augen.
„Sagt euren Männern sie sollen uns im Kampf gegen die
Xotha unterstützen. Wir könnten es schaffen.“
Jason bemerkte, wie der Griff des Drakonianers immer
schwächer wurde. Gleich würde der Echsenmann das
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Bewusstsein verlieren. Er ließ den Druck auf den
Kehlkopf des Captains ein wenig nach, so dass dieser
wieder ein wenig zu Atem kommen konnte, doch statt der
erhofften Zustimmung krächzte dieser nur:
„Niemals.“
Clark hatte jetzt endgültig genug. Er sah Branda direkt
ins Gesicht und schloss langsam die Augen. Das war ein
vereinbartes Signal das jeder Marine kannte. Es
bedeutete so viel wie „okay, los geht´s!“ Dann bewegte er
die Arme mit einem schnellen Ruck in die jeweils
entgegengesetzte Richtung und brach Boral Gans
Genick entzwei. Schlaff glitt der Körper zu Boden und
rührte sich nicht mehr.
Branda hatte das Zeichen verstanden und hatte den
Augenblick wohl genutzt. Sie trat der Wache hinter sich
mit einem Kickback die Waffe aus der Hand und zog im
gleichen Moment das Messer aus dem Stiefel mit dem
sie noch festen Stand hatte. Sie hatte das Messer bei der
Aufforderung die Waffen abzulegen, nicht mit
abgegeben. Die Klinge blitzte kurz auf und schien den
Wachmann überhaupt nicht zu berühren. Er machte ein
diabolisches Gesicht, so als ob er sie jetzt gleich
auffressen wollte, doch als er Hand eine seine Pistole im
Halfter legen wollte, sah er den dicken Blutstropfen der
von Brandas Klinge zu Boden fiel. Erschrocken griff er
sich an den Hals, doch in diesem Moment öffnete sich
die Wunde richtig und das Blut floss ungehindert aus
dem Mann heraus. Dann brach in dem Raum die Hölle
los.
Andrea Taylor packte Meyer von hinten an ihrer Kleidung
und riss sie zu sich hinter das Sofa. Erschrocken stieß
sie einen Schrei aus, verstummte aber sofort wieder als
sie Andrea erkannte. Doch ihr Verstummen hatte nicht
nur das Erkennen von Andrea ausgelöst. Wasser trat in
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ihre Augen und ein leises Wimmern kam über ihre
Lippen. Taylor sah sie fragend an, doch dann spürte sie
die feuchte Wärme an ihrer Hand. Schnell zog sie sie von
Reginas Kleidern zurück und blickte erschrocken auf die
mit hellem, rotem Blut überzogene Hand. Regina sank in
sich zusammen und verlor das Bewusstsein. Andrea zog
die schwer verletzte Frau zu sich heran und bettete ihren
Kopf auf ihrem Schoß. Mit den Fingern tastete an ihrem
Hals nach einem Puls, doch finden konnte sie ihn nicht
mehr. Regina Meyer war tot. Vorsichtig zog Taylor den
leblosen Körper weiter zu sich herauf, legte den Kopf der
Toten an den Ihren und begann leise vor sich hin zu
weinen. Sie hielt den Oberkörper der Geliebten fest
umklammert und wiegte sie mit sanften Bewegungen hin
und her, während ihr die heißen Tränen über die Wangen
liefen.
Ein weiterer Wachmann schoss auf Deveraux, verfehlte
diese jedoch. Jason sprang auf und landete einen
seitwärts angelegten Tritt gegen den Kopf von Zack, dem
Fischwesen mit dem Karpfenkopf. Zwei weitere
Drakonianer betraten den Raum und begannen auf alles
zu feuern was sich bewegte. Zack riss im Fallen Ko-in mit
sich, welcher wiederum gegen den feuernden Drak stieß.
Der Schuss ging fehl. Branda griff nach ihrer Waffe und
feuerte ihrerseits auf eine Drakwache. Ihr Schuss traf das
Ziel. Der Energiestrahl bohrte sich in das linke Auge des
Echsenmannes ließ den Schädel anschwellen und
platzte dann am Hinterkopf heraus, wo er sich mit samt
der Masse des Kopfinhaltes in die nächste Wand bohrte.
Clark versetzte Ko-in einen Schlag ins Gesicht und setzte
sich rittlings auf Zack, der sich schon wieder aufsetzen
wollte. Er packte ihn an den Überbleibseln seiner Kiemen
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und stieß den Kopf des Fischwesens ein Mal hart auf den
Boden, so dass dieser das Bewusstsein erneut verlor.
Branda und Jackson, lieferten sich mit der zweiten
Drakwache ein Feuergefecht zwischen den umgestürzten
Möbeln. Ein Geruch von verbranntem Fleisch, Holz und
Kunststoff verbreitete sich im Raum. Fast konnte man
meinen, dass jemand beim Kochen vergessen hatte, den
Plastikkochlöffel von der Herdplatte zu nehmen, und
dass sich dessen verschmorendes Plastik nun mit dem
Geruch des Essens vermengte.
Jason robbte unter dem Feuer näher an den Tisch heran,
hinter dem sich die Wache geduckt hielt. Dieser machte
sich erst gar nicht die Mühe, beim Feuern zu zielen. Nein,
er schob einfach den Lauf seiner Waffe über die
Tischkante und schoss blind drauf los. Feuerten Branda
und ihr Kamerad zurück, zog er die Waffe einfach zurück.
Clark wartet darauf, dass sich der andere wieder ein
wenig hervor wagte, dann packte er zu und zog den
Mann über den Tisch hinweg zu sich. Mit einem
schnellen Griff entriss er ihm die Waffe, schlug ihm mit
dem Handrücken ins Gesicht und umschlag ihn dann
unter den Achseln hindurch und packte den Kopf am
Genick. Wild um sich rudernd versuchte sich der Drak
aus dem so genannten Affengriff zu befreien, doch
Clarks Arme hielten ihn wie in einem Schraubstock
gefangen.
Der Commander verstärkte den Druck auf den Nacken
und beförderte den Echsenmann ins Jenseits.
Deveraux und Jackson zogen die Leichen in eine Ecke
des Raumes, während Clark sich um die beiden
Fischwesen kümmerte. Er wuchtete die bewusstlosen
Körper auf Stühle und suchte sich dann ein geeignetes
Material zum fesseln ihrer Hände. Er fand es in den
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Taschen eines toten Marine. Es sah aus wie
Kabelbinder. Lange dünne Plastiksteifen mit einer Öse
durch die man das andere Ende schieben konnte,
wodurch sich die dadurch entstandene Schlinge zwar
zuziehen, aber nicht mehr öffnen ließ. Mit schnellen aber
sorgfältigen Griffen verschnürte er die beiden Xothaner.
„Wo sind Taylor und Meyer?“ fragte Branda auf ein Mal,
nachdem sie mit Jackson den letzten Toten zur Seite
geräumt hatte.
Clark sah sich um, konnte sie aber nicht entdecken.
„Die saßen doch eben noch auf dem Sofa dort.“ meinte
er dann und ging zu dem Sitzmöbel hinüber. Branda
folgte ihm.
Sie hörten eine leise gesummte Melodie hinter der Couch
hervor kommen und sahen nach. Andrea Taylor saß mit
dem Rücken an der Lehne der Couch und hielt den
leblosen Körper von Meyer wiegend in den Armen. Eine
große Blutlache hatte sich unter den beiden ausgebreitet.
Deveraux stieg über die Lehne und hockte sich vor
Andrea hin.
„Taylor? Bist du verletzt?“ fragte sie.
Andrea hob langsam den Kopf und sah die andere mit
tränenverquollenen Augen an. Es dauerte einen kleinen
Augenblick, bis sie begriff was Branda von ihr wollte,
dann schüttelte sie langsam den Kopf. Sie war nicht
verletzt.
„Wir müssen hier weg, Taylor.“ sagte Deveraux und
wischte ihr mit ihrem Halstuch vorsichtig die Tränen aus
dem Gesicht.
„Die Draks werden weitere Wachen herschicken. Der
Kampflärm ist bestimmt nicht ungehört geblieben.“
meinte Jason dazu.
„Meyer ist tot. Du kannst nichts mehr für sie tun, Andrea.
Komm. Komm weg von hier.“ Branda zog Reginas Leiche
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von Taylor herunter und legte sie sanft auf den Boden.
Dann nahm sie ihre Jacke vom Sofa und bedeckte damit
Meyers Gesicht und Oberkörper.
„Dir... dir scheint das überhaupt nichts auszumachen,
was?“ murmelte Taylor als ihr Branda auf die Beine half
und sie um die Couch herum führte.
„Doch Andrea, es macht mir etwas aus. Aber wir haben
jetzt keine Zeit für die Trauer. Wir müssen hier weg.
Müssen unser eigenes Leben retten, wenn wir nicht so
enden wollen wie Meyer.“
Taylor schien das zu begreifen, denn sie nickte
zustimmend mit dem Kopf.
„Du und Jackson, bringt Taylor zurück zum Shuttle. Ich
muss mich noch um die beiden hier kümmern.“ befahl der
Commander den anderen nachdem man Taylor hinter
der Couch hervor geholt hatte. Dann wandte er sich
wieder den beiden Fischwesen zu, die sein
Näherkommen mit angstvollen Blicken begleiteten.
Branda und Jackson packten ihre Sachen zusammen
und nahmen an Waffen mit was sie tragen konnten.
Deveraux war entschlossen, sich von nichts und
niemandem den Weg versperren zu lassen. Dann traten
sie durch die Türe hinaus in den Flur durch den sie zuvor
hereingekommen waren.
„Jackson, sie gehen einige Schritte voraus und
kundschaften. Aber seien sie vorsichtig. Ich möchte nicht
noch einen Mann verlieren.“ befahl sie, dann gingen sie
los.
„Aye, Ma´am“ bestätigte der Marine und machte sich
davon. Branda und Taylor folgten ihm mit etwas Abstand.
Andrea wischte sich die Tränen aus dem Gesicht,
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während sie neben Deveraux her lief. Sie schluckte ein,
zwei Mal schwer, dann sagte sie:
„Tut mir leid, was ich vorhin sagte. Ich wollte dich nicht
beleidigen.“
Branda sah sie kurz an, richtete dann aber den Blick
wieder auf den Weg vor sich.
„Kein Problem, Taylor.“ bestätigte sie.
Sie gingen einige Schritte weiter, dann blieb Andrea auf
ein Mal stehen. Deveraux stoppte ebenfalls und sah sie
an.
„Was ist?“
„Gib mir eine von den Waffen.“ forderte Andrea.
Branda sah an sich herab und zählte kurz durch was sie
zur Verfügung hatte. Drei Pistolen und drei Gewehre.
Zwei davon waren Strahlenwaffen der Drakonianer. Eine
davon reichte sie Taylor, dazu noch eine Pistole der
Fischköpfe, die sie Zack und Ko-in abgenommen hatten.
„Kannst du damit umgehen?“
Taylor drehte die Pistole in den Händen herum und
meinte dann mit einem Finger auf die Lauföffnung
zeigend:
„Das da muss nach vorne zeigen, und wehe dem, der
davor steht wenn ich schieße.“
Branda sah sie mit zweifelhaftem Blick an und bat sie,
wenigstens darauf zu achten, auf wen sie zu schießen
gedachte. Andrea versprach es, dann gingen sie weiter.
Jackson kam zurück. Er war sehr in Eile.
„Was ist los, Steve?“ fragte Branda.
Der Marine kam vor den beiden Frauen zum Stehen und
musste sich erst mal mit beiden Händen auf den Knien
abstützen. Er rang ziemlich nach Luft.
„Sie... sie kommen... direkt hier her.“ presste er heraus.
„Wer? Die Draks?“
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Jackson nickte. „Und die anderen. Diese Fischwesen.
Seite an Seite.“
„Verdammt.“ fluchte Deveraux. Sie sah sich um, suchte
nach einem Ausweg. Dann fielen ihr wieder Tanaka und
St. Tilly ein, und sie fragte den Soldaten nach ihnen.
Doch der schüttelte nur den Kopf.
„Ich konnte sie nicht sehen. Vor dem Schiff standen sie
nicht und ich konnte leider nicht bis zum Shuttle
durchkommen und hinein sehen.“ erklärte er.
In diesem Moment stieß Commander Clark zu ihnen. Er
war allein. Branda erklärte ihm die Situation und war
eigentlich heil froh, dass er nun wieder das Kommando
übernahm.
„Wir werden versuchen sie zu umgehen. Bestimmt
rechnen sich damit, dass wir zu unserem Schiff zurück
kehren wollen um damit abzuhauen. Doch den Gefallen
werden wir ihnen nicht tun.“ meinte er dann.
„Wir müssen hier weg, Sir. Die sind gleich da.“ brachte
sich Jackson noch ein Mal mit Nachdruck ins Gedächtnis.
Clark nickte und machte kehrt.
„Folgt mir.“
Branda fasste nach seinem Arm und hielt ihn zurück.
„Was wird mit Tanaka und Tilly?“ wollte sie wissen.
Er wand sich um und sah ihr in die Augen.
„Ich weiß noch nicht. Wenn sie noch leben, werden sie
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgend
wo festgehalten.“
„James würde sich niemals gefangen nehmen lassen!“
warf Steve Jackson ein.
„Dann ist zumindest er...“ Clark sah kurz zur Decke
hinauf und sog zischend Luft zwischen den Zähnen ein.
„... höchstwahrscheinlich tot. Tanaka würde sich
möglicherweise ergeben. Das kann ich nicht genau
sagen, aber nach dem was er mir über seinen Aufenthalt
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auf Xotha erzählt hat, denke ich eher nicht, dass er sich
ergibt.“
„Dann werden wir sie also zurück lassen?“ fragte Andrea
besorgt. Jason sah sie an. Sie hatte immer noch Tränen
in den Augen. Sanft legte er ihr die riesige Hand auf die
Schulter und drückte sie leicht.
„Nicht wenn ich es verhindern kann.“ versprach er.
Knapp zehn Minuten zuvor, landete auf dem selben
Hangardeck ein kristallin wirkendes Etwas, dass sich
schon kurz danach als Shuttle einer für St. Tilly fremden
Rasse heraus stellte. Doch Yashida Tanaka erkannte
sofort, um wen es sich dabei handelte. Er berührte Tilly
kurz an der Schulter und bat ihn, mit ihm im Shuttle zu
verschwinden. James St. Tilly warf noch einen kurzen
Blick auf die Fremden, dann folgte er dem alten Japaner
ins Schiff.
„Wer sind die?“ fragte er ihn dort angekommen.
„Das sind die Wesen, die mich und auch eure Freunde,
Commander Clark und Branda auf Xotha gefangen
gehalten haben. Eure Freunde hatten Glück, sie mussten
nur einige Wochen dort verbringen. Aber ich, ich
verbrachte Jahrzehnte dort und musste immer wieder an
ihrem perversen Spiel teilnehmen.“
„Diese Gladiatorenspiel?“ fragte Tilly, und warf noch
einen Blick nach draußen. Als Tanaka nicht antwortete,
sah er zu ihm hinüber. Er saß zusammengesunken auf
einer kleinen Bank im Laderaum. Sein Blick ging ins
Leere, aber er nickte bestätigend.
Tilly beobachtete weiterhin, was sich draußen vor dem
Shuttle so tat. Er überlegte was sie nun tun sollten.
Deverauxs Befehl lautete, bleibt beim Shuttle, aber wenn
sie hier blieben, würden sie vielleicht irgendwann
angesprochen werden, oder man nahm sie vielleicht
gefangen.
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Zwei von den Xotha schienen wichtige Personen zu sein,
denn man führte sie mit allen Ehren, die die Drakonianer
kannten, direkt zu der Türe, durch die Commander Clark
und die Frauen verschwunden waren. Ein Trupp von
ungefähr zehn Mann blieb bei dem merkwürdigen Shuttle
zurück und beobachtete aufmerksam das hektische
Treiben im Hangardeck.
Tanaka kam zu Tilly an die Türe und warf einen
schnellen Blick hinaus in die Halle.
„Was tun wir jetzt? Bleiben wir hier und warten auf die
anderen, oder unternehmen wir etwas?“ wollte er dann
auf ein Mal wissen.
St. Tilly sah ihn kurz an, und bemerkte dann das Schwert
in der Hand des Alten. Er wollte ihn eben fragen, was er
damit vor hatte, als plötzlich ein Alarmsignal ertönte.
Sofort zogen beide ihren Kopf aus der Luke zurück. St.
Tilly zog seine Pistole und postierte sich neben der Tür,
während Tanaka sich in eindeutig kampfbereiter Pose, er
hielt das Schwert mit der Linken an der Hüfte und hatte
die Rechte auf den Griff gelegt, leicht schräg in die Türe
stellte. Durch seine Kleidung und die Stellung die er
eingenommen hatte, wirke er jetzt mehr wie ein
altehrwürdiger Samurai denn je. Tilly wagte erneut einen
Blick in die Halle, zog sich aber sofort wieder zurück.
„Ein paar von denen rennen zu der Tür wo die anderen
verschwunden sind.“ erklärte er.
Tanaka gab seine Position kurz auf um seinerseits einen
Blick hinaus zu werfen, aber auch er zog sich sogleich
wieder zurück.
„Stimmt, aber wir bekommen Besuch.“
„Wie viele?“
„Vier Xotha. Mit Waffen.“
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„Verdammt.“ fluchte Tilly und ging in die Hocke, die Waffe
aber auf den Eingang gerichtet. So bot er ein geringeres
Ziel.
„Ich lasse die ersten Beiden durch. Die hinteren
übernehme ich.“ sagte er leise, und dann waren sie auch
schon da.
Der erste Fischkopf der durch die Öffnung der Türe
herein sah, sollte wohl zunächst nur die Lage klären,
doch er sah sofort den alten Mann vor sich und schien
darauf hin gar nicht mehr so vorsichtig zu sein. Im
Gegenteil. St. Tilly hatte den Eindruck, dass er ein
Wiedererkennen in seinem Fischgesicht gesehen habe,
denn der Mann kam ins Shuttle ohne sich weiter
umzusehen und begrüßte den alten Japaner mit einer
ehrfürchtigen Verbeugung.
„Meister Tanaka, ihr hier?“ murmelte er halblaut, konnte
aber nicht mehr sagen, da hinter ihm die anderen Eintritt
suchten.
Der zweite Eintretende sah wohl eine kleine Bewegung
im Dunkel des Shuttles, dachte sich aber nichts weiter
dabei und trat neben seinen Kameraden um zu sehen,
was diesen aufhielt. Auch er wirkte leicht verwirrt. Sie
kannten den Mann aus den unzähligen Spielen die er,
sonst wäre er ja nun nicht hier, auf Xotha überlebt hatte.
Die Spiele auf Xotha hatten, mal von der Anlage selbst
abgesehen,
ähnliche
Popularität
wie
die
Gladiatorenkämpfe der Römer. Und war ein Kämpfer dort
siegreich, konnte er bisweilen unermesslichen Ruhm und
viel Ehre für sich einheimsen. Dieser Gedanke war Tilly
durch den Kopf gegangen als er den Xotha sah wie er
sich vor dem Alten verbeugte. Tanaka hatte ihm von den
Spielen erzählt als sie hierher auf dem Weg waren. Aber
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wussten sie denn die Xotha nicht, dass er mit den
Menschen von dort geflohen war?
Nun ja, wie dem auch sei, der Dritte Fischkopf betrat
eben das Shuttle und sah Tilly fast direkt in die Augen. Er
wollte soeben seine Entdeckung bekannt geben, da
durchfuhr ihn auch schon der Energiestrahl aus Tillys
Waffe. Keinen Augenblick zu früh, denn im selben
Augenblick wollte das erste Fischwesen nach Tanaka
greifen, um ihn erneut festzusetzen. Doch das lies dieser
nicht zu.
Der Fischmann wand nur kurz den Kopf, um zu sehen,
woher das Geräusch kam, das er hinter sich gehört hatte,
und das sollte ihm zum Verhängnis werden. Yashida
Tanakas Klinge verließ die Schwertscheide fast lautlos,
aber das Zischen mit sie die Luft über dem Kopf des
Xotha zerschnitt als sie herab sauste, hörte man sehr
deutlich. Mit zwei schnellen Schnitten, hatte er den Mann
filetiert, und trieb die Klinge bereits seinem Nachbarn der
Länge nach in das vor Schreck geweitete Fischmaul.
Ihrer beiden Leben währte keine zehn Sekunden mehr,
nachdem sie das Schiff betreten hatten.
Noch während Tanaka seine Klinge wieder aus dem Kopf
des Xotha befreite, war Tilly aufgesprungen und hatte
seine Waffe auf den vierten Mann gerichtet der noch vor
dem Eingang stand. Doch dieser war nicht so
unvorbereitet wie seine Kollegen. Kaum hatte James St.
Tilly die Nase an die Luft gestreckt, pfiff auch schon ein
grellweißer Energieblitz daran vorbei und zwang Tilly
zum Rückzug. Aber so leicht ließ sich dieser nicht
einschüchtern. Er ging wieder in die Knie und hielt den
Lauf der Pistole auf Fußhöhe nach draußen und feuerte
mehrmals. Es war ihm dabei völlig egal, ob er da
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draußen jemand anderen traf oder nicht. Hier und jetzt
zählte nur sein Überleben.
Ein klapperndes Geräusch, so als fiele etwas metallenes
zu Boden, erweckte seine Neugier und er wagte eine
Blick hinaus. Draußen vor dem Eingang lag der Xotha mit
einem klaffenden Loch im Bauch und rührte sich nicht
mehr.
„Wir haben sie erwischt, Tanaka.“ sagte er laut und
wartete auf eine Bestätigung. Doch als diese nicht kam,
drehte er sich herum, um nach dem alten Mann zu
sehen.
Yashida Tanaka lag leblos am Boden der Fairfax. Auch
in ihm klaffe ein großes Loch. Der Energieblitz der an
Tillys Nase vorbeigeschossen war, hatte Tanaka im
Gesicht getroffen und nur noch einen kleinen Teil des
äußeren Schädels übrig gelassen. James kniete sich
neben den Leichnam und bedeckte den Kopf des
Mannes mit einer Decke, die er aus einem an der Wand
hängenden Transportnetz gezogen hatte und senkte
anschließend das Haupt für ein kurzes Gebet. Er wusste,
dass dafür eigentlich keine Zeit war, aber was sollte er
machen, und
dann waren auch schon die Wachen der Drakonianer da.
Sie betraten die Fairfax mit einem Schwall von Leuten.
Tilly sah kurz zu deren Anführer auf, dann traf ihn der
Gewehrkolben des geschuppten Zweibeiners und die
Welt um ihn herum wurde noch schwärzer als sie
ehedem schon war.
Kapitel 6 : Kalfet
Roag war fürchterlich wütend. Schon wieder hatten die
Menschen und ihre Freunde einen Angriff erfolgreich
abgewehrt. Seine langen Barthaare zitterten ungehalten
und als es einer der anderen Untoten wagte, direkt an
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ihm vorüber zu gehen packte er den Dämon und riss ihm
mit einem gewaltigen Ruck den Kopf von den plumpen
Schultern. Schwarzes, klebriges Blut besudelte die
Umstehenden. Doch statt sich darüber aufzuregen, dass
er ihre Kleidung, soweit überhaupt vorhanden, befleckt
hatte, lachten sie aus vollem Halse und machten sich
einen Mordsspaß das zuckende Fleisch ihres nun
endgültig toten Freundes zu begaffen.
Roags Blick fegte mit bitterbösem Zorn über die ihm
unterstellten Dämonen hinweg und brachte sie zum
verstummen.
„Ihr Feiglinge...“ schnauzte er sie an, „...lasst euch von
den menschlichen und ihren Freunden in die Flucht
schlagen! Ihr wollt Dämonen sein? Pah! Ihr seid ein
Haufen von wabbeligem, schleimigem Nichts!“ schloss er
seine erste Schimpftirade. Manche von seinen Zuhörern
fühlten sich dabei nicht einmal so schlecht. Schließlich
waren sie ja teilweise wabbelig, oder schleimig, oder
sogar beides. Was regte der sich da vorne überhaupt so
auf, hatte er nicht genug Feinde getötet, dachten sich
manche. Doch nicht alle dachten so gleichgültig von sich
und ihrem Unternehmen und wollten sich verteidigen.
„Aber...“ wollte einer der Dämonen dann doch
aufbegehren, doch der kam nicht sehr weit. Ein wütender
Feuerstoß aus Roags Fingerspitzen verbrannte den
Aufrührer auf der Stelle zu einem Häufchen Asche.
Sofort war Ruhe in die Reihen der Dämonen eingekehrt
und ein jeder sah gespannt zu seinem Führer um zu
sehen was als nächstes geschehen würde. Eine ganze
Weile lang wurde nichts gesagt, doch dann rührte sich
Roag erneut.
„Kalfet, wo steckst Du?“
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Einige Reihen weiter hinten zuckte einer der Dämonen,
ein Wesen in fast perfekter Menschengestalt ängstlich
zusammen. „Verdammt, warum ausgerechnet er?“
dachte er und rührte sich nicht weiter. Roag wartete noch
einen Moment, dann rief er abermals nach ihm. Mehrere
Dutzend Augen richteten sich bereits auf ihn, und er
konnte nicht mehr umhin sich zu erheben und nach vorne
zu gehen. Sein Kommandant sah ihn mit merkwürdig
ruhigem Blick an. Das passte so gar nicht zu Roag, Was
könnte er wohl von ihm wollen?
„Kalfet, mir ist zu Ohren gekommen, dass Du einer der
Ersten warst, der sich ohne Erlaubnis vom Feind zurück
gezogen hast.“
Au Backe, er hatte es gemerkt.
„Das... das kann sich nur um ein Missverständnis
handeln, Roag.“
Doch Roag hob Einhalt gebietend die Hand. Kalfet
verstummte augenblicklich.
„Wir brauchen einen Spion im Lager des Königreiches...“
meinte der Katzendämon und blickte Zustimmung
erheischend in die Menge. Die bekam er natürlich sofort,
denn allerorten wurde heftig mit dem genickt, was man
bei Dämonen den Kopf nennen würde.
„... und Du mein Freund, bist meine erste Wahl!“
„I... ich? Das... das kann nicht euer Ernst sein.“ stotterte
Kalfet. Roag warf ihm ein schmeichlerisches Grinsen zu,
bei dem er seine spitzen Reißzähne entblößte. Der
weiße Zahnschmelz glitzerte schon sehr unnatürlich, fiel
Kalfet so ganz nebenbei auf.
„Doch, genau du, mein Freund. Denn du siehst den
menschlichen am ähnlichsten, und du kannst deine
Gestalt bestimmt noch ein wenig angleichen. Nicht
wahr?“
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Kalfet wollte erneut widersprechen, doch dann besann er
sich und stimmte Roag verlegen zu. Nun ja, nicht gleich,
aber sein Heerführer deutete gerade ausdrucksvoll auf
das kleine Häufchen Asche, das noch immer zu ihren
Füßen auf dem Boden lag. Damit war die Diskussion
dann auch beendet. Roag legte Kalfet den Arm um die
Schultern und zog ihn mit sich, um ihm die näheren
Einzelheiten zu erklären.
Einige Meilen weiter, spielte sich derzeit ein anderes, viel
lieblicheres Szenario ab. Die letzte Schlachte hatte den
Männern zwar nicht so sehr zugesetzt wie die anderen
davor, doch man bemerkte allseits die Erschöpfung die
sich breit gemacht hatte. Zum Glück waren dieses Mal
nur sehr wenige Tote und Verletzte zu beklagen. Königin
Tara hatte darauf hin beschlossen, die Soldaten und ihre
nichtmenschlichen Mitstreiter mit einem Festmahl zu
würdigen, Jäger und Sammler wurden in die südlichen
Provinzen ausgeschickt, Wildbret zu erlegen und allerlei
Früchte einzusammeln. In den Norden konnte man nach
wir vor nicht, denn dieser wurde immer noch von den
Dämonen und ihren dort zurückgelassenen Kreaturen
kontrolliert. Wein und Bier wurde aus den Kellern der
Stadt herbei geschafft, und die Frauen der Trolle, die
nicht am Kampf beteiligt waren, brachten leckere Früchte
und Gebackenes aus den nahen Bergen heran.
Alex wunderte sich, das dies alles so schnell und ohne
größeren Aufwand vonstatten ging. Die Krieger saßen in
seliger Runde um die entfachten Lagerfeuer herum und
aßen sich ordentlich satt und tranken kräftiges Bier aus
ihren groben Humpen.
Ein leichter Wind kam auf und brachte plötzlich drei
Männer aus dem aufgewirbelten Wüstenstaub mit sich.
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Zwei davon waren Wachposten. Das hatte Alex sofort
gesehen, denn er hatte sie für diesen Job eingeteilt. Der
Dritte, den sie in ihrer Mitte führten, war ihm unbekannt.
Er sah aus wie ein Soldat des Königreiches und er war
offensichtlich verletzt, denn er trug den linken Arm in
einer Schlinge vor dem Bauch. Snow erhob sich und ging
den Männern entgegen. Ilya, die sein Weggehen
bemerkte, erhob sich ebenfalls und ging ihm nach. Als
die Wache ihn kommen sah, blieben sie kurz vor den
ersten Reihen des königlichen Heeres stehen und
warteten darauf, dass er näher kam.
„Was gibt es Benga?“ sprach er den rechts gehenden
Wachmann an. Der Angesprochene trat noch einen
Schritt nach vorne und zog den Verletzten mit sich.
„Wir fanden diesen Soldaten, Herr. Er irrte durch den
aufkommenden Staub und da hielten wir es für besser,
ihn hier her zu bringen.“ Alex nickte verstehend. „Er
sagte er habe den Anschluss an seine Gruppe verloren,
nachdem er in der Schlacht verwundet und von einem
von ihm getöteten Dämonen unter dessen Leiche
begraben wurde.“
Ilya hatte Alex inzwischen eingeholt und erkundigte sich
bei ihm was los sei. Alex beruhigte sie mit knappen
Worten und betrachtete sich dann den verletzten
Soldaten. Erschöpfung zeichnete sich deutlich auf
seinem Gesicht ab, wenn gleich Snow noch kurz zuvor
der Meinung war, dass der Soldat von etwas weiter weg
erheblich frischer gewirkt habe. Dennoch nickte er
zustimmend und gab ihm den Weg frei.
Nachdem der Mann außer Hörweite war, nahm er sich
Benga beiseite und meinte:
„Passt gut auf, während wir ruhen.“ Er wand den Kopf,
sah dem Verwundeten hinterher und fügte hinzu:
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„Ich fürchte, auch unsere dämonischen Freunde werden
früher oder später Spione aussenden.“
Benga sah ebenfalls zu dem Mann hinüber.
„Vermutet ihr, dass dieser Mann ein solcher Spion sein
könnte?“
„Möglich. Ich weiß es aber noch nicht genau. Wir werden
ihn auf jeden Fall im Augen behalten.“
„Befürchtest du tatsächlich Spione im Lager?“ fragte Ilya
als sie sich mit Alex zurück zu ihrem Lagerplatz begab.
Snow sah sie kurz an und meinte dann:
„Ich würde welche schicken, wenn ich Kommandant der
Dämonen wäre.“ Danach gingen sie schweigend weiter.
Sein Blick flog über die Männer hinweg, die mit ihm Seite
an Seite gekämpft hatten und suchten den
Neuankömmling.
„Du bist viel zu nervös, mein Schatz.“ meinte Ilya, die
seine Blicke bemerkt hatte. Sie waren wieder an ihrem
Platz angekommen. Gwyndragsil hob den Kopf und sah
ziemlich verschlafen drein. Der Drache hatte sich nach
der Schlacht in eine bequeme Schäferhundgroße Form
verwandelt und sich neben Snows Sitz ausgestreckt.
„Vielleicht hast du recht. Wir sollten uns noch ein wenig
ausruhen. Wer weiß wann es wieder los geht.“ murmelte
Alex vor sich hin und setzte sich wieder. Ilya setzte sich
neben ihn und legte ihren Arm um seine Schultern. Dann
gab sie ihm einen schnellen Kuss und lehnte ihren Kopf
an ihn. Gwyn sah die beiden an und war der Meinung:
„Wir sollten nichts übereilen. Auch mir kam schon der
Gedanke, dass die Dämonenbrut einen Spion
einschleusen konnten, aber bis vor Kurzem habe ich
noch nichts dämonisches in unserem Lager verspüren
können.“
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„Wie meinst du das; bis vor Kurzem hast du noch nichts
gespürt?“ Alex hatte Ilyas Arm abgestreift und sich zu
seinem geschuppten Gefährten umgedreht.
„Es ist noch nicht richtig zu spüren, aber deine Angst ist
nicht ganz unbegründet. Ich fühle da eine Präsenz, die
ich noch nicht genau zuordnen kann. Wir sollten auf alle
Fälle wachsam bleiben.“ erklärte ihm der Drachen.
„Das werden wir, das werden wir.“ antwortete einer der in
der Nähe sitzenden Magier. Er hatte das Gespräch
ungewollt mit angehört und sah nun die Zeit gekommen
sich dazu zu äußern. Doch erwähnte er nichts weiter
diese Sache betreffend, sondern machte nur eine leichte
Handbewegung, mit der er ein einfaches, kreisförmiges
Muster in die Luft zeichnete. Mit einer weiteren
Bewegung schickte er es hoch in die Luft, wo es sich
über den Köpfen der Soldaten ausbreitete um sich dann
ohne großes Aufheben in Luft auflöste.
„Was war das für ein Zauber?“ wollte Mungo el Sarif von
ihm wissen.
„Ach...“ meinte der Zauberer, „... nur eine Kleinigkeit,
damit die Männer später keinen all zu schweren Kopf
vom Alkohol haben.“
„Das war eine gute Idee.“ befürwortete Travis, der
soeben mit Königin Tara an ihren Tisch herangetreten
war. Sie ließen sich auf zwei bequemen Sitzkissen nieder
und prosteten den anderen schwungvoll zu.
Kalfet hatte sich einen Platz zwischen ein paar Soldaten
des Königreiches gesucht. Ohne dass er fragen musste,
wurde ihm von einer Trollfrau Speise und Trank gereicht.
Er nahm die Gabe mit gespielter Dankbarkeit entgegen
und biss mit gleich gut gespieltem Heißhunger in die für
ihn widerlich schmeckende Kost. Sein Blick dagegen, fiel
erneut auf die Trollfrau, die ihm dieses unglaublich übel
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riechende Fressen gegeben hatte. Ihre lebendige Seele
machte ihm mehr Appetit als er vertragen konnte. Das
galt natürlich auch für die Seelen der anderen
Anwesenden. Doch er musste Zurückhaltung üben,
wollte er nicht auffallen.
Sein Blick schweifte nun unablässig umher. Die
gemächliche Ruhe die während des Essens eingekehrt
war beunruhigte ihn ein wenig. Waren die Menschen und
ihre Mitstreiter wirklich so ruhig oder vertrauten sie
darauf, dass sie ihre Wachen früh genug waren würden,
sollte ein erneuter Angriff stattfinden?
Dort drüben saß der Mann, der ihn bei den Wachen
empfangen hatte. Das war der Drachenritter. Er hätte ihn
sofort töten sollen als er ihm gegenüber stand, doch zu
diesem Zeitpunkt war ihm die Tatsache dass er vor dem
Drachenreiter stand noch nicht bewusst gewesen. Neben
dem Ritter lag auch ein Drache. Aber war das derjenige,
mit dem der Mann über sie hinweg geflogen war? War
dies das riesige Untier, das Feuer und Eis über ihrer
Armee ausgespieen und so großen Schaden in ihren
Reihen angerichtet hatte? Er konnte es nicht mit
Gewissheit sagen, aber ausschließen wollte er es auch
nicht.
Plötzlich überkamen ihn wieder diese Zweifel. Tief in
seinem Innern war Kalfet eigentlich gar nicht so schlimm
wie es der Dämon der ihn in Besitz genommen hatte
immer von ihm forderte. Der schien jetzt zu schlafen und
der menschliche Geist hatte Gelegenheit wieder die
Kontrolle zu übernehmen, was vom Geist des Menschen
Kalfet noch übrig war. Fast sechstausend Jahre war nun
schon her, dass der Dämon von ihm Besitz ergriffen
hatte, und die meiste Zeit davon hatte er in der
Verbannung der Magier von Skataris verbracht. Kalfet
drehte sich um und sah in Richtung des Nebelwaldes.
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Dort lag noch immer das Tor zu dieser feindlichen
Dimension in die man sie damals verbannt hatte.
Zunächst hatte der Dämon in ihm nur einen neuen Wirt
gesucht und war nur dann böse geworden wenn Kalfet
so gar nicht nach seiner Pfeife tanzen wollte. Irgend
wann zog er immer mehr an seinem eigenen Selbst und
jede Gegenwehr war für Kalfet verloren. Brach irgend wo
ein Streit, ein Scharmützel oder gar ein Krieg zwischen
zwei verfeindeten Ländern aus, wollte Kalfets Dämon
mitmischen. Zunächst nur ein wenig sich herumprügeln,
dann aber wurde es mehr und mehr und jedes Leben das
er auslöschte verhieß ihm mehr Freude an seinem Tun.
Stürzte er sich in eine Schlacht, verhieß dies
Glückseligkeit und er konnte dabei regelrecht die
Kontrolle verlieren. Erst wenn alles tot und zerfetzt war,
wenn Leichen seinen Weg säumten und er knietief im
Blute seiner Opfer spazieren gehen konnte, war seine
Wollust gestillt und sein Geist konnte sich wieder
beruhigen.
Nur ein einziges Mal, erinnerte sich Kalfet, konnte der
Dämon seine Aufgabe nicht vollständig erfüllen. Und das
war noch nicht einmal so lange her. Kurz bevor dieser
Krieg sein heutiges Ausmaß erreicht hatte, streiften
Kalfet und seine Spießgesellen bereits durch das
südliche Land, ohne dass jemand davon Kenntnis hatte.
Seine beiden Kumpane schickte er ins Land hinaus um
die Gegend auszukundschaften, er selbst ging nach
Bergan um sich dort einmal umzusehen.
Nachdem er stundenlang durch die Stadt gestreift war,
und nicht ein einziger Streit in Sicht kam, beschloss er
sich selbst um die Sache zu kümmern. Er suchte sich
eine Taverne und nahm mitten unter den Menschen
Platz. Auf einem kleinen Podest neben der Theke, stand
ein Mann und zupfte zu dem Lied das er sang, auf einer
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alten Laute herum. Der Text des Liedes war nicht einmal
so schlecht. Er bewegte sogar das Herz des Dämonen
ein klein wenig. Doch mit zunehmendem Abend wurde
der Barde betrunkener, seine Worte verschwammen im
Alkohol wie eine Flusslandschaft im morgendlichen
Herbstnebel. Schon hörte man den einen oder anderen
Gast
herumpöbeln.
Buhrufe
und
andere
Verwünschungen wurden ausgespieen, doch zunächst
nahm der Barde keine besondere Notiz davon. Das war
Kalfets Chance. Er fiel in das Geschrei der Gäste mit ein
und übertönte diese sogar noch. Plötzlich hörte der
Barde auf zu singen und beschwerte sich bitterböse über
das Publikum, als auf ein Mal ein Bierkrug geflogen kam.
Er streifte den Sänger nur knapp mit dem Henkel am
Kopf, doch genügte es alle Mal, ihn aus seiner Reserve
zu locken. Schnell drückte er das Instrument dem Wirt in
die Hand, da dieser gerade in Reichweite seines Armes
stand und stürzte sich auf den Gast, der ihn mit dem
Krug beworfen hatte. Eine wilde Schlägerei entbrannte,
und schon bald war das unheimliche Geschrei des
Dämonen und der sterbenden Menschen das Einzige,
was noch zu hören war.
Der Barde schlug sich trotz seines Rausches wacker,
doch Kalfet war kein richtiger Mensch mehr. Mit ihm
musste man viel härter, schneller und vor allem
trickreicher kämpfen als mit den anderen. Und deshalb
hatte der Dämon den Sänger auch schon bald mit
eisenhartem Griff an der Kehle gepackt und war bereit
ihn zu töten. In diesem Moment wurde er allerdings jäh
unterbrochen, denn die Stadtwache stürmte eben in das
Lokal. Kalfet war bereits müde geworden und hatte
natürlich nicht mehr die Kraft, die ganze Stadtwache von
Bergan abzuschlachten. Daher hielt er es für besser, den
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Rückzug anzutreten und zu verschwinden. Er hatte dem
Barden nur noch einen tiefen Kratzer auf der Brust
versetzen können. Seine Seele bekam er nicht.
Alles in allem war es aber dennoch ein gelungener
Abend gewesen. Er hatte mehr als zwanzig Männer mit
eigener Hand getötet und ihre „unsterbliche“ Seele
vertilgt. Ha, das war ein Festmahl, das man nicht jeden
Tag haben konnte.
Zufrieden über seine Taten, lehnte sich Kalfet zurück und
würgte noch einige Brocken dieses menschlichen Fraßes
hinunter und beobachtete weiterhin die Personen um
sich herum.
„Was ist euch Angus?“ fragte ein Soldat den Mann neben
sich, der sich soeben ganz in Gedanken verloren an
seiner Brust kratzte.
„Nichts, mein Freund, nichts.“ kam die zögerliche
Antwort. „Mir war so als spürte ich etwas seltsam
bekanntes. Etwas dass ich seit langem nicht mehr
verspürt habe.“ fügte er noch hinzu, doch man konnte
sehen, dass seine Gedanken weit weg in der Ferne, in
einer anderen Zeit waren. Der Fragende nickte als ob er
wisse worum es seinem Gegenüber ginge und blieb für
eine Weile stumm.
Doch die Rede schwand nicht für lange, denn die Männer
die sich hier um das Feuer herum versammelt hatten,
beendeten ihre Mahlzeit nacheinander und begannen
allseits zu schwatzen. Manch einer erzählte seinem
Nachbarn von seiner Familie, andere sprachen über
Frauen , und wieder andere konnten gar nicht genug
bekommen und erzählten sich wilde Geschichten über
Gefechte und Schlachten an denen sie einst
teilgenommen hatten.
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„Sagt Angus, wollt ihr uns nicht ein Lied aufspielen?“
fragte auf ein Mal einer der Männer und riss den Mann
aus seinen Gedanken. Von allen Seiten her, kamen
befürwortende Zurufe und so konnte sich Angus nicht
mehr entziehen. Unter seinem Bündel kramte er eine
Laute hervor, die schon alt wie er selbst sein mochte.
Möglicherweise noch älter. Prüfend zupfte er die Saiten
nacheinander durch und zog die Spannung am Hals des
Instruments etwas an, oder gab ein klein wenig nach.
Dann spielte er von Königen und Rittern die in ein
heiliges Land ausgezogen waren, um es von der
Tyrannei eines anderen Volkes zu befreien. Seine
Stimmer erhob sich über die der Redenden und brachte
sie schnell zum verstummen. Der Klang seiner Laute
erfüllte die Luft und brachte den Kriegern wehmütige
Gedanken an ein anderes, vielleicht besseres Leben.
Kalfet blieb fast der letzte Brocken im Halse stecken als
er die ersten Töne von des Barden Laute vernahm. Er
schluckte widerwillig den zusammengekauten Brei
hinunter und erhob sich langsam mit einem
unmenschlichen Grunzen von seinem Platz. Sein Blick
wanderte über die Männer der feindlichen Armee hinweg
und suchten den Sänger in der Ferne.
Die Pupillen des Dämonen focusierten zu einem
schmalen Schlitz und zogen das Bild des Barden näher
heran. Augenblicklich erkannte Kalfet um wen es sich
dort handelte. Dies war der Barde, dessen Tot schon so
lange beschlossene Sache gewesen, und dessen Seele
er, Kalfet, nicht habhaft geworden war. Langsam schritt
er auf den Sänger zu und Wut stieg in ihm an. Wut wie
sie eines Dämonen würdig war. Seine Schritte
beschleunigten sich zusehends und er überwand die
Entfernung zu dem Barden immer schneller. Dadurch
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blieb es natürlich nicht aus, dass er den einen oder
anderen Streiter anrempelte, ja sogar umstieß.
Ungebührliche Äußerungen wurden ihm hinterher
gerufen und der Dämon zog immer mehr Aufmerksamkeit
auf sich. Kalfet schien dies egal zu sein, denn gleich
würde er den Sänger erreicht haben und dann würde er
ihm die Seele aus dem Leib reißen und sie genüsslich
verspeisen.
Nur noch wenige Meter trennten ihn von seinem Opfer.
Fünf, vier, drei...
Plötzlich stoppte er unvermittelt sein Vorwärtskommen.
Die Augen traten ihm aus den Höhlen und sein Maul
füllte sich mit einer metallisch schmeckenden Flüssigkeit.
Kalfet stand vor dem Barden, der vor lauter Schreck wie
angewurzelt stehen geblieben war, und sah ihm mit weit
aufgerissenen
Dämonenschlund
blöde
glotzend
entgegen. Blutiger Schaum triefte ihm aus dem
Mundwinkel und suchte sich seinen Weg zum Boden. Ein
Zucken überlagerte das ansonsten reglose Gesicht
Kalfets und veranlasste den Barden dazu, einen Schritt
nach hinten zu machen. Dieser stolperte und fand sich
schließlich auf seinem Hosenboden sitzend auf der Erde
wieder. Die breite Klinge eines Schwertes hatte sich von
der Seite durch Kalfets Brust gebohrt, und das Einzige
was ihn noch auf den Beinen hielt, war der angespannte
Arm von Alex, dessen Hand den Griff des Schwertes
umklammerte.
Eine zweite, leicht gekrümmte Klinge näherte sich
langsam seiner Kehle. Mit schmerzverzerrtem Gesicht
schaute Kalfet an der Klinge entlang bis er Ilyas Gesicht
gewahr wurde.
„Wie lautet dein Auftrag?“ fragte sie ihn.
Er hustete, und dunkelbrauner Sabber troff ihm am Kinn
hinab. Doch wie er den Mund öffnen und etwas sagen
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wollte, traf ihn plötzlich ein grellgelber Blitz aus fast
heiterem Himmel. Heiter deshalb nicht ganz, weil Alex als
er nach oben schaute, Roag auf einem fliegenden
Dämonen sitzen sah, der von dort mit eben diesen
grellgelben Blitzen um sich warf. Kalfets Schädel blähte
sich auf und platzte wie eine reife Melone die man zu
Boden
hatte
fallen
lassen.
Sein
stinkendes,
dunkelbraunes Blut verbreitete sich auf die Umstehenden
und sein Körper sank endgültig leblos zu Boden.
„Das krieg ich doch nie wieder aus meiner Bluse“
schimpfte Ilya und spielte die entsetzt dreinschauende
Hausfrau. In diesem Moment fuhr ein weiterer Blitz nicht
weit von ihr in die Erde, und gleich noch einer und noch
einer. Diese kamen immer näher, so dass sie gezwungen
war bei jedem Einschlag einen Schritt zurück zu tun.
„Die Pause ist vorbei! Auf die Beine Männer!“ rief Snow
laut und deutete ins Wüstenland hinaus, wo sich erneut
die Armee der Dämonen näherte.
Schon wenige Minuten später, hatten die Truppen des
Königreiches ihre Aufstellung wieder eingenommen.
Roag, der noch immer versuchte aus der Luft einigen
Schaden auszurichten, wurde sofort von den königlichen
Bogenschützen unter Beschuss genommen und musste
sein Vorhaben erst einmal hinten an stellen. Das
verschaffte Gwyndragsil und Alex die Zeit die sie
brauchten, um in die Luft zu kommen und von dort aus
direkt gegen Roag und seinen fliegenden Freund
vorgehen zu können.
„Auf geht´s, mein Freund! Auf ein Neues!“ rief Snow, und
schon trug sie der kräftige Flügelschlag des Drachen in
die Lüfte.
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Kapitel 7: Das Ende der Dämonen
Roag ließ ihnen aber auch nicht die kleinste Chance.
Noch während der Drachen versuchte an Höhe zu
gewinnen, beschoss sie der feige Dämon bereits mit
seinen Energiekugeln, und Gwyndragsil hatte echte
Mühe, seinen schweren Körper in der Luft zu halten.
„Der scheint es wirklich ernst zu meinen, was?“ rief Alex
seinem geschuppten Freund zu, während er mit seinem
Schild eine der energiegeladenen Kugeln abwehrte.
Doch Gwyn hatte keine Zeit einen bestätigenden Blick zu
ihm nach hinten zu werfen. Statt dessen räusperte er
sich sehr lautstark und zog einen fürchterlich großen
Brocken den Hals entlang in seinen Rachen hinauf. Alex
konnte genau sehen, wie sich die dicke Masse mit einer
rundlichen Wölbung den Hals nach vorne zum Kopf
voran bewegte. Er ahnte schon, dass der Drachen nun
bestimmt wieder einen üblen Trick auf Lager hatte und
diesen gleich preisgeben würde. Vorsichtig ließ er die
Zügel ein wenig lockerer, so dass Gwyn mehr
Bewegungsfreiheit hatte. Dieser bemerkte die Geste
sofort, schwang noch zwei, drei Mal mit den Flügeln und
brachte sich dadurch in eine geeignetere Schussposition.
Dann bäumte er sich kurz auf, holte tief Luft und spie
einen fürchterlich stinkenden Klumpen halb verdauten
Mageninhaltes heraus.
Snow überlegte schon, welch eine Wirkung das wohl auf
Roag haben würde, denn er sah nichts magisches an ein
paar nicht ganz verdauten Essensresten. Doch als diese
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den Katzendämonen trafen, zeigte sich schon bald eine
Reaktion.
Angeekelt von dem Sabber versuchte Road sich den Brei
aus halb Verdautem vom Körper zu wischen, doch es
klebte wie ein zäher Brei aus Baumharz an ihm. Kleine
Rauchwölkchen bildeten sich und stiegen von seiner
Haut auf, ähnlich wie bei einem Menschen der gerade
von der Sauna heraus in die Kälte trat.
„So, die Lunte brennt.“ meinte Gwyndragsil darauf hin.
„Wir sollten ihm nun Feuer geben.“ fügte er an und
pustete einen dünnen feurigen Faden in Roags Richtung.
Der aufsteigende Dunst reagierte wie ein Gas und
entzündete sich explosionsartig. Die Verpuffung war nicht
sehr groß, doch genügte sie, um sowohl Roag als auch
sein Reittier völlig in Brand zu setzten.
Laut schreiend und wild um sich schlagend rasten sie
dem harten Wüstenboden entgegen.
Unten, in der durcheinanderlaufenden Menge aus
Menschen, Zwergen, Trollen und Katzenmenschen, lag
der fast tote Körper von Kalfet. Sein tot geglaubter Blick
sah den brennenden Anführer zu Boden stürzen und
zauberte ihm ein Lächeln in seine dämonische Fratze.
Seine Augen folgten dem brennenden Bündel bis es auf
dem Boden aufschlug. Kalfets Lungen stießen blubbernd
Luft durch den blutenden Schlitz in seiner Seite, dann
starb er endgültig. Doch das Lächeln auf seinen Lippen
war ihm geblieben.
Als die sich schon am Boden im Kampf befindlichen
Dämonen sahen, wie ihr Anführer brennend zu Boden
stürzte, brachen sie in wildes Geheul aus. Sie verloren
schlagartig ihre ernsthaft eingehaltene Schlachtformation
und liefen auf ein Mal ohne jeden Sinn und Verstand
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- 189 -
durcheinander auf dem Schlachtfeld herum. Die Armee
des Königreiches hatte dadurch die Chance bekommen,
auf die sie so lange gewartet hatte. Travis Morgan und
Mungo el Sarif trieben ihre Männer nach vorn und töteten
was ihnen unter die Klingen kam. Doch auch wenn die
Dämonenbrut planlos erschien, verteidigten sie dich doch
mit vehementer Macht, und erst nach vielen Stunden des
Kampfes, als nur noch eine Hand voll von ihnen übrig
war, gaben sie den Kampf endlich auf. Mit keuchendem
Atem erflehten sie die Gnade des Königreiches, obschon
sie zu wissen schienen, dass ihr Tod bereits
beschlossene Sache war. Sie wurden zunächst
gefangengesetzt und gut von den Soldaten bewacht,
während die Königin sich mit ihren Leuten in den Palast
von Tolun zurück zog und sich der Erschöpfung hin gab.
Drei „Tage“ nachdem die Schlacht beendet war, trat sie
zusammen mit ihren Gefährten vor die Gefangenen und
verkündete das Urteil. Es lautete; Ewige Verbannung aus
dieser Dimension.
Die noch am Leben verbliebenen Magier eskortierten die
Dämonen in den Wald, dorthin wo das Siegel gebrochen
worden war. Man schickte sie hindurch und verschloss
das Tor mit den stärksten Zaubersprüchen die man
kannte. Nie wieder sollte es einem Dämonen gelingen,
dieses Tor zu öffnen und Unheil über das Land Skataris
zu bringen.
Einige Stunden später....
