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Herzchirurgie Suriname
Prof. Dr. med. Axel M. Laczkovics
Herz und Thoraxchirurgie
Berufgenossenschaftliche Kliniken
Bergmannsheil-Universitätsklinik
Ruhr-Universität-Bochum
Tel. : 0234-3026000; Fax: +49-234-302-6010
E-mail: Axel.Laczkovics @ruhr-uni-bochum.de
Zusammenfassung
Einleitung: In den Industrienationen sind Operationen am Herzen zu einer
Selbstverständlichkeit geworden. Demgegenüber stehen Länder der dritten
Welt wie z.B. Suriname, denen die Behandlungsvielfalt aus
medikamentöser, kardiologisch-interventioneller und herzchirurgischer
Therapie nicht zur Verfügung stehen. Neben der koronaren Herzkrankheit
stellen insbesondere rheumatischen Mitralklappenvitien einen
Behandlungs-schwerpunkt dar. Im Rahmen eines Kooperationsvertrages
wurde vereinbart, vorerst innerhalb von drei Jahren 300 Patienten am
Herzen zu operieren.
Methode: In drei Einsätzen wurden bislang 80 Patienten durch Mitarbeiter
unserer Klinik operiert. Es waren 31 Frauen und 49 Männer. Bei 53
Patienten führten wir eine Bypass-Operation durch, in 14 Fällen erfolgte ein
Mitralklappeneingriff, in 4 Fällen ein Aortenklappenersatz und in weiteren 3
Fällen ein Doppelklappenersatz. Die verbleibenden 6 Patienten erhielten
einen Vorhofseptumverschluss (n=2), einen Aortenklappenersatz mit
Bypass-Operation (n=2), einen Mitralklappenersatz mit
Vorhofseptumverschluss (n=1) und in einem Fall eine Kommissurotomie.
Ergebnisse: Wir verloren drei Patienten nach isolierter Bypass-Operation:
ein Patient verstarb am 3. postoperativen Tag im Rahmen einer fulminanten
Sepsis, ein weiterer Patient am 12. post-operativen Tag im
Kammerflimmern auf der Normalstation. Der dritten Patient zeigte in der
Sektion eine Thrombosierung der Aorta abdominalis. Eine Patientin
verstarb nach Doppelklappenersatz, ein weiterer Patient nach 5-fachBypass und Mitralklappenersatz im Multiorganversagen. Es traten keine
neurologischen Komplikationen auf.
Das Surinamesiches Operations- und Anästhesie Pflegepersonal war
letztendlich in der Lage elektive Herzoperationen selbständig
durchzuführen. Die medizinische Infrastruktur im AZP wurde positiv
beeinflusst.
Konklusion: Herzchirurgie in Suriname konnte mit einer akzeptablen
Mortalität und Morbidität durchgeführt werden. Das Gesundheitssystem im
AZP hat davon moderat profitiert. Unsere Einsätze können als Erfolg
gewertet werden. Sie sind die ersten Grundsteine eines Gesamtprojektes,
mit dem langfristig gesehen der Versuch unternommen worden ist, eine
neue Ära der Gesundheits-Politik des Landes zu unterstützen.
Ergänzung
Suriname
Surinam, das ehemalige Holländisch-Guyana, liegt an der nordöstlichen
Küste von Südamerika, nördlich von Brasilien. Es ist das mittlere Land der
drei "Pfefferländer" und wird im Norden von Britisch-Guyana und im Süden
von Französisch-Guayana begrenzt. Surinam hat bei einer Fläche von
160.000 km2 500.000 Einwohner, davon leben ca. 300.000 in der
Hauptstadt Paramaribo. Das Land ist viermal so groß wie die Niederlande,
wobei hier genauso viele Surinamesen leben wie in Surinam selbst
Surinam ist seit 1975 unabhängig, Holland garantierte damals ein
ökonomisches Hilfsprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Durch
einen Militärputsch kam es fünf Jahre später zum Sturz der gewählten
Regierung. Nachdem 1982 fünfzehn Oppositionelle öffentlich hingerichtet
wurden, fror Holland die Beziehungen und damit sein Hilfsprogramm ein. In
den folgenden Jahren besserte sich die politische Situation, die gewählten
Parteien gewannen wieder zunehmend an Einfluss, worauf erneut
Überbrückungsfinanzierungen aus Holland eingeführt wurden. Die
politische Situation blieb aber bis in die neunziger Jahre unruhig. Zur Zeit
existiert ein demokratisch gewähltes Parlament mit einem Präsidenten.
