Nordkorea

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Georg-August-Universität Göttingen
Pädagogisches Seminar
Seminar: Kinder der Welt
Dozent: Prof. Dr. Haller
Sommersemester 2005
Lebensbedingungen von Kindern in Nordkorea
Vorgelegt von:
Franziska Bernhardt [email protected]
Susanne Harbich [email protected]
Daniela Hartig [email protected]
Annika Schäfer [email protected]
1
Einleitung
Wenn man als Lehrerin oder Lehrer ein Kind aus Nordkorea in seine Schulklasse
integrieren möchte, sollte man die folgenden kulturellen Gegebenheiten beachten.
Geographische und klimatische Bedingungen Nordkoreas
1
Nordkorea liegt im nördlichen Teil der Halbinsel Korea. Das Land besteht aus einem
Festlandsaum mit Gebirgsketten, der im Westen an das gelbe Meer und im Osten an
das japanische Meer grenzt. Die beiden Flüsse Yalu und Tumen bilden die nördliche
Grenze des Landes zu China und zu Russland. Im Westen Nordkoreas fließen
weitere große Flüsse. Sie bilden mit ihren Niederungen die einzigen ausgedehnten
Tieflandgebiete. In dieser Ebene liegt die Hauptstadt Pjöngjang, welche mit 1,7 Mio.
Einwohnern zugleich die einzige Stadt mit mehr als 1 Mio. Einwohnern darstellt. An
der Westküste gibt es viele natürliche Häfen, denn Fischfang und Fischzucht spielen
eine große Rolle. Im Süden grenzt Nordkorea an die amtliche Republik Südkorea.
Der Nordosten Nordkoreas besteht aus gebirgigem Hochland und man findet dort
Misch- und Nadelwälder vor. In den Tieflandgebieten haben umfangreiche Rodungen
stattgefunden, was zur Folge hatte, dass die Pflanzenwelt dort stark zurückging. In
den entlegenen Waldgebieten des Landes leben Antilopen, Tiger, Leoparden und
Panther. Die höchste Erhebung Nordkoreas ist der an der Grenze nach China
1
Aus: http://www.chroniken-asiens.de/ 21.06.05 22.58 Uhr
2
gelegene Berg Baitoushan mit 2.744 m. 22.489.000 Menschen leben in Nordkorea
auf 120 538 km², so dass die Bevölkerungsdichte 183 EW/km² beträgt.
Das Bevölkerungswachstum liegt bei 1,2%. In den Städten leben 61% der
nordkoreanischen Bevölkerung2.
Das Klima Nordkoreas steht unter Monsuneinfluss. Es herrscht Kontinentalklima mit
heißen Sommern in denen viel Regen fällt und kalten Wintern. Die Schwerindustrie
des Landes verursacht eine starke Luftverschmutzung.
Klimatabelle3
Monat
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Min. Temp °C
-9
-7
-2
5
11
16
21
22
15
7
0
-7
Max. Temp °C
0
3
8
17
22
27
29
31
26
19
11
3
Feuchtigkeit %
65
62
62
65
69
69
79
76
72
68
68
66
Regentage
8
6
7
8
10
10
16
13
9
7
9
9
Sprache(n), Flagge, Hymne Nordkoreas
Die Amtssprache Nordkoreas ist Koreanisch. In Nord- und Südkorea wird Koreanisch
von mehr als 78 Mio. Menschen gesprochen. Die Sprache gehört zur uralischaltaischen Sprachfamilie und sie ist grammatikalisch mit dem Japanischen verwandt.
Mitte des 15. Jahrhunderts schuf König Sejong ein kombinatorisches System von
Schriftzeichen (17 Konsonanten und 11 Vokale)??. Diese <Volksschrift> wurde 1446
unter
dem
Titel
<Hunmin
chongum>
allgemein
eingeführt.
Von
geringen
Modifikationen abgesehen ist sie heute die offizielle Schrift Koreas. Im Gegensatz zur
chinesischen ist die koreanische Schrift keine Symbolschrift. Es gibt, wie im
Lateinischen ein Alphabet mit 24 Buchstaben. Grundlage der Schriftsprache ist der
Dialekt von Pjöngjang, der die nordkoreanische Standardsprache bildet. Somit gibt
es leichte Unterschiede zur Schriftsprache Südkoreas, deren Basis der Dialekt von
Seoul ist. In Südkorea sind viele Lehnwörter aus dem Englischen übernommen
worden. In Nordkorea hingegen wird bei Wortneubildungen meist versucht, rein
2
Strukturdaten aus: : http://www.klett-verlag.de/klett-perthes/sixcms/klett-perthes/terraextra/sixcms/detail.php?id=32877 12.06.05 19.52 Uhr
3
Aus: www.fit-for-travel.de 12.06.05 20.00 Uhr
3
koreanische Begriffe zu finden. In den Grenzgebieten Nordkoreas wird auch
Russisch oder Chinesisch gesprochen.