Die orangerote Sonne von Skataris brannte wohltuend
auf Snows Körper herab. Er und Ilya lagen nur mit einem
leichten Handtuch um die Hüften gewickelt auf einer
hölzernen Pritsche auf dem Balkon ihres Zimmers und
dösten vor sich hin. Sie hatten sich nach der Schlacht
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hierher zurück gezogen, hatten eine Kleinigkeit gegessen
und ausgiebig gebadet, um all den Staub, den Schmutz
der Schlacht und das verkrustete Blut von ihren Körpern
zu waschen. Und dann hatten Sie geschlafen. Alex
schätzte es waren so zwei bis drei Stunden gewesen,
aber in Skataris konnte man das nie so genau sagen. Er
drehte sich auf den Bauch und stützte das Kinn auf die
Handrücken. Seine Gedanken kreisten um die letzten
„Tage“. Er war froh, dass dieses Debakel mit den
Dämonen endlich zu Ende war, fühlte sich aber trotzdem
nicht richtig glücklich. Irgendwie war ihm das Ende zu
schnell gekommen. Er konnte noch nicht begreifen, dass
sie so leicht über diese bösartigen Wesen gesiegt hatten.
Gut, die Dämonen hatten ihnen wahrlich nichts
geschenkt. Mit ausgesprochen großer Vehemenz
erwehrten sie sich ihrer Haut, aber schließlich hatten die
Krieger des Königreiches doch gesiegt. In einigen
Stunden würde Königin Tara ein Fest für alle Soldaten
und
nichtmenschlichen
Mitstreiter
geben.
Eine
Gedenkfeier für die vielen Gefallenen würde die
Zeremonie einleiten, anschließend würde man ausgiebig
feiern. Essen, trinken und Mummenschanz würden die
Stunden mit einem bunten Programm ausfüllen. Alex
schnaubte leise und dachte sich „Schon wieder Stress“.
Die sanfte Berührung von Ilyas Hand riss ihn aus seinen
Gedanken. Er drehte sich zu ihr herum, schob den Arm
nach oben und stützte den Kopf auf die Hand.
„Wie geht es dir?“ fragte die blauhäutige Wassernixe mit
einem freundlichen Lächeln. Snow hatte sie vorhin hier
her getragen. Ilya hatte sich im Bade sehr entspannt und
dabei hatten sich ihre Beine wieder in Flossen
verwandelt und ihr golden schimmerndes Haar war wider
zu der festen Wulst auf ihrem Rückrat geworden, dem
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Überbleibsel einer Rückenflosse. Jetzt, nachdem sie hier
eine Weile in der Sonne gelegen hatte, waren ihre Beine
wieder schlank und schön, ihre Füße hatten wieder je
fünf Zehen und ihre Haare bewegten sich geschmeidig in
der leichten Brise.
Alex sog langsam an einem Atemzug. Er schmeckte
nach ihrem Parfum. Ein feiner Hauch von Magnolien und
Bergamotte. Sein Lächeln kam von Herzen, hatte aber
einen leicht angestrengt wirkenden Unterton. Doch als
sich Ilya ganz leicht im Licht der orangeroten Sonne
bewegte, fing sich ein Lichtstrahl auf einem
Wassertropfen ihrer feucht glänzenden Haut und ließ das
helle Blau kurz aufleuchten wie einen Saphir den man
unter einem Juwelierglas begutachtete.
„Gut, danke. Ich bin nur ein wenig verspannt.“ antwortete
er und strich ihr mit der Hand sanft über die Wange.
„Hast du gut geschlafen?“ fragte er nun seinerseits.
Sie drehte sich kurz auf den Rücken, atmete tief ein und
antwortete dann mit einem zackigen „Ja!“.
„Und ich bin zu allen Schandtaten bereit.“ fügte sie mit
einem frechen Grinsen hinzu.
„So? Und was für Schandtaten schweben dir da vor?“
„Tja, da fangen wir doch mal ganz langsam an.“ gab sie
bekannt und erhob sich auf die Knie. Sie fasste nach
Alex Schulter und drehte den Mann wieder auf den
Bauch. Dann schwang sie ein Bein über seinen Rücken
hinweg und setzte sich auf seinen Po.
Aus einem kleinen Steintiegel der neben der Holzpritsche
stand, träufelte sie ihm einige Tropfen eines
wohlriechenden Öles zwischen die Schulterblätter. Es
enthielt einen Extrakt aus Nelken, eine Winzigkeit von
Chili und von anderen Naturheilmitteln. Ein perfektes
Massageöl also. Wenngleich man damit ohne weiteres
auch einen Braten einstreichen könnte, um nach dem
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Garen
einen
vorzufinden.
wunderbar
würzigen
Geschmack
Mit langsam, kreisenden Bewegungen verteilte Ilya das
Öl auf Snows Rücken, Schultern und Oberarmen. Ihre
Hände bewegten sich mit geschickter Präzision über die
sanften Hügel und Täler seiner Muskulatur, wobei ihr
Druck stetig zunahm.
Ein gemütliches Brummen, dass sich Snows Kehle
entwand, versetzte seinen ganzen Körper in leichte
Schwingungen. Es war ein wohltuendes Brummen.
Ilya musste lachen.
„Du schnurrst so gut wie die Katzenmenschen die mit uns
gekämpft haben wenn sie in den Pausen von ihren
Weibchen liebkost wurden.“
„Nun, das liegt daran,...“ begann er zu murmeln. Man
konnte ihn kaum verstehen, denn er nuschelte es ein
wenig in seinen Bart hinein. Doch dann legte er die
Wange auf den Handrücken. „... dass ich mich in diesem
Moment wohl genau so glücklich und zufrieden fühle wie
diese Kater."
„Aha, dann bin ich jetzt wohl deine Katze. Dein
Weibchen.“
„Hmhm, ja.“
Ilya zog die Finger an und fuhr Alex leicht mit den Nägeln
über den Rücken.
„Grrrr, miauuu.“ machte dieser. Ilya musste laut lachen.
„Das gefällt dir wohl?“ fragte sie ihn und er gab erneut
einen Ton brummenden Wohlgefühls von sich.
Sie zog ihre Fingernägel weiter über seine Seiten und
den Rücken, wo sie dünne rote Striche auf seiner Haut
hinterließen. Doch es waren keine bleibenden Spuren,
denn sie verblassten sogleich wieder.
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Ihre Hände wanderten über den Rücken hinab zum
Poansatz, krallten sich in das dünne Handtuch, nur um
es anschließend mit einem kräftigen Ruck von dort fort zu
nehmen. Sie hob ihr Gesäß an, und Snow bemerkte,
dass sie ihr eigenes Handtuch ebenfalls ablegte. Sanft
schmiegte sich ihr Körper an den seinen.
Mit ihrer Rechten fuhr sie unter Snows Achsel hindurch,
so dass seine Brust auf ihrer kleinen Hand zu liegen
kam. Die Linke, schlang sie links herum um seinen Hals,
führte die Hand unter seinem Kinn hindurch und legte
ihren Kopf auf seine Schulter. Ihre Beine schlängelten
sich an seinen Hüften entlang. So blieben sie eine Weile
liegen.
„Ich liebe dich, Alex.“ flüsterte sie.
Snow hob den Kopf ein wenig an und küsste ihre Hand,
die sich immer noch unterhalb seines Kinnes befand.
„Ich liebe dich auch, Ilya. Mehr als mein Leben, mehr als
alles andere das ich je liebte.“ Er küsste die Hand erneut.
Ihre Fingerspitzen liebkosten seine Lippen mit zartem
Streicheln. Der Geruch ihres erhitzten, parfümierten
Körpers mischte sich mit dem des Öles mit dem sie
seinen Rücken eingerieben hatte, und die leichte
Bewegung ihres Oberkörpers und ihrer Hüften erregten
Snow zusehends. Ihr Mund liebkoste seinen Nacken.
Seine Lippen küssten ihre Fingerspitzen, und zuweilen
stieß er die Zunge ein klein wenig zwischen ihnen hervor,
wie eine Schlange dies tat, um den Geschmack und
Geruch ihrer Beute besser aufnehmen zu können.
Langsam hob er den Arm und drückte seinen Oberkörper
von der Pritsche hoch, um sich umdrehen zu können. Ilya
lockerte ihre Umarmung und lies ihn gewähren. Sie
setzte sich unterhalb seines Baues auf sein Becken,
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wobei sie an ihrer Kehrseite bereits seine Erregung
deutlich spüren konnte.
Snow berührte ihre Arme und wollte sie wieder zu sich
herab ziehen, doch sie wand sich spielend leicht aus
seinem Griff und nahm statt dessen erneut den Tiegel mit
dem Massageöl zur Hand. In einem dünnen,
langgezogenen Rinnsal, träufelte sie das Öl in die
Vertiefung zwischen seiner muskulösen Brust, bis sich
dort ein winziger See gebildet hatte. Alex hielt den Atem
an, um zu vermeiden dass er von dort weg floss. Mit
ihrem Zeigefinger tippte sie vorsichtig auf das ölige Nass,
wobei nur ein einziger Tropfen an ihrer Fingerspitze
hängen blieb. Diesen setzte sie vorsichtig auf ihrer Zunge
ab, rollte die Spitze ein wenig nach oben und beugte sich
dann herab.
Ohne dass das Öl einen Faden zog, kullerte der Tropfen
von ihrer Zunge und landete genau auf Snows linker
Brustwarze. Dort verharrte er für den Moment eines
Augenblickes, doch dann zerbrach die Kohäsion des
Tropfens, der Zusammenhalt seiner Atome und Moleküle,
und legte sich wie eine wohlig warme Hülle über diesen
empfindsamen Körperteil.
Ein lustvoller Schauer lief Snow den Rücken hinab, dann
wiederholte Ilya den Vorgang auf der anderen Seite und
abermals überkam es ihn. Nur um dem ganzen die
Krönung zu geben, beugte sich Ilya danach herab und
liebkoste Snows Brust mit ihrer Zunge und mit ihren
zarten Küssen.
Irgend wann viel später, nachdem Alex Ilya ebensolche
Zärtlichkeiten entgegengebracht und sie sich schließlich
in mehreren Akten sinnlicher Zweisamkeit vereinigt
hatten, hörten sie ein leises Klopfen an der Türe. Ilya,
noch ganz in verzückter Glückseligkeit gefangen, bat
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zum Eintritt. Die Türe wurde geöffnet und Travis Morgan
betrat die Räumlichkeiten. Er ging durch das Gemach, da
sich dort niemand aufzuhalten schien und betrat den
großzügigen Balkon. Ilya und Alex lagen noch immer auf
ihrer Holzpritsche wie Gott sie geschaffen hatte. Ilyas
Haupt war auf Snows Brust gebettet und mit der Linken
strich sie sanft über die Wogen seiner Bauchmuskulatur.
Der Warlord räusperte sie kurz und klopfte leise an den
Teil eines hölzernen Gestelles, an dessen Vorderseite
sich Blumenranken und bunte Blütengirlanden empor
wandten. Darauf hin wurde sich Ilya der Gegenwart des
großen Kriegers gewahr und schreckte aus ihrer
verträumten Döserei auf. Ihr Blick wollte Empörung
schreien als sie sich ihrer Nacktheit bewusst wurde, doch
es war ja ihre eigene Schuld. Sie hatte das Eintreten
erlaubt. Doch Travis war taktvoll genug, den Blick nach
innen in ihr Gemach zu wenden, so dass sie Zeit genug
hatte, etwas zu finden, mit dem sie ihre Blöße bedecken
konnte. Sie gab Snow einen leichten Klaps der ihn aus
seinen Träumen holte, deutete auf Morgan, der ihnen
den Rücken zugewandt in der offenen Balkontüre stand,
und auf
seine ebenfalls noch blank liegende
Manneskraft.
Alex warf einen Blick darauf, zog eine Augenbraue und
die Schulter hoch, griff neben sich auf den Boden und
holte das Handtuch das er zu Beginn um die Hüften
geschlungen hatte herauf, bedeckte sich.
„Travis, alter Freund, was bringt ihr für Neuigkeiten?“
fragte er den unerwarteten Besucher.
Der Warlord drehte sich um und begrüßte die beiden mit
einem freundlichen Lächeln.
„Ich hoffe ich habe nicht all zu sehr gestört?“
entschuldigte er sich.
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Alex winkte ab. Kein Problem also.
„In einer Stunde beginnt die Gedenkfeier für die
Gefallenen. Tara wünscht die Anwesendheit aller
Krieger. Anschließend werden wir im großen Festsaal
unseren Sieg feiern. Es ist bereist alles vorbereitet.“
„Wir werden da sein.“ antwortet Alex und erhob sich.
Morgan nickte, und Alex begleitete ihn bis zur Tür von
Ilyas Gemach. Er ging zurück zu der Frau die er liebte
und half auch ihr auf. Sie würden sich nun beeilen
müssen, wenn sie nicht zu spät kommen wollten.
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Kapitel 8: Flucht in die Vergangenheit
Der Energiestrahl fraß sich durch den Stahlträger wie ein
heißes Messer durch ein Stück Butter. Branda Deveraux
konnte sich gerade noch rechtzeitig auf die andere Seite
des Steges hinüber retten, bevor dieser unter ihren
Füßen nach gab. Ein erschrockener Aufschrei hinter ihr,
ließ sie herumfahren. Andrea Taylor hatte den Übergang
nicht geschafft und war mit dem Gitter abgestürzt. Nun
klammerte sie sich mit den Fingern im Gitter des Steges
fest und versuchte verzweifelt mit der anderen Hand
einen sicheren Halt zu finden. Das Metallgitter baumelte
nur noch an einem dünnen Verbindungsblech über dem
Abgrund, der, würde das Material zu schnell ermüden,
den
Steg
und
Taylor
verschlänge
wie
ein
Fahrstuhlschacht dies mit einen abgerissenen Lift täte.
Etwa fünfzig Meter weiter unten, standen die
drakonianischen Soldaten die auf die Flüchtenden
geschossen hatten zwischen den Bäumen und warteten
darauf was passieren würde.
Auf ihrer Flucht durch das Schiff der Drakonianer waren
sie an zahlreichen Türen vorbei gekommen die aber alle
abgeschlossen, oder eine unzureichende Möglichkeit zur
weiteren Flucht geboten hatten. Schließlich waren sie auf
die Türe eines Liftes gestoßen, der sie im Bruchteil einer
Sekunde einige Meter weiter nach oben befördert hatte.
Sie verließen das Gefährt und gingen einen weiteren
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Gang entlang, bis sie zu der Tür gekommen waren,
durch die sie eben geschlüpft sind. Auf der anderen Seite
fanden sie sich auf diesem Steg wieder, der sich in
schwindelerregender Höhe durch diesen riesigen Raum
zog. Unter ihnen befand sich eine Art Arboretum, eine
Parkanlage mit den unterschiedlichsten Baum- und
Straucharten, die den Drakonianern wahrscheinlich zu
wissenschaftlichen Zwecken, aber wohl eher zu
Erholungszwecken diente. Man konnte zwischen den
Bäumen zuweilen spezielle Sitzgelegenheiten für die
Draks sehen. Felsen die groß genug waren um sich
darauf auszustrecken, wurden von Wärmelampen
bestrahlt, aber auch Grasflächen und Nisthügel konnte
man erkennen.
Branda wollte sich soeben auf den Steg werfen um
Andrea eine hilfreiche Hand hinunter zu langen, da
schoss bereits ein weiterer Energiestrahl an ihrem
Gesicht vorbei und trieb sie wieder zurück.
„Verdammt, diese Schweine!“ fluchte sie und ging in
Deckung.
Jason trat an ihr vorbei.
„Jackson, sie gehen zur nächstbesten Ecke und nehmen
die da unten mit ihrem Gewehr unter Beschuss. Branda,
decken sie mich.“ befahl er und kniete sich dann an den
Abgrund.
Ein weiterer Lichtblitz zischte durch die Luft und verfehlte
Clarks Schulter nur um Haaresbreite. Er spürte den
heißen Strahl unangenehm brennend auf der Haut, ließ
sich aber nicht davon abhalten, zu Andrea Taylor hinab
zu langen und sie am Handgelenk zu packen.
Erschrocken über die plötzliche Berührung warf sie einen
Blick nach oben, doch die Erleichterung konnte sich
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kaum einen sicheren Weg durch die Barrikaden der
Angst die sie derzeit verspürte bahnen.
„Lassen sie los. Ich habe sie.“ sagte Jason mit fester
Stimme.
„Ich ... ich kann nicht.“ wimmerte Taylor.
„Keine Angst, es kann nichts passieren.“
Doch Andrea schüttelte nur mit dem Kopf. Ihre Angst war
zu groß. Und sie wurde auch nicht kleiner, denn die
Bewegung ihres Kopfes hatte zur Folge, dass sich in
dem dünnen Halteblech, an dem der Steg nur noch hing,
ein Riss gebildet hatte, der sich nun langsam zur
anderen Seite hin ausdehnte.
„Andrea bitte!“ rief er hinab.
„Ich ... habe Angst.“
„Das weiß ich, Andrea. Aber wenn sie jetzt nicht
loslassen, werden sie garantiert abstürzen.“
Doch plötzlich fand ihre andere Hand ebenfalls Halt in
den dünnen Streben des Gitters und krallten sich dort
ebenfalls krampfhaft fest, bis die Haut über Taylors
Knöchel ganz weiß wurde.
Clark handelte instinktiv und blitzschnell. Er ließ ihr
Handgelenk wieder los, krallte die Finger ebenfalls in den
Gitterrost und packte fest zu. Die dünnen Streben
verbogen sich unter seinen Fingern zu einem stabileren
Knäuel. Die Muskulatur an seinem Arm spannte sich
über Gebühr, dann zog er an. Das Halteblech löste sich
vom Rest des Steges und das Gitter wurde mit samt
Andrea Taylor in die Höhe gehoben.
Unterdessen schossen die beiden Parteien ohne
Unterlass aufeinander. Die Drakonianer hatten Schutz
zwischen den Bäumen gesucht, nachdem Jackson zwei
von
ihnen
mühelos
mit
einem
Kopfschuss
niedergestreckt hatte.
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Clark setzte das Gitter kurz ab um Taylor herunter zu
helfen. Mit einem leichten Schubs bugsierte er sie in
Jacksons Richtung, wo sie in Deckung gehen konnte.
Dann packte er das schwere Gitter, es wog fast eine
Tonne, so schien es ihm, stemmte es über den Kopf und
warf es dann in hohem Bogen über die niedrige Brüstung
auf die unten stehenden Drakonianer hinab. Natürlich
warteten die Draks nicht darauf, dass ihnen das Gitter
auf den Kopf fiel, so dumm waren sie nun auch wieder
nicht. Sie begaben sich rechtzeitig hinter den Bäumen in
Sicherheit und warteten darauf, dass sich der
aufgewirbelte Staub wieder legte. Doch auch
Commander Clark und die anderen warteten nicht
darauf, dass die unten stehenden wieder das Feuer auf
sie eröffnen konnten. Sie eilten schnellstmöglich über
den Rest des Steges hinweg zur anderen Seite und
verschwanden dort im nächsten Gang.
„Langsam wird es Zeit, dass wir uns was zum Abhauen
suchen.“ meinte Branda, während sie neben Clark einher
ging. Er sah kurz zu ihr rüber, sagte aber nichts weiter
dazu. Er wusste schon, dass es langsam brenzlig wurde.
Jackson ging von sich auch wieder nach vorne und sah
nach, welchen Weg sie nehmen konnten, ohne gleich
einem Trupp Drakonianer in die Arme zu laufen. Für
einige Minuten war er außer Sicht der anderen gewesen,
da kam er auf ein Mal um die nächste Ecke herum
angerannt. Energiestrahlen begleiteten sein Laufen und
bohrten sich nicht unweit vor ihm in die Wandverkleidung
des Ganges.
„Achtung!“ rief er „Drei Draks sind hinter mir her!“
Jason hielt an und bugsierte die Frauen an die Wände
des Ganges. Branda ging sofort mit der Waffe im
Anschlag in die Knie und wartete auf das Erscheinen des
Feindes, Clark tat das Selbe. Jackson ließ sich direkt in
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der Mitte des Ganges auf den Boden fallen, rollte sich auf
den Bauch und nahm das Gewehr in Anschlag.
Die Drakonianer, noch ganz in ihrem Eifer gefangen,
dem Feind eins auszuwischen, bogen ohne Arg um die
Ecke und liefen direkt in die Falle. Unter heftigen
Beschuss stoben sie auseinander wie ein wild gewordner
Entenschwarm, doch der Raum bot nicht genügend Platz
und so standen sie sich selbst mehr im Wege als ihnen
bewusst war. Sie starben, noch bevor sie es richtig
bemerkten.
Plötzlich kam hinter der Ecke des Ganges eine Klinge
zum Vorschein, an die ein weißes Tuch gebunden war.
Mit einer leichten Auf und Ab Bewegung machte jemand
auf sich aufmerksam.
„Steve,...“ zischte Deveraux dem am Boden liegenden
Marine zu, „... sagtest du nicht es seien nur drei
gewesen?“
Clark sah kurz zu dem Mann am Boden.
„Das ist korrekt, Ma´am.“ zischte dieser zurück.
Jason trat einen knappen Schritt nach vorn und rief:
„Wer immer dort hinter der Ecke steht, zeigt euch, oder
wir eröffnen wieder das Feuer!“
„G... gut. Ich komm... komme raus. Aber ... bitte ... nicht
mehr schießen.“
„Na gut. Ihr habt unser Wort. Kommt heraus. Wir werden
nicht schießen.“ rief Clark zurück.
Das Wedeln des weißen Tuches hörte auf, und die
gesamte Länge der Klinge wurde sichtbar. Es war ein
Samuraischwert. Clark erkannte die Waffe sofort. Es war
Tanakas Schwert.
Dann lugte ganz langsam die Spitze einer
Drachenschnauze gefolgt vom ganzen Kopf hinter der
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Ecke hervor. Es war ein Echsenmann. Er war ähnlich
groß wie Boral Gan, vielleicht einen Kopf kleiner, doch
wirkten seine Züge deutlich älter als die des Captains.
Ein kleiner, weißer Ziegenbart zierte sein Kinn an der
Unterseite, und zwei kleine weiße Büschel traten hinter
den breiten Backenschilden zum Vorschein. Auch die
Kleidung die er trug unterschied sich nicht sonderlich von
der des toten Captains, wenn man davon absah, dass
der Lendenschurz nicht aus Leder sondern aus einem
fein gewebten, dunklen, fast schwarzen Stoff, verziert mit
goldenen Stickereien bestand. Auch er gehörte zu der Art
Drakonianer die Clark nie zuvor gesehen hatte.
„Ich... ich bin Drahl. Drahl Regat. Ich bin der ehemalige
Captain dieses Schiffes.“
Clark gebot ihm mit einer Handbewegung Halt. Mit dem
Fuß tippte er Jackson an, der immer noch am Boden lag
und den Fremden im Visier fest hielt. Als er sich dessen
Aufmerksamkeit sicher war, schickte er ihn mit einer
Handbewegung nach vorn, in dem er an dem Fremden
vorbei zeigte und sich dann mit zwei Fingern auf die
Augen deutete. Für Jackson war klar was das zu
bedeuten hatte. Er sollte nach vorne gehen und
nachsehen, ob da noch mehr von den liebenswürdigen
Draks auf sie warteten. Ohne einen Gedanken an einen
Widerspruch zu verschwenden, erhob er sich und ging
los.
Im Vorbeigehen warf er einen kurzen Blick auf den Drak
der noch immer mit dem Schwert in der Hand im Gang
stand.
„Ihr lasst besser euer Schwert fallen, wenn ihr nicht doch
noch erschossen werden wollt.“ raunte er ihm zu und
ging dann weiter.
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Der Drak schien dies zu verstehen, denn kaum war
Jackson einen Schritt hinter ihm, hörte er wie das
Schwert zu boden fiel.
„Ihr zeigt uns die Parlamentärsflagge. Was wollt ihr?“
fragte Jason den alten Echsenmann.
„Ich ... ich kann euch helfen. Helfen von hier zu fliehen.“
„Wieso sollten wir euch glauben? Das Schwert das ihr
benutzt gehört unserem Freund Tanaka. Wo ist er? Und
wo ist der Soldat der bei ihm war?“
Der alte Drak sah zu dem auf dem Boden liegenden
Schwert und ließ einen deutlichen Seufzer hören.
„Der Mann dem diese Waffe gehörte, ist tot. Von dem
anderen weiß ich nichts. Ich fand dies Schwert als sich
die meisten Wachen aus dem Hangardeck verzogen
hatten und auf die Suche nach euch gingen. Boral Gan,
er war mein Erster Offizier, hat sie vermutlich umbringen
lassen.“
„Gan? Ich dachte er wäre der Captain dieses Schiffes?“
„Ja, das stimmt.“ seufzte der alte Drache. „Nun ja, nicht
ganz. Eigentlich bin ich noch immer der Captain hier.
Doch Boral hatte vor Kurzem ein Treffen mit diesen,...
diesen Fischmenschen und bot ihnen eine Allianz gegen
die anderen Mächte in diesem Sektor an.“ erklärte Drahl
und machte dann eine kurze Pause. Sein Alter schien ihn
dazu zu zwingen, denn er atmete schwer.
„Kurz danach scharte er loyal zu ihm stehende Männer
um sich und riss dadurch die Macht an sich.“
„Und er hat euch nicht getötet?“ hakte Jason nach.
„Nein. Wohl aus Respekt vor meinem Alter wie er mich
wissen ließ.“
„Nun, dann wird es euch freuen zu hören, dass ihr den
Job als Captain wieder habt. Boral Gan ist tot.“ ließ
Jason ihn wissen. Drahl Regat riss die Augen auf vor
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Überraschung, doch sein Gesichtsausdruck wechselte
sogleich wieder zu einem Ernsteren.
„Ihr wollt mich auf den Arm nehmen, Mensch. Ich sah
Boral vor nicht einmal zwei Stunden mit euch in den
Besprechungsraum gehen.“
„Nichts läge mir ferner als euch zu belügen, Drahl. Ihr
könnt mir vertrauen. Er ist tot. Ich selbst habe ihn
getötet.“ bestätigte ihm Clark und zeigte ihm die leeren
Handflächen. Drahl Regat sah ihn ungläubig an. Sein
Blick wechselte zu den Frauen, und als er Branda
zustimmend nicken sah, zogen sich seine Lefzen nach
oben und zeigten den Menschen sein schönstes
Drachengrinsen.
Einige seiner spitz zulaufenden Zähne waren
herausgebrochen, andere hatten bereits einen gelblichen
Überzug, aber alles in allem machte es noch einen
erstaunlich guten Eindruck, und Clark wollte erst gar
nicht damit anfangen darüber nachzudenken, was
passieren würde, sollte so ein Drak einmal jemanden
beißen.
„Das ist die beste Nachricht, die ich heute zu hören
bekam. Doch leider wird uns das die Xotha nicht vom
Halse und euch nicht von meinem Schiff herunter
schaffen.“
„Hm, mag sein. Haben sie einen Vorschlag?“ fragte ihn
Clark.
„Den habe ich in der Tat. Folgt mir.“
Drahl Regat wand sich um und ging den Gang entlang,
den er kurz zuvor hier her genommen hatte. Clark und
die anderen folgten im wortlos.
Nach ein paar Metern ohne Worte, sah Clark den
Drakonianer fragend an und wartete auf eine Erklärung.
Captain Regat sah zurück und nickte.
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„Wir können nicht so einfach das Schiff übernehmen und
weg fliegen. Die Getreuen von Broral Gan würden uns
mit Sicherheit daran hindern.“ begann er.
„Und woran dachtet ihr dann?“ warf Branda von hinten
ein. Regat wand sich auch zu ihr kurz um, richtete seinen
Blick aber sogleich wieder nach vorne.
Es gibt für euch nur eine Möglichkeit von diesem Schiff
herunter zu kommen.
„Und die wäre?“ wollte Jason endlich wissen.
„Dieses Schiff besitzt einen Chronotonpartikelemitter der
in der Lage ist ohne Zeitverzögerung eine
Quantensingularität zu erzeugen die es uns ermöglicht,
weite Entfernungen ohne großartigen Zeitverlust zu
überbrücken.“ erklärte er.
Jason dachte kurz nach und meinte dann:
„Von solch einem Gerät habe ich noch nie gehört, aber
es hört sich interessant an.“ Clark machte ein grübelndes
Gesicht. „Könnt ihr mir sagen, weshalb wir dann vor
kurzem noch eine Reise gemacht haben, die uns über
ein Jahr Zeit gekostet hätte, wären wir nicht an die
Technologie der Alamak geraten?“
„Ja, das kann ich. Dieses Schiff war zum Zeitpunkt eures
Starts zu den Alamak noch gar nicht fertig gestellt. Und
Folge dessen stand die Technologie damals noch nicht
zur Verfügung. Eigentlich dürften wir auch heute noch
nicht hier sein, denn das Schiff ist immer noch nicht fertig
geschweige denn geplant. Und wiederum eigentlich, wird
dieses Schiff erst in ungefähr dreihundert Jahren
fertiggestellt sein und die Schiffswerft von Minori Prime
verlassen können.“
„Das heißt, dass Gan einen Quantensprung von mehr als
dreihundert Jahren durchgeführt hat um hier her zu
gelangen?“ fragte Jackson, der inzwischen von seinem
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Aufklärungsausflug zurückgekehrt war und das Gespräch
mitverfolgen konnte.
„Dreihunderteinundachtzig Jahre, vier Monate und drei
Tage. Dieses Schiff kommt aus dem 28. Jahrhundert,
Commander. Und ich war über zwanzig Jahre lang der
Captain.“
Clark hörte, genau wie die anderen. fasziniert zu.
„Gan kam vor ungefähr vier Jahren zu uns. Er stellte sich
außerordentlich gut an und wurde bereits ein Jahr später
mein Erster Offizier.“
Drahl Regat führte die Gruppe weg von den allgemein
gängigen Wegen des Schiffes, durch Lagerräume und
Quartiere, durch Schachte und über schwindelerregende
Brücken eines weiteren Arboretums. Doch schließlich
betraten sie einen Raum in dem es nichts weiter gab als
einen großen Kreis der vor elektrischer Spannung
knisterte.
„Vor etwa einem halben Jahr, liefen wir erneut die Werft
der Minori an. Um Wartungsarbeiten durchführen zu
lassen. Dabei wurde Gans Aufmerksamkeit auf diesen
Ring hier gelenkt.“ erzählte er weiter.
„Und was ist das?“ fragte Brande den Alten.
„Dies,
meine
lieben
Mitverbündeten,
ist
ein
Teleportationsgateway.“ verkündete er nicht ganz ohne
Stolz.
„Damit
und
in
Verbindung
mit
dem
Chronotonpartikelemitter ist es möglich an jeden
beliebigen Punkt in der Galaxis zu reisen. Ohne
Zeitverzögerung.“ er schnippte mit den Fingern. „Einfach
so!“
Schweigen trat in die Runde, und man konnte förmlich
sehen, wie die Gehirne arbeiteten. Nach einem
Augenblick der Ruhe, meldete sich Jason wieder.
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- 207 -
„Muss es auf dem Planeten zu dem man will ein weiteres
dieser Gateways geben?“
„Nein, nein, Commander. Das ist nicht notwendig.
Zumindest nicht direkt. Wenn sie einen Planeten betreten
haben, können sie innerhalb eines kleinen Zeitfensters
von zwei Minuten sofort zurückkehren. Bleibt das
Gateway hier aktiviert, können sie nach jedem Zyklus,
bzw. nach jedem Durchlauf der anwählbaren Welten
erneut versuchen hierher zurückzukehren. Das kann
dann aber, je nach dem wie viele Planeten im Speicher
arretiert sind, mehrere Tage dauern. Ist das Gateway
nicht aktiviert, müssen sie auf dem Planeten bleiben bis
es wieder aktiviert wurde und sie jemand darüber in
Kenntnis gesetzt hat. Befindet sich ein funktionsbereites
Gateway auf einem Planeten, kann die Rückreise
jederzeit und zu jeder Stunde an jeden anderen Ort und
zu jeder Zeit stattfinden, die dem Reisenden beliebt.“
„Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten.“ sinnierte Clark
laut.
„Das mag sein. Doch Gan hat dieses Ding ohne meine
Zustimmung an Bord gebracht und wollte es für seine
Eroberungsstreifzüge durch die Galaxie benutzen. Er
versprach den Männer die ihm folgen wollten eine
Unmenge an Profit. Ganze Welten sollten dem Eroberer
danach zu Füßen liegen. Das konnte ich nicht zulassen.“
„Eine noble Entscheidung wie ich meine. Was wird
passieren, wenn ihr den Ring zerstört?“
„Er wird das Schiff und alles in einem Umkreis von
mehreren hunderttausend Kilometern zerstören. Jedes
Schiff, jedes Lebewesen hört dann auf zu existieren. Das
mag sich schlimm anhören, lässt sich aber nicht
vermeiden. Meine Berechnungen waren allumfassend.
Glaubt mir, meine Freunde.“
207
- 208 -
Die Türe des Transporterraumes mit dem Gateway hatte
sich hinter der Gruppe geschlossen. Drahl Regat trat zu
einer Konsole und aktivierte den Ring. Es dauerte nicht
lange, da begann der Ring Bilder von fremden Welten in
seinem Inneren zu projizieren.
Fast eine halbe Stunde war vergangen und nur
unbekannte Welten waren aufgetaucht, vierzehn an der
Zahl. Doch keine war ein Flecken auf dem die vier
Freunde Halt machen wollten. Und so ließen sie eine
nach der anderen vorüberziehen und keiner wagte es
einen Fuß über die Schwelle zu setzen.
Es war eine ganze Weile vergangen in der niemand ein
Wort gesagt hatte, doch auf ein Mal wand sich Clark zu
den Frauen um und sprach:
„Ihr müsst gehen, Branda. Unsere Probleme sind doch
nur ein klitzekleiner Faden im galaktischen Teppich der
Ereignisse. Ihr mögt es heute noch nicht verstehen,
vielleicht auch morgen noch nicht. Aber eines Tages
werdet ihr es verstehen, und vielleicht werden wir uns
dann wiedersehen. Also los, geht nun in das Shuttle und
seht nicht mehr zurück.“ Branda wollte noch etwas
sagen, doch Clark hob die Hand. Dann gingen sie durch
die Türe und waren verschwunden.
„Ne schöne Rede war das, Commander.“ meinte Regat
und lächelte noch einmal mit seinem schönsten
Drachengrinsen.
Clark sah zu Boden. Er war bekümmert darüber, dass er
die anderen fortschicken musste. Aber wer überleben
wolle, durfte nicht mehr hier auf dem Schiff sein.
„Ja, das fand ich auch.“ sinnierte er laut.
Clark wartete noch ein wenig nachdem die anderen
gegangen waren, bis er sich wieder auf den aktuellen
Ablauf des Gateways konzentrierte. Der Zugang zu
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- 209 -
einigen Welten war bereits vorüber gezogen, da pochte
jemand heftig an die Tür des Raumes.
„Sie haben uns gefunden.“ Meinte Drahl Regat völlig
ungerührt.
„Dann sollten wir uns beeilen von hier weg zu kommen.“
„Eile wird nicht nötig sein. Wir müssen ehedem warten
bis die richtige Welt wieder erscheint. Und außerdem
habe ich das Tor fest verschlossen. Sie müssen sich
schon mit einem Laser durch das Material brennen, wenn
sie hier herein kommen wollen.“ Erklärte der alte
Drachenmann.
Die Worte beruhigten den Commander ein wenig, doch
er bemerkte schon, wie sein Blick mit jedem Pochen an
der Tür sehnlicher auf das erneute Erscheinen des Bildes
der Stadt Tolun wartete.
„Ihr solltet mit mir kommen Drahl. Hier wärt ihr nicht
sicher.“
„Euer Angebot ehrt euch, Commander, doch wenn ich
nicht hier bleibe, dann wird diese Maschine
ausgeschaltet werden und ihr würdet nicht wieder zurück
kommen können.“
Clark sah ihn mit gemischten Gefühlen an. Irgendwie war
ihm die alte Echse sympathisch geworden, obwohl er ihn
erst so kurz kannte. Sagen tat er jedoch nichts dazu.
„Und außerdem bin ich nun wieder der Captain auf
diesem Schiff, und eine zweite Meuterei werde ich nicht
zulassen.“
„Nun gut. Ich kann euch nicht dazu zwingen. Aber ich
bitte euch, das Gate so lange offen zu halten wie
möglich. Ich werde zurück kommen. Mit oder ohne Hilfe.“
„Das weiß ich.“ Sagte Drahl, und da erschien auf ein Mal
ein Bild des Palastgeländes von Tolun im Tor.
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„Das ist es!“ rief Clark. „Aber es hat den Standort
gewechselt. Wie ist das möglich?“
„Das weiß ich nicht genau. Aber eine Möglichkeit ist,
dass es auf diesem Planeten mehrere Stellen gibt, wo
ein Umsteigen möglich ist.“ Erklärte der Alte. „Ihr solltet
jetzt gehen, das Tor bleibt nur zwei Minuten offen.“
Clark erwiderte Drahls Händedruck und schritt dann in
das Tor. Dann drehte er sich noch ein Mal um und fragte:
„Was geschieht wenn sich das Tor beim nächsten Mal
irgend wo anders öffnet und ich nicht dort bin?“
Der Alte machte ein Gesicht als müsse er sich seine
Antwort richtig gut überlegen. Doch dann schien er sie zu
haben:
„Nun, eigentlich macht das überhaupt nichts. Ich kann
das Gateway zu jeder Zeit wieder in Betrieb nehmen, und
wenn es erst in zwanzig Jahren ist.“
„In zwanzig Jahren?“ rief Clark erschrocken.
„Ja, aber keine Angst, das Tor arbeitet ja durch Raum
und Zeit. Theoretisch könnte sich die Öffnung zur
Rückkehr schon zwei Minuten nach eurer Ankunft wieder
öffnen und hier wären in der Zwischenzeit ein paar
Jahrhunderte vergangen. Doch nun geht, es wird Zeit.“
Versuchte der Drachenmann beruhigend auf Jason
einzuwirken, doch so richtig glücklich war Clark über
diese Erklärung nicht. Dann betrat er das Tor.
In diesem Moment hatte der Feind das Eingangstor zum
Portalraum durchbrochen und sah sich hektisch nach
den Flüchtenden um. Doch niemand war mehr hier. Es
wurden zwei drakonianische Wachen zurück gelassen,
um zu verhindern, dass jemand erneut das Portal
benutzte. Die anderen zogen weiter.
Ein Blitz durchzuckte kurz darauf den Portalraum und
Drahl Regat erschien mit der Waffe in der Hand im
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Ereignishorizont. Mit zwei kurzen, gezielten Hieben
setzte er die Drakwachen außer Gefecht, und erwartete
sodann die Rückkehr der Freunde.
Kapitel 9: Die Ankunft
Wind kam auf von Westen her und trug Staub und
trockene Blätter in der Luft mit sich. Immer stärker und
stärker wehte er und blähte schon bald die
seidenleichten Vorhänge in den Palastzimmern auf. Die
Temperatur fiel spürbar um einige Grad.
Es war die Zeit der „Nachtruhe“ in Skataris, und viele
lagen in ihren Betten. So auch Alex und Ilya.
Die sommerliche Hitze der Tolun über das ganze Jahr
hinweg ausgesetzt war, machte es nicht notwendig, sich
beim Schlafen mit etwas zu bedecken. Nur aus reiner
Gewohnheit, hatten Snow und Ilya sich ein dünnes Tuch
aus kesanianischer Seide übergeworfen, doch dies
bedeckte sie nach dem leidenschaftlichen Akt der letzten
Stunden nur noch um die Lenden herum. Alex lag auf
dem Rücken und hatte die Finger unter dem Kopf
verschränkt. Die Wassernixe hatte sich an seine Linke
geschmiegt und den Kopf auf seinem Oberarm gebettet.
Ihr warmer Atem strich sanft über seine Brust und die
Rippen. Beide schienen fest zu schlafen, doch als der
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- 212 -
Wind immer stärker wurde und sich unaufhörlich den
Weg durch die Zimmer des Palastes suchte, erreichte er
auch Alex und Ilya. Der kalte Hauch des Sturmes der
über Tolun aufzog sauste ungebremst über Snows
Körper hinweg und lies seine Brustwarzen hart werden.
Gänsehaut bildete sich auf seiner Haut. Instinktiv griff er
nach der Decke und wollte sie weiter zu sich herauf
ziehen, doch irgend wie hatten sie sich bei ihrem
Liebesspiel derart darin verheddert, dass dies nun nicht
so ohne weiteres möglich war.
Auch Ilya fröstelte es nun. Ihre hellblaue Haut veränderte
ebenfalls die Oberfläche, doch sah es nicht ganz so aus
als bekäme sie eine Gänsehaut. Es hatte eher den
Anschein, als bilde sie einen Panzer aus winzig kleinen
Schuppen gegen die aufkommende Kälte. Dann hob sie
plötzlich den Kopf und schaute sich suchend um.
Alex bemerkt dies und fragte sie was los sei.
„Das Wetter.“ Sagte sie nur knapp.
„Hm. Ja, du hast recht. Es ist kälter geworden.“ Bemerkte
er, nun da er endlich wach war.
„Ja.“ Bestätigte sie und erhob sich.
Nackt wie sie war, ging sie ohne jede Scham zum Balkon
und trat hinaus auf die Terrasse. Dunkle Wolken blähten
sich über der Stadt zusammen.
„Alex, das solltest du dir ansehen!“ rief sie von draußen
herein. Snow erhob sich und trat hinter sie. Er nahm sie
in die Arme und drückte sie an sich. Die Wärme ihres
Körpers erregte ihn ein wenig und Ilya spürte sein leicht
hart gewordenes „Instrument der Leidenschaft“ wie sie es
manchmal nannte, an ihrem Steiß.
Snows Blick zog über die Dächer von Tolun hinweg und
beobachtete die Wolken.
„Ich wusste gar nicht, dass es hier so etwas wie Wetter
gibt.“ Merkte er an.
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„Das tut es ja auch nicht.“ Bestätigte Ilya.
„Was kann es dann sein, ein neuer Angriff der
Dämonen?“
„Möglich wäre es. Aber doch recht unwahrscheinlich,
nachdem wir nun den Deckel wieder auf ihr Loch
geschraubt haben.“ Meinte sie.
Kaum hatte sie das gesagt, da zuckte ein Blitz über das
Palastgelände hinweg und erleuchtete unter den tief
hängenden Wolken eine dünne Windhose die sich
soeben darunter gebildet hatte. Blaue und grüne Blitze
umzuckten das Gebilde aus Sand, Wind und Staub und
führten es direkt in die Mitte des Palasthofes.
„Ich weiß nicht was das soll, aber ich glaube, wir
bekommen gleich Besuch.“ Sagte Snow auf ein Mal und
machte sich von Ilya los um wieder hinein zu gehen. Er
schlüpfte schnell in eine Hose und warf sich ein Hemd
über, griff sich das Breitschwert das er von Mungo bei
seiner Ankunft erhalten hatte und lief los, hinaus in den
Hof.
Ilya hatte nicht viel länger gebraucht um zu reagieren und
tat es im gleich.
Auf der Treppe zur Halle hinunter begegnete er Travis
Morgan, der ebenfalls nur halb angezogen und bewaffnet
auf dem Weg nach unten war.
„Was ist los da draußen?“ fragte er als sie sich beim
hinunterlaufen fast berührten.
„Ich weiß noch nicht, Morgan. Aber ich glaube, wir
bekommen Besuch.“
„Wie kommst du darauf?“ hakte der Warlord nach, als sie
mit großen Schritten den Fuß der Treppe erreicht hatten.
„Keine Ahnung. Es ist nur so ein Gefühl.“ Meinte Alex
und eilte mit dem Krieger hinaus auf den Hof.
Dem Lärm der über ihnen auf der Treppe zu hören war,
folgten ihnen die anderen bereits nach.
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Die Windhose hatte bereits eine beachtliche Länge
angenommen als die Freunde im Hof ankamen. Staub,
Blätter und anderer Unrat wirbelten noch immer um sie
herum wie auch diese blaugrünen Blitze. Plötzlich hob
das Ende der Säule vom Boden ab und legte sich mit
dem unteren Teil auf den Boden, so dass man direkt in
den Trichter hinein sehen konnte.
„Das ist doch kein normaler Wirbelsturm!“ rief Morgan
über den Lärm hinweg den die Windhose verursachte.
„Was kann das nur sein?“
In diesem Augenblick bildete sich im Innern des
Trichters, der nun
schon die
Größe
eines
ausgewachsenen Mannes hatte, eine Form. Immer
stärker nahm sie die Gestalt eines Mannes an. Eines
Mannes der innerhalb des Trichters herumgewirbelt
wurde
wie
frisch
gewaschene Wäsche
beim
Schleudergang in der Waschmaschine. Aber dennoch
konnte man erkennen, dass es sich dabei um einen
Mann handelte. Die Umrisse wurden immer deutlicher.
Dann endete das Herumwirbeln endlich und die Person
im Innern konnte den Trichter verlassen. Auch das
Zucken der Blitze hatte sich beruhigt.
Der Mann, der heraus trat, war annähernd so groß wie
Alex, und sein Körperbau war nicht minder muskulös. Er
war ein Amerikaner indianischer Abstammung wie es
schien und die Kleidung die er trug war die eines
Soldaten der USS Perseús. Die herbeigeeilten Wachen
hatten ihre Pfeile auf die Sehnen gespannt und waren
zum Schuss bereit, doch Alex, der den Neuankömmling
sofort erkannt hatte, hielt sie davon ab.
„Nicht schießen. Ich kenne den Mann.“
Alle Blicke richteten sich kurz auf Alex.
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„Und ich kenne euch, Alex T. Snow.“ Sagte der
Angekommene mit breitem amerikanischen Akzent.
Snow ging nach vorne und hielt dem anderen die Hand
zum Gruße hin.
„Commander Clark! Es ist mir eine ausgesprochene Ehre
euch hier begrüßen zu dürfen. Was führt euch hier her?
Und was noch viel wichtiger ist, wie habt ihr das
angestellt?“ wollte Snow wissen während er dem Mann
kräftig die Hand schüttelte.
„Später mein Freund. Lasst uns erst einmal hinein gehen.
Das Wetter bei euch scheint ja ziemlich schlecht zu sein.“
„Da könntet ihr recht haben, Commander. Aber das
Wetter haben wir euch zu verdanken. Seht doch.“ Meinte
Alex und wies mit der Hand auf die sich nun langsam
zurückziehende Windhose. Clark wand sich um und sah
den Trichter aus dem er gekommen war, und wie er sich
langsam von ihm weg bewegte. Es dauerte nur ein paar
Sekunden, dann hatte der Sturm sich gelegt und die
orangerote Sonne von Skataris kam wieder hinter den
Wolken hervor.
Alex hörte ein Räuspern hinter sich und drehte sich um.
Königin Tara, Ilya, Mungo und einige andere die vor zwei
Tagen noch an den Feierlichkeiten zum Sieg über die
Dämonen teilgenommen hatten, hatten sich auf dem
Platz versammelt.
„Ach ja, darf ich euch...“ wollte Snow gerade damit
beginnen
seinen
Freunden
den
Commander
vorzustellen, da trat dieser bereits an ihm vorbei und
nahm Taras Hand.
„Danke Snow, aber ich kenne die Anwesenden bereits.“
Meinte dieser nur knapp und wand sich dann wieder
Königin Tara und ihrem etwas verblüfft dreinschauenden
Blick zu. Er neigte das Haupt und führte die Hand zum
Kusse an den Mund.
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„Majestät, es ist mir eine außerordentliche Ehre, euch
wieder zu sehen.“ Seine Lippen konfrontiertem die Haut
ihrer Hand nur mit dem Hauch einer Berührung. Danach
trat er vor Ilya, die gleich neben Tara stand und
wiederholte die Zeremonie. Doch Ilya lies sich nicht
gleich aus dem Takt bringen und meinte:
„Commander Clark? Der Commander Jason F. Clark?“
„Eben jener, Mylady.“
Sie zog ihre Hand zurück.
„Ihr seht nicht mehr so hilflos aus wie ich euch von
damals in Erinnerung hatte. Aus euch ist ein Kämpfer
geworden.“
„Nun, als Pilot einer interstellaren Kampftruppe war ich
eigentlich schon immer ein Krieger. Nur der Umstand
mich hier in eurem Land wiederzufinden, das für mich
unbestreitbar nicht unrealer sein konnte, hatte mich
damals aus meinen doch relativ fest gefügten
Glaubensbahnen geworfen. Darüber muss man erst
einmal hinweg kommen.“
„Das ist eine schöne Entschuldigung.“ Sagte Tara mit
einem Lächeln.
„Oh nein, das war nicht als Entschuldigung gedacht.
Es...“
Tara legte ihm die Hand auf die Schulter und meinte:
„Es ist nicht notwendig irgend etwas darüber zu sagen.
Ihr habt euch von eurem Schrecken erholt und gekämpft
wie ein wahrer Krieger und dafür sind wir euch sehr
dankbar.“
Doch Clark wollte wiederum etwas dazu sagen, wurde
jedoch erneut zurückgehalten.
„Belassen wir es dabei. Erzählt uns nun lieber weshalb
ihr hier seid.“
„Hm, das ist eine lange Geschichte, Majestät.“
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„Bitte, nennt mich Tara. Niemand nennt mich Majestät,
außer den Dienstboten.“
Jason nickte und begann dann mit seiner Geschichte,
während sie zurück in den Palast gingen.
„Das sind recht unangenehme Wendungen von denen ihr
da berichtet.“ Meinte Alex, nachdem Clark mit seinem
Bericht geendet hatte.
„Das sind sie. Und ich wäre dankbar für ein wenig Hilfe
eurerseits. Wie auch immer sie aussehen mag.“
„Wir werden gerne behilflich sein, doch wie? Wir sind an
diese unsere Welt gebunden. Ich weiß aber nicht, ob wir
mit euch in eure Welt reisen können.“ Bot Tara an.
„Du vielleicht nicht, Tara.“ Bemerkte Travis. „Aber Alex,
Mungo und ich könnten das, denn wir sind alle aus
anderen Welten. Aus einem anderen Raum-Zeit-Gefüge.“
Diese Erklärung war nicht von der Hand zu weisen.
Travis und Snow stammten beide aus dem 20.
Jahrhundert, und Morgan war dazu noch ein recht guter
Pilot. Schließlich war er derjenige der die Firefox, einen
russischen Prototypen von einem Kampfjet, vor deren
Nasen entführt, dann aber dummerweise hier
notgelandet war. Mungo el Sarif war ein marokkanischer
Prinz. Er stammte aus dem 19. Jahrhundert. Er stürzte
bei der Verteidigung einer Oase gegen die französische
Fremdenlegion in den Schacht eines alten Brunnens. Als
er wieder aufwachte befand er sich hier in Skataris. Aber
mit nur einer Hand und ohne die Kenntnis je ein
Fluggerät gesteuert oder gar gesehen zu haben, war er
noch derjenige, der am wenigsten dazu geeignet war,
den Commander in die Zukunft zu begleiten. Ein Pochen
an der Türe lies alle auffahren. Der Flügel öffnete sich,
und herein kam...
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„Gwyn!“ rief Snow erfreut und trat dem Drachen
entgegen.
„Hallo alle zusammen!“ begrüßte er die Anwesenden.
„Gwyn, ich dachte du wolltest dich für eine Weile in die
Berge zurückziehen?“ fragte Snow, erstaunt über die
schnelle Rückkehr seines geschuppten Freundes.
„Hm ja, das hatte ich eigentlich vor. Doch irgend etwas
trieb mich wieder hier her.“ Brummte er. Dann fiel sein
Blick auf den Fremden der ihn so schamlos angrinste.
„Hm, ich kenne euch doch. Oder?“
„Das will ich meinen, alter Freund.“ Antwortete Clark und
streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin´s, Jason.
Erinnert ihr euch?“
„Ja. Ja, in der Tat, ich erinnere mich.“ Doch das lange
Drachengesicht hatte immer noch einen grübelnden
Ausdruck aufgesetzt. Das Aussehen des Mannes schien
den Drachen doch ein wenig zu irritieren. Clark bemerkte,
dass Gwyndragsil noch einige ungeklärte Gedanken in
seinem Kopf umeinander und übereinander stapelte.
Deshalb half er seiner Erinnerung ein wenig auf den
Sprung:
„Erinnert ihr euch, wie wir beide zusammen gegen die
Dämonen in den Kampf geflogen sind? Ich hatte zuvor
mächtig Angst vor euch als ich euch zum ersten Mal in
den Gemächern von Snow zu sehen bekam. Ich wollte
sogar aus dem Fenster springen.“
Alex hatte sich bei diesen Worten nach seinem zweiten
Ich umgedreht und sah in fassungslos an.
„Ihr wolltet was?“ fragte er entrüstet.
„Aus dem Fenster springen.“ Bestätigte Jason.
„Mit meinem Körper?!“ Alex schob den Kopf nach vorne,
zog die Augenbrauen hoch und tippte sich mehrmals mit
dem Zeigefinger auf die Brust.
Jason hob beschwichtigend die Hände.
