www.evimed.ch Antibiotika als Sekundärprävention bei koronarer Herzkrankheit Hintergrund: Seit etwa 15 Jahren wird die Rolle von Chlamydia pneumoniae in der Pathogenese der koronaren Herzkrankheit diskutiert. Damit wurde auch die Hoffnung geweckt, dass mit Antibiotika die Pathogenese beeinflusst werden kann. Frage: Führt eine 12-wöchige Behandlung mit Azithromycin (Zithromax®) im Vergleich zu Placebo zu einer Reduktion von akuten koronaren Syndromen, der Mortalität und Operationen bei Patienten mit vorangegangenem Herzinfarkt und erhöhten Chlamydia pneumoniae-Titern? Einschlusskriterien: • • Patienten mit Herzinfarkt, welcher mindestens sechs Wochen vor Studieneinschluss zurücklag IgG-Titer von mindestens 1:16 von Chlamydia pneumoniae (mit Immunfluoreszenz gemessen) Ausschlusskriterien: • • Bypass-Operation oder perkutane koronare Intervention in den sechs Monaten vor Studienbeginn Antibiotika-Therapie in den drei Monaten vor Studienbeginn Studiendesign: Randomisiert, placebo-kontrollierte Studie Studienort: USA, Kanada, United Kingdom, Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich, Indien und Argentinien Intervention: Interventionsgruppe: 1 x 600 mg Azithromycin pro Tag in den ersten drei Studientagen, dann 1 x 600 mg Azithromycin pro Woche für 11 Wochen Kontrollgruppe: 1 x 600 mg Placebo pro Tag in den ersten drei Studientagen, dann 1 x 600 mg Placebo pro Woche für 11 Wochen Outcome: • • • • Mortalität Rezidiv eines Myokardinfarkts Bypass-Operation oder perkutane koronare Intervention Hospitalisation wegen eines akuten koronaren Syndroms Resultat: • 7747 Patienten (Durchschnittsalter 62 Jahre, 82% Männer) wurden in die Studie eingeschlossen. www.evimed.ch • • • • • 309 Patienten (8%) der Placebogruppe erlitten pro Jahr einen der primären Outcomes (Tod, Rezidiv eines Myokardinfarkts, Bypass-Operation oder perkutane koronare Intervention, Hospitalisation wegen eines akuten koronaren Syndroms). In der Gruppe mit Azithromycin war dieses Risiko nur leicht und nicht signifikant reduziert (0.93, 95% CI 0.83-1.05). Dieser Trend war gleich über das follow-up von vier Jahren. Die separate Analyse dieser vier Outcomes ergab auch keine Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe. Es konnte kein Effekt des Azithromycins auf die Chlamydien-Titer beobachtet werden. Keines der folgenden einzelnen Patientencharakteristika hatten einen Einfluss auf den Therapieerfolg: Alter. Geschlecht, Zeit seit Myokardinfarkt, Raucherstatus, Diabetes mellitus, Hypertension, Hypercholesterinämie. Bei Diabetikern, die gleichzeitig rauchten, konnte eine leichte Reduktion des Risikos für irgendeinen der vier Outcomes festgestellt werden. Dies war die einzige Subgruppe, für die ein kleiner Nutzen einer Therapie mit Azithromycin identifiziert wurde. 13.2% der Interventionsgruppe hatten Nebenwirkungen gegenüber 4.6% in der Placebogruppe. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durchfall und Bauchschmerzen. Demgegenüber erlitten die Patienten der Interventionsgruppe weniger Infekte der Atemwege, Pneumonien oder Sinusitiden. Kommentar: • • • • In dieser Studie konnte kein Effekt von Azithromycin zur Reduktion von Todesfällen, Myokardinfarkten, Operationen oder Hospitalisationen gezeigt werden. Die Studie war so gross, dass auch Subgruppenanalysen (z.B. Raucher) durchgeführt werden konnten, in denen jedoch mit einer Ausnahme (rauchende Diabetiker) auch keine positive Wirkung festgestellt werden konnte. Die Messung der IgG-Titer mit Immunfluoreszenz ist nicht optimal, weil Titer über 1:16 nicht immer eine gleichzeitige Aktivität von Chlamydia pneumoniae bedeuten. Möglicherweise erfolgte dadurch eine Missklassifikation und damit der Einschluss von Patienten in die Studie, bei denen Chlamydia pneumoniae gar nicht aktiv sind und Azithromycin somit nicht wirksam sein kann. Gemäss den Autoren könnte dies zu einer Unterschätzung des Effekts von Azithromycin führen. Eine andere Erklärung für eine fehlende Wirksamkeit könnte eine zu niedrige oder zu kurze Dosierung von Azithromycin pro Woche gewesen sein. Diese Hypothese wird unterstützt durch eine Analyse, bei der die Unterschiede zwischen der Interventions- und Placebogruppe in den ersten Monaten der Studie grösser waren als später. Der Einsatz von Azithromycin scheint derzeit nicht angezeigt zur Sekundärprophylaxe der koronaren Herzkrankheit. Literatur: O’Connor CM et al: Azithromycin for the Secondary Prevention of Coronary Heart Disease Events: The WIZARD Study: A Randomized Controlled Trial. JAMA. 2003;290:1459-1466. Verfasser: Milo Puhan