Die Nordkoreanische Landesflagge wurde am 8.9.1948 offiziell eingeführt. Rot ist die
Farbe des Kommunismus und auch der rote Stern symbolisiert diesen. Weiß steht für
Reinheit, Stärke, Würde und Souveränität. Blau steht für den Wunsch nach Frieden.
Die Nationalhymne Nordkoreas wird „achimun pinnara“ genannt. Bis 1947 hatte das
Land dieselbe Nationalhymne wie Südkorea bevor es die heutige, neukomponierte
Hymne annahm und als offiziell erklärte. Die erste Strophe lautet übersetzt:
„Lass die Morgensonne über das Gold und Silber dieses Landes scheinen
Dreitausend Meilen gepackt mit Bodenschätzen.
Mein wunderschönes Vaterland.
Der Verdienst eines klugen Volkes
brachte eine großartige Kultur hervor.
Lasst uns mit Körper und Geist hingeben
Um dieses Korea für ewig zu unterstützen“4.
Infrastruktur und Verkehr
In Nordkorea kommen Infrastrukturprojekte mit den Nachbarn nur langsam voran und
viele befinden sich noch in Planung. Im industriellen Bereich ist die Infrastruktur
verhältnismäßig gut ausgebaut. Die Schwerindustrie spielt dabei eine große Rolle.
Somit ist das Land, wie es in den Medien häufig dargestellt wird, in der Lage,
Atomwaffen herzustellen. Ferner besitzt das Land einige Häfen. Die Haupthäfen sind
Nampo (Hafen von Pjöngjang) am gelben Meer sowie Chongjin und Wonsan am
japanischen Meer. Auf den Flüssen Nordkoreas findet auch Binnenschifffahrt statt.
Besonders der Fluss Taedong ist wichtig für den Binnenhandel. Von etwa 5000 km
Schienennetz sind über 50% elektrifiziert5. Durch das Eisenbahnnetz gibt es direkte
Verbindungen mit Russland und China. Die Eisenbahn gilt als wichtigster
Verkehrsträger6. Seit der Teilung Koreas ist der Verkehr zwischen Nord- und
4
Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Aegukka 15.6.05 21.36 Uhr
Vgl.: Brockhaus Enzyklopädie. Mannheim 1986
6
Ebd.
5
4
Südkorea völlig unterbrochen. In der Nähe von Pjöngjang befindet sich der einzige
internationale Flughafen des Landes Nordkorea. Flüge nach z.B. Europa gehen via
Peking und Moskau. Die Verkehrsmittel Eisenbahn und Flugzeug sind wichtig für das
Land, denn die nordkoreanische Landwirtschaft kann wegen planungstechnischen
Problemen und witterungsbedingten Widrigkeiten die eigene Bevölkerung nicht
ausreichend
mit
Nahrungsmitteln
versorgen.
Somit
ist
das
Land
„auf
Nahrungsspenden aus dem Süden sowie internationale Spenden angewiesen“ 7. Die
Gesamtlänge der Landstrassen beträgt 31.200 km. Davon sind nur 1.997 km
asphaltiert8. In Nordkorea herrscht Rechtsverkehr aber es gibt nur sehr wenige
Autos. Wie man dem Film entnehmen kann, prägen kleine LKW das Straßenbild und
dienen den Menschen als Transportmittel. Auch Busse stellen ein wichtiges und
häufig genutztes Verkehrsmittel dar. Im Film wird berichtet, dass die Fahrt für eine
ganze Familie sehr günstig ist und nur wenige Cent kostet. Ferner wird im Film
deutlich, dass in der Hauptstadt Pjöngjang im Vergleich zu den ländlichen Gebieten
die Infrastruktur relativ gut ausgebaut zu sein scheint. Obwohl es in der Stadt noch
einige Trümmer zu beseitigen gibt, wurden nach dem Krieg viele zerstörte Gebäude
wieder nach und nach aufgebaut. In Pjöngjang gibt es Kindergärten, Schulen,
Jugendhäuser, Geschäfte usw. So arbeitet der Vater des Mädchens im Film in einer
großen Maschinenfabrik in Pjöngjang, die Aufzüge herstellt. 2000 Menschen sind in
dieser Fabrik beschäftigt und pro Monat stellt jedes Team 15 Aufzüge her. Die Mutter
des „Filmmädchens“ Yang ist Verkäuferin in einer Kurzwarenhandlung. Die
Verkäuferinnen des Geschäfts sind im Staatsdienst, d.h. dass das Geschäft dem
Staat gehört. Darüber hinaus gibt es in der Hauptstadt ein großes Theater, dessen
Vorplatz die Kinder sonntags fegen und einen Zoo mit 400 verschiedenen Tieren.