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- 219 -
„Ich.. ich habe es ja nicht getan!“ antwortete er schnell.
Travis und Mungo grinsten sich eins und auch Ilya
konnte kaum an sich halten. Gwyndragsil legte den
beiden Männern je eine Klaue auf die Schulter und
brachte sie dadurch schnell zurr Ruhe.
„Das ist doch jetzt nebensächlich. Oder?“ meinte er und
schob die beiden, auf den Hinterbeinen gehend, vor sich
her zum Besprechungstisch.
„Ich nehme mal stark an,...“ sagte er zu Clark. „... dass ihr
hier seid, um uns um Hilfe zu bitten. Was ist schief
gelaufen?“
„Das stimmt. Irgend wie ist uns, und ich meine in diesem
Falle die gesamte noch vorhandene Menschheit, die
Sache aus dem Ruder gelaufen. Es haben sich Dinge
ergeben, von denen ich nicht zu träumen gewagt hätte,
wäre ich ihnen nicht mit eigenen Augen gegenüber
gestanden.“ Erklärte Jason noch ein Mal und machte
dann eine bedeutungsvolle Pause um an seinem
Fruchtsaft zu nippen.
„Nachdem ich ja nur durchs Snows Zettel im Cockpit des
Alamakshuttle davon informiert wurde, welchergestalt
unsere Gegner sein würden, hatte ich mir so einiges
überlegen können, während mich deren Transportstrahl
in ihr Schiff hinein zog. Dass die Alamak uns Menschen
sehr ähnlich waren wunderte mich nur wenig. Doch als
dann die Xotha mit ihren Kristallschiffen aufkreuzten, war
ich schon ein wenig perplex.“
Bei diesen Worten ruckte Alex Kopf nach oben. Das
hatte Jason bei seiner ersten Erzählung nicht erwähnt.
„Die Xotha kamen mit Kristallschiffen hier her?“
„Nein, nicht hier her. Nach Drakon, zur Raumbasis. Kurz
nachdem wir unsere Körper wieder getauscht hatten.“
„Aber ich dachte die Xotha hätten gar keine Schiffe.“
Hakte er nach.
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„Branda hat mir davon erzählt, dass ihr auf der Rasool
Ardehn, Shak Nubals Stadtschiff, einen Wandteppich
gesehen habt, der ein Motiv einer Weltraumschlacht
zeigte?“
„Ja stimmt, ich erinnere mich daran. Die Schiffe der
Gegner hatten eine kristalline Form. Die Schiffe der
Xotha.“
„Genau.“ Bestätigte ihm Jason.
„Wenn ich eure Geschichte richtig interpretiere, dann
läuft die Schlacht derzeit ziemlich schlecht für die
Menschen.“ Bemerkte Tara. „Wie können wir euch
helfen?“
„Nun, das Eine wäre, mit fähigen Männern wie Alex und
Morgan hier, das Andere, mit Ideen. Denn daran mangelt
es mir derzeit. Und dann muss ich schnellstmöglich
wieder dorthin zurück. Sonst ist alles für uns verloren.“
„Nun, die Frage nach Männern ist, glaube ich, nicht mehr
relevant. Alex und ich werden euch begleiten. Das ist
alles was wir euch an Männern bieten können.“ Bot der
Warlord ihm an. „Ihr bräuchtet eine Armee. Die können
wir euch leider nicht geben. Doch wir beide sind vertraut
mit den Maschinen der Zukunft und können damit
umgehen.“ Fügte er hinzu.
„Vielen Dank, dass du für mich sprichst, Travis.“ Meinte
Alex und spielte den gekränkten, da Travis ihn einfach in
seinen Plan mit in die Zukunft zu reisen einbezogen
hatte. Alex war sich noch gar nicht sicher ob er dort hin
zurück wollte. Morgan verzog ein wenig das Gesicht,
aber er wusste dass Snow ihm nicht wirklich böse
deswegen war.
„Würde Magie in eurer Welt funktionieren?“ wollte
Gwyndragsil wissen.
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„Das kann ich dir nicht sagen.“ antwortete Jason und
zuckte mit den Schultern.
„Eigentlich sollte sie aber funktionieren.“ meinte Ilya.
„Hast du nicht Alex mittels deiner Magie aus ihrer Welt
zurück geholt?“
„Das ist richtig.“ bestätigte der Drache. „Aber ich hatte die
Unterstützung der anderen Magier des Zirkels. Damit
ging es erheblich leichter. Und eines sollte wir nicht
außer Acht lassen...“ er machte eine kleine Pause um in
die Runde zu schauen. „... Der Zauber wurde von hier
aus ausgeführt. Die Magier des Zirkels sind an die vier
Elemente gebunden. Dort draußen in der ewigen Nacht,
würden ihre Kräfte so schnell versiegen wie die Luft die
aus einer dieser Schleusen in der Raumstation.“
Betretenes Schweigen trat auf den Plan und die Köpfe
senkten sich in nachdenkliche Posen.
„Und wenn ihr uns von hier aus unterstützend zur Seite
stehen würdet?“ wollte Mungo wissen.
„Möglich wäre das schon. Doch es würde eine lange Zeit
der Vorbereitung benötigen. Die Hilfe könnte zu spät
ankommen. Oder auch nie.“ merkte Gwyndragsil noch
an.
Alex trat zu dem geschuppten Freund und legte ihm die
Hand auf die Schulter.
„Dann müssen wir wohl ohne deine Hilfe auskommen,
alter Freund. Dennoch wäre es gut wenn ihr, du und die
Magier, einen Weg finden könntet.“
Der Drachen hob das Haupt und sah den Ritter mit
glänzenden Augen an.
„Das werden wir. Das verspreche ich euch.“
Dann wand er sich um und verließ den Raum.
Alex sah ihm hinterher und fühlte sich ein wenig schuldig,
den alten Kampfgefährten so traurig davon gehen zu
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sehen. Aber was blieb ihm anderes übrig. Er war sich
sicher, dass Gwyndragsil nichts unversucht lassen
würde, ihnen zu helfen.
Eben wollte er sich den anderen wieder zuwenden, da
stürmte ein Soldat in den Raum und rief:
„Ein Sturm, Herrin! Er zieht von Süden her auf und
kommt schnell näher.“ Sein Atem ging ein wenig schwer.
Er musste von der südlichen Mauer bis hier her gelaufen
sein. Mehr als drei Meilen.
„Das könnte er sein.“ meinte Snow.
„Wie lange bis er hier ist?“ wollte Morgan von dem Mann
wissen.
„Keine Ahnung, Herr. Vielleicht eine halbe Stunde.
Länger bestimmt nicht.“
Königin Tara nickte. Sie war einverstanden, doch ihr
Blick zu Travis hinüber war alles andere als beruhigt.
Würde sie ihn je wieder sehen? Doch dann besann sie
sich und fragte:
„Wie schnell könnt ihr reisefertig sein?“
„Binnen Minuten.“ kam es von Snow.
Tara drehte sich um und ging zu ihrem auf dem kleinen
Podest stehenden Thron. Dort nahm sie Platz. Ihre
Haltung war majestätisch und ohne Makel.
„Dann geht. Helft so gut ihr könnt, und kommt wieder so
bald es euch gelingt. Dies ist mein Wille als Königin
dieses Landes.“ Sie wand den Blick von der Gruppe ab
und betrachtete einen der Wandteppiche.
Travis Morgan, der direkt neben Snow und Mungo stand,
wirkte ein wenig verstört. Noch nie seit er hier in Skataris
war, außer ganz zu Beginn, hatte er sie so gesehen. Er
wollte zu ihr gehen und mit ihr sprechen, doch seine
Kameraden hielten ihn zurück. Er schaute zu Alex, doch
dessen Kopfbewegung lenkte den Blick des Warlords
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wieder auf die Königin. Tränen liefen ihr über die Wange
und benetzten ihre Brust.
Morgen entwand sich dem Griff Snows und ging ein paar
Schritte auf sie zu, doch Tara hatte dies erwartet und hob
Einhalt gebietend die Hand.
„Bitte geht nun. Ihr habt keine Zeit zu verlieren.“ sagte sie
noch ein Mal und vertiefte erneut ihren Blick in dem
wundervollen Wandgemälde aus Millionen kleiner
Wollknoten.
Snow trat zu dem Freund, fasste ihm am Arm und zog
ihn mit sich. Draußen auf dem Flur ließ er ihn wieder los.
Er sah Morgan an und konnte in seinem Gesicht die
Gefühle wiedererkennen die in ihm wüteten. Ihm war es
genauso ergangen als er sich von Branda und den
anderen trennen musste und Gwyn ihn aus dem Shuttle
zurück nach Skataris geholt hatte. Es war keine leichte
Entscheidung zu gehen, und die Geliebte hier zurück zu
lassen. Und ebenso war es keine leichte Entscheidung
für Tara, den Warlord ihres Herzens nun so ziehen zu
lassen. Aber sie konnte nicht anders. Sie musste sich um
dieses Land kümmern. Sie war die Königin.
Als Snow seine Gemächer betrat fand er Ilya komplett
angekleidet und voll bewaffnet in seinem Zimmer
stehend vor.
„Was soll das?“ fragte er verdutzt.
„Ich werde dich begleiten.“ antwortete sie mit
Bestimmtheit.
Alex trat vor sie hin und sah sie traurig an.
„Ich würde mir nichts lieber wünschen als dich an meiner
Seite, aber das wird nicht gehen.“
Ilya baute sich vor ihm mit vor der Brust verschränkten
Armen auf.
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„Weshalb nicht? Ich muss keine Königreich führen. Ich
bin frei von Verpflichtungen, frei von unabdingbaren
Entscheidungen. Weshalb sollte ich dich dann nicht
begleiten?“ sie wirkte ein wenig verärgert.
„Die Erklärung dafür ist sehr einfach. Sie besteht aus nur
neun Worten; Es gibt kein Wasser dort wo wir hin gehen.
Du würdest sterben und das weißt du. Ich habe dir schon
davon erzählt.“
Nach diesen Worten gab sie ihre energisch wirkende
Haltung auf und sackte ein wenig in sich zusammen.
Alex trat zu ihr und nahm sie zärtlich in den Arm.
„Es wäre mir, und Travis vermutlich noch viel lieber,
wenn du in unserer Abwesendheit ein wenig auf Tara
Acht geben könntest. Stehe ihr mit Rat und Tat zur Seite
und spende ihr Trost wenn die Einsamkeit zu groß wird.“
bat er sie. Vorsichtig löste sie sich von ihm und sah ihn
mit feucht glänzenden Augen an.
„Und wer tröstet mich, wenn ich einsam bin?“
Alex senkte das Haupt.
„Ich bin sicher, dass Tara deine Fürsorge zu schätzen
weiß und sie dir erwidert.“
Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und machte sich von
ihr los.
„Ich muss nun gehen. Mögen die Götter ihre Hände
schützend über euch halten. Auf bald, meine geliebte
Blume.“
Mit diesen Worten begab er sich an den Schrank und zog
den alten, tarnfarbenen Rucksack mit all seinen Waffen
und der restlichen Ausrüstung hervor. Er war ihn sich
über die Schulter, schnappte sich dann noch Mungos
Breitschwert und trat noch ein Mal vor Ilya. Vorsichtig
übergab er das Schwert der Wassernixe und meinte:
„Bitte achte gut darauf. Ich will es wieder haben, wenn
ich zurück bin.“
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- 225 -
Ilya nickte stumm, dann wand er sich ab und ging. An der
Türe angekommen verharrte er noch einen kleinen
Moment und blickte zu ihr zurück. Jetzt wusste sie, dass
es ihm ernst war und er alles nur erdenkliche tun würde,
um zu ihr zurück zu kommen. Das beruhigte sie ein
wenig. Dann schloss sich die Türe und sie war allein.
Der Sturm brachte, wie schon der Erste, viel Staub, Sand
und Unrat mit sich und die Männer mussten sich
schützende Tücher vor das Gesicht binden. Doch als
sich der Saugrüssel flach zur Erde senkte, versiegte der
Wind und gab den Weg zur Öffnung des Trichters frei.
„Sollen wir hinein rennen oder langsam gehen?“ wollte
Morgan wissen.
Jason, der schon ein Mal durch die Raum-ZeitVerschiebung gegangen war, wand sich an die Begleiter.
„Nein, nein. Wir gehen zügig, wie marschierende
Soldaten hinein. Auf der anderen Seite ist nicht genug
Platz um ein Hineinlaufen gut abbremsen zu können.
Und wenn wir langsam gehen, kann es passieren dass
der Wirbel dich erfasst und in eine Dimension schleudert
die du vielleicht gar nicht besuchen wolltest.“
Die anderen nickten, dann traten sie in den
Ereignishorizont, und nur Augenblicke später war der
Sturm so verschwunden als habe er nie zuvor existiert.
Tara und Ilya standen auf dem höchsten Turm der
südlichen Mauer und hatten von dort aus beobachtet wie
ihre Gefährten, winzig klein wie Ameisen, in dem Sturm
verschwunden waren. Tara nahm Ilyas Hand und drückte
sie leicht.
„Sie werden zurück kommen, das weiß ich.“
„Ja, das werden sie.“
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- 226 -
Sie blieben noch lange Zeit dort auf der Mauer stehen
und ließen die Blicke in die Ferne schweifen. Und wer sie
sehen konnte, konnte auch die Tränen sehen die sie für
ihre Männer vergossen.
Kapitel 10: Die Rückkehr
Drahl Regat beäugte die kleine Gruppe die da soeben
aus dem Ereignishorizont getreten war, mit gemischten
Gefühlen. Es waren nur vier. Gut, sie sahen wild und
verwegen aus. Aber was konnten vier Menschen hier
schon großartig ausrichten? Er begann am Gelingen
ihres Vorhabens zu zweifeln. Dennoch begrüßte er sie
mit einem herzlichen Drachenlächeln und reichte ihnen
die Pranke um ihnen die Hände zu schütteln.
„Darf ich vorstellen,...“ begann Jason, „...das ist Drahl
Regat, der Captain dieses Schiffes. Er hat es mir
ermöglicht zu euch zu gelangen.
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- 227 -
Drahl, darf ich euch die Herren Travis Morgan, genannt
der Warlord, Alex T. Snow, der Ritter vom blauen
Drachen und Mungo el Sarif, den Prinz von Marokko
vorstellen?“
Commander Clark wies bei jedem Namen mit der offenen
Hand auf die jeweilige Person, Der Genannte verbeugte
sich ein klein wenig, und Drahl Regat erwiderte die
Geste.
„Es ist mir eine außerordentliche Ehre euch hier
willkommen zu heißen, meine Herren. Wenngleich, ...
wenngleich ich doch erwartet hatte, dass dem
Commander mehr Krieger folgen würden. Doch nun, da
ihr einmal hier seid, werden wir versuchen, das Beste
daraus zu machen.“ begrüßte sie der alte Drachen ein
wenig nörglerisch.
„Seid nicht gar so enttauscht, Drahl, diese Männer sind
die Besten ihres Faches und die Königin hat sie nur mit
Widerwillen ziehen lassen. Zumal auf Skataris eben erst
ein Krieg beendet wurde und jeder Mann gebraucht wird
um das Land wieder aufzubauen.
Ich werde euch gerne erklären mit wem Ihr es genau zu
tun habt, doch nun sollten wir erst einmal von hier
verschwinden. Ich schätze die Türe wird nicht mehr lange
Stand halten.“
Bei diesen letzten Worten wurde ihm gewahr, dass da
draußen vor dem Eingang noch immer eine Horde
mordlustiger Draks gegen die verschlossene Türe
polterte und Einlass begehrte. Eine der Türangeln war
bereits gesprungen und klapperte bei jedem weitern
Pochen unkontrolliert auf der Türe herum.
Der Drache ging um die Raum-Zeit-Maschine herum und
führte die Gruppe aus dem Raum hinaus auf den
gleichen Weg den die Frauen vor einigen Stunden
genommen hatten. Wie sich Clark dessen bewusst
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- 228 -
wurde, fragte er Drahl, ob er etwas über den Verbleib der
Frauen wusste.
„Nein, tut mir leid, Commander, aber ich habe keine
Ahnung was mit ihnen in der Zwischenzeit passiert ist.
Ich musste bei der Maschine bleiben um eure Rückkehr
zu decken.
Aber wenn ich es mir recht überlege, und daran denke,
dass die Tür durch die wir soeben den Transporterraum
verlassen haben, gar nicht verschlossen war, muss es
den Damen gelungen sein, weitere Angreifer davon
abzuhalten durch diese Türe einzudringen.“ erklärte er.
Diese Erklärung hätte er sich eigentlich sparen können,
denn als sie um die nächste Ecke bogen, fielen sie
beinahe über die Leiche eines Drak. Es war ein Soldat
der Wache, erklärte ihnen Regat. Er wies multiple
Einschüsse auf was darauf hin deutete, dass er von den
Menschenwaffen der einen Frau getroffen worden war.
Die Strahlengewehre der Drakonianer hinterlassen
lediglich eine üble Brandwunde auf der Haut, wobei der
durch den Körper dringende Strahl die inneren Organe
zügig zum Schmoren brachte.
Bis hier her und wahrscheinlich noch ein gutes Stück
weiter, man konnte sie nirgends sehen, waren sie also
gekommen. Clark war nahe dran nach ihnen zu rufen,
doch er hielt in seinem Vorhaben inne, denn er wollte ja
keine unnötigen Verfolger auf sich ziehen.
Angesichts der ersten Leiche, zog Morgan seine 45er
Automag, eine der gewaltigsten Faustfeuerwaffen die
jemals auf der Erde gebaut worden war, aus dem Holster
und übernahm nach Drahl Regat die Spitze der Kolonne.
Kurz darauf stießen sie auf weitere Leichen. Es waren
zwei Xotha und ein Drakonianer. Das viele Blut das aus
den Fischmenschen floss machte den Boden ziemlich
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- 229 -
glitschig und so mussten die Männer ganz schön
aufpassen, dass sie nicht in den Pützen ausglitten. Sie
erreichten ein Nische an einer Kreuzung. Auch dort lag
ein toter Drak. Alex nutzte die Gelegenheit und ließ die
Gruppe kurz anhalten. Zügig schnallte er den Rucksack
ab und öffnete ihn. Er holte ein flaches aber schweres
Päckchen daraus hervor und drückte es Morgan in die
Hand.
„Würdest Du...?“
Morgan wusste was es enthielt und nickte. Er steckte die
Waffe in ihr Holster zurück und öffnete das Päckchen. Es
enthielt die vier Teile, aus der Alex Axt bestand. Mit
geschickten Bewegungen, fast so als habe er noch nie
etwas anderes getan, steckte er die Teile zusammen und
fertig war die Streitaxt des Drachenritters.
Snow hatte inzwischen seine Jacke ausgezogen und sich
über das darunter getragene Kettenhemd den weißblauen Waffenrock geworfen. Mit der Kettenhaube und
dem Stirnreif aus Leder und dem Gürtel um die Hüften,
sah er nun wieder aus wie ein richtiger Ritter.
Travis hatte ihn beim Ankleiden beobachtet und meinte
nun:
„Du bist echt in der falschen Zeit geboren, Alex.“
Snow hob den Kopf und grinste breit.
„Ja, mag sein, aber dafür lebe ich nun in Welten die ein
Ritter niemals gesehen hat.“
„Es sei denn, er wäre einem Magier begegnet.“
kommentierte Mungo die Szene.
Drahl hatte das ganze Schauspiel aus einer gewissen
Entfernung mit angesehen und war sich nun überhaupt
nicht mehr sicher was er von diesen Männern halten
sollte. Waren sich diese Krieger nicht bewusst worum es
hier ging? Sie machten Witze über das Aussehen ihrer
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Mitstreiter, schäkerten und lachten. Würden diese
Männer überhaupt einen Kampf überstehen wenn sie
erst ein Mal einem Draksoldaten gegenüber standen?
Doch diese Fragen würde er wohl bald beantwortet
bekommen, denn der Commander kam zu ihm herüber.
„Was grübelt ihr, Drahl. Habt ihr Bedenken?“ wollte Clark
wissen als er das Gesicht des Drachen sah.
„Nun, um ehrlich zu sein..., schon ein wenig.“ kam er
zögernd mit der Sprache heraus.
„Wegen der Jungs?“ hakte Jason nach und nickte mit
dem Kopf in ihre Richtung.
„Auch.“
„Macht euch keine Sorgen, Drahl. Diese Männer haben
schon ganz andere Schlachten geschlagen. Sie werden
euch nicht enttäuschen.“
Die anderen waren nun fertig und traten zu Clark und
Regat.
„Geht es weiter?“ fragte Alex. Drahl nickte und ging
wieder voran.
Regat führte sie noch einige hundert Meter durch
verschiedene Gänge, immer der Spur folgend welche die
Frauen hinterlassen hatten. Es dauerte nicht lange, da
hörten sie Gefechtsgeräusche. Alex erkannte das
Geräusch der Schusswaffe sofort. Es war Brandas
Dessert Eagle die er da ein, zwei Mal aufbrüllen hörte.
Doch wie war sie wieder zu ihrer Waffe gekommen. Als
man sie damals auf Xotha gefangen genommen hatte,
waren ihnen alle Waffen die sie mit sich geführt hatten
abgenommen worden. Hatte sie noch so ein Ding im
Shuttle versteckt gehabt?
Snow hielt den Drachen kurz an und meinte:
„Jetzt gehe ich besser voran. Captain.“
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Drahl verstand zwar nicht weshalb der Ritter nun die
Führung übernehmen wollte, doch er akzeptierte seine
Forderung und machte dem Menschen Platz.
Schon kurz danach stießen sie auf die Kämpfenden. Die
Frauen hatten sich hinter einigen Containern verschanzt
und feuerten von Zeit zu Zeit auf einige Draks die sich in
der kleinen Halle gegenüber einen guten Standpunkt
gesucht hatten. In jenem Augenblick da Alex mit der
Gruppe auf den Plan zu treten gedachte, sah der
Drachenritter einen Xotha der sich von der Seite an die
Frauen heranzuschleichen versuchte. Alex ließ die
Gruppe anhalten und trat ein paar Schritte nach vorn.
Der Xotha konnte oder wollte ihn nicht sehen. Sein
kugelfischartiges, aufgedunsenes Gesicht machte dies
nicht möglich. Seine Augen waren ganz fest auf die
Frauen gerichtet. Alex holte aus und warf die Axt mit
einer Kraft, die einen jeden den Arm ausgekugelt hätte,
würde dieser den Griff der Axt nicht rechtzeitig los lassen.
Die doppelschneidige Waffe überschlug sich ein, zwei
Mal und traf den Xotha mit voller Wucht am Kopf. Mit
quer gespaltetem Schädel wurde der Soldat gegen die
Container neben Andrea Taylor geschleudert. Diese fuhr
erschrocken herum und sah mit verdutztem Blick den
Xotha mit der Axt im Schädel am Boden liegen. Die
geladene und entsicherte Waffe des Mannes glitt ihm aus
der Hand und fiel scheppernd zu Boden. Nun hatte auch
Branda mitbekommen was passiert war. Sie reagierte
sofort und warf sich der möglichen, neuen Bedrohung
entgegen. Doch als sie den Commander und Drahl Regat
erkannte, ließ sie erleichtert von ihrer Anspannung ab.
„Hallo Jason, so schnell zurück?“ fragte sie und erhob
sich aus ihrer hockenden Stellung. Ein Energiestrahl
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zischte nicht weit von ihr vorüber und entlockte ihr einen
Fluch für den Drak der gefeuert hatte. Der Schuss
verfehlte seine Wirkung nicht. Branda ging wieder in
Deckung. Commander Clark begab sich zu ihr und
begrüßte sie ebenfalls. Doch Deverauxs Blick hatte sich
schon auf den Mann mit dem weiß-blauen Waffenrock
geheftet, und so bekam sie Clarks Begrüßung nur am
Rande mit.
„Hallo Branda. Wie geht es Dir?“ begrüßte sie der
Drachenritter. Branda kannte den Waffenrock und das
Kettenhemd, doch der Mann und die Stimme kamen ihr
fremd vor. Dennoch wusste sie um wen es sich hier
handelte.
„Alex? Wie... wie ist das möglich?“
Der Ritter nickte.
„Hi Bran. Wie ich sehe, steckst du schon wieder in
Schwierigkeiten. Ich dachte, da komm ich mal vorbei und
helfe euch ein bisschen.
Wie das möglich ist? Gute Frage, Branda. Ich denke mal,
dass das mit der Magie zusammen hängt, die unsere
Freunde auf Skataris praktizieren.“
Deverauxs Blick wanderte von Alex zu Jason und wieder
zurück. Man konnte deutlich erkennen, dass ihr ein wenig
unwohl zumute war. Sie wusste nicht wie sie sich in
dieser Situation verhalten sollte. Travis Morgan bemerkte
dies und beschloss, sich einzumischen. Er blickte über
die Deckung hinweg die sie schützte und feuerte mit
seiner 45er Automag auf einen der drakonianischen
Gegner, der gerade eben seinen Kopf ein wenig
neugierig hervor gestreckt hatte. Der Rums war so
gewaltig, dass alle Anwesenden vor Schreck das Genick
einzogen. Travis sah zu den anderen hinüber und
meinte:
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- 233 -
„Wir sollten uns nun wieder auf unsere Gegner
konzentrieren.“
Das hatte die Situation fürs erste geklärt. Die Leute
richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Feind, und
dachten erst mal nicht mehr über das nach was sie eben
noch beschäftigt hatte, und der vorwitzige Drak hatte ein
großes Loch im Schädel. An der Wand hinter ihm, ran
das Blut in dicken, klebrig grünen Rinnsalen zu Boden.
Das plötzliche Ableben des Draks hatte seine
Kameraden wohl weich gemacht, denn sie liefen weg
oder ergaben sich den Menschen. Und als sie sahen,
dass die Menschen von Drahl Regat, ihrem ehemaligen
Captain unterstützt wurden, wurden sie auf ein Mal ganz
kleinlaut.
Travis und Mungo brachten die Gefangenen in einen
nahegelegen Raum, verschnürten sie dort zu
ordentlichen Päckchen und schlossen dann die Tür hinter
sich zu als sie wieder gingen. Irgend wann würde man
sie schon finden.
„Solche Scharmützel werden uns in der nächsten Zeit
noch einige bevor stehen.“ Bemerkte Drahl Regat. Die
Anderen äußerten sich nicht dazu.
Zügig bewegten sie sich weiter auf die Brücke zu.
Verwundert stellten Sie fest, dass der Widerstand
erheblich geringer war wie zu Anfang. Aber dennoch
mussten sich die Männer so manche Bresche schlagen
um ihrem Vorhaben näher kommen zu können. Die
Brücke zu besetzen und die Führung über das Schiff der
Draks zu übernehmen.
Doch all zu leicht sollten sie ihren Sieg auch nicht
bekommen.
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Es war nicht mehr weit bis zur Kommandozentrale der
Kurg. Drahl hatte die Führung übernommen und achtete
auf jede verdächtige Bewegung die sich um ihn herum
zeigte. Doch was die Männer hinter ihm nicht wussten,
und was Drahl Regat ihnen auch nicht sagen würde,
denn er selbst wusste es in diesem Augenblick auch
nicht mehr – er hatte es schlicht weg aus seinem Leben
verdrängt, war, dass er auf einem Auge fast blind war.
Sein Sehvermögen glich dort der Öffnung eines nur 40
mm durchmessenden Rohres.
Dies war auch der Grund weshalb er den nun folgenden
Angriff nicht vorher schon sehen konnte.
Er kam völlig überraschend. Mungo, der die Nachhut
bildete, brüllte auf ein Mal schmerzerfüllt auf. Ein
schmaler Lüftungsschacht an der Wand über ihm, hatte
seine gitterförmige Abdeckung ausgespuckt und einem
schlangenartigen Drak die Freiheit aus seinem engen
Versteck gewährt. Die Zähne des Drakonianers bohrten
sich tief in Mungos Schulter. Seinen Körper, der sich
geschmeidig wie eine Schlange durch den Gang
bewegte, schlang er immer enger um Mungos Brust.
Doch er hatte nicht mit der furchtbaren Waffe des
Marokkaners gerechnet, der diese nun zum Einsatz
brachte. Mungo schlug dem Drak die mit langen Spitzen
bewehrte Eisenkugel, die wie eine grotesk aussehende
Skulptur auf seiner rechten Hand saß, direkt in den
Nacken. Der Aufschrei des Draks war nur kurz, dann ließ
sein lebloser Körper ab von der Umklammerung und
sank in wogenden Schlingen zu Boden wo er reglos
liegen blieb. Drei kleine Rinnsale grünlichen Blutes
rannen dem Schlangenwesen am Nacken hinab.
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Die Freunde waren herbei geeilt, doch einschreiten
mussten sie nicht mehr.
„Eine wirkungsvolle Waffe habt ihr da.“ Bemerkte Drahl,
während Mungo sich seine Wunde näher ansah.
„Mag sein. Aua! Aber die Zähne eurer Männer sind auch
nicht von schlechten Eltern.“ Meinte Mungo und drückte
mit den Fingern das Blut aus der Wunde. Das ließ ihn
zischend die Luft einsaugen, doch dann ließ der Schmerz
wieder nach.
„Könnt ihr mir sagen, ob diese Wesen Gift ausstoßen
beim Biss?“ Wollte er dann von dem alten Captain der
Draks wissen, denn ihm wurde irgend wie ganz anders
zumute.
„Das... das weiß ich leider nicht. Wenn ich ehrlich bin,
habe ich noch nie zuvor gesehen, dass einer meiner
Leute jemanden so gebissen hat wie euch. Aber da er
ein Schlangendrakonianer war, würde ich es nicht
ausschließen.“
Kaum hatte Drahl ihm die Antwort gegeben, da verdrehte
el Sarif die Augen und sank zu Boden. Schweiß trat auf
seine Stirn und sein Körper begann immer heftiger zu
zittern.
„Verdammt!“ rief Morgan. „Der Schlangenkopf hatte doch
Gift in den Zähnen.“ Er war zu dem toten
Schlangenmenschen getreten und hatte mit seinem
Dolch die Kiefer auseinander geschoben um sich das
Gebiss des Wesens anzuschauen. Die beiden
Fangzähne waren fast so groß wie die eines
ausgewachsenen Löwen, und die Löcher im unteren
Ende seiner Zähne hatten die Größen eines
Stecknadelkopfes. Ein dünner, gelber Faden Flüssigkeit
tropfte noch daraus hervor und fiel auf den Boden neben
dem Kiefer der Schlange. Ein zischendes Geräusch war
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zu hören, und Morgan konnte deutlich sehen, wie sich
die Oberfläche des ansonst so glatten Bodens verformte.
Alex und Branda beugten sich über den kranken Freund
und versuchten ihm in ihrer Hilflosigkeit wenigstens mit
ihrer Nähe etwas Trost zu spenden. Trotz der
Bewusstlosigkeit Mungos, verzerrte sich sein Gesicht
zusehends. Er musste unglaubliche Schmerzen haben.
„Wir sollten ihn in einen Raum bringen, wo er es etwas
bequemer hat.“ Meinte Snow und sah zu den anderen
hinauf.
Drahl Regat nickte und wies auf eine Tür, die sich einige
Meter weiter den Gang hinab befand. Alex wollte den
Freund auf die Arme nehmen und ihn dort hin tragen,
doch der Mann wand sich in seinem immer stärker
werdenden Fieber wie ein Krokodil das sich in einem
Netz verfangen hatte und nun um seine Freiheit ringen
musste. Und so mussten Commander Clark und Travis
Morgan mit anfassen und den Kranken hinter dem alten
Drak her tragen bis sie in dem kleinen Raum
angekommen waren.
Verwundert stellten sie fest, dass es sich hier wohl um
eine Art Vorraum zu einer Krankenstation handelte. An
einer Wand stand eine leicht gepolsterte Liege auf
Rädern. Dort legten sie Mungo ab und banden ihn mit
den breiten Riemen die rechts und links der Bahre herab
hingen, fest. Alex ging zur nächsten Tür am anderen
Ende des Raumes und drückte sie auf. Ein entsetzlicher
Geruch strömte ihm entgegen, und er musste sich sehr
überwinden, seine letzte Mahlzeit nicht wieder aus zu
spucken. Dies war keine Krankenstation. Das war ein
Leichenschauhaus. Überall lagen tote Draks herum,
manche von ihnen hatte man einfach an einer der Wände
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übereinander gelegt und liegen gelassen. Doch was in
der Mitte des Raumes lag, erschreckte ihn noch viel
mehr. Vier metallene Tische standen hier in Reih und
Glied. Auf dem Ersten lag der Leichnam von Admiral St.
George, auf dem Zweiten der von Regina Meyer, dann
kam der von einem Soldaten der Alex unbekannt war.
Doch der Leichnam auf dem letzten Tisch war ihm sehr
wohl bekannt. Es war der von Yashida Tanaka.
Snow mochten den alten Samurai. Er hatte ihn im
Gefängnis von Xotha kennen gelernt. Und der Alte hatte
ihm oft mit seinen Ratschlägen weiter geholfen. Ihn jetzt
hier liegen zu sehen, mit einem blutigen Klumpen Fleisch
als Kopf, schmerze ihn sehr.
Man hatte die Toten entkleidet und, soweit sie dies nicht
schon durch eine der Drakwaffen waren, von Kopf bis
Fuß aufgeschlitzt. Einige Organe lagen neben den Toten
auf den Tischen, manche einfach darunter auf dem
Boden. Man hatte sie seziert. Vielleicht noch bei
lebendigem Leibe.
Branda kam zu ihm und wollte die zweite Türe aufstoßen,
doch Alex hielt sie fest. Verwundert sah sie ihn an.
„Was soll das? Was gibt es da zu sehen?“
„Das möchtest du nicht wissen.“ meinte er. Doch Branda
versuchte erneut die Türe aufzustoßen. Erneut hielt er
sie zurück.
„Glaub´s mir.“
Dann bemerkte sie den Gestank.
„Puh, das stinkt ja fürchterlich. Lass mich sehen. Na los.“
„Auf Deine Verantwortung.“ Meinte er und gab den Weg
dann doch frei.
Branda schob sie auf und erstarrte fast in ihrer
Bewegung. Sie fasste sich des Gestankes wegen an den
Mund, doch das Entsetzen stand ihr ins Gesicht
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geschrieben. Alex fasste um sie herum und zog sie
wieder nach draußen.
„Ich sagte dir doch, dass du das nicht sehen willst.
Warum könnt ihr Frauen nie auf das hören was wir
Männer euch sagen.“
Alex wusste, dass er sich im Normalfall, mit dieser
Äußerung ganz schön in die Nesseln gesetzt hätte.
Vermutlich wäre er als fürchterlicher Chauvinist
beschimpft worden. Doch nun plapperte er einfach drauf
los, um Deveraux von diesem Schreckensbild
abzulenken. Sie würgte beinahe ihr Mittagessen, oder
was auch immer ihre letzte Mahlzeit gewesen war,
wieder nach oben.
Snow führte sie zu einem kleinen Bänkchen und setzte
sie dort ab. Sie rieb sich mit den Händen über das
Gesicht und atmete ein paar Mal tief durch. Dann sah sie
zu dem immer noch vor sich hinplappernden Alex hoch
und meinte:
„Halt die Klappe, Snow. Das Geplapper passt nicht zu
dir.“
Sie stand auf und ging hinüber zu dem Schwarzen, der
noch immer zitternd auf der Pritsche lag. Das Zittern war
nicht mehr so schlimm wie noch vor ein paar Minuten,
doch dafür schien er jetzt mehr zu schwitzen als zuvor.
Das Gift des Schlangenwesens schien ihn innerlich zu
zerfressen. Er hatte hohes Fieber. So konnten sie
unmöglich mit ihm weiter gehen. Mungo war zu einen
Kampf nicht mehr in der Lage. Sie würden ihn hier zurück
lassen müssen.
Morgen beriet sich kurz mit den anderen.
„Mungo wird es nicht schaffen, wenn er mit uns kommt.
Drahl, gibt es eine Möglichkeit ihm zu helfen? Gibt es ein
Gegenmittel gegen solche Bisse?“
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Der alte Drachenmann sah ihn ausdruckslos an. Er
fasste sich ans Kinn und kratzte sich den kurzen, weißen
Ziegenbart.
„Meines Wissens nach nicht. Wenn ich ehrlich bin, kann
ich mich nicht mehr daran erinnern, wann zuletzt ein
Schlangenmann ein anderes Wesen gebissen hätte.
Außer, dass er dieses zur Nahrung benötigte. Nein, ich
bin ziemlich sicher, dass es kein Gegengift gibt.“ Er sah
ehrlich bedrückt aus.
„Es tut mir sehr leid um euren Freund,“ fügte er an „aber
wir müssen nun weiter. Es wird allerhöchste Zeit.“
Die Männer wussten, dass der alte Drachen Recht hatte.
Sie beschlossen, dass Andrea Taylor bei Mungo bleiben
und es ihm so angenehm wie möglich machen sollte. Zu
erst wollte sie nicht hier bleiben, aber als sie dann noch
ein Mal einen Blick auf die noch immer stark zitternde
Gestalt des Mannes warf, fasste sie sich ein Herz und
willigte ein. Man überließ ihr einen gewissen Vorrat an
Wasser und Nahrung, beides stammte noch aus der Welt
Skataris, dann gingen die Männer hinaus und sie war
allein mit dem Kranken.
Kapitel 11: Entscheidungen
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Die Kurg hatte sich also der Flotte der terranischen
Verteidigung angeschlossen und gemeinsam mit
anderen Schiffen Verteidigungsposition bezogen.
Alex stand am einzigen Fenster der Brücke, das sich
direkt neben dem großen Monitor befand, und blickte
hinaus.
Die Xotha versperrten ihnen den Weg zum
Navigationspunkt, den die Kurg für den Sprung in den
Hyperraum berechnet hatten. Und gerade in diesem
Moment, fielen ihm die Worte eines alten, englischen
Dichters und Bühnenautors wieder ein, die wie keine
anderen auf die ihnen bevorstehende Situation zu
passen schienen. Er glaubte sich zu erinnern, dass der
Mann William Shakespeare hieß, doch beschwören
mochte er dies nicht.
Aber die Worte die er gefunden hatte, waren nun da und
mussten ausgesprochen werden, ja sie drängten sich
förmlich durch seine Kehle nach oben und die Zunge
hatte keine andere Wahl als sie auszustoßen, hinaus zu
rufen, doch er hatte Angst verspottet zu werden und so
sprach er sie nur so laut vor sich hin wie sich zwei
zivilisierte Menschen zu unterhalten pflegten, doch auch
so laut dass ein jeder der sich auf der Brücke dieses
Schiffes befand, sie durchaus verstehen konnte.
Und so lauteten sie:
„Noch ein Mal stürmt, noch ein Mal treue Freunde, sonst
füllt die Mauer mit unseren Toten auf.
Im Frieden kann einen Mann so wohl nichts kleiden wie
Demut und Bescheidenheit, doch bläst des Krieges
Sturm euch ins Ohr, dann ahmt den Tiger nach in seinem
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Tun, ruft das Blut herbei, entstellt die liebliche Natur mit
eurer Wut und leiht dem Auge einen Schreckensblick.“
Die Anwesenden richteten Ihre Blicke auf den Sprecher
und lauschten voller Verwunderung seinen Worten.
„Nun schärft die Zähne und bläht die Nüstern auf, haltet
den Atem zurück und richtet jeden Lebensgeist zu seiner
vollen Größe auf!“ diese Worten kamen von Drahl Regat
und alle blickten nun verwundert auf ihn. Besonders Alex.
„Ihr kennt Shakespeare?“
„Nein. Ich kenne diese Worte. Sie stammen von dem
berühmten drakonianischen Dichter Meloc Poch. Er
schrieb dies schon vor über 1000 eurer Erdenjahre
nieder.“
Dann ergriff Travis das Wort:
„Auf, auf ihr edlen Krieger, deren Blut von so vielen
kampferprobten Vätern stammt, die ihre Schwerter nur
aus Mangel an Gegnern wieder in die Scheide gesteckt
haben.
Lasst uns schwören, dass ihr eurer Zucht würdig seid –
was ich nicht bezweifle – denn es ist keiner von euch so
gemein und niedrig, dass er nicht edlen Glanz in seinen
Augen hätte.
Das Spiel ist im Gange, folgt eurem Geist und ruft bei
diesem Angriff die Heerscharen des Himmels und der
Hölle zu Hilfe und bringt dem Feind die letzte Rechnung!“
„Ich sag´s doch, Shakespeare.“ meinte Snow
bestimmend.
„Nein, Poch.“ meinte Drahl Regat darauf hin, wunderte
sich aber, dass die Fremden den Text des
drakonianischen Dichters so gut kannten.
„Nein. Weder noch. Dieser Text stammt von Wolan
Spitzfeder, einem der bekanntesten Dichter des
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- 242 -
Zwergenreiches Hort.“ klärte sie Travis auf. Doch die
anderen schüttelten nur den Kopf. Ein jeder wollte
soeben darauf bestehen, dass die Worte von dem ihm
bekannten Dichter stammten, da schlug das erste
Geschoss der Xotha auf der Kurg ein und ein Erbeben
des Schiffes zwang die Männer sich nun wieder auf den
bevorstehenden Kampf zu konzentrieren.
Dennoch wunderte es Alex sehr, der genau wusste, dass
diese Worte, und zwar all die gesprochenen Worte von
dem Engländer waren. wie konnte es angehen, dass
seine Worte in so vielen und so weit voneinander
entfernten Kulturkreisen bekannt waren? Doch nun
musste auch er sich auf das konzentrieren was noch vor
ihm lag.
Und so begann die letzte Schlacht der Menschheit.
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Das Geschützfeuer der Xotha konzentrierte sich niemals
auf nur ein einziges Schiff. Abwechselnd und im
Sekundentakt, bekamen alle Schiffe der vereinigten
Streitkräfte ihr Fett ab. Bis, ja bis man endlich dazu über
ging, permanent die Stellungen zu wechseln, den Feind
langsam aber sicher einzukreisen, diese Position nur
kurz inne behielt, nur um sogleich wieder dieselbe
aufzugeben. Dies schien den Computer der Xotha so
sehr zu verwirren, dass deren Geschütze immer weniger
Treffer erzielten.
Es war auch langsam an der Zeit, den Spies
umzudrehen. Commander Clark, hatte den Befehl über
die Kurg übernommen, nachdem sich die Mannschaft
wieder zu ihrem alten Captain, dem Drachenmann Drahl
Regat bekannt hatte.
Er hatte sich mit den Kommandanten der Agamemnon,
der San Francisco und der Shogun von Osaka
abgesprochen, und man hatte sich darauf geeinigt, dass
er, jetzt wo der Admiral tot war, den Befehl über die Flotte
übernehmen sollte, da er der Einzige war der sich mit
den Außerirdischen gut genug auskannte. Nun ja, das
stimmte zwar nicht so richtig, da es ja eigentlich Alex war,
der in seinem Körper die meisten Ereignisse zwischen
ihnen und den Fremden erlebt hatte. Aber Snow stand
ihm ja zur Seite und konnte ihm entsprechende
Informationen liefern, wenn dies notwendig sein sollte.
Soeben befahl er den Jagdfliegern der Agamemnon und
den Resten des Perséus-Geschwaders, die auf der Kurg
Zuflucht genommen hatten, die Angriffsformation so
lange bei zu behalten, den Feind in Sicherheit ob der
ihnen bekannten Strategie zu wiegen und erst im letzten
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- 244 -
Moment die Formation aufzugeben, um dann willkürlich
und nach eigenem Ermessen den Feind anzugreifen.
Zunächst schien dieser Plan auch aufzugehen, doch
dann wurden mehr und mehr Jäger abgeschossen. Die
Agamemnon, das Schwesterschiff der bereits zerstörten
Perséus, erkannte die Situation früh genug und bot ihren
Jägern Feuerunterstützung.
Rote, blaue und grüne Lichtblitze durchzuckten das tiefe
Dunkelblau der immerwährenden Nacht des sie
umgebenden Universums. Treffer und Einschläge
flackerten kurz in kleinen feurigen Blasen auf und
zerplatzten dann zu rauchlosem Nichts. Größere
Explosionen mit ausgedehnten Feuern konnte man hier
ja auch nicht erwarten, denn diesem fehlte es einfach an
dem notwendigen Sauerstoff.
Dennoch war das Feuerwerk der sich bekämpfenden
Parteien verursachten, gewaltig.
Die Mannschaft der Kurg wollte die Angriffe der
Agamemnon auf die Xotha unterstützen, kam aber von
ihrem eigenen Gegner nicht so richtig los. Das Stadtschiff
der Alamak klebte ihnen am Hinterteil wie ein Stück
feuchtes Toilettenpapier.
Die Alamakjäger waren bis auf wenige Schiffe zerstört,
doch ihr Mutterschiff hatte sie nochmals verstärkt unter
Beschuss genommen. Nun ja, eigentlich stellte dies für
das Flagschiff der Drakonianer keine größere Bedrohung
dar, denn das Schutzschildgitter der Kurg übertraf alles
was Alex und Jason bisher je gesehen hatte. Dennoch,
jeder Treffer knabberte ein klein wenig von der Energie
und damit von der Schildintegrität und der für die
Mannschaft so wichtigen Sicherheit ab. Lange würden
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sie solch einem Beschuss nicht mehr stand halten
können.
Mungo el Sarif war tot. Die Verletzung selbst, die der
ehemalige marokkanische Prinz davongetragen hatte,
war gar nicht so schwer gewesen, doch das Gift, dass
dieses Schlangenwesen mit seinem Biss in seinen
Körper injiziert hatte fraß ihn langsam von innen heraus
auf. Es hatte seine Organe zu einer geleeartigen Masse
verwandelt und das Blut immer dicker werden lassen, so
dass das Herz, das ja ein Muskel war, es nicht mehr
schaffte, diese lebensnotwendige Flüssigkeit in alle
Organe zu transportieren.
Andrea Taylor hatte bis zu letzt bei ihm ausgeharrt, hatte
ihm mit Worten Trost gespendet, ihm vom Wasser
Skataris´ zu trinken gegeben, und hatte ihm nach seinem
letzten Atemzug für immer die Augen mit den Fingern
geschlossen. Eine einsame Träne rann ihr übers Gesicht.
Sie verspürte Trauer. Trauer für einen Mann den sie
eigentlich erst seit wenigen Stunden kannte. Kannte?
Nein, das war nicht richtig. Er war ihr vorgestellt worden,
und seit dem hatten sie nicht einmal zwei Worte
gewechselt. Dennoch rührte sie der Tod des Mannes
mehr als sie vermutet hatte.
Sie erhob sich und sah sich in dem kleinen Raum um.
„Was wollte sie nun wieder tun?“ Fragte sie sich still. Ihr
Blick fiel auf den Leichnam unter ihr. So konnte sie ihn
nicht zurück lassen, und so machte sie sich auf die
Suche nach einem Tuch, einer Decke oder etwas
ähnlichem, um sich und anderen und vor allem um dem
Geist des Toten den Anblick des Leichnams zu ersparen.
Sie wollte ihn zudecken.
Nur widerwillig und mit einer an Ekel grenzenden
Abscheu betrat sie den Raum in dem die anderen
245
- 246 -
Leichen ihrer Freunde ausgeweidet wie Schlachtvieh auf
den stählernen Tischen lagen, um dort nach einer noch
unbefleckten Decke zu suchen. In einem kleinen
Wandschrank fand sie ein rotes Tuch das mit seltsamen
golden schimmernden Symbolen verziert war. Es schien
groß genug und würde seinen Zweck mehr als erfüllen.
Sie wollte bereits den Raum verlassen, da warf sie noch
ein Mal einen Blick auf den leblosen, verhüllten Körper
zurück. Ihr war bewusst, dass dieser Mann, ohne dass er
auch nur einen von ihnen gekannt hatte, aus seiner Welt
zu ihnen herüber gekommen war, um ihnen in ihrem
Kampf beizustehen. Mit feuchten Augen schüttelte sie
den Kopf, sie wollte ihn nur wieder frei bekommen, und
ging hinaus, um sich den anderen wieder anzuschließen.
Während sie so durch die Gänge des fremden
Raumschiffes schritt, kamen ihre Gedanken in
Bewegung. Es waren Gedanken über ihr Leben. Bilder
erschienen in ihrem Geist. Erinnerungen an ihre Kindheit.
Wie sie aufgewachsen war, ihre Jahre in den
verschiedensten Schulen – sie waren oft umgezogen,
weil man ihren Vater ständig an andere Standorte
versetzt hatte. Ihre Zeit bei Militär, und dann auch Bilder
der Ereignisse der letzten Monate. All das schien nun
wieder in greifbare Nähe gerückt zu sein, doch als sie
danach greifen wollte, zerfaserten die Bildnisse ihrer
Erinnerungen wie ein Nebelfetzen im aufkommenden
Morgenwind.
Doch durch die Bilder drängten sich zusehends und
immer stärker werdende Worte. Worte in einer Sprachen
die sie zunächst gar nicht verstand, die jedoch immer
deutlicher wurden.
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„Saktis..., zu Skatris..., zurück nach Skataris..., müsst
zurück nach Skataris!“ hörte sie sagen.
„Skataris?“ wiederholte sie laut.
„Das war doch der Ort...“ wollte sie einen weiteren
Gedanken aussprechen, da hörte sie einen eindeutigen
und gut verständlichen Ruf in ihrem Kopf.
„Ihr Helden von Skataris, kehrt zurück! Sonst sind wir alle
verloren!“ dies wiederholte sich mehrere Male.
Die Deutlichkeit dieser Worte erschreckte sie derart, dass
sie beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert wäre.
Doch sie konnte sich gerade noch selbst davor
bewahren, dass sie das Gleichgewicht nicht verlor und
auf die Nase fiel.
Dann verklang das Rufen, und ihr Kopf schien wie von
einem Schwindel befallen. Aber dies hielt nur kurz an,
dann konnte sie unbesehen weiter gehen. Sie musste
unbedingt den anderen davon erzählen. Dann
erschütterten die ersten Geschosseinschläge das Schiff
und sie wusste, dass die letzte Schlacht nun begonnen
hatte. Sie musste sich beeilen.
Zwischenzeitlich in Skataris...
Der alte Magier fiel wie vom Blitz getroffen von seinem
Stuhl und blieb regungslos auf dem Boden liegen.
Antonius, der Chronist und Schriftgelehrte des Klosters
der Hirten des Heiligen Pfades, zuckte bei dem Lärm
zusammen und wand sich nach seiner Ursache um. Als
er jedoch den alten Mann am Boden liegen sah, hastete
er sofort zu ihm und fühlte mit den Fingerspitzen nach
seiner Halsschlagader und dem dort sonst spürbaren
Puls. Er schien wider erwarten ruhig und gleichmäßig zu
sein. In diesem Moment schlug der Alte die Augen
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- 248 -
wieder auf und sah in das besorgte Gesicht des jungen
Chronisten.
„Keine Sorge, mein Sohn, ich weile noch unter den
Lebenden.“
Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des anderen
breit.
„Nun, wollt ihr mir nicht aufhelfen?“ fragte der Alte, als
der Junge sich immer noch nicht rührte.
Antonius zuckte zusammen und grinste.
„Aber natürlich, Ehrwürdiger.“ antwortete er und zog
dann den Mann vom Boden hoch. Mit dem Fuß zog er
den umgekippten Stuhl heran und stellte diesen ebenfalls
auf, nur um ihn sogleich unter das Hinterteil des Magiers
zu schieben.
„Habe ich sie abgesandt?“ fragte der Alte nach einem
Moment des Schweigens.
„Abgesandt? Was?“ fragte der Chronist verwundert.
„Was? Na die Nachricht natürlich!“ rief der Alte.
„Verzeiht, Herr, aber welche Nachricht meint ihr? Ihr habt
euch seit Stunden nicht von eurem Platz gerührt,
geschweige denn, dass ihr etwas gesagt habt. Ich
glaubte schon, ihr wäret über euren Schriftrollen
eingenickt.“ verteidigte sich Antonius.
„Eingeschlafen? Ich? Keineswegs, keineswegs!“ keifte er
laut.
„Seht selbst, was ich hier fand.“
Der alte Magier reichte ihm die pergamentene Schriftrolle
mit den alten Texten über denen er seit Stunden gebrütet
hatte. Antonius nahm die alte Schriftrolle ehrfürchtig in
seine Hände und versuchte den uralten Text zu lesen. Es
handelte sich um eine Art Hieroglyphen. Es war eine sehr
alte Schrift. Doch nach einer Weile konnte er den Text
übersetzen und sah von dem Papier wieder auf.
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„Diese Nachricht meint ihr also!“
Der Magier nickte zustimmend und fragte erneut:
„Nun, habe ich sie abgesandt?“
„Ich weiß es nicht, Meister.“ antwortete Antonius
wahrheitsgemäß.
Doch davon später mehr.
