Tageszeitung junge Welt / Berlin Gegründet 1947 Ausgabe vom 08.09.2009, Seite 7 / Ausland ------------------------------------------- Im kalten Krieg Vor 64 Jahren landeten US-Truppen an der Westküste Koreas an. Tiefgreifende Konflikte durch Spaltung des Landes Von Rainer Werning Am heutigen 8. September jährt sich zum 64. Mal der Tag, an dem 1945 US-amerikanische Truppenverbände in Incheon an der koreanischen Westküste anlandeten. In der Folgezeit wurde dem Land die bis heute andauernde Spaltung mit einer Vielzahl daraus resultierender Konflikte und anhaltendem kalten Krieg aufgezwungen. Auch die zurückliegenden Wochen waren politisch höchst turbulent und belasteten das gesellschaftliche Leben auf der koreanischen Halbinsel schwer. Beide Staaten – die Republik Korea südlich und die Demokratische Volksrepublik Korea nördlich des 38. Breitengrads – setzten sich wie so oft in der Geschichte einem Wechselbad aus wüsten Drohgebärden und wohldosierten Freundschaftsgesten aus. Auf Augenhöhe Seit Februar 2008 amtiert mit Lee Myung-Bak in Seoul ein Hardliner, der seinem Spitznamen »Bulldozer« vollauf gerecht wird und eine scharfe Gangart gegenüber dem nordkoreanischen Regime des »Geliebten Führers« Kim Jong-Il einschlägt. Im Gegenzug setzt dieses alles daran, den Herrschenden in Seoul Paroli zu bieten und einen von den USA seit Jahren propagierten Regimewechsel unter allen Umständen zu vermeiden. Dies schließt gemäß starrer Staatslogik auch und gerade den Besitz von Mittelund Langstreckenraketen sowie den Aufbau eines eigenen Nuklearprogramms ein. Noch am vergangenen Freitag (4. September) meldete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA, das Land intensiviere sein Programm zur Urananreicherung. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als Washingtons neuer Sondergesandter für Nordkorea und früherer Botschafter in Seoul (bis 2000), der knapp 70jährige Karrierediplomat Stephen W. Bosworth, zu einer Reise in die Volksrepublik China, Südkorea und Japan aufbrach, um dort das weitere Vorgehen im Umgang mit Pjöngjang abzustimmen und zur Deeskalation der Spannungen in Nordostasien beizutragen. Die nordkoreanische Führung hatte mit dem Amtsantritt von Barack Obama die Hoffnung verknüpft, wenn schon nicht international als Freund geachtet, dann wenigstens von Washington als geächteter Feind auf Augenhöhe behandelt zu werden. Statt dessen setzte die neue USAußenministerin Hillary Clinton im Umgang mit Pjöngjang weiterhin auf Konfrontation. Doch mit der Ernennung von Bosworth zum neuen Nordkorea-Sonderemissär übernahm ein Mann diese delikate Aufgabe, der gegenüber US-amerikanischen Medien wiederholt die Ansicht vertrat, im Falle Nordkoreas empfehle sich »kollektives Durchatmen, um danach in Ruhe vorzugehen«. Schließlich war es Expräsident William Clinton, der Anfang August zu einem Überraschungsbesuch nach Pjöngjang reiste und dort mit Kim Jong-Il zusammentraf. Clintons Besuch bedeutete aus Sicht Pjöngjangs die langersehnte Aufwertung und unterstrich sein Kalkül, durch direkte bilaterale Verhandlungen mit den USA Probleme schneller und unkomplizierter zu lösen als langwierige Verhandlungen im Rahmen von Sechsergesprächen im Gastgeberland China zu führen, an denen außerdem Südkorea, Japan und Rußland teilnahmen. Unmittelbares Ergebnis der Stippvisite: Kim Jong-Il höchstpersönlich begnadigte die beiden US-amerikanischen Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee, die sodann gemeinsam mit Clinton in die USA zurückflogen. Ling und Lee waren seit Mitte März in Nordkorea inhaftiert, wo das oberste Gericht sie im Juni zu jeweils zwölf Jahren Arbeitslager wegen »schwerer Verbrechen gegen die koreanische Nation« und »illegalen Grenzübertritts« verurteilt hatte. Auffällig auch die wechselseitige Flip-Flop-Diplomatie Seouls und Pjöngjangs. Südkorea ließ sich erneut auf großangelegte gemeinsame Militärmanöver mit US-Truppen ein und seine Regierung bewilligte Anfang Juli für den Zeitraum von 2010 bis 2014 ein gigantisches Aufrüstungsprogramm in Höhe von 178 Billionen Won (knapp 100 Milliarden Euro), um sich »gegen eine nukleare Bedrohung« aus Nordkorea zu wappnen. Ende August zündete Südkorea seine Rakete »Naro-1«, um künftig Satelliten in eine Erdumlaufbahn von bis zu 300 Kilometern zu befördern, während Wissenschaftsminister Ahn Byong-Man gleichzeitig ankündigte, bis 2025 eine Sonde zum Mond zu schicken. Spionagevorwurf Selbst den gemeinsam mit Pjöngjang im Süden der Volksrepublik errichteten Gae-seong-Industriekomplex (GIC) stellte Südkoreas Präsident Lee kurzerhand in Frage, als nordkoreanische Behörden einen Techniker des mächtigen südkoreanischen Hyundai-Konzerns wegen des Vorwurfs der Spionage festnahmen. Hyundai war unter anderem maßgeblich am Aufbau des GIC beteiligt. Pjöngjang fuhr stets umgehend Retourkutschen. Es drohte dem Süden mit »furchtbarer Vergeltung«, sollte dieser an seiner »feindseligen Politik« gegenüber dem Norden festhalten. Zeitweilig verhängte Pjöngjang eine Blockade des GIC, um sodann eine Erhöhung der jährlichen Pachtgebühren und Steuern von bislang umgerechnet 16 auf 500 Millionen Dollar zu verlangen. Was den »Geliebten Führer« Kim Jong-Il nicht daran hinderte, am 16. August die Hyundai-Chefin Hyun Jeong-Eun zu einem freundschaftlichen Gespräch zu empfangen. Drei Tage zuvor war der seit Ende März inhaftierte Hyundai-Mitarbeiter freigelassen worden. /Teil 2 und Schluß folgt morgen/