Somit sind sonntägliche Familienausflüge wie bei uns in Deutschland durchaus
beliebt. Dies gilt jedoch nur für die wohlhabenden Familien. Die Familien in Pjöngjang
leben in großen Wohnkomplexen. Die Küche sieht laut Film wie eine Küche in Japan
aus. Sie ist einfach und zweckmäßig eingerichtet. Weil die Heizung in den Boden
eingelassen ist, wird meistens auf dem Boden gegessen. Kühlschränke und
Fernseher sind in Nordkorea Luxusgüter und folglich sehr teuer. Die Familien
müssen lange für ein solches Gerät sparen. Die Miete ist verhältnismäßig billig. Eine
Monatsmiete beträgt umgerechnet ca. 4 DM/ 2€. Die Kinder halten sich nach der
Schule jeden zweiten Tag im Studenten- und Schülerhaus von Pjöngjang auf. Diese
7
8
Vgl.: http://www.schneider-th.de/koreainfo/Koinfo_Geografie.htm 16.06.05 19.53 Uhr
Vgl.: http://www.asien-auf-einen-blick.de/korea-nord/index.php 16.06.05 20.03 Uhr
5
Einrichtung dient der Freizeit und zum Lernen. Die Kinder können dort z.B.
Fußballspielen, tanzen oder ihren Schulaufgaben nachgehen. Wie im Film deutlich
wird, gibt es dort viele Gruppen und Clubs in denen sich die Kinder von 16.00-19.00
Uhr aufhalten. In Bezug auf das Studenten- und Schülerhaus sowie auf die im Film
gezeigte Schule kann man sagen, dass sie sehr gepflegt und ordentlich erscheinen.
Geschichte
Korea stand schon immer im Schatten seiner beiden großen Nachbarn China und
Japan. Die Koreaner verwenden gerne das Bild von der „Garnele unter den Walen“9.
Doch gemessen an den europäischen Größenverhältnissen handelt es sich um ein
doch recht großes Land mit einer Gesamtfläche von 219 560 km². Dieses Land stand
lange Zeit unter japanischer Kolonialherrschaft. Mit dem Beginn des Krieges in der
Mandschurei in den 1930er-Jahren verschärfte sich die politische Unterdrückung
Koreas. Erst als am 15. August 1945 Japan kapitulierte, wurde die Kolonialherrschaft
aufgehoben. Die Koreaner gingen davon aus, dass sie von da an unabhängig
werden. Doch die Alliierten (USA, Großbritannien und China) verschoben die
Unabhängigkeit auf unbestimmte Zeit.
Am 7. September gab der amerikanische General Douglas Mac Arthur die Teilung
von Korea in zwei Besatzungszonen bekannt. Geteilt wurde die Halbinsel entlang
dem 38. Breitengrad. Der Norden sollte unter sowjetischer Kontrolle stehen und der
Süden unter amerikanischer. Es sollte dabei in erster Linie um die Entwaffnung der
japanischen Streitkräfte gehen. Doch schon am 27. Dezember des gleichen Jahres
beschlossen die Außenminister Großbritanniens, der Sowjetunion und der USA
Korea für die nächsten fünf Jahre einer Treuhandverwaltung zu unterstellen. Darüber
entflammte ein großer Streit in Korea, der die Teilung in Nord und Süd besiegelte.
Die Kommunisten unterstützten diesen Vorschlag. Die Bürgerlichen und die
Nationalisten hingegen lehnten ihn entschieden ab.
Bei den Sitzungen des gemeinsamen Ausschusses von März bis Mai 1946 beharrten
die
Sowjets jedoch darauf,
lediglich
Befürworter des Vorschlags an
der
provisorischen Regierung zu beteiligen. Die Amerikaner hingegen bestanden darauf
9
Kern, Thomas (Hg.): Südkorea und Nordkorea, Einführung in Geschichte, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Frankfurt: Campus Verlag 2005. (Seite 9)
6
alle politischen Gruppierungen mit einzubeziehen. Dies ereignete sich vor dem
Hintergrund des bereits eine wichtige Rolle einnehmenden Ost- West-Konflikts.