Die Schlacht verlief nicht gut für die Menschen. Bei
genauerer Betrachtung verlief sie sogar miserabel für
jeden Beteiligten. Es war ein Zweifrontenkrieg im Gange
und das für jede Partei. Die Alamak beschossen die
Menschen und die Xotha, die Xotha beschossen die
Menschen und die Alamak
und die Menschen
beschossen die Xotha und die Alamak. Zeitweilig
konzentrierte sich das Feuer der Xotha mehr auf die
Alamak was zur Folge hatte, dass die Menschen auch
von den Alamak nicht mehr so stark beschossen wurden.
Das half sehr, um ein wenig zu Atem kommen zu
können. Doch landete auch nur ein Zerstörer einen guten
Treffer, egal ob bei den Alamak oder bei den Xotha,
verstärkte sich das Feuer wieder auf die Menschen. Aber
was sollten sie sonst tun. Sie konnten nur feuern. Zogen
sie sich zurück, würde früher oder später eine der
anderen Parteien die Verfolgung aufnehmen und ihre
Zerstörung wäre dann auch nur aufgeschoben gewesen.
Also feuerten sie weiter. Die Kurg war dabei ihr
wichtigster Trumpf. Dieses von den Drakonianern
gebaute Schiff schien eine unglaubliche Feuerkraft zu
besitzen. Nur wenige Treffen von ihr und die Schiffe der
Menschen würden zerplatzen wie Seifenblasen. Doch bei
den gigantischen Schiffen der Xotha und der Alamak,
schien auch ihre Feuerkraft nur wenig ausrichten zu
können. Die Regenerationszeit der Schildstruktur bei den
seit langem verfeindeten Xotha und Alamak, war äußerst
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kurz. Das machte es sehr schwer wirklichen Schaden
anrichten zu können.
Die Jäger rasten um die Zerstörer und Schlachtschiffe
herum und hielten den Feind davon ab näher zu
kommen. Fast könnte man meinen, ein Schwarm Fliegen
versuchte einen anderen Schwarm davon abzuhalten
sich auf dem gleichen Stück Kuchen breit zu machen.
Eine plötzliche Explosion und eine gewaltige Druckwelle
erschütterte die Kurg so sehr, dass sie von ihrem
vorgegebenen Kurs abwich und mehrere tausend
Kilometer durch das All geschleudert wurde. Die
Menschen und auch die Drakonianer waren überhaupt
nicht darauf gefasst, und so wirbelten sie durch die
Räume wie Wäschestücke in der Schleuder, wenn diese
anlief. Es dauerte einige Minuten bis die Lage sich ein
wenig beruhigt hatte und man das Schiff wieder auf Kurs
halten konnte. Statusberichte trafen von allen Stationen
ein und meldeten unzählige Verwundete.
Auch auf der Brücke der Kurg war einiges durcheinander
geraten. Drahl, der sich mit seinen Klauen fest in die
Lehne seines Captainstuhls gekrallt hatte, wirkte als
Einziger nicht sonderlich überrascht. Dennoch sah sein
langes, weißes Haar aus als habe er eben in eine
Steckdose gelangt. Es stand in alle Himmelsrichtungen
von seinem Kopf ab und wirkte wie elektrisiert. Er hielt
noch immer die Armlehnen seines Stuhls umklammert.
Dass er sie während ihres Unfalls aus ihrer Halterung
gerissen hatte, schien ihn nicht weiter zu stören. Mit
einem Schütteln der Pranken, löste er den lästigen
Ballast von seinen Krallen und dieser scheppernd zu
Boden fiel.
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Morgan krabbelte hinter einer Konsole hervor und hielt
sich schmerzhaft die linke Seite. Er hatte sich vermutlich
eine Rippe gebrochen.
Alex ging es nicht besser. Auch er rappelte sich soeben
vom Boden auf. Er hatte eine kleine Platzwunde über der
Augenbraue,
einen
langsam
blau
anlaufenden
Wangenknochen und die Hände sahen etwas
zerschunden aus. Er machte den Eindruck als käme er
gerade von einem Boxkampf der Schwergewichtsweltmeister den Ring herunter gestolpert.
Commander Clark hielt sich ebenfalls die Rippen und
auch er hatte ein paar blaue Flecken ab bekommen.
Kurz danach befand sich die Kurg bereits wieder in einer
stabilen Lage.
„Was zur Hölle ist passiert?“ fragte Travis Morgan als er
sich wieder so weit im Griff hatte.
„Das war das Ende eines großen Schiffes.“ Die Antwort
kam von Alex, der vor dem 3 x 2 Meter großen
Hauptbildschirm auf der Brücke der Kurg stand und
beobachtete wie dieser flimmernd die Bruchstücke
zeigte, die in rascher Folge an ihnen vorüber flogen.
Drahl Regat tippte mit der Klaue auf einigen Tasten
herum und bestätigte Snows Vermutung.
„Es war die Agamemnon.“ bestätigte er ihnen.
Die Agamemnon war nach der Perséus das Schiff, das
bereits am längsten an den Kampfhandlungen
teilgenommen hatte. Seine Beschädigungen waren wohl
zu stark gewesen.
Travis und Jason gesellten sich kurz zu Alex an den
Monitor, um sich ebenfalls die immer noch auf sie
zutreibenden Trümmerstücke zu betrachten, doch dann
mussten sie sich wieder um das Schiff kümmern. Multiple
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auf der Brücke eingehende Schadensmeldungen
erforderten jetzt ihre gesamte Aufmerksamkeit. Viele
Stationen meldeten Probleme.
Die Druckwelle die der Reaktor der Agamemnon bei der
Zerstörung des Schiffes ausgelöst hatte, hatte viele
Maschinen und Instrumente der Kurg in Mitleidenschaft
gezogen. Das Schiff hatte sich zwar stabilisiert, aber
irgend wie war kein vorwärtskommen möglich. Die
Maschinen hatten fast keine Antriebsenergie mehr.
Da hatten es die kleinen, wendigen Jäger der
terranischen Schiffe bedeutend leichter gehabt. Durch
ihre kleine, kompakte Bauweise, wurden sie von der
Druckwelle zwar ebenfalls durchgeschüttelt, doch
konnten sie auf Grund ihrer Wendigkeit den größten
Schaden abwenden und waren fast sofort wieder
einsatzbereit.
Die Manöver die sie durchführen mussten, um von den
feindlichen Kanonen nicht abgeschossen zu werden,
wurden immer schneller und komplizierter. Die
Energiegeschosse des Feindes pfiffen in grellbunten
Blitzen an den Piloten und ihren Maschinen vorbei. Und
traf ein Geschoss dennoch einen der Jäger, so verging
dieser in einem leuchtenden Feuerwerk und ward auf
ewig vom Himmel getilgt. Viele dieser Lichtblitze sah man
im Dunkel des Alls aufflackern und dort zu schnell wieder
vergehen. Viel zu viele.
Die Jäger mussten sich aber nicht nur vor den feindlichen
Geschützen in Acht nehmen, denn sie mussten auch
durch die unzähligen Trümmerstücke der getroffenen
Schiffe manövrieren. Auf dem Gefechtsleitstand der Kurg
summte auf ein Mal ein Alarm und ein gelbes Lämpchen
unter einer gläsernen Konsolenplatte leuchtete hektisch
blinkend auf. Es war ein Annäherungsalarm.
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„Da kommt etwas ziemlich Großes von Backbord auf uns
zu!“ rief Travis, dem man diese Konsole anvertraut hatte.
„Haben wir noch Kameras, die wir dort hin ausrichten
können?“
„Nicht funktionsfähig!“ rief einer der Drakoffiziere über die
Schulter hinweg.
„Hallo Kurg! Habt ihr Schwierigkeiten?“ kam es auf ein
Mal aus einem der Lautsprecher.
„Ja, aber wer spricht denn da?“ fragte Alex, der sofort zur
Kommunikationskonsole gegangen war und instinktiv den
richtigen Knopf zum aktivieren des Mikrophons gedrückt
hatte.
„O´Reily, Sir.“ kam die Antwort. „Wie kann ich helfen?“
„O´Reily, schön sie zu hören. Hier ist spricht Commander
Clark.“ Jason war zu Alex an das Terminal getreten und
hatte für ihn geantwortet. Er kannte O´Reily. Der irische
Sturkopf war der Commander der Eagles gewesen.
Eines der Jagdgeschwader auf der Perséus, von denen
jetzt wohl nur noch wenig Männer am Leben sein dürften.
„Oh, hallo Commander! Schön zu hören, dass sie ihren
Trip auf das Alamakschiff überlebt haben.“ grüßte der
andere.
„Ja, ja, O´Reily, danke. Wir haben keine Zeit zum
plaudern. Von Backbord kommt etwas auf uns zu und wir
können nicht ausweichen!“ rief er ins Mikro. „Können Sie
uns irgend wie helfen?“
„Alles klar, Commander. Werd´ sehen, was ich tun kann.“
kam die Antwort, dann trat wieder Stille ein.
Es dauerte keine dreißig Sekunden, da flackerte auf ein
Mal der Hauptschirm auf und zeigte plötzlich das, was
den Alarm ausgelöst hatte. Es handelte sich um ein
Trümmerstück der Agamemnon. Es war ein Teil der
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Oberdeckaufbauten des Schiffs, ein Teil der ehemaligen
Brücke, und es war ziemlich groß.
„Wir benötigen sofort Energie für die Schilde!“ rief Clark
in den Raum. Die Antwort war ziemlich ernüchternd. Es
gab keine.
„Antrieb?“ hakte er nach.
Doch auch dort bekam er nur ein Kopfschütteln zu
sehen.
Jason sah in Gedanken bereits wie das Teil auf der Kurg
aufschlagen würde, da zuckten auf ein Mal einige
Energieblitze durch das Dunkel der ewigen Nacht des
Alls und trafen das Trümmerstück. Die kleinen
Explosionen schienen zunächst überhaupt keine
Auswirkung auf das Wrackteil zu haben, doch langsam
aber sicher änderte sich sein Rotationsfaktor. Er wurde
ungleichmäßig. Dann schlug auf ein Mal eine Rakete im
linken Teil des Trümmerstückes ein und man konnte
deutlich sehen, dass sich nun die Flugbahn ein wenig
geändert hatte.
„Das war meine letzte Rakete, Sir. Wir können das
Wrackteil nicht noch mehr beschießen, sonst haben wir
keine Munition mehr für den Feind übrig.“ kam O´Reilys
Stimme wieder über den Äther. „Sie sollten in Deckung
gehen, denn gleich wird es bei euch ziemlich scheppern.
Viel Glück!“
„Danke für ihre Hilfe, O´Reily, und noch eine gute Jagd.“
Es kam keine Antwort mehr zurück
Die Rotation des Trümmerstückes hatte sich erhöht, aber
die Kursänderung war nicht groß genug, um an der Kurg
ohne Schaden anzurichten vorbei fliegen zu können.
Drahl Regat gab das Zeichen für den Kollisionsalarm.
Eine tief klingende, brummende Hupe ertönte, und jeder
Mann wusste was nun kam. Alle suchten sich, so weit
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dies möglich war, einen sicheren Halt und warteten auf
das Schlimmste, das passieren konnte. Auf den
Einschlag dieses riesigen Wrackteils.
Ein plötzliches Ruckeln durchfuhr das Schiff und man
glaubte schon, dies seien die ersten Auswirkungen des
Einschlags, doch auf ein Mal gingen zuvor ausgefallene
Teile der Beleuchtung wieder an, und ein gleichmäßiges
Summen erfüllte alle Korridore und Räume der Kurg.
„Die Schildenergie ist da!“ rief jemand.
„Volle Energie auf die Backbordschilde!“ ordnete Drahl
an. Doch im selben Augenblick erzitterte die Kurg und
wurde abermals herumgeschleudert. Das Trümmerstück
war auf dem Vordeck eingeschlagen und hatte ein
großes Loch in den Rumpf gerissen. Die automatischen
Sicherheitsprotokolle des Schiffes funktionierten noch
nicht richtig, und so konnte man sehen, wie sich
Menschen, Drakonianer und Materialkisten in die
Unendlichkeit des Alls ergossen. Dann erst schlossen
sich irgend wo im Schiff einige Stahltüren und
verhinderten ein weiteres Ausbluten. Es war ein herber
Verlust an Menschen und Material. Ein Verlust den man
hätte vermeiden müssen.
Wiederum musste die Kurg darum kämpfen, ihre
Stabilität wiederzuerlangen, doch es gelang dieses Mal
ein wenig schneller. Das Trümmerstück hatte das Schiff
im Prinzip nur gestreift. Wäre es voll eingeschlagen, hätte
es die Kurg in zwei Teile zerrissen und alle getötet, die
sich auf dem Schiff befanden.
Die Tür zur Brücke öffnete sich und ließ eine völlig
desolat und zerzaust aussehende Andrea Taylor herein.
Branda Deveraux, die sich während der letzten halben
Stunde im hinteren Teil der Brücke aufgehalten hatte, trat
zu ihr und fragte sie, wie es ihr ginge.
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„Ich lebe noch,“ antwortete Taylor, „...was man von
eurem Freund leider nicht behaupten kann.“ Sie sagte
dies allerdings so leise, dass einzig Branda sie hören
konnte. Dann schien ihr wieder einzufallen, dass
Deveraux den Farbigen ja auch erst seit Kurzem kannte,
und sie winkte ihre Bemerkung Branda gegenüber
beiläufig ab. Branda reichte ihr eine Wasserflasche von
ihrem Gürtel und sagte, sie solle sich erst mal hinsetzen.
Das Wasser nahm sie dankend an, aber den ihr
zugewiesenen Platz lehnte sie ab. Sie nahm einen
großen Schluck aus der Flasche und reichte diese dann
wieder zurück an Deveraux. Mit dem Handrücken wischte
sie sich den Mund trocken und fuhr anschließend mit
allen zehn Fingern durch die leicht gewellten Haare, um
diese wieder einigermaßen in Form zu bringen. Sie warf
noch einen kurzen Blick auf Brande, die sie mit
besorgten Augen ansah, ging dann aber wortlos an ihr
vorüber um zu den Männern im vorderen Teil der Brücke
zu gelangen.
„Alex, Jason, Mr. Morgan, könntet ihr mir bitte mal kurz
zuhören? Es ist wichtig.“ begann sie, nachdem sie neben
Drahls Stuhl Position bezogen hatte.
Die Männer hatten eigentlich keine Zeit für ein
Schwätzchen, aber als sie sahen in welchem Zustand
sich Andrea befand, lösten sie sich kurz von ihren
Konsolen und Instrumenten und scharten sich um sie.
„Wie geht es Mungo?“ wollte Travis sofort wissen.
Andrea senkte den Blick zu Boden und schüttelte dann
wortlos den Kopf. Alle wussten was dies bedeutete.
Travis schnappte leicht nach Luft, und ein leichtes Zittern
durchfuhr seinen Körper. Ähnlich ging es Snow. Alex
kannte den Marokkaner zwar nicht so lange wie Morgan,
doch kannte er ihn gut genug, um ihn als guten Freund
anzusehen.
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„Er hat nicht lange leiden müssen.“ versicherte Taylor
den Umstehenden.
„Hat er noch etwas gesagt?“ wollte Morgan kurz darauf
wissen.
„Nein, er nicht.“ gab sie zurück.
„Wie..., wie meinst du das?“ fragte Alex, dem zuerst
bewusst wurde was Andrea da gesagt hatte.
Taylor druckste ein wenig herum bevor sie mit der
Sprache heraus kam. Es schien ihr irgendwie peinlich zu
sein, den anderen von ihrem Erlebnis mit der Stimme die
sie gehört hatte, erzählen zu müssen.
„Es... es war gleich... gleich nachdem Mungo seine
Augen für immer geschlossen hatte. Da... da hörte ich
eine Stimme.“ begann sie.
„Eine Stimme? Was für eine Stimme?“ wollte Clark
wissen.
„Ich... ich weiß nicht recht. Sie schien in mir in meinem
Kopf zu sein. Zu erst konnte ich die Worte überhaupt
nicht verstehen, aber nach einigen Minuten wurde sie
dann deutlicher.“ sie machte eine Pause.
„Und was sagte sie?“ klinkte sich Travis ein.
„Der Wortlaut war: Die Helden müssen zurück. Zurück
nach Skataris, sonst ist alles verloren.“
Alex sah zu Travis. Dieser hatte den Blick in die Ferne
gerichtet. Er dachte wohl darüber nach, was dies zu
bedeuten hatte. Zweifelsohne war es eine wichtige
Botschaft, und zweifelsohne war Morgan der einzige
Mensch hier, der über genügend Erfahrung verfügte um
aus dieser Nachricht schlau zu werden. Doch auch schon
allein die Tatsache, dass Skataris in der Nachricht
erwähnt wurde, machte diese bereits sehr wichtig.
Vielleicht waren die Dämonen wieder auf dem
Vormarsch, dachte sich Alex. Doch dann kam er zu dem
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Entschluss, dass die Armee und ihre Helfer durchaus
auch alleine dazu in der Lage waren die Dämonen
wieder in ihre Schranken zu weisen. Königin Tara wusste
ja wo sie sich befanden und würde nie darauf bestehen,
sie nach Skataris zurück zu holen, nur um dort einen
Krieg fertig zu kämpfen wo sie doch wusste, dass die
Männer hier ebenfalls bis zum Halse im Schlamassel
steckten. So egoistisch war sie nicht.
Ein Funkspruch der „Shogun von Osaka“, dem Schiff der
Japaner, riss die Männer aus ihren Gedanken. Sie
konnten sich derzeit nicht eingehender mit den Worten
die Andrea ihnen übermittelt hatte, beschäftigen. Da
draußen tobte ein Krieg und der erforderte derzeit ihre
ganze Aufmerksamkeit.
Captain Hiro Yamamoto teilte allen anwesenden Schiffen
mit, dass sie sich von dem ihren fern halten sollten, da
die Shogun so stark beschädigt sei, dass er nicht für die
Sicherheit der anderen Schiffe garantieren konnte.
Alex fand diese Geste sehr nett und wollte soeben etwas
dazu sagen, doch in diesem Moment flammte ein riesiger
Feuerball am anderen Ende des kleinen Sonnensystems,
in dem sich die Welt der Drakonianer befand, auf und die
Shogun von Osaka war nicht mehr.
„Mein Gott.“ war alles was Travis dazu sagen konnte, als
er die Explosion sah.
Die Kurg war so weit vom Schlachtfeld weggetrieben
worden, dass sie keine Hilfe anbieten konnte. Ihr Antrieb
hatte noch immer keine Energie, und so mussten sie
hilflos mit an sehen, wie ein Schiff nach dem anderen,
entweder von den Xotha oder von den Alamak
abgeschossen wurde.
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Doch nicht nur die Menschen büßten Kameraden und
Material ein. Die kleinen Jäger der Menschen waren sehr
flink und hätten die Alamak nicht so gute Schilde, würden
ihre eiförmigen Shuttles schon lange nicht mehr so
zahlreich am Himmel patrouillieren.
Dieser Konflikt musste so schnell wie möglich beendet
werden, damit dies für die Beteiligten nicht zu einem
noch größeren Debakel führte.
Die normale Beleuchtung der Brücke auf der Kurg
flimmerte kurz auf und fing sich dann in einem zunächst
schwachen Schimmern, dann aber immer stärker
werdenden Leuchten. Die Energie war wieder hergestellt.
„Ah, wir können wieder loslegen!“ rief Drahl Regat.
„Wie ist der Maschinenstatus? Was machen die Waffen?“
fragte er, ohne jedoch ein Besatzungsmitglied persönlich
anzusprechen. Als er die entsprechenden Berichte
erhalten hatte, befahl er:
„Volle Kraft voraus! Waffen klar zum Gefecht und volle
Energie auf die Schilde!“
Ein leichtes Ruckeln durchfuhr die Kurg, dann setzte sie
sich wieder in Bewegung. Alle Mann bezogen wieder ihre
Posten und machten sich Gefechtsklar.
„In zwei Minuten sind wir in Waffenreichweite, Captain.“
meldete der Waffenoffizier.
„Danke, aber wir werden noch ein wenig länger warten.
Ich möchte sicher gehen, dass unsere Waffen auch den
gewünschten Effekt erzielen. Und außerdem darf der
Gegner nicht zu lange die Möglichkeit haben, unsere
Raketen abzuschießen. Das wäre doch Verschwendung,
nicht wahr?“ meinte er darauf hin und grinste ein breites
Drachenlächeln wobei er seine weißen Reißzähne
ordentlich bleckte. Dass hie und da des Alters wegen
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schon einmal eine dunkle Lücke das strahlende Lächeln
unterbrach, schien ihm nichts auszumachen.
Der alte Drakcaptain hatte sich wieder voll im Griff und
war begierig darauf in den Kampf zu fahren.
Sie hatten den Schauplatz des Geschehens beinahe
erreicht, da gab er den Befehl, aus allen Rohren zu
feuern. Die Geschütze der Kurg verursachten ein wahres
Feuerwerk. Ihre Geschosse und Raketen trafen den
Gegner mannigfaltig und rissen zum Teil ganze
Deckaufbauten von den Stadtschiffen der Alamak. Durch
diesen furiosen Angriff ermöglichten sie außerdem, dass
die noch übrigen Schiffe der terranischen Streitkräfte und
dem Schlachtschiff „San Francisco“, dass diese sich ein
wenig zurückziehen konnten.
Auch die Mannschaft der Kurg war nun ganz begierig
darauf, diese Schlacht zu führen. Sie arbeiteten mit all
ihrer Kraft, dass sie diejenigen waren, die immer wieder
zuerst das Feuer auf den Feind eröffnen konnten.
Travis Morgan, der für den verletzten Sensorenoffizier
eingesprungen war, lieferte perfekte Daten an die
Waffenkontrolle weiter, so dass diese ungeahnt gute
Treffer erzielen konnte.
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Kapitel 12: Das Geheimnis
Die Kampfhandlungen gegen die Dämonen waren
gerade erst vorüber, da löste sich der Zirkel der Magier
plötzlich auf und alle entschwanden in eine andere
Richtung. Würde man sie erneut benötigen, würden sie
es wissen, gaben sie Königin Tara zu verstehen.
Dennoch sah sie den Männern und Frauen die so tapfer
mit ihnen gestritten hatten, ein wenig wehmütig
hinterdrein. Einzig und allein Agathon, der Erdmagier war
noch für wenige Stunden im Palast verblieben. Er saß in
der alten Bibliothek und brütete über vergilbten
Schriftrollen. Als er damit geendet hatte, ging auch er zur
Königin und verabschiedete sich. Dann suchte er den
neuen und noch recht jungen Chronisten, Antonius, des
Klosters der Hirten vom heiligen Pfad auf, und bat ihn,
ihn zu begleiten.
Etwas verdutzt dreinschauend nahm der Chronist die
Einladung an, es gab hier zunächst nichts mehr zu tun,
und es verging noch keine weitere Stunde, da hatten sie
die Stadt auch schon in Richtung Westen verlassen.
Antonius kam dieser Weg sehr bekannt vor, und er ahnte
schon, wohin der Weg sie führen würde. Aber er wollte
nicht zu schnell urteilen und fragte deshalb seinen
Weggefährten.
„Wohin führt uns unsere Reise, Meister?“
„Nun, das solltest Ihr doch wissen. Seid ihr nicht erst vor
wenigen Wochen auf diesem Weg nach Tolun
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- 262 -
gekommen?“ antwortete der Alte mit einem Schmunzeln
auf den Lippen.
„Ihr wollt zum Kloster? Was hofft ihr dort zu finden?“
fragte Antonius neugierig.
„Antworten, mein junger Freund, Antworten.“
„Antworten worauf?“ wollte der junge Chronist wissen,
doch der alte Magier hatte sein Pferd bereits
angetrieben, so dass Antonius nur noch das Gleiche tun
konnte.
Es vergingen gut ein und ein halber Tag bedeutungslosen dahin Reitens, dann hatten sie das Kloster endlich
erreicht. Die Nachricht von Bartholomäus Tod wirkte
bestürzend auf die Bruderschaft, und man konnte dem
alten Abt ansehen, dass die Wahl des Verstorbenen, ihn
den jungen Antonius, zum neuen Chronisten des
Klosters gemacht zu haben, nicht gefiel. Aber dies
musste er nun so hinnehmen, den sonst gab es ja
niemanden der sich mit den alten Schriften auskannte.
Agathon wurde ein Gästequartier zugewiesen, das nur
geringfügig größer war als die sonst im Kloster üblichen
Zellen der Mönche. Doch der Magier gab sich damit
zufrieden, denn er würde eh nur zum Schlafen darin
aufhalten und für diesen Zweck war es mehr als
geräumig. Er ließ also nur sein Reisegepäck dort zurück
und machte sich sofort mit Antonius im Schlepptau auf in
die größte Schatzkammer Skataris´, der Bibliothek des
Klosters.
Dort angekommen erwartete er, einen düsteren, staubig,
ja fast katakombenartigen Raum betreten zu müssen,
und war angenehm überrascht, einen hellen, lichtdurchfluteten Saal mit unzähligen Bücherregalen,
Schreibtischen und Lesepulten vorzufinden.
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In den Regalen aus dunklem Holz, die penibel sauber
gehalten waren, lagerten sowohl gebundene Folianten
als auch unzählige, pergamentene Schriftrollen über und
um das Leben in Skataris und seine Menschen.
An drei von fünf Tischen, saßen Mönche und studierten
Bücher oder waren mit der Abschrift von Büchern
beschäftigt. Die Abschrift von Büchern war für das
Kloster eine der wichtigsten Einnahmequellen, denn dies
konnten sich nur sehr gut situierte Menschen leisten, und
es dauerte manchmal Monate, bis ein Buch kopiert war.
Das Kloster fertigte aber auch Übersetzungen anderer
Texte, zum Beispiel von den Zwergen aus dem Reiche
Hort, oder von den Katzenmenschen im Süden an. Ja
man behauptete sogar, das Kloster wäre in der Lage
Texte der Bergtrolle zu übersetzen. Das war natürlich
blanker Unsinn, denn die Trolle hatten überhaupt keine
gesprochene Sprache, denn sie unterhielten sich
ausschließlich mittels geflöteten und gepfiffenen Tönen,
ähnlich wie man dies von den einheimischen
Pyrenäenbewohnern des europäischen Festlandes her
kannte.
Agathon steuerte direkt auf den Teil eines Regals zu, in
dem er einige der ältesten Schriftrollen vermutete und las
die kurze Beschreibung, die man mit winzigen Lettern auf
einem Stück Pergament geschrieben und an der Front
des Regals befestigt hatte. Es stellte so eine Art
Leitsystem dar, mit dem man schneller fündig werden
sollte, ohne dass man jede einzelne Rolle zur Hand
nehmen musste.
Der alte Magier brummte vor sich hin und griff dann in
den Stapel, um eine der Rollen hervor zu ziehen. Auf
dem breiten Band das die Rolle zusammen hielt, standen
dann weitere Details über Alter und Inhalt des
Schriftstückes, und insgeheim musste er den Mönchen
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seinen Respekt für eine solch ordentliche Arbeit zollen.
Es war alles sehr gut durchorganisiert.
Antonius beobachtete derweil des Magiers Vorgehen und
wunderte sich ein wenig, dass sich der alte Mann doch
so gut und ohne seine Hilfe hier zurecht zu finden schien.
Als er jedoch bemerkte, dass der Mann bereist die fünfte
Rolle aus dem Regal genommen und diese wieder
ungeöffnet hinein gelegt hatte, ging er zu ihm und fragte:
„Kann ich euch irgend wie behilflich sein, Meister.“
Agathon drehte sich kurz zu dem jungen Mann um und
meinte dann:
„Hm, ich weiß nicht. Könntet ihr?“
„Wenn ihr mir anvertrauen wollt, wonach ihr sucht, kann
ich euch bestimmt irgend wie weiter helfen.“ antwortete
Antonius.
Agathon schob die sechste Rolle ungeöffnet in das Regal
zurück und wand sich um.
„Nun gut. Es gibt da eine Geschichte, eine sehr, sehr alte
Geschichte.“ brummte Agathon in seinen Bart. Er sprach
absichtlich leise, denn er wollte nicht, dass die anderen
gestört wurden. Na ja, vielleicht wollte er auch nicht, dass
sie etwas davon mitbekamen was er nun dem Jungen zu
erzählen im Begriff war.
„Eine alte Geschichte?“ hakte Antonius ein. „Ich liebe alte
Geschichten.“
„Hm, hm.“ brummte der Alte und zog dann den
Chronisten am Ärmel ein wenig auf die Seite.
„Kennt ihr die Geschichte von Elkah?“ fragte der Alte und
sah Antonius scharf in die Augen.
Dieser dachte einen Augenblick nach, wobei er den
Namen immer und immer wieder durch seine Gedanken
kreisen lies. Dann schien er die Antwort zu haben:
„Ihr meint die Sage von Elkah dem ersten aller Magier
von Skataris, Ellimak tim Elkah?“
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- 265 -
Agathon nickte.
„Genau diese.“
Antonius´ Gesichtsausdruck verfinsterte sich ein klein
wenig.
„Nun, wenn ich ehrlich bin, habe ich zwar irgend wann
einmal von der Sage um den Magier gehört, aber zu
meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht mehr
so viel darüber weiß wie ich dies jetzt gern täte.“
Der Magier grinste breit.
„Macht euch darüber mal keine Sorgen, junger Gelehrter,
diese Geschichte ist schon so alt, dass selbst ich nicht
jede Einzelheit mehr kenne, und ich bin ebenfalls schon
seeeehr alt.“
„Hm. Das macht die Sache nicht unbedingt leichter, nicht
wahr? Und ihr meint, ihr findet hier etwas schriftliches
über diesen Magier, hier in unserer Bibliothek?“
„Das hoffte ich zumindest.“ zischte der Alte zwischen den
Zähnen hindurch. „Aber jetzt ist meine Hoffnung doch
schon ein wenig gesunken. War ich doch der Meinung ihr
wüsstet ein wenig mehr.“ brummte er dann.
Antonius sah betrübt aus ob seiner Unwissendheit, doch
dann kam ihm ein Gedanke. Bartholomäus hatte ihm
einmal erzählt, das Klöster bürge Schätze von denen
niemand außer ihm wusste, und auch er würde seinem
Akoluthen nur dann davon erzählen, wenn es mit seinem
Leben garantiert zu Ende gehen würde. Nun, dazu kam
es dann ja nicht mehr, denn Bartholomäus verstarb so
schnell, dass man überhaupt keinen Gedanken mehr an
diese Worte richten konnte, und so war dieses
Geheimnis mit ihm gestorben. Welch bedauerlicher
Umstand, dachte Antonius. Doch dann ging ihm ein Licht
auf.
„Ich komme gleich wieder.“ sagte er und verließ die
Bibliothek.
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Es dauerte etwa eine halbe Stunde, da kam der junge
Chronist wieder in die Bücherei und schien außer sich
vor Zorn.
„Dieser verbohrte, alte Narr.“ schimpfte er als er bei dem
Magier anhielt.
„Wen meint ihr damit?“ wollte dieser neugierig wissen.
Antonius sah zu dem Mann auf, so dass dieser sehen
konnte, dass dem Jungen schon fast die Tränen in den
Augen standen.
„Was ist los?“ fragte er wieder.
„Ach! Es ist unser Abt. Er ist ein alter Narr. Es passt ihm
nicht, dass Bartholomäus mich als Akoluthen ausgewählt
hat, und ich durch dessen Tot zu seinem Nachfolger
wurde. Der Abt ist der Meinung ich sei zu jung um eine
solch große Aufgabe übernehmen zu können. Doch ich
sagte ihm, er irre sich und ich wäre sehr wohl dazu in der
Lage. Hmhmmm, mit ein wenig Unterstützung durch ihn,
wäre es natürlich leichter.“
„Aber deswegen wart ihr jetzt nicht beim Abt, nicht
wahr?“
„Äh, nein. Ich sprach ihn auf etwas an, dass
Bartholomäus einstmals zu mir sagte, das er mir aber vor
seinem Tot nicht mehr verdeutlichen konnte.“
„Und nun hat der Abt euch nicht mehr geholfen.“ Agathon
bestätigte ihm dies ohne dass der Junge weitersprechen
musste und wandte sich seinerseits zum Gehen.
„Was... was tut ihr?“ fragte Antonius als er sah, dass der
alte Mann hinausgehen wollte.
„Ich werde mit dem Abt reden.“ bekam er als Antwort.
„Nein, nein bitte tut das nicht!“ rief Antonius laut. Dann
bemerkte er, dass dies alles von den Anwesenden gehört
werden konnte und so entschuldigte er sich schnell für
seine lautstarke Störung. Doch als er sich umdrehen und
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dem Magier folgen wollte um ihm am Gehen zu hindern,
war dieser schon verschwunden.
Deprimiert und niedergeschlagen sank er auf einem der
Stühle nieder und wartete auf das was kommen würde.
Es dauerte keine fünf Minuten, da stand der alte Magier
wieder vor ihm.
„Kommt, wir haben einen Schatz zu heben.“
Etwas verdutzt dreinschauend sah er den Magier an,
erhob sich aber sogleich, um ihm zu folgen. Doch der
Alte hielt ihn am Ärmel fest und klopfte statt dessen mit
den Knöcheln laut auf den neben ihm stehenden Tisch.
Die drei Mönche sahen von ihrer Arbeit auf, gar nicht
sehr erfreut, schon wieder gestört zu werden.
„Meine lieben Brüder, würdet ihr bitte für einen
Augenblick den Saal verlassen!“ Dies war keine Bitte,
sondern ein Befehl, und Agathons Aussprache machte
dies durchaus deutlich. Die Mönche erhoben sich nur
widerwillig von ihrer Arbeit, aber sie wussten, wer der
Alte war und deshalb schien es ihnen nicht angebracht,
mit ihm darüber zu streiten. Sie verließen also den Raum
und Antonius sah den alten Mann noch ein wenig
verdutzter an als zuvor.
Agathon trat an die linke, hintere Ecke des Raumes, dort
wo kurz zuvor das große Regal endete. mit der Rechten
griff er hinter den Rand des Regals und schien nach
etwas zu suchen. Ein freundliches „Ah!“ und ein leises
Klicken, zeigten Antonius, dass der Mann gefunden hatte
wonach er gesucht hatte. Er zog die Hand hinter dem
Regal hervor und berührte dann einen Stein in der
Mauer, der nicht im mindesten anders aussah wie die
anderen. Ohne ein weiteres Geräusch zu verursachen,
schob sich das riesige Bücherregal etwa einen halben
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Meter von der Mauer an der es immer stand weg, und
gab den Weg in einen dunklen Abgrund frei.
„Ah!“ machte Agathon. „Da haben wir wohl einen
geheimen Weg in eine geheime Kammer. Vielleicht eine
Schatzkammer?“ er grinste den jungen Mönch schamlos
an, der immer noch mit geöffneten Mund vor ihm stand
und nicht zu glauben schien was er da sah.
„Ihr solltet euren Mund wieder schließen.“ riet ihm der
Alte, „Sonst fliegt euch noch etwas hinein, dessen
Geschmack euch Ungemach bereiten könnte.“
Antonius hörte auf die Worte des alten Magiers und
flogte ihm in die Dunkelheit hinab.
Kaum hatte er die ersten beiden Stufen hinter sich
gebracht, da verdunkelte sich auch noch der Eingang.
Das Bücherregal war wieder an seinen angestammten
Platz zurückgerutscht. Völlige Finsternis umgab ihn und
er fürchtete schon, seinen Weg in dieser Schwärze
fortsetzen zu müssen, doch da flammte direkt vor ihm ein
Funken auf und entzündete eine Fackel, die zu seiner
Rechten in einer Wandhalterung steckte.
Agathon hatte das Feuer entfacht, das ihnen nun gute
Dienste leistet.
Unzählige Stufen führten sie immer tiefer hinab in den
Bauch der Erde. Es herrschte ein trockenes, ja fast
warmes Klima hier unten, was dem das sie suchten
durchaus nicht schlecht bekommen würde. Wäre es hier
feucht und kühl, könnte man nur sehr wenige Dinge hier
einlagern. Antonius´ Fantasie spielte ihm Streiche. Sie
gaukelte ihm vor, er würde jetzt über einen Schatz von
unermesslichem Wert stolpern. Einfach so beim weiter
gehen. Doch er wusste natürlich, dass dem nicht so sein
würde. Allenfalls fänden sie hier ein paar verrottete
Kisten, vielleicht ein paar Flaschen Wein, oder ähnliches.
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Dennoch spürte er allmählich eine ungewöhnliche
Präsenz. Irgend wie hatte er seit wenigen Schritten das
dumme Gefühl, nicht mehr alleine hier unten zu sein.
Sicher, er war ja nicht allein, denn Agathon ging nur zwei
Schritte weiter vorn vor im die Stufen hinab. Als dieser
jedoch plötzlich stehen blieb und sich zur Linken wand,
stoppte auch er und hielt ungewollt den Atem an.
An der Wand war eine Steinplatte eingelassen, die
deutlich einen Mönch des Ordens zeigte, dem auch er
angehörte.
Der alte Magier leuchtete mit seiner Fackel den Bereich
unterhalb des Bildnisses aus. Dort war eine hölzerne
Tafel angebracht, die den Namen des Gezeigten, sein
Geburtsdatum und seinen Sterbetag zeigte.
„Dies ist das Grab des Abtes Willmann von Bergen. Er
wurde vor fast zweihundert Jahren hier begraben.“ sagte
Antonius einfach so in den Raum.
„Aha, und wie werden eure verstorbenen Äbte heute
beerdigt?“ wollte der Alte wissen.
„Nun, soweit ich weiß, werden die Leichname heute in
der Krypta unserer Kapelle beigesetzt.“
„Wart ihr schon einmal dort unten, in dieser Krypta?“
„Nein, nicht dass ich wüsste.“
„Nun, vielleicht sind wir hier ja in der Krypta. Oder
vielleicht in einer noch viel, viel älteren dieser Art.
Möglicherweise stand einst dort wo heute eure Bibliothek
ist, eine Kirche. Der Bau schien mir doch einiges dafür zu
sprechen.“ meinte Agathon.
Der junge Chronist zuckte mit den Schultern, und
Agathon wunderte sich nicht weiter darüber. Die Mönche
dieser Zeit gingen einfach nur noch ihrer Arbeit nach und
sonst taten sie weiter nichts. Was früher war, oder was
später einmal sein würde, kümmerte sie heute nicht
mehr. Es war ein Jammer... Aber gut, sollte sie tun was
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sie tun mussten, und wir tun was uns beliebt, dachte er
und ging weiter die Stufen hinab.
Unterwegs begegneten sie nun immer wieder solchen
Grabplatten, die zur Rechten wie zur Linken in die
Wände eingelassen waren. Hier waren nun nicht nur
mehr Mönche, sondern auch andere Personen.
Personen von Stand und Ehre. Ritter, Grafen und sogar
Bürger, die es sich irgendwie verdient hatten, hier zur
letzten Ruhe gebettet zu werden. Insgesamt fanden sie
281 Grabmähler mit darauf abgebildeten Personen. Nur
ein einziges hatte kein Gesicht, und keinen Körper. Auf
dieser Grabplatte fanden sie nur einen kleinen,
leuchtenden Stern abgebildet. Sonst nichts.
„Dies ist die Ruhestätte von Luanas Körper.“ bemerkte
Agathon leise. Antonius sah ihn merkwürdig an.
„Ich fragte mich schon, ob sie jemals einen Körper
besessen hatte und wie sie wohl ausgesehen hatte. Ich
kenne sie ja nur vom Palast, und wie sie in ihrer
Sternengestalt durch den Raum schwebte.“
„Nun, ich hörte einmal, dass sie von außergewöhnlicher
Schönheit gewesen sein soll.“ meinte der Alte und
verursachte dadurch einen stechenden Schmerz der
Wehmut in Antonius Brust.
Aber auch das letzte Abbild erweckte ihre Aufmerksamkeit. Irgend wie schien es weniger verrottet, ja eher noch
fast wie neu zu sein. Das Antlitz des Toten zeigte sich so
echt wie das eines Lebendigen. Und als Agathon auch
hier die Fackel zu Boden senkte um zu sehen welchen
Mann man hier begraben hatte, schien ihm der Ausdruck
des Abbildes schon klar zu sein.
„Hier steht; Ellimak tim Elkah, Begründer von Skataris,
Gründer des Zirkels der Magier, Gründer der
Bruderschaft der Hirten vom Heiligen Pfad.“
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Agathon sah die Statue mit merkwürdigem Blick an. Er
reichte Antonius die Fackel.
„Hier, haltet das bitte für mich.“
Der junge Chronist gehorchte.
Der alte Magier wollte eben mit seiner Hand das Gesicht
der Statue berühren, da öffnete diese die Augen,
blinzelte ein, zwei Mal und fragte dann mit tiefer,
volltönender Stimme:
„Was ist euer Begehr?“
Sowohl Agathon wie auch Antonius, zuckten bei dieser
Reaktion einen Schritt zurück.
„Ist... ist das ein Dämon?“ wollte der junge Chronist
wissen.
„Vielleicht. Möglicherweise ein Wächter.“ murmelte
Agathon.
„Nein, bin ich nicht.“ sprach die Statue. „Ich meine, ein
Dämon.“
„Aha.“ machte der Magier. „Aber ihr seid ein Wächter.
Nicht wahr?“
Die Statue schien mit den Augen zu rollen.
„Gut erkannt, alter Mann. Und so frage ich euch zum
letzten Mal. Was ist euer Begehr.“
Eine störrische, sprechende Steinstatue. Das hatte ihnen
gerade noch gefehlt. Agathon dachte kurz nach:
„Wir suchen die Kammer des geschriebenen Wortes.“
antwortete er zögerlich. Dieser Zauber war wirklich
außergewöhnlich. Bisher hatte er nichts vergleichbares
gesehen.
„Was hofft ihr dort zu finden?“ wollte die Statue noch
wissen.
„Nun, wir hoffen, dort mehr über den Begründer von
Skataris, dessen Abbild Du übrigens zierst, zu finden,
und wie es ihm gelang diese Welt zu erschaffen.“
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„Ah, sentimentaler Schnickschnack also.“ prustete die
Statue. Ihr Brust hob und senkte sich, gerade so wie bei
einem Menschen, der einmal schwer ein- und wieder
ausatmete.
„Nun gut, tretet ein.“
Die Grabplatte begann zu flimmern wie die Luft an einem
sehr heißen Tag. Dann zog sie sich um die Statue herum
zusammen und die Figur gab den beiden Besuchern den
Weg in eine zunächst dunkle Kammer frei.
Die Statue trat wieder an ihren angestammten Platz und
füllte die restliche Öffnung damit wieder aus, dass sie
den um sich eingesogenen Teil der Grabplatte wieder frei
gab.
„Wieso habe ich das Gefühl, das wir hier festsitzen wie
Gefangene`“ bemerkte Antonius.
„Nun, weil das vermutlich durchaus der Fall sein könnte.“
meinte Agathon darauf hin. Doch in diesem Augenblick
öffnete sich die gegenüberliegende Wand. „... wenn er
uns nicht wieder heraus lassen will.“ Der Alte deutete mit
dem Finger auf den Lichtschimmer, der an der Wand
immer größer wurde. Es öffnete sich ein Tür, und entließ
die beiden Besucher aus der Dunkelheit in einen Raum,
der so groß war wie eine Kathedrale. Licht durchflutete
unzählige bunte Fenster, die Bilder aus längst
vergangenen Zeiten zeigten. Beide blieben beeindruckt
stehen. Antonius hatte abermals den Mund offen, und
Agathon konnte es sich nicht verkneifen, ihm mit der
Hand am Kinn diesen zu schließen.
Zwischen den hohen Fenstern türmten sich die
Bücherregale bis unter die kuppelförmige Decke. Von
den Wänden selbst, sah man so gut wie gar nichts.
In der Mitte des großen Rundbaus standen zwei Tische
aus dunklem Holz, dazwischen befanden sich einige
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Reihen niedriger Regale, auf denen sich ebenfalls
Bücher und Schriftrollen türmten.
„Seid willkommen, Brüder.“ sprach es auf ein Mal.
Antonius wollte eben eine Frage an den alten Magier
richten, musste sich nun seine Worte jedoch aufsparen.
Sie drehten sich um und sahen, dass der Eingang aus
dem sie gekommen waren, vollständig verschwunden
war. Statt dessen befand sich dort nun ein weiteres,
großes Regal, voll mit alten Pergamentrollen. Und vor
dem Regal stand ein Mönch auf einer Leiter hoch oben
über ihren Köpfen. Ein Tablett mit duzenden Büchern
und Schriftrollen schwebte neben seiner Leiter einher. Er
nahm ein Buch vom Stapel, fügte es in eine Lücke im
Regal ein und kam dann die Sprossen der Leiter herab.
Als er unten angekommen war, konnten sie sehen, dass
der Mann nur von sehr kleiner Gestalt war. Moment mal,
dachte Antonius. Hatte der nicht eben noch viel größer
ausgesehen, als er auf der Leiter dort oben stand? Seine
Gehirnwindungen schienen sich zu verkrampfen. Er
schüttelte kurz den Kopf und richtete seine
Aufmerksamkeit wieder auf den Zwerg der vor ihnen
stand.
„Ich bin Bruder Miguel Seidenfeder, Schriftgelehrter und
Bibliothekar hier an diesem Ort.“ begrüßte er sie.
„Sehr erfreut eure Bekanntschaft zu machen, Bruder
Miguel. Mein Name ist Agathon. Ich bin...“ begann der
alte Magier.
„... der Erdmagier vom Zirkel der Magier. Ich weiß, ich
weiß. Und dies hier ist Bruder Antonius. Der neue
Bibliothekar des Klosters der Hirten vom Heiligen Pfad.
Seid gegrüßt.“ Seidenfeder verbeugte sich.
Antonius war verblüfft. Wie konnte der Mann wissen wer
sie waren? Er war ganz offensichtlich kein Mönch des
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Klosters dem er angehörte. Aber dennoch trug er die
Kutte eines Mönchs. Das alles erschien ihm sehr
merkwürdig. Dennoch lächelte Antonius ihn an und
verbeugte sich ebenfalls.
„Womit kann ich euch dienen?“ fragte der Zwerg.
Agathon sah kurz zu seinem jungen Begleiter hin und da
dieser bereits die Blicke über die Regale schweifen lies,
begann er für sich erst einmal mit einer einfachen Frage:
„Könntet ihr uns sagen, wo wir hier sind? Ich meine nicht
diese Bibliothek, sondern den Ort selbst. Denn dort
scheint mit Sicherheit Sonnenlicht durch die Fenster
herein.“
Bruder Miguel wand den Kopf nach der Stelle auf die
Agathon mit der Hand zeigte und grinste breit.
„In der Tat, dort schein Sonnenlicht herein. Herrlich, nicht
wahr? Diese Farben. Ich liebe es, wenn sie mit dem Lauf
der Sonne über die Regale wandern und immer wieder
lustige Bilder entstehen.“ plapperte der Gefragte.
„Mit dem Lauf der Sonne? Ihr meint, das dort draußen ist
nicht die Sonne von Skataris?“
„Skataris? Nein.“
Antonius Aufmerksamkeit kehrt auf ein Mal mit irrwitziger
Geschwindigkeit zurück, und er fragte ebenfalls noch
einmal nach:
„Wie meint ihr das, dies sei nicht die Sonne von Skataris?
Was sollte es denn sonst sein?“
Dann schien ihm wieder etwas einzufallen.
„Moment mal. Wir sind eben Hunderte von Treppenstufen
hinab in den Bauch der Erde gegangen, und eben dort
durch eine Tür gekommen, wo nun das Regal steht.“ Er
war total verwirrt.
„Wo sind wir denn nun?“ wollte er wissen.
„Meine Frage.“ hakte Agathon ein.
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„Nun, das ist nicht so leicht zu erklären, meine Herren.
Aber ich will es versuchen.“
Miguel wand sich ab und ging auf die Tische zu die in der
Mitte der Bibliothek standen. Er winkte sie zu sich, und
sie folgten ihm. Mit einer Handbewegung bat er seine
Besucher Platz zu nehmen. Er selbst, blieb sehen. So
befand er sich genau auf Augenhöhe mit seinen
Besuchern.
„Dieser Ort... nun wie soll ich es euch am besten
begreiflich machen?“ Er grübelte. „Dieser Ort ist nicht
existent. Zumindest nicht in eurer Zeit.“ offenbarte er und
sah den beiden in die Augen. Bei Agathon sah er nichts,
aber das war bei einem Magier auch nicht ungewöhnlich.
Diese verbargen ihre Gefühle und Motive gerne hinter
einer Maske. Aber bei dem jungen Chronisten, da sah er
Besorgnis, Erschrecken, ja sogar ein Fünkchen
Wahnsinn. Für ihn, musste er die Erklärung so glaubhaft
wie möglich machen, sonst würde der junge Mönch seine
Gedanken nicht mehr ordnen können und sich in seinen
Grübeleien verzehren.
„Nun, es ist nicht ganz so schlimm, wie ihr zu glauben
scheint. Ich nehme mal an, ihr seid durch die
Grabkammer eines der Toten unterhalb des Klosters der
Hirten vom Heiligen Pfad gegangen und dann hier
gelandet.“
Der Magier und der Antonius bestätigten dies mit einem
einheitlichen Nicken.
„Gut. Diese Grabkammer war nicht das was ihr erwartet
habt. Sie ist vielmehr ein Portal, oder... wird es einstmals
eines sein..., das dazu in der Lage ist, Materie, in diesem
Falle zwei Menschen, durch Raum und Zeit zu
transportieren. Ihr, Meister Agathon, müsstet doch so
etwas kennen. Oder nicht?“
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Der alte Magier zog die Augenbraue ein wenig nach
oben und meinte:
„Nun ja, in der Tat habe ich schon den einen oder
anderen Versuch der Teleportation unternommen und
möchte behaupten, damit auch schon Erfolge erzielt zu
haben, aber ich schaffte es bislang immer nur auf
kürzeren Strecken. Ein paar Hundert Meter zunächst,
dann einige Meilen. Aber das war es leider auch schon.“
„Nicht so bescheiden, Meister Agathon, nicht so
bescheiden. Nur sehr wenige vor euch, haben das
Gleiche, wenn überhaupt so viel zu Wege gebracht. Nun
ja, außer einem.“ meinte der Zwerg verschmitzt.
„Ihr schmeichelt mir Bruder Miguel. Habt Dank dafür. Und
wie war der Name dessen, der dies zu Wege brachte?“
„Kein geringerer als Ellimak tim Elkah daselbst. Er und
seine Mannen erschufen und erforschten die Raum-ZeitTheorie, und sie erschufen die Portale zwischen den
Dimensionen.“
„Zwischen den Dimensionen?“ hakte Antonius nach, „Wie
viele Dimensionen gibt es denn?“
„Hm, eine schwierige Frage, eine wirklich schwierige
Frage, mein junger Freund. Mir selbst, sind bislang 32
bekannt. Doch nach unseren Recherchen sind es noch
viele mehr.“
Diese Antwort verblüffte nun auch den alten Magier. Er
und Antonius, wussten von dreien, oder vieren. Aber
Dreißig und mehr? Das war unvorstellbar.
„Ich sehe in euren Gedanken, dass ihr euch vorzustellen
versucht, wie es in den anderen Dimensionen aussieht.
Nun, ich kann euch nur raten, tut das nicht. Es lohnt sich
nicht, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, denn für die
meisten dieser Dimensionen sind die Portale verschollen.
Es gibt keine Aufzeichnung darüber wo sie sein könnten,
und es ist nicht möglich, mit einem Portal in mehrere
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unterschiedliche Dimensionen zu reisen. Es gibt
allerdings eine Legende, dass es ein Portal geben soll,
mit dem man alle Dimensionen erreichen kann.
Aber nun schweife ich zu weit ab.“
Er schien kurz nachzudenken, dann fuhr er fort:
„Ihr wolltet wissen, wo ihr euch befindet. Nun, diese
Bibliothek befindet sich in einer Zeit vor der Zeit. In einer
Art Zwischendimension. Sie steht auf einem der
höchsten Berge und man könnte von ihr aus das
Geschehen der Welt betrachten, ohne älter zu werden.
Zeit, existiert hier nicht. Ihr könntet hundert Jahre lang
hier bleiben und lernen ohne älter zu werden, ohne
Hunger oder Durst zu empfinden, und auch keine
Sehnsucht nach dem euch bekannten Zuhause.“
Miguel sah das Grübeln in Antonius Gedanken.
„Ich will es einmal so ausdrücken; in einer Dimension
beginnen gerade die ersten Dinosaurier den langen Weg
ihrer Existenz an der Erdoberfläche, in einer anderen
bauen die Babylonier an ihrer verrückten Erfindung, mit
einem Turm so hoch wie die Wolken, den Göttern näher
zu sein, und in einer wieder anderen reißen sich
Dämonen in Stücke, weil sie eben erneut aus der
Skatarisdimension verbannt wurden. Und so geht es
weiter und weiter.
Doch eigentlich sind all diese Dimensionen nur
Nebenprodukte.“
„Nebenprodukte? soll das heißen, diese Welten waren
überhaupt nicht geplant?“ hakte der junge Chronist nach.