Academisch Ziekenhuis Paramaribo
Die medizinische Grundversorgung wird in Surinam im wesentlichen durch
das Academisch Ziekenhuis Paramaribo (AZP) gewährleistet, dem einzigen
Schwerpunktkrankenhaus, das die Fachgebiete Chirurgie, Anästhesie,
Innere Medizin, Gynäkologie, Augen-, Hals-Nasen-Ohren-,
Kinderheilkunde, und Orthopädie vereint. Nach europäischem Standard
entspricht es einem Krankenhaus der Grundversorgung der 60er Jahre –
Schlafsäle mit Betten, die durch Baumwollvorhänge getrennt sind,
Schiefertafeln an Kopf- und Fußende der Patienten, dazu Glasspritzen, OPHandschuhe und Tuben, die nach Gebrauch gereinigt, sterilisiert und
wiederverwendet werden. Mit OP-Handschuhen, Beatmungsmasken und
Tuben wird entsprechend verfahren.
Herzerkrankungen
Ein Problem in Surinam stellt aber die Versorgung kardiochirurgischer
Patienten dar. Eine Vereinbarung aus der Zeit vor der Unabhängigkeit sieht
vor, dass jeder Surinamese, der im Land nicht adäquat versorgt werden
kann, auf Staatskosten in den Niederlanden oder in den USA behandelt
wird. Tatsächlich konnte aber nur ein streng selektiertes Patientengut von
dieser Option Gebrauch machen. Früh versuchte man hier Abhilfe zu
schaffen. Bereits in den achtziger Jahren führte Prof. Hans Huysmanns
herzchirurgische Eingriffe an Kindern mit Erfolg durch. Dieses Projekt
wurde aber wegen der unklaren politischen Situation in Surinam und dem
engen Budgets im niederländischen Gesundheitswesen nicht fortgesetzt.
Motiviert durch die Erfolge des Leidener Herzteams und unterstützt durch
ein japanisches Hilfsprogramm, das dem AZP den Aufbau einer modernen
Intensivstation ermöglichte, suchte der kaufmännische Direktor des AZP,
Dr. R. Parmessar seit 1997 nach Möglichkeiten, eine funktionierende
Versorgung herzchirurgischer Patienten in Surinam aufzubauen.
Kooperation Bergbauberufsgenosschenschaft und
AZP
Im August 1998 wurde schließlich ein Kooperationsvertrag zwischen der
Bergbau Berufsgenossenschaft (BBG), dem Academisch Ziekenhuis
Maastricht (AZM) und dem Academisch Ziekenhuis Paramaribo (AZP)
geschlossen. Der Vertrag sieht vor, dass niederländische und deutsche
Ärzte in den kommenden drei Jahren in Surinam 300 herzchirurgische
Eingriffe durchführen. Langfristig gesehen sollte durch dieses Projekt auch
der Versuch unternommen werden, eine neue Ära der surinamesischen
Gesundheitspolitik zu unterstützen.
Einsätze
Unsere Mannschaft setzte sich aus drei Herzchirurgen, drei Anästhesisten,
zwei Kardiotechnikern, zwei Operationsschwestern, drei
Intensivpflegekräften sowie einem Anästhesiepfleger zusammen. In der
Vorbereitungsphase des Projektes waren die Arbeitsgruppen in erster Linie
mit der Ermittlung des Materialbedarfs und der Planung der
Materialversorgung beschäftigt. Daneben mussten aber auch Konzepte
entwickelt werden, wie mit den Patienten postoperativ verfahren werden
sollte. Parallel zu unseren Vorbereitungen am "grünen Tisch" orientierte
sich im September 1998 ein Teil der Mannschaft vor Ort. Neben der
Erfassung der aktuellen Lage im AZP standen die Abklärung der lokalen
Strom-, Wasser- und Druckluftversorgung sowie die Verfügbarkeit der
Laboreinrichtung und der Blutbank im Vordergrund. Auch unsere
niederländischen Kollegen waren zu diesem Zeitpunkt aktiv - bereits seit
Mitte 1998 führten Kardiologen der Universität Maastricht zusammen mit
ihren surinamesischen Kollegen Herzkatheteruntersuchungen durch.