1947 wurde, initiiert durch einen amerikanischen Antrag, in der Vollversammlung der
UNO eine „koreabezogene Resolution“ verabschiedet. Sie beinhaltete die Einsetzung
einer UNO-Kommission, die die Wahl der Volksvertreter, welche der UNOVollversammlung zur Koreafrage beiwohnen sollten. Die Sowjetunion weigerte sich
die Kommission in ihre Besatzungszone einreisen zu lassen. Somit fand die Wahl nur
im Süden Koreas statt.
Am 31. Mai 1948 trat die Nationalversammlung zu ihrer ersten Sitzung zusammen.
Sie wählten Syngman Rhee zu ihrem Vorsitzenden. Am 17. Juli wurde die
Verfassung verabschiedet und Syngman Rhee wurde der erste Präsident. Am 15.
August wurde die Republik Korea (Daehan Minguk) in Seoul ausgerufen.
Am 9. September wurde daraufhin in Pyongyang die Demokratische Volksrepublik
Korea (Choson Minjujuui Inmin Gonghwaguk) ausgerufen.
Diese Teilung dauert bis heute an.
Politisches System
Betrachtet man das heutige politische System Nordkoreas ist es wichtig zu beachten,
dass der Staat nur in seiner Gesamtheit seiner politischen und wirtschaftlichen
Eigenschaften zu verstehen ist. Hinzu kommt die besondere Wirksamkeit
ideologischer Faktoren, die sich auf so gut wie alle gesellschaftlichen Prozesse
beziehen.
Die Struktur des politischen Systems weist eine Dreiteilung auf. Partei, Staat und
Militär sind vielfältig miteinander verbunden. Die Verfassung Nordkoreas von 1972
weist Elemente eines Präsidialsystems auf. Das Staatsoberhaupt ist der von der
Obersten Volksversammlung auf vier Jahre gewählte Staatspräsident. Seine
Amtszeit hat keine Beschränkung in der Wiederwahl. Die beherrschende Partei ist
7
die marxistisch-leninistisch Koreanische Arbeiterpartei. Sie ist das Bindeglied
zwischen allen Machtpositionen innerhalb der Gesellschaft Nordkoreas. Auch das
Militär gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das gesamte System basiert auf dem von
Lenin 1905 entwickelten Gedanken des „demokratischen Zentralismus“. Dieser
Begriff hat jedoch einen Bedeutungswandel vollzogen und ist heute das Mittel zur
Durchsetzung und Aufrechterhaltung der „Diktatur des Proletariats“.
Besonders bezeichnend für die Nordkoreanische Politik ist das Verständnis des
Staates als Familie. Dem Staatsoberhaupt kommt hierbei die Rolle des Vaters zu, die
weit über die alleinige politische Machtausübung hinaus geht. Auch die enge,
familiäre Verbindung von Volk und Führer ist ein signifikantes Merkmal der
Nordkoreanischen Politik. Besonders deutlich wird die an folgendem Zitat:
„Mutterleib des sozialpolitischen Lebens sind die Partei und der Führer [...] Nur mit
Führer und Partei kann von sozialpolitischem Leben im Kollektiv die Rede sein, nur
durch das sozialpolitische Leben im Kollektiv gibt es das sozialpolitische Leben des
Individuums. Das physische Leben erhält man von den Eltern, das sozialpolitische
Leben von der Partei [...] Das Zentrum, das Führer, Partei und Massen
organisatorisch und ideologisch in einem sozialpolitischen Leben zusammenschweißt
und ihre Tätigkeit einheitlich führt, ist der Führer, und die zentrale Rolle bei der
Verbindung von Massen und Führer spielt die Partei. (Hyon 1989)“10
Der Führer stellt das Zentrum („Gehirn“) eines Organismus dar, der aus den
einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft besteht. Somit wird die Individualität des
Einzelnen aufgehoben. Ansätze dieser Theorie finden sich schon bei Lenin.
Die Vervollkommnung der eigenen Person gilt als Voraussetzung für ein geordnetes
Familienleben. Das bedeutet, dass jeder sich seinen Fähigkeiten entsprechend so
gut wie möglich bilden sollte. Bildung gilt somit als das höchste Gut. Im Tagesablauf
sind für politische Bildung acht Stunden vorgesehen. Das sind genauso viele wie für
Schlafen und Arbeiten.