„Ja und nein. Die Welt in der Ellimak tim Elkah, der Mann
wegen dem ihr hier seid, lebt, ist eine Welt der Erde,
lange vor der Zeit der uns bekannten Menschheit. Eine
Zeit in der die Magie noch existent ist, Fabelwesen ihr
fantastisches Leben führen, und Götter noch wirkliche
Götter sind.“ erklärte der Zwerg.
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„Das hört sich unglaublich an.“ meinte Antonius.
„Fantastisch ist wohl eher der Begriff der das alles
umschreiben kann.“ meinte Agathon.
„Ihr habt beide recht. Aber dennoch ist es so. Elkah hat
den Durchgang zu der Welt die ihr Erde nennt gefunden.
Er hatte die Magie des Zeitreisens benutzt, um dort hin
zu gelangen. Als er sah, was dort vorhanden war, trieb
ihm die Tränen in die Augen. Er war berauscht von der
Vielfalt des Lebens das dort existierte. Seine
Begeisterung kannte fast keine Grenzen und so nahm er
sich eines Tages vor, dieses Leben bewahren zu
müssen.“
„Also schuf er einen Ort, an den er dieses Leben bringen
konnte.“ bemerkte Agathon.
„Genau. Er verbannte die Zeit aus diesem Ort und sorgte
dafür, dass es dem Leben möglich war, immer wieder
einen Zugang zu dieser Welt zu finden. Egal ob dies aus
den in den verschiedenen Epochen der Erde lebenden
Tieren, oder Menschen bestand.“
Miguel machte eine Pause und begab sich zu einem der
Regale. Mit einem Griff an ein kleines Buch das er nach
vorne kippte, öffnete sich ein Teil dieses Regals und gab
den Blick in einen Raum frei, der sich als eine Art Küche
herausstellte. Allerdings war dies keine Küche wie sie
Agathon oder Antonius jemals gesehen hatten. Sie wirkte
überaus „modern“.
Seidenfeder kam mit einem Tablett heraus, auf dem er
drei Tassen und eine Schale mit Gebäck platziert hatte.
Er stellte das Tablett auf den Tisch und fragte nur
beiläufig:
„Tee?“
Die beiden Besucher nickten, und so stellte der Zwerg
jedem eine Tasse hin und das Gebäck, das überaus
vorzüglich duftete, dazu.
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„In der letzten Zeit verdichten sich die Anzeigen, dass
gewisse Spannungen zwischen den Dimensionen sich
auszuweiten drohen. Ihr habt es in Skataris selbst
bemerkt. Die Dämonen fanden erneut einen Weg in eure
Dimension und hätten diese beinahe für sich erobern
können.
Wäre
euer
Land
nicht
mit
solch
überdurchschnittlichen Helden gesegnet, würden heute
die Dämonen das Land regieren und eure Königin Tara
müsste ihr Dasein als Sklavin fristen. Und dieses Übel
wird weiterhin versuchen, aus der ihnen zugewiesenen
Dimension auszubrechen. Glücklicherweise haben sie
bislang noch keinen Zugang zu einer anderen Dimension
gefunden. Ich wüsste nicht, ob die Menschen des
Altertums, oder der Moderne, mit solchen Monstern fertig
werden würde.“ erzählte der Zwerg weiter.
„Es grämt mich, dass meine Mitbrüder im Lande Hort,
sich ebenfalls dieser Gefahr gegenüber sieht. Auch wenn
ich keinen Einzelnen von ihnen persönlich kenne.“
„Nun, so weit ich weiß, hat jede Zeit ihre Helden, und bin
guter Dinge, dass sich in schwierigen Zeiten diese
Helden finden werden.
Aber mir geht es mit meinen Mitbrüdern vom Zirkel der
Magier nicht viel anders. Auch wenn wir kein Volk in dem
Sinne sind wie man sich das vorstellt. Uns liegen alle
anderen genauso am Herzen und wir würden uns ewig
Vorwürfe machen, sollte ihnen etwas Unheilvolles
geschehen.“ Agathon atmete tief durch, dann fuhr er fort.
„Als wir die letzten Tage in Tolun verbrachten, hatte ich
ständig das Gefühl, dass irgend etwas nicht stimmte. Ich
machte mich auf die Suche, fand zunächst aber nichts.
Das ging so lange, bis wir die Dämonen in ihr Verließ
zurück geschickt hatten. Dann wurde es auf ein Mal
besser. Dennoch, irgendetwas quälte mich immer noch,
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und zwar immer am Morgen wenn ich mich auf die Beine
begab.“ Er schüttelte den Kopf, so als ob er nicht recht
wisse was los sei.
Ein Moment des Schweigens entstand und man genoss
den heißen Tee, der irgendwie nach Zimt duftete und
dennoch nach Orangen schmeckte.
„Mir scheint, ihr wisst viel über Elkah, Herr Seidenfeder.“
bemerkte Antonius dann auf ein Mal.
„Leider ist dies nicht so viel wie ich gerne über ihn
wüsste. Sicher, es gibt viel Geschriebenes hier über ich,
aber mir fehlt einfach die Zeit dazu, die ganzen Bücher
und Schriftrollen die man über ihn geschrieben hat, zu
lesen. Aber ich kann euch, die ihr ja sowieso hier seid um
mehr über ihn zu erfahren, die Schriften über ihn, gerne
bringen. Wie ich schon sagte, habt ihr genug Zeit zum
studieren.“
„Das ist überaus freundlich von euch, Seidenfeder. Wir
werden dieses Angebot gerne annehmen.“ bedankte sich
der alte Magier. Dann schlürfte er wieder an seinem
immer noch dampfenden Tee und genoss das kräftige
Aroma.
Es waren eine wahre Flut von Büchern und Schriftrollen,
die der kleine Bibliothekar ihnen zum studieren brachte.
Briefe, Abhandlungen und Aufsätze von Schriftgelehrten
oder solchen die welche werden wollten. Würdigungen
von Bürgermeistern bis hin zu Staatsoberhäuptern von
denen Antonius noch nie etwas gehört hatte. Biographien
und ein Tagebuch.
Ein Tagebuch? Meister Seidenfeder hatte noch nie
davon gehört, dass Elkah ein Tagebuch geführt hat,
geschweige denn, dass dieses hier in der Bibliothek zu
finden war. Es versetzte seinem alten Zwergenherz einen
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kleinen Stich, als der darüber nachdachte, dass er nicht
einmal davon etwas gelesen hatte. Aber wann hätte er
das tun sollen. Die Bücher die hier gelagert wurden,
nahmen Tag für Tag zu und sie zu katalogisieren und
einzusortieren erforderte seine ganze Aufmerksamkeit.
Er kam überhaupt nicht mehr in den Genuss, eines
dieser Bücher zu lesen. Gerade mal für einen kurz
überflogenen Blick in das eine oder andere Werk reichte
seine Zeit, dann musste er auch schon weitermachen. Es
wurde Zeit, dass er einen Helfer hier her bekam. Einen
auf den man sich verlassen konnte. Dann würde er mehr
Zeit für die Dinge finden die ihn schon so lange
interessierten.
Der Erdmagier begann natürlich mit dem Tagebuch des
großen Zauberers. Viele Seiten überflog er nur
oberflächlich, denn sie enthielten nur recht unwichtige
Informationen aus der Jugend des Magiers. Doch
schließlich stieß er auf die ersten Seiten, die sich mit dem
Reisen durch die Zeit, und später auch durch Raum und
Zeit befassten. Elkah beschrieb zunächst nur, dass es
ihm wohl sehr großen Spaß machen würde, sich durch
die Zeit bewegen zu können. Zu sehen und zu erleben,
wie sich die Dinge entwickelten. Dann schrieb er über die
ersten Versuche mit Zaubersprüchen und anderen
Dingen, magischen Dingen, die ihm die Zeitreise
ermöglichen sollten. Sein Ärgernis konnte man spüren,
wenn er von einem Misserfolg schrieb, und seine Freude,
wenn er einen Gegenstand in die Zeit hinaus schickte
und dieser versehrt oder unversehrt wieder zu ihm zurück
kam.
Traurigkeit schien in den Worten mitzuschwingen, als
Elkah davon berichtete, wie er einen Hund in die Zeit
schickte und ihn dort ungefähr fünf Jahre beließ, ihn
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dann zurückholte und feststellen musste, dass der arme
Kerl kläglich verhungert war. Da der Hund nur noch ein
Skelett war, ging Elkah davon aus, dass er schon kurz
nach seiner Ankunft dort verhungert sein musste.
Plötzlich schien es Elkah wie Schuppen von den Augen
zu fallen. Wo hatte er den Hund denn eigentlich
hingeschickt? Nur in die Zeit. Die Zeit war aber kein Ort.
Er sah den Fehler den er gemacht hatte. Der Hund hatte
überhaupt keine Möglichkeit zu überleben gehabt, denn
er irrte fünf Jahre lang ohne Wasser und Nahrung durch
die Zeit. Kein Feld über das er streichen konnte, kein
Herrchen das er finden konnte, und kein Wild dem er
hätte nachstellen können. Wie konnte er nur so dumm
gewesen sein? Wie nur?
Die folgenden Seiten des Tagebuches blieben
weitgehend unbeschrieben. Nur flüchtig eröffnete Ellimak
tim Elkah dem Büchlein jetzt noch seine Gedanken. Zu
tief saß der Schmerz über den Verlust. Zu tief war sein
Respekt vor dem Leben gesunken, wie er sich selbst in
seinem Tagebuch beschimpfte. Dennoch ließ ihn das
Thema nicht los. Er forschte weiter und weiter, und eines
Tages gelang ihm mit Hilfe eine Bronth, eines kleinen
bärenartigen Wesens, das er um Hilfe gebeten hatte, da
es das damals einzig verständige Organismus in seiner
damaligen Welt, dem er erklären konnte was er mit ihm
vor hatte und dass er von den ihm mitgegebenen
Vorräten essen und trinken solle, wenn ihm danach sei.
Egal ob er nun einen Boden unter den Füßen habe oder
nicht.
Der Bronth mit Namen Orsal Kot, ein beschissener
Name, wie Agathon fand, erklärte sich bereit, und schon
kurz darauf war er aus dem ihm umgebenden Zeitgefüge
verschwunden. Um jedoch nicht wieder einen
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schwerwiegenden Fehler zu begehen, holte Elkah ihn
schon nach wenigen Augenblicken zu sich zurück. Kot
bedankte sich für die Reise und meinte, er solle dies
einmal selbst versuchen. Fast fünf Wochen sei er
unterwegs gewesen. Hunger habe er gelitten und Durst
ebenfalls. Doch auf die Frage von Elkah hin, wo er denn
gewesen sei, konnte der Bronth nur wage antworten.
„Es war ein Land von ungeahnter Schönheit, dort wo er
gelandet war.“ begann er.
Ein Himmel so blau wie die See im Süden und Wolken so
weiß und bizarr wie er sie noch nie gesehen hatte. Das
Land sei grün und fruchtbar, und der Reichtum an
tierischem Leben war außerordentlich. Doch leben dort
zweibeinige Riesen, Elkah nicht unähnlich, die reisen mit
großen, stinkenden Wagen, leben in noch größeren
Städten überhaupt nicht in die sie umgebende Welt
passen, und dies und das und jenes. Sein Bericht war
sehr lang.
„So haben wir also eine Tür in eine andere Welt
gefunden.“ sann Elkah über den Bericht am Abend nach,
und schon am nächsten Morgen, so beschloss er, würde
er diese Welt selbst auch einmal besuchen. Würde sich
selbst von der Fülle des Lebens das es dort gab,
überzeugen wollen.
Elkah kehrte zurück und war entzückt. Zwar hatte er nicht
die vom Bronth berichteten Städte und Menschen
gefunden, aber dafür eine Unzahl an Lebewesen, so
bizarr er sie noch nie gesehen hatte. Vögel ohne Federn
an den Flügeln. Statt dessen erhoben sie sich auf Häuten
die zwischen ihren Gliedern wuchsen, in die Luft, und
Eidechsen so groß, dass man auf einen Baum steigen
musste um über sie hinweg sehen zu können. Die
Wälder waren dicht und grün, und überall gab es
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ausreichend Wasser. Aber die Luft erschien ihm
irgendwie stickig zu sein. Der Anteil an Schwefel war viel
zu hoch. Er verglich darauf hin den Bericht von Orsal Kot
mit dem seinen und musste feststellen, dass er zwar in
der selben Welt gelandet war, aber nicht in der gleichen
Zeit wie der Bronth. Wie konnte das geschehen? Wo
hatte er einen Fehler gemacht? Er wusste es nicht.
Einige Seiten später stieß Agathon auf die Lösung von
Elkahs Problem, und von da an reiste der Magier immer
öfter in alle möglichen Zeitperioden der Erde. Und je
öfters er reiste, desto mehr wurde der Gedanke, das
Leben zu bewahren in ihm stärker. Schließlich brütete er
über der Erschaffung eines Horts. Ein Hort des Lebens.
Und von da an, widmete Elkah seine ganze Kraft der
Erschaffung dieses Horts.
Viele Tagebuchseiten später, war in einer Falte der Zeit,
einer Art Zwischendimension, das Land Hort entstanden,
und Elkah gab ihm Tiere und Pflanzen und kleine
Menschen dort hinein. Nun konnte sich Hort selbst
weiterentwickeln. Leben konnte entstehen und wachsen
und bald würde sich das Land erweitern. Dann würde er
wieder neue Lebewesen einsetzen, die sich dort wohl
fühlen konnten.
Elkah sah dass es gut war, und erweiterte die Welt
abermals. Doch irgend wann war er zu alt geworden und
die Jahrtausende nagten spürbar an seinen Knochen. Er
war müde geworden ob seiner Arbeit und ließ sie sich
selbst weiterentwickeln. Nun wollte er das Land nicht
mehr erweitern, denn das erschöpfte ihn zu sehr. Es war
ja schon groß genug. Fast zu groß.
Die Menschen die er dorthin gebracht hatte, hatten
angefangen Grenzen abzustecken und nannten diesen
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Bereich nun Skataris. Wie sie auf diesen Namen
gekommen waren, wusste Elkah nicht, aber er klang
nicht schlecht. Ellimak schuf mit seiner letzten Kraft die
Übergänge von den Dimensionen die er kannte, so dass
der Bestand an Leben gesichert war und immer wieder
Menschen und Tiere hineingelangen konnten, dann legte
er sich zur Ruhe.
„Eines Tages...“, die Schrift im Tagebuch hatte sich
verändert, „... war Ellimak tim Elkah verschwunden. Ich
bin Thomas von Bergan, der Stadt im Südosten von
Skataris. Ich bin der erste der Drachenritter und habe
dieses Buch gefunden. Nach mehr als zehn Jahren die
ich auf den Besitzer wartete, und dieser nicht kam, lege
ich es in die Bibliothek des Klosters der Hirten vom
Heiligen Pfad, um es dort für die Nachwelt zu bewahren.
Anmerken möchte ich noch, dass ich mich lange davor
bewahrt habe, dieses Buch zu lesen. Doch als ich es
dann doch tat, und auch Gwyndragsil, mein treuer
Gefährte, dies für angebracht hielt, kann ich nur sagen,
dass es uns eine große Ehre war, dieses Werk zu
bewahren und wir gerne diesen Ellimak tim Elkah kennen
gelernt hätten. Möge er in Frieden ruhen, denn wir
fürchten, er kehrt nicht wieder zurück.“
„Außerordentlich eindrucksvoll dieses Werk.“ murmelte
Agathon nachdem er das Buch endlich beiseite gelegt
hatte.
„Während ihr in den Analen des großen Magiers
versunken seid, war ich auch nicht ganz untätig. Ich fand
eine Abhandlung von einem gewissen Orsal Kot, der
über Elkah schreibt, ich zitiere: Ein wahrhaft großer
Mann, dieser Zauberer. Er schafft Löcher in der Zeit und
setzt dort Leben ein und es wächst und gedeiht. Ich habe
Bedenken, dass alles gut geht, aber Elkah winkt ab.
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Meint ich solle nicht so negativ sein. Gut, ich verdanke
ihm die Schrift der Menschen und auch das Verstehen
der Worte und all das. Aber ich erinnere mich an die Zeit,
als ich das erste Mal zu den Menschen mit ihrer wirren
Zeit reiste. Sie waren nur nach außen hin freundlich. Viel
Unmut und Hass wuchs in ihnen heran. Viele Kriege
hatten sie schon überstanden. Zu erst verstand ich das
Wort Krieg nicht, bis ich Elkah darauf hin ansprach. Er
war dann nicht da. Besuchte diese Welt und ihre Zeit und
als er wieder kam, hatte er Männer und Frauen nach
dem Land Skataris gebracht, die rechtschaffen und gut
waren. Er meinte, mit ihnen wäre kein Krieg zu machen.
Doch er irrt, denn nur Helden und Magie sind fähig, das
Gleichgewicht in Skataris zu halten, so viel habe ich
schon herausgefunden. Ohne sie, wird dieser Ort dem
Untergang geweiht sein. Ich befürchte, es hat seinen
Anfang bereits genommen. Mögen die Götter den dort
lebenden gnädig sein.“ Antonius endete und sah sehr
bedrückt aus.
„Dieser Orsal Kot scheint mir viel dazugelernt zu haben.“
bemerkte Agathon.
„Ihr kennt den Mann?“ fragte der junge Chronist verblüfft.
„Ja. Elkah hat mit seiner Hilfe das erste Tor zur Erde
aufgestoßen. Damals war er noch ein unbedeutender
Bronth, der nicht lesen und schreiben konnte. Elkah
muss es ihm später beigebracht haben. Aber darüber
stand nichts in diesem Buch.“ erklärte er.
Es entstand eine Zeit des Schweigens, in der ein jeder
nochmals an seinem Tee nippte. Miguel hatte ihnen neu
eingeschenkt, während sie über die Einträge in dem
Tagebuch und dem Bericht sprachen. Er träufelte ihnen
ein paar Tropfen einer klaren Flüssigkeit in ihre Tassen
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und beantwortete den fragenden Blick des Magiers mit
den Worten:
„Eine Variation des Geschmacks.“
Der Geschmack der Orange wich dem süßlichen Duft
einer Tamariskenart und dem Geschmack von Honig und
Pistazien. Und überhaupt, roch es in dieser Bibliothek
mehr nach exotischem Speisen als nach dem zu
erwartenden Geruch Jahrtausende alten Staubes auf den
Büchern.
„Wie...“ begann Seidenfeder zu fragen, als er gerade
seiner eigenen Tasse noch einen Tropfen mehr von
dieser Flüssigkeit hinzufügte, „... denkt ihr darüber, dass
Orsal Kot der Meinung ist, dass nur Helden und Magie
die Gefüge von Skataris zusammenhalten können?“
Agathon sah verwundert auf. Er hatte zunächst geglaubt,
dass dieser Nebensatz nur eine Art schmückendes
Beiwerk sei. Eine Art Verdeutlichung der Empfindsamkeit
des Wesens von Raum und Zeit und seiner darin
existierenden Welt. Miguels Frage schien sich aber direkt
auf die Anwesendheit von Helden und Magie zu
beziehen.
„Ich weiß es nicht.“ antwortete der alte Magier ehrlich.
Dann äußerte er seine Gedanken die er nach Miguels
Frage darüber gehabt hatte, kam aber auch dann zu
keinem anderen Schluss.
„Hm.“ machte der zwergenhafte Bibliothekar. „Wir sollten
versuchen, etwas mehr über diese Sache heraus zu
finden. Irgend wie habe ich das Gefühl, dass an dieser
Sache mehr dran ist, als das was wir dachten.
Seht euch doch bitte die Bücher noch ein Mal an.
Vielleicht könnt ihr einen Hinweis auf weitere
Informationen finden. Würde mich gar nicht wundern,
wenn der alte Elkah noch irgend wo anders eine
Erläuterung dazu verfasst hätte.“
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Die Männer nahmen also die Bücher erneut auf und
blätterten sie Seite für Seite sorgfältig durch, während
Miguel das Geschirr in den Nebenraum räumte. Als er
zurück
kam,
hatte
er
einen
merkwürdigen
Gesichtsausdruck aufgesetzt.
„Was machen denn eigentlich eure Helden derzeit? Sind
sie noch immer in der Zukunft dieses Alexander Snow?“
Agathon sah den Zwerg mit Verwunderung an.
„Woher wisst ihr davon?“
Der Zwerg machte eine abwinkende Handbewegung und
meinte nur:
„Nicht so wichtig, nicht so wichtig. Alles steht geschrieben
wie es sich gehört.“
„Was soll das heißen? Bedeutet das, ihr habt ein Buch
hier in dem steht, was mit Travis Morgan und den
anderen zur Zeit geschieht?“ fragte Antonius hastig,
bevor ihm der alte Magier zuvor kam.
„Nun, nicht so direkt. Ihr vergesst, dass wir uns hier in
einem Raum außerhalb der normalen Zeit befinden. Egal
wo wir hinschauen beginnt soeben eure Vergangenheit,
eure Gegenwart und ja, auch eure Zukunft. Die
Gegenwart hier, schreibt nicht nur die Bücher der
Vergangenheit, und da Zeit ein sehr dehnbarer Begriff ist,
schreibt sie zur gleichen Zeit die Zukunft mit auf. Die Zeit
ist fließend, und das ist sie hier noch stärker als
anderswo.“
„Aber dann könntet ihr uns doch sagen, was gerade
passiert, denn das stünde ja in diesem Augenblick
bereits geschrieben?“ wollte der alte Mann wissen.
„Das könnte ich.“ erwiderte der Zwerg.
„Aber ihr wollt es nicht, nicht wahr?“ mischte sich
Antonius wiederum ein.
„Hmmm nein. Das Problem ist, ich darf es nicht. Nur so
viel sei euch gesagt, Eure Freunde haben schwere
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Prüfungen zu bestehen. Prüfungen die nicht allein Ihre
Kraft und Intelligenz beanspruchen.“
„Werden sie zurückkehren?“ wollte der junge Chronist
nun mit betretenerer Mine erfahren.
„Das weiß ich nicht. Und selbst wenn ich es wüsste,
dürfte ich es euch nicht sagen. Es steht euch aber frei,
euch hier in der Bibliothek zu verlustieren so lange es
euch beliebt. Findet ihr einen Weg, wie ihr Kontakt mit
ihnen aufnehmen könnt, dann spricht nichts dagegen
dies auch zu tun, und sie zur Heimkehr zu bewegen.
Das lag nun also vor ihnen:
1. Sie mussten herausfinden, weshalb Helden und Magie
so wichtig für den Erhalt von Skataris sind?
2. Wie können sie Kontakt mit den Männern in der
anderen Welt aufnehmen und sie zum Umkehren
bewegen?
und
3. Reicht es aus, wenn die Männer wieder im Lande sind,
oder ist etwas bestimmtes zu tun, damit ein
Zusammenbruch dieser Welt nicht doch noch stattfindet?
Nachdem sie diese Aufgaben definiert hatten, machten
sich Antonius und Agathon auf die Suche nach den
entsprechenden Unterlagen.
Emsig
durchforsteten
sie
die
von
Miguel
herbeigeschleppten Folianten und Pergamente, lasen
und studierten und spekulierten über angebotene
Möglichkeiten. Tage lang, Nächte lang.
Bis schließlich...
Der alte Magier fiel wie vom Blitz getroffen von seinem
Stuhl und blieb regungslos auf dem Boden liegen.
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Antonius, der Chronist und Schriftgelehrte des Klosters
der Hirten des Heiligen Pfades, zuckte bei dem Lärm
zusammen und wand sich nach seiner Ursache um. Als
er jedoch den alten Mann am Boden liegen sah, hastete
er sofort zu ihm und fühlte mit den Fingerspitzen nach
seiner Halsschlagader und dem dort sonst spürbaren
Puls. Er schien wider erwarten ruhig und gleichmäßig zu
sein. In diesem Moment schlug der Alte die Augen
wieder auf und sah in das besorgte Gesicht des jungen
Chronisten.
„Keine Sorge, mein Sohn, ich weile noch unter den
Lebenden.“
Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des anderen
breit.
„Nun, wollt ihr mir nicht aufhelfen?“ fragte der Alte, als
der Junge sich immer noch nicht rührte.
Antonius zuckte zusammen und grinste.
„Aber natürlich, Ehrwürdiger.“ antwortete er und zog
dann den Mann vom Boden hoch. Mit dem Fuß zog er
den umgekippten Stuhl heran und stellte diesen ebenfalls
auf, nur um ihn sogleich unter das Hinterteil des Magiers
zu schieben.
„Habe ich sie abgesandt?“ fragte der Alte nach einem
Moment des Schweigens.
„Abgesandt? Was?“ fragte der Chronist verwundert.
„Was? Na die Nachricht natürlich!“ rief der Alte.
„Verzeiht, Herr, aber welche Nachricht meint ihr? Ihr habt
euch seit Stunden nicht von eurem Platz gerührt,
geschweige denn, dass ihr etwas gesagt habt. Ich
glaubte schon, ihr wäret über euren Schriftrollen
eingenickt.“ verteidigte sich Antonius.
„Eingeschlafen? Ich? Keineswegs, keineswegs!“ keifte er
laut.
„Seht selbst, was ich hier fand.“
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Der alte Magier reichte ihm die pergamentene Schriftrolle
mit den alten Texten über denen er seit Stunden gebrütet
hatte. Antonius nahm die alte Schriftrolle ehrfürchtig in
seine Hände und versuchte den uralten Text zu lesen. Es
handelte sich um eine Art Hieroglyphen. Es war eine sehr
alte Schrift. Doch nach einer Weile konnte er den Text
übersetzen und sah von dem Papier wieder auf.
„Diese Nachricht meint ihr also!“
Der Magier nickte zustimmend und fragte erneut:
„Nun, habe ich sie abgesandt?“
„Ich weiß es nicht, Meister.“ antwortete Antonius
wahrheitsgemäß.
Kapitel 13: Das Ende?
Das Trümmerstück raste mit ungeheurer Wucht gegen
den bereits stark lädierten Rumpf der Kurg. Die vorderen
Schotts flogen förmlich aus ihren Verankerungen und der
Druckabfall in den Sektionen war nicht mehr aufzuhalten.
Das Schiff würde auseinander brechen.
Die Feuerleitstände am Bug des Schiffes, waren nicht
mehr einsatzfähig, und der Beschuss durch die Xotha
hörte und hörte nicht auf.
Drahl Regat konnte es nicht fassen. Wie konnte es nur
so weit kommen? Er machte sich die größten Vorwürfe.
Er hätte Boral Gan daran hindern müssen, das
Kommando auf dem Schiff zu übernehmen. Er war
schwach gewesen. Schwach und unverantwortlich. Sie
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mussten das Schiff so schnell wie möglich verlassen.
Langsam bewegte er die Hand zur Konsole und betätigte
einen Schalter. Eine Stimme ertönte:
„Achtung, Achtung, dies ist eine wichtige Durchsage.
Bitte begeben sie sich alle in die Rettungskapseln. Dies
ist keine Übung! Bitte begeben sie sich alle in die
Rettungskapseln. Dies ist keine Übung!“
Diese Ansage wiederholte sich ständig.
Travis und Alex sahen zu Drahl Regat hinüber.
„Kommt, wir müssen hier weg. Schnell!“ meinte dieser
und wand sich in Richtung Tür ab.
Ohne eine weitere Aufforderung abzuwarten, folgten sie
dem Drachenmann hinaus. Doch der alte Drachen führte
sie nicht zu den Rettungskapseln, sondern er führte sie
auf genau dem selben Weg zurück, den sie vor wenigen
Stunden hier her gekommen waren.
Dann kamen sie zu dem Raum, wo der Leichnam von
Mungo el Sarif lag.
„Wir sollten ihn nicht hier lassen.“ meinte Travis und ging
hinein. Der Tote lag immer noch dort, wo Andrea Taylor
ihn zurückgelassen hatte. Die rote Decke mit den
goldenen Symbolen verhüllte seinen Körper vollständig.
Morgan beugte sich hinab, packte das Bündel und warf
es sich über die Schulter. Es schien, als habe der
Leichnam überhaupt kein Gewicht für Travis, denn er lief
ebenso leichtfüßig weiter wie zuvor. Andrea ließ den
Blick sinken und folgte dem Krieger ebenso wie die
anderen.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie den Torraum
erreicht hatten. Drahl Regat betrat den Raum und
aktivierte den Mechanismus, mit dem das Tor seine
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Arbeit aufnahm. Nun hieß es warten, bis die richtige Welt
auftauchte.
***
In einer anderen Ecke des Universums, saßen sich zwei
Männer an einem Tisch gegenüber. Vor sich ein Gebilde
aus ineinanderlaufenden Streben mit mehreren
waagerechten Plattformen in verschiedenen Größen, auf
denen sie kleine Figuren in verschiedenen Farben umher
schoben.
Beide Männer trugen schwere, dunkle Mäntel, deren
große Kapuzen ihre Gesichter im Dunkel des Inneren
hielten. An der Decke des ebenso dunklen Raumes,
schienen Sterne zu funkeln und auf dem Boden sah man
nichts als die kreisrunden Abbildungen einiger Planeten.
Bewegte einer der Beiden eine Figur, löste sich ein
dünner Energiefaden von ihr und wanderte von der
Tischplatte hinab zum Boden, um dort irgendwo in der
Dunkelheit zu verschwinden.
***
Im Torraum erschien die Welt Skataris. Alex und Travis
Morgan wandten sich zu ihren Mitstreitern um
verabschiedeten sich von ihnen. Als Branda Deveraux
und Andrea Taylor jedoch Anstalten machten ihnen zu
folgen, hielt sie der Commander zurück. Fragend sahen
sie ihn an.
„Dies ist nicht eure Welt...“ begann er, „... Wenn ihr dort
hin geht, weiß niemand was geschehen wird.“
„Er hat recht.“ rief Snow, der schon zur Hälfte im
Zeitstrudel verschwunden war, ihnen zu.
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- 294 -
„Wir wurden zurückgerufen, weil unsere Welt uns
braucht. Es ist durchaus möglich, dass eure Welt euch
auch noch braucht. Ihr solltet mit Drahl und den anderen
Draks gehen. Sie gehören in eure Zeit, und wenn sich die
Gelegenheit bietet den Xotha irgend wann eine
auszuwischen, dann werdet ihr bestimmt wieder
gebraucht. Ich hoffe jedoch, dass es dazu nicht kommen
wird. Lebt wohl! Lebe wohl, Branda! Ich habe dich, weiß
Gott, geliebt. Aber ich bin sicher, auch für dich und den
Commander wird es einen Weg geben, den ihr
zusammen gehen könnt.
Lebt wohl Drahl Regat. Ich empfinde größten Respekt für
euch!“
„Das tue ich auch für euch, mein Freund. Vielen Dank für
alles. Lebt wohl!“ grüßte er zurück. Dann war Alex im
Strudel verschwunden.
Travis Morgan verabschiedete sich lediglich mit einer
entsprechenden Handbewegung, dann schritt auch er in
den Zeitstrudel und war sogleich verschwunden.
***
In dem dunklen Raum im Universum, zog ein weiterer
Energiestrahl seine Bahn über den Boden und
verschwand schließlich im dunklen Nichts.
„Ein guter Zug, mein Sohn. Ein guter Zug.“ lobte der eine,
der ein wenig größer war als der andere.
„Ihr solltet besser auf eure Figuren achten, Vater.“
mahnte der Sohn.
**
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Drahl Regat und seine Leute sahen das Tor an und
warteten darauf, dass ihre Welt, der Planet Drakon dort
erschien.
„Ihr seid herzlich dazu eingeladen, mit uns zu kommen.“
sagte Regat. Doch Branda winkte dankend ab.
„Danke Drahl, aber wir werden besser zurück auf die
Erde gehen. Ich war schon ein Mal auf eurem Planeten.
Damals wollte man uns ohne ersichtlichen Grund einfach
töten.“
„Mag sein. Aber dieses Mal würdet ihr unter meinem
Schutz stehen.“ entgegnete Regat.
„Euer Angebot ehrt uns, Captain. Doch auch ich denke
so wie Deveraux. Wir sollten in unsere Welt
zurückkehren.“ mischte sich Clark ein.
„Wie ihr wünscht.“ Regat machte eine betroffene Mine.
Doch dann reichte er den Dreien die Hand zum
Abschied, denn soeben war ihre Welt im Tor aufgetaucht.
Es zeigte ein Bild von San Francisco und der alten
Golden Gate Bridge, die sich noch immer einige
Kilometer entfernt über die Bucht zog.
Vorsichtig betraten die Drei den Zeitstrudel. Andrea warf
nochmals einen Blick zu den Drachenmenschen zurück
und konnte dann in letzter Sekunde ihres Verweilens
dort, die Hitze einer Explosion spüren, und sie sah wie
die noch im Torraum Anwesenden versuchten in
Deckung zu gehen.
***
„Nicht schlecht gespielt, Vater. Aber ihr habt soeben eure
Festung verloren.“ sagte der Kleinere, während er die
turmähnliche Figur von der dritten Ebene des
Spielbrettes schlug. Die Figur wirbelte durch die Luft und
verursachte dabei ein zischendes Geräusch. Als sie
jedoch zu Boden fiel, schien sie in einem kleine
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Funkenregen aufzugehen und war sodann völlig
verschwunden.
Ein missmutiges Brummen kam unter der Kapuze des
anderen hervor und er meinte:
„Nun gut, aber das Spiel ist ja noch nicht vorbei.“
***
Alex und Travis wirbelten durch den Strudel der Zeit und
versuchten die aufkommende Übelkeit zu kontrollieren.
Morgan hatte die Leiche von der Schulter genommen
und hielt sie jetzt mit beiden Armen fest an seinen Bauch
gedrückt, währen Snow sich mit einer Hand im Gürtel des
Warlords verkrallt hatte, und mit der anderen die Beine
der Leiche fest hielt.
„Hoffentlich sind wir bald da, sonst kotze ich dir noch ins
Genick!“ rief er dem Mann vor sich zu.
Travis drehte den Kopf und sah über die Schulter.
„Du vergisst, dass der Wind von vorne kommt. Und wenn
es mir hoch kommt, dann bekommst du die Hauptladung
ab.“ schrie er und grinste breit.
„Aber irgend etwas ist merkwürdig.“ rief er dann nach
hinten. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bei unserem
ersten Trip durch die Zeit viel schneller am Ziel waren.
Oder täusche ich mich da?“
Alex versuchte eine Blick in die Runde zu machen und
kam zu dem selben Ergebnis. Sie waren tatsächlich
schon sehr lange unterwegs. Und als hätte er es
ausgesprochen, öffnete sich der Zeitstrudel auf ein Mal
und sie standen wieder still. Doch sie waren nicht dort,
wo sie sich erwartet hatten. Statt dessen erschienen sie
inmitten des sie umgebenden Universums. Sie
schwebten schwerelos durch das All. Sterne funkelten
um sie herum und Planeten kreuzten ihre Bahn. Oder
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war es umgekehrt? Kreuzten sie die Bahnen der
Planeten? Eines war ihnen jedoch sofort klar. Dies hier
musste ein Traum sein, denn wären sie tatsächlich
irgendwo im All, wären sie beide bereits bei Austritt aus
dem Zeitstrudel tot und eingefroren. Aber sie lebten, und
sie konnten atmen. Was war also geschehen?
Travis wollte sich das Bündel eben wieder über die
Schulter legen, um sich besser bewegen zu können, da
spürte er eine leise Bewegung die nicht von Snow her
kam. Plötzlich wurde diese Bewegung stärker. Sie kam
von dem Bündel das er trug, doch das war unmöglich.
„Alex, was ist hier los?“ fragte er.
Snow hatte die Bewegung ebenfalls gespürt und hatte
die Beine darauf hin los gelassen.
„Keine Ahnung. Wir müssten eigentlich tot sein.“
Doch in diesem Moment bäumte sich der in das rote
Tuch eingewickelte Körper auf und schien nach Luft zu
ringen. Morgan hätte ihn beinahe fallen gelassen.
Da sie keinen Boden unter ihren Füßen sehen konnten,
aber dennoch fest auftreten konnten, setzte er den noch
eben tot geglaubte Freund ab und begann das Tuch um
den Kopf herum abzuwickeln.
Als das Gesicht von Mungo el Sarif darunter hervor kam,
war seine farbige Haut noch immer sehr bleich, und
Leben schien sich auch noch nicht in dem Körper zu
rühren. Doch weshalb hatte er sich dann bewegt?
In diesem Moment begannen die goldenen Symbole auf
dem Tuch zu leuchten. Ihre Helligkeit nahm immer mehr
zu und sie strahlten eine Wärme aus, die dem Warlord
fast die Fingerverbrannte. Vorsichtig ließ er den Körper
zu „Boden“ sinken und trat einen Schritt zurück.
„Was geschieht hier?“ fragte er Alex.
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Morgan.“
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Das Glühen wurde nun so hell, dass es den Körper völlig
bedeckte. Von dem roten Stoff war bereits nichts mehr zu
sehen. Dann bäumte sich der Körper erneut auf, und in
diesem Augenblick schien der Mann wieder Luft zu
holen. Das Glühen verglimmte, und Alex konnte sehen
wie Mungo die Augen wieder aufschlug.
Das Erste was seine Augen erblickten, war die
Dunkelheit über ihm und die Sterne die sich darin mit
ihrem Funkeln verteilt hielten. Langsam kehrte die Farbe
wieder in sein blasses Gesicht zurück, und er öffnete den
Mund:
„Wo... wo bin ich?“ fragte er.
Morgan beugte sich über ihn und sah ihn mit festem Blick
an.
„Das wüssten wir auch gerne. Aber es ist schön, dass du
wieder unter den Lebenden weilst.“
„Unter... unter den Lebenden? Was... was ist
geschehen?“ wollte er wissen.
„Du wurdest von einer Schlange gebissen. Sie war giftig.“
Mungo schien zu verstehen, denn er sagte nichts weiter.
Statt dessen versuchte er sich aus seinem Gefängnis zu
befreien. Er war noch immer ziemlich eng in das nun
wieder rote Tuch gewickelt und versucht sich mit ein paar
geringfügigen Bewegungen daraus zu befreien. Travis
half ihm auf die Beine und Alex wickelte ihn langsam aus.
„Kannst Du stehen?“ fragte ihn Morgan nachdem das
Tuch entfernt war.
„Ich... ich denke schon. Danke.“
Doch als Morgen ihn los ließ, sackte er in die Knie und er
musste ihn wieder festhalten.
„Ich denke, du stützt dich besser noch ein wenig auf
mich.“
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Mungo nickte, denn seine Beine zitterten noch ganz
schön, und er war dankbar für den Gegenhalt, den der
Mann neben ihm, ihm gab. Da kam ihm auf ein Mal ein
Gedanke.
„Verzeihung, aber wer seid ihr?“ fragte er die Männer.
Alex sah Travis an und dieser blickte zu ihm zurück.
„Kannst du dich nicht mehr daran erinnern? Ich bin Alex.
Alexander T. Snow. Und der freundliche Herr hier ist
Travis Morgan, der Warlord. Wir sind deine Freunde.“
„Ich... ich kann mich... mich nicht daran erinnern.“
Man sah deutlich, dass er es versuchte. Aber es schien
nicht zu funktionieren. Noch nicht.
In diesem Moment blitzte weit, weit vorne ein helles Licht
auf und zog damit die Aufmerksamkeit der Männer auf
sich. In dem hellen Licht schien sich eine Gestalt zu
manifestieren, die langsam größer und größer wurde. Es
dauerte einige Momente, bis man die Person wenigstens
einigermaßen erkennen konnte. Es war eine hagere
Gestalt von mittlerer Größe. Die Haare hingen dem Mann
in leichten Wellen bis auf die Schultern hinab, die von
einem groben Leinentuch bedeckt waren. Sein Gesicht
war lang und schmal und ein kurzer, dunkler Vollbart
zierte das Kinn. Seine Augen blickten ruhig und
gelassen. Er hob die Hände und zeigte ihnen die leeren
Handflächen. Doch ganz so leer waren sie nicht, denn
sie wiesen zu beiden Seiten Wundmale auf. Sein Blick
schien leicht abwesend zu sein, aber als sich seine
Stimme erhob, strahlte sie Wärme und Mitgefühl aus.
„Fürchtet euch nicht, denn ich bin das Licht das euch aus
dem Dunkel hilft.“
Morgan zog eine Augenbraue nach oben und meinte so
halb zu Alex geflüstert:
„Siehst du auch das was ich sehe?“
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Alex nickte.
„Das tue ich. Und glaubst du, dass er es ist, den zu
sehen du glaubst?“ fragte Snow.
„Nun, ich sehe vermutlich das was du siehst, aber ich bin
mir nicht sicher ob es das ist was ich eigentlich sehen
sollte.“ antwortete Taylor.
„Bist du Christ?“
„Ich bin getauft, wenn du das meinst?“
„Ich auch. Aber das war es dann auch schon.“
„Also keine theologische Diskussion über Erscheinungen
und Wunder?“ wollte Morgan noch leise wissen.
„Nein, ich denke nicht.“
Dann war der Fremde auch schon heran.
„Wer seid Ihr?“ wollte Morgan von dem Fremden wissen.
Der hagere Mann der gut einen Kopf kleiner war wie
Travis und eineinhalb Köpfe kleiner wie Alex, hob kurz
den Blick zu ihm empor und meinte dann in seiner ganz
gelassenen und ruhigen Art:
„Ihr wisst wer ich bin.“ Dann wandte er seine
Aufmerksamkeit wieder auf Mungo, den er zuvor schon
im Blick hatte.
„Dir sei vergeben, mein Sohn. Erinnere dich deiner
Freunde und an dein Leben. Deine Zeit ist noch nicht
gekommen.“
Mit diesen Worten hob er die linke Hand und hielt sie in
einem Abstand von ungefähr zwanzig Zentimeter vor
Mungos Gesicht. Ein goldener Ring mit einer Kugel in der
Handfläche war zu sehen. Die Kugel rotierte langsam im
Uhrzeigersinn. Während der Rotation lösten sich kleine
Flügel von der Kugel und formten diese zu einer Blüte.
Als die Blüte komplett war, begann der Mittelteil leicht zu
glimmen. Das Leuchten verstärkte sich von Mal zu Mal
und plötzlich löste sich ein gleißender Lichtstrahl aus der
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Kugel und fand sein Ziel auf Mungos Stirn. Das Licht
legte sich um sein Haupt und waberte wie Hitzewellen
auf dem Asphalt um seinen Kopf. Schmerzen schien es
ihm nicht zu bereiten, denn der Mann stand völlig ruhig
da. Einen Augenblickspäter erlosch das Licht und Mungo
sank ein wenig in die Knie. Es schien aber nur eine kurze
Schwäche zu sein, denn er fing sich sofort wieder, und
noch bevor er auch nur ein einziges Wort an den
Fremden
richten
konnte,
war
dieser
wieder
verschwunden.
„War das Gott?“ wollte Mungo wissen.
Alex und Morgan sahen sich an. Der Erscheinung nach
hätte er Jesus Christus sein können, und vielleicht war
diese Vorstellung auch seine Absicht gewesen. Aber
brauchte Jesus Gerätschaften um seine Wunder zu
vollbringen? Gerätschaften wie diesen Ring?
„Neeeeee!“ sagten beide gleichzeitig.
„Aber wer war er dann?“ hakte Mungo nach.
„Nur ein freundlicher, junger Mann mit langen Haaren,
einem kurzen Vollbart und einer Leinenkutte. Mehr nicht.“
erklärte ihm Travis.
„Aha.“ Mungo hatte die Unsicherheit seiner Freunde
gespürt und gab sich mit dieser Antwort zufrieden. Doch
für sich selbst, wollte er glauben, dass dies eine
Erscheinung von höchster Ebene war. Und dies wollte er
in seinem Herzen bewahren.
Ein anderes Leuchten entstand zu ihrer Linken, und sie
sahen sich wieder in dem Zeitstrudel, der sie von der
Kurg heruntergebracht hatte. Allerdings wurden sie nicht
wieder durcheinander gewirbelt, sondern setzten ihre
Reise völlig ruhig fort.
***
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Die beiden Kapuzen tragenden Männer saßen sich
schweigend gegenüber. Der ältere der beiden hatte sich
soeben eine Figur zurückgeholt und grinste in der
Dunkelheit seiner Kopfbedeckung.
„Ein guter Zug, Vater.“ kam es über des anderen Lippen.
„Doch er wird euch nichts nützen.“
***
Kapitel 14: Ellimak tim Elkah
Ein Wechsel der Farbe innerhalb des Zeitstrudels lenkte
die Aufmerksamkeit der Männer von sich auf ihre Reise
zurück.
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„Was geschieht denn nun schon wieder?“ wollte Morgan
wissen, der sich eben noch mit Mungo über seine
Erinnerungen unterhalten hatte. Der Marokkaner schien
sich nun tatsächlich wieder an alle Begebenheiten von
früher zu erinnern. Er wusste auch sofort wer die beiden
Begleiter an seiner Seite waren.
„Ich bin mir nicht sicher...“ antwortete Alex, „... ich glaube,
unsere Reise ist gleich zu Ende. Wenn ich mich recht an
unsere letzte Tour durch die Zeit erinnere, und die ist ja
noch gar nicht so lange her, dann zeigt der Farbwechsel
dies an.“
Und als hätte jemand den Mixer abgeschaltet, hörte der
Wirbel auf sich zu drehen und entließ die drei Krieger aus
seiner Umklammerung.
„Das ist aber nicht Skataris.“ meinte Mungo nach seinem
ersten Blick. Die anderen Beiden sahen sich um und
mussten ihm Recht geben. Ein eindeutiges Zeichen
dafür, dass sie recht hatten, war der dunkelblaue
Nachthimmel über ihnen.
„Na ja, wenigstens haben wir einen richtigen Boden unter
den Füßen.“ meinte Travis, als er ein paar Schritte
gegangen war.
Die Erde mit einem etwas dürftigen Grasbewuchs gab
unter seinen Schritten ein wenig nach. Feuchte Kühle
stieg vom Boden auf. Es musste erst vor kurzem
geregnet haben. Gott, wie lange hatten sie schon keinen
Regen mehr auf ihrer Haut gespürt? Und als hätten sie
alle drei das Gleiche gedacht, begann ein jeder von
ihnen, an sich zu riechen. Alex und Travis verzogen
dabei ein wenig das Gesicht. Aber Mungo grinste nur.
„Sag nichts!“ sagte Morgan zu ihm und hob drohend den
Finger.
„Ich werde mich hüten, alter Freund.“ antwortete der
andere, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.
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Travis machte ein böses Gesicht, aber er wusste, dass
der Freund recht hatte. Snow und er konnten durchaus
ein Bad vertragen.
„Lasst uns sehen, ob wir nicht irgendwo einen
geeigneten Lagerplatz finden.“ meinte Alex nach einer
Weile, und die Freunde stimmten seinem Vorschlag
bedingungslos zu.
Die Geräusche der Nacht, die bei ihrer Ankunft
schlagartig verstummt waren, nahmen nun ihren
angestammten Platz in der Natur wieder an und überall
begann es zu zirpen, zu krächzen, zu schreien. Die Tiere
hatten wohl ihre erste Angst überwunden und machten
nun keinen Hehl daraus, dass die Neuankömmlinge in
ihrem Revier nicht gerne gesehen waren.
Zu ihrer Rechten zog sich ein Dschungel entlang, soweit
das Auge reichte. Zu ihrer Linken war dieser auch nicht
weit entfernt. Der Zeitstrudel hatte sie auf einer Lichtung
inmitten eins Urwaldes abgesetzt. In einem Urwald voller
Gefahren, wie es Morgan nach dem Schrei eines
Raubtieres, einer Großkatze vielleicht, sofort bewusst
wurde.
„Gehen wir dort hinüber.“ meinte er, nachdem er sich
kurz umgesehen hatte. In der Richtung die er sofort
einschlug, stand in der Nähe des Waldes ein einzelner,
großer Baum. Der untere Teil seiner Äste befand sich in
gut zehn Metern Höhe. Unmöglich also für ein Tier, sie
dort oben zu erreichen. Aber es hingen jede Menge
schlingpflanzenähnliche Gewächse von den Ästen herab,
so dass es für Menschen nicht unmöglich war, dort
hinauf zu gelangen. Sie zogen an den Pflanzenstricken
um ihre Festigkeit zu testen. Die Ersten kamen ihnen
auch prompt entgegen, doch schließlich fanden sie
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einige Lianen die ihr Gewicht gut halten konnten, und so
begannen sie mit dem Aufstieg.
Als Alex am nächsten Morgen erwachte, fühlte er etwas
warmes, schweres auf sich liegen. Er hob den Kopf und
sah, dass sich auf seinem Bauch eine Schlange
zusammengerollt hatte und ebenfalls schlief. Vorsichtig,
um sie nicht zu erschrecken, packte er sie hinter dem
Kopf, man wusste ja nicht ob sie giftig war, und zwei
Ringe ihres Körpers, und hob sie von seinem Bauch. Sie
öffnete die Augen und sah ihn direkt an, so als wisse sie,
wer er sei. Ihr blauschwarze Zunge mit den zwei Spitzen
züngelte aus der kleinen Öffnung zwischen Ober- und
Unterlippe heraus und prüfte die Luft, den Geruch und
den Geschmack ihres Gegenübers.
„Genug geschlafen.“ sagte er zu ihr. „Such dir ein Opfer
dass du auch fressen kannst. Ich bin ein zu großer
Happen für dich.“
Mit diesen Worten richtet sich Snow auf und setzte die
Schlange ein paar Äste weiter wieder ab. Sie verzog sich
sofort.
Ein lauter Pfiff war von der Lichtung zu hören, und zwang
Alex sich umzudrehen. Travis stand einige Meter weiter
unten und winkte ihm zu.
„Kommt runter, ihr müsst euch unbedingt was ansehen!“
rief er hinauf.
Snow sah sich nach Mungo el Sarif um, der durch den
Pfiff ebenfalls wach geworden war. Doch wie er Alex
fragend ansah, musste dieser mit einem Schulterzucken
verneinen.
Alex packte eine der langen Lianen, schlang seinen Fuß
um sie herum und hob dann die Handflächen an den
Mund. Das, was dann kam, hätte wohl keiner von seinen
Begleitern erwartet.
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Aus Snows Kehle erhob sich ein Schrei, ähnlich dem,
den ein gewisser Tarzan der im Dschungel von Afrika
von Affen groß gezogen worden war, und der diesen
immer benutzte, um die Tiere des Waldes zu rufen. Dann
nahm er die Liane und schwang sich dem Affenmann
gleich, vom Baum herab, nur um wenige Meter vor Travis
zu landen, der sich vor Lachen kaum noch halten konnte.
„Was?“ fragte Alex und grinste schief.
Doch Morgan brachte kein vernünftiges Wort heraus.
Statt dessen lachte er weiter.
Mungo verließ den Baum so wie er hinauf gelangt war
und trat nun zu ihnen. Er sah Alex verwundert an.
„Was war denn das?“
Doch Alex verdrehte nur die Augen und ging dann ein
Stück von ihnen weg.
El Sarif wandte sich an Morgen.
„Weshalb lachst du so? War das denn komisch, was Alex
da gemacht hat?“
Morgen beruhigte sich ein wenig und nickte heftig.
„Ich verstehe das nicht.“ meinte der Neger und ging zu
Snow hinüber.
„Alex, würdest du mir das erklären?“
Alex sah ihn an, während Morgan breit grinsend an ihnen
vorbei lief und meinte, sie sollen ihm folgen. Das taten
sie auch.
„Kennst du einen gewissen Tarzan, Mungo?“ fragte er
den Schwarzen.
„Hm, nein. Lebt er in Skataris?“
„Nein, ich glaube nicht. Aber er lebte in Afrika.“
„In Afrika? Ich habe nie von ihm gehört. Was ist er?“
Auf dem Weg dorthin, wo Morgan ihnen etwas zeigen
wollte, erklärte Snow dem Marokkaner in kurzen Worten
um wen es sich bei dem Mann handelte, und dass er in
seiner Kindheit sehr viel Freude an den Geschichten um
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diesen Mann hatte. Und nun, da er sich zum ersten Mal
in seinem Leben in einem Dschungel befand, wollte er
mal ausprobieren, ob der Ruf des Affenmannes
tatsächlich die Wirkung hatte, wie in den Geschichten
über ihn. Er korrigierte seine Geschichte in dem Punkt,
dass er hier zum ersten Mal in einem Dschungel war.
Das war nicht richtig, denn er war ja auf Drakon, und in
dem Dschungel auf dem Planeten, auf dem sie auf die
Ankunft der Flotte der Drakonianer gewartet hatten. Doch
dort hatte er weder die Zeit noch einen Gedanken für
diese Spielerei gehabt und so hatte er die Situation
genutzt und es hier einfach mal ausprobiert.
„Aber weshalb lachte Morgan dann so sehr?“
„Nun, ich denke er kennt die Geschichten um Tarzan und
er fand es lustig, dass ich mich auf diese Art und Weise
hier produziert habe. Womit er nicht unrecht hat. Mir hat
es auch sehr gefallen. Nur schade, dass es nicht die
richtige Wirkung hatte.“
„Die richtige Wirkung? Was hätte denn passieren sollen?“
„Na ja, in den Filmen kam dann immer ein Elefant von
irgendwo her und bot Tarzan seinen Rücken zum Reiten
an.“ Alex seufzte. „Aber hier scheint es ja keine Elefanten
zu geben.“
„Oder der Schrei war nicht richtig.“ meinte Morgen, der
kurz vor ihnen angehalten hatte. Sie standen vor einem
dichten Gestrüpp, das ihnen die Sicht auf den weiteren
Weg versperrte. Travis schob es mit beiden Händen
auseinander und wies die beiden Begleiter an, hindurch
zu sehen. Was ihren Augen dort präsentiert wurde,
konnten sie zunächst unmöglich glauben.
„Das... das ist unmöglich!“ meinte Alex, als Morgen die
Büsche wieder los ließ.
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„Ich glaube...“ kam es von Mungo, „... diesen Begriff
können wir langsam vergessen. In der letzten Zeit
scheint es nichts mehr zu geben, das unmöglich wäre.“
Snow und Travis sahen den Marokkaner an, sagten aber
nichts. Statt dessen betrachteten sie erneut, was Morgan
ihnen gerade präsentiert hatte.
Hinter dem Buschwerk erstreckte sich ein weites, grünes
Tal mit mehreren Wasserläufen, die sich gemächlich
durch die Landschaft schlängelten. Bevölkert wurde
dieses Tal von den unterschiedlichsten Arten von
Dinosauriern, die sich zu Lande, zu Wasser und in der
Luft tummelten. Nun, diese Tatsache alleine wäre ja noch
nicht einmal verwunderlich, stünden nicht auf einem
hinter dem Tal gelegenen Hügel, mehrere Gebäude von
komplexer Bauart, die sich alle zusammen unter einer
gewaltigen Glaskuppel befanden. Vom höchsten Punkt
der Kuppel ragten mehrere Antennen in den Himmel, und
von der dicksten, ergoss sich ein breiter Energiestrahl in
das leuchtende Blau des Firmaments.
„Definitiv nicht Skataris.“ merkte Mungo an.
Alex sah in an und verzog den Mund. Die Erklärung,
dass sie wieder nicht in Skataris gelandet waren, war nun
ja überflüssig. Aber sollte er ihnen sagen, dass das was
sie hier sahen eigentlich auch nicht einfach so existieren
durfte? Dinosaurier und Menschen zur gleichen Zeit auf
der Erde? Das war unmöglich. Nein halt, dieses Wort
wollten sie ja nicht mehr benutzen. Doch wie konnte man
sich die Situation denn sonst erklären? Hatte man die
Dinos wieder zum Leben erweckt? Das war vielleicht
nicht mehr unmöglich, aber doch sehr unwahrscheinlich.
Ein Laut wie ein Peitschenknall zog die Aufmerksamkeit
der Drei wieder auf das Tal vor ihnen. Der Knall
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wiederholte sich, aber sie konnten noch nicht erkennen,
woher er gekommen war. Doch dann kam Bewegung in
die Herden der Dinosaurier. Sie schienen plötzlich alle in
eine bestimmte Richtung davon zu laufen. Travis und die
anderen richteten ihre Augen auf einen entgegen
gesetzten Punkt des Tales, und dann konnten sie
erkennen, weshalb die Tiere die Flucht ergriffen. An
diesem Punkt erschienen auf ein Mal mehrere
Raubsaurier. Es waren insgesamt sechs T-Rex, und auf
ihrem Rücken befanden sich doch tatsächlich
menschliche Reiter. Das Brüllen der Tyrannosaurus Rex
und das Knallen der Peitschen, mit denen die Männer die
Saurier vorwärts trieben.
***
„Scheint so, als wärest du hinter meinem Läufer her,
Sohn.“ kam es unter der dunklen Kapuze des Mannes
hervor der dem anderen an dem Tisch in dem dunklen
Raum des Universums gegenüber saß. Der andere sagte
nichts, sondern zuckte nur mit den Schultern.
„Lass dich von mir nicht auf´s Glatteis führen, mein Sohn,
sonst verlierst du.“
Doch sein Gegenüber zuckte nur erneut mit den
Schultern.
***
Snow, Travis und Mungo el Sarif beobachteten so
interessiert die Vorgänge unten im Tal, dass sie gar nicht
bemerkt hatten, dass sich ihnen von hinten etwas
genähert hatte. Ein tiefes, kehliges Knurren und eine
Woge heißen Atems im Genick, ließ sie auf ein Mal
herumfahren. Der Schrei des T-Rex war so gewaltig laut,
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dass er den drei Männern fast die Trommelfelle platzen
ließ. In Geistesgegenwart ihrer langen Jahre als Krieger
für die Königin von Tolun, und die erworbene Erfahrung
während dieser Zeit, stoben die Männer auseinander.
Mungo und Travis in die eine Richtung, Snow rettete ein
Hechtsprung über die Hecke nur um Haaresbreite vor
den zuschnappenden Kiefern der Bestie. Wie hatte es
ein fast fünf Tonnen schwerer Dinosaurier geschafft, sich
völlig lautlos an sie heran zu schleichen? Egal, erst mal
weg hier, dachte sich Snow und nahm die Beine in die
Hand. Sein Weg führte ihn durch das dichte Gestrüpp
das sich rings um die Lichtung herum gebildet hatte,
zurück zu dem Baum auf dem sie die Nacht verbracht
hatten. Er war sicherlich hoch genug, um den Zähnen
des T-Rex entkommen zu können. Das Gestrüpp war so
dicht, dass der Urzeitriese nicht so ohne weiteres
hindurch gelangen und nach schnappen konnte.
Alex bewegte sich so schnell wie möglich, ungeachtet
der peitschenden Schläge im Gesicht, welche die Äste
und Blätter auf seinem Weg bei ihm hinterließen.
Als er an zwei dicht nebeneinander stehenden Bäumen
vorüber kam, blieb er kurz stehen, um nach den anderen
zu sehen. Auf der Lichtung tummelten sich nun schon
drei T-Rex, und auch auf ihren Rücken saßen Reiter. Die
Männer trugen Rüstungen aus Leder, ähnlichen denen
der Römer aus vorchristlicher Zeit. Und auch ihre
Kopfbedeckung hatte große Ähnlichkeit mit römischen
Kriegern. Rote, bürsteartige Kämme leuchteten in der
Sonne und das Gold ihrer Helme glänzte sehr
majestätisch. Ein knurriges Brummen lenkte Snows
Aufmerksamkeit wieder auf seinen Verfolger. Doch
anscheinend hatte dieser seine Spur schon verloren,
denn er suchte mit seinem T-Rex gut fünfzig Meter weiter
hinter ihm. Alex setzte seinen Weg zu dem Baum fort.
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Jetzt aber darauf bedacht, so wenig Geräusche zu
machen wie es ihm möglich war.
Als er aus dem Gebüsch heraus trat, kam ihm hinter dem
Baum den er eigentlich erreichen wollte, ein Soldat mit
gespanntem Bogen hervor. Alex holte die Axt vom
Rücken. Auf der Kurg hatte er sie nicht benötigt, und als
sie durch das Tor der Zeit getreten waren, hatte er schon
gar nicht mehr daran gedacht, dass er sie überhaupt
dabei hatte. Der Schuss des Schützen ging nur fehl, weil
er die Klinge der Axt gestreift hatte. Snow kniff böse die
Augen zusammen und holte aus. Die Axt schwang hinter
seinen Kopf zurück und dann wieder nach vorne. Auf
halbem Wege ließ er den Griff los, so dass Axt einen
leichten Bogen beschrieb und direkt auf den Schützen zu
flog. Der Mann, der gerade damit beschäftigt war, einen
neuen Pfeil auf die Sehne zu legen, sah die Waffe des
Drachenritters erst, als er den Kopf zu zielen wieder
anhob. Der schwere Stahl zertrümmerte den Bogen des
Mannes, worauf hin ihm die Einzelteile um die gespannte
Sehne um die Ohren flogen, und die Axt sich tief in seine
Brust bohrte. Er wollte soeben zu dem Getroffenen
hinüber laufen, als ihm ein weiterer Pfeil direkt an der
Nase vorbei flog. Die Axt musste warten, und so wandte
er sich um und lief.
Schließlich hatte er den Baum erreicht und kletterte
sofort hinauf. Ein Pfeil schwirrte an seinem Kopf vorbei.
„Hey, das ist unfair!“ rief er nach unten. Er hatte die
ersten Äste beinahe erreicht. Der Schütze, der mit einer
Armbrust einige Meter weiter weg stand, legte schon den
nächsten Pfeil auf. Warum zum Teufel, wollten die sie
umbringen. Sie hatten ihnen doch überhaupt nichts
getan. Alex schwang das Bein über den dicken Ast und
zog die Strahlenpistole, die er auf der Kurg eingepackt
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hatte. Der Schuss traf den Armbrustschützen genau in
die Brust als dieser seinen zweiten Pfeil auf ihn
abfeuerte. Der Mann brach ohne einen Laut zusammen,
und der Pfeil blieb mit einem dumpfen „Tok“ genau
zwischen Alex Beinen im Ast stecken. Wäre der Mann
nicht schon tot, würde Snow in jetzt ganz gewiss
erschießen. Solche Angriffe nahm er nämlich immer
persönlich.
Die Schnauze des T-Rex erhob sich auf ein Mal über den
Ast auf dem Alex kauerte. Das große Echsenauge fixierte
ihn mit erstaunlicher Gelassenheit. Alex bewegte sich
nicht. Langsam öffneten sich die Kiefer des gewaltigen
Tieres und entblößten über dreißig Zentimeter lange
Reißzähne in Ober- und Unterkiefer. Ein Biss von solch
einer Fressmaschine konnte einen Menschen ohne
weiteres in zwei Teile zerschneiden. Nicht das er davon
satt wäre. Aber die beiden Teile wären ihm wohl ein
willkommener Snack. Doch der Krieger auf seinem
Rücken hatte wohl etwas anderes mit Alex vor, denn er
richtete nun das Wort an den Drachenritter.
„Herr, ihr könnt herunter kommen. Es war ein Versehen.
Wir wollten euch nichts antun.“ sagte er.
„Ach ja? Das habt ihr wirklich eindrucksvoll unter Beweis
gestellt. Was ist mit meinen Freunden?“
Der Mann sah sich um und wies mit der Hand über die
Lichtung.
„Dort kommen sie, Herr.“
Und tatsächlich kamen sie dort. Sie befanden sich in der
Begleitung zweier weiterer T-Rex-Reiter und einiger
Fußsoldaten. Ihre Waffen hatte man ihnen gelassen, und
gefesselt waren sie auch nicht. Travis kam eben an dem
Mann mit der Axt in der Brust vorbei. Er beugte sich zu
ihm hinunter, zog die schwere Waffe aus dem leblosen
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Körper, und ging dann weiter, ohne sich noch einmal
umzuschauen.
„Weshalb hat dann dieser Idiot auf mich geschossen?“
fragte Alex den Mann und wies mit dem Finger auf dem
im Gras liegenden Toten unter ihnen.
„Er war dumm. Nur eine Soldat, eine Bauer.“
Nur ein Bauer also. Aha, dachte sich Alex und sagte
nichts weiter.
„Ich bin ein Läufer-Krieger. Das ist ein oberer Rang und
ich kann verhandeln.“ erklärte der Reiter.
„Verhandeln? Worüber?“ wollte Alex wissen.
„Über alles, en paix, in Frieden.“
„Nun gut, dann lasst mich hinter euch aufsteigen, und
bringt uns zu eurem Anführer.“ schlug Snow vor.
„Ich bin unser Anführer, Herr.“
„Verzeiht, wenn ich das so einfach sage, aber ihr seid ein
Soldat. Zwar ein oberer Rang, ja, aber seid ihr auch der
Herrscher über dieses Land? Oder über diese Welt?“
„Nein. Dies hier ist mein Teil am Ganzen. Bis hinauf zu
den Hügeln. Dort beginnt der Teil eines anderen, und es
ist der Teil des Mannes der über mir steht. Soll ich euch
zu diesem Mann bringen, Herr?“
„Hm, erteilt er die Befehle an euch?“ wollte Alex wissen.
„Nicht immer. Er gibt uns Rat, wenn wir nicht weiter
wissen, und befiehlt nur wenn es nicht anders geht.“
„Dann wünschen wir die ihm gebracht zu werden!“ rief
Morgan von unten herauf.
Der Reiter sah kurz auf den Warlord hinunter und wand
sich dann gleich wieder an Alex.
„Hat dieser Mann das Recht zu reden?“ fragte er.
Alex wusste nicht weshalb der Reiter dies fragte. Er hatte
ihn als Gesprächspartner akzeptiert, warum sollte er
Morgan nicht auch akzeptieren?
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„Er hat das Recht zu sprechen, genau so wie ich es
habe. Das Gleiche gilt für unseren dritten Begleiter.“
erklärte Snow dem Mann, der ihn darauf hin mit
merkwürdigem Blick ansah.
***
„Bietet ihr mir ein Remis an, Vater?“ fragte der kleinere
der Kapuzentragenden Männer in dem dunklen Raum im
Universum.
„Nun ja, das wäre bei dieser Konstellation nicht ganz von
der Hand zu weisen. Wäre es nicht besser mit einem
Unentschieden diese Partie zu beenden?“
„Das könnten wir tun. Doch dann würde das Geschick
dieser Welt wieder in die Hände der Menschen fallen.
Wollt ihr das?“
„Ich denke, es könnte für eine Zeit lang nicht schaden,
ihnen die Geschicke ihrer Welt selbst zu überlassen. Wir
sitzen schon sehr lange hier und mein Fleisch ist nicht
mehr so stark wie noch vor ein paar Jahren, als wir
begannen dieses Spiel zu spielen.“
„Wollt ihr damit sagen, dass ihr alt werdet, mein Vater?“
„Nun, jünger werden wir wohl alle nicht, oder?“
In diesem Moment schob der Junge den Läufer seines
Vaters beiseite und setzte an dessen Stelle eine Figur,
die sehr viel Ähnlichkeit mit einem Pferd hatte, auf des
Läufers Platz.
Doch der Läufer sauste nicht mit Höchstgeschwindigkeit
zu Boden, sondern trudelte fast schon gemächlich von
der Plattform, um dann langsam nach und nach im
Dunkel des Bodens zu versinken. Der Energieschweif
den er dabei abgab, war außerordentlich schwach
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gewesen, und der Sohn wusste, dass diese Figur noch
nicht ganz verloren für seinen Vater war.
***
Der Reiter des T-Rex überlegte einen Augenblick, dann
gab er nach und ließ Alex hinter ihm aufsitzen.
„Nun, dann könnt ihr aufsteigen.“
Seinen Gefährten gab er ein Zeichen, und sie warfen
Seile zu Mungo und Travis hinab, damit sie an diesen
hinauf klettern konnten, um ebenfalls einen Platz hinter
einem Reiter einnehmen zu können.
Es war ein merkwürdiges Schaukeln auf dem Rücken
dieses gewaltigen Raubsauriers in das sie verfielen, als
der Koloss sich in Bewegung setzte. Die Beine des
Urzeitriesen stapften mit gewaltigen Schritten über die
Ebene hinter dem Buschwerk wo sie die anderen
Dinosaurier gesehen hatten.
Kleinere Tiere nahmen sofort Reißaus, und größere Tiere
rotteten sich in ihrer Gruppe dichter zusammen. So
waren sie weniger leicht angreifbar. Es dauerte einige
Minuten, bis die anderen T-Rex Reiter ihre Kameraden
erblickten, doch dann stießen sie schnellen Schrittes zu
ihnen. Es wurden kurze Informationen über die Herkunft
der Fremden ausgetauscht, und wo man sie
hinzubringen gedachte, doch dann ging der wilde Ritt
auch schon wieder weiter.
Das Tal der Dinosaurier, wie Alex diesen Flecken Erde
getauft hatte, war ein wundervolles Fleckchen. Es war
fruchtbar, reich an Wasser und Nahrung für allerlei
Getier, und der Anblick längst vergangenen Lebens, das
man schon vor Jahrmillionen für ausgestorben hielt,
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entschädigte den geneigten Betrachter für viele erlittene
Strapazen.
Es dauerte einige Stunden, bis sie den Fuß des Hügels
erreicht hatten, auf dem die Gebäude standen. Eine
große Mauer, über die man nicht hinweg sehen konnte,
zog eine deutliche Grenze durch die Landschaft. Sie war
zuvor nicht zu sehen gewesen, da die Bäume hinter
ihnen alles andere als niedrig waren. Sie steuerten direkt
auf einen Teil der Mauer zu, der von zwei hohen, mit
Zinnen bewehrten Türmen eingerahmt wurde. Dort
befand sich ein Tor, das von einem starken Eisengitter
mit armdicken Streben geschützt wurde. Ähnlich wie bei
den Burgen des Mittelalters, bewegten sich auf den
Mauern und Türmen einige Personen, die dort wohl ihren
Wachdienst versahen.
Alex ließ die Augen über die Mauer gleiten und fand,
dass er kaum ein besseres Bauwerk dieser Art je
gesehen hat. Die Steine waren ohne Mörtel und auf den
Millimeter genau verfugt worden, und die Quader hatten
eine Größe, welche den Pyramiden in Ägypten in nichts
nachstanden.
In einem Abstand von ungefähr hundert Metern, erhoben
sich weitere Türme aus der Mauer. Auf ihrer Plattform
musste man einen hervorragenden Ausblick über den
Dschungel und das dahinter liegenden Tal der
Dinosaurier haben.
„Was ist euer Begehr, Drachenreiter?“ kam es auf ein
Mal von der Mauer herab.
Alex sah nach oben, und konnte einen Mann mit einem
Helm auf dem Kopf erkennen, der sich weit über die
Brüstung des Turmes herübergebeugt hatte.
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Der Reiter vor ihm sah sich unsicher nach seinen
Kameraden um. Es schien so, als habe er nicht
verstanden, was der Mann auf der Mauer von ihm wollte.
„Was ist los?“ fragte Alex.
„Wir... wir wissen nicht was diese Männer sagen. Wir
verstehen ihre Sprach nicht. In diesem Teil spricht man
eine andere Sprache.“ gab er mit betroffenem Gesicht
zu.
Merkwürdig, dachte Alex. Hatte der Reiter nicht erzählt,
dass sie zu manchen Zeiten Rat von den Bewohnern des
Hügels bekamen? Oder hatte er den Herrn des Hügels
selbst gemeint? Er jedenfalls hatte sofort verstanden,
was gesagt wurde.
„Wir wünschen euren Herrn zu sprechen!“ rief er hinauf.
und erntete damit einen bösen Blick seines
Vordermannes.
„Was tut ihr, Herr?“
„Ich habe ihm geantwortet.“ erklärte Snow.
„Das hörte ich. Aber was sagt euch, dass er euch
verstanden hat?“
In diesem Moment wurde das schwere Eisengatter nach
oben gezogen und einige Männer mit Bögen und
Armbrüsten kamen gemächlichen Schrittes aus dem Tor
gelaufen. In ihrer Mitte geleiteten sie einen Mann mit
prunkvollem Gewand. Die Soldaten um ihn herum trugen
einfache, aber zweckmäßige Gewandung im Stile des
12. – 13. Jahrhundert der Erde, und das Gewand des
Mannes in ihrer Mitte war das eines hohen Ministerialen
oder eines Magisters. Dunkel an Blau und verziert mit
gold- und silbergestickten Mustern an den Ärmeln und
am Bund. Er machte schon fast einen majestätischen
Eindruck.
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Alex, der ja immer noch sein Kettenhemd und den
Waffenrock trug, mit dem er von Skataris auf die Kurg
gekommen war, ließ sich vom Rücken des T-Rex gleiten
und trat nach vorne um die Ankunft des hohen Herrn zu
erwarten.
Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er, dass Travis
und Mungo zu ihm gestoßen waren, und als er sich zu
den Reitern umdrehte um ihnen zu danken, waren diese
bereits verschwunden.
„Merkwürdig.“ murmelte er leise und wand sich wieder
um. Travis reichte Alex die Axt, die er zuvor bei dem
Toten zurücklassen musste. Er hätte sie ihm auch schon
früher gegen können, doch wollte er sie ihm nicht so
einfach zu werfen. Also hatte er bis jetzt gewartet.
„Es war klug von euch, eure Drachen wieder weg zu
schicken.“ sagte der hohe Herr zu Alex als er nahe
genug heran war. „Meine Männer haben gehörige Angst
vor ihnen.“
„Nun ja, ich fand, dass wir durchaus auch ohne ihr Hilfe
hier zurecht kommen würden. Ich darf doch annehmen,
dass ihr uns eure Gastfreundschaft anbieten werdet?“
erklärte Alex. Natürlich war ihm durchaus bewusst, dass
er hier eine nicht unerhebliche Forderung stellte, aber da
er die Männer des Fremden soeben vor dem gefressen
werden durch die Raubsaurier beschützt hatte,
wohlgemerkt ohne dies zu wollen, dacht er sich, könne
eine kleine Forderung nicht schaden. Leider war ihm auf
die Schnelle nichts anderes eingefallen.
„Was könnten wir dem Herrscher über die großen
Echsen schon bieten, außer unsere Gastfreundschaft?“
heuchelte der, wie Alex erst jetzt richtig sehen konnte,
bereits ergraute Mann und verbeugte sich tief. „Womit
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kann ich euch dienen?“ fragte er, als er sich wieder
aufgerichtet hatte.
„Wir möchten euren Herrn sprechen, wenn dies möglich
wäre.“ antwortete Alex.
„Nun, das ist es bestimmt. Wollt ihr mir bitte sagen, wer
ihr und eure Begleiter seid?“
„Verzeiht die Nachlässigkeit, hoher Herr. Mein Name ist
Alexander T. Snow. Ich bin der Drachenritter von
Skataris. Dies hier ist Lt. Travis Morgan, der Warlord von
Skataris. Und dies hier ist Mungo el Sarif, der persönliche
Berater von Königin Tara von Skataris. Und wer seid ihr,
wenn ich fragen darf?“
„Ihr dürft. Mein Name ist Siro Lohwuth. Ich bin der
Berater des Elkah, und es wird mir eine Ehre sein, euch
bei unserem Herrn Elkah anzumelden. Jedoch...“ der Alte
begann zu zögern.
„Jedoch?“ hakte Alex nach, als es ihm zu lange dauerte.
„Jedoch kann ich euch leider nicht sagen, wann er euch
empfangen wird. Er hat zur Zeit eine ganze Menge zu
tun.“
„Wie lange könnte es denn dauern?“ mischte sich
Morgan ein.
„Oh, das weiß ich wirklich nicht. Einen Tag vielleicht,
Vielleicht aber auch ein oder zwei Wochen. Doch ihr seid
Gäste so lange es dauern wird.“ und damit bot er ihnen
mit einer Handbewegung an, ihm in die Mauern zu
folgen. Und so folgten sie dem Alten hinterdrein.
Das hohe Tor, unter dem sie soeben hindurchgekommen
waren, maß gut und gerne seine fünf Meter in der Breite
und gut das Doppelte in der Höhe. Weshalb man ein Tor
dieser Größe hier erbaut hatte, war noch unbekannt.
Vielleicht, so dachte sie Alex, werde ich den Alten später
darauf ansprechen.
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Hinter der Mauer tat sich nicht wie erwartet ein weites
Feld mit einem Weg zum Gipfel des Hügels auf, sondern
Häuser säumten zur Rechten wie zur Linken die breite
Straße im Anschluss. Ein schmaler Weg, gerade mal
zwei Meter breit, diente den Soldaten dieses Reiches als
Weg zwischen den Häusern entlang der Mauer, wo sie
alle paar Meter über eine Treppe diese ersteigen
konnten. Doch auch die Häuser waren nicht so weit ins
Feld hinaus gebaut. Sie standen alle so, dass sie sich
noch im Schatten der Mauer befanden. Weshalb dies so
war, konnte Alex nur erraten. Doch noch etwas schien
ihm Merkwürdig zu sein. In einem Abstand von gut fünf
Metern, ragten aus der Mauer lange Stangen aus Eisen,
die, damit sie sich nicht durchbogen, immer wieder von
senkrechten Stangen die zwischen den Häusern empor
ragten, gestützt wurden. War die Häuserreihe zu Ende,
bildete eine letzte, senkrechte Stange den Abschluss.
Snow drehte sich um, um sich die Konstruktion genauer
anschauen zu können. Und zuerst konnte er auch nicht
richtig erkennen, wofür diese Stangen waren, da sie sehr
hoch über den Häusern hinweg gingen. Doch dann sah
er auf ein Mal eine Schnur, oder ein Seil, das über die
Stange am Ende herab lief und unten auf einer Rolle
aufgewickelt werden konnte. Jetzt brannte er doch voll
Ungeduld.
„Entschuldigt, Siro, aber könnt ihr mir sagen, welche
Funktion diese Stangen über den Häusern haben?“
Der alte Mann wand sich zu im um und betrachtete die
Konstruktion über den Dächern der Stadt.
„Oh diese. Ja das kann ich euch sagen. Sollte die Stadt
einmal angegriffen werden, werden die Männer an die
Stangen gehen und mit einer Kurbel ein Netz über die
Dächer spannen. Dies verhindert, dass herabfallende
Steine oder Körper, die Häuser beschädigen.“
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„Und das hält?“
„Oh ja. Wir hatten bislang zwar nur einen einzigen Angriff
abzuwehren, aber die Netze haben sich sofort bewährt.
Eine wundervolle Konstruktion. Und so effizient.“
schwärmte er, dann drehte er sich um und ging wieder
voran, die Straße den Hügel hinauf.
Die kleine Stadt, die sich hinter der Mauer entlang zog,
war relativ schmal gehalten. Dennoch gab es dort alles
was das Herz begehrte. Metzer, Bäcker und Schuster, ja
sogar ein Büttner, ein Huf- und Wagenschmied und
zahlreiche Kasernengebäude, die hie und da zwischen
den Wohnhäusern hervorschauten. Die Häuser selbst,
waren überwiegend zweistöckig. Der untere Teil war aus
grob behauenen Steinen, die ebenso fugenlos
zusammen gesetzt waren wie die Stadtmauer, und das
erste Stockwerk war ein Fachwerkbau, wie man ihn aus
dem alten Europa schon seit vielen hundert Jahren
kannte. Die Läden und Geschäfte befanden sich zumeist
im Untergeschoss eines Hauses, wobei der Besitzer in
der Regel seine Wohnung darüber hatte. Vielleicht hatten
sie ja später noch etwas Zeit, sich hier einmal etwas
genauer umzuschauen.
Das Gebäude, dem sie nun immer näher kamen, machte
einen völlig anderen Eindruck auf sie. Es war weder aus
einzeln zusammengefügten Steinen, noch aus Holz
errichtet worden. Vielmehr erweckte die von hier noch
sehr glatt wirkende Oberfläche den Eindruck, als habe
man das Gebäude aus vielen hundert Metallplatten
zusammengeschraubt. Aber das konnte ja täuschen.
Kurze Zeit später, kamen sie an eine Stelle des Weges,
wo sich eine deutliche Grenze abzeichnete. Siro, der
Alte, blieb stehen und meinte:
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„Wenn ihr Herren genagelte Sohlen unter euren Füßen
habt, dann muss ich euch bitten, euer Schuhwerk zu
entfernen und mit blankem Fuße weiter einher zu
schreiten.“
Die Männer sahen ihn zunächst verwundert an. Doch
dann warfen sie einen schnellen Blick auf ihre Schuhe.
Alle drei hatten nur gut eingelaufene Ledersohlen unter
den Füßen, also konnten sie getrost verneinen.
Schon beim ersten Schritt über diese sichtbare Grenze
hinweg, erweckte in Alex ein ungutes Gefühl. Die Schritte
klangen ein wenig dumpf, oder genauer gesagt, sie
klangen schon richtig hohl. Er warf einen kurzen Blick zu
Travis hinüber, doch der hatte den Blick fest auf das
Gebäude gerichtet, das noch immer ein ganzes Stück vor
ihnen lag. Da er von Morgan keine Reaktion zu sehen
bekam, wand er den Blick zu Mungo, und der reagierte
sofort. Er zog eine Grimasse die wohl bedeuten sollte,
dass er nicht genau wusste was er darüber denken soll.
Alex formte mit den Lippen lautlos das Wort Raumschiff,
und El Sarif gab ihm zu verstehen, dass dies durchaus
im Bereich des möglichen lag.
Plötzlich spürte Snow einen Hauch von einer Berührung
an seinem rechten Arm und warf sofort den Kopf herum,
um zu sehen, was es gewesen war, das ihn berührt
hatte. Es war Morgan. Er war einen Schritt näher an ihn
herangetreten und flüsterte leise:
„Das ist ein Raumschiff.“
„Was macht dich so sicher?“ fragte Snow so leise wie
möglich zurück.
„Dort, und dort, und da drüben.“ antwortete er und wies
nur mit einer Bewegung des Kinns in die entsprechende
Richtung. Dort war ein kleiner Buckel in der Ebene des
„Hügels“ zu erkennen, der nicht sehr glatt war. Lufteinoder Auslassschlitze zogen sich lamellenartig darüber
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hinweg. Das Gleiche konnte Alex am zweiten von Travis
angedeuteten Punkt erkennen. Er hatte diese Buckel
schon zuvor gesehen, doch von der Seite des natürlichen
Weges her, waren die Lamellen nicht zu erkennen
gewesen.
Der dritte Punkt, den Morgan ihm gezeigt hatten, schien
eine Art Schott zu sein, das sich am unteren Rand des
Gebäudes befand, Es hatte die typische rechteckige
Form und lag einen guten Zentimeter von der
Außenwand nach innen zurückversetzt. Diese Öffnungen
waren keine solchen wie man sie bei Schiffen sehen
konnte, die auf dem Wasser fuhren. Das waren eindeutig
Öffnungen in der Außenhaut eines Raumschiffes.
Sie befanden sich noch gut einhundert Meter vom
Hauptgebäude weg, da blieb Siro auf ein Mal stehen und
gebot auch seinen Gästen Einhalt. Hektisch nestelte er
an seinem Gewand herum und zog auf ein Mal eine Art
Karte aus ihm hervor. Er kniete sich auf den Boden und
schob die Karte in einen Schlitz, den man gerade noch
nicht gesehen hatte. Die Karte wurde kurz eingezogen,
und dann von Siro wieder an sich genommen.
Geräusche von zurückgeschobenen Riegeln und Bolzen
waren zu hören, und plötzlich senkte sich vor ihnen der
Weg in das Innere der „Erde“. Siro erhob sich und gab
den Männern den Befehl sich wieder in die Stadt hinunter
zu begeben. Diese folgten seinem Wort ohne murren und
gingen davon.
Dann bat Siro die Gäste des Elkah in das dunkle Innere,
und ging ihnen wie gewohnt voran. Das Surren eines
Motors ertönte, und die Rampe, welche die Männer in
das Raumschiff geführt hatte, wurde wieder an ihren
angestammten Platz verschoben. Nun hüllte sie völlige
Dunkelheit ein.
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Ein Lichtreflex am Boden zu ihren Füßen, blitzte kurz auf
und setzte sich dann von ihnen wegführend in weiteren
Lichtblitzen fort. Der Raum in dem sie standen, bekam
ein sehr gedämpftes Licht, das nicht viel heller wie eine
einzelne Kerze in der Mitte eines Raumes mit hundert
Quadratmetern Fläche schien.
„Folgt mir.“ forderte sie der alte Lohwuth auf und ging
ihnen wie immer voran.
„Was ist das hier, Siro? Es sieht nicht so aus, als sei dies
ein gewöhnliches Haus, oder eine Festung wie ich sie
kenne.“ fragte Morgan nach einigen Metern.
„Nun, da mögt ihr recht haben, mein Herr, dennoch kann
ich euch nur zur Antwort geben, dass dies die
Behausung unseres Herrn Elkah ist. Ich selbst weiß
leider auch nicht mehr, da ich ausschließlich dazu
aufgefordert bin, Gäste entlang dieses Lichtes am Boden
zu meinem Herrn Elkah zu führen.“
„Aha.“ machte Morgan und fragte erst mal nicht weiter.
Doch Alex wollte noch mehr wissen.
„Was würde passieren, wenn wir von dem vorgegebenen
Pfad abwichen, um uns hier einmal näher
umzuschauen?“
„Das kann ich euch nicht raten, mein Herr. Einst
versuchte ich genau dies zu tun, da schossen plötzlich
Flammen aus dem Boden auf und verwehrten mir den
weiteren Zutritt. Ich trat erschrocken zurück, worauf sie
wieder verloschen ohne eine Spur zu hinterlassen woher
sie gekommen waren. Ich versuchte es noch ein Mal in
einer anderen Richtung, doch auch dort wurde ich von
den Flammen aufgehalten. Und auch dort erstarben sie
sofort nachdem ich einige Schritte zurück gemacht
hatte.“
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- 325 -
Alex nickte und gab sich zuerst damit zufrieden, doch
insgeheim hatte er schon den Entschluss gefasst,
diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen.
Möglicherweise blieb ihnen ja gar nichts anderes übrig.
Vielleicht mussten sie schon bald von diesem Raumschiff
fliehen.
***
„Du schlägst meinen Vorschlag für ein Unentschieden
also in den Wind?“ kam es unter der dunklen Kapuze des
Vaters hervor.
„Ungestümtheit ist das Vorrecht der Jugend, nicht wahr
Vater?“ konterte der andere.
„Diesen Spruch hat dein Großvater auch immer zu mir
gesagt, wenn ich etwas zu ungestüm war.“
„So? Na dann bist du ja in den letzten hundert Jahren
ganz schön alt geworden.“ entgegnete der Sohn.
„Pass auf was du sagst mein Sohn, hier kommt die
nächste Lektion.“
Mit diesen Worten zog der Vater seinen Turm in eine
Position die sein Sohn noch nicht gesehen hatte und bot
ihm dadurch Schach.
***
Ihre Stimmen klangen laut, wenn sie sich unterhielten,
und Alex folgerte daraus, dass die Wände nicht weit
entfernt in der Dunkelheit den Weg begrenzten den sie
entlang gingen.
„Und hat der Herr dieses Hauses darauf hin nichts zu
euch gesagt?“ wollte Alex wissen.
„Doch. Nach meinem dritten Versuch vom Wege
abzukommen, ertönte seine Stimme und warnte mich
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- 326 -
dies nie wieder zu tun, da dies Folgen für meine
Gesundheit haben könnte.“
„Oh, wie freundlich. Hat er das Thema noch ein mal
angesprochen, als ihr ihm beim nächsten Male
gegenüber standet?“
„Bei den Göttern, nein. Noch niemals sah ein Bewohner
dieser Welt das Antlitz meines Herrn Elkah.“ platzte er
vor Entsetzen heraus.
„Wie, ihr habt Elkah noch nie gesehen? Seid ihr ihm noch
nie persönlich gegenüber gestanden?“ mischte sich
Morgan nun ein.
Siro wand sich an den Krieger und meinte:
„Doch, doch. Ich stand ihm schon gegenüber. Aber sein
Gesicht konnte ich nicht sehen.“
„Weshalb nicht?“ kam es von Mungo.
„Stets trägt unser Herr Elkah ein weites dunkles Gewand
mit Kapuze. Es verdeckt sein Gesicht vollständig.“
„Sehr merkwürdig.“ meinte Snow. „Na ja, vielleicht ist er
ja total hässlich?“
„Darauf kann ich euch keine Antwort geben, mein Herr.“
„Ach, das war auch keine Frage in diesem Sinne.
Betrachtet es mehr als laut ausgesprochenen
Gedanken.“
In diesem Moment öffnete sich vor ihnen ein großes Tor
und lies ein wenig mehr Licht herein, und sie erkannten,
dass sie sich durch einen eigentlich sehr schmalen
Korridor bewegt hatten.
Hätte man den Weg hier her mit einer ausreichend
starken Beleuchtung versehen, wäre er nicht halb so
anstrengend gewesen. Aber wer weiß, vielleicht hatten
die Bewohner dieses Raumschiffhauses ja auch etwas
zu verbergen. Doch dies war nun durch das Öffnen des
großen Tores vor ihnen, völlig unwichtig geworden. Alle
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Augen richteten sich auf das Innere des Raumes, der
eigentlich gar kein Raum zu sein schien. Selbst der
Begriff „Halle“, oder was auch immer es größeres geben
konnte, war nicht ausreichend, um die Dimension zu
beschreiben, welche das Innere hinter dem Tor
darstellte.
Es war dunkel dort drinnen, aber nicht so dunkel, dass
man nichts hätte erkennen können. Der Raum schien
bodenlos zu sein, denn dort wie auch an den Wänden
und an der Decke, leuchteten kleine wie auch große
Sterne, ja sogar ganze Sternensysteme und ihre
Planeten.
Weit drüben, vermutlich in der Mitte dieser Halle, schien
sich ein kleineres Objekt zu befinden, das nur durch
einen einzelnen Spot von der Decke herab beleuchtet
wurde. Um dieses Objekt saßen wohl zwei Personen.
Keiner der Beiden schien sich zu rühren.
„Für mich ist hier das Ende, meine Herren. Ich darf diese
Welt nicht betreten. Doch ihr seid Gäste des Elkah. Geht.
Geht zu ihm, und er wird euch mit Wohlwollen
empfangen.“ sagte Siro Lohwuth und machte kehrt.
Alex wusste nicht genau, ob er ihn noch etwas fragen
wollte, doch dazu war es nun schon zu spät. Er drehte
sich zu seinen Freunden um und sah sie fragend an.
„Sollen wir?“
„Ich denke schon. Sonst erfahren wir ja nicht, weshalb wir
hier gelandet sind, satt in Skataris. Aber wohl ist mir nicht
dabei.“ meinte Travis.
„Ich bin dafür, das einer von uns hier bleibt.“ merkte
Mungo an, kurz bevor sie sich in Bewegung setzen
wollten.
„Weshalb?“ wollte Travis wissen.
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„Habt ihr euch mal da drin umgesehen? Es gibt keine
Möbel, keine Nischen, Ecken oder Kanten.“
Die anderen warfen einen Blick in den großen Raum.
Mungo hatte recht. Es gab da nichts. Nicht einmal einen
Boden und eine Decke. Was war, wenn sie den Fuß über
die Kante am Ende des Weges den sie hierher
gekommen waren setzten? Würden sie in ein Nichts
stürzen? Würden sie schwebend zu den Personen in der
Mitte getragen werden? Snow wollte das gleich wissen
und trat mit dem Fuß über die Kante. Seine Zehen
spürten, was seine Augen nicht sehen konnten. Einen
Boden unter den Füßen. Das beruhigte ihn ein wenig.
Aber Mungo hatte recht. Es gab hier nichts woran man
seinen Blick so fest halten konnte, um zum Beispiel
wieder zurück zu diesem Weg kommen zu können. Was
würde mit ihnen passieren, wenn sie sich bei Elkah
befanden und die Tür die sich vor ihnen geöffnet hatte,
wieder verschwunden war.
Und dann kam ihm da noch eine andere Frage; Waren
sie nicht erst vor Kurzem erst hier gewesen. Hier, wo
Mungo zurück zu den Lebenden kam. Auch in Snow
wuchs nun dieses ungute Gefühl. Er wusste zwar noch
nicht weshalb, aber es war eindeutig da.
„Mungo, du wirst hier auf uns warten. Sollte die Tür
zufallen, versuche sie mit allen Mitteln offen zu halten.“
wies er den Freund an. Dann wand er sich an Morgan
und ging mit ihm in den großen Raum hinein.
Kaum hatten sie einen Schritt in die Weite des Raumes
getan, da begannen auf ein Mal all die Sterne sich auf sie
zu zu bewegen. Sie bildeten kurzfristig lange, dünne
Linien, dann waren sie auch schon bei den beiden
Wesen und ihrem Tisch in der Mitte des Raumes
angelangt.
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Snow und Travis wandten sich nach Mungo um, und
mussten feststellen, dass dieser direkt hinter ihnen stand.
„Ich habe mich nicht einen Millimeter vom Fleck bewegt.“
erklärte er und sah beide mit etwas verstörtem
Gesichtsausdruck an.
Auf dem Tisch vor ihnen bewegte eine Hand eine kleine
Figur über eine Art Spielbrett. Aber dieses Brett hatte
mehrere Ebenen und diese waren über Streben die in die
Höhe ragten, miteinander verbunden. Jede Spielfläche
die über einer anderen stand, war kleiner als die
darunter, und so setzte sich dies fort. Auf den Ebenen
waren Felder angelegt. Dunkle und helle Quadrate wie
bei einem Schachspiel.
„Guten Tag, meine Herren.“ kam es auf ein Mal unter der
Kapuze des Größeren der beiden am Tisch sitzenden
hervor.
„Ist er das?“ fragte Snow, ohne sich seine Worte zuvor
überlegt zu haben.
„Ist er was?“ fragte der kleinere von Beiden.
„Ein guter Tag. Ist es wirklich ein guter Tag?“ setzte Alex
hinzu.
„Nun, ihr seid am Leben. Ist das gut?“ meinte der
Kleinere, drehte den Kopf ein wenig, so als wolle er sie
ansehen, doch sein Gesicht zeigte er nicht.
„Das ist es.“ antwortete Morgan. „Dennoch würden wir
gerne wissen, was hier vor sich geht, und wer ihr
überhaupt seid?“
„Seht ihr Vater, kaum reicht man den Menschen den
kleinen Finger, schon wollen sie die ganze Hand!“ maulte
der Kleinere quer über den Tisch.
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„Nun, sie sind Menschen. Sie haben das Recht sich zu
entwickeln. und wie sollten sie dies können, wenn sie
keine Fragen stellen dürften, mein Sohn?“
„Pah, wir haben ihnen gegeben was sie sind. Wir haben
ihre Welt geschaffen und wir spielen das Spiel so wie wir
es für richtig erachten!“ schnauzte der Sohn.
„Falsch, mein Sohn. Ich habe die Welt der Menschen
erschaffen, und ich entscheide was mit ihnen geschieht
wenn es mir beliebt. Du mein Sohn, bist nur der, der zur
Nachfolge über mein Erbe hier zur Auswahl sitzt, und
obwohl du meine erste Wahl warst, befürchte ich, dass
ich dir dieses Erbe nicht anvertrauen kann. Du bist zu
hitzköpfig, zu impulsiv und hast keine Geduld.“ schollt der
Vater.
„Äh, hallo?“ warf Travis in das Gespräch ein.
„Was?“ kam es von beiden Kapuzenträgern zugleich.
„Kann es sein, dass es hierbei um uns geht? Dürften wir
da vielleicht auch ein Wörtchen mitreden?“
„Nein!“ schrie der kleinere der beiden Spieler und warf
seine Hand in Richtung Morgan. Ein gelblicher
Energieblitz schoss aus ihr hervor und traf Morgan am
Kopf. Der Warlord wurde ein Stück nach hinten gerissen,
strauchelte, fiel aber nicht zu Boden. Und als er sich
wieder gefangen hatte, sah er fragend in die Gesichter
seiner Kameraden, die ihn mit großen Augen ansahen.
Alex deutete mit dem Finger auf seinen Mund, und
sogleich tasteten Morgans Hände nach der Öffnung,
doch sie war verschwunden.
Wut brannte in ihm auf und er wollte nach seiner Waffe
greifen, bekam sie aber nicht aus dem Holster. Also ging
er ohne Waffe auf den kleineren der Beiden zu und wollte
ihn zur Rede zwingen, doch dieser erahnte sein kommen
und warf ihm erneut eine Hand entgegen.
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Dieses Mal wurde Morgen schwer getroffen. Sein Körper
krümmte sich zusammen als habe er einen mächtigen
Schlag in den Magen bekommen. Eine zweite Bewegung
beförderte Travis erneut schwer getroffen, quer durch
den Raum. Er wäre wohl ewig so weiter geflogen, hätte
der Größere nicht ebenfalls mit einer Handbewegung,
dem Treiben ein Ende gesetzt. Morgans Flug wurde
abrupt gebremst und sein Körper verharrte in der zuletzt
eingenommenen Position.
„Siehst du was ich damit meinte, mein Sohn? Ich war
ebenfalls empört darüber, dass uns der Mensch in
unserem Gespräch unterbrochen hat, aber ich konnte
meine Impulsivität zügeln, und konnte mit Sinn und
Verstand abwägen, was zu tun ist.“
Der Ältere ließ die Hand wieder sinken und atmete tief
durch.
„Es tut mir leid dir sagen zu müssen, dass du auf keinen
Fall meine Nachfolge antreten wirst, denn das hätte
verheerende Folgen für das bestehende Raum-ZeitGefüge.“
Vater und Sohn erhoben sich von ihren Sitzplätzen. Der
Kleinere wand sich mit gesenktem Haupt ab und schien
gehen zu wollen, doch plötzlich verschob sich eine seiner
Spielfiguren auf der dritten Ebene, ohne dass er diese
berührt hatte. Und der Sohn sprach:
„Ihr habt mir nur Schach geboten, mein Vater. Aber das
Spiel ist noch nicht zu Ende.“
Mit diesen Worten fuhr der Sohn herum und schleuderte
bläulich züngelnde Blitze gegen seinen Vater, der völlig
ruhig da stand und das Eintreffen der Energieschläge
erwartete. Doch in dem selben Augenblick wie sich die
Figur des Sohnes auf dem Brett bewegt hatte, bewegte
sich auch eine Figur des Vater.
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Snow hatte blitzschnell seine Axt vom Rücken gezogen,
und hielt die breite Klinge genau in der Mitte über den
Tisch. Ein Teil der Blitze des Sohnes wurde abgeleitet
und verschwand in der Unendlichkeit des Dunkel in dem
Raum im Universum. Ein anderer Teil verpuffte mit
lautem Zischen, und ein kleiner Teil wurde zum
Ausgangspunkt zurück geschleudert.
Die Überladung verbrannte dem Sohn ein wenig die
Finger. Aber es war nichts Ernstes. Dennoch ließ er
dadurch von seinem Tun ab, was Alex die Möglichkeit
eröffnete, weiter einzugreifen. Er zog schnell die Axt
zurück und rammte dem Sohn das Griffstück in die
Kapuze, worauf der Getroffene schwer wie ein Mehlsack
zu Boden stürzte und regungslos liegen blieb.
„Schach matt!“ brummte Alex und schob die Axt wieder
zurück in die Halterung auf seinem Rücken.
„Ich danke euch, Fremder.“ sagte der andere
Kapuzenträger und schob diese darauf hin vom Kopf.
Alex bestätigte ihm, dass es nicht der Rede wert war. Er
habe gerne geholfen. Doch dann wurde ihm bewusst was
soeben passiert war und er meinte:
„Ich hätte auch gar nichts anderes tun können. Nicht
wahr? Wer seid ihr wirklich?“
Der Mann der vor ihm stand, war fast so groß wie Snow
selbst, doch sein langes Haar war bereits schlohweiß,
genauso wie seine dichten Augenbrauen und der kurze
Vollbart, aber es war immer noch voll und schien leicht
gewellt in den untern Bereichen.
„Ich bin Ellimak tim Elkah. Ein Magier, so würdet ihr
meinen Stand wohl bedeuten.“ stellte er sich vor. „Und ihr
hattet recht. Ihr konntet nicht anders handeln.“
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Seine blauen Augen blickten freundlich, und um die
Lippen und in den Augenwinkeln verdeutlichten kleine
Fältchen sein aufrichtiges Lächeln.
Alex nickte, denn er hatte längst gesehen, dass diese
beiden Männer mit den Figuren und dem Spielbrett vor
sich, die Geschicke der Menschen zu leiten schienen.
Zumindest sah es so für ihn aus.
Snow war aufgebracht und wollte lospoltern, doch dann
fing er sich wieder und dachte daran was mit Morgan
passiert war. Schnell war er einen Blick zu seinem
Freund hinüber, der nach wie vor bewegungslos und
ziemlich zusammengekrümmt einige hundert Meter
entfernt in der Luft hing.
„Ihr treibt eure Spielchen mit uns. Fein. Ich muss
zugeben, dass ich davon zwar fasziniert, aber auch ganz
und gar nicht erfreut darüber bin. Würdet ihr bitte
unseren Freund wieder hier her holen?“
„Ich bin schon da.“ hörte er Travis hinter sich sagen und
wand sich um. Alex legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Geht es dir gut, alter Freund?“
„Danke, ich kann nicht klagen.“ erwidertet Travis. Dann
richtete Alex seine Aufmerksamkeit erneut auf Elkah.
Alex bemerkte wohl, dass der Alte seine liebe Mühe
damit hatte nach einer einleuchtenden Erklärung zu
suchen, aber dennoch wollte er eine von ihm haben, und
sah ihn deshalb mit fragendem Blick an.
„Nun, ich weiß nicht recht, wie ich es euch erklären
kann...“ versuchte er um den heißen Brei herum zu
reden. „... es tut mir leid.“ beteuerte er, und Alex schien
es so, als sei es ihm ernst damit. Dennoch war ihm dies
zu wenig.
„Es mag euch gefallen haben mit uns zu spielen, Herr
Elkah, doch wisset, dass ich, wir,...“ er deutete auf seine
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Begleiter, „... und ganz besonders diejenigen die sich
unsere Freunde nennen, so etwas überhaupt nicht
schätzen. Ich hätte gute Lust, ähnlich wie Travis hier
vorhin, euch eine Tracht Prügel zu verpassen, doch dem
Herrn sei Dank, dass er mich davor bewahrt hat, sonst
würdet ihr jetzt neben eurem Sohn hier liegen.“
Snows harsche Worte schienen dem alten Magier nun
doch ein wenig aufzustoßen, und er straffte deutlich
seinen Körper. Fast konnte man sagen, er sei entrüstet
darüber, wie ein einfacher Mensch hier vor ihm stand und
so mit sprach. Doch er wollte Gnade vor Recht ergehen
lassen und hörte sich bis zu Ende an was der
Drachenritter zu sagen hatte.
„Also das ist doch...!“ brummte er los, zügelte sich aber
sofort wieder. Er senkte das Haupt und meinte: „Nein,
nein, ihr habt ja recht. Es war nicht rechtens so mit dem
Leben der Menschen zu spielen. Es war eine
Aufforderung meiner Nachkommen, welche mein Erbe
antreten wollen, mir zu zeigen, dass sie die von mir
geschaffenen Welten ebenso geschickt leiten konnten
wie ich selbst. Dass dies hier in einem Spiel Zug um Zug
ausarten würde, das wollte ich damals noch nicht sehen,
und ich will mich da auch nicht ausnehmen, denn ich
habe diesem Spiel ja zugestimmt.“
„Was passiert, wenn ich eine dieser Figuren hier auf ein
anderes Feld bewege?“ wollte Morgan wissen. Er war mit
den anderen näher an den Tisch heran getreten und
hatte während des Gesprächs mit Alex einen
ausreichenden Blick auf das Spielbrett geworfen.
Elkah sah ihn an und meinte:
„Nun, vermutlich nichts, da ihr nicht über genug
magisches Potenzial verfügt, um eine Wirkung auf eine
möglicherweise dahinterstehende Person ausüben zu
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können. Aber es wäre durchaus auch möglich, das ihr
damit einen eurer Freunde ums Leben bringt.“
Morgan zog die Hand von der Figur zurück. Dieses
Risiko wollte er dann doch nicht eingehen.
„Sagt mir, Herr Elkah, weshalb sind wir hier, und was hat
es damit auf sich, als ihr sagtet, die Welten die ihr
erschaffen habt? Soll das heißen, dass wir, ich meine die
Menschen, von euch erschaffen wurden?“
Ellimak ließ sich auf seinen Stuhl sinken und wischte mit
einer Handbewegung den Tisch leer. Nicht dass er die
Figuren und das Brett zerstört hätte, ganz und gar nicht.
Seine Bewegung ließ alles verschwinden das auf dem
Tisch stand und darunter lag. Also auch seinen Sohn. Mit
einer weiteren Handbewegung erschienen zwei weitere
Stühle am Tisch, eine Karaffe Wasser und eine weitere
mit rotem Wein, sowie vier silberne Becher von schlichter
Schönheit.
„Bitte, setzt euch. Ich will versuchen, euch zu erklären,
was passiert ist.“ bot er ihnen an, und die Freunde
nahmen die Einladung dankend an.
Dann begann er:
„Zunächst ein Mal, möchte ich etwas vorausschicken. Ich
kann nicht wieder herstellen, was bereits zerstört ist. So
leid mir dies auch tut.
Es war vor ungefähr fünfzehntausend Jahren eurer
Zeitrechnung, ein paar Jahrhunderte mehr oder weniger,
ich weiß nicht mehr so genau, da kam ich in eine
Dimension die meine Forschungen von der Verbindung
verschiedener Dimensionen zueinander möglicher
erscheinen ließ als in meiner Heimatwelt. Ich weiß, das
klingt merkwürdig für euch, aber ich versichere euch,
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dass es die Wahrheit ist.“ erzählte er. Er goss sich einen
Becher Wasser ein und nahm einen großen Schluck.
„Wenn dies, wie ihr sagt, die Wahrheit ist, dann wäret ihr
schon über fünfzehntausend Jahre alt. Das ist
unglaublich. Seid ihr ein Zauberer, der über die
Möglichkeit verfügt, sein Leben so lange auszudehnen?“
wollte Travis wissen.
„Nun, in euren Augen mag ich ein Zauberer sein.“ er
setzte sein Glas wieder ab. „Aber eigentlich bin ich das
nicht. Meine Welt liegt weit ab in einer Dimension, wo
Zeit nicht das Gleiche bedeutet wie bei euch. Nach eurer
Auffassung von Zeit, wäre ich gerade mal so... lasst mich
überlegen... so 273 Jahre alt.“ meinte er und grinste breit.
„Ah ja. Wenn man bedenkt, dass wir in der Regel eine
Lebenserwartung von unter 80 Jahren haben, ist das
noch sehr jung für euch.“ merkte Travis spöttisch an.
„Ich kann es leider nicht ändern. Es ist so wie es ist. Und
wir haben mit der Zeit gelernt, die Dinge so zu nehmen
wie sie sind. Aber das bringt uns nun zu weit vom
eigentlichen Thema ab.
Wie gesagt, war ich in jene Dimension gelangt, in der ich
meine Forschungen schneller und besser vorantreiben
konnte als in meiner Heimatwelt.“ Er setzte den Becher
wieder auf dem Tisch ab und strich sich dann mit der
Rechten das lange, weiße Haar hinter das Ohr zurück.
Nun konnte man deutlich sehen, dass Ellimak nicht aus
der Welt der Menschen stammte, denn seine Ohren
liefen nach oben hin spitz zu.
„Bestimmt ein Vulkanier!“ dachte sich Alex, doch dann
revidierte er seine Gedanken, denn Vulkanier gab es hier
ja nicht. Oder zumindest hatte er noch keine gesehen,
seit er von Skataris fort war. Aber es würde Ellimaks
hohes Alter doch um einiges wahrscheinlicher im Lichte
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- 337 -
des gefälligen Betrachters erscheinen lassen. Ach,
papperlapapp, das ist doch alles Nonsens, dachte er
dann und wand seine Aufmerksamkeit wieder dem
Redner zu.
„Bei meiner Arbeit stieß ich schon bald auf eine weitere
Dimension, nämlich auf die der Menschen. Allerdings war
es nicht möglich, diese Welt zu besuchen, denn in ihr war
überhaupt kein magisches Potenzial mehr zu spüren,
und das ist ein wichtiger Faktor für das Reisen zwischen
den Dimensionen.“ Ellimak machte ein kurze Pause um
einen weiteren Schluck zu trinken.
„Könnt ihr uns sagen, welche Zeit diese Dimension
hatte? Ich mein, Zeit nach Jahrhunderten eingeordnet.“
wollte Snow wissen.
„Hm, lasst mich überlegen. Das müsste so Ende des 19.,
Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen sein. In einem
Land namens Amerika war vor Kurzem ein Krieg zu Ende
gegangen (der amerikanische Bürgerkrieg), und in einem
anderen Teil, weiter östlich gelegen, arbeitete man
gerade an der Erfindung eines Motors, der mittels
umgewandelter, Jahrmillionen alter Ablagerungen aus
der Erde betrieben werden sollte (die ersten
Automotoren). Aber auch dort stand bereits ein neuer
Krieg vor der Tür (1. Weltkrieg) und ein weiterer, noch
verheerenderer sollte bald schon folgen(2. Weltkrieg). Ich
weiß nicht mehr alles, denn beim Betrachten verrann die
Zeit in dieser Dimension derart schnell, dass ich mir beim
besten Willen nicht mehr alles merken konnte. Ich weiß
nur noch, dass sich die Menschen in der zweiten Hälfte
dieses Jahrhunderts spinnefeind waren. Überall wurde
bespitzelt,
denunziert
und
schmutzige Wäsche
gewaschen, und so manch einer musste sich nicht selten
peniblen Fragen unterwerfen. Es war, weiß Gott, kein
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schönes Zeitalter, und so schloss ich das Zeitfenster
wieder und widmete mich anderen Dimensionen, die
leider auch nicht sehr viel versprechender waren.
Erst nach vielen Jahren wurde mir klar, dass die
Menschheit sich immer und immer wieder in irgend
welche Auseinandersetzungen manövrierte, die irgend
wann zu ihrem Untergang beitragen würden. Also
beschloss ich, denn der Mensch als solches schien mir
dennoch wichtig, eine geeignete Dimension zu suchen,
um dort alles zu vereinen, das mir am Menschen und
ihrem Umfeld am Herzen lag.
So gelang es mir irgend wann, weitere Fenster in
verschiedene Zeitperioden zu öffnen und später hatte ich
sogar Erfolg und konnte diese auch betreten. Doch all
diese Fenster, waren immer nur auf diese eine Welt, die
Erde gerichtet, und so nahm ich aus den
unterschiedlichsten Perioden der Zeit Lebewesen und
Menschen mit in die Welt, die ihr Skataris nennt und
setzte sie dort aus. Ihr vorhandenes Geschick und der
unablässige Wille am Leben zu bleiben, führte dazu,
dass die Menschen sich sehr schnell in ihren Territorien
zurecht fanden und ihr Leben selbst meistern konnten.
Von Zeit zu Zeit besuchte ich die einzelnen Gruppen und
half wo ich helfen konnte, aber es nicht viel für zu tun.
Dann, als ich der Meinung war, genug getan zu haben,
zog ich mich von der Welt zurück und ließ die Menschen
mit ihrem Geschick allein. Das ging auch alles eine
ganze Weile gut, bis ich schließlich einmal wiederkehrte
und bemerkte, dass die Population stark abgenommen
hatte. Da ich nun aber keine Zeit hatte um erneut
Menschen aus allen Zeitperioden dort hin zu bringen,
sorgte ich dafür, dass gewisse Übergänge von dort nach
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Skataris entstanden, und sich Menschen sich von Zeit zu
Zeit von der Erde dort hin verirrten, um dann in Skataris
ein neues Leben anfangen zu können.“ Ellimak goss sich
erneut einen Schluck Wasser ein und fügte einen großen
Schwung roten Wein mit hinzu. Er sah kurz in die Runde
und bemerkte wohl die Blicke die auf ihm ruhten,
dennoch trank er ungezwungen und genussvoll wie es
Snow erschien.
„Ein wahrhaft großes Werk, dass ihr da vollbracht habt,
Herr Elkah. Doch habt ihr euch einmal überlegt, nur ein
einziges Mal, was ihr mit eurem Werk den Menschen
angetan habt? Ihr habt sie aus dem ihnen bekanntem
Leben und seinem Umfeld herausgerissen und in eine
andere Welt gebracht. In eine Welt die sie nicht kannten,
die ihnen fremder nicht sein konnte. Eine Welt in der der
Tod hinter jedem Baum lauert und gnadenlos zuschlägt,
wenn er die Möglichkeit dazu hat. Habt ihr darüber
einmal nachgedacht?“ Snows Worte wirkten bedrängend
auf Ellimak. Er schob den Becher den er fast zur Hälfte
geleert hatte auf den Tisch und sah Alex unverwandt in
die Augen.
„Ich weiß das. Aber es war nicht immer so. In den ersten
paar tausend Jahren des Bestehens von Skataris war
diese Welt eine friedliche. Gut, Händel und Streitereien
untereinander gab es immer wieder und wird es auch
immer wieder geben, aber es gab niemals Krieg so wie
es in auf der Erde je gab.“
„Ich glaube, da seid ihr im Irrtum.“ warf Mungo el Sarif
ein. „Ich lebe schon länger in Skataris als meine Freunde
hier, und als Freund und Berater der Königin von
Skataris hatte ich Einblick in die Schriften des Altertums
und habe die Berichte über frühere Schlachten studiert.
Es gab derer sehr viele.
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Schlachten zwischen Menschen und Zwerge, die sich um
belanglose Dinge wie Minenschächte stritten. Schlachten
zwischen Katzenmenschen und Zwergen, die sich
sowohl um unter- wie auch um überirdisches Territorium
in der Wolle hatten, und Schlachten zwischen Menschen
und Katzenmenschen wegen ähnlicher Unstimmigkeiten.
Immer wieder kam es zu Territorialkriegen die auf beiden
Seiten fürchterliche Verluste forderten. Und nicht zuletzt,
die Schlacht gegen die Dämonenbrut, die durch ein
Portal, vermutlich sogar eines von euren, nach Skataris
gekommen war und unter den Menschen grausam
gewütet hat. Glücklicherweise hatten wir Erfolg und
konnten sie, nicht zuletzt mit Hilfe dieser beiden Männer
hier, wieder in ihre Schranken weisen und das Tor wieder
verschließen.“
Man konnte Mungo ansehen, dass ihm das Thema am
Herzen lag. Er echauffierte sich schon fast bei seiner
Ausführung, so dass er jetzt erst einmal einen großen
Schluck Wasser trinken musste.
„Ich hatte, ehrlich gesagt, keine Ahnung was in der
letzten Zeit in Skataris vor sich ging. Hätte ich aber
davon gewusst, wäre ich mit Sicherheit dort gewesen
und hätte versucht die Streitereien zu schlichten.“
versuchte er sich zu entschuldigen.
„Zu schlichten? Bei den Dämonen? Na dann viel Spaß
beim nächsten Mal.“ meinte Travis dazu.
Alex kannte die Situation und hatte sich dazu nicht
geäußert. Doch ihn interessierte etwas ganz anderes:
„Sagt mir, Herr Elkah, diese ganzen unterschiedlichen
Lebewesen, Zwerge, Katzenmenschen, Trolle, normale
Menschen und was weiß ich noch alles. Das alles wollt
ihr von der Erde geholt und nach Skataris gebracht
haben? Wann gab es denn Zwerge auf der Erde, wann
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die Katzenmenschen oder gar die Trolle? Wieso hat man
niemals irgend welche Funde bei Ausgrabungsarbeiten
entdeckt? Hm?“
„Nun, das liegt daran, das all jene Lebewesen zu Zeiten
auf der Erde existierten, die von euch noch nicht gelebt
wurden, oder die schon länger vorüber ist als die
Geschichte dies schreibt, und sie schon wieder vom
Antlitz der Welt verschwunden sind.“
„Ich verstehe das nicht ganz. Könnten sie das bitte näher
erklären?“ fragte Travis.
„Nehmen wir einmal die Zwerge. Dieses Volk ist seit
Jahrtausenden damit beschäftigt Stollen in die Berge zu
treiben um die dort verborgenen Schätze zu fördern. Sie
lebten bereits in einer Zeit lange vor dem bekannten
Menschen, dem sogenannten Neandertaler, und gingen
auch vor diesem wieder unter. Die Welt wie ihr sie heute
kennt, hatte damals ein noch ganz anderes Gesicht und
tektonische Bewegungen der Erdkruste verursachten
damals immer wieder schwere Einstürze in den Stollen
der Zwerge. Oftmals kamen dabei Tausende zu Tode.
Später dann, als ihr Zeitalter auf der Erde zu Ende ging,
hatte ich bemerkt, dass selbst von ihren Knochen nichts
als der bloße Staub zurückgeblieben war. Und da ihre
Kleidung nach wie vor aus natürlichen Materialien
bestand, konnte man auch davon nichts mehr finden,
oder selbst wenn man etwas gefunden hat, konnte man
es meist nicht richtig zuordnen.“
„Und was ist mit den Katzenmenschen, und den Trollen?“
wollte Snow jetzt wissen.
Ellimak hob erneut an zu sprechen, doch da schien ihn
etwas im Halse zu kratzen und so nahm er erst einmal
einen kräftigen Schluck aus seinem Becher, bevor er
erneut ansetzte.
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„Die Katzemenschen wie die Trolle, sind Lebewesen, die
ihr, beziehungsweise die Menschen eures Zeitalters,
nicht mehr kennen lernen werdet. Von eurer Zeit aus
gesehen in ungefähr 3 bis 500 Jahren, werden sich
einige Menschen zu den euch bekannten Katzenwesen
weiterentwickeln.“
„Weiterentwickeln? Wie kann das sein?“
„Sie werden mutieren. Ich glaube, es ist eine Sache der
Gene, die sich irgend wie verändert haben. Ich weiß es
nicht genau, aber ich glaube, es hängt mit gewissen
Versuchen zusammen, mit denen eine Krankheit
behandelt werden sollte. Doch das schien nicht
funktioniert zu haben. Die Testpersonen mutierten zu
Wesen mit grünlicher Haut und bei manchen wuchsen
sogar Blätter zwischen den Haaren hervor, und
manchmal hatten sie auch katzenhafte Gesichtszüge.
Doch man hatte die Experimente dann etwas
weiterentwickelt, und ist schließlich auf zwei separaten
Bahnen weitergegangen. Beide Wege hatten zwar zur
Folge, dass die Krankheit aufgehalten wurde, aber es
hatte auch Nebenwirkungen. Und diese waren nicht mehr
aufzuhalten. Entstanden sind dabei auf der einen
Schiene die Katzenmenschen, und auf der anderen die
Trolle.
Ich weiß nur noch, dass man wohl mit Mitteln auf
pflanzlicher Basis sehr stark gearbeitet hat, was wohl
dazu führte, dass die Trolle heute so aussehen als wären
sie lebende Bäume.“
„Ihr sagt das so einfach. Ist euch eigentlich klar, dass
dies eine Zukunft für uns ist die eigentlich noch nicht
stattgefunden hat und dennoch exsistiert? Was würdet
ihr sagen, wenn ich her ginge und würde nun etwas über
dieses Gespräch aufschreiben und das dann so
verstecken, dass es der Nachwelt irgend wann
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zugänglich werden würde? Wäre es dann nicht möglich,
dass dies niemals passiert? Hättet ihr damit jetzt nicht ein
Paradoxon geschaffen? Den Zwergen könnte man nichts
mehr anhaben, aber würde etwas von unserem
Gespräch in die falschen, oder auch in die richtigen
Hände von jemandem fallen, der Einfluss auf diese neue
Behandlungsart hat, wäre es möglich, dass die
Katzenmenschen nie entstehen. Und dadurch würden
dann alle Katzenmenschen die in Skataris leben, von
dort verschwinden, und alles würde so sein, als hätten
sie niemals exsistiert.“ bemerkte Alex mit gewissem
Vorwurf.
„Ich sehe, ihr versteht in welchem Dilemma ich mich
befinde. Ich kann zwar zwischen den Dimensionen hin
und her reisen, kann Dinge extrahieren oder einfügen,
aber ich darf niemals einen Fehler machen, denn das
hätte die Auslöschung so mancher Spezies zur Folge.“
erklärte Elkah sich.
„Warum tut ihr es dann?“ wollte Mungo wissen.
„Weil mir an der Gattung Mensch nach wie vor etwas
liegt. Egal wie dieser Mensch auch aussehen mag.“
„Verzeiht Herr Elkah, wenn ich diese Antwort als nicht
ausreichend empfinde.“ beschwerte sich Snow.
„Das tut mir leid für euch, denn eine andere Antwort habe
ich nicht für euch.“
Ein leichtes Zittern durchlief plötzlich das Gesicht des
alten Mannes vor ihnen, und Alex hatte schon fast
denken wollen, dass den Alten nun fröstelte, doch dann
bemerkte er dieses Zittern auch an sich, und er sah sich
nach seinen Freunden um. Diese hatten ebenfalls
bemerkt, dass etwas nicht stimmte, und gerade als sie
fragen wollten was hier los sei, artete das Zittern in ein
handfestes Beben aus. Ellimak tim Elkah hatte große
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Mühe sich auf dem Stuhl zu halten. Nicht weniger, wie
seine Gäste ihm gegenüber. Dann ließ das Beben wieder
nach.
„Was war das? Ein Erdbeben?“ wollt Mungo wissen.
„Ja und nein. Ich fürchte, das war mein Sohn, den ihr
vorhin kennen gelernt habt. Er ist unzufrieden mit dem
Ergebnis seines Tuns und versucht nun mich mit Gewalt
vom meiner Position zu vertreiben.“
„Was uns wieder zum Ausgangspunkt unseres
Gesprächs bringt. Nicht wahr?“ setzte Alex hinzu.
„Weshalb wir dieses Spiel mit euch gespielt haben? Ja,
ihr habt recht. Diese Erklärung bin ich euch noch
schuldig. Aber ich muss euch noch ein wenig vertrösten,
denn wenn wir uns nicht schnell von hier fort begeben,
wird uns der Zorn meines Sohnes härter treffen als ihr
euch das vorzustellen vermögt.“
Ein weiteres, noch leichtes Zittern, das aber stetig an
Kraft zu nahm, lies in den Freunden die Alarmglocken
anklingen.
„Also gut. Was schlagt ihr vor?“
„Am besten gehen wir dahin, wo ihr sowieso hin wolltet.
Nach Skataris. Man erwartet euch dort eh schon mit
Ungeduld, und ich möchte mir nicht gerne auch noch den
Unmut einer Königin zuziehen. Folgt mir!“
Ellimak erhob sich von seinem Sitz und der Tisch samt
Geschirr verschwand in der Unendlichkeit diese
gewaltigen Raumes. Mit einer Handbewegung ließ er die
Sterne und Planeten verschwinden und völlige
Dunkelheit umfing sie wie eine schwere Decke aus dicker
Wolle, die man sich nächtens bei Gewitter über den Kopf
zog wenn man im Bett lag. Doch diese Dunkelheit hielt
nicht lange an, denn vor ihnen bildete sich sogleich der
dichte, weiße Strudel der Zeit, den sie schon kannten.
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Ellimak trat ihnen voran und die anderen folgten ihm
hinterdrein.
Kapitel 15: Home sweet Home
Nur wenige Augenblicke später, standen sie inmitten der
Mauern des Palastes von Tolun, wo die warmen Strahlen
des Himmelskristalls ihre Haut freundlich liebkosten.
Alex sah Königin Tara und ihre Freundin Ilya die Stufen
des Palastes hinauf gehen. Sie hatten ihre Ankunft wohl
nicht bemerkt. Er gab Travis ein Zeichen ihm zu folgen,
und zu Mungo und Elkah wand er sich um und gab ihnen
mit einem Fingerzeig zu verstehen, dass sie sich ruhig
verhalten sollten. Dann eilten sie so leise es ging hinter
den beiden Frauen einher, um sie mit ihrer Rückkehr zu
überraschen. Leider klappte das nicht so ganz, Kaum
hatten die Männer den Fuß der Treppe erreicht, da
ertönte plötzlich ein Alarmruf von einer der Wachposten
und die Frauen wanden sich um und hatten schon die
Hand an den Schwertgriffen.
„Hi, wir sind wieder da!“ rief Morgan. „Habt ihr uns
vermisst?“
Ilya und Tara sahen sich verwundert an, doch dann
stürmten sie die Treppe hinunter und fielen den Männern
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in die Arme. Beide hatten feucht glänzende Augen,
trauten sich aber nicht richtig zu weinen. So etwas
gehörte sich schließlich nicht für eine Königin von
Skataris, und für eine Kriegerin wie Ilya schon gar nicht.
Sie drückten ihre Männer fest an sich und hätten sie am
liebsten nicht wieder los gelassen. Sie waren so lange
fort gewesen.
Hätte sich nun ihr Begleiter nicht mit einem deutlich
hörbaren Räuspern bemerkbar gemacht, wären dieser
beinahe unbemerkt geblieben. Aber das war ja Mungo el
Sarif, und der durfte nicht vergessen werden.
Auf ihn wartete leider keine Frau, und deshalb fielen nun
beide Frauen, ganz untypisch für sie, auch über ihn her
und drückten ihn fest zur Begrüßung. El Sarif wusste
zunächst gar nicht wie ihm geschah, doch dann fasste er
so gut es ihm möglich war um die beiden Frauen herum
und drückte sie ebenfalls herzlich.
Einige Sekunden später löste sich das Knäuel und die
Frauen traten zu den Männern die ihre Partner waren.
Königin Tara ging jedoch noch einen Schritt weiter, denn
in der Begleitung ihrer Freunde befand sich noch eine
weitere Person.
„Verzeiht, dass ich euch nicht ebenfalls so herzlich
begrüße, denn dafür kennen wir uns noch viel zu kurz.
Ich bin Königin Tara von Skataris, und mit wem habe ich
die Ehre hier zu sprechen?“ stellte sie sich dem Fremden
vor.
„Ich grüße euch aufrichtig und mit Ehrerbietung,
Majestät. Mein Name ist Elkah. Ellimak tim Elkah.“ stellte
er sich nun selbst auch vor.
„Seid mir willkommen, Herr Elkah. Da ihr nicht gefesselt
seid, nehme ich mal an, dass ihr unsere Krieger hier in
Freundschaft begleitet habt, und die Freunde unserer
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Männer sind auch unsere Freunde. Tretet ein, und seid
unser Gast.“
„Das ist sehr liebenswürdig von euch Königin,
wenngleich meine Beziehung zu euren Kriegern hier
nicht als Freundschaft zu deuten wäre, so bin ich ihnen
doch in gewisser Weise verpflichtet und durchaus wohl
gesonnen. Ich nehme eure Einladung daher gerne an
und bedanke mich schon jetzt dafür.“
Tara legte eines ihre umwerfenden Lächeln auf die
Lippen und meinte:
„Ich sehe, dass ihr ein Mann seid der weiß was sich
gehört. Das ist ganz nach meinem Geschmack. Bitte,
folgt uns hinein.“
Snow und Ilya waren schon einige Schritte voraus
gegangen, warteten aber nach ersteigen der halben
Treppe auf die anderen. Alex hatte seinen Blick auf die
Freunde unten im Hof gerichtet und wartete auf ihr
Kommen. Ilya dagegen, hatte ihre Augen auf ihn
gerichtet und musterte sein Gesicht genau. An der Art
wie er atmete, wie er aussah – einige Fältchen um die
Augen hatte er bekommen, die waren vorher noch nicht
da gewesen und die Wangen schienen schmäler als
zuvor. Ein Bad hatte er wohl auch nötig, doch das störte
sie nicht. Was hatte er wohl erlebt, dort wo er war. Es
muss nicht einfach gewesen sein.
„Kannst du mir sagen, wie lange wir fort waren?“ fragte er
ganz unverhofft. Ilya trat einen Schritt zurück und sah ihn
noch genauer an.
„Weißt du das nicht mehr?“
„Dort wo wir waren, spielt die Zeit wohl keine große Rolle,
nur deshalb wüsste ich es gerne.“
„Ihr wart fast zwei Monate fort.“ antwortete sie.
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Alex sah sie an und wusste nicht was er sagen sollte.
Zwei Monate? Das war schier unmöglich. Er hatte
gedacht, dass sie nur gut drei oder vier Tage fort waren.
Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, fühlte er sich nun
fast so, als wäre er diese lange Zeit tatsächlich
unterwegs gewesen. Er fühlte sich müde. unsagbar
müde. Doch dafür war keine Zeit, denn in diesem
Augenblick durchzog die Erde unter seinen Füßen ein
leichtes Zittern, das sofort wieder verschwunden war.
Dennoch war es nicht unbemerkt geblieben. Die
Freunde, die soeben noch unten im Hof gestanden
hatten, eilten die Treppe hinauf, und gemeinsam ging
man in den schon bekannten Raum im Palast, wo man
ausgiebig Kriegsrat halten konnte.
„Er hat uns gefunden.“ merkte Elkah auf dem Weg
dorthin an.
„Gefunden? Wer?“ wollte Tara wissen, denn sie hatte
Elkahs Worte gehört.
„Mein Sohn, verehrte Königin. Er ist etwas erbost über
den Ausgang unseres Schachspiels.“
„Und deshalb lässt er die Erde beben? Wer ist er, dass er
solche Kräfte besitzt?“ wollte sie wissen.
„Nun, das ist eine wirklich lange Geschichte, verehrte
Königin, und ich glaube nicht, dass wir noch die Zeit
haben, diese zu hören.“
„Wir werden uns die Zeit nehmen müssen, Denn wenn
ich etwas gegen jemanden unternehmen muss, der die
Fähigkeit besitzt, die Erde beben zu lassen, dann ist das
keine Kleinigkeit.“ sagte sie mit hörbar ernstem Ton.
„Das ist mir durchaus klar, und ich will euch erklären, was
ich kann, um Schlimmeres zu verhindern.“
Tara sah ihn mit grimmigem Blick an, und war sich schon
nicht mehr sicher, ob sie ihre Entscheidung, diesem
Mann Gastfreundschaft zu gewähren nicht wieder
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rückgängig machen sollte. Doch irgend wie schien es ihr
nicht richtig zu sein, und so würde sie nun erst einmal
abwarten was weiterhin geschah.
***
„Nun, Antonius, habt ihr alles gelesen was wichtig war?“
fragte der alte Magier, der sich immer noch von seinem
Sturz vom Stuhl erholte.
„Ja Meister, das habe ich. Doch ich fürchte, es wird uns
nicht möglich sein, diesen Herrn Elkah ausfindig zu
machen, da er sich vermutlich in seiner Heimatdimension
befindet, und wir nicht wissen, wie wir dort hin gelangen
können.“ antwortete der junge Chronist.
„Das wird auch nicht nötig sein.“ kam es auf ein Mal
hinter einem der vielen Bücherregale hervor. Der
zwergenhafte Bibliothekar, Miguel Seidenfeder, kam um
die Ecke und hielt einen kleinen Notizzettel in seinen
Händen.
„Wie kommt ihr darauf, Miguel?“ wollte Agathon wissen.
„Nun, weil er gerade in Skataris eingetroffen ist.“ erklärte
der Bibliothekar.
„Was?“ riefen beide und erhoben sich von ihren
Sitzgelegenheiten. Agathon drehte sich zu Antonius um
und hielt ihm den ausgestreckten Zeigefinger unter die
Nase und meinte:
„Das ist die Gelegenheit. Wir müssen sofort zum Palast
von Tolun aufbrechen.“
„Ja Meister. Äh, nein Meister!“
„Ja was denn nun? Ja oder Nein?“
„Nun ja, wir können schon aufbrechen, aber bis wir dort
angekommen sind, wird er möglicherweise nicht mehr
dort sein.“
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Ein berechtigter Einwand, den der junge Antonius da vor
brachte. Schließlich hatten sie für ihre Reise hier her fast
zwei Wochen benötigt. Oder waren es Drei? Enttäuscht
ließ sich der alte Magier wieder auf seinen Stuhl sinken,
schon aller Hoffnungen beraubt, den größten Zauberer
zu treffen, der jemals gelebt hatte. Doch dann spürte er
die Hand des Zwergen auf seiner Schulter und blickte
auf.
„Kommt mit. Ich schicke euch nach Tolun. Aber ich bitte
dies ausgesprochen geheim zu halten, denn
normalerweise dar ich das auf keinen Fall tun. Doch ich
denke, in diesem Falle kann man ein Mal eine Ausnahme
machen, denn es geht ja um das Wohl der Welt Skataris,
und ich denke weiterhin, dass Ellimak tim Elkah damit
keine Probleme haben wird. Also folgt mir bitte.“
Der Zwerg führte sie zwischen den Regalen hindurch, die
sich wie Rippen nebeneinander in den Raum hinein
aufgereiht hatten und ging dann an ein Regal an der
Wand, das nicht im Mindesten anders aussah wie die
anderen. Dort griff er nach einem Buch mit einem schon
längst verblassten, blauen Einband und zog es hervor.
Doch statt dass sich wie erwartet, ein weiterer Raum
hinter einem Regal das sich vielleicht zur Seite schieben
würde, auftat, blätterte er in dem Buch zu einer
bestimmten Seite und las die Worte die dort in fremden
Lettern geschrieben standen. Er las die Worte noch ein
zweites Mal, dann klappte er das Buch wieder zu und
führte die Männer einige Schritte weiter zu einem
anderen Regal. Er gebot den beiden Halt und trat dann
noch einen Schritt vor und sprach die Worte die er eben
gelesen hatte laut in Richtung Regal aus.
Zuerst tat sich überhaupt nichts, und Miguel blickte sich
ein wenig verstört um. War er zum falschen Regal
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gegangen? Er hatte diesen Zauber schon sehr lange
nicht mehr benötigt. Dann kam ihm die Antwort.
„Ich bin ein Idiot. Lies ihn zwei Mal, sprich ihn zwei Mal!
Stand da geschrieben.“
Also stellte er sich erneut vor das Regal und sprach die
Worte zwei Mal hintereinander aus, und siehe da,
plötzlich schien die Luft zu flimmern, die Bücher
verschwanden und eine torähnliche Öffnung zeigte sich
in der Wand der Bibliothek.
„Geht diesen Weg entlang bis zum Ende, und ihr werdet
direkt beim Palast von Tolun heraus kommen.“ erklärte er
ihnen.
„Vielen Dank für eure Gastfreundschaft, Miguel. Es war
uns eine Ehre euch kennen gelernt zu haben. Es würde
mich sehr freuen, wenn wir uns irgend wann einmal
wieder sehen könnten.“ bedankte sich Agathon
überschwänglich bei dem Zwerg.
„Es war mir eine Freude, und ich bin sehr dankbar für
eure Gesellschaft die ihr mir hier geleistet habt.
Ihr wisst ja wie ihr hier her gelangen könnt. Ich werde da
sein. Doch nun müsst ihr gehen, denn der Zugang wird
nicht ewig offen bleiben. Auf Wiedersehen meine
Herren!“
„Auf Wiedersehen!“ sagten beide und betraten die
Düsternis des geheimen Ganges. Hinter ihnen schloss
sich der Zugang mit einem leisen Zischen, und sie waren
von Dunkelheit eingehüllt.
„Ich hasse es, wenn man immer wieder durch so
stockdunkle Gänge wandern muss.“ maulte Antonius,
doch plötzlich wurde es hell vor ihnen, und sie konnten
Gebäude und einen großen Platz vor sich erkennen.
„Habt ihr euch bewegt, Meister?“ fragte Antonius
verwundert.
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„Nein, habe ich nicht. Aber ich denke, nun sollten wir
einen Schritt dort hinaus tun, und ich bin mir ziemlich
sicher, dass wir dann am Ziel sein werden.“
Er hatte die Worte noch nicht zu Ende gesprochen, da
schritt er auch schon aus. Antonius folgte ihm auf dem
Fuße, und sofort war ein weiteres Zischen hinter ihnen zu
hören. Der dunkle Gang war verschwunden, und sie
standen tatsächlich auf dem Gelände des Palastes.
Der alte Magier wand sich zu dem jungen Chronisten um
und hob erneut den Zeigefinger wie ein Schulmeister:
„Also weißt du, solch ein Transportmittel sollte es auf
ganz Skataris verteilt geben. Das wäre doch fabelhaft.
Dann könnte man jederzeit überall sein, und das ohne
jede Zeitverzögerung. Wundervoll!“ schwärmte er.
Antonius grinste. Auch ihm hatte das gefallen und er
meinte:
„Schlagt es doch dem Herrn Elkah vor, wenn ihr ihn trefft.
Vielleicht macht er es ja möglich.“
Agathon wedelte mit dem Finger und grinste:
„Vielleicht. Vielleicht tue ich das sogar. Kommt.“ meinte
er und ging dann in Richtung Palast davon.
***
„... ich war also damit einverstanden, meine Söhne
beweisen zu lassen, dass sie das Geschehen der Welt
mit Wohlwollen und Geschick leiten konnten, und schlug
deshalb dieses Spiel Zug um Zug, ich glaube, bei euch
nennt man es einfach nur Schach, vor.
Meine beiden ersten Söhne machten mir alle Ehre in
diesem Spiel und ich hätte keine Probleme, einem jeden
von ihnen die Aufgabe zu übertragen, über das Wohl der
Lebewesen in den einzelnen Dimensionen zu wachen.
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Doch mein Jüngster ist ein Hitzkopf. Er weiß sehr wohl
um die Macht die uns inne ist und er macht keinen Hehl
daraus, diese für seine, und nur für seine Zwecke
einzusetzen. Dennoch musste ich auch ihn prüfen, was
dann zur Folge hatte, dass ihr bei uns auftauchtet und.
Andererseits war es vielleicht besser so. Das Spiel wurde
unterbrochen und alle Züge, die noch ausstanden
wurden aufgehoben. Es entstand also kein weiterer
Schaden.“
Königin Tara hatte sich die Geschichte des Mannes in
aller Ruhe angehört, und wollte soeben ansetzen, ihn auf
das schärfste zu tadeln, doch Elkah gebot ihr mit einer
Handbewegung Einhalt und kam ihr zuvor:
„Verzeiht, Majestät, wenn ich euch unterbreche, aber ich
weiß bereits was ihr sagen wollt und ich habe durchaus
Verständnis für eure Reaktion. Eure Freunde hier, haben
mir bereits gesagt, was sie darüber denken.“ er machte
eine kurze Pause, dann packte er plötzlich die
Tischplatte und hielt sich krampfhaft daran fest. „Schnell,
sucht euch festen Halt!“ rief er den anderen zu, Doch da
war es schon fast zu spät. Das einsetzende Beben war
um ein vielfaches stärker als die leisen Erdstöße zuvor.
Das Rütteln bewegte Geschirr von seinem Platz und warf
es stellenweise zu Boden. Staub rieselte von der Decke
auf den Tisch und die Leute die darum herum saßen
herab.
„Unter den Tisch! Schnell!“ rief Morgan. Die Freunde
befolgten die Anweisung umgehend, und als sie alle
unter dem großen Besprechungstisch mit der dicken
Marmorplatte gekrochen waren, verebbte das Beben
bereits wieder.
„Er hat mich gefunden. Das kann ich spüren.“ meinte
Elkah und kroch unter dem Tisch hervor. In diesem
Augenblick wurde die große Tür zum Saal aufgerissen
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und alle Augen richteten sich auf die Gestalt, die sich da
langsam aus der Staubwolke heraus manifestierte.
„Hallo zusammen!“ rief eine ihnen wohl bekannte
Stimme. Agathon und der junge Chronist Antonius
schälten sich aus dem Nebel und traten in den Raum.
Erleichterung zeigte sich auf den Gesichtern der
Anwesenden.
„Was war denn das eben? Ich wusste gar nicht, dass es
in Skataris Erdbeben gibt.“ fragte der alte Magier nur mal
so pro forma.
„Jetzt gibt sie es, Ehrwürdiger. Jetzt gibt sie es.“
antwortete Königin Tara und klopfte sich dabei mit
düsterem Blick den Staub von der Kleidung.
***
Etwas weiter entfernt von Tolun, hatte Gwyndragsil, der
große blaue Drache von Skataris gerade seine
mittägliche Mahlzeit beendet, er hatte sich eine gut
gewachsene Kuh bei einem Bauern erstanden und diese
in seinem ureigensten Gebaren gejagt, geschlagen,
zerfetzt und gefressen. Nun lag er auf einer schönen,
saftig grünen Wiese am Berg unterhalb der Burg der
Drachenritter und pulte sich mit einem angespitzten
Beinknochen der Kuh, die Reste ihres zarten, rohen
Fleisches zwischen den Reißzähnen hervor. Dann
drückte er mit der Klaue des linken, kleinen Fingers,
eines der Deckelbretter eines Fasses besten Rotweines
nach innen, fischte es dann heraus und leckte den
wundervollen Rebensaft mit seiner gespaltenen Zunge
genussvoll davon ab. Schließlich hob er das Fass an,
das für ihn nicht viel mehr war, wie für einen
ausgewachsenen Mann ein Eimer Bier, und schüttete
sich den Inhalt in den weit aufgerissenen Rachen. Mit
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einem kräftigen Rülpser, den man vermutlich noch in
Bergan hatte hören können (das lag gut 20 Meilen weit
entfernt), beendete er endgültig sein Mahl und sank
zufrieden in das weiche Gras zurück. Müdigkeit
überwältigte ihn beinahe, als er plötzlich wieder hell wach
auf den Hinterläufen saß und prüfend die Luft in die weit
geblähten Nüstern ein sog. Irgend etwas war hier faul,
dachte er, machte sich auf die Pfoten um ein wenig
herum zu laufen. Weit kam er jedoch nicht, denn in
diesem Augenblick erbebte die Erde so heftig, dass er
sich beinahe nicht auf den Füßen halten konnte.
Instinktiv breitete er seine Schwingen aus und erhob sich
in die Lüfte.
Mit Hilfe seiner ihm ureigenen Drachenmagie, fand er
schnell heraus, woher das Beben gekommen war, und
schon machte er sich auf nach Tolun.
***
„Das Siegel wurde erneut gebrochen!“ rief da auf ein Mal
eine hektisch klingende Stimme, und ein kleiner
leuchtender Stern erstrahlte ihm Fenstergeviert zum
Besprechungsraum. Ihre Leuchten durchzog den Staub
in der Luft, wie Sonnenstrahlen die dünneren Bereiche
einer Wolke, wenn diese sich vor das Licht des Himmels
schob. Doch blieb hier nicht das Licht an seinem Platze,
sondern der Staub in der Luft. Luana, der gute Geist der
Erde, war aufgeregt flatternd durch das Fenster herein
geflogen und setzte sich nun völlig erschöpft auf die
Hand Königin Taras, um Bericht zu erstatten.
„Ehrwürdige Majestät, ich hatte Beobachtungsposten bei
Wald der Dämonen bezogen, wie ihr es wünschtet.
Lange Zeit ist nichts passiert, und ich dachte, ich könnte
für einige Stunden meinen eigenen Interessen
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nachgehen. Wie töricht von mir! Ich habe das Portal aus
den Augen gelassen.
Als ich dann zurückkehrte, sah ich eine dunkle Gestalt,
die sich am Portal zu schaffen machte. Zunächst dachte
ich, er soll es nur versuchen, aber schaffen würde er es
nie, doch ich irrte!“ Luana schien zu schluchzen. „Doch
oh weh, er brauchte nicht lange, da war das Siegel
gebrochen und ich wollte euch sofort Bericht erstatten.
Doch ich konnte zunächst nicht fort. Der dunkle Magier
würde meine Gestalt wahrnehmen können und mich
möglicherweise vernichten.“ Luana schien um Luft zu
ringen, obwohl sie ein körperloses Wesen, ein Geist war.
„Aber liebste Freundin, ihr habt euch nichts vorzuwerfen.“
versuchte Tara sie zu beruhigen, und das schien auch
ein wenig zu gelingen. Doch nicht für lange Zeit, den der
Geist berichtete weiter:
„Majestät, ich sah den dunklen Magier in das Portal
gehen und verschwinden. Ich dachte mir; oh, gut, dann
schmeiß ich die Tür hinter ihm wieder zu, und er bleibt
wo er ist. Doch das funktionierte nicht, denn als ich mich
aus meinem Beobachtungsversteck erhob um genau
dies zu tun, kam mir aus dem Loch doch schon der erste
Dämon entgegen.
Nun sammeln sie sich erneut am Rande des Waldes,
und angeführt werden sie von der Gestalt des dunklen
Magiers.“
„Mein Sohn hat es also gewagt, die Tür zum Reich der
Dämonen zu öffnen. Schlimm genug, dass es hier in
Skataris einen Übergang in diese Dimension gibt, aber
dass einer von uns dies jemals tun könnte...“ Elkah
schien verwirrt und verwundert zugleich zu sein. „Wie oft
habe ich meinen Söhnen gesagt, öffnet nie diese
Dimension, sie ist der Welten Untergang.“
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„Ich glaube,...“ begann Morgan, „dass ihr eure
Nachkommen ganz schön unterschätzt habt, Herr.“
Ellimak tim Elkah sah ihn an und nickte zustimmend.
„Aber zum Glück nur den Einen. Nur den Einen.“
Stille kehrte für einen kurzen Moment in dem Raum ein,
dann kamen auf ein Mal Pagen, Männer und Frauen aus
dem ganzen Palast in das Besprechungszimmer und
begannen mit den Säuberungs- und Aufräumarbeiten.
Tara, die die Nase vom Staub bereits gestrichen voll
hatte, bat die Freunde ihr in einen anderen Raum zu
folgen.
„Was können wir tun?“ fragte sie, „Die Armee ist sehr
geschwächt, und unsere Verbündeten sind längst wieder
in ihre Territorien zurückgekehrt. Es würde Tage dauern,
sie wieder hier her zu beordern. Mal ganz davon
abgesehen, das „sie herzubeordern“ nicht grade das
Mittel ist das ich unbedingt anwenden möchte.
Schließlich sind es unsere Freunde.“
„Glaubt ihr nicht, dass sie freiwillig kommen werden?“
wollte Antonius wissen. Der junge Chronist schien
überaus besorgt ob der Dinge die nun schon wieder auf
ihn zuzukommen schienen.
„Doch gewiss, junger Freund. Kommen werden sie. Die
Frage ist nur, werden sie rechtzeitig hier eintreffen
können?“ versuchte sie ihm zu erklären.
Das Flappen großer, schwerer Flügel war über dem
Palast zu hören, und kurz darauf betrat Gwyn den neuen
Besprechungsraum.
„Schönen Gruß aus dem Reich der Dämonen, meine
Damen und Herren. Die stinkenden Mistkäfer sind wieder
auf dem Vormarsch.“ begrüßte er die Anwesenden.
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„Ja, dir auch einen schönen, guten Tag, Gwyn!“
antwortete Alex und trat zu dem großen Drachen.
„Ah, es ist schön, euch wohlbehalten wiederzusehen,
mein Freund.“ sprach der Blaugeschuppte und legte dem
Menschlein vor ihm eine schwere Klaue auf die Schulter.
„Ebenso, mein Freund. Doch sagt, was führt euch zu
uns, euer Instinkt für das Böse das ihr unbedingt
bekämpfen wollt, oder euer untrügliches Gespür für einen
guten Braten, mit dem ihr euren Eingeweiden mal wieder
etwas Gutes tun wollt?“ fragte ihn der Drachenritter.
Gwyndragsil druckste ein wenig herum, so als wisse er
nicht was er sagen solle, doch dann meinte er nur ganz
ehrlich:
„Ach wisst ihr, nichts gegen das Essen hier im Palast. Es
ist immer ganz köstlich.“ bei diesen Worten blickte er zu
Königin Tara und grinste so breit wie dies für einen
Drachen möglich war, „Aber ich hatte heute bereits eine
ausreichende Mahlzeit. Also wird es wohl der Kampf
gegen das Böse sein das mich herführte.
Ich habe mir auch gleich erlaubt, einen kleinen Rundflug
über den Wald und die angrenzende Gegend zu machen,
und ich bin sicher, es wird euch nicht erfreuen, was ich
gesehen habe.“ fügte er seiner Erklärung noch hinzu.
„Die Dämonen haben zwar nicht mehr die zahlenmäßige
Stärke wie beim letzten Mal, und sie konnten auch keine
Menschen als lebende Zielscheiben einsetzen, da die
Bevölkerungsstruktur in dieser Gegend noch immer sehr
ausgedünnt ist, Aber dafür scheinen sie einen neuen
Verbündeten zu haben, der ihnen wohl große Macht
zuspricht.“ berichtete er weiter.
„Ihr Verbündeter ist mein Sohn, großer Drache.“ sagte
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Ellimak, trat nun hervor und verbeugte sich vor dem
Drachen. Bislang hatte Gwyndragsil ihn noch nicht
bemerkt, da er bei seinem Eintreten schräg hinter ihm
gestanden hatte. Doch nun, als der Mann zu ihm trat und
sich vor ihm verbeugte, zog er den langen Hals ein wenig
zurück und betrachtete den Fremden mit einem
neugierigen Blick.
„Seid gegrüßt, großer Gwyndragsil.“ begrüßte ihn der
Magier.
„Ellimak tim Elkah, was führt euch denn hier her?“ fragte
der Drachen erstaunt.
„Nun, ihr wisst es bereits. Es ist wegen meines Sohnes,
Muk-Tar.“
„Oh, ist er der jenige welcher?“ fragte Gwyn und wies mit
der Daumenklaue über die Schulter zum Fenster hinaus.
Elkah nickte.
„Dann sollten wir schnellstens etwas dagegen
unternehmen. Ich konnte spüren, dass seine Macht sehr
schnell wächst.“ gab der Drachen zu bedenken.
Alex wand sich an ihn und meinte:
„Irgend wie habe ich auch ein schlechtes Gefühl wegen
ihm. Er gefiel mir schon von Anfang an nicht. Ich meine,
als ich ihn zum ersten Mal sah.
Aber sagt mal, alter Freund, ich habe so das Gefühl,
dass ihr beiden euch schon länger kennt, oder irre ich
mich da etwa?“ wollte Alex wissen.
„Gwyndragsil war das erste Wesen, das ich in diese Welt
gebracht habe.“ erklärte Ellimak.
„Ja, und das ganze zweihundert Jahr lang. Kein feiner
Zug von euch, Elkah.“ schimpfte er. Dieser zuckte mit
den Schultern und meinte:
„Tut mir ja aufrichtig leid, mein Freund, aber es dauerte
leider etwas bis ich die nächsten Lebewesen fand die
hier her zu passen schienen.“ versuchte er zu erklären,
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doch Gwyndragsil winkte ab und meinte, es sei nicht so
wild gewesen. Schließlich hatte er in dieser Zeit ja auch
die Möglichkeit gehabt, sich ohne böse Blicke auf sich zu
ziehen, überall hin bewegen zu können.
Doch nun hatten sie ein vorrangiges Problem, das es
noch zu lösen galt.
Königin Tara wies den alten Magier Agathon an, sich mit
seinen Brüdern und Schwestern vom Zirkel der Magier in
Verbindung zu setzen, und diese so schnell wie möglich
hier her zu bitten. Der Alte antwortete, er habe dies
bereits getan, als sie unter dem Tisch Schutz vor dem
Erdbeben gesucht habe, und er und Antonius
geradewegs in den Palast hinein spaziert waren.
Luana wurde zu den Trollen und den Zwergen geschickt,
und auf dem Rückweg sollte sie bei Rupert vom Thal
vorbei flattern um auch ihm Bescheid zu sagen.
Diese war einer der wenigen Momente, bei denen sowohl
Alex wie auch Travis es vermissten, die Möglichkeiten
der Telekommunikation ihrer Welten nutzen zu können.
Niemand hätte geschickt werden müssen, ein Anruf hätte
genügt.
Kapitel 16: Die Entscheidung
Etwa zwei Stunden später, hatten die Soldaten des
Königreiches, so weit diese noch in der Stadt waren, vor
den Toren Aufstellung genommen. Es waren nicht ganz
Achthundert
Mann.
Snow
und
die
anderen
eingeschlossen.
Vor etwa einer halben Stunde, waren drei weitere Magier
im Palast aufgetaucht und entboten der Königin ihren
Gruß und ihre Hilfe. Agathon war überrascht, zwei neue
Gesichter in ihren Reihen zu sehen. Nun ja, so ganz neu
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waren sie für ihn nicht mehr. Er kannte sie bereits als
Schüler. Aber nun mussten sie hier helfen und ihre
Schulzeit war damit vorüber. Diese Schlacht würde ihre
Feuertaufe werden. Viel zu früh wie Agathon so bei sich
dachte. Sie waren ja noch Kinder.
Am Horizont waren bereits die ersten Staubwolken der
herannahenden Dämonenarmee zu sehen, und dem
einen oder anderen Krieger des Königreiches wurde es
bereits etwas unbehaglich. Es hatte ja auch nicht gerade
lange gedauert, dass die letzte Schlacht gegen diese
Untoten vorüber war.
Nur einige wenige, ganz hart gesottene Burschen, saßen
gemütlich an ihr Marschgepäck gelehnt auf dem Boden
und wetzten ihre Klingen. Alex beneidete sie fast ein
wenig, denn ihm selbst ging es auch ganz schön im
Bauch herum.
Gwyndragsil trat zu ihm und meinte:
„Es ist Zeit für uns.“
„Ich komme.“ gab er zur Antwort und packte seine
Habseligkeiten. Das Schwert verschnürte er am Sattel
des Drachen, die Axt kam wie gewohnt auf seinen
Rücken. Sein Blick schweifte über den Wüstenstreifen.
Die Staubwolke war nun schon um einiges näher.
Gedankenverloren blickte er ihr entgegen, da legte sich
plötzlich eine Hand auf seine Schulter. Er drehte sich um.
Ilya stand voll gerüstet vor ihm.
„Dieses Mal werde ich dich nicht alleine lassen.“ begann
sie. Doch als Snow etwas dazu sagen wollte, legte sie
ihm nur die Fingerspitzen auf die Lippen und gab ihm
einen leidenschaftlichen Kuss.
Hmmmm, das hatte er schon lange vermisst, und am
liebsten wäre es ihm, wenn er sie nun mit auf dem
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Drachen nehmen und mit ihr davon fliegen könnte. Aber
das war leider nicht möglich.
„Seid mein Gast, liebliche Nixe.“ brummte der blaue
Drache, und mit dem Schnippen seiner Klauen, befand
sich auf ein Mal ein doppelter Sattel auf seinem Rücken.
Alex wollte es noch verhindern, doch da saß sie schon im
hinteren Sattel und schnürte sich die Beine daran fest,
damit sie die Arme zum kämpfen frei bewegen konnte.
Alex sprang in den Sattel und schon ging es in die Luft.
Sie waren noch nicht weit gekommen, da färbte sich der
Himmel erst Purpur, dann lila und schließlich wurde er so
dunkel wie bei Nacht auf der Erde.
„Kannst du bei diesem Licht fliegen?“ fragte Alex den
Drachen besorgt.
„Kein Problem für mich. Wir Drachen verfügen über ein
erweitertes Sehvermögen, das es uns ermöglicht, auch
bei Dunkelheit noch genügend sehen zu können.“
erklärte er und zog weiter seine Kreise durch die warme
Thermik, um höher in den Himmel aufsteigen zu können.
Königin Tara wollte eben den Befehl zum Abmarschieren
weiter geben, da zitterte erneut die Erde unter ihren
Füßen, und der Himmel verfinsterte sich zusehends.
Doch das Gefühl war ganz anders als zuvor. Zudem
drang ihr mit einem Mal ein dumpfes Dröhnen an die
Ohren, so als würde jemand in weiter Ferne eine
gewaltige Pauke schlagen. Sich vorsichtig umblickend,
konnte Tara die Besorgnis in den Gesichtern ihrer
Männer erkennen, und auch diejenigen, die noch kurz
zuvor ganz ruhig auf dem Boden saßen und ihre
Schwerter schärften, waren aufgestanden und sahen
sich mit besorgtem Blick um.
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Das Trommeln wurde zu einem Stampfen und die
Lautstärke erhöhte sich ebenfalls. Auch das Erzittern der
Erde verstärkte sich potenziell zur Lautstärke. Einige
Leute wandten sich um und riefen plötzlich lautstark quer
über den Sammelplatz.
Tara schnappte sich Morgan und Mungo und ging dem
Aufruhr entgegen. Hinter den Stadtmauern, die nur
ungefähr 150 Meter hinter ihnen lagen, erhob sich
ebenfalls eine gewaltige Staubwolke die schnell näher
kam. Aufkommender Wind trieb sie vor den eigentlichen
Verursachern einher, und verhinderte dadurch die Sicht
auf die Herannahenden.
Es dauerte nicht lange, dann hatte die Staubwolke die
ersten Soldaten des Königreiches erreicht und überzog
diese mit einem feinen, rötlichbraunen Überzug. Plötzlich
hörte das Stampfen auf, und das Beben der Erde erstarb.
Gebannt starrten alle auf die sich langsam setzenden
Staubschwaden, da schälte sich eine riesige Gestalt aus
ihrer Mitte und trat auf Königin Tara und ihre Begleiter zu.
Die zunächst sichtbaren Umrisse waren furchteinflössend
genug, um die Neuankömmlinge durchaus für eine Horde
von Dämonen halten zu können, doch dann verzog sich
der Nebel und man konnte Tara die Erleichterung
durchaus ansehen, als sie erkannte, wer da
angekommen war.
„Norro Vet!“ rief sie erfreut, „Wie schön, euch zu sehen.“
Der König der Trolle, der die Sprache der Menschen
zwar ein wenig verstand, diese aber nicht sprechen
konnte, nickte nur kurz und wies dann mit seiner gewaltig
großen Hand auf die Männer die hinter ihm angehalten
hatten. Es war eine ganze Armee von Trollen. Mehr als
Tara jemals zuvor gesehen hatte, und mehr als beim
letzten Mal an der Schlacht gegen die Dämonen
teilgenommen hatten. Wo hatte er die ganzen Männer
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her, fragte sie sich, und wie konnten diese so schnell hier
sein?. „Egal“ verwarf sie den Gedanken. Wichtig war nur,
dass sie hier waren. Sie würden eine große Hilfe für sie
sein.
Mittlerweise war es Nacht geworden über Tolun und dem
Wüstenstreifen. Und hatte nicht erst das Zittern der Erde
die Menschen hier auf dem Plan verunsichert, dann tat
die Dunkelheit dies nun in ausreichender Form.
Nacht, ein Begriff, der den Bewohnern dieses Landes
seit langer Zeit entfallen war. Nacht gab es hier in
Skataris nicht. Der orangerote Sonnestein leuchtete
immer vom Firmament herab, egal welche Tageszeit es
„oben“ war.
Der Zirkel der Magier fand zusammen und gemeinsam
erleuchteten sie die Flanken der königlichen Soldaten als
diese
abmarschierten
und
das
angrenzende
Schlachtfeld. Als jedoch die Armee der Dämonen in den
Feuerschein eintrat, wirkten ihr Züge durch das
flackernde Feuer weit bedrohlicher denn je.
Die Flammen zu beiden Seiten schlugen hoch auf, als
die Dämonen den freien Raum dazwischen besetzten.
Angst schienen sie davor nicht zu haben.
Die schwarze Gestalt in ihrer Mitte stoppte den Zug der
Dämonen etwa zehn Meter vor der herannahenden
Armee des Königreiches, an dessen Spitze Königin Tara,
Travis Morgan und Mungo el Sarif, sowie sein Vater
Ellimak tim Elkah standen.
„Wie ich sehe, habt ihr euch Hilfe geholt, um unser Spiel
fertig zu spielen, Vater!“ rief der Anführer der Dämonen
spottend über den Platz.
„Nicht weniger als du für dich in Anspruch nimmst, Sohn!“
rief Elkah zurück. „Doch wisse, du hattest das Spiel
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selbst beendet. Also weshalb sollte ich nun noch mit dir
streiten?“
„Oh nein!“ brüllte der andere herüber. „Ich stand nur im
Schach, ich hätte einen Ausweg finden können!“
„Deine Situation war ausweglos, mein Sohn. Du
brachtest diese Menschen hier zu uns und hast
gefährdet, wonach wir immer strebten. Nämlich den
Menschen ein Leben zu gewähren das von unserer
Einmischung ausgeschlossen bleibt. Wir greifen nur ein,
wenn eine Einmischung unumgänglich ist!“
„Ach ja, weshalb habt ihr dann nicht eingegriffen, als die
Dämonen diese Welt hier mit ihrer Bösartigkeit
überfluteten? Wäre es hier nicht auch notwendig
gewesen?“
„So ist es. Die Menschen und die ihnen zur Verfügung
stehenden Mächte in dieser Dimension waren durchaus
ausreichend, die Dämonen in ihre Schranken zurück zu
verweisen.“
„Jaaa! Doch zu welchen Preis? Wie viele mussten ihr
Leben lassen beim Kampf mit ihnen?“ maulte der
Jüngere.
„Ach komm, spiel hier doch nicht den Moralapostel, MukTar. Sieh dich doch erst einmal selbst an. Woher
stammen denn deine Begleiter? Hast du sie nicht eben
aus der ach so unmöglich wieder verschließbaren
Dimension geholt, in die sie diese Menschen zurück
befördert hatten? Sie waren durchaus selbst dazu in der
Lage gewesen und benötigten meine Hilfe nicht. Die
natürliche Evolution wurde gewahrt.
Und wenn du jetzt auf andere Konflikte anderer Welten
anspielen willst, so sei dir gesagt, dass dort das gleiche
gilt wie hier. Wir mischen uns nur ein wenn es
unumgänglich ist!“ brüllte der alte Magier nun zurück.
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Die Dämonen hinter seinem Sohn hatten die Worte
gehört und manch einer ließ eine üble Bemerkung über
die Einmischung der „Allmächtigen“, oder sie fuchtelten
mit ihren ungleichmäßig langen Gliedmaßen wild in der
Luft umher. Sie spotteten über die Prinzipien.
Der Sohn wischte die Erklärungen seines Vaters mit
einer Handbewegung beiseite und befahl den Schergen
des Todes die Menschen anzugreifen. Er wollte die
Nachfolge um jeden Preis erringen. Doch kaum hatten
die Dämonen einen Fuß vor den nächsten gesetzt, da
bildeten sich in der Mitte des Schlachtfeldes zwei hell
leuchtende Strudel und entließen zwei Personen die
ebenfalls von Kopf bis Fuß schwarz gewandet waren.
Auch ihre Gesichter waren durch übergroße Kapuzen
verhüllt.
Muk-Tar breitete die Arme aus und brachte so den
Vormarsch der Dämonenbrut zum Stoppen.
„Was wollt ihr denn hier?“ rief er den beiden
Neuankömmlingen entgegen.
„Es war an der Zeit, dass wir kommen.“ antworteten sie
ganz lapidar und gesellten sich zu Ellimak tim Elkah. Der
nahm dies äußerlich ungerührt zur Kenntnis, freute sich
aber innerlich sehr darüber, die beiden Söhne an seiner
Seite zu wissen. Ellimak stellte die beiden den Menschen
als seine Söhne von zweiter und dritter Geburt vor.
Mao-Tin, der Zweitgeborene, war von untersetzter, fast
schon kräftiger Gestalt. Als er seine Kapuze wie sein
Vater nach hinten über den Kopf schob und sein Gesicht
preis gab, wusste ein jeder, dass er zu seinem Vater
halten würde. Sein Schädel war kahl und blank poliert
wie eine Billardkugel. Die Augen lagen tief verborgen
hinter zwei schmalen Schlitzen, und sein buddähnliches
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Grinsen strahlte beruhigende Freude aus. Doch an
Körpergröße fehlte es ihm ein wenig, denn er war gut
einen Kopf kleiner als sein Vater.
Sein Drittgeborener, der ebenfalls Ellimak mit Namen
hieß, kam seinem Vater in Aussehen und Größe
durchaus nach. Einzig die Jahre die er weniger zählte als
der alte Magier, unterschieden dem Mann vom Meister.
„Nun, da wäre die Familie ja wieder vereint! Fehlen bloß
noch unsre Mütter, nicht wahr? Ach ja, ich vergaß... Die
leben ja nicht mehr. Wie dumm von mir!“ spottete MukTar.
Um seine Finger herum blitzen auf ein Mal gleißend helle
Lichtkegel auf, die er sofort auf seine Brüder warf.
Ellimak der Jüngere konnte durch eine Drehbewegung
seines Oberkörpers dem Geschoss entgehen, doch sein
jüngerer Bruder war wegen seines Körpergewichtes nicht
so behände gewesen. Die Energiekugel traf ihn mit voller
Wucht und schleuderte ihn einige Meter weit nach hinten,
wo er mit einigen Soldaten des Königreiches zusammen
stieß und brennend liegen blieb.
„Neeeiiin!“ schrie Ellimak tim Elkah auf und wollte seinem
Sohn zu Hilfe eilen, doch für die Dämonen war dies das
Angriffssignal gewesen, worauf hin die zwei Fronten
aufeinander los stürmten. Der junge Ellimak musste
seinen Vater festhalten, damit er nicht nach hinten zu
seinem verlorenen Sohn rannte und die Menschen durch
sein Handeln im Stich lassen würde. Doch er war der
große Ellimak tim Elkah. Er besann sich auf sein Wesen
und schluckte, wenn auch nicht ohne den bitteren
Beigeschmack des Verlustes, seinen Schmerz hinunter
und begann wild mit den Armen zu rudern. Seine Söhne
wussten was nun kam, und Ellimak, der Jüngere, rief
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eine Warnung zu den Menschen und Trollen hinüber. Sie
mussten sofort in Deckung gehen.
Doch Muk-Tar hörte diese Warnung auch. Sein Blick
suchte den Vater und sah die sphärische Brisanz die sich
in der Luft bildete. Ihm blieb nur wenig Zeit, einen
wirkungsvollen Gegenzauber zu aktivieren. Nein, ihm
blieb keine Zeit mehr. Einzig ein Schild aus Energie
würde der Gewalt des Zaubers den sein Vater in der Luft
dort spann, entgegen wirken können. Muk-Tars Lippen
formten das Wort Mauer, und sogleich errichtete sich ein
fast zehn Meter breiter Energieschild vor dem jungen
Magier.
Einige Dämonen, die nicht begriffen was hier geschah,
liefen schnurstracks in die Mauer hinein und wurden von
der Energie sofort zurück geworfen.
„Bleibt ruhig!“ rief Muk-Tar ihnen zu, als er bemerkte,
dass sie die Wand überaus störend fanden. Sein Blick
wand sich wieder nach vorne, wo er gerade noch sehen
konnte wie sein Vater den gewirkten Zauber frei ließ.
Eine bläuliche Energiewelle setzte sich von seiner
Person aus in Bewegung und wallte ringförmig von ihm
ab. Die Menschen und die Trolle, waren dem Alarmruf
des jungen Magiers sofort gefolgt und hatten sich auf den
Boden geworfen. Dies hatte zur Folge, dass die
Dämonen mit denen sie eben noch gekämpft hatten, nun
über ihnen standen und schon siegreich grinsten. Doch
nun sahen sie die schnell näher kommende Energiewelle
und wussten nicht so recht was sie tun sollten. Einige
ignorierten den Zauber, weil sie sich derart in einem
Rausch des Tötens befanden, dass sie sich nicht
bremsen konnten. Ihre Gegner starben grausam
dahingeschlachtet. Doch auch ihren Mördern erging es
nicht anders, denn nun erreichte die Welle die Reihen
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der Dämonen. Das bläuliche Licht hüllte die Unmenschen
ein und verzehrte ihr stinkendes Fleisch, brannte es von
den deformierten Knochen, durchlöcherte diese und fraß
sich in das Knochenmark voran. Die Nervenbahnen
leiteten den Schmerz direkt ins Gehirn der Bestien weiter,
wo das Denken dem Gefühl Ausdruck verleihen konnte.
Doch sie hatten keine Zeit mehr zu schreien, denn das
Feuer hatte ihre Kehlen längst erreicht und die
Stimmbänder zu Asche verbrannt.
Der
Schildwall
hielt.
Muk-Tar
grinste.
Seine
Dämonenarmee hatte sich bei Sichtung der Vorgänge
auf dem Schlachtfeld vor ihnen, schnell hinter die
Energiemauer zurück gezogen, und so waren die
meisten von ihnen verschont geblieben. Nichtsdestotrotz,
hatte die Tat des alten Magiers nur eines bei den
Dämonen verursacht. Sie waren nun wütend. Zuvor, zu
der Zeit als Muk-Tar sie aus ihrem Gefängnis befreit
hatte, waren sie nur dankbar gewesen, eine weitere
Chance bekommen zu haben, erneut gegen die
Menschen und ihre Verbündeten kämpfen zu dürfen.
Doch nur waren sie wütend. Ihr Blutdurst schwoll ins
Unermessliche.
Ellimak tim Elkah war sehr geschwächt nach diesem
Angriffszauber. Er hatte sich einen Augenblick auf den
Boden gesetzt um zu verschnaufen. Sein Ältester kniete
neben ihm nieder.
„Geht es euch gut, Vater?“ fragte er mit besorgtem Blick.
Der alte Mann legte ihm eine Hand auf die Schulter und
tätschelte sie ein, zwei Mal.
„Es geht schon wieder, mein Sohn. Geh, hilf den
Menschen. Sie brauchen uns jetzt mehr denn je.“
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Sein Sohn nickte und erhob sich wieder, um dem
Wunsch des Vaters Folge zu leisten.
Hoch über der Ebene vor Tolun, zog der große, blaue
Drache seine Kreise. Er wartete auf die fliegenden
Dämonen die zweifellos kommen würden, um ihn und
seine Reiter auszuschalten.
Gerade in dem Moment als er die ersten Flieger
aufsteigen sah, sah er auch den Angriff des schwarzen
Magiers der Dämonen. Das Durcheinander war perfekt,
als der Zauber Ellimaks die Dämonen nacheinander
dahin raffte. Der herannahende Flugdämon, hatte
ebenfalls seine Aufmerksamkeit auf die Situation unter
sich gerichtet, da schlug Gwyndragsil zu. Seine
Klauenfüße bohrten sich in den weichen, aufgedunsenen
Leib des Dämonen und rissen ihn in Stücke. Die
Gefährten des Flugdämons sahen das und stürzten sich
seinerseits auf den blauen Drachen. Alex und Ilya hielten
ihre Bögen schon bereit. Doch nicht alle Geschosse
trafen ihr Ziel. Alex konnte gerade noch rechtzeitig seine
Axt vom Rücken nehmen, bevor sich einer der fliegenden
Dämonen auf ihn stürzte. Mit den Füssen voran, krallte
sich das Wesen in das Sattelzeug des Drachen und
schlug mit den klauenbewehrten Händen um sich. Da
Ilya nicht direkt hinter Snow saß, hatte Alex genügend
Platz, um mit der Axt auszuholen und zuschlagen zu
können. Ilya wehrte indes weitere Flugdämonen mit
ihrem Bogen ab. Sie ließ Pfeil um Pfeil von der Sehne
schnellen, bis ihr Köcher leer war. Dann ließ sie den
Bogen fallen und wartete auf den direkten Angriff.
Unterdessen hatte Snow bereits drei weitere fliegenden
Kreaturen abgewehrt, und sein Arm wurde langsam
müde. Die Axt wog so schwer in seiner Hand wie noch
nie.
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„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir es dieses Mal
mit mehr fliegenden Dämonen zu tun haben als beim
letzten Mal.“ rief er über die Schulter.
„Ja, das scheint mir auch so.“ gab ich Ilya recht und
schlug dabei einem der Kreaturen den Schädel entzwei.
Unten, auf dem Boden, hatten die Kämpfe ebenfalls
zugenommen. Die Knäuel der Krieger waren kaum noch
auseinander zu halten, und das anfängliche Glück der
Königlichen hatte sich langsam aber sicher gewendet.
Die Magier leisteten was sie konnten, und waren
teilweise dem Erschöpfungszustand näher denn dem
richtigen Leben.
„Vater!“ rief Ellimak der Jüngere, „Vater, sie sind zu stark!
War sollen wir tun?“
„Weiter kämpfen, mein Sohn, weiter kämpfen! Etwas
anderes bleibt uns nicht übrig. Muk-Tar stärkt die
Dämonen mit seiner Kraft. Das können die Menschen
und Trolle auf keinen Fall alleine bewältigen!“ rief er
zurück. Er sah die Verzweiflung in den Augen seines
Ältesten. Ellimak war es nicht gewöhnt so hart kämpfen
zu müssen. Keiner von ihnen war daran gewöhnt. Er
musste sich schnellstens etwas einfallen lassen. Die Zeit
drängte ihn schon. Würden sie hier und heute nicht
bestehen, würde Skataris für immer vergehen.
Gwyn hatte eben eine aufsteigende Thermik verlassen
um wieder an Höhe zu gewinnen, da hörte er auf ein Mal
einen Ruf in seinen Gedanken der ihn hinab zu den
anderen rief. Ohne groß darüber nachzudenken, stürzte
er sich vornüber und rauschte mit irrer Geschwindigkeit in
Richtung Boden, wodurch Snow und Ilya alle Mühe
hatten, sich im Sattel festzuhalten.
„Gwyn, was ist los?“ wollte Alex wissen.
„Wir müssen landen. Sofort!“ gab Gwyndragsil zurück.
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„Ja gut. Aber weshalb?“
„Keine Ahnung. Aber ich erhielt eben einen Hilferuf von
Elkah. Das alleine ist schon ausreichend wichtig.“
„Okay, dann lande!“
„Bin schon dabei.“
Gwyndragsil breitete knapp über dem Boden die
Schwingen zu voller Länge aus und nahm somit die
gesamte Geschwindigkeit ihres Sturzfluges auf. Mit
einem leichten Hopser setzten sie nahe der Frontlinie auf
dem weichen Sand des Wüstenstreifens, der sich von
Tolun bis zum Dunklen Wald zog, auf.
Ellimak tim Elkah befreite sich mit einem machtvollen
Hieb, einer Art magieunterstützter Kinnhaken, von
seinem derzeitigen Gegner und begab sich schnellen
Schrittes zu dem Drachen hinüber. Seine beiden Reiter
hatten sich bereits vom Sattelzeug losgebunden und
kämpften gegen mehrere Dämonen, die sich nach ihrer
Landung sogleich auf sie gestürzt hatten.
„Gwyndragsil, wir müssen diese Sache hier so schnell
wie
möglich
beenden,
sonst
geschieht
das
unvermeidliche Unheil doch noch.“
„Welches Unheil, Meister Elkah?“ wollte der Drache
wissen, denn er hatte immer noch keine Ahnung von was
der alte Magier da sprach.
Elkah sah sich kurz um. Er hatte eigentlich keine Zeit,
sich jetzt mit einer längeren Erklärung aufzuhalten, doch
da kam ihm eine Idee. Er sprach ein paar Worte in einer
recht merkwürdig klingenden Sprache und wischte mit
der Hand von Links nach Rechts durch die Luft. Ein
leises Surren erfüllte die Luft, und plötzlich blieb ein jeder
der sich im Umkreis von mehr als fünfhundert Metern
befand, einfach so stehen, wie er sich eben bewegt
hatte. Das Schlachtfeld mutierte zu einer Parade grotesk
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aussehender Statuen die man willkürlich so auf den Plan
gestellt hatte. Einzig Ellimak und Gwyndragsil blieben
beweglich.
Der Drache sah sich verblüfft um. Solch einen Zauber
hatte selbst er noch nicht in Erwägung gezogen.
„Diesen Trick müsst ihr mir unbedingt beibringen, alter
Freund.!“ schmeichelte er dem alten Magier. Doch
sogleich richtete sich seine Aufmerksamkeit auf eine
andere Person. Nein, auf mehrere Personen, denn er
hatte aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung unter
den Kämpfenden wahrgenommen.
Aus der Verwirrung der zu Statuen gewordenen
Menschen auf dem Schlachtfeld, löste sich zunächst eine
Gestalt, dann eine weitere. Es waren die Magier des
Zirkels die da auf sie zu kamen. Ellimaks Zauber hatte
wohl keine Wirkung auf sie gehabt, denn sie bewegten
sich völlig normal und zielgerichtet auf sie zu.
„Keine schlechte Idee, diese Zeitbremse. Aber lange wird
sie nicht mehr anhalten.“ meinte Agathon als er heran
war.
„Ja leider. Aber... aber weshalb seid ihr nicht darin
gefangen? Es müsste eigentlich jeder außer meinem
direkten Gegenüber davon betroffen sein.“ wollte Ellimak
wissen.
„Nun, das liegt wohl daran, dass wir uns eben mit einem
Schutzzauber umgeben hatten, um nicht Gefahr zu
laufen, von einem der magisch begabten Dämonen zu
Hackfleisch verarbeitet zu werden. Wie mir scheint, war
unser Schutz stark genug.“
„Nun gut, da ihr nun einmal da seid, kann ich euch
ebenso gut mit einweihen.“ brummt Elkah.
„Einweihen? Worüber?“ fragte einer der jungen Magier
des Zirkels.
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„Meine Söhne und ich, sind nicht aus irgendwelchen
lapidaren Gründen hier.“ begann Elkah. „ Es wurde Zeit,
dass wir kamen. Ich spürte die Macht meines Sohnes
Muk-Tar stetig wachsen, und ich sorgte mich um das
Wohlergehen der Menschen die ich in den
verschiedenen Dimensionen zurück gelassen hatte.
Hinzu kommt, dass ich nicht mehr der Jüngste bin, und
dass somit die Auswahl meines Nachfolgers anstand.
Muk-Tar war meine erste Wahl, weil ich in seiner Stärke
noch keine Gefahr sah. Eher ein Bild meiner Jugend.
Und so beschloss ich, sie zu prüfen. Es war Muk-Tars
Wunsch die Prüfung mit einem Spiel zu beginnen. Bei
euch wird dieses Spiel „Schach“ genannt.
Während wir spielten, bemerkte ich seine wachsenden
Ungeduld, sein Drang zu herrschen und die weit stärker
ausgeprägte Ungestümtheit seiner Jugend. Ich hatte ihm
zwar Schach geboten, doch er wollte nicht aufhören und
bedrohte mich mit seiner Macht, also holte ich mir Hilfe.
Eure Helden waren genau die richtigen für diese
Aufgabe. Sie verfügten zwar nicht über die Kraft der
Magie, aber sie sind gewitzt, schnell und intelligent, und
zudem sind sie ausgezeichnete Krieger. Ich war mir
sicher, ihnen würde etwas einfallen, um mir zu helfen.
Und ich hatte recht.
Wir konnten vor meinem Sohn hier in Skataris
ankommen. Doch leider hatten wir nicht mehr die Zeit,
etwas vorzubereiten. Wie ihr selbst gesehen habt, ist
seine Macht ausgesprochen stark, und wenn wir nicht
schnell handeln, wird er die Menschen hier, die
Menschen in der Stadt und schließlich die Lebewesen in
ganz Skataris vernichten. Und das nur, um seinen
Machtansprüchen Nachdruck zu verleihen.“
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„Dann sollten wir hinüber gehen und ihn jetzt töten,
solange er sich noch nicht bewegen kann.“ brachte sich
Gwyndragsil mit ein.
„Das geht leider nicht.“ meinte Elkah darauf hin.
„Weshalb nicht?“ fragte einer der jungen Magier.
„Das Anhalten der Zeit hat zur Folge, dass sich ein jeder
der darin gefangen ist, in einer Art zeitlich richtig
gestellter Umhüllung befindet. Dieser, ich will es eimal als
Kokon bezeichnen, schütz die Person vor Einflüssen von
Außen. Wir könnten ein Schwert hindurch stoßen, und
die Klinge hinten wieder herkommen sehen, aber die
Person bliebe unverletzt. Verliert der Zauber seine
Wirkung, befindet sich die Person automatisch wieder in
ihrem zeitlich richtigen Rahmen. So als wäre nichts
passiert.“
Die Anwesenden grübelten im Folgenden über die
Möglichkeiten nach, die ihnen ihre Macht bot, doch sie
kamen auf keinen recht grünen Zweig.
„Man müsste unsere Macht noch stärker bündeln können
wie wir das eh schon tun. Aber ich weiß nicht wie wir das
machen können. Unsere Kräfte sind beinahe erschöpft.“
meinte Agathon dann.
„Eure Macht kann nicht mit der meinen verbunden
werden, da beide auf völlig anderen Grundprinzipien
arbeiten, Agathon. Aber grundsätzlich ist diese Idee nicht
schlecht. Die Frage ist nur, wie machen wir das am
besten.“ erklärte Ellimak.
Gwyndragsil der ein paar Schritte hinter Elkah stand,
räusperte sich, und meinte dann als er die
Aufmerksamkeit aller hatte:
„Was ist mit mir? Ich bin ebenfalls ein magisches Wesen,
und ich bin älter als alle anderen hier in Skataris. Meine
Magie arbeitet nicht auf den Grundelementen der Erde
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wie die der Magier des Zirkels.“ Er blickte Elkah scharf
an, so als wolle er fragen; Na, wie steht es damit?
Ellimak grübelte ein wenig darüber nach, dann kam er zu
einem Entschluss:
„Mir schein, ihr habt Recht, Gwyndragsil. Eure Macht
könnte wohl mit der meinen zusammenarbeiten. Doch
wie vereinen wir sie. Die Energie die wir freisetzen
müssen, um die Dämonen restlos zu besiegen, muss
überaus stark und gebündelt sein. Es reicht nicht aus,
dass ich einen Zauber wirke und Ihr den euren obenauf
setzt. Eine gegenseitige Wirkung könnte dabei
entstehen.
Irgend wie müsste ich meine Energie in euch hinein
bringen und dort mit der euren verbinden können.“
meinte er.
„Hm, ich könnte euch fressen.“ scherzte der Drachen.
Agathon und die Magier des Zirkels lachten, doch Ellimak
schien weiterhin ernst, und sah merkwürdig drein.
„Diese Idee ist gar nicht so schlecht.“ murmelte er und
grübelte weiter darüber nach. Gwyndragsil und die
anderen dachten sie hätten sich verhört, doch als sie
sahen, mit welchem Ernst der alte Mann dies
ausgesprochen hatte, wurde ihnen ganz anders zumute.
„Das ist nicht euer Ernst, Elkah?“ fragte Agathon sein
Gegenüber.
„Nun, wenn ich es mir recht überlege... Doch! Seht mal,
ich bin schon weit über sechzehntausend Jahre alt.
Natürlich nach eurer Zeitrechnung. Meine Zeit ist
vorüber. Was glaubt ihr denn, weshalb ich diese Sache
mit der Nachfolge mit meinen Söhnen begonnen habe?
Ich bin nicht mehr der Jüngste und meine Kräfte
schwinden zusehends. In einem Körper wie dem von
Gwyndragsil, einem Körper der länger leben und mehr
aushalten kann wie mein eigener, könnte meine Magie,
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nein, unsere Magie, eine ganz neue Dimension erlangen.
Gwyndragsil könnte unglaubliches vollbringen. Und euer
Dämonenproblem wäre damit auch beseitigt.“
„Ihr seid ja völlig von Sinnen, Elkah!“ rief einer der
anderen Magier.
„Nein, mein junger Freund, ganz gewiss nicht. Oder wisst
ihr eine bessere Möglichkeit?“
Der Angesprochene schüttelte den Kopf. Er wusste also
keine andere Möglichkeit. Aber dennoch war das
Wahnsinn, was der Mann da vor hatte.
„Wer sagt uns, dass es funktionieren wird? Ich meine, der
Drache könnte euch fressen, und die Energie die in euch
wohnt, könnte sich einfach so verflüchtigen. Was dann?“
„Euer Zweifel ist nicht unbegründet. Wissen werden wir
das nicht. Aber ihr wisst selbst, dass von euch auf
andere übertragene Kraft, stets zu euch zurückkehrt
sobald die Aktion beendet ist, für die die Übertragung
notwendig war. Ich könnte meine Kraft also auf den
Drachen übertragen. Frisst er mich in diesem Augenblick,
kann die Macht nicht mehr zu mir zurückkehren und wäre
somit an Gwyndragsil gebunden, da sie Übertragung
noch aktiv war.“
„Das ist zwar einleuchtend, aber es wäre uns schon
lieber, wenn wir das erst einmal ausprobieren könnten.“
„Eure Bedenken in allen Ehren, Agathon. Doch wir haben
keine Zeit mehr.“ Elkah wand sich um und wies mit der
Hand auf die erstarrten Leiber einige Meter weiter.
Manche konnten sich schon wieder ein wenig bewegen.
„Wenn diese Starre aufgehoben ist, wird es nicht einmal
mehr zwei Tage dauern, bis von Skataris und seinen
Lebewesen nichts mehr übrig ist. Glaubt mir, das ist die
Wahrheit. Und glaubt mir auch dies; Ich bin sehr darauf
aus, den Freitod zu sterben. Ganz und gar nicht. Aber
wenn es notwendig ist, und ich sehe keine andere
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Möglichkeit mehr, dann ist besser ein Leben zu opfern,
als das Leben vieler aufs Spiel zu setzen, wenn man
genau weiß wie die Sache zu Ende gehen wird.“
Er trat einen Schritt vor und zog eine Pergamentrolle aus
seinem Ärmel und hielt sie Agathon hin. Der sah mit sehr
gemischten Gefühlen auf das Papier.
„Gebt dieses Pergament bitte meinem Sohn dort drüben.
Er wird wissen was damit zu tun ist. Und sagt ihm bitte,
dass ich sehr stolz auf ihn bin, und dass er nicht um mich
trauern soll. Mein Geist und meine Kraft wird ein Teil von
Gwyndragsil werden und ihm mit Rat und Tat zur Seite
stehen.“ er sah zu dem Drachen, „Oh, keine Angst, mein
Freund. Ich werde mich nicht in eure Entscheidungen
einmischen können. Dennoch werdet ihr meine Präsenz
spüren können. Hoffe ich.“
„Habt ihr euch das wirklich gut überlegt?“ fragte Gwyn
nach.
„Ja, das habe ich. Zumindest so gut wie es für diese
etwas kurze Zeit möglich war.“ er atmete tief durch.
„Wollen wir beginnen?“ fragte er schließlich.
„Wann immer es euch beliebt.“ gab der Drachen zurück.
Ellimak wand sich noch ein Mal kurz an die anwesenden
Zauberer:
„Wenn ich mit Gwyndragsil vereint bin, wird die
Zeitsperre automatisch aufgehoben und alle sind wieder
völlig beweglich. Ich werde mit Gwyndragsil sogleich
einen entsprechenden Zauber wirken, dem ihr nicht im
Wege stehen solltet. Dies meine ich nicht im wörtlichen
Sinne wie ihr euch sicherlich denken könnt. Bitte wirkt zu
dieser Zeit keine eigene Magie. Aber haltet euch bereit,
für den Fall dass unsere Magie nicht richtig wirkt, oder
gar versagt.“ erklärte er ihnen, „Das wäre alles. Lebt
wohl, meine Freunde, und ein langes Leben euch allen.“
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Elkah ging zu Gwyndragsil hinüber und stellte sich ihm
direkt gegenüber. Er sprach noch ein paar leise Worte
mit dem Drachen und begann dann eine Zauberformel zu
rezitieren und einige Symbole mit den Fingern in die Luft
zu schreiben. Langsam baute sich ein hell leuchtende
Aura um seinen Körper herum auf, die immer strahlender
wurde. Kurz darauf war das Licht so gleißend, dass man
mit bloßem Auge nicht mehr hinein sehen konnte.
Die dunkle Nacht wurde fast zum Tage, da verwandelte
sich Gwyndragsil in einen gewaltig großen Drachen,
sperrte den Rachen weit auf und verschlang den Magier
mit einem großen Bissen. Augenblicklich wurde es
wieder dunkel, Gwyn wurde wieder kleiner und die
Krieger um sie herum begannen sich wieder zu
bewegen.
Alex und Ilya waren ebenfalls aus ihrer Starre erwacht
und sahen sich ein wenig verwirrt um.
„Was ist geschehen?“ fragte sie, meinte aber niemand
bestimmtes. Gwyndragsil wand sich um und meinte:
„Keine Zeit mehr für Erklärungen. Stellt euch hinter mich
und wartet ab was geschieht. Schnell!“ rief er.
In seinem innersten Inneren spürte der Drache wie er an
Stärke gewann. Etwas kribbelte in ihm, so als habe er
eine Million Ameisenhügel mit samt ihren Bewohnern
verputzt. Doch es war kein schlechtes Gefühl. Und
plötzlich hörte er eine Stimme in seinem Geist die zu ihm
sprach:
„Es ist Zeit mein Freund. Wir müssen den Zauber
wirken.“
Die Vereinigung hatte also funktioniert. Aber würde auch
der Zauber funktionieren?
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Gwyndragsil drehte sich zu den Kämpfenden um und
setzte sich auf die Hinterläufe. Seine blauen Schwingen
waren nur halb an den Körper angelegt. Er sog tief die
Luft des warmen Tages ein, spreizte die Arme zu ihrer
vollen Breite und rezitierte nur einen einzigen Begriff:
„Agrapunekrum!“
Seine
krallenbewehrten
Klauen
begannen
hell
aufzuleuchten, fast so hell wie der alte Magier kurz zuvor.
Dann, mit einer Geschwindigkeit, die das menschliche
Auge fast nicht mehr nachvollziehen konnte, führte er die
Klauen zueinander und klatschte ein Mal laut. Dadurch
wurde die Energie freigesetzt und raste auf die
Kämpfenden zu. Die Energiewelle hüllte alles ein und
tötete alles was nicht menschlich oder ein Troll war. Die
Dämonen lösten sich förmlich in Luft auf und waren von
einem auf den anderen Augenblick verschwunden.
Ellimak der Jüngere erkannte was geschehen war, und
musste sich nur noch um seinen Bruder kümmern, der
mit verdutzt dreinschauendem Blick sich auf dem
Schlachtfeld hin und her wand. Ellimak betäubte ihn mit
einem Energiestoß und befahl dann einigen Soldaten,
den Bruder zu fesseln und zu knebeln. Damit war sein
Handeln extrem eingeschränkt. Zumindest für eine ganze
Weile.
Mit einer Handbewegung förderte er einen Zeitwirbel zu
Tage und bat die Soldaten ihn hinein zu werfen.
Zunächst sahen sie sich nur mit fragendem Blick an,
doch dann taten sie was sie tun sollten. Der Wirbel
schloss sich hinter Muk-Tar wieder, und Stille konnte für
einen Moment auf dem Plan eintreten.
Agathon und die Magier des Zirkels traten zu Ellimak und
übergaben ehrfurchtsvoll die von seinem Vater erhaltene
Schriftrolle. Ellimak nahm sie, betrachtete die
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verschnörkelten Schriftzeichen auf der Oberfläche und
bedankte sich bei den Überbringern mit einer
Verbeugung.
Die heraufbeschworene Nacht, wich dem sonnigen Tag
der für die Bewohner dieser Welt so wichtig war.
„Meine Augen sahen was geschah, und meine Ohren
nahmen wahr, was zu hören war. Ich hege gegen
niemanden einen Groll deswegen, denn es war meines
Vaters eigener Entschluss. Ich werde einige Zeit
benötigen, bis ich den Anweisungen meines Vaters
gerecht werden kann, aber dann werde ich zurückkehren
und wir werden reden.“ dann wand er sich an Königin
Tara, die eben mit Travis Morgan und Mungo el Sarif zu
ihnen getreten war.
„Eure Welt ist wieder sicher, Königin Tara. Ich hoffe, dass
wie euch eine willkommene Hilfe waren.“
Tara nahm die ihr entgegengestreckte Hand in die ihren:
„Wir sind euch für immer dankbar für eure Hilfe, und euer
Verlust berührt uns schmerzlich. Ich hoffe ihr werdet ihn
bald überwunden haben und uns wieder besuchen. Ihr
seid immer willkommen in Skataris.“
„Das ist sehr freundlich von euch, Majestät. Ich werde
gerne einmal wiederkehren. Lebt wohl, Majestät.“ und zu
den anderen, „Lebt wohl ihr alle. Mögen eure Wege stets
hell erleuchtet und sicher sein!“
Dann öffnete er erneut den Wirbel und trat davor. Er warf
noch einen kurzen Blick über die Schulter zu dem
Drachen hin und nickte. Dann verschwand er in der Zeit
und ward nicht mehr gesehen.
Die Aufräumarbeiten waren schnell erledigt. Agathon und
seine Mitglieder vom Zirkel kümmerten sich im Dunklen
Wald um das Portal zur Welt der Dämonen. Als sie dort
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angekommen waren und einen Blick hinein warfen,
konnten sie Tausende von toten Dämonen dahinter
liegen sehen. Elkahs Magie hatte sich also auch auf
diese Welt ausgewirkt. Um jedoch sicher gehen zu
können, das nicht doch noch weitere Dämonen durch
das Portal kamen, verschlossen sie es mit der besten
Magie, die sie wirken konnten. Dieses Portal sollte nie
wieder geöffnet werden können.
Einige Tage später, Gwyndragsil war mit Alex und Ilya
von der Drachenritterburg in den Bergen zurück zum
Palast gekommen, um dort ein wenig Entspannung und
Gesellschaft zu erfahren, saßen Snow und die
Wassernixe einmal mehr, gemeinsam in der großen,
hölzernen Badewanne im angrenzenden Raum ihres
Schlafgemaches.
Ilya hatte sich gemütlich mit dem Rücken an Snows Brust
geschmiegt und summte eine leise Melodie, die Alex
noch nicht kannte. Sie hatte die Augen geschlossen und
genoss die Wärme des klaren Wassers und die zärtlichen
Berührungen seiner Hände. Heute hatte sie ihren Körper
unter Kontrolle, und war nicht zu der Nixe geworden die
sie sonst wurde, wenn sie mit Wasser in Berührung kam.
Denn nur so konnten beide die Zärtlichkeit des anderen
ohne Einschränkungen genießen.
Snow rückte den hölzernen Schemel auf dem er saß ein
wenig nach vorne. Seine Hände umfassten Ilyas Hüften
und hoben sie leicht an.
„Dreh dich um.“ flüsterte er ihr zu und sie tat es.
Beim Hinsetzen spürte sie seinen erregten Körper und
sie wusste worauf er hinaus wollte. Vorsichtig, um ihm
nicht weh zu tun, setzte sie sich auf sein erregtes Glied
und begann sanft mit den Hüften zu arbeiten. Ein
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unbeschreiblich schönes Gefühl erfasste beide. Sie
umarmten sich, küssten sich, und bewegten sich im
langsamen Rhythmus der leiblichen Melodie die sie kurz
zuvor noch gesummt hatte.
Eine der beide Zofen, die wie immer ein Stück weiter
hinter einem dicken Vorhang darauf warteten, dass die
beiden dem Bade wieder entstiegen, hatte die Melodie
aufgenommen und sang nun ein leises Lied. Sie wusste
genau was dort hinter ihrem Rücken geschah, und das
spornte sie an, denn das entzückte Stöhnen der beiden
Liebenden war ihr nicht entgangen.
Es würde sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis
sie mit ihrer Kollegin das Bad beseitigen und den Raum
aufräumen konnte, doch diese Zeit genoss sie fast genau
so intensiv wie die beiden dort in ihrem Zuber.
Einige Stunden später, man hatte im großen Saal
zusammen mit den Freunden gespeist, verabschiedeten
sich Alex und Ilya von den Freunden und begaben sich
zu Bett. Einige Minuten sprachen sie noch miteinander,
dann kuschelte sich die blauhäutige Nixe sanft an Snows
Brust, und schon bald waren beide eingeschlafen und
träumten von schönen Dingen.
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Das letzte Kapitel
Die Dunkelheit schien nicht so lange anzuhalten wie Alex
es zunächst erwartet hatte. Gut, er konnte nach wie vor
noch nichts sehen, aber sein Geist arbeitete bereits
wieder. Ein leiser, dünner Piepton drang scheinbar immer
näher an sein Ohr, ähnlich dem Summen eines lästigen
Insekts, das einem in schwülen Sommernächten immer
um die Ohren schwirrte und sein Opfer nicht schlafen
lies.
Ganz automatisch schlug Snow mit der Hand nach dem
Störenfried. Doch statt den ungebetenen Gast zu
verscheuchen, traf er nur sein eigenes Ohr. Ungewollt.
löste diese Berührung eine körperweite Reaktion bei ihm
aus. Seine Haut signalisierte ihm aus verschiedenen
Bereichen die unterschiedlichsten Kontakte. Gefühle der
Realität, die er sonst als selbstverständlich abgetan
hatte,
erregten
nun
seine
unterbewusste
Aufmerksamkeit. Er fühlte Schweiß in den Haaren und
am Genick. Er fühlte die Nässe seines Hemdkragens und
die stetig zunehmende und daher unangenehme Kühle
des Stoffes auf seiner Haut. Seine Füße rieben sich
nackt aneinander, obwohl er sich nicht im mindesten
daran erinnern konnte, wo seine Stiefel abgeblieben sein
konnten, denn ausgezogen hatte er sie nicht. Der Arm,
mit dem er die lästige Fliege verscheucht hatte, fühlte
sich kalt und klamm an, so als habe sie Stunden lang bei
niedrigen Temperaturen irgend wo herumgelegen.
Automatisch zog er den Arm unter die warme Decke und
bemerkte, dass er eigentlich nicht nur im Nacken,
sondern am ganzen Körper schwitzte. Er lag im Bett.
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Moment mal, dachte er sich. Er konnte sich nicht im
mindesten daran erinnern wann er ins Bett gegangen
war. Merkwürdig, dachte er und versuchte die Augen zu
öffnen.
Ein bläulicher Schimmer durchbrach seicht das tiefe
Schwarz der Nacht. Der NACHT ! In Skataris gab es
keine
NACHT!
Seine
Gedanken
begannen
herumzuwirbeln und weckten ihn langsam mehr und
mehr auf. Eine böse Vorahnung machte sich in ihm breit,
und er hoffte im Stillen, dass er nicht schon wieder Raum
und Zeit gewechselt und damit seine Freunde und sein
derzeitiges Leben erneut verloren hatte. Langsam hob er
die Hände zum Gesicht, drehte sich auf den Rücken und
rieb sich die Augen. Der blaue Schimmer wurde
deutlicher. Er stammte von einer Lichtquelle die sich
außerhalb des Raumes befinden musste und daher nur
durch kleine Schlitze in der Wand zu seiner Rechten
herein leuchten konnte.
Seine Augen gewöhnten sich nur mühsam an die
Lichtverhältnisse, doch allmählich konnte er einige Dinge
in dem Raum ausmachen in dem er sich befand, und ihm
dämmerte mit Schrecken, was passiert war. Er griff mit
der Hand über den Kopf und fand was er vermutet hatte.
ein Druck mit dem Daumen lies eine Lampe aufleuchten
und erhellte den Raum mit einem dürftigen gelben
Lichtkegel. Er schlug die Decke zurück mit der zugedeckt
war und erhob sich. Vorsichtig ging er durch die sich
direkt vor ihm befindliche Türe in den kleinen Flur. Seine
Hand fand fast automatisch den Schalter für das Licht
und betätigte ihn. Er wand sich nach links und ließ auch
dort das Licht aufleuchten. Seine Hand fuhr über die
Möbel, Kein Staub; zumindest nicht mehr als hätte man
eine Woche nicht geputzt. Es war sein Wohnzimmer,
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seine Wohnung, und sie sah aus als habe er sie niemals
verlassen. Keine dicken Staubwolken die in der Luft
schwebten wenn man über den Boden ging, Keine mit
Brettern vernagelten Fenster, kein zusammengestürztes
Treppenhaus, das ihm den Ausgang verwehrte. Und da,
war das nicht die Hupe eines Autos das draußen gerade
vorüberfuhr? Er trat an die Wand durch die der blaue
Lichtschimmer einfiel und sah dass es ein Fenster war,
vor dem ein Rollladen herabgelassen war. Vorsichtig,
jedes unnötige Geräusch vermeidend, zog er die
Jalousie nach oben. Draußen, hinter dem Glas, herrschte
tiefschwarze Nacht. Von den zwei Straßenlaternen und
der Beleuchtung der benachbarten Tankstelle einmal
abgesehen. Sie war es auch, die diesen bläulichen
Schimmer in seinem Schlafzimmer erzeugt hatte.
Ohne eine weitere Reaktion seines Körpers zu
verursachen, wand er sich ab und schlüpfte in seine
Hose und ein T-Shirt, die beide über einem Stuhl an der
Seite seines Bettes lagen. Die volle Beleuchtung seiner
Wohnung ignorierend, öffnete er die Türen und trat
hinaus ins Freie. Weit hinter ihm zurück, fast so als
befände es sich noch in den entfernten Winkeln seines
Geistes, hörte er noch immer das piepende Geräusch
aus seinem Schlafzimmer das, so vermutete er, ein
Wecker war. Er ignorierte es einfach und ging weiter.
Nächtliche Kälte zog ihm durch die Fußsohlen die Beine
hinauf und machten das Gehen bald schon unangenehm.
Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass er vergessen hatte
sich Schuhe anzuziehen. Hätte er nur seine Stiefel
gehabt, würde er nicht frieren.
Egal wohin sein Blick sich wand, überall schien alles heil
zu sein. Die Häuser waren nicht mehr zerstört, die
Straßenzüge glatt und geteert, und kein Unkraut
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wucherte mehr aus den aufgerissenen Schlitzen des
Straßenbelages.
Einige Minuten später war er an einer kleinen Wiese
angelangt, und seine nackten Füße nahmen das wohlige
Gefühl der kleinen, kitzelnden Grashalme war. Langsam
lies er sich danieder sinken und streckte sich auf dem
satten Grün aus, ganz so wie er es in Skataris oder einer
der anderen Welten getan hatte, wenn sich die
Möglichkeit dazu bot. Es war dunkler hier, und so konnte
er im fast schwarzen Blau des Himmels Hunderte von
Sternen sehen.
Er war wieder zu Hause, und alles schien so als sei nie
etwas passiert. Hatte er das alles nur geträumt?
Ein kleiner Ausflug in die Zukunft...
258 Jahre später
Fiona Maddigan trat auf den kleinen Balkon des alten
und längst nicht mehr in Betrieb stehenden
Kontrollzentrums des Arecibo Observatoriums in Puerto
Rico, und sog die kühle, klare Nachtluft tief in ihre vom
Zigarettenqualm strapazierten Lungen.
Die gewaltige Schüssel mit mehr als hundert Metern
Durchmesser tief unter ihr, war längst nicht mehr weiß.
Wilde Kletterpflanzen und anderer Urwaldbewuchs hatte
sich längst einen Lebensraum auf der einst so glatten
Oberfläche des Radioteleskops erkämpft. Und auch der
in über sechzig Meter Höhe darüber hinweg reichende
Antennenund
Steuerungsteil
war
von
den
Kletterpflanzen erobert worden. Heute sah er schon mehr
einem natürlich gewachsenen Übergang von einer Seite
der Schlucht zur anderen aus, würden in der Mitte nicht
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meterlange
Antennen
und
sonstige,
Auswüchse aus dem Grün hervor ragen.
metallene
Seit einundzwanzig Jahren lebte sie zusammen mit ihrem
Mann Ross und ihren Kindern Jake und Maria hier, weil
man in den zerstörten Städten dieses Landes, eigentlich
jeden, süd- und mittelamerikanischen Landes, keine
Wohnung bekam. Die Menschen dieser Zeit hausten in
verfallenen Häusern und Ruinen. Nur in den großen,
reichen Städten Nordamerikas und Europas, gab es noch
Wohnkultur alten Standards wie sie vor 500 Jahren, im
21. Jahrhundert noch existierte. Und natürlich auf den
Raumstationen
des
Mars
und
den
fernen
Interplanetarischen
Raumbasen
des
ehemaligen
Wirtschaftsverbundes der vereinigten Planeten. Doch wie
viele davon noch existierten war fraglich. Der Mars und
der Mond waren seit dem großen Meteoritenregen von
2223 nur noch ein Trümmerhaufen. Tage später
schlugen Hunderte von Meteoriten auf der Erde ein und
veränderten ihr Gesicht nachhaltig. Nicht genug dass es
schon fast hundert Jahre zuvor eine für die Menschheit
fast tödliche Katastrophe gegeben hatte, und wenn man
heute, 34 Jahre später, nicht über genügend Geld
verfügte, oder dem Militär angehörte, war das Leben
eben auf die einfachste Art und Weise reduziert.
Fionas Blick schweifte über die Millionen Sterne am
Nachthimmel. Eine sanfte Brise umwehte ihre immer
noch schlanke und straffe Figur, die sich eine andere
Frau in ihrem Alter, sie war nun fast 60 Jahre alt, nur
sehnlichst wünschen konnte, und setzte ihr langes,
weißes Nachthemd in weichen Wellen in Bewegung. Sie
hörte leise Schritte hinter sich, drehte sich jedoch nicht
um. Ross stand hinter ihr, das wusste sie, und umfasste
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sie sanft mit seinen starken Armen. Der fast zwei Meter
große Mann überragte sie um einen ganzen Kopf, und
sie liebte es, wenn er sie sanft an seine immer noch mit
dicken Muskeln bepackte Brust drückte. Eigentlich hatte
sie nie auf Männer gestanden die Bodybuilding
betrieben, doch bei Ross war das etwas anderes
gewesen. Als einstiger Spitzensportler und ehemaliger
Olympiasieger im Zehnkampf, war er schon mit fünfzehn
ein gewaltiges Muskelpaket gewesen. Aber er hatte
einen Abschluss in organischer Physik und Biogenetik an
der Bosten University erlangt und als Klassenbester
abgeschlossen. Eine Zeit lang arbeitete er in einem
Labor des Militärs, das sich auf die Untersuchung
außerirdischer Biomasse spezialisiert hatte. Dort hatten
sie sich kennen und lieben gelernt, bis er auf einmal
krank wurde und seine Arbeit aufgeben musste. Einige
Jahre lang konnten sie sich von ihrem Ersparten noch
über Wasser halten, doch dann rutschten sie zusehends
ins Abseits der menschlichen Gesellschaft.
Fiona, die ebenfalls Biogenetik studiert hatte, forschte
damals an einem Genmanipulationsprogramm, mit dem
man menschliche DNA mit der von bestimmten Pflanzen
kreuzen können sollte. Doch die Forschung war nicht von
Erfolg gekrönt.
Nachdem der Abstieg vorprogrammiert war, zogen sich
die Beiden hier her zurück, und betrieben seitdem ihre
eigenen Forschungen. Irgendwann gelang es ihnen die
entsprechenden DNA Sequenzen zu isolieren und mit
der von Ross Blut zu kombinieren. Die ersten Auswüchse
waren fatal und hätten ihren Mann beinahe umgebracht,
doch mit der Zeit und unerbittlichem Ehrgeiz, gelang
ihnen das Unglaubliche. Ross Maddigan kam wieder zu
Kräften. Mehr noch. Mit jedem Tag seiner neu erlangte
Lebensenergie wurde er stärker und stärker. Aber auch
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grüner. Seine Haut nahm nach und nach eine satte,
grüne Farbe an, bildete feine, kurze Härchen auf der
Oberfläche, die jeden Wassertropfen, Schmutz, ja sogar
Ölfarbe einfach abperlen ließen. Fehlte nur noch, dass
seinem schwarzgrün schimmerndes Haar bei Tage
leuchtend bunte Blüten entwuchsen. Seine Gangart und
wie er sich sonst bewegte, und vor allem sein Gesicht,
hatten etwas katzenhaftes an sich. Und wenn er den
Mund öffnete der sich zwischen zwei leicht nach vorne
verschobenen Kiefern befand, konnte man deutlich die
Ansätze von Reißzähnen im vorderen Teil seines
Gebisses erkennen.
Fiona und ihm, war das egal. Sie liebte ihn so wie er war.
Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen seine Brust und
empfand seine Wärme als wohltuend. Ross umschlang
ihre schlanken Körper, beugte sich kurz zu ihr hinab und
küsste ihre Stirn als sie zu ihm hinauf sah.
Ein bläulichgrüner Lichtblitz, gefolgt von einem rötlichen,
zuckte plötzlich über den Nachthimmel, dort wo sich die
Deichsel des großen Wagens befand. Es folgten noch
einige andere Lichtblitze, weiße, gelbe doch die Roten
waren die größten. Das Schauspiel dauerte fast zwanzig
Minuten, dann war es endlich vorbei.
„Hast Du das gesehen?“ fragte sie ihren Mann.
„Ja.“ antwortet er etwas zögerlich.
„Was das wohl war? Polarlichter?“
„Nein, wir sind zu weit südlich. Keine Ahnung, aber wenn
etwas dort stattfand wo wir es sahen, muss es schon
lange, lange Zeit vorbei sein, denn das Licht braucht
Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, bis es von
dort aus bei uns zu sehen ist.“
Fiona schmiegte sich wieder an ihn und meinte:
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„Hmm, dann bin ich ja beruhigt.“ Sie schmiegte sich
einmal mehr an seine Brust und atmete tief durch. Ein
Moment des Schweigens verging, dann fragte sie auf ein
Mal:
„Du sagtest eben, wenn es da geschah wo wir es sahen.
Heißt das, dass du weißt wo das ist?“
Ross hob den Blick zum Himmel empor und betrachte die
Sterne. Dann schob er Fiona ein Stück von sich und
legte ihr den Arm auf die Schulter. Mit der anderen wies
er gen Himmel.
„Siehst du die Sterne dort...“ sein ausgestreckter Finger
beschrieb eine kleine Schlangenlinie. „... Das ist das
Sternbild des Drachen, genannt Draco. Einst, vor vielen
Hundert Jahren stand dieses Sternbild weit im Norden.
Man sagt, es sei zirkumpolar. Das bedeutet, es ist ein
Sternbild, das um den Himmelsnordpol herum steht und
niemals untergeht. Rechts und links davon siehst du den
Großen und den Kleinen Bären. Alle drei konnte man
damals nur von weiter oben auf der nördlichen Halbkugel
aus sehen. Doch nach den großen Sonneneruptionen
von 2120 und dem kosmischen Elektronensturm, der
2121 durch unser Sonnensystem gezogen war, hat sich
die Neigung der Erde geändert, die Klimazonen
verschoben sich, und wir haben im Winter Schnee, und
im Sommer freie Sicht auf die Sternbilder des einstigen
Nordens.“ erklärte er ihr.
Fiona sah ihn bewundernd an und fragte ihn, woher er
soviel darüber wisse. Ross zog sie wieder an sich und
meinte er habe während ihrer Experimentierphase
ausreichend Zeit gehabt einige Bücher zu lesen. Vor
allem Bücher, die er hier in Arecibo gefunden hatte.
Die Beiden blieben noch einige Minuten auf dem Balkon
stehen und genossen die klare Nachtluft. Doch dann
fröstelte es Fiona, und sie gingen zurück zu ihrem
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Schlaflager, das sie im ehemaligen Kontrollzentrum auf
einer kleinen Empore eingerichtet hatten.
„Ich kann mich da an die Geschichte eines meiner
entfernten Vorfahren erinnern,“ begann Ross, „er war ein
junger Mann und lebte zu der Zeit in Deutschland, du
weißt schon, das Land, das einst zu Europa gehörte. Es
liegt jetzt dort oben im hohen Norden, ist von ewigem Eis
bedeckt und bildet seit 2121 unseren neuen Nordpol
Dem Typen passierten damals wirklich seltsame Dinge.
Mysteriöse Dinge.“
Fiona sah ihren Mann an und wollte fragen was denn
damals passiert sei, doch Ross schüttelte nur den Kopf
und legte sich auf ihr Lager nieder. Wirklich merkwürdige
Dinge, ging es ihm noch Mal durch den Kopf.
Ende des 3. und letzten Buches
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