Wie immer ist man bei der Realisierung solcher Projekte auf die
Unterstützung durch die Industrie angewiesen. 76 Sponsoren halfen durch
Sachspenden das notwendige Equipment zu beschaffen - angefangen von
speziellen Medikamenten über Katheter, Infusionspumpen, Monitoren,
Druckleitungssystemen etc. bis hin zur Bereitstellung einer Herz-LungenMaschine. Die erforderlichen Gerätschaften wurden überwiegend per
Seefracht nach Surinam verschickt, der Transport besonders sensibler
Medikamente erfolgte per Luftfracht.
Am 19. November 1998 begann schließlich die Durchführung des
Projektes. Der größte Teil der Mannschaft startete an diesem Tag nach
Surinam, um zusammen mit den Kollegen vor Ort einen Operationssaal so
auszustatten, dass kardiochiurgische Eingriffe durchgeführt werden
konnten. Das gleiche geschah mit drei Beatmungsplätzen auf der
Intensivstation, sowie mit vier Bettplätzen auf der benachbarten
Intermediate-Care. Beide Stationen waren mit Hilfe von Geld- und
Sachspenden der japanischen Regierung erst kürzlich errichtet worden und
standen bei unserer Ankunft im wesentlichen leer. In einem Raum fanden
sich moderne Beatmungsgeräte, in einem anderen zahlreiche
Infusionspumpen, beide aus der japanischen Spendenaktion, und beide
warteten auf ihren Einsatz. Die erste Herzoperation fand am 10.11.1998
statt.
Bevölkerungsdaten im Vergleich
Fläche in km2
Einwohner
Einwohner/km2
Suriname
160.000
463.000
3
Niederlande
40.000
15.000.000
375
Österreich
80.000
8.000.000
100
Deutschland
360.000
81.000.000
225
Kardiale Diagnosen
Diagnosen
Häufigkeiten
Prozent
n
%
KHK
n = 53
66,25
Mitralklappenvitium
n = 14
17,5
Aortenklappenvitium
n=5
6,25
Doppelklappenvitium
n=3
3,75
Klappenvitium + KHK
n=2
2,5
ASD II
n=2
2,5
ASD II + Mitralklappenvitium
n=1
1,25
KHK = koronare Herzkrankheit
ASD = Atriumseptumdefekt
Operations- und intensivrelevante Daten
Operationsrelevante Daten
OP-Dauer in Min.
Mittelwert
(Standardabweichung)
Minimum/Maximum
195 (43)
120 – 383
Bypasszeit in Min.
93 (27)
Ischämiezeit in Min.
59 (23)
39 – 217
16 – 161
intensivrelevante Daten
Beatmungsdauer in Stunden
Blutverlust in ml/24h
8,1 (4)
1,2 – 26
436 (407)
85 – 1690
Therapie
Anzahl der Bypasses (CABG)
n
1 CABG
1
2 CABG
11
3 CABG
15
4 CABG
15
5 CABG
11
Durchschnittliche Anzahl Bypasses
3,4
Mitralklappenersatz, Rekonstruktion
14
Aortenklappenersatz
4
Doppelklappenersatz
3
Sonstiges
6
Dankwort
Dr. med. Markus Fritz, OA Herzchirurgie Berufgenossenschaftliche Kliniken
Bergmannsheil-Universitätsklinik-Ruhr-Universität-Bochum Bergmannsheil
Dr.med. Peter Schnell, Facharzt für Anästhesie Berufgenossenschaftliche Kliniken
Bergmannsheil-Universitätsklinik-Ruhr-Universität-Bochum Bergmannsheil
Dr. med. Albrecht Wiebalck, OA Anästhesie Berufgenossenschaftliche Kliniken
Bergmannsheil-Universitätsklinik-Ruhr-Universität-Bochum Bergmannsheil
Dipl.Ing. Dirk Buchwald, Kardiotechniker Berufgenossenschaftliche Kliniken
Bergmannsheil-Universitätsklinik-Ruhr-Universität-Bochum Bergmannsheil
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