10
Kern, Thomas (Hg.): Südkorea und Nordkorea, Einführung in Geschichte, Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft. Frankfurt: Campus Verlag 2005. (Seite 217)
8
Das soziale Leben und der Schulalltag eines Kindes in Pjöngjang am Beispiel
von Yang
Yang besucht eine Volksschule in Pjöngjang mit 850 Schülern, die in 16 Klassen
unterteilt sind. Die Kinder besuchen die Schule von neun Uhr morgens bis halb zwei
mittags. Bevor die Schule beginnt, treffen die Kinder sich auf der Straße und laufen
gemeinsam in Zweierreihen zum Schulgebäude. Dabei singen sie Lieder, wie z.B.
dieses:
„Die Fahne unserer Kindergruppe, flatter´ hoch gen Himmel, unter der Fahne gehen
wir her, an der Spitze unserer Gruppe, unsere Fahne, unsere Fahne, flieg, flieg hoch,
so hoch wie unsere Hoffnung.“
Der Schultag ist in fünf Unterrichtsstunden eingeteilt, mit einer jeweils 15-minütigen
Pause
dazwischen.
Nach
der
Schulreform
in
Nordkorea
wurden
zehn
Grundschuljahre für jedes Kind Pflicht. Wenn die Kinder sechs Jahre alt sind,
besuchen sie vier Jahre lang die Volksschule, danach weitere sechs Jahre die
Mittelschule. Bevor sie in die Schule gehen, ist es üblich, dass sie einen Kindergarten
besuchen. Die Klassen sind nach Geschlechtern getrennt, auch auf dem Pausenhof
spielen Jungen und Mädchen getrennt voneinander.
Für deutsche Verhältnisse läuft das Leben in der Schule sehr diszipliniert und streng
ab. Den Kindern wird jeden Tag gesagt, dass sie sehr fleißig sein müssen, damit sie
die Schule schaffen. Schulerziehung gilt als sehr wichtig und dem Lehrer wird sehr
viel Respekt entgegengebracht. Die Kinder verbeugen sich beispielsweise vor dem
Lehrer, nachdem sie ihm geantwortet haben.
Überall in der Schule hängen Bilder vom Staatsoberhaupt Kim II Sung, der in
Nordkorea sehr verehrt wird. Die Kinder sollen lernen, was er für das Land getan hat
und sie werden dazu gebracht, ihn zu mögen. Sie lernen, dass er die Macht errungen
hat und in einer großen Revolution das Land befreit hat. Die Kinder müssen in der
Lage sein, sämtliche Fragen über ihn zu beantworten.
Fragt man Yang nach ihren Interessen außerhalb der Schule, so bekommt man zu
hören, dass sie gerne tanzt. Tanzen ist ein sehr beliebtes Hobby bei Mädchen in
Nordkorea. Yang möchte einmal Tänzerin werden, wenn sie erwachsen ist. Wenn sie
nicht in der Schule ist, übt sie mit ihrem Bruder und ihrer Schwester für die Schule
oder geht in den Jugendclub im Schüler- und Studentenhaus zum Tanzen. In diesen
Jugendclubs gibt es Platz für viele Gruppen und die Kinder können lernen oder
9
anderen Aktivitäten nachgehen. Sie gehen dort jeden zweiten Tag von vier Uhr
nachmittags bis sieben Uhr abends hin. Die Mädchen tanzen meistens, die Jungen
spielen lieber Fußball oder sie boxen.
Wenn Yang mittags von der Schule kommt, isst sie gemeinsam mit ihren
Geschwistern und Eltern zu Mittag und berichtet, was in der Schule geschehen ist.
Die Eltern haben generell eine sehr lange Mittagspause, so dass die Familie
gemeinsam Zeit verbringen kann. Ihr Vater arbeitet in einer Maschinenfabrik und ihre
Mutter täglich von 10-18 Uhr in einer Kurzwarenhandlung. Kommt die Mutter abends
nachhause, benötigt sie oft zwei Stunden für die Vorbereitung des Essens. Das
Essen ist dem in Japan sehr ähnlich, es besteht hauptsächlich aus Eiern, Tintenfisch,
Fleisch und Reis und wird mit scharfem Pfeffer gewürzt. Es ist üblich, direkt auf dem
Boden zu sitzen, da auch die Heizung im Boden verlegt ist. Die Miete für die 3Zimmer-Wohnung, in der Yangs Familie lebt, beträgt lediglich zwei Euro im Monat,
inklusive Strom und Wasser. Die Familie verdient im Monat ca. 100 Euro, wobei ein
Drittel des Einkommens für Luxusgüter wie Kühlschrank und Fernseher gespart wird,
da diese in Nordkorea sehr teuer sind. Grundgüter wie Essen und Kleidung hingegen
sind sehr günstig.
Nach dem Abendessen spielen die Geschwister meist gemeinsam, wie z.B. das
„Anstarr-Spiel“, bei dem derjenige verliert, der zuerst lacht. Oder sie singen Lieder,
wie Yang und ihre Schwester:
„Meine Schwester sieht sehr komisch aus, sie hat rote Lippen und ein weißes
Gesicht. Und wenn sie über die Brücke geht, dann lachen die Leute hinter ihr her.
Sie springt zur Seite und versteckt sich.“
Am Wochenende hat die Familie mehr Zeit, zusammen zu sein. Yang macht mit ihrer
Familie am Sonntag einen Ausflug mit dem Bus zum Zoologischen Garten, was die
Familie lediglich ein paar Cent kostet. Sonntags werden die Kinder- und
Jugendgruppen auch dazu angehalten, verschiedene Gemeinschaftsaufgaben zu
erfüllen. Sie fegen die Straße vor dem großen Theater oder gießen die Blumen auf
den Straßen. Sie sollen eine gute Tat vollbringen, die allen nutzen soll.
Yangs Vater wünscht sich für seine Tochter, dass sie einmal ihren Traum
verwirklichen kann und Tänzerin wird. Obwohl die Übungsstunden sehr hart sind,
sagt Yang, dass sie immer sehr glücklich ist wenn sie getanzt hat. Ihre Schwester
hingegen soll einmal Ärztin werden, ihr Bruder Wissenschaftler an der Universität.
10
Die Kinder sind sehr ehrgeizig und nehmen ihre Schulbildung wesentlich ernster als
in Deutschland.
Fragt man Yang jedoch, ob sie etwas über Deutschland weiß, so kann sie lediglich
sagen, dass es, ebenso wie Nordkorea, geteilt ist.
Inwiefern der Film von Gordian Tröller das realistische Bild eines nordkoreanischen
Mädchens wiedergibt, ist jedoch sehr unklar. Da in den letzten Jahren immer mehr
Berichte über die Unterversorgung nordkoreanischer Kinder veröffentlicht wurden,
kann man davon ausgehen, dass Yang aus einer eher wohlhabenden Familie
stammt. Dass nicht alle Kinder ein Leben wie Yang führen, zeigt auch folgender
Bericht von Unicef:
Nordkorea: Hilfe für mangelernährte Kinder11
Die
andauernde
Nahrungsmittelknappheit
in
Nordkorea
hat
dramatische
Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung des Landes. Der Mangel führt
insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren zu schweren Gesundheitsschäden mit
lebenslangen Folgen. Mehr als die Hälfte der zwei Millionen nordkoreanischen Kinder
unter fünf sind mangelernährt.
(...)
Aufgrund des schlechten Ernährungszustandes der Mütter mangelt es vielen Babys
schon im Mutterleib an lebenswichtigen Vitaminen und Mineralien. Sowohl für sie als
auch für ihre Mütter ist das Risiko, während oder kurz nach der Geburt zu sterben
erhöht. Fast ein Drittel der nordkoreanischen Babys kommen untergewichtig auf die
Welt. Sie haben wenig Chancen, den Entwicklungs- und Ernährungsrückstand
aufzuholen, die meisten von ihnen bleiben chronisch unterernährt. Insbesondere der
Mangel an Vitamin A und Jod verursacht bei den Kindern erhebliche geistige und
körperliche Einschränkungen.
Geschlechterbeziehungen
Insgesamt 850 Kinder der nordkoreanischen Stadt Pjöngjang besuchen die
verpflichtende Grundschule für 10 Jahre – bestehend aus 4 Jahren Volksschule und
11
http://www.unicef.de/nordkorea_kinder.html
11
6 Jahren Mittelschule). Obwohl sich die Jungen und Mädchen auf dem Weg zur
Schule treffen, jedoch bleiben sie auch schon hier in geschlechtsspezifischen
Gruppen, trennen sich ihre Wege in der Schule erneut, da die 16 Klassen nach
Geschlechtern getrennt sind. Eine gemischte Sitzordnung war ( nach einem
Reisebericht von 1982 ) nur im Kindergarten üblich. Diese getrennte Erziehung von
Jungen und Mädchen ist auf die Lehre von Kim, Il-Sung zurückzuführen. Ein
Mitarbeiter des Bildungsministeriums äußerte sich hierzu wie folgt:
„Die getrennte Erziehung soll zunächst die Eigenschaften beider Geschlechter
fördern. Bei gleicher sozialen Stellung ist die Ausdrucksweise unterschiedlich;
Männer sind tapfer; und Frauen sind anmutig. Wichtig ist auch der biologische
Unterschied. Mädchen und Jungen können nicht zusammen Fußball
spielen…“
Dies wird auch während den Pausen in der Schule deutlich, wenn Jungen und
Mädchen nicht einmal auf dem Schulhof Kontakt zueinander aufnehmen und nicht
miteinander spielen.
Am Nachmittag halten sich die Kinder in der Zeit von 16 -19Uhr im Studenten- und
Schülerhaus von Pyong Yang auf, wo sie Zeit finden, Übungen und Hausaufgaben
für die Schule zu machen, aber insbesondere auch in Freizeitclubs zu gehen. Die
Mädchen zeigen große Begeisterung beim Tanzen und musizieren, die Jungen
hingegen spielen lieber Fußball, Boxen oder machen Gymnastik.
Jeder hat in diesem Land ein Recht auf Bildung, sie wird sogar zur Pflicht gemacht.
Den Kindern wird immer wieder deutlich gemacht, wie fleißig sie sein müssen, damit
sie die Schule schaffen. Disziplin und Selbstkontrolle stehen für jeden der Schüler an
oberster Stelle. Daher kommt der Frage nach Chancengleichheit auch zwischen den
Geschlechtern in dieser Zeit noch gar keine Bedeutung zu. Die „Auslese“ findet erst
nach der Beendigung der Schule mit 16 Jahren statt, wenn es um die Entscheidung
über eine Hochschulausbildung geht. Obwohl hier die Kriterien der Familienherkunft,
Parteienverbund und die Bewertung der politischen Aktivitäten der Kandidaten
entscheidend sind, nicht aber die Schulleistung des einzelnen Schülers. Hier spiegelt
sich das Prinzip: ,,Einer für alle, alle für einen“ des Sozialismus wider, in dem das
Individuum in der Masse verschwindet.
12
Die Kindheit und das Jugendalter sind geprägt vom Umgang mit dem gleichen
Geschlecht, wobei das Zusammenspiel der einzelnen als Gruppe im Vordergrund
steht, nicht aber die Interessen der Individuen.
Eine grundsätzliche Beziehung zwischen den Geschlechtern, wie wir sie kennen,
durch einfache Kommunikation und Gedankenaustausch, aber auch in sexueller
Hinsicht, ist durch eine geschlechterspezifische Trennung sehr eingeschränkt. Die
Geschlechter werden auch schon rein optisch voneinander durch die traditionelle
Kleiderordnung getrennt. Die Mädchen tragen immer Kleider in sehr unauffälligen
Farben wie grau, beige und weiß. Die Jungen tragen weiße oder graue Hemden zu
dunklen Hosen.
Die Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht, abgesehen bei Geschwistern,
kommt erst auf Hochschulen oder im Beruf zum tragen.
Es gibt dennoch keine Konkurrenz zwischen den Geschlechtern, da es kaum eine
Teilnahme am Leben des anderen Geschlechtes gibt. Die Konzentration der
werktätigen
Frauen
Landwirtschaft
usw.
in
bestimmten
lässt
Bereichen,
vermuten,
dass
wie
eine
Bildung,
Gesundheit,
geschlechtsspezifische
Berufsorientierung bereits im Rahmen der Schulbildung erfolgt.
Die Gleichberechtigung der Geschlechter wurde in Nordkorea, mit der Regierung von
Präsident Kim, Il-Sung, zum Verfassungsgrundsatz und die Emanzipation der Frau
war erklärtes staatspolitisches Ziel. Das Leben der Frau hat sich besonders in der
ersten Entwicklungsepoche ( 1945 – 1946 ) grundsätzlich gewandelt. Aus der Rolle,
der
Frau
im
Haus
des
feudalistischen
Familiensystems
wurde
die
der
gleichberechtigten Gestalterin eines starken sozialistischen Staates. Des Weiteren
sollten ihre Tätigkeitsfelder erweitert werden, über die Kindererziehung und
Hausarbeit hinaus. Neue Gesetze für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gleiche
Bildungschancen, Recht auf Arbeit, Mutterschutzgesetze usw. wurden festgelegt.
Es zeigt sich eine von außen sehr kontrollierte, respektvolle Geschlechterbeziehung,
wie z.B. auch bei der Anrede unter den Eheleuten. So wird öffentlich gefordert,
Fremden den Ehemann als „unser Herr“ oder „unser Haushaltsvorstand“ und die
Frau als „meine Frau“ oder „Mensch unseres Hauses“ vorzustellen. Bewirkt werden
soll damit eine Harmonie in den Familien, zu den Nachbarn und letztendlich wieder in
der gesamten Gesellschaft.
Auch die Geschlechterbeziehungen sind geprägt vom politischen System des
Sozialismus, in dem kein Individuum Platz findet, sich frei zu entfalten. Sie sind
13
gekennzeichnet vom Respekt gegenüber dem anderen, jedoch fehlt jegliche
emotionale Beziehung zum anderen Geschlecht, die durch die Organisation der
Institutionen völlig unterdrückt wird.
Das Familienleben und die Rolle der Frau
In der sozialistischen Verfassung (1972) wird die Familie als „Zelle der Gesellschaft“
bezeichnet:
,,Familie ist die Zelle der Gesellschaft , in der die sich leiblich am
nahestehendsten Eltern, Kinder und Geschwister gemeinsam leben. Wie für die
Gesundheit des menschlichen Lebens die einzelne Zelle gesund sein muss,
muss die einzelne Familie gesund sein, wenn eine revolutionäre Atmosphäre in
der Gesellschaft geschaffen werden soll, und erst wenn alle Familien
revolutioniert sind, kann die Gesellschaft revolutioniert werden.“12
Gordian Tröller zeigt in seinem Film „Grüße aus Pyong Yang“ die nordkoreanische
Familie nach dem Bedeutungswandel der Stellung der Familie Nordkoreas. Dieser
Wandel war gekoppelt an den gesamten Umstrukturierungsprozess, insbesondere an
den des Wirtschaftssystems.
Der Film zeigt eine Familie, in der der Vater in einer Maschinenfabrik tätig ist und die
Mutter in einer Stofffabrik. Das Familienleben scheint sehr strukturiert und
organisiert, und es wird auch sehr darauf geachtet, dass die Familienmitglieder
immer wieder zusammen kommen, um sich auszutauschen. Zeit dafür findet die
Familie dafür in der Mittagszeit, aber besonders auch am Wochenende.
In der Reformphase hatte die Auflösung des feudalen Familiensystems einen hohen
Stellenwert. Das Ziel war hier die Befreiung der Frauen – die Frau sollte aus dem
Haus geholt werden und ihre Arbeitskraft in den Produktionsprozess eingebunden
werden. Allerdings änderte sich dieser Plan mit der Machtübernahme des Sozialisten
Kim, Il-Sung. Neben der Rolle der Frau als Erbauerin des Sozialismus rückte ihre
Rolle als Mutter in den Vordergrund. Wenn man den Begriff der Frauenbefreiung
14
betrachtet lief hier ein widersprüchlicher Vorgang ab: nach dem Abschluss der
Kollektivierung des Wirtschaftssystems, wodurch dem traditionellen familiären
Wirtschaftssystem der Boden entzogen wurde und die Frau eine materielle Basis für
ihre Unabhängigkeit erhielt wurde die Mutterrolle wieder stärker hervorgehoben. Die
Mutter von Kim, Il-Sung war das Idealbild der Frau, dem die Frau als Mutter, Ehefrau
und als Schwiegermutter nacheifern sollte. Sie vereinte alle „guten und edlen
Eigenschaften“ wie Sanftmütigkeit, Weisheit, Opferbereitschaft, Fleiß, Höflichkeit, die
zugleich entschlossen ihrem Mann im revolutionären Kampf beisteht. Die Rolle der
Frau beschränkte sich auf eine unterstützende Funktion, gekennzeichnet durch eine
Opferbereitschaft für Familie und Gesellschaft. 13
Auch wenn es Versuche gab, die Rolle der Frau zu begünstigen und es auch im Film
nicht deutlich ersichtlich wurde, steht die Frau doch immer noch deutlich unter dem
Mann und hat für das Wohl und die Ordnung in der Familie zu sorgen. Letztendlich
hat die Frau eigentlich gar keine eigene, zumindest selbst bestimmbare Rolle, denn
ihr Verhalten zeichnet sich nur durch Anpassung an Familie und Gesellschaft aus.
Das Wohlergehen der Familie ist im Sozialismus wichtig für das Wohlergehen der
Gesellschaft.
13
Vgl. Park, Sang-Im, Das Verhältnis der Geschlechter in ausgewählten Schulbüchern Nord- und Südkoreas
unter besonderer Berücksichtigung der Illustration, S. 111 - 155
15